Der Apostolische Stuhl 1993 Ansprachen, Predigten und Botschaften des Papstes Erklärungen der Kongregationen Vollständige Dokumentation Libreria Editrice Vaticana • Verlag J.P. Bachem 1999 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ecclesia Catholica / Curia Romana: Der Apostolische StuhlAnsprachen, Predigten u. Botschaften des Papstes, Erkl. d. Kongregationen; vollst. Dokumentation / Hrsg.: Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit d. Rd. d. dt.-sprachigen L’Osservatore Romano. -[Cittä del Vaticano]: Libreria Editrice Vaticana; Köln: Bachem Erscheint jährl. Forts, von: Wort und Weisung 1982(1993)— NE: Ecclesia Catholica / Papa; HST ISBN 3-7616-1244-3 Printed in Germany Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Redaktion des deutschsprachen L’Osservatore Romano Verlag: J. B. Bachem, Köln, und Libreria Editrice Vaticana Druck: Druckerei J. B. Bachem GmbH & Co KG Köln Vorwort Der Dokumentationsband „Der Apostolische Stuhl 1993“ ist der zwölfte Band in der 1982 begonnenen Reihe. Die Zusammenstellung der Ansprachen, Predigten, Botschaften und Enzykliken des Papstes erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Ausgabe. Es geht vielmehr darum, die Dokumente mit Hilfe eines ausführlichen Registers zugänglich zu machen. Die Übersetzungen sind weitgehend der deutschen Ausgabe des „L’Osservatore Romano“ entnommen. Sofern Texte dort nicht erschienen sind, wurden sie eigens für diesen Band übersetzt. Zur Vervollständigung der Reihe „Der Apostolische Stuhl“ können die Bände der Jahre 1982 bis 1992 noch beim Verlag bezogen werden. Inhaltsverzeichnis I. Ansprachen bei den Generalaudienzen und beim Angelus Januar Sorge um die Menschen in den Kriegsgebieten Angelus am Neujahrstag, 1. Januar 3 Assisi: Gebet, Buße und Fasten sind die Waffen des Friedens Angelus am 3. Januar . 4 Um Eintracht und Frieden für die Menschheit beten Angelus am Dreikönigsfest, 6. Januar , .., 5 Petrus öffnet die Kirche für die Heiden Generalaudienz am 13. Januar 6 In der Suche nach der vollen Einheit fortschreiten Angelus am 17. Januar 10 Mitarbeiter Gottes am Werk der Einheit sein Generalaudienz am 20. Januar,. :.. 11 Zeit der Umkehr zur Politik des Friedens Angelus am 24. Januar 14 Der Bischof von Rom ist Nachfolger Petri Generalaudienz am 27. Januar 15 Menschliches Leben ist heilig und unantastbar Angelus am 31. Januar 20 Februar Humanitäre Hilfe muß Bestimmungsort erreichen Angelus am 14. Februar 21 Hoffnung auf Annäherung der Christen und Muslime im Sudan Generalaudienz am 17. Februar.. 23 In Angola und Ruanda statt Waffen die Vernunft gebrauchen Angelus am 21. Februar ;. 26 Der Petrusdienst des Bischofs von Rom als Hirt der Gesamtkirche Generalaudienz am Aschermittwoch, 24. Februar 28 vn Sich auf Ostern durch Gebet, Fasten und Nächstenliebe vorbereiten Angelus am 28. Februar 32 März Es ist Zeit, zu Gott zurückzukehren! Angelus am 7. März 33 Das Lehramt des Nachfolgers Petri als Auftrag für die Gesamtkirche Generalaudienz am 10. März 36 Auf die väterliche Liebe Gottes mit Liebe antworten Angelus am 14. März 40 Das Charisma der Unfehlbarkeit Generalaudienz am 17. März 41 Ehrfurcht vor Gott sichert Achtung des Menschen Angelus am 21. März 44 Das Lehramt befreit die Prinzipien der Vernunft von interessegesteuerten Verzerrungen Generalaudienz am 24. März 45 Der Tag des Herrn als Protest gegen die Versklavung durch die Arbeit Angelus am 28. März 50 Die Priester als engste Mitarbeiter des Bischofs Generalaudienz am 31. März 51 April Einladung zum Jugendfest in Denver Angelus am Palmsonntag, 4. April 55 Das Heilsgeheimnis des christlichen Lebens Generalaudienz am 7. April 57 Mit vollen Händen aus Christus Friede und Freude schöpfen Regina Coeli in Castel Gandolfo am Ostersonntag, 12. April 60 Die Verkündigung von Jesu Tod und Auferstehung ist das Herzstück des christlichen Glaubens Generalaudienz am 14. April 61 Im Gebet des Warschauer Aufstands gedacht Regina Coeli am 18. April .64 VIII Der Prediger soll sich nicht auf Menschenweisheit, sondern auf die Kraft Gottes stützen Generalaudienz am 21. April 66 Die Wiedergeburt Albaniens geschieht im Zeichen der Ökumene Generalaudienz am 28. April 70 Mai Gott um das Geschenk geistlicher Berufe bitten Regina Coeli am 2. Mai 74 Der sakramentale Dienst der Priester besitzt göttliche Fruchtbarkeit Generalaudienz am 5. Mai 75 Die Eucharistie verstärkt die Freude an der Gemeinschaft mit der Kirche Generalaudienz am 12. Mai 79 Schönheit des Rosenkranzgebets Regina Coeli am 16. Mai 83 Die überaus vielfältigen Aufgaben des Priester und Hirten der Gemeinschaft Generalaudienz am 19. Mai 85 Priester sein - eine Herausforderung zur Heiligkeit Generalaudienz am 26. Mai 89 Angetrieben vom Geist Gottes Regina Coeli am Pfingstsonntag, 30. Mai 93 Juni Der Priester, ein Mann des Gebets Generalaudienz am 2. Juni 94 Gebet für die anstehende Dialogkonferenz zwischen Katholiken und Orthodoxen Angelus am Dreifaltigkeitssonntag, 6. Juni 99 Die Eucharistie - Herzmitte der priesterlichen Existenz Generalaudienz am 9. Juni 100 Das Evangelium in einer entchristlichten Welt neu verkünden Generalaudienz am 23. Juni 104 Das Buch der Synode in die Praxis umsetzen Angelus am 27. Juni 106 Die Apostelfürsten mögen helfen, die Schwierigkeiten in der Welt zu lösen Angelus am Fest Peter und Paul, 29. Juni 108 IX Der Priester soll in seinem Dienst auf die Hilfe Marias vertrauen Generalaudienz am 30. Juni ....; 109 Juli Die Jugend wird in Denver ein Zeichen gegen Gewalt setzen Angelus am 4. Juli 114 Das Hirtenamt nicht in einem autoritären Stil ausüben Generalaudienz am 7. Juli 115 Besonders die Jugend für den Umweltschutz sensibilisieren Angelus in Santo Stefano di Cadore am 11. Juli 119 Zölibat bedeutet volle Zugehörigkeit zu Christus Generalaudienz am 17. Juli 120 Das gemeinsame Gebet der Christen ist die Seele der ökumenischen Bewegung Angelus in Castel Gandolfo am 18. Juli 124 Einfacher Lebensstil für den Priester empfohlen• ■ ■ ■ Generalaudienz am 21. Juli 126 Selbstmordfälle drücken tiefes Unbehagen in der Wohlstandsgesellschaft aus Angelus in Castel Gandolfo am 25. Juli 131 Absage an ein politisches Mandat der Priester Generalaudienz am 28. Juli 132 August Der Urquell des Lebens Angelus am 1. August 137 Priesterliche Gemeinschaft - Teilnahme an der Trinität Generalaudienz am 4. August 138 Das Leben in Fülle haben Angelus am 8. August 142 Gemeinsam eine aufnahmebereite und offene Welt aufbauen Generalaudienz am 18. August 144 Ein Besuch mit ökumenischer Dimension Angelus in Castel Gandolfo am 22. August 148 Die Beziehung der Priester zu ihren Bischöfen stärken Generalaudienz am 25. August........ 150 X Das Gebet der Katholiken, Orthodoxen und Lutheraner begleite den Besuch im Baltikum Angelus in Castel Gandolfo am 29. August 153 September Das Verhältnis der Priester untereinander Generalaudienz am 1. September 155 Der Mensch bedarf der Erlösung Angelus in Castel Gandolfo am 12. September 159 Rückblick auf die Pilgerreise ins Baltikum Generalaudienz am 15. September 161 Die Christen sollen eins sein, damit die Welt glaubt Angelus am 19. September 164 Die Priester sollen immer und überall Menschen des Friedens sein Generalaudienz am 22. September 166 Jede Berufung ist ein Geschenk Gottes Generalaudienz am 29. September 170 Oktober Die Enzyklika möge Zustimmung finden Angelus am 3. Oktober 172 Die Bedeutung des Diakonats im Leben der Kirche Generalaudienz am 6. Oktober 174 Die Märtyrer: Zeugen von Wahrheit und Freiheit Angelus am 10. Oktober 178 Die Aufgaben des Diakons in der Gemeindeseelsorge Generalaudienz am 13. Oktober 179 Christus hat uns zur Freiheit befreit Angelus am 17. Oktober 182 Diakonat heißt Gleichgestaltung mit Christus Generalaudienz am 20. Oktober , 184 Mehr mit dem Zeugnis des Lebens als mit Worten Angelus am Weltmissionssonntag, 24. Oktober 188 Die kirchliche Identität der Laien Generalaudienz am 27. Oktober 189 XI Menschliches Leben vor Manipulationen bewahren Angelus am 31. Oktober 192 November Sich neu besinnen auf die Berufung zur Heiligkeit Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November 194 Der Weltcharakter der Laien in der Kirche Generalaudienz am 3. November 195 Auf die Stimme des Gewissens hören Angelus am 7. November 198 Die Laien und das Geheimnis Christi Generalaudienz am 10. November 199 Zum Wohl der ganzen Menschheitsfamilie Angelus am 14. November 203 Ein offenes Herz für die Armen Grußwort an die Pilger auf dem Petersplatz am 17. November 204 Aufruf zur brüderlichen Solidarität Angelus am 21. November 205 Die Berufung der Laien zur Heiligkeit Generalaudienz am 24. November 207 1994 Internationales Jahr der Familie Angelus am 1. Adventssonntag, 28. November 210 Dezember Grundlagen der Laienspiritualität Generalaudienz am 1. Dezember...; ; 211 Familie - Kemzelle der Gesellschaft Angelus am 2. Adventssonntag, 5. Dezember 215 Maria, Zeichen der Hoffnung und des Trostes Angelus am Fest der Immakulata, 8. Dezember 216 Gebetstag für den Frieden auf den 23. Januar festgesetzt Angelus am 3. Adventssonntag, 12. Dezember 218 Die Teilhabe der Laien am Priestertum Christi Generalaudienz am 14. Dezember 220 Menschliche Natur und unsterbliche Seele Angelus am 4. Adventssonntag, 19. Dezember 223 XII 224 Weihnachten gibt dem Menschen Lebenssinn Generalaudienz am 22. Dezember Die Familie gründet auf der unauflöslichen Ehe Angelus am Fest der Heiligen Familie, 26. Dezember 228 Jahr des Gebetes und der Katechese für die Familien Generalaudienz am 29. Dezember 229 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Gebetstag für den Frieden in Europa in Assisi (9./10. Januar) Samstag, 9. Januar Ansprache in Assisi zur Eröffnung des Gebetstreffens für den Frieden in Europa 235 Predigt in der Oberkirche von San Francesco in Assisi bei der Gebetswache für den Frieden in Europa ...: 238 Ansprache an die behinderten Kinder und Jugendlichen im Seraphikus-Heim in Assisi 242 Sonntag, 10. Januar Predigt bei der Eucharistiefeier in der Oberkirche von San Francesco am Gebetstag für den Frieden in Europa 244 Angelus in Assisi am Gebetstag für den Frieden in Europa 247 Ansprache an die Vertreter der muslimischen Gemeinschaft Europas im Konvent von San Francesco in Assisi am Gebetstag für den Frieden in Europa 249 Ansprache an die Klarissinnen und an die Klausumonnen der Diözese in Assisi am Gebetstag für den Frieden in Europa , 251 2. Pastoraireise nach Benin, Uganda und in den Sudan (3. bis 10. Februar) Mittwoch, 3. Februar Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Cotonou (Benin) 255 Predigt bei der Messe mit Priesterweihe in Cotonou (Benin) 257 Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen von Benin in Cotonou (Benin). 262 Donnerstag, 4. Februar Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern des Islam in Parakou (Benin).. 267 Predigt bei der Messe in Parakou (Benin) 269 Ansprache an die Vertreter des Wodukults in Cotonou (Benin) 274 Predigt bei der Vesper in der Kathedrale in Cotonou (Benin) 276 XHI Samstag, 6. Februar Predigt bei der Eucharistiefeier in Gulu (Uganda) 279 Ansprache beim Treffen mit der Jugend in Kampala 283 Sonntag, 7. Februar Ansprache im anglikanischen Heiligtum der ugandischen Märtyrer in Namugongo .288 Predigt beim Gottesdienst im Heiligtum der ugandischen Märtyrer in Namugongo 290 Angelus im Kampala 294 Botschaft an die Kranken in Uganda, überreicht am 7. Februar 296 Graßwort an die Kranken im St. Francis Hospital in Kampala.. 299 Graßwort an die Muslime in Nsambya 301 Ansprache an die ugandischen Bischöfe in Kampala 301 Montag, 8. Februar Predigt bei der Eucharistiefeier in Kasese (Uganda) 307 Ansprache an das Diplomatische Korps in Kampala 312 Ansprache an die Comboni-Missionare in Kampala 316 Dienstag, 9. Februar Predigt während der Messe in Soroti (Uganda) 318 Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode in Kampala... 322 Mittwoch, 10. Februar Ansprache beim Besuch der Kathedrale in Khartum (Sudan) 330 Ansprache an das Staatsoberhaupt in Khartum (Sudan) 333 Ansprache an die Führer der verschiedenen Religionsgemeinschaften in Khartum..... 336 Predigt bei der Messe zu Ehren der sei. Josephine Bakhita in Khartum............... 337 Ansprache vor dem Abflug von Khartum 341 3. Pastoralbesuch in der Diözese Sabiria-Poggio Mirteto (Freitag, 19. März) Predigt bei der Eucharistiefeier in Monterotondo 345 Ansprache an die Landarbeiter in Vescovio 347 Ansprache an die Bürger von Magliano Sabina 352 Ansprache an die Bürger von Poggio Mirteto 355 Kurzes Wort an die Jugend im Anschluß an die Ansprache an die Bürger von Poggio Mirteto 357 XIV 4. Pastoraireise nach Albanien (25. April) Video-Botschaft an die albanische Bevölkerung am Vorabend ■ des Pastoralbesuchs vom24. April .361 Sonntag, 25. Apri. Ansprache bei der Ankunft auf dem Flugplatz Rinas (Tirana) 362 Predigt bei der Bischofsweihe in Scutari 364 Regina Coeli in Scutari : 368 Ansprache bei der Abschiedszeremonie in Tirana ..371 5. Pastoralbesuch in Sizilien (8. bis 10 Mai) Samstag, 8. Mai Ansprache an die Wissenschaftler im Zentrum „Ettore Maiorana” in Erice 377 Ansprache an die Bevölkerung in Trapani 383 Ansprache in der Kathedrale von Trapani 385 Ansprache an die Bevölkerung von Mazara del Vallo 387 Ansprache an Priester und Ordensleute in der Kathedrale von Mazara del Vallo 388 Predigt bei der heiligen Messe in Mazara del Vallo 389 Ansprache nach der Meßfeier in Agrigent 393 Ansprache an die Bevölkerung von Agrigent 394 Sonntag, 9. Mai Regina Coeli in Agrigent 396 Ansprache an die sizilianische Jugend in Agrigent 398 Ansprache an die Unternehmer in Agrigent 404 Predigt bei der heiligen Messe im Tal der Tempel von Agrigent., 407 Ansprache an Priester, Ordensleute und Laien in der Kathedrale von Agrigent.... 411 Ansprache an die Bevölkerung von Caltanissetta 414 Montag, 10. Mai Predigt bei der heiligen Messe in Caltanissetta 416 Ansprache an das regionale Berufsausbildungs- und Schulungszentrum in Caltanissetta 421 Ansprache an Arbeitnehmer in Caltanissetta 424 Ansprache im Gefängnis von Caltanissetta 427 XV 6. Pastoralbesuch in der Diözese Arezzo-Cortona-Sansepolcro (Sonntag, 23. Mai) Ansprache vor dem Sanktuarium der hl. Margareta von Cortona 431 Predigt in Arezzo 434 Weihegebet an die Muttergottes nach der Eucharistiefeier im Stadion von Arezzo 438 Regina Coeli in Arezzo 439 Improvisierte Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen von Arezzo... 440 Ansprache an die Priester, Ordensleute, Seminaristen, Katecheten und Laien in der Kathedrale von Arezzo 444 7. Pastoraireise nach Spanien (12. bis 16. Juni) Samstag, 12. Juni Predigt bei der Priesterweihe in Sevilla 449 Ansprache an die Bischöfe, Priester und Ordensleute in der Kathedrale von Sevilla 453 Ansprache zum Angelus auf dem Platz „Virgen de los Reyes” in Sevilla 456 Sonntag, 13. Juni Ansprache an die nationalen Delegierten beim Eucharistischen Weltkongreß in Sevilla 458 Predigt bei der Messe zum Abschluß des 45. Eucharistischen Weltkongresses in Sevilla 460 Angelus in Sevilla 464 Ansprache bei der Einweihungsfreier der „Residencia de San Rafael” 465 Montag, 14. Juni Ansprache im Sanktuarium „Nuestra Senora del Roclo” 468 Predigt in der Eucharistiefeier in Huelva im Sanktuarium „Madonna delaCinta” 471 Gebet vor dem Gnadenbild „Santa Maria La Räbida” 476 Dienstag, 15. Juni Predigt bei der Weihe der Kathedrale Unserer Lieben Frau von Almudena in Madrid 478 Ansprache an die Spanische Bischofskonferenz in Madrid 482 Mittwoch, 16. Juni Predigt bei der Heiligsprechung von Enrique de Ossö y Cervellö in Madrid 487 Ansprache bei der Laudes mit Seminaristen und Priestern im Diözesanseminar von Madrid 491 XVI Ansprache vor dem Diplomatischen Korps in der Apostolischen Nuntiatur in Madrid 496 8. Pastoralbesuch in den Regionen Marken, Umbrien und Abruzzen (19./20. Juni) Samstag, 19. Juni Ansprache in der Kathedrale von Macerata 501 Sonntag, 20. Juni Angelus auf dem Gran Sasso 501 Gebet am Grab der sei. Angela von Foligno in der Kirche San Francesco 504 9. Pastoralbesuch in Jamaika, Mexiko und Denver/USA (9. bis 15. August) Montag, 9. August Ansprache bei der Ankunft in Kingston (Jamaika) 505 Dienstag, 10. August Ansprache beim Morgengebet mit Priestern und Ordensleuten, Diakonen und Seminaristen in der Kathedrale von Kingston (Jamaika) 507 Ansprache bei der Begegnung mit den Laien in Kingston (Jamaika) 510 Ansprache beim Ökumenischen Gebetstreffen in Kingston (Jamaika) 513 Predigt bei der hl. Messe mit den Gläubigen von Jamaika im Nationalstadion in Kingston 516 Mittwoch, 11. August Ansprache an die Vertreter der eingeborenen Bevölkerung Amerikas in Izamal.. 521 Donnerstag, 12. August Ansprache bei der Ankunft auf dem internationalen Flughafen von Denver 526 Begrüßungsansprache an die Jugend in Denver 529 Predigt bei der Messe mit den Delegierten des Internationalen Jugendforums in Denver 536 Freitag, 13. August Predigt bei der Bischofsmesse in Denver 540 Samstag, 14. August Ansprache an die zum Weltjugendtag versammelten Jugendlichen in Denver 542 Predigt beim Wortgottesdienst in Denver 552 xvn Sonntag, 15. August . Angelus in Denver 556 Predigt an die Jugendlichen während der Abschlußmesse des Weltjugendtages in Denver 557 Ansprache bei der Begegnung mit der vietnamesischen Gemeinde in Denver 563 Grußwort im Berg-Vinzenz-Heim in Denver 565 10. Pastoralbesuch in Litauen, Lettland und Estland (4. bis 10. September) Samstag, 4. September Ansprache auf dem internationalen Flughafen von Vilnius 569 Ansprache an den Klerus, die Ordensleute und die Seminaristen in Vilnius 570 Vor dem Rosenkranzgebet in Vilnius 576 Sonntag, 5. September Gebet beim Besuch der Gräber der Märtyrer der Unabhängigkeit (1991) in Vilnius 577 Predigt in Vilnius 579 Vor dem Angelus in Vilnius 583 Ansprache an die Mitglieder des Diplomatischen Korps in Vilnius 584 Ansprache an die Welt der Kultur in Vilnius 589 Ansprache an die polnische Gemeinde in der Heilig-Geist-Kirche in Vilnius 594 Montag, 6. September Ansprache an die litauischen Bischöfe in Kaunas 598 Ansprache an die Jugendlichen in Kaunas 600 Predigt in der Eucharistiefeier vor dem Priesterseminar in Kaunas 606 Dienstag, 7. September Predigt während der Eucharistiefeier beim Hügel der Kreuze in Siaulai/Schaulen (Litauen) 609 Ansprache beim Wortgottesdienst in Siluva 612 Mittwoch, 8. September Ansprache bei der Ankunft in Riga (Lettland) 616 Ansprache während des ökumenischen Gebetstreffens in Riga (Lettland) 618 Predigt bei der Eucharistiefeier in Riga (Lettland) 621 Donnerstag, 9.September Predigt bei der Eucharistiefeier in Aglona (Lettland) 625 Kürze Worte bei der Überreichung des Textes der Ansprache in Riga (Lettland)..630 Ansprache bei der Begegnung mit der Welt der Kultur in Riga (Lettland) 632 XVIII Freitag, 10. September Ansprache bei der Abschiedszeremonie in Riga (Lettland) 637 Ansprache bei der Begrüßung in Tallinn (Estland) 639 Botschaft an die Welt der Kultur in Tallinn (Estland) 641 Ansprache beim ökumenischen Gebetstreffen in Tallinn (Estland) ..644 Predigt bei der heiligen Messe in Tallinn (Estland) 648 Ansprache bei der Abschiedszeremonie in Tallinn (Estland) 654 11. Pastoralbesuch in La Verna und Camaldoli (Freitag, 17. September) Predigt in der Eucharistiefeier im Sanktuarium von La Verna 657 Angelus in La Verna 660 Gebet in der Franziskus-Kapelle in La Verna 662 Ansprache an die Franziskanischen Gemeinschaften in La Vema 662 Ansprache an die Franziskanischen Gemeinschaften in Camaldoli 665 12. Pastoralbesuch in Asti (25726. September) Samstag, 25.September Ansprache an die Priester, Ordensleute und Mitglieder der Säkularinstitute in der Kirche S. Secondo in Asti 669 Ansprache an Behörden und Bürgerschaft auf der Piazza S. Secondo 671 Ansprache an die Familien in der Kathedrale von Asti 673 Ansprache an die Oblaten vom hl. Josef in Asti 677 Sonntag, 26. September Gebet vor dem Gnadenbild „Madonna Porta Paradisi” in Asti 678 Predigt bei der feierlichen Messe zur Seligsprechung von Bischof Giuseppe Marello, Gründer der Kongregation der Oblaten vom hl. Josef, in Asti 679 Angelus in Asti 682 Ansprache beim Besuch im städtischen Altenheim in Asti 683 Ansprache an die Jugend im Sportpalast von Asti 685 Improvisierte Ansprache an die Jugend im Sportpalast von Asti 688 Ansprache in der Pfarrei Isola d'Asti 691 XIX III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben Januar Willst du den Frieden, komm den Armen entgegen! Botschaft zur Feier des 26. Weltfriedenstages am 1. Januar 1993 vom 8. Dezember 1992 . 695 Nur die Armut Jesu kann Haß und Krieg besiegen Predigt bei der Messe am Hochfest der Gottesmutter Maria und 26. Weltfriedenstag, 1. Januar 702 Die Taufe ist Fundament des christlichen Lebens Predigt bei der Feier der Kindertaufe am 2. Januar 704 Dialog zwischen Religion und Wissenschaft soll Menschen dienen Ansprache an die Mitglieder der „American Psychiatric Association” am 4. Januar 706 Jesus Christus, König aller Völker der Erde Predigt bei der Bischofsweihe am Dreikönigsfest, 6. Januar 708 Europae orientalis Apostolisches Schreiben „Motu Proprio”, mit dem die Päpstliche Kommission „Pro Russia” mit der „Behördenübergreifenden Ständigen Kommission für die Kirche in Osteuropa” ersetzt wird, vom 15. Januar.... 710 Gleichgültigkeit gegenüber körperlicher und moralischer Gewalt ist eine schuldhafte Unterlassung Ansprache beim Neujahrsempfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 16. Januar 712 Gebt einander ein Zeichen des Friedens! Worte vor Beginn der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen an die Jugend der römischen Pfarrei S. Elena am 17. Januar 722 Gottes Segen für Amerika Glückwunschtelegramm zur Amtseinführung des neuen US-amerikanischen Präsidenten William Jefferson Clinton vom 20. Januar 722 Sinn für Gemeinschaft und Solidarität fördern Ansprache an die Teilnehmer des 15. nationalen Kongresses der Italienischen Katholischen Volksschullehrervereinigung am 22. Januar 723 Nicht Proselytismus, sondern brüderlicher Dialog führt zur Einheit Predigt in St. Paul vor den Mauern zum Abschluß der „Gebetswoche für die Einheit der Christen” am 25. Januar 725 XX Echte Erneuerung der Politik gefordert Ansprache an den Bürgermeister, die Stadtverwaltung und den Gemeinderat von Rom am 25. Januar , 730 Muslime und Christen sollen Zusammenarbeiten Grußworte an eine Delegation des Islamischen Weltbundes am 28. Januar 733 Recht ist das Mittel, Gerechtigkeit das Ziel Ansprache an den Gerichtshof der Rota Romana am 29. Januar 734 Neuer Katechismus für die Familie vorgesehen Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 30. Januar 738 Februar Ohne Eigennutz den Bürgern dienen Ansprache an die Vertreter des römischen Provinzrates und Provinzausschusses am 1. Februar 741 Hilfe und Schutz für die vergewaltigten Frauen und ihre unschuldigen Kinder Brief an den Erzbischof von Vrhbosna, Sarajewo, Vinko Puljic, über die Kriegsgreuel in Bosnien-Herzegowina vom 2. Februar 744 Das Ordensleben ist ein unübersehbares Zeichen in der Welt Predigt am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 745 Die Liebe zu den Leidenden kennzeichnet das soziale Niveau eines Volkes Botschaft zum ersten Welttag des Kranken am 11. Februar 1993 vom 21. Oktober 1992 748 Die Leidenden Afrikas der Mutter Gottes anvertraut Ansprache zum Schluß der Messe mit den Kranken der Diözese Rom am 11. Februar 751 Menschliche Würde geht über nationale Interessen Ansprache an den Staatspräsidenten der Republik Slowenien, Milan Kucan, am 19. Februar 752 Sich selbst hingeben Meditation nach der Aufführung des Oratoriums zu Ehren von P. Maximilian Kolbe im Römischen Priesterseminar am 20. Februar 755 Brief im Anschluß an die Ad-limina-Besuche der deutschen Bischöfe an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Karl Lehmann, vom 23. Februar 758 Das Gute ringt mit dem Bösen Predigt beim Gottesdienst in Santa Sabina am Aschermittwoch, 24. Februar 759 XXI Mich dürstet Botschaft für die Fastenzeit 1993 vom 18. September 1992 . 761 Den erniedrigten Frauen und wehrlosen Kindern beistehen Ansprache während einer Audienz anläßlich der Herausgabe der päpstlichen Weltfriedensbotschaften am 25. Februar 763 Der Rückgang von Berufungen darf den missionarischen Eifer nicht bremsen! Anprache an die Teilnehmer der ersten Vollversammlung der Ständigen Kurienkommission für die gleichmäßige Verteilung der Priester auf Weltebene am 26. Februar 765 Arbeiter im Dienste der Evangelisierung Schreiben an den hochw. Pater Pierre Drouin, Generalsuperior der Kongregation von Jesus und Maria, vom 27. Februar 768 März Die volle Gemeinschaft der Kirchen wiederherstellen Brief an den Präsidenten der Schweizer Bischofskonferenz anläßlich der Ernennung von zwei Weihbischöfen für die Diözese Chur vom 1. März.. 770 Mut zum Frieden haben Botschaft an den UN-Generalsekretär Boutros-Ghali vom 1. März 772 Das weltweite Flüchtlingsproblem: eine Herausforderung zur Solidarität Botschaft an den Präsidenten der internationalen Stiftung „Weg zum Frieden”, Rene Valery Mongbe, vom 5. März : :. 773 Alle Wege der Evangelisierung führen zu Christus Dankworte zum Abschluß der Fastenexerzitien am 6. März 776 Die moralischen Standards bei der Werbung zum Schutz der Familien verbessern Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 12. März... 777 Ihr seid die Hoffnung der Kirche Ansprache bei der Sonderaudienz für die Jugend am 17. März 779 Dank und gute Wünsche für Erzbischof Karl-Josef Räuber Grußwort zu Beginn der Eucharistiefeier mit den Studenten der Päpstlichen Diplomatenakademie am 17. März :... 780 Der hl. Johannes von Nepomuk als leuchtendes Beispiel Brief an Joachim Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln, vom 17.März 781 Solidarität als Bestandteil von Umkehr und Buße Grußwort an eine Pilgergruppe des Bistums St. Pölten am 18. März 782 XXII Die hl. Hedwig als Beispiel des Friedens und der Versöhnung Grußwort an eine Pilgergruppe der Apostolischen Administratur Görlitz am 18. März 783 Besondere Aufmerksamkeit der Kinderpastoral widmen Ansprache an die Präsidenten der Bischofskommissionen für die Familie und das Leben in Lateinamerika am 18. März 784 Ein Vorbild für die starken Bande zwischen dem Bischof und seinen Mitarbeitern Brief an den Erzbischof von Prag, Miloslav Vlk, anläßlich der 600-Jahr-Feier zu Ehren des hl. Johannes Nepomuk vom 19. März 787 Ein Vorbild im Kampf gegen den Atheismus Predigt während der Feier zur Bestätigung der liturgischen Verehrung von Johannes Duns Scotus und zur Seligsprechung von Dina Beianger am 20. März :— 790 Ermutigung zum Krankenapostolat Ansprache an die Mitglieder der Vereinigung für Krankenwallfahrten nachLourdes (OFTAL) am 20. März 794 Hoffnungszeichen und Hilfe in der Stunde der Prüfung Ansprache an die Pilger, die an den Selig- und Heiligsprechungsfeierlichkeiten vom 20. bis 22. März teilgenommen haben, vom 20. März 796 Telegramm zum Tode von Kardinal Sebastiano Baggio vom 21. März 800 Das Wesen der christlichen Botschaft: lieben, leiden, beten, dienen Ansprache bei der Heiligsprechung der Seligen Claudine Thevenet und Teresa de Jesus „de los Andes” am 21.März 800 Ein intensives Leben in kirchlichen Diensten Predigt bei der Begräbnisfeier für Kardinal Sebastino Baggio am 23. März 804 Apostolisches Schreiben Motu Proprio über die Zusammenlegung des „Päpstlichen Rates für den Dialog mit den Nichtglaubenden” mit dem „Päpstlichen Rat für die Kultur” sowie die Umwandlung der „Päpstlichen Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes” in eine eigenständige „Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche” vom 25. März... 808 Die Beichtväger müssen besonders beim sechsten Gebot Feingefühl zeigen Ansprache an die Mitglieder der Apostolischen Pönitentiarie am 27. März 810 xxni In der Taufe die Berufung für das Leben entdecken Begegnung mit den Jugendlichen der neokatechumenalen Bewegung am 28. März 814 April Christus schenkt uns die Liebe und das Leben in Fülle, Christus kommt, damit wir das Leben haben Predigt beim Gottesdienst am Palmsonntag, 4. April 816 Einigkeit angesichts von Gleichgültigkeit und Antisemitismus Botschaft an die Koordinierungskommission jüdischer Vereinigungen in Polen vom 6. April 819 Eine Begegnung mit der Seele der einheimischen Bevölkerung Ansprache beim Besuch der Ausstellung „Nuevo Mundo” im Vatikan am 6. April 820 Die Roma haben Recht auf würdigen Platz in der Gesellschaft Brief an Bischof Tadeusz Rakoczy zum 50. Gedenktag an den ersten Zigeunertransport ins KZ Auschwitz-Birkenau vom 7. April 821 Schreiben an alle Priester zum Gründonnerstag 1993 vom 8. April : 822 Die Gnade der Priesterweihe neu beleben Predigt in der Chrisammesse am Gründonnerstag, 8. April 828 Der Kelch des Neuen Bundes bezeichnet das Leben Predigt bei der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag, 8. April 829 Der Umzug des Karmels steht bevor Brief an die Karmehtinnen in Auschwitz, übermittelt durch Bischof Tadeusz Rakoczy von Bielsko-Zywiec vom 9. April 831 Auch heute verehren die Christen in vielen Kolosseen das Kreuz Ansprache am Ende des Kreuzweges beim Kolosseum am 9. April 832 In der Kirche aus dem Geist des Konzils tätig sein Ansprache an die Gemeinschaft Sant’ Egidio am 10. April 833 Die Auferstehungsbotschaft erneuert die Menschheitsgeschichte Predigt während der Ostemachtliturgie am 10./11. April 835 Das unsagbare Grauen des Krieges beenden. Osterbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi” am Ostersonntag, 11. April 837 XXIV Sich auf das für Europa Typische konzentrieren Schreiben an die Versammlung des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen vom 14. April 839 Die starke Solidarität Europas mit anderen Kontinenten betonen Ansprache an den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) am 16. April 841 Gemeinsames Erbe von Katholiken und Lutheranern pflegen Grußwort an den lutherischen Bischof Bengt Wadensjö beim Rombesuch mit Vertretrem der Diözese Karlstad am 17. April....; 846 Die göttliche Barmherzigkeit als Antwort auf die Ängste der Zeit Predigt bei der Feier der Seligsprechungen am Weißen Sonntag, 18. April 847 Die Seligen offenbaren die Liebe Gottes Ansprache an die Pilger der Seligsprechungen am Vortag vom 19. April 851 Der Glaube wurde trotz der Verfolgung nie zerstört Ansprache an den ersten Botschafter von Albanien beim Heiligen Stuhl, Willy Gjon Kamsi, am 22. April 857 In vielen Pfarreien der Ewigen Stadt fehlen Gotteshäuser Ansprache an die Teilnehmer der Tagung zum Thema „50 Kirchen für Rom 2000” am 22. April 859 Die authentische Bibelauslegung ist wichtig für den Glauben und die Kirche Ansprache an die Päpstliche Bibelkommission am 23. April 862 Vorbild für das Staatsrecht Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Symposiums über das Kanonische Recht am 23. April 872 Papst erwartet Reise ins Heilige Land Ansprache an die Mitglieder des Ritterordens vom Hl. Grab am 24. April 876 Dank für Hilfen bei der Priesterausbildung Grußwort an die Mitglieder der „Papal Foundation” am 27. April 877 Den Christen im Irak möge das Trauma der Entwurzelung erspart bleiben Botschaft an Raphael Bidawid, Patriarch von Babylon der Caldäer, und die katholischen Bischöfe im Irak vom 28. April , 878 Der neue Katechismus der Katholischen Kirche ist für alle Gläubigen bestimmt Ansprache an die Präsidenten der Katechesekommissionen der Bischofskonferenzen am 29. April 880 XXV Mai Das christliche Zeugnis in der gesellschaftlichen Diskussion wachhalten Ansprache anläßlich des 25. Jahrestages der katholischen Tageszeitung „Awenire” am 1. Mai 884 Bei der Jugend die Bereitschaft zur Annahme der Berufung wecken Botschaft zum 30. Weltgebetstag für geistliche Berufe am 2. Mai (Vierter Ostersonntag) vom 8. September 1992 888 Christus: einziger Mittler zwischen Gott und Menschen Predigt bei der Weihe von 29 Priestern für die Diözese Rom am 2. Mai.. 891 Sprache der Natur wahmehmen und vermitteln Ansprache an den Skilehrerverband am 3. Mai.... 893 Gardedienst als Glaubenszeugnis Predigt während der Eucharistiefeier mit der Schweizergarde am 6. Mai 894 Die Kinder vor Schäden an Leib und Seele bewahren Ansprache an die Direktoren der Päpstlichen Missionswerke anläßlich des 150. Jahrestages des Päpstlichen Kindermissionswerkes am 6. Mai 895 Unter Lebensgefahr den Glauben bekannt Schreiben an den Generalabt der Prämonstratenser anläßlich der 850-Jahr-Feier der Ordensgründung vom 7. Mai 899 Weltweite Koordination der Forschung zum Wohl der Kinder Ansprache an den 4. Internationalen Kongreß über die Niere und ihre Krankheiten bei Neugeborenen am 7. Mai 901 Familienpolitik als Schlüssel für die Gesamtpolitik Ansprache an die Italienische Bischofskonferenz am 13. Mai 904 Den Behinderten wahres Leben ermöglichen Ansprache an das Internationale Forschungszentrum für die Selbständigkeit der Behinderten am 14. Mai 908 Die Würde der Frau verteidigen Ansprache an die Internationale Union der Generaloberinnen am 14. Mai 909 Die Beziehungen unter Christen auf örtlicher Ebene festigen Ansprache an die Vertreter der ökumenischen Kommissionen der Bischofskonferenzen und der Synoden der orientalischen Kirchen am 15. Mai 912 Die Asienmission reift langsam in Stille ' Predigt bei den Seligsprechungen von Maurice Tomay, Marie-Louise de Jesus Trichet, Colomba Gabriel und Florida Cevoli am 16. Mai 915 XXVI Christliche Werte vermitteln Ansprache an Mitglieder der CDU-Bundestagsfraktion am 17. Mai . 918 Tiefe Sehnsucht nach Einheit in der Kirche und in den Völkern Europas Grußwort an die Delegation aus Griechenland beim Fest der Slavenapostel Kyrill und Method am 22. Mai 919 Eine Nation unter Führung der Gottesmutter Ansprache an die Teilnehmer einer Marianischen Pilgerfahrt philippinischer Immigranten aus ganz Europa am 22. Mai 920 Video- und Audiokassetten in der Bildung von Kultur und Gewissen Botschaft zum 27. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 23. Mai vom 24. Januar 923 Zum Dialog und zur Gemeinschaft erziehen Ansprache an das Generalkapitel der Kongregation der „Kleinen Missions-schwestem von der Liebe” am 24. Mai 925 Gemeinsam über die kulturellen Wurzeln nachdenken Grußwort bei der Sonderaudienz für die bulgarische Delegation beim Fest der Slavenapostel Kyrill und Method am 24. Mai....... .... 927 Jedes einzelne Volk hat seinen Platz in der Menschheitsfamilie Grußwort an die Delegation aus der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien beim Fest der Slavenapostel Kyrill und Method am 24. Mai.. 928 Angriff auf die Menschenwürde und das friedliche Zusammenleben der Mexikaner Telegramm an den Vorsitzenden der Mexikanischen Bischofskonferenz, Erzbischof Adolfo Antonio Suärez Rivera, zur Ermordung von Kardinal Ocampo vom 26. Mai 929 Gegen die Verbrechen des Drogenhandels vorgehen Schreiben zum Begräbnisgottesdienst für Kardinal Juan Jesus Posadas Ocampo in Guadalajara vom 27. Mai 930 Christus als das vollkommene Vorbild Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Symposions über „Pastores dabo vobis: Der Priester heute” am 28. Mai 931 Attentat von Florenz bringt friedliches Zusammenleben in Gefahr Telegramm an den Erzbischof von Florenz, Kardinal Silvano Piovanelli, vom 28. Mai 935 Die Kirche an der Schwelle der Jahrtausendwende Predigt bei der Pfingstvigilfeier zum Abschluß der römischen Diözesansynode auf dem Petersplatz am 29. Mai 935 XXVII Bessere Anpassung an die pastoralen Erfordernisse Apostolisches Schreiben an die Bischöfe Ungarns aus Anlaß der Neuordnung der Kirchenbezirke vom 30. Mai 939 Friedensbitte von Assisi für den Balkan erneuert Gebet zum feierlichen Abschluß des Marienmonats vor der Lourdes-Grotte im Vatikan am 31. Mai 941 Rückkehr in das Heimatland Brasilien Schreiben an Agnelo Kardinal Rossi vom 31. Mai , 942 Juni Die Eucharistie als Quelle der Versöhnung Botschaft an das Generalkapitel der Kongregation der Priester vom Heiligsten Sakrament vom 2. Juni 943 Die geistliche Lehre des Papstes der Güte aufgreifen Ansprache an die Pilger aus Bergamo zum 30. Jahrestag des Todes von Johannes XXIII. am 3. Juni 945 Die Familien vor Pornographie und Gewalt in den Medien schützen Ansprache an die Teilnehmer der Tagung über Familienrechte und soziale Kommunikationsmittel am 4. Juni 948 Fruchtbare Arbeit zum Wohle der Kirche Brief an Friedrich Kardinal Wetter, Erzbischof von München und Freising, vom 4. Juni 951 Die Kirche moralisch und materiell unterstützen Ansprache an die Mitglieder der Stiftung „Centesimus Annus - Pro Pontifice” am 5. Juni 952 Seid freudige Vermittler der Botschaft des Friedens und der Familie! Botschaft an die Teilnehmer des internationalen Treffens der Fokolar-Bewegung am 5. Juni 954 Besonders den vom Krieg betroffenen Familien helfen Predigt bei der Eucharistiefeier für die Fokolar-Bewegung am 6. Juni 956 In Solidarität mit Europa den Weg in die Zukunft gehen Ansprache an den Präsidenten der slowakischen Republik, Michal Kovac, bei seinem offiziellen Besuch im Vatikan am 7. Juni 959 Jedem Bürger erlauben, am Aufbau der Nation teilzunehmen Ansprache an Seine Exzellenz den Botschafter Rumäniens beim Hl. Stuhl, Gheorghe Pancratiu Iuliu Gheorghiu, bei der Überreichung der Beglaubigungsschreiben am 8. Juni 961 XXVIII Eucharistie: das ganze Geheimnis des Lebens Predigt am Fronleichnamsfest in St. Johann im Lateran am 10. Juni 963 Brief an die Bischöfe der Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. Juni 965 Die Einheit des Gottesvolkes ist das Ziel von Katholiken und Orthodoxen Ansprache an Seine Heiligkeit Abuna Paulos, Patriarch der orthodoxen Kirche Äthiopiens, am 11. Juni 968 Sich auf die heutige Zeit einstellen Ansprache an die Kapitulare der Consolata-Missionare am 19. Juni 970 Sich im Dienst an den Kranken aufopfem Ansprache an die Barmherzigen Töchter vom hl. Kreuz zum 100. Gründungsjubiläum ihrer Kongregation am 21. Juni 972 Den Christen die Heilige Schrift zugänglich machen Grußwort an die Mitglieder des Exekutivkomitees der Katholischen Bibelföderation am 21. Juni 975 Mit marianischer Spiritualität gegen den Zeitgeist Ansprache an das Kapitel der „Marianischen Kleriker der Unbefleckten Jungfrau Maria” am 22. Juni 976 Pastorale Weisung für Leben und Sendung der Kirche in Rom Begleitschreiben zur Veröffentlichung der Dokumentation der römischen Diözesansynode am 24. Juni 978 Glaubensgemeinschaft muß Gemeinschaft in der Liebe werden! Ansprache an die Mitglieder der Union der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen (R.O.A.C.O.) am 24. Juni 980 Evangelische Armut schafft Freiraum für Gottes Wirken Schreiben an den Generalobem der Diener der Nächstenliebe, Don Pietro Pasquali, vom 25. Juni 982 Hilfen für kranke, alte und notleidende Priester Ansprache an den Marianischen Priesterbund am 25. Juni 984 Das Zweite Vatikanum - gleichsam eine neue Aussendung der Apostel Ansprache bei der Übergabe des „Buches der Synode” am 26. Juni 987 Brüderliche Liebe und wechselseitiges Vertrauen ermöglichen Fortschritte im theologischen Dialog Ansprache an die Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel bei der Sonderaudienz am 29. Juni 992 XXIX Das Pallium, ein Band der Gemeinschaft mit dem Sitz Petri Predigt bei der feierlichen Messe und der Pallium-Verleihung am Fest Peter und Paul, 29. Juni 994 Juli Für den Schutz der grundlegenden Ansprüche der Menschheit eintreten Ansprache an das italienische Studienzentrum für internationale Versöhnung am 1. Juli.... 997 Gemeinsames Erbe der Propheten behält seine Gültigkeit Ansprache an eine interkonfessionelle Gruppe von Christen und Juden am 2. Juli .999 In der Mongolei eine Mission gründen Botschaft an den neuen Generalobem der Missionare von Scheut vom 5. Juli... 1000 Der Mensch ist für das Heil der Schöpfung verantwortlich Predigt beim Sonntagsgottesdienst in Santo Stefano di Cadore am 11. Juli... 1001 Die alten Menschen nicht ausgrenzen Ansprache beim Besuch des Altenheims in Santo Stefano di Cadore am 11. Juli 1004 Möge für euch endlich der Tag des Friedens anbrechen! Gruß an Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina nach der Messe in Santo Stefano di Cadore am 11. Juli 1005 Das Reich Gottes ist schon heute in uns Predigt bei der Eucharistiefeier für die Angestellten der Päpstlichen Villen in Castel Gandolfo am 18. Juli 1006 Botschaft an die V. Weltkonferenz der Kommission Glaube und Kirchenverfassung des Weltkirchenrats vom 21. Juli 1007 August Beileidstelegramme anläßlich des Todes des Königs von Belgien Baudouin I. an Königin Fabiola und an den belgischen Premierminister Jean Luc Dehaene vom 1. August 1009 Kardinal Guido Del Mestri gestorben Telegramm an Gräfin Felizitas anläßlich des Todes ihres Bruders, Kardinal Guido Del Mestri, vom 3. August 1009 XXX In der Kraft des Wortes Gottes die Welt verändern - Friedensstifter unter den Volksgruppen Brief an den Bischof von San Benedetto del Tronto Ripatransone-Montalto, Giuseppe Chiaretti, anläßlich des 600. Geburtstags des hl. Jacobus de Marchia vom 2. August 1010 Veritatis splendor Enzyklika an alle Bischöfe der katholischen Kirche über einige grundlegende Fragen der kirchlichen Morallehre vom 6. August 1014 Im Gedenken an einen treuen und hochherzigen Hirten Predigt am 15. Todestag von Papst Paul VI. in Castel Gandolfo, 6. August 1111 Armut war ihr Reichtum Schreiben an die Klausurschwestem der Klarissinnen zum 800. Geburtstag der hl. Klara vom 11. August 1112 Glückwunschbotschaft anläßlich der Eidesleistung des Königs der Belgier, Albert II. vom 11. August 1116 Echte und dauerhafte Einheit auf dem Fundament eines gemeinsamen Erbes aufbauen Botschaft an die Jugendlichen der Welt zum VIII. Weltjugendtag am 15. August 1993 in Denver (USA) vom 15. August 1992 1116 700 Jahre Heiliges Haus Loreto Brief an Erzbischof Pasquale Macchi, Päpstlicher Legat für den Wallfahrtsort Loreto, vom 15. August 1121 Für ein friedliches und vertrauensvolles Zusammenleben aller Bürger Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen estnischen Botschafters beim Hl. Stuhl, Tiit Matsulevits, am 28. August 1129 Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes Brief an Kardinal Hans Hermann Groer anläßlich des 10. Jahrestages des Pastoralbesuches in Österreich vom 31. August ...1131 September Eine in Zielen und Werken übereinstimmende Gemeinschaft Brief an den Präsidenten des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen, Miloslav Vlk (Erzbischof von Prag) vom 1. September 1132 Telegramm zur Einweihung des Priesterseminars in Moskau vom 1. September 1135 XXXI Im Hinblick auf die dramatischen Wandlungen der Weltlage Ansprache an den Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika beim Heiligen Stuhl bei der Überreichung seines Beglaubigungsschreibens am 2. September : 1136 Den Sinn für Gemeinsamkeit und Solidarität unter den Völkern verstärken Botschaft an Kardinal Edward I. Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen, anläßlich des internationalen Gebetstreffens in Mailand vom 19. bis 22. September, vom 16. September 1138 Berufungen als Früchte der Evangeliserung Ansprache an die Verantwortlichen der Charismatischen Emeuerungs-bewegung am 18. September 1140 Von oben mehr Überblick Ansprache an das 31. Geschwader der italienischen Luftwaffe in Castel Candolfo am 19. September 1141 Nationale Identität, Demokratie und Gemeinwohl Schreiben an Kardinal Camillo Ruini, Präsident der itaüenischen Bischofskonferenz, anläßlich der XLII. Sozialen Woche in Turin vom 21. September.... 1142 Ja zur Förderung der Qualität von Radio- und TV-Produktion Ansprache an die Teilnehmer des „Premio Italia” am 23. September 1145 Mit dem Herzen zu Gott reisen Predigt bei der Eucharistiefeier für die verstorbenen Päpste Paul VI. und Johannes Paul I. am 28. September 1147 Mut zum Frieden haben Schreiben an den Erzbischof von Sarajevo, Vinko Puljic, anläßlich des interreligiösen Gebetstreffens vom 29. September 1148 Oktober Friedliche Zukunft in Gerechtigkeit und Solidarität Aufmf zum Frieden in den Balkanländem vom 2. Oktober 1151 Ein treuer Diener der Kirche Siziliens und Roms Predigt während der Exequien für Kardinal Francesco Carpino am 7. Oktober 1152 Wachsendes Verständnis und enge Zusammenarbeit zwischen den christlichen Kirchen Ansprache bei der Sonderaudienz für norwegische Pilger am 8. Oktober 1154 XXXII Ihr sollt Verkünder und Zeugen des Evangeliums unter den Vökem sein! Ansprache bei der Sonderaudienz für die Teilnehmer der ungarischen nationalen Pilgerfahrt am 9. Oktober 1156 Fundamentale Bedeutung des Martyriums für die Kirche Predigt bei der Seligsprechung am 10. Oktober 1159 Leuchtende Zeichen der Heiligkeit der Kirche und Vorbilder für christliches Leben Ansprache an die zu den Seligsprechungen nach Rom gekommenen Pilger am 11. Oktober 1162 Zur Heiligung aller beitragen Ansprache an die Teilnehmer des theologischen Studienkongresses über die Lehren des seligen Josemaria Escrivä de Balaguer am 14. Oktober 1164 Gemeinsame ethische Grundeinstellung erforderlich Grußbotschaft an das europäische Bischofstreffen in Brixen vom 14. Oktober.. 1166 Kuba braucht Liebe und Versöhnung Ansprache an die Bischöfe des Ständigen Ausschusses der Kubanischen Bischofskonferenz während einer Eucharistiefeier am 14. Oktober 1167 Hilfe bei der Suche nach dem Sinn des Lebens Grußworte an die Mitglieder des Generalkapitels der Maristen-Schulbrüder am 15. Oktober 1168 Für eine ganzheitliche Förderung der Menschen Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika am 15. Oktober 1169 Auf dich, Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt Ansprache beim Konzert des Mitteldeutschen Rundfunks in der Audienzhalle anläßlich des 15. Jahrestages der Papstwahl am 16. Oktober 1171 In der Kirche gibt es weder Fremde noch Ausländer Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs am 21. Oktober 1173 Die göttliche Weisheit lehren und verkünden Predigt bei der Messe zu Beginn des neuen akademischen Jahres der Päpstlichen Universitäten am 22. Oktober 1176 Welch kostbares Gut: die Brüderlichkeit der Priester Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Kongregation für den Klerus am 22. Oktober 1178 XXXIII Das Recht auf eine sichere Umwelt Ansprache an die Teilnehmer der Versammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 22. Oktober 1183 Die Krankheit im Licht des Evangeliums sehen Ansprache bei der Spezialaudienz für eine Vertretung von AISTOM am 23. Oktober 1185 Lehrer, die vor allem Zeugen sind Ansprache an die Theatiner und Theatinerinnen am 23. Oktober 1187 Die Kinder zum Evangelium des Lebens hinführen Botschaft zum Weltmissionssonntag am 24. Oktober 1993 vom 18. Juni 1188 Aufforderung zum Frieden und zum Teilen Ansprache an die Bischöfe der CELRA (Konferenz der lateinischen Bischöfe in arabischen Gebieten) bei ihrer Jahresversammlung am 28. Oktober 1191 Die unvergängliche Bedeutung der Kirchenväter: 50 Jahre Sources chretiennes Ansprache an die Mitarbeiter des „Institut des Sources chretiennes” am 30. Oktober 1193 Vorbilder der apostolischen und priesterlichen Berufung Predigt bei der Eucharistiefeier im römischen Seminar „Redemptoris Mater” am 31. Oktober 1195 November Im Gebet für alle Verstorbenen vereint Predigt beim Totengedächtnis auf dem „Campo Verano” am Fest Allerheiligen, 1. November 1198 Ein anspruchsvoller Aufruf zur Heiligkeit Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien am 8. November 1200 Seit 45 Jahren fruchtbare Zusammenarbeit Ansprache an die Teilnehmer an der XXVII. Konferenz der FAO am 11. November 1202 Initiativen zur Förderung der Einheit des Glaubens Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre am 19. November 1207 Das Leben ist ein Geschenk der Liebe Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Konferenz, veranstaltet vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst, am 20. November 1209 XXXIV Das erste moralische Kriterium ist die Achtung vor dem Menschen Ansprache an die Teilnehmer der Arbeitsgruppe über das Erbgut des Menschen, veranstaltet von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, am 20. November 1212 Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch (Joh 20,1) Botschaft an die Jugend der Welt zur Feier des 9. und 10. Weltjugendtages am Palmsonntag 1994 bzw. 1995 in den Diözesen und zur großen internationalen Begegnung mit den Jugendhchen der ganzen Welt in Manila am 15. Januar 1995 vom 21. November 1993 1216 Fünfundzwanzig Jahre Humanae vitae Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses zum 25. Jahrestag der Enzyklika Humanae vitae am 26. November 1221 Charismen der Ordensleute sind Gaben des Geistes für das Volk Gottes Ansprache an die Teilnehmer am internationalen Kongreß der Generaloberen am 26. November 1224 Kirchlicher Sozialdienst: Betreuung kranker Lourdespilger Ansprache an die Mitarbeiter der UNITALSI zum 90. Jahrestag ihrer Gründung am 27. November 1229 Im Blut Jesu wird jeder Konflikt an der Wurzel geheilt Ansprache an eine Gruppe von Bischöfen aus dem Balkan bei der Feier der hl. Messe in der Privatkapelle am 29. November 1231 Gemeinschaft der Nationen - Ziel pohtischer Zusammenarbeit in Europa Ansprache an den Ministerrat der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) am 30. November 1232 Dezember Zur Aufgabe, Rolle und Würde der Frau in Kirche und Gesellschaft Ansprache an die Teilnehmer des Nationalkongresses zum Thema „Frau, Neuevangelisierung und Humanisierung des Lebens” am 4. Dezember 1235 Maria, komm und mach alles neu! Gebet vor der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am 8. Dezember 1239 Menschenwürde und Religionsfreiheit Ansprache an die Teilnehmer des IX. internationalen juristischen Kolloquiums, veranstaltet vom „Institut beider Rechte” an der Päpstlichen Lateranuniversität am 11. Dezember 1242 Zeugnisse der Väter verbinden Ost und West Ansprache an das Päpstliche Institut für die Ostkirchen am 12. Dezember 1245 XXXV Familie - Umfeld der Liebe Predigt bei der Messe mit den Studenten und Professoren der päpstlichen Universitäten und Hochschulen am 14. Dezember 1250 Weihnachtsbaum - ein Symbol des Lebens Ansprache bei der Sonderaudienz für die Pilgerfahrt der Diözese Graz-Seckau anläßlich des 775jährigen Bestehens der Diözese und der feierlichen Übergabe des Christbaumes auf dem Petersplatz am 18. Dezember 1255 Menschenwürde im Krankenhaus Ansprache an die Ordensmänner und Ordensfrauen beim Besuch in der Universitätsklinik „Umberto I.” am 19. Dezember 1257 Vom Sinn des Leidens Ansprache an das Krankenhauspersonal und die Patienten beim Besuch in der Universitätsklinik „Umberto I.” am 19. Dezember 1258 Vatikanisches Fernsehzentrum feierte lOjähriges Bestehen Ansprache an das Vatikanische Fernsehzentrum am 20. Dezember 1260 Vatikanischer Jahresrückblick 1993 Ansprache an die Römische Kurie am 21. Dezember 1262 Jesus Christus ist der Herr der Geschichte Predigt während der heiligen Messe in der Weihnachtsnacht, 24. Dezember 1268 Die Menschheit soll eine solidarische Familie werden Weihnachtsbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi” am 25. Dezember 1271 Marianische Offenheit für die Erfordernisse unserer Zeit Ansprache bei der Sonderaudienz für die Leiterinnen der Schönstatt-Mädchenjugend am 30. Dezember 1273 Seid echte Boten der Harmonie und des Friedens! Ansprache an die „Pueri Cantores” am 31. Dezember 1274 Dank für das vergangene Jahr: Alles zur größeren Ehre Gottes Predigt in der Jahresschlußmesse in Sant’Ignazio am 31. Dezember 1277 IV. Ad-limina-Besuche Äthiopien und Eritrea 4. Oktober 1283 Äquatorialguinea 18. Februar 1287 XXXVI Australien 22. Mai 1291 9. Oktober 1295 Elfenbeinküste 27. März 1300 Ghana 22. Februar 1304 Indischer Ozean 24. November 1309 Kanada 6. Mai 1312 16. September 1317 8. November 1321 19. November 1326 Kongo 25. November 1330 Litauen 27. Februar 1335 Madagaskar 17. April 1340 Malawi 24. September 1344 Mozambique 12. März 1349 Neuseeland 21. Oktober 1355 Niederlande 11. Januar 1359 Nigeria 18. Dezember 1365 Papua-Neuguinea und Salomon-Inseln 6. Juli 1369 Pazifik 29. Oktober 1374 xxxvn Polen 12. Januar 1378 15. Januar 1386 Sambia 31.Mai 1395 Ungarn 28. Januar 1399 Vereinigte Staaten von Amerika 20. März , 1405 24. April 1410 28. Mai 1415 5. Juni 1420 8. Juni 1425 2. Juli 1430 21. September 1435 2. Oktober 1439 15. Oktober 1444 11. November 1448 4. Dezember 1452 V. Erklärungen der Kongregationen und der Räte In Eintracht und Achtung miteinander leben Grußbotschaft des Präsidenten des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Kardinal Francis Arinze, an die Muslime aus Anlaß des Id Al-Fitr zum Ende des Ramadan 1423/1993, veröffentlicht am 6. März 1461 Die Entwicklung der armen Länder ist ein harter Kampf, ja ein Wucherkrieg geworden Intervention von Kardinal Roger Etchegaray, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden beim Weltgipfeltreffen für soziale Entwicklung in Genf am 30. Juni 1463 Die Kirche, die Rechte der Familie und die Rechte des Kindes Rede von Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, beim ersten Weltkongreß über Familiengesetzgebung und Rechte der Kinder in Sydney, vom 4. bis 9. Juli 1465 Mehr denn je Hilfe nötig Aufruf von Kardinal Roger Etchegaray, dem Vorsitzenden des Päpstlichen Rates „Cor Unum”, für Bosnien-Herzegowina, veröffentlicht am 2. August 1474 xxxvrn Pastorale Aufmerksamkeit für die traditionellen Religionen Schreiben des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog an die Präsidenten der Bischofskonferenzen in Asien, Amerika und Ozeanien vom 21. Oktober 1476 Die soziale Marktwirtschaft im Dienst des Menschen - Das Evangelium der Freiheit und der Solidarität Intervention von Kardinal Roger Etchegaray, Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum”, beim 19. Weltkongreß der UNIAPAC in Monterrey, Mexiko, am 28. Oktober 1482 Richtlinien für die Vorbereitung der Semiarerzieher Kongregation für das Katholische Bildungswesen vom 4. November 1488 Erklärung von Toronto über die Rechte der älteren Menschen und die Fürsorge für sie Erklärung und Einleitung von Alfonso Lopez Trujillo, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, während des Internationalen Treffens über „Die Rechte der älteren Menschen und die Familien” vom 3. bis 5. Dezember 1525 Die Kirche und das Internationale Jahr der Familie 1994 Päpstlicher Rat für die Familie vom 26. Dezember 1526 VI. Anhang Die Familie: ein Hort des Lebens Schlußerklärung der Teilnehmer des Kongresses „10. Jahrestag der Charta der Rechte der Familie” vom 8. bis 10. März 1537 Die Interpretation der Bibel in der Kirche Päpstliche Bibelkommission vom 23. April 1542 Die Gesellschaft ethisch, kulturell und geistlich weiterentwickeln Ansprache auf der Genfer Weltbevölkerungskonferenz vom Leiter der Delegation des Hl. Stuhl, Msgr. Elio Sgreccia, am 26. März 1613 In der pastoralen Liebe Christi leben Schlußbetrachtungen auf dem Internationalen Symposium „Pastores dabo vobis - Der Priester heute” von Erzbischof Crescenzio Sepe, Sekretär der Kongregation für den Klerus, am 29. Mai 1616 Menschenrechte - universales gemeinsames Gut Erklärung des Delegationsführers des Hl. Stuhls, Msgr. Jean-Louis Tauran, Sekretär für die Beziehungen des Hl. Stuhls zu den Staaten, bei der Weltkonferenz für die Menschenrechte in Wien am 21. Juni 1620 XXXIX Humanitäre Hilfe entspricht einem moralischen Imperativ Internationale Konferenz über den Schutz der Kriegsopfer vom 30. August bis 1. September in Genf - Stellungnahme von Erzbischof Paul V. Tabet, Apostolischer Nuntius und Leiter der Delegation des Hl. Stuhls, vom 30. August 1624 Sarajevo, werde wieder, was du warst! Appell von Kardinal Roger Etchegaray zum Abschluß des internationalen Gebetstreffens für den Frieden in Sarajevo vom 3. Oktober 1627 Zu den rechten Zielen der UNICEF zurückkehren Rede des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen, Erzbischof Renato R. Martino, vor der UNO-Konferenz am 3. November 1629 Unterstützung der Friedensbemühungen in Nahost Erklärung des Apostolischen Nuntius Erzbischof Renato R. Martino, Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen, vor dem politischen Sonderkomitee der UN-Vollversammlung über das Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten am 15. November 1633 Gerechte Handelsregeln sollen alle Nationen an der Weltwirtschaft beteiligen Ansprache des Delegationsleiters des Hl. Stuhls, Erzbischof Alois Wagner, auf der 27. Tagung der Generalkonferenz der Weltemährungsorganisation (FAO) in Rom am 15. November 1635 Ihr sollt meine Zeugen sein Brief der delegierten Präsidenten der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika an alle Bischöfe von Afrika und Madagaskar vom 28. November 1640 Wortregister 1647 Personenregister 1712 Länder- und Ortsregister 1732 Zitierte Bibelstellen 1747 XL I. Generalaudienzen und Angelus AUDIENZEN UND ANGELUS Sorge um die Menschen in den Kriegsgebieten Angelus am Neujahrstag, 1. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zu Beginn des neuen Jahres wünsche ich jedem von euch innere Ruhe und Freude. Die festliche Atmosphäre, die diesen ersten Tag des Jahres durchdringt, ist gekennzeichnet von den Zeichen des Glaubens, die uns die zwei Feiern, die wir heute begehen, in Erinnerung bringen: das liturgische Fest der Gottesmutter Maria und der Weltfriedenstag, der in diesem Jahr besonders dem Gebet für die Völker des Balkans, die von andauernder Kriegsgewalt zerrissen sind, gewidmet ist. Das Thema dieses 26. Weltfriedenstages: „Willst Du den Frieden, komm den Armen entgegen” ist mehr denn je von Wichtigkeit. Wir sind aufgerufen, die vorhandene Armut zu erkennen, denn sie stellt an und für sich eine Gefahr für den Frieden dar. Wir sind aufgefordert, uns der Gewalttaten und der Ungerechtigkeiten bewußt zu werden, die in vielen Teilen der Welt herrschen, und denen gegenüber wir nicht gleichgültig und untätig bleiben dürfen: Es bedarf eines desinteressierten und glaubwürdigen Einsatzes von jedem, um eine wirklich gerechtere und solidarischere Gesellschaft aufzubauen. 2. Mit Angstgefühlen denke ich an diesem ersten Tag des Jahres an die zahlreichen, über die fünf Kontinente verstreuten Kriegsherde, und an die brudermörderischen Gewalttaten, die viele Teile der Welt mit Blut beflecken, vor allem in Europa, in Afrika und im Nahen Osten. Wie könnte man es nicht ersehnen, daß der Friede endlich wieder in die leidgeprüften Länder Bosnien und Herzegowina und auf dem gesamten Balkan einzieht. Wie könnte man nicht eine entschiedene Verurteilung erneuern gegenüber den Gewalttaten im Nahen Osten, von wem sie auch verursacht wurden, und gegenüber den daraus entstehenden Vergeltungstaten, die, außer der Tatsache, daß sie die Menschenrechte nicht beachten, leider die Zwietracht vergrößern, den Konflikten noch weitere Nahrung geben und den sowieso schon schwachen Friedens Verhandlungsprozeß erschweren? Der Herr schenke der Welt dieses fundamentale Gut! Er mache uns zu großzügigen und unermüdlichen Handwerkern von Gerechtigkeit und Frieden! Die Armen, Opfer des Hasses und des Krieges, können uns in ihrer leidvollen Situation einen kostbaren Hinweis für unseren täglichen Einsatz im Aufbau des Friedens geben: Der Krieg trägt nichts zum Wohl der Menschheit bei; allein der Geist der Solidarität, die Bereitschaft zum Teilen, ermöglichen uns, einen sicheren Weg zum Frieden einzuschlagen. 3. Erflehen wir von Maria dieses kostbare Gut, an vertrauen wir ihr das soeben begonnene Jahr. Möge uns die Gottesmutter helfen, ihren Sohn Jesus in jedem Menschen, den wir auf unserem Weg begegnen, anzunehmen, ohne Unterscheidung von 3 A UDIENZEN UND ANGELUS Rasse, Sprache und Kultur. Möge sie uns willig machen auf den Wegen zu Solidarität und Frieden, indem wir mit offenem Herzen den Hilferuf hören, der uns von dem erreicht, der in Armut und Schmerz leidet. Mutter Gottes, hilf uns in den Armen die Anwesenheit Deines Sohnes Jesus zu erkennen. Königin des Friedens, bitte für uns! Assisi: Gebet, Buße und Fasten sind die Waffen des Friedens Angelus am 3. Januar Liebe Schwestern und Brüder! 1. Vorgestern haben wir das neue Jahr im Namen der Gottesmutter begonnen und den Weltfriedenstag gefeiert. Wie rasch, wie dringend muß man Frieden schaffen! Frieden bedeutet nicht nur Abwesenheit von Krieg, sondern eine umfassende Wirklichkeit, die den ganzen Menschen und seine gesellschaftlichen Beziehungen insgesamt einbezieht. Die Waffen ruhen lassen ist deshalb unerläßliche Voraussetzung dafür, einen Prozeß in Gang zu bringen, der zu einem solchen Frieden in all seinen vielfältigen Dimensionen führt. Wir müssen davon überzeugt sein, daß der Frieden möglich ist, obwohl dem Anschein nach das Gegenteil der Fall ist. Die christliche Hoffnung kann nicht daran zweifeln. Mit dem Frieden verbunden ist seit dem Alten Testament die Verheißung Gottes: „Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermessef aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg” (Jes 2,4). Der Frieden wird als besonderes Gottesgeschenk durch die Geburt des Erlösers angekündigt: „Auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade” (Lk 2,14). Der Frieden ist ein kostbares Geschenk, das angenommen und erstrebt werden will. 2. Gerade um dieses unschätzbare Geschenk zu erbitten, gehe ich am kommenden 9. und 10. Januar als Pilger des Friedens nach Assisi, an die Stätte des sanftmütigen Franziskus, die als Stadt des Friedens gilt. In Assisi wollen wir für den Frieden in der Welt beten. Wir beten vor allem für die gequälten Völker der Balkanländer, die unter ungeheuren Gewalttaten leiden, die jeden Versuch zur Verständigung und Befriedung vereiteln. Damit die auf Beendigung der Feindseligkeiten gerichteten Initiativen der Menschen nicht vergeblich sind, wollen wir das besondere Eingreifen Gottes erbitten. Der Frieden ist vor allem Geschenk des Herrn. Auch wenn man einen so komplexen und zerbrechlichen Frieden baut, gilt die Mahnung des Psalmisten: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut” (Ps 127,1). 4 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Darum versammeln wir uns in der Stadt des hl. Franziskus: die Vertreter der europäischen Bischofskonferenzen zusammen mit den anderen an Christus Glaubenden und mit allen Menschen guten Willens, wie es im Oktober 1986 der Fall war, als der gesamten Menschheit ein möglicher Atomkrieg drohte. Uns drängt das Vertrauen auf das Wort des Herrn: „Bittet, dann wird euch gegeben” {Mt 7,7). Wir werden von dem Bewußtsein bestärkt, daß das Gebet die Waffe des Friedens ist, wenn es nicht nur in leeren Worten besteht, sondern von innerer Buße, vom Fasten, von einem konsequenten und hochherzigen Zeugnis begleitet wird. Das Gebet wird eine unüberwindliche Waffe, wenn es wirklich Raum schafft für Gott in unserem Leben. Maria, die Mutter des Friedensfürsten, welche die geheime Wirksamkeit des Gebetes kennt, helfe uns, das Herz ihres göttlichen Sohnes zu rühren. Königin des Friedens, bitte für uns! Um Eintracht und Frieden für die Menschheit heten Angelus am Dreikönigsfest, 6. Januar Liebe Schwestern und Brüder! 1. „Denn die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten ... Als aber die Güte und Menschenhebe Gottes, unseres Retters, erschien, hat er uns geret-tet”(77t 2,11; 3,4). Wir feiern heute das Fest der Erscheinung des Herrn, seine Epiphanie unter den Völkern. Mit dem schlichten Eifer der Tochter Sions erhebt die Kirche ihr Haupt und läßt sich mit göttlicher Herrlichkeit bekleiden. In ihrem Antlitz spiegelt sich das Licht Christi wider, das alle Menschen erleuchtet, das Licht des Evangeliums, das in allen Geschöpfen Leben zu wecken vermag (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Die Kirche ist missionarisch, weil Christus das Licht der Völker ist. Kann man denn einen Leib verbergen, dessen Haupt die Herrlichkeit Gottes ausstrahlt? Kann eine Stadt verborgen bleiben, die auf einem Berg gebaut ist? Die Kirche ist insgesamt missionarisch. Es gibt kein noch so kleines und verborgenes Glied, das nicht im Licht erglänzt, wenn es von der Wahrheit des Evangeliums getroffen wird. Ja, die niedrigsten Glieder sind die, die am hellsten leuchten, wie die Jungfrau und Mutter Maria sagt: „Auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut” {Lk 1,48)! 2. Das Volk Gottes, Pilger und Missionar, findet in seinen Hirten die ersten Diener der Einheit und missionarischen Sendung. Denn das Bischofskollegium setzt in der Zeit das Werk der Apostel fort, die der Meister gerufen und bestellt hat, überallhin zu gehen, damit die Völker der ganzen Welt durch das Werk der Evangelisierung Jünger des Herrn werden können. Heute morgen in St. Peter hatte ich während der feierlichen Liturgie an Epiphanie die Freude, elf neue Bischöfe zu weihen. Während ich sie jetzt der seligsten Jungfrau Maria, der Königin der Apostel, weihe, rufe ich 5 AUDIENZEN UND ANGELUS euch auf, liebe Schwestern und Brüder, für ihren Dienst zu beten, damit er immer die evangelische Freude und Hoffnung ausstrahle, die Christus allen Menschen schenken will. 3. In der Krippe, die auf diesem Platz wie an so vielen anderen Orten der Welt aufgestellt ist, betrachten wir heute die Begegnung der Magier mit dem Erlöser. „Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm” (Mt 2,11). Sie begegneten dem Messias und erkannten in ihm den „Fürst des Friedens” (Jes 9,5). Auch wir, liebe Schwestern und Brüder, fallen vor ihm nieder und bitten ihn um das Licht des Evangeliums, um die Freude, seine Lehre zu befolgen; wir bitten ihn vor allem um jenen Frieden, den die Welt nicht geben kann, nach dem sie sich aber sehnt, oft ohne sich dessen überhaupt bewußt zu sein. Diese Gefühle verstärken sich besonders vor dem kurz bevorstehenden Treffen in Assisi, für das ich euch von neuem auffordere, zu beten. Bitten wir Maria, die Königin des Friedens, sie möge für die gesamte Menschheit das unschätzbare Geschenk der Eintracht und des Friedens erlangen. Petrus öffnet die Kirche für die Heiden Ansprache bei der Generalaudienz am 13. lanuar 1. Die primäre Vollmacht Petri inmitten der anderen Apostel zeigt sich besonders bei der Lösung des Grundproblems, das der Urkirche gestellt war: die Beziehung zur jüdischen Religion und damit die bestimmende Grundlage des neuen Israel. Das heißt, man mußte sich entschließen, die Konsequenzen zu ziehen aus der Tatsache, daß die Kirche kein Zweig der mosaischen Ordnung und keine religiöse Strömung öder Sekte des alten Israels war. Konkret heißt das: Als die Apostel und die christliche Urgemeinde durch den Fall des Hauptmanns Kornelius, der um die Taufe bat, vor das Problem gestellt wurden, war das Auftreten von Petrus entscheidend. Die Apostelgeschichte beschreibt den Vorgang des Geschehens. Der heidnische Hauptmann empfängt in einer Vision von einem „Engel Gottes” den Auftrag, sich an Petrus zu wenden: „Laß einen gewissen Simon herbeiholen, der den Beinamen Petrus hat” (Apg 10,5). Dieser Befehl des Engels enthält und bekräftigt die Vollmacht, die Petrus besitzt. Für die Zulassung der Heiden zur Taufe verlangt man seine Entscheidung. 2. Die Entscheidung von Petrus wird durch ein Licht erhellt, das ihm in außerordentlicher Weise von oben geschenkt wird: In einer Vision wird Petrus aufgefordert, Heisch zu essen, was nach dem jüdischen Gesetz verboten ist; er hört eine Stimme, die spricht: „Was Gott für rein erklärt hat, das nenne du nicht unrein” (Apg 10,15). Diese Erleuchtung, die ihm dreimal gegeben wurde, so wie er zuvor dreimal die Vollmacht empfangen hatte, die ganze Herde Christi zu weiden, zeigte Petrus, daß er die geforderte Einhaltung der Gesetze hinsichtlich der Speisen und die jüdischen 6 AUDIENZEN UND ANGELUS Riten im allgemeinen übergehen sollte. Es war ein bedeutender religiöser Fortschritt hinsichtlich der Aufnahme und Behandlung der Heiden, deren Eintritt man sozusagen kommen sah. 3. Der entscheidende Schritt erfolgte sofort nach der Vision, als zwei vom Hauptmann Kornelius gesandte Männer zu Petrus kamen. Petrus hätte sich weigern können, ihnen zu folgen, weil das jüdische Gesetz den Kontakt mit den fremden Heiden verbot, die als unrein angesehen wurden. Aber das neue Bewußtsein, das sich in ihm während der Vision entwickelt hatte, drängte ihn, dieses nicht mehr zeitgemäße Gesetz zu überschreiten. Dazu kam der Antrieb des Heiligen Geistes, der ihm zu verstehen gab, daß er diese ihm vom Herrn gesandten Männer ohne Zögern begleiten und sich ganz der Entfaltung des Planes Gottes für sein Leben überlassen sollte. Man kann sich leicht vorstellen, daß sich Petrus ohne die Erleuchtung des Geistes an die Vorschriften des jüdischen Gesetzes gehalten hätte. Dieses ihm persönlich geschenkte Licht bewog ihn zu einer Entscheidung, die mit der Ansicht des Herrn übereinstimmte, der ihn in seiner Entscheidungsfindung führte und unterstützte. 4. Zum erstenmal gibt Petrus vor einer Gruppe Heiden, die um den Hauptmann Kornelius versammelt sind, Zeugnis für Jesus Christus und dessen Auferstehung: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, daß Gott nicht auf die Person sieht, sondern daß ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist” (Apg 10,34-35). Diese Entscheidung schien in bezug auf die jüdische Mentalität im Zusammenhang mit der damaligen Interpretation des mosaischen Gesetzes umwälzend. Der Plan Gottes, der den vorhergegangenen Generationen verborgen gehalten worden war, bestimmte, „daß auch die Heiden Miterben sind, zu demselben Leib gehören und an derselben Verheißung in Christus Jesus teilhaben” {Eph 3,5-6), ohne daß sie zuvor notwendigerweise in die Struktur des religiösen Ritus des Alten Bundes eingegliedert sein mußten. Diese durch Jesus bewirkte Neuheit machte sich Petrus zu eigen und brachte sie zur konkreten Anwendung. 5. Zu unterstreichen ist die Tatsache, daß die von Petrus bewirkte Öffnung den Siegel des Heiligen Geistes trägt, der auf die bekehrten Heiden herabkommt. Das Wort Petri und das Handeln des Geistes sind miteinander verbunden, denn wir lesen: „Noch während Petras dies sagte, kam der Heilige Geist auf alle herab, die das Wort hörten” (Apg 10,44). Als Zeuge dieses Geschenkes des Heiligen Geistes zieht Petras die Konsequenzen daraus und sagt zu seinen „Brüdern”: „Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben? Und er ordnete an, sie im Namen Jesu Christi zu taufen” (Apg 10,47-48). Dieser formelle Entschluß des offensichtlich vom Geist erleuchteten Petrus war von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der Kirche, weil er die Hindernisse beseitigte, die aus der Einhaltung des jüdischen Gesetzes entstanden waren. 7 AUDIENZEN UND ANGELUS 6. Nicht alle waren darauf vorbereitet, die große Neuheit anzunehmen und sich zu eigen zu machen. In der Tat wurden Kritiken gegen die Entscheidung Petri erhoben von seiten der sogenannten Judenchristen, die eine wichtige Gruppe in der christlichen Gemeinde waren. Es war das Vorspiel der Vorbehalte und Widerstände, die in Zukunft gegen die vorgebracht wurden, die die Aufgabe hatten, die höchste Vollmacht in der Kirche auszuüben (vgl. Apg 11,1-2). Aber Petrus antwortete auf jene Kritiken, indem er das berichtete, was sich bei der Bekehrung von Kornelius und den anderen Heiden ereignet hatte, und die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Bekehrten mit dem Wort des Herrn kommentierte: „Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet mit dem Heiligen Geist getauft werden” {Apg 11,16). Weil das Zeugnis von Gott, vom Wort Christi und den Zeichen des Heiligen Geistes kam, wurde es für überzeugend erklärt, und die Kritiken verstummten. Petrus erscheint damit als erster Apostel der Heiden. 7. Zur Verkündigung des Evangeliums unter den Heiden wurde bekanntlich der Apostel Paulus, „Doctor Gentium”, in besonderer Weise berufen. Aber er selbst anerkannte die Autorität Petri als Garanten seines rechtmäßigen Evangelisierungsauftrags. Nachdem er begonnen hatte, den Heiden das Evangelium zu predigen, so berichtet er, „ging ich drei Jahre später nach Jerusalem hinauf, um Kephas kennen-zulemen” (Gal 1,18). Paulus war sich der Rolle bewußt, die Petrus in der Kirche spielte, und erkannte ihre Bedeutung an. Vierzehn Jahre später geht er wieder nach Jerusalem, um sicher zu sein, „daß ich nicht vergeblich laufe oder gelaufen bin” (Gal 2,2). Diesmal wendet er sich nicht nur an Petrus, sondern auch an die „Angesehenen” {ebd.). Er gibt aber zu verstehen, daß er Petras als Oberhaupt betrachtet. In der Tat, während bei der Verteilung der georeligiösen Arbeitsbereiche Petras das Evangelium für die Beschnittenen anvertraut wird {Gal 2,7) bleibt dieser auch der erste in der Verkündigung des Evangeliums an die Heiden, wie man bei der Bekehrung von Kornelius gesehen hat. In diesem Fall öffnet Petras die Pforten für alle damals erreichbaren Völker. 8. Der Zwischenfall, der sich in Antiochia ereignete, bedeutet von seiten des Apostels Paulus keinen Widerruf der Autorität Petri. Paulus tadelt seine Handlungsweise, stellt aber seine Autorität als Haupt des Apostelkollegiums der Kirche nicht in Frage. Im Galaterbrief schreibt Paulus: „Als Kephas aber nach Antiochia gekommen war, bin ich ihm offen entgegengetreten, weil er sich ins Unrecht gesetzt hatte. Bevor nämlich Leute aus dem Kreis um Jakobus eintrafen, pflegte er zusammen mit den Heiden zu essen. Nach ihrer Ankunft aber zog er sich von den Heiden zurück und trennte sich von ihnen, weil er die Beschnittenen fürchtete. Ebenso unaufrichtig wie er verhielten sich die anderen Juden, so daß auch Barnabas durch ihre Heuchelei verführt wurde. „Als ich aber sah, daß sie von der Wahrheit des Evangeliums abwichen, sagte ich zu Kephas in Gegenwart aller: Wenn du als Jude nach Art der Heiden und nicht nach Art der Juden lebst, wie kannst du dann die Heiden zwingen, wie Juden zu leben?” {Gal 2,11-14). Paulus schloß es nicht 8 AUDIENZEN UND ANGELUS vollkommen aus, dem jüdischen Gesetz Zugeständnisse zu machen (vgl. Apg 16,3; 21,26; 1 Kor 8,13; Röm 14,21; vgl. auch 1 Kor 9,20). Aber auch in Antiochia hatte das Verhalten Petri den Nachteil, daß die aus dem Heidentum stammenden Christen gezwungen waren, sich dem jüdischen Gesetz zu unterwerfen. Gerade weil er die führende Position Petri anerkennt, protestiert Paulus und wirft ihm vor, daß er nicht dem Evangelium entsprechend handle. 9. Das Problem der Freiheit in bezug auf das jüdische Gesetz wurde endgültig gelöst bei der Versammlung der Apostel und Ältesten in Jerusalem, wo Petrus eine entscheidende Rolle spielte. Paulus und Barnabas widersetzten sich in einer langen Debatte einer Anzahl bekehrter Pharisäer, die die Notwendigkeit der Beschneidung aller auch aus dem Heidentum stammenden Christen bekräftigten. Nach der Debatte erhob sich Petrus, und erklärte, daß Gott keinerlei Unterscheidung gewollt und den Heiligen Geist auch den zum Glauben gekommenen Heiden geschenkt habe. „Wir glauben im Gegenteil, durch die Gnade Jesu, des Herrn, gerettet zu werden, auf die gleiche Weise wie jene”(Apg 15,11). Die Rede Petri war entscheidend. „Da schwieg die ganze Versammlung. Und sie hörten Barnabas und Paulus zu, wie sie erzählten, welch große Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan hatte” (Apg 15,12). So stellte man fest, daß die von Petrus vertretene Meinung von den Tatsachen bestätigt wurde. Auch Jakobus trug dazu bei (Apg 15,14), indem er den Zeugnissen von Barnabas und Paulus die aus der inspirierten Schrift stammende Erklärung: „Damit stimmen die Worte der Propheten überein” (Apg 15,15) hinzufügte und einen Spruch von Arnos zitierte. Der Beschluß der Versammlung stimmte also mit der von Petrus verkündeten Stellungnahme überein. Seine Führungsposition spielte so eine entscheidende Rolle bei der Regelung einer grundlegenden Frage für die Entwicklung der Kirche und die Einheit der christlichen Gemeinschaft. Vor diesem Hintergrund finden die Figur und Sendung Petri in der Urkirche den ihnen angemessenen Platz. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! „Was Gott für rein erklärt hat, das nenne du nicht unrein” (Apg 10,15). Diese Erkenntnis des heiligen Petrus im Zusammenhang mit der Frage, ob auch Nichtjuden die Taufe empfangen und Glieder der Kirche Christi werden dürfen, bildet den Kem der Überlegungen, die wir wiederum der Bedeutung und Stellung Petri in der Urge-meinde widmen wollen. In der Tat zeigt sich auch hier, in der Öffnung der ersten Christengemeinde für die Mission nicht nur unter den Angehörigen des alten Gottesvolkes, sondern auch unter den Heiden, die führende Position, die Petrus im Kreis der anderen Apostel einnimmt. Durch das Wirken des Heiligen Geistes gelingt es ihm, die einengenden Grenzen sowie die diskriminierenden Einschränkungen für die Heidenmission zu überwinden. Er gelangt zu der befreienden Einsicht: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, 9 A UDIENZEN UND ANGELUS daß Gott nicht auf die Person sieht, sondern daß ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist” (Apg 10,34-35). Trotz mancher anfänglicher Widerstände in der Urgemeinde konnte Petrus mit seiner Haltung überzeugen, „daß auch die Heiden Miterben sind, zu demselben Leib gehören und an derselben Verheißung in Christus Jesus teilhaben” (Eph 3,5-6). Paulus sollte es dann sein, der sich als „Doctor Gentium” und als Völkerapostel in besonderer Weise der Glaubensverbreitung unter den Heiden widmete. Mit dieser kurzen Betrachtung richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß an Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher. Besonders heiße ich die Schwestern aus verschiedenen Ländern und Kongregationen willkommen, die an einem geistlichen Emeuerungskurs in La Storta teilnehmen. Mit dem innigen Wunsch, mit Hilfe des Heiligen Geistes und im Vertrauen auf seine Treue und Weggemeinschaft, mit Freude und Überzeugungskraft unseren Lebens- und Glaubensweg auch im neuen Jahr zu gehen, erteile ich Euch, Euren lieben Angehörigen daheim sowie allen, die uns geistlich verbunden sind, meinen Apostolischen Segen. In der Suche nach der vollen Einheit fortschreiten Angelus am 17. Januar Liebe Schwestern und Brüder! 1. Morgen beginnt die Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, die bis 25. Januar dauert. Wie in den vergangenen Jahren beenden wir sie mit einer Eucharistiefeier in St. Paul vor den Mauern. Die Einheit der Glaubenden war das Anliegen der inständigen Bitte Jesu in den letzten Stunden seines Erdenlebens: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein” (Joh 17,21). Wir sind als Jünger Christi berufen, ständig dieses einzigartige Gebet zu wiederholen, damit wir empfänglich werden für das Geschenk, das wir allein durch Bitten erhalten können. Ich lade euch deshalb ein, euch in diesen Tagen den Gebeten anzuschließen, die in den Pfarreien und in den verschiedenen Ordensgemeinschaften für die volle Einheit aller Christen erhoben werden. Hochschätzung und Ermutigung verdienen auch die Treffen, die mit den anderen christlichen Schwestern und Brüdern hier in Rom und in aller Welt einberufen werden, um den Herrn einstimmig und einmütig um das notwendige Licht und die Kraft zu bitten, damit wir seinem Willen entsprechend in der Suche nach der vollen Gemeinschaft fortschreiten. Unsere ständig durch Spaltungen und Auseinandersetzungen erschütterte Welt ist nicht selten Schauplatz von mörderischer Gewalt und Bruderkriegen, wie es leider auch die Chronik dieser Tage bestätigt. Dringend notwendig ist das konsequente Zeugnis derer, die an das Evangelium des Friedens glauben und es in ihrem Alltags- 10 AUDIENZEN UND ANGELUS leben in die Tat umsetzen. Das Treffen in Assisi vom vergangenen Samstag und Sonntag (9./IO. Januar) gehört zu dieser Sicht. 2. Das in diesem Jahr für die Gebetswoche vorgeschlagene Thema ist besonders bedeutsam. Es lädt dazu ein, „Frucht des Geistes für die Einheit der Christen zu bringen”. Der Brief des hl. Paulus an die Galater zeigt klar, was diese Frucht des Geistes ist: „Liebe, Freude, Friede, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung” (Gal 5,22-23). Zweifellos bringt die vom Konzil stark betonte ökumenische Verpflichtung einen geduldigen Dialog über die Ixhre und eine ständige Suche nach immer besserer Zusammenarbeit mit sich. Sie erfordert aber zuerst die tiefe Erneuerung des Herzens. Das II. Vatikanum hat deshalb betont, daß „es keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung gibt” (Unitatis redintegratio, Nr. 7) und daß das Wachsen der vom Apostel genannten Tugenden als Frucht des Geistes in allen Glaubenden gewiß die günstigste Atmosphäre für das Fortschreiten zur vollen Einheit bildet. 3. Wir empfehlen diese unsere Empfindungen der Fürsprache Marias, der Mutter Jesu, die am Pfingsttag, als der Geist auf die entstehende Kirche herabkam, einmütig im Gebet mit der ersten Gemeinschaft der Apostel und Jünger verharrte (vgl. Apg 1,14). Bitten wir den Geist mit ihrer starken Zuversicht: Maria, Tempel des Heiligen Geistes, bitte für uns! Mitarbeiter Gottes am Werk der Einheit sein Ansprache bei der Generalaudienz am 20. Januar f Liebe Schwestern und Brüder! 1. Die Gebetswoche für die Einheit der Christen, die wir in diesen Tagen begehen, bietet uns wie in jedem Jahr die Gelegenheit, nachzudenken und vor allem um die Erfüllung der Bitte Christi an den Vater beim letzten Abendmahl zu beten, die da lautete: „Alle sollen eins sein” (Joh 17,22). Das Streben nach der vollen Einheit unter allen an Christus Glaubenden begleitet ständig den Weg der Kirche. Als eine seiner „Hauptaufgaben” bezeichnete das EL Vatikanische Konzil, als es die ökumenische Verpflichtung der katholischen Kirche behandelte, „die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen” (Unitatis re-dintegratio, Nr. 1); das Konzil erklärte feierlich, daß diese Verpflichtung „Sache der ganzen Kirche (ist), sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten, und einen jeden angeht, je nach seiner Fähigkeit, sowohl in seinem täglichen christlichen Leben wie auch bei theologischen und historischen Untersuchungen” (ebd., Nr. 5). Es handelt sich um eine Aufgabe, die mit Hilfe verschiedener Mittel, wie Untersuchung, Vergleich, Dialog, Zusammenarbeit, innere Erneuerung des einzelnen 11 AUDIENZEN UND ANGELUS Christen und der Gemeinschaften, erfüllt wird. Mit Sinn für Frömmigkeit und Wirklichkeit erklärt das Konzil: „seine Überzeugung, daß dieses heilige Anliegen der Wiederversöhnung aller Christen in der Einheit der einen und einzigen Kirche Christi die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten übersteigt. Darum setzt es seine Hoffnung gänzlich auf das Gebet Christi für die Kirche, auf die Liebe des Vaters zu uns und auf die Kraft des Heiligen Geistes” (ebd., Nr. 24). Die Einheit ist vor allem ein Geschenk Gottes, um das wir eifrig und demütig bitten sollen. 2. In diesem Bewußtsein wollte die gemischte Kommission der Vertreter der katholischen Kirche und des Ökumenischen Rats der Kirchen, die alljährlich das Thema zum Nachdenken und für das ökumenische Gebet festlegen, den Vorschlag einer interkonfessionellen Gruppe von Kinshasa (Zaire) annehmen und alle an Jesus Glaubenden einzuladen, auf den Heiligen Geist zu hören, um so „die Fracht des Geistes für die Einheit der Christen hervorzubringen”. Was diese Fracht ist, erklärt uns Paulus in seinem Brief an die Galater. Sie ist „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung” (Gal 5,22-23). Indem der Glaubende diese inneren Haltungen entnimmt, wird er immer mehr Christus ähnlich und zur engeren Gemeinschaft mit den Brüdern bewegt. Denn ein Christus und ein Geist sind es, die diese inneren Haltungen bewirken. Deshalb streben Gaben, Charismen und Tugenden, wenn sie echt sind, einmütig und einstimmig nach der Einheit. Bezeichnenderweise nennt der Apostel, als er die lange Reihe der Tugenden aufzählt, sie alle zusammen „die Frucht - ho karpös - des Geistes” in der Einzahl. Denn die verschiedenen Tugenden in ihren Verzweigungen fließen in der „einen Fracht” des Geistes zusammen, der die Liebe ist. So schreibt der heilige Paulus auch den ersten Christen von Rom: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist” (Röm 5,5). Die Liebe Gottes (agape) zeigt sich in der Selbstbeherrschung und Sanftmut, im Verständnis gegenüber dem Nächsten, in der Herzlichkeit der Beziehungen, im Offensein für die Vergebung. 3. Das sind die unerläßlichen Voraussetzung für eine wahre Suche nach der Einheit. Die Erfahrung hat weitgehend gezeigt, daß es im Hinblick auf die volle Einheit notwendig ist, den Beziehungen zwischen den Glaubenden und den Gemeinschaften die gegenseitige Liebe zugrandezulegen, die sich auf das neue Gebot stützt, das Jesus Christus seinen Jüngern gegeben hat: „Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben” (Joh 13,34). Im Zusammenhang mit der gegenseitigen Liebe, dem Widerschein der Liebe Gottes zu uns, können wir den anderen verstehen und die Redlichkeit der Absicht erkennen, auch wenn seine Überzeugungen verschieden sind. Ohne wahre Liebe wachsen geistige Vorbehalte, Mißtrauen, gegenseitiger Verdacht; sie setzen sich fest, und man kann dem Nächsten auch Absichten unterstellen, die er nicht hat. Den Christen von Korinth erklärt der heilige Paulus dagegen: „Die Liebe ist lang- 12 AUDIENZEN UND ANGELUS mütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand” (1 Kor 13,4-7). Darum bemüht man sich, als normale Zusammenfassung der ökumenischen Beziehungen den sogenannten „Dialog der Liebe” zu fördern. Er soll weiter vertieft werden, während man die Ursachen beseitigt, die ihn behindern oder verzögern könnten. Die wahre Liebe hebt die Treue zum Willen des Herrn hervor und macht so den Geist bereit, die Wahrheit in ihrer Gesamtheit anzunehmen. 4. „Die Frucht des Geistes für die Einheit der Christen bringen.” Das Thema dieser Weltgebetswoche erinnert uns an die Pflicht, gegenüber dem, was der Geist uns sagt, fügsam und gehorsam zu sein, indem wir fleißige Mitarbeiter Gottes beim Werk der Versöhnung und Vereinigung werden, das seinem Willen und dem Heilsplan entspricht. Liebe Schwestern und Brüder, sagen wir dem himmlischen Vater Dank für die ökumenische Bewegung, die trotz Schwierigkeiten und Hindernissen beharrlich ihren steilen Weg fortsetzt und zu bedeutsamen Klarstellungen und Übereinstimmungen gelangt, die die gemeinsame Suche erleichtern können. Wir sind uns dessen bewußt, daß der göttliche Geist den Weg der Glaubenden „in die ganze Wahrheit” (,Joh 16,13), zur vollen Einheit in der Wahrheit, treu begleitet und unterstützt. Kein Hindernis kann in der Tat so groß sein, daß es die Verwirklichung des Planes Gottes aufhält. Der Herr schenke uns auf die Fürsprache Marias, der treuen Jungfrau, eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes, die den Jüngern Jesu hilft, „die Fmcht des Geistes für die Einheit der Christen zu bringen”, besonders in jenen Gebieten, wo Krieg herrscht und das Zeugnis der Gemeinschaft und Solidarität am dringlichsten ist. Die Frucht des Geistes ist Liebe, Geduld, Güte - Frieden. In diesen Tagen beten wir: „Vater, sende uns eine neue Ausgießung des Geistes, damit wir unserer christlichen Berufung würdig wandeln, indem wir vor der Welt Zeugnis für die Wahrheit des Evangeliums ablegen und mit Zuversicht so handeln, daß alle Glaubenden im Band des Friedens vereint werden.” In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die Gebetswoche, die wir in diesen Tagen für die Einheit der Christen begehen, legt uns nahe, gemeinsam nachzudenken und vor allem zu beten, damit die Bitte des Herrn beim letzten Abendmahl: „alle sollen eins sein” {Joh 17,21), in Erfüllung gehe. 13 AUDIENZEN UNDANGELUS Das Streben nach der vollkommenen Einheit der an Christus Glaubenden begleitet und kennzeichnet den Weg der Kirche. Das jüngste Konzil hebt hervor: „Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine der Hauptaufgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils” (Unitatis redintegratio, Nr. 1). Es geht um ein Vorhaben, das auf verschieden Weise verwirklicht wird: durch Studium, gegenseitige Kontakte, Dialog, Zusammenarbeit, durch Erneuerung der einzelnen wie auch der Gemeinschaft selber. Das von einer interkonfessionellen Gruppe aus Kinshasa (Zaire) vorgeschlagene Thema dieser Gebetswoche lädt alle Christen ein, auf den Geist Gottes zu hören und so „die Frucht des Geistes für die Einheit der Christen zu bringen”. Diese „Fracht” wird von Paulus als „Liebe, Treue, Sanftmut Und Selbstbeherrschung” bezeichnet (Gal 5,22-23). Die Erfahrung der Beziehungen unter den Christen zeigt deutlich, daß die Grundlage für die angestrebte Einheit die gegenseitige Liebe sein muß, die im neuen Gebot Jesu gründet: „Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben” (Joh 13,34). Laßt uns die „Frucht des Geistes bringen für die Einheit der Christen”. Mit diesem Aufruf zur Gebetswoche grüße ich Euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Euch, Euren heben Angehörigen in der Heimat sowie allen, die uns in diesen Tagen im Beten um die ersehnte Einheit aller Getauften verbunden sind, erteile ich meinen Apostolischen Segen. Zeit der Umkehr zur Politik des Friedens Angelus am 24. Januar Liebe Schwestern und Brüder! 1. „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe” (Mt 4,17). Diese Worte der heutigen Liturgie und das Fest der Bekehrung des hl. Apostels Paulus, das wir morgen feiern, bieten uns Gelegenheit, zusammen über dieses grundlegende Thema des christlichen Lebens, die „innere Umkehr”, nachzudenken. Im Leben von Paulus war sie außerordentlicher Natur: Während er nach Damaskus ging, um die Jünger Christi zu bekämpfen, wurde er vom Licht des Auferstandenen getroffen (vgl. Apg 9,3). Der Weg nach Damaskus jedoch ist nicht nur der Weg von Paulus - er gilt für jeden Menschen, der nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe dürstet. Denn jeder kann wie der Apostel in die falsche Richtung gehen. Wenn der Mensch offen bleibt, wird er früher oder später auf irgendeine Weise die Stimme Gottes hören, die jede falsche Sicherheit in Frage stellt, um den Geist für die Reue zu öffnen und ihn den Weg zum wahren Frieden zu führen. Wir alle müssen umkehren. Wir alle können umkehren. 14 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Umkehr ist ein Ereignis, das am Kreuzungspunkt zweier Geheimnisse steht: des Mysteriums des göttlichen Erbarmens, das unendlich größer als unsere Sünde ist, und des Geheimnisses der Freiheit, die für den Menschen eine große Gefahr, aber auch eine außerordentliche Chance bedeutet. 2. Kehrt um! So beginnt die Predigt Jesu. Durch die Bekehrung wurde Paulus ein neuer Mensch, der am Ende bekannte: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir” (Gal 2,20). Das ist, liebe Schwestern und Brüder, der christliche Sinn des Sichbekehrens zum Evangelium: die „metanoia”, der radikale Wandel der Mentalität, der dahin führt, den Weg des Egoismus zu verlassen und den der Zustimmung zur Wahrheit und Liebe Gottes zu gehen. Solange die Sünde bleibt, fühlt sich der Mensch als Gefangener der Untugenden und im Widerstreit mit seinem Nächsten. Dank der göttlichen Liebe erwächst in seinem Herzen der Frieden, und er öffnet sich für geschwisterliche Beziehungen mit dem Nächsten. Das ist die Stunde einer großen Bekehrung; der Zeitpunkt der Umkehr zu Gefühlen der Solidarität, zu einer Politik des Friedens, einer Logik der Brüderlichkeit, zum geduldigen Dialog, zur Suche nach dem, was die Menschen eint, anstatt nach dem, was sie trennt. Es ist vor allem die Zeit der Umkehr zu Gott, indem man seine Botschaft der Hoffnung und des Friedens annimmt. 3. Bitten wir Maria, die Mutter und Schülerin des Erlösers, unser Herz für eine wahre Umkehr zu bereiten. Ihre mütterliche Fürsprache bewirke, daß das Evangelium Christi, die endgültige Rettung des Menschen, auf dem schmerzlichen Weg der Menschen unserer Zeit erstrahle. Maria, Zuflucht der Sünder, bitte für uns! Der Bischof von Rom ist Nachfolger Petri Ansprache bei der Generalaudienz am 27. Januar 1. Die Absicht Jesu, Simon Petrus zum „Felsen” zu machen, auf dem er seine Kirche bauen wollte (vgl. Mt 16,18), hat eine über das irdische Leben des Apostels weit hinausreichende Bedeutung. Denn Jesus wollte und verstand seine Kirche so, daß sie in allen Nationen gegenwärtig sei und in der Welt bis zur Vollendung der Geschichte wirke (vgl. Mt 24,14; 28,19; Mk 16,15; U: 24,47; Apg 1,8). Wie er für die anderen Apostel Nachfolger gewollt hat, damit sie in den verschiedenen Teilen der Welt das Evangelisierungswerk fortsetzen sollten, so hat er für die Nachfolger von Petras vorgesehen und gewollt, daß sie mit demselben pastoralen Auftrag und derselben Vollmacht ausgestattet seien, angefangen von dem Auftrag und der Vollmacht, „Fels” zu sein, das heißt sichtbares Prinzip der Einheit im Glauben, in der 15 AUDIENZEN UND ANGELUS Liebe und in dem der Kirche an vertrauten Dienst der Evangelisierung, Heiligung und Leitung. Das I. Vatikanische Konzil lehrt darüber: „Was aber der Herr Christus Jesus, der Fürst der Hirten und oberste Hirt der Schafe, im heiligen Petrus zum ewigen Heil und immerwährenden Wohl der Kirche eingesetzt hat, das muß notwendig nach seiner Anordnung in der Kirche fortdauem, die auf dem Felsen errichtet ist und bis zum Ende der Zeiten feststehen wird” (Konst. Pastor aeternus, Nr. 2: DS 3056). Das gleiche Konzil hat als Glaubenswahrheit gelehrt, daß „aufgrund der Einsetzung von Christus dem Herrn selber, d. h. aufgrund göttlichen Rechts der heilige Petrus seine beständigen Nachfolger im Vorrang über die gesamte Kirche” habe (ebd.: DS 3058). Es handelt sich um einen wesentlichen Baustein der organischen und hierarchischen Struktur der Kirche, und es hegt nicht in des Menschen Macht, ihn zu ändern. Für die ganze Lebensdauer der Kirche wird es kraft des Willens Christi Nachfolger Petri geben. 2. Das II. Vatikanische Konzil hat diese Lehre des I. Vatikanums aufgenommen und wiederholt, indem es die Verbindung hervorhob, die zwischen dem Primat der Nachfolger Petri und der Kollegialität der Nachfolger der Apostel besteht, ohne die Definition des Primats abzuschwächen, der durch die älteste christliche Tradition gerechtfertigt ist, in der vor allem der hl. Ignatius von Antiochien und der hl. Irenäus von Lyon hervorragen. Gestützt auf diese Tradition, hat das I. Vatikanische Konzil auch erklärt, daß der Bischof von Rom der Nachfolger in diesem Vorrang ist (vgl. DS 3058). Diese Definition bindet den Primat Petri und seiner Nachfolger an den römischen Stuhl der durch keinen anderen Sitz ersetzt werden kann, obwohl es geschehen mag, daß die Bischöfe von Rom wegen der Zeitumständen oder aus besonderen Gründen ihren Wohnsitz an einem anderen Ort und nicht in der Ewigen Stadt nehmen. Gewiß kann sich die politische Situation einer Stadt im Laufe der Jahrhunderte weitgehend und tiefgreifend ändern. Aber es bleibt - und ist gebheben im FaU von Rom - ein bestimmter Raum, auf den eine Institution wie die eines Bischofssitzes zurückzuführen ist; bezogen auf Rom, ist das der Sitz Petri. Um die Wahrheit zu sagen, Jesus hat die Rohe Roms in der Nachfolge Petri nicht ausdrücklich bestimmt. Zweifellos wollte er Nachfolger für Petrus, aber aus dem Neuen Testament geht nicht hervor, daß er Rom als vorrangigen Sitz wählen wollte. Er zog es vor, den geschichtlichen Ereignissen, in denen der göttliche Plan für die Kirche offenbar wird, die Bestimmung der konkreten Umstände der Nachfolge Petri zu überlassen. Das entscheidende geschichtliche Ereignis war, daß der Fischer von Betsaida nach Rom kam und in dieser Stadt das Martyrium erlitt. Das ist eine Tatsache von großem theologischem Wert, weil sie das Geheimnis des göttlichen Plans offenbart, der den Lauf der menschlichen Ereignisse im Dienst der Anfänge und der Entwicklung der Kirche fügt. 16 AUDIENZEN UNDANGELUS 3. Die Ankunft und das Martyrium Petri in Rom gehören zur ältesten Tradition, die Ausdruck fand in grundlegenden historischen Dokumenten und archäologischen Funden über die Verehrung des Apostels Petrus an seinem Grab, das bald zur Kultstätte wurde. Von den Schriften müssen wir vor allem den Brief an die Korinther von Papst Klemens (ca. 89-97) nennen, in dem die Kirche von Rom als die Kirche der seligen Petrus und Paulus betrachtet wird und der Papst an ihr Martyrium während der Verfolgung durch Kaiser Nero (5,1-7) erinnert. Hier ist zu betonen, daß in der Tradition auf beide Apostel hingewiesen wird, die durch ihr Martyrium an diese Kirche gebunden sind. Der Bischof von Rom ist der Nachfolger Petri; aber er kann sich auch Erbe von Paulus nennen, des höchsten Vertreters des missionarischen Eifers der Urkirche und des Reichtums ihrer Charismen. Die Bischöfe von Rom sprachen allgemein, lehrten und verteidigten die Wahrheit Christi, feierten die Pontifikatsgottesdienste und segneten die Gläubigen im Namen von Petrus und Paulus, der „Apostelfiirsten”, „olivae binae pietatis unicae”, so singt man zu ihrem Fest am 29. Juni. Die Kirchenväter, die Liturgie und die Ikonographie stellen oft dieses Apostelpaar im Martyrium und in der Herrlichkeit dar. Fest steht jedoch, daß die römischen Päpste ihre Vollmacht in Rom und im weiteren, ja sogar universalen Raum entsprechend den Zeitumständen und -möglichkeiten kraft der Nachfolge Petri ausgeübt haben. Wie diese Nachfolge im ersten Verbindungsglied zwischen Petrus und der Reihe der Bischöfe Roms vollzogen wurde, wird uns von den Schriften nicht mitgeteilt. Aber man kann sie daraus ableiten, wenn man das erwägt, was Papst Klemens im genannten Brief über die Ernennung der ersten Bischöfe und ihrer Nachfolger schreibt. Der hl. Klemens erinnert zunächst daran, daß die Apostel „während sie in Stadt und Land predigten, im Heiligen Geist ihre Erstlingsfrüchte erhielten und diese zu Bischöfen und Diakonen der zukünftigen Gläubigen einsetzten” (42,4); dann erklärt der hl. Klemens, daß die Apostel, um Streitigkeiten hinsichtlich der Bischofswürde in Zukunft zu vermeiden, „die von uns Genannten einsetzten und dann befahlen, daß nach ihrem Tod andere bewährte Männer ihnen in ihrem Dienstamt nachfolgten” (44,2). Die geschichtlichen und kanonischen Verfahrensweisen, nach denen dieses Erbe weitergegeben wird, können sich ändern und haben sich in den Jahrhunderten geändert. Aber'die Reihe der Verbindungsglieder, die auf den Übergang von Petrus zu seinem ersten Nachfolger am römischen Sitz zurückgehen, ist nicht unterbrochen. 4. Diese Reihenfolge, die - man könnte sagen - aus der geschichtlichen Untersuchung der Petrus-Nachfolge in der Kirche von Rom hervorgeht, wird von zwei weiteren Überlegungen bekräftigt: einer negativen, die, ausgehend von der Notwendigkeit einer Petrus-Nachfolge durch die Einsetzung seitens Christi selbst (und damit iure divino, wie man im kanonisch-theologischen Sprachgebrauch sagt), feststellt, daß in keiner anderen Kirche Anzeichen einer ähnlichen Nachfolge vorhanden sind; dazu kommt eine Überlegung, die wir als positiv bewerten könnten: Es ist die Er- 17 AUDIENZEN UND ANGELUS kenntnis der Übereinstimmung der Zeichen, die in allen Jahrhunderten auf den Sitz von Rom als den des Nachfolgers Petri hinweisen. 5. Für das Band zwischen dem päpstlichen Primat und dem römischen Sitz ist das Zeugnis des hl. Ignatius von Antiochien bedeutsam, der die Erhabenheit der Kirche von Rom hervorhebt. Dieser glaubwürdige Zeuge der organisatorischen und hierarchischen Entwicklung der Kirche lebte in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts; er wendet sich im Vorwort seines Römerbriefes an die Kirche, „die in der Liebe am Ort der römischen Region den Vorsitz führt, der Gottes würdig, der Verehrung würdig, zu recht selig, des Glücks würdig und in angemessener Weise enthaltsam ist”. ’ ‘ ' Das Wort Liebe (agape) bezieht sich im Sprachgebrauch des hl. Ignatius auf die kirchliche Gemeinschaft. Vorsitz in der Liebe bedeutet Primat in der Gemeinschaft der Liebe, die die Kirche ist, und schließt notwendigerweise den Dienst der Autorität, den Petrusdienst, ein. Tatsächlich schreibt Ignatius der Kirche von Rom eine Lehrautorität zu: „Ihr habt nie jemanden beneidet; ihr habt die anderen belehrt. Ich will also, daß auch diese Unterweisungen gefestigt werden; die ihr gebt und befiehlt, während ihr lehrt” (3,1). Der Grund dieser Vorrangstellung wird mit den Worten angegeben, die die Bedeutung seiner Autorität als Bischof von Antiochien betreffen, eines sehr verehrungswürdigen, alten und mit den Aposteln verbundenen Bischofssitzes: „Nicht wie Petrus und Paulus befehle ich euch” (4,3). Im Gegenteil, Ignatius vertraut die Kirche von Syrien der Kirche von Rom an: „Gedenkt in eurem Gebet der Kirche von Syrien, die Gott an meiner Statt zum Hirten hat. Jesus Christus allein wird sie als Bischof leiten, ebenso eure Liebe” (9,1). 6. Der hl. Irenäus von Lyon seinerseits bezieht sich, während er die apostolische Nachfolge der Kirchen festlegen wollte, auf die Kirche von Rom als Beispiel und Maßstab einer solchen Nachfolge schlechthin. Er schreibt: „Weil es bei diesem Werk zu lange dauern würde, die Nachfolge aller Kirchen aufzuzählen, nehmen wir die einzigartige und älteste, euch allen bekannte Kirche, die von den glorreichen Aposteln'Petrus und Paulus in Rom gegründete und festgesetzte Kirche. Während wir die von den Aposteln empfangene Tradition und den allen Menschen verkündeten Glauben kundtun, der durch die Nachfolge der Bischöfe bis zu uns gelangte, verwirren wir all jene, die in irgendeiner Weise - durch Schwärmerei oder Eitelkeit oder Blindheit oder falsches Denken sich noch enger verbinden, als recht ist. In der Tat muß mit dieser Kirche aufgrund ihres einzigartigen Ursprungs notwendigerweise jede Kirche übereinstimmen, das heißt die Gläubigen, die von überallher kommen, mit dieser Kirche, in der die von den Aposteln überlieferte Tradition für alle Menschen immer bewahrt wurde” (Adversus haereses, 3,2). Der Kirche von Rom wird ein „herausragender Ursprung” zuerkannt, der von Petrus und Paulus, den höchsten Vertretern der Autorität und des Charismas der Apostel: des „Claviger Ecclesiae” und des „Doctor Gentium”. Die anderen Kirchen können 18 AUDIENZEN UND ANGELUS nicht anders als in Übereinstimmung mit ihr leben und wirken. Die Eintracht bedingt die Einheit im Glauben, in der Lehre und Disziplin, genauer, in dem, was in der apostolischen Tradition enthalten ist. Der Sitz von Rom ist deshalb Zeichen und Maßstab für die apostolische Authentizität der einzelnen Kirchen; er ist Gewähr und Prinzip ihrer Einheit in der universalen Liebe; er ist das Fundament (kefas) des sichtbaren Organismus der Kirche, die vom auferstandenen Christus als dem „ewigen Hirten” der ganzen Schar der Gläubigen gegründet wurde und erhalten wird. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die Absicht Jesu, Simon Petras zum „Felsen” für die Gründung seiner Kirche (vgl. Mt 16,18) zu machen, besitzt einen Stellenwert, der das irdische Leben des Apostels übersteigt. Jesus wollte in der Tat, daß die Kirche in allen Nationen gegenwärtig sei und in der Welt bis zur Vollendung der Geschichte wirke (vgl. Mt 24,14; Lk 24,47). Wie er für die anderen Apostel Nachfolger wollte, die das Werk der Evangelisierung in den verschiedenen Teilen der Welt fortsetzen sollten, so hat er für die Nachfolger des Petras vorgesehen und gewollt, daß sie, ausgestattet mit dem gleichen pastoralen Auftrag und derselben Vollmacht, der Fels seien, das heißt das sichtbare Prinzip der Einheit im Glauben, in der Liebe, im Dienst der Evangelisierung, der Heiligung und der Leitung der Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Lehre des Ersten Vaticanum über den Primat des Petrus aufgenommen und wiederholt; außerdem hat es die Verbindung zwischen dem Primat der Nachfolger Petri und der Kollegialität der Apostel betont, ohne daß dies die Bedeutung des Primats schwächen würde. Der Kirche Roms wird ein besonderer Ursprung zuerkannt, nämlich der des Petras und Paulus als der höchsten Vertreter der Autorität und des Charismas der Apostel: der „Claviger Ecclesiae” und der „Doctor Gentium”. Die übrigen Kirchen müssen in Übereinstimmung mit der Kirche Roms leben und wirken. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mit der Bitte, meine bevorstehende Reise nach Afrika mit Eurem Gebet zu begleiten, erteile ich Euch allen, Euren Angehörigen sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Waffen niederlegen, bevor es zu spät ist! Nach dem Aufruf in Assisi für den Frieden in Europa und vor allem auf dem Balkan möchte ich heute angesichts der Verschärfung der Angriffe auf Sarajevo und des Wiederaufflackems des Konflikts im Hinterland von Zara, in Kroatien, die Aufforderung hinzufügen, unser Gebet für den Frieden im ehemaligen Jugoslawien zu er- 19 AUDIENZEN UND ANGELUS neuem. Im Zusammenhang mit den jüngsten Geschehnissen hat mich ein dringender Friedensappell des serbisch-orthodoxen Patriarchen Pavle erreicht, daß die Waffen schweigen mögen, ehe es zu spät sei ... Möge es der Friedensfürst fügen, daß die internationalen Instanzen und ihre Vertreter und Unterhändler nicht müde werden, den Dialog wieder in Gang zu bringen und nach geeigneten Lösungen für die Wiederherstellung des Friedens zu suchen. Menschliches Leben ist heilig und unantastbar Angelus am 31. Januar Liebe Schwestern und Brüder! 1. Heute wird in allen Ländern der Welt-Lepratag gefeiert. Seit die prophetische Stimme von Raoul Folierau die unmenschliche Verlassenheit anprangerte, in der sich die Leprakranken befanden, sind viele Jahre vergangen, in denen die Aufmerksamkeit für die Lepra gewachsen und viel getan worden ist, um sie zu heilen. Aber immer noch ist es ein Skandal, daß eine so schreckliche Krankheit wie diese weitere Menschenleben fordert, nur weil es an der entsprechenden Behandlung fehlt. Wie viele Leiden, hebe Schwestern und Brüder, verschwänden oder würden gemildert, wenn der Egoismus nachließe und die Solidarität wüchse. Der heutige Welttag hat nicht nur den Zweck, die unerläßliche materielle und geistliche Unterstützung für alle von dieser Krankheit Betroffenen zu fördern, sondern auch die öffentliche Meinung zu sensibilisieren für die dramatische Situation von Armut und Ungerechtigkeit, in der noch ein großer Teil der Menschheit lebt. Es ist notwendig, vor allem die Gleichgültigkeit, die eigentliche „Krankheit” des Geistes, zu überwinden. Wir wollen auf jeder Ebene eine wahre Kultur der Hoffnung fördern und aufbauen, die das menschliche Leben verteidigt und schützt. 2. „Mit der Achtung des Lebens beginnen, um die Gesellschaft zu erneuern”, lautet das Thema des Welttages für das Leben, der am kommenden Sonntag begangen wird, während ich zum Pastoralbesuch in einigen Ländern des gebebten afrikanischen Kontinents weilen werde, wo der Sinn für die Natur, das Leben und die Familie so stark ausgeprägt ist. Liebe Schwestern und Brüder, ich wünschte, die Sache des Lebens, so eng mit dem Familienproblem verbunden, würde in den Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit gesteht. Wie die afrikanischen Bischöfe in ihrer Botschaft zu diesem Anlaß betonten, ist es notwendig, daß die Menschen guten Wiüens „sich vereinen und die sozialen und bürgerlichen Strukturen miteinbeziehen, um die Bedingungen für eine weiter verbreitete und anspruchsvollere Moral zu schaffen. Das erste Bemühen wird sein, den Grund für eine neue Familienpolitik zu legen.” Was besonders in den wirtschaftlich hochentwickelten Ländern sehr überrascht, ist die Unbekümmertheit, mit der man einen offensichtlichen Widerspruch annimmt: 20 AUDIENZEN UND ANGELUS Einerseits wächst lobenswerterweise das Interesse für den Naturschutz und die Sorge um das menschliche Leben mit Hilfe der fortschrittlichsten Techniken; andrerseits wird in weiten Teilen der öffentlichen Meinung und in den Gesetzgebungen vieler Staaten dem Menschen kurz nach seiner Empfängnis das Recht auf Leben aberkannt. Menschliches Lebens ist ein unteilbares Gut: Es ist ein Wunder, das immer wieder mit neuem Staunen entdeckt werden muß. Es ist ein heiliges und unantastbares Gottesgeschenk, das man voll Dankbarkeit annehmen soll. 3. Maria, die jungfräuliche Mutter des menschgewordenen Gotteswortes, helfe uns, die gegenwärtigen abwegigen ideologischen Gegensätze zu überwinden, damit die Anerkennung der Würde des menschlichen Lebens von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende der allgemeine Ausgangspunkt werde für den Aufbau einer solidarischeren Welt und einer friedvollen Zukunft. Nach dem Angelusgebet begrüßte der Papst die Teilnehmer der Diözesanwallfahrt aus dem österreichischen Burgenland mit folgenden Worten: Ein herzliches „Grüß Gott” gilt euch, hebe Schwestern und Brüder aus dem Burgenland. Mit Bischof Paul Iby setzt ihr auch in diesem Jahr eine gute Tradition fort, die unter Altbischof Läszlö ihren Anfang genommen hat; so führt euch die Diözesanwallfahrt heuer zum Nachfolger des heiligen Petrus. Anlaß für euren Besuch ist das 60jährige Jubiläum eures Priesterseminars. Mögen sich die jungen Alumnen den Wahlspruch eures Bischofs „Omnia in caritate” („Alles in Liebe”) für ihr zukünftiges priesterliches Leben zu eigen machen. Dazu gelten euch meine besten Segenswünsche. Humanitäre Hilfe muß Bestimmungsort erreichen Angelus am 14. Februar Liebe Schwestern und Brüder! 1. Zusammen mit euch möchte ich dem Herrn danken für die apostolische Pilgerreise nach Benin, Uganda und Sudan, die ich zu meiner Freude in den vergangenen Tagen machen konnte und über die ich am kommenden Mittwoch während der Generalaudienz ausführlicher sprechen werde. Es war wirklich ein Gnadenanlaß, wobei der Geist Gottes seine tröstliche und erneuernde Gegenwart spüren ließ. Vor meinen Augen habe ich noch die Gesichter so vieler unserer Schwestern und Brüder. Deutlich in Erinnerung sind mir noch die Gesänge, die Tänze, die Farben, aber vor allem die Herzlichkeit und die tiefe Religiosität dieser Völker. In der sogenannten „fortschrittlichen” Welt ist Afrika noch wenig bekannt oder tritt nur aufgrund seiner Probleme in Erscheinung. Aber Afrika ist ein riesiges Reservoir der Jugend. 21 AUDIENZEN UND ANGELUS Es ist ein Treffpunkt bedeutender kultureller und geistlicher Traditionen; es ist ein Land der Märtyrer. Dieser so schwergeprüfte Kontinent besitzt ein gewaltiges Potential an Menschlichkeit und Werten, woraus die gesamte Menschheit neue Lebenskraft schöpfen kann. Die Kirche blickt mit Aufmerksamkeit auf die jungen afrikanischen Kirchengemeinden, und die Sondersynode der Bischöfe, die Afrika gewidmet ist und im April des kommenden Jahres in Rom stattfindet, wird die Impulse hervorheben, die sie zur Neuevangehsierung in diesen Jahren geben können, die uns dem Jubiläumsjahr 2000 näherbringen. 2. Während ich voll Hoffnung an Afrika denke, kann ich keinesfalls die vielen und schweren Probleme vergessen, die es belasten. Während meines Aufenthaltes habe ich in flehende Augen geblickt, und unter dem Beifall und den Freudenrufen vernahm mein Herz auch das Stöhnen Afrikas, das stirbt unter dem Anprall des Hungers, der Krankheit, des Krieges, der ethnischen und rehgiösen Intoleranz. Afrika fordert von der Welt eine neue Solidarität! Gewiß muß Afrika den Mut haben, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen; dazu ist es fähig, aber es darf nicht allein gelassen werden. 3. Heute ist das liturgische Fest der heiligen Cyrill und Methodius, die Mitpatrone Europas. Die Sorge der heiligen Brüder und das geistliche Heil und den sozialen Fortschritt der slawischen Völker lenkt unsere Gedanken auf die lieben Völker am Balkan und ruft uns dringend dazu auf, sie nicht allein zu lassen in einer Lage, die von Tag zu Tag tragischer und bitterer wird. Zu den Toten des Krieges kommen jetzt diejenigen, die dem Hunger und dem Mangel an Grundversorgungsmitteln zum Opfer gefallen sind. Ich fordere alle Glaubenden von neuem dazu auf, mit mir den Herrn anzuflehen, daß er den gequälten Völkern von Bosnien-Herzegowina das Geschenk des Friedens gewähre und die Gewissen der Regierungsverantwortlichen anleite, alle Anstrengungen zu unternehmen, um der Gewalt ein Ende zu setzen und die humanitären Hilfssendungen an den Bestimmungsort gelangen zu lassen. Zusammen mit den heiligen Brüdern Kyrill und Method, welche die Slawenvölker besonders liebten, bitten wir um den mütterlichen Schutz der Jungfrau Maria, daß sie die Herzen bekehre zu einer Haltung echter Brüderlichkeit. Maria, Mutter der Barmherzigkeit, bitte für uns! 22 A UDIENZEN UND ANGELUS Hoffnung auf Annäherung der Christen und Muslime im Sudan Ansprache bei der Generalaudienz am 17. Februar 1. „Wer konnte vorhersehen, daß wir eines Tages den großen historischen Gestalten der afrikanischen Blutzeugen und Bekenner, wie Cyprian, Felicitas, Perpetua und Augustinus, die werten Namen von Karl Lwanga und Matthias Mulumba Kalemba und ihrer zwanzig Gefährten hinzufügen würden? Und wir wollen auch die anderen nicht vergessen, die dem anglikanischen Bekenntnis angehören und um den Namen Christi willen den Tod auf sich genommen haben.” Papst Paul VI. sprach diese Worte bei der Heiligsprechung der ugandischen Märtyrer im Jahr 1964, während des II. Vatikanischen Konzils. Einige Jahre später besuchte Paul VI. selbst das ungandische Heiligtum dieser Märtyrer, die gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts ihr Leben hingaben für Christus. Hinzuzufügen sind außerdem die jüngsten Seligsprechungen von Anwarite (Zaire), Victoire Rasoamanarivo (Madagaskar) und Josephine Bakhita, der sudanesischen jungen Frau, die als Sklavin verkauft und von der göttlichen Vorsehung zum Glauben und zur Heiligkeit geführt wurde auf dem Weg des Ordensberufes in der Kongregation der Canossianerinnen. 2. So war also die jüngste Afrikareise eine echte Wallfahrt auf der Spur der Heiligen und Sehgen, die Afrika der Kirche in letzter Zeit geschenkt hat. Einer sehr bedeutenden Zeit für die Mission und die Entwicklung des Christentums auf dem schwarzen Kontinent. Ich möchte den Mitbrüdem im Bischofsamt von Benin, Uganda und Sudan meinen Dank für ihre Einladung aussprechen, die mir Gelegenheit bot, ein weiteres Mal Afrika zu besuchen. Zugleich danke ich herzlich den zivilen Obrigkeiten, die sich ihrerseits der Einladung der Ortsbischöfe angeschlossen haben. Mein Dank gilt auch denen, die zur Vorbereitung des Besuches beigetragen und seinen guten Erfolg gefördert haben, indem sie beim Verlauf eifrig mithalfen. Ich danke allen Brüdern und Schwestern von Benin, Uganda und Sudan; ich danke den Brüdern und Schwestern der katholischen Kirche und der anderen christlichen Gemeinschaften, wie auch den Muslimen und Vertretern der Naturreligionen. 3. Die ersten Stationen dieser Reise'waren in Benin die Erzdiözese der Hauptstadt Cotonou und dem in Norden des Landes gelegenen Parakou. Ich danke allen, denen ich begegnen konnte, für ihre Anwesenheit und Teilnahme, insbesondere den Vertretern des Islams und des Wodu, einer der vielen afrikanischen Naturreligionen. Ein Großteil der Bevölkerung des Schwarzen Kontinents sind Anhänger von Naturreligionen. Von ihnen kommen die Anhänger Christi, die sich vor allem im vergangenen Jahrhundert zum Evangelium bekehrten und die Taufe empfingen. Durch den Glauben haben sie auf diese Weise teil am göttlichen Geheimnis, das ihnen zuvor ver- 23 AUDIENZEN UND ANGELUS borgen war.. Eben dieses göttliche Geheimnis wollten sie darstellen in den Gaben, die sie bei unserer Begegnung in Cotonou darbrachten. Die Christen von Benin schauen voll Liebe auf diese Brüder und Schwestern, denen sie sich selbst durch die gemeinsame Herkunft verbunden fühlen. Die Kirche in diesem Land ist jung und freut sich, weil der ehemalige Erzbischof von Cotonou heute als Präfekt der Kongregation für die Bischöfe in Rom lebt. Sie freut sich außerdem über die Priester- und Ordensberufe. Während meines Besuches hatte ich die Freude, elf Neupriester zu weihen. Wie eindrucksvoll war dann zum Abschluß des Besuches das „Magnifikat” während der Vesper in der Bischofskirche von Cotonou, die der Mutter der Barmherzigkeit geweiht ist! Wir dankten dem Herrn, alle zusammen, die Bischöfe, die Priester, die Schwestern und Brüder der Ordensgemeinschaften und -institute und die vielen Katechisten! Wir sagten Dank für das Evangelisierungswerk, das im vergangenen Jahrhundert begonnen wurde und reiche Frucht getragen hat. 4. Dieses Gefühl der Dankbarkeit begleitete dann den Aufenthalt in Uganda, dem Land, wo das Christentum sehr gut vorangekommen ist. Die Katholiken und die Anglikaner bilden in der Tat die große Mehrheit der ugandischen Gesellschaft. Die katholische Kirche, in 16 Diözesen aufgeteilt, erfüllt tatkräftig ihren Sendungsauftrag im Land. Um wenigstens Teilgebiete dieser Kirche zu besuchen, fuhr ich außer nach Kampala in weitere drei in verschiedenen Regionen gelegene Städte, Gulu, Kasese und Soroti, wo die Treffen mit den diözesanen Gemeinschaften stattfanden. Der Höhepunkt bei jedem Aufenthalt war die Eucharistiefeier; dabei ist die besonders schön gestaltete Liturgie hervorzuheben, in welcher das Beste der einheimischen Traditionen zum Ausdruck kommt. Man sieht, wie das Evangelium, von diesen Kulturen aufgenommen, aus ihnen all das schöpft und festigt, was ihren wahren menschlichen und geistlichen Reichtum darstellt. Damm war jede Eucharistiefeier ein eindrucksvolles Zeugnis der Lebenskraft der Evangelisierung in Afrika. 5. Namugongo: So heißt der nahe der Hauptstadt Kampala gelegene Ort, wo die ugandischen Märtyrer verehrt werden, ein vielbesuchter Wallfahrtsort. Dem Beispiel seines Vorgängers Paul VI. folgend, vereinte sich Johannes Paul II. am Sonntag, 7. Februar, mit den Pilgern dort, wo in den Jahren 1885 bis 1887 hochherzige Söhne der ugandischen Kirche ihr Leben für Christus hingaben. Es war zugleich eine ökumenische Wallfahrt: Zuerst zum Märtyrerheiligtum der anglikanischen Kirche und dann zum Gotteshaus, das zu Ehren des heiligen Karl Lwanga und seiner 21 katholischen Gefährten errichtet worden war. Die einen wie die anderen bekannten heroisch ihren Glauben; sie wurden zum Tod verurteilt und lebendig verbrannt, wie es in der Römerzeit mit den „Fackeln Neros” geschah. Das Heiligtum der ugandischen Märtyrer, das Nationalheiligtum, wurde bei dieser Gelegenheit zur Basilika erhoben, und die Eucharistiefeier über den Reliquien der Märtyrer war ein besonderes Bekenntnis des Lebens im gekreuzigten und auferstandenen Christus. 24 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Zeugnis der ungandischen Heiligen ist weiter lebendig und baut die Kirche, das Volk Gottes, auf. Dies wollte das Treffen mit den Jugendlichen am Abend vor der Wallfahrt nach Namugongo zum Ausdruck bringen. Ein weiteres Glaubenszeugnis war an diesem Wallfahrtstag die Begegnung mit dem gesamten ugandischen Episkopat und zuvor der Besuch im Krankenhaus, das von den irischen Franziskaner-missionarinnen für Afrika geleitet wird. „In deinem Licht schauen wir das Licht” (Ps 36,10): Dieses Thema des Jugendtreffens stellt zusammenfassend den ganzen Tag dar, dessen Mittelpunkt das einzigartige Glaubenszeugnis der Märtyrer der Kirche in Uganda bleibt. 6. In der Bischofskirche von Rubaga bei Kampala ruht Msgr. Joseph Kiwanuka, der erste Sohn des Schwarzen Kontinents, der zum Bischof geweiht wurde. Diese Kirche war der Tagungsort für die dritte Versammlung - die dritte auf afrikanischem Boden - zur Vorbereitung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, die ich am 6. Januar 1989 einberufen habe. Die beiden anderen Versammlungen in Afrika fanden in Yamoussouko, Elfenbeinküste, vom 8. bis 10. September 1990 und in Luanda, Angola, vom 9. bis 12. Juni des vergangenen Jahres statt. Die Feier der Sonderversammlung der Synode für Afrika ist im Frühjahr 1994 vorgesehen. 7. Josephine Bakhita. Neben den ugandischen Märtyrern und den Sehgen Anwarite und Victoire stellt die göttliche Vorsehung den jungen Kirchen Afrikas eine sudanesische Selige auf den Weg des Evangeliums. Als junges Mädchen auf dem Sklavenmarkt verkauft, dann losgekauft und befreit, findet sie den Weg, Christus nachzufolgen unter den Schwestern der hl. Magdalena von Canossa in Venetien, wo sie die Taufe empfängt und die Ordensgelübde ablegt. Gott hat die Heftigkeit dieser einfachen Tochter Afrikas in einem besonderen Augenblick enthüllt. Nach der Seligsprechung in Rom im Mai 1992 kam der Gedanke, die neue Selige auch in ihrem Herkunftsland zu ehren. Das ist ihre Heimat: Sie muß unter den Ihren das göttliche Licht erstrahlen lassen, welches das schwere und leidvolle Leben ihrer Landsleute erhellt. Im Sudan, dem Land mit islamischer Mehrheit, gehören die Christen vor allem zur schwarzen Urbevölkerung des Südens. In der Erzdiözese der Hauptstadt Khartoum ist die Katholikenzahl angestiegen aufgrund der Flüchtlinge, die aus dem Süden kommen, wo seit vielen Jahren Krieg herrscht und wo sogar humanitäre Hilfe häufig nur schwer hingelangen kann. Die Evangelisierung des Sudans ist seit über einem Jahrhundert in besonderer Weise mit der Tätigkeit der Weißen Väter von Daniele Comboni und seiner Missionskongregation sowie anderer Gemeinschaften verknüpft. Während der Eucharistiefeier hat die Kirche im Sudan unter der Beteiligung einer riesigen Schar von Christen des ganzen Landes ihre Tochter, die selige Bakhita, empfangen, die im Geheimnis der Gemeinschaft der Heftigen zu dem Volk zurückkehrte, von dem sie einst ausgegangen war. 25 AUDIENZEN UND ANGELUS Wir vertrauen darauf, daß diese Ereignisse zur Annäherung der Muslime und Christen des Sudans beitragen, für das Wohl von ganz Afrika und für die Sache des Friedens in der Welt von heute. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Wer konnte voraussehen, daß an die Seite der großen Märtyrer und Bekenner Afrikas wie Cyprian, Felicitas, Perpetua und Augustinus eines Tages die Namen von Karl Lwanga und seiner Gefährten treten würde, die um Christi Willen den Tod auf sich genommen haben? Diese Worte Papst Pauls IV. bei der Heiligsprechung der Märtyrer aus Uganda können wir heute noch um einen Namen ergänzen. In der Tat war meine jüngste Reise nach Benin, Uganda und in den Sudan eine wirkliche Pilgerfahrt auf den Spuren der Heiligen und Sehgen, die Afrika der Kirche im vergangenen Jahrhundert geschenkt hat. Während meine Gedanken heute voll Dankbarkeit zu den einzelnen Stationen dieser Reise zurückgehen, erinnere ich mich mit besonderer Bewegung der jungen, wachsenden und Freude erfüllten Kirche in Benin wie auch an die bereits gefestigte kirchliche Gemeinschaft in Uganda; bei der Feier der heiligen Eucharistie wurde dabei immer die Schönheit einer Liturgie deutlich, in der sich auch das reiche Erbe der heimischen Tradtionen ausdrücken kann. Der Besuch im Sudan schließlich, einem Land mit muslimischer Mehrheit, möge auch ein Beitrag zur. Verständigung zwischen Christen und Muslimen zum Wohl aller Menschen in Afrika und zur Förderung des Friedens in aller Welt sein. Mit diesem kurzen Rückbück auf meinen jüngsten Pastoralbesuch in Afrika richte ich einen herzüchen Willkommensgruß an die deutschsprachigen Püger und Besucher. Besonders begrüße ich die Teilnehmer und Verantwortüchen der 5. Winterspiele der „Special Olympics”, die Alumnen und den Vorstand des Wiener Priesterseminars sowie die Gruppe des Reügionspädagogischen Instituts der Diözese Graz-Seckau. Euch, Euren heben Angehörigen daheim, sowie all jenen, die uns in diesem Moment geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. In Angola und Ruanda statt Waffen die Vernunft gebrauchen Angelus am 21. Februar Liebe Schwestern und Brüder! ' 1. Am kommenden Mittwoch, dem Aschermittwoch, beginnt die Fastenzeit, die H-turgische Zeit, wo der Herr uns besonders eindringlich zur Umkehr und inneren Er- 26 AUDIENZEN UND ANGELUS neuerung aufruft. Indem sie uns auf Ostern vorbereitet, auf die höchste Offenbarung der Liebe Gottes im Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi, drängt uns die Fastenzeit dazu, mit tieferer Überzeugung und Beharrlichkeit entsprechend der Heilsbotschaft des Evangeliums zu leben. Der Aschermittwoch ist, wie bekannt, ein Fast- und Abstinenztag, um gleichsam nach außen hin die innere Bereitschaft zu betonen, mit der jeder Glaubende die Bußhaltung annehmen muß, welche die Fastenzeit kennzeichnet. Wir sind vor allem zu geistlichem Fasten und Enthaltsamkeit aufgerufen, damit wir uns bereit machen, das Herz zu öffnen für die Eingebungen des Geistes und die Hilferufe unserer Mitmenschen. 2. Ein weiterer Grund zum Nachdenken begleitet unser heutiges Gebet: Morgen wird das liturgische Fest der Kathedra Petri gefeiert. Es erinnert an die Lehr- und Hirtensendung, die Jesus dem Apostelfürsten und seinen Nachfolgern als sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit der Kirche anvertraut hat. „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen” (Mt 16,18): Nach dem Willen Christi ist Petrus berufen, das christliche Volk zu leiten, damit es „unter der Führung des Apostels am unverfälschten Glauben festhält und das ewige Erbe erlangt” (vgl. Liturgie des Tages). Der Papst dankt allen, die ihn alltäglich mit hebevoller Solidarität im Gebet bei der Erfüllung des Auftrags begleiten, der ihm als Dienst an seinen Brüdern und Schwestern anvertraut wurde. 3. Meine Gedanken wenden sich jetzt mit besonderer Dankbarkeit an die seligste Jungfrau Maria, die gestern im römischen Priesterseminar unter dem Titel „Madonna der Zuversicht” gefeiert wurde. Die Madonna ist die Mutter, welche an erster Stehe all denen Zuversicht einflößt, die durch das Weihesakrament zu einem unersetzlichen kirchlichen Dienst berufen sind. In dieser Hinsicht freut es mich anzukündigen, daß die Italienische Bischofskonferenz morgen einen Hirtenbrief veröffentlichen wird, welcher der ständigen Weiterbildung der Priester gewidmet ist. „Mach das Geschenk Gottes, das in dir ist, wieder lebendig”, so lautet der bedeutsame Titel des Dokumentes, das von der „hebenden und anspruchsvollen Sorge um eine treue und hochherzige Ausübung” des Priesterdienstes inspiriert wurde. 4. Die lebendige Erinnerung an die jüngste apostolische Reise nach Afrika vermehrt die Besorgnis - die ich mit euch teilen möchte - um die traurigen Ereignisse, die die Geschichte anderer geliebter Länder dieses Kontinents verdüstern. Jüngste schwere Rivahtäten haben Tausende von Todesopfern in Angola gefordert. Ich wende mich von neuem an diejenigen, denen die wahre Entwicklung der Völker am Herzen hegt, daß sie sich um den Frieden in Angola bemühen: Mögen die Waffen schweigen und der Gebrauch der Vernunft überwiegen! Ich wiederhole die jüngste Mahnung der afrikanischen Kardinäle: „In keinem Teil der Welt haben Gewalt und Krieg zur Lösung der Probleme des Lebens der Einzelnen und der Gemeinschaft geführt.” Der Herr gebe allen Gedanken des Friedens, der Versöhnung und Vergebung ein! 27 AUDIENZEN UND ANGELUS Auch in Ruanda ist nach jahrelangen offenen Auseinandersetzungen, die man seit kurzem zu lösen versucht hatte, ein grausamer bewaffneter Kampf entbrannt. Den Verantwortlichen dieses geliebten Volkes möchte ich sagen: Löscht nicht die Hoffnung aus, die nur aus der Verhandlung um die nationale Versöhnung erwachsen kann. Ich bin den unschuldigen Völkern nahe, die durch ethnische Rivalitäten und Plünderungen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Ich bete für alle, die leiden und ihre Todesopfer beweinen und ich erneuere meinen eindringlichen Aufruf an die kämpfenden Parteien, daß sie. den Dialog wieder aufnehmen: Es gibt keinen anderen Weg, der zum Frieden führt! Wir vertrauen diese unsere Wünsche der Fürsprache der heiligsten Jungfrau an. Der Petrusdienst des Bischofs von Rom als Hirt der Gesamtkirche Ansprache bei der Generalaudienz am Aschermittwoch, 24. Februar 1. In den vorausgegangenen Katechesen haben wir über den Bischof von Rom als den Nachfolger Petri gesprochen. Diese Nachfolge ist von grundlegender Bedeutung für die Erfüllung der Sendung, die Jesus Christus den Aposteln und der Kirche aufgetragen hat. Das II. Vatikanische Konzil lehrt, daß der Bischof von Rom als „Stellvertreter Christi ... höchste und universale Gewalt” über die gesamte Kirche hat (Lumen Gentium, Nr. 22). Diese und auch die Gewalt der Bischöfe hat Dienstcharakter (ministerium = Dienst), wie schon die Kirchenväter feststellten. Die Konzilsaussagen über den Bischof von Rom müssen im Licht dieser christlichen Tradition gelesen und erklärt werden; dabei ist zu berücksichtigen, daß die von den Konzilien - besonders vom I. Vatikanischen Konzil - verwandte Ausdrucks weise hinsichtlich der Vollmachten sowohl des Papstes als auch der Bischöfe zum besseren Verständnis Fachwörter des Zivilrechts gebraucht, denen in diesem Fall der rechte kirchliche Wortsinn zu geben ist. Auch in der Kirche als Versammlung von Menschen, die berufen sind, den von Gott verfügten Plan für die Rettung der Welt in der Geschichte zu verwirklichen, zeigt sich die Vollmacht als ein unumgängliches Erfordernis der Sendung. Die analoge Bedeutung der verwandten Ausdrücke erlaubt es, die Vollmacht in dem Sinn zu verstehen, der vom Leitsatz Jesu über die „Vollmacht zu dienen” und vom evangelischen Verständnis der pastoralen Leitung dargeboten wird. Die für die Sendung Petri und seiner Nachfolger erforderliche Vollmacht identifiziert sich mit dieser maßgeblichen Leitung, die durch den göttlichen Beistand gewährleistet wird, den Jesus selbst als Hirtendienst beschrieben hat. 2. Dies vorausgesetzt, können wir die Formulierung des Konzils von Florenz (1439) lesen, die lautet: „Wir bestimmen, daß der Heilige Apostolische Stuhl und der römische Bischof den Vorrang über den ganzen Erdkreis innehat, weiter, daß dieser rö- 28 AUDIENZEN UND ANGELUS mische Bischof Nachfolger des heiligen Petrus, des Apostelfürsten, wahrer Stellvertreter Christi, Haupt der gesamten Kirche und Vater und Lehrer aller Christen ist; daß ihm im heiligen Petrus die volle Gewalt, die ganze Kirche zu weiden, zu regieren und zu verwalten von unserem Herrn Jesus Christus übergeben ist, wie es die Verhandlungsberichte der Allgemeinen Kirchenversammlungen und die heiligen Rechtssätze enthalten” (DS 1307). Man weiß, daß das Problem des Primats geschichtlich durch die von Rom getrennte orientalische Kirche entstanden ist. In dem Bemühen, die Einigung zu fördern, stellte das Konzil von Florenz die Bedeutung des Primats heraus. Es handelt sich um eine Sendung des Dienstes an der Gesamtkirche, die notwendigerweise gerade in bezug auf diesen Dienst eine entsprechende Autorität mit sich bringt; „die volle Gewalt, zu weiden, zu regieren und zu verwalten”, ohne daß das Vorrang und Rechte der orientalischen Patriarchen, die deren Amtswürde entsprechen, verletzt (vgl. DS 1308). Das I. Vatikanische Konzil (1870) seinerseits zitiert die Definition des Konzils von Florenz (vgl. DS 3060) und erläutert, nachdem es die Schriftstellen genannt hat (Joh 1,42; Mt 16,16 f; Joh 21,15 f.), die Bedeutung dieser Vollmacht noch näher. Der römische Bischof hat nicht „nur das Amt einer Aufsicht oder Leitung”, sondern „die volle und oberste Gewalt der Rechtsbefugnis über die ganze Kirche - und zwar nicht nur in Sachen des Glaubens und der Sitten, sondern auch in dem, was zur Ordnung und Regierung der über den ganzen Erdkreis verbreiteten Kirche gehört” (DS 3064). Es hatte Versuche gegeben, die oberste Gewalt des römischen Papstes auf „ein Amt der Aufsicht und Leitung” zu beschränken. Einige hatten vorgeschlagen, daß der Papst einfach ein Schiedsrichter in den Streitigkeiten zwischen den Ortskirchen sei oder nur die selbständigen Aktivitäten der Kirchen und der Christen allgemein durch Ratschläge und Empfehlungen leiten würde. Aber diese Verkürzung entsprach nicht der Sendung, die Christus dem Petrus aufgetragen hatte. Das I. Vatikanische Konzil unterstreicht deshalb die Fülle der päpstlichen Vollmacht und stellt klar, daß es nicht genügt, dem römischen Papst „einen größeren Anteil” zuzuerkennen: Man muß hingegen zugeben, daß er „die ganze Fülle dieser höchsten Gewalt” besitzt (DS 3064). 3. Hier muß man sofort klarstellen, daß diese „Fülle” der dem Papst zuerkannten Gewalt nichts von der „Fülle” nimmt, die auch der Körperschaft der Bischöfe gehört. Ja, man muß bekräftigen, daß der Papst und die Körperschaft der Bischöfe „die ganze Fülle” der Gewalt haben. Der Papst besitzt diese Fülle ganz persönlich, während die Körperschaft der Bischöfe sie als Gemeinschaft besitzt, weil sie unter der Autorität des Papstes vereint ist. Die Vollmacht des Papstes ist nicht das Ergebnis einer einfachen Zusammenzählung, sondern das Prinzip der Einheit und Geschlossenheit der Körperschaft der Bischöfe. Gerade aus diesem Grund unterstreicht das Konzil, daß die Gewalt des Papstes „ordentlich und unmittelbar (ist), ebenso über die gesamten und die einzelnen Kir- 29 AUDIENZEN UNDANGELUS chen wie über die gesamten und einzelnen Hirten und Gläubigen” (DS 3064). Sie ist ordentlich in dem Sinn, daß sie dem römischen Papst kraft der ihm zustehenden Aufgabe eigen ist und nicht durch Beauftragung von seiten der Bischöfe; sie ist unmittelbar, weil er sie direkt, ohne Erlaubnis oder Vermittlung der Bischöfe ausüben kann. Die Definition des I. Vatikanums schreibt dem Papst jedoch keine Vollmacht, oder Aufgabe täglicher Eingriffe in den Ortskirchen zu; sie will nur die Möglichkeit aus-schheßen, ihm Regeln aufzuzwingen, die die Ausübung des Primats beschränken. Das Konzil erklärt ausdrücklich: „Diese Gewalt des obersten Hohenpriesters tut der ordenthchen und unmittelbaren Gewalt der bischöflichen Rechtsbefugnis, in der die Bischöfe, die, eingesetzt vom Heiligen Geist, an die Stelle der Apostel getreten sind und als wahre Hirten die ihnen anvertrauten Herden weiden und leiten, jeder die seine, gar keinen Eintrag” (DS 3061). Ja, man muß an eine Erklärung der deutschen Bischöfe, approbiert von Pius IX., aus dem Jahr 1875 erinnern: „Kraft der göttlichen Einsetzung selbst, worauf das Amt des Papst gründet, gibt es auch den Episkopat: Ihm stehen Rechte und Pflichten zu durch eine Verfügung, die von Gott selbst kommt, und der Papst hat weder das Recht noch die Gewalt, sie zu ändern.” Die Dekrete des I. Vatikanischen Konzil werden deshalb falsch verstanden, wenn man behauptet, daß durch sie „die bischöfliche Rechtsbefugnis von der des Papstes aufgezehrt worden ist”; daß der Papst „für sich die Stelle jedes Bischofs einnimmt” und daß die Bischöfe nichts anderes als „Instrumente des Papstes sind: seine Beamten ohne eigene Verantwortung” (vgl. DS 3115). 4. Hören wir jetzt die ausführliche, ausgewogene und klare Lehre des II. Vatikanischen Konzils, das erklärt: Jesus Christus, der ewige Hirt, wollte, daß die Bischöfe als Nachfolger der Apostel „in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten. Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt” (Lumen Gentium, Nr. 18). In diesem Sinn spricht das U. Vatikanische Konzil vom Bischof von Rom als dem „Hirten der ganzen Kirche”, der über sie die „volle, höchste und universale Gewalt” hat (Lumen Gentium, Nr. 22). Das ist die „primatiale Gewalt über alle Hirten und Gläubigen” (ebd.). „Deshalb sind die einzelnen Bischöfe gehalten, ... in Arbeitsgemeinschaft zu treten untereinander und mit dem Nachfolger Petri, dem das hohe Amt, den christlichen Namen auszubreiten, in besonderer Weise übertragen ist” (Lumen Gentium, Nr. 23). Nach dem gleichen Konzil ist die Kirche auch in diesem Sinn katholisch, daß alle Jünger Christi durch ihr jeweiliges persönliches Apostolat, zu ihrer universalen Heilssendung beitragen müssen. Aber das pastorale Wirken aller und besonders das kollegiale des ganzen Episkopats erhält die Einheit durch das „ministerium 30 AUDIENZEN UND ANGELUS Petrinum” (das Petrasamt) des Bischofs von Rom. „In diesem Kollegium - so lehrt das Konzil - wirken die Bischöfe, unter treuer Wahrung des primatialen Vorrangs ihres Hauptes, in eigener Vollmacht zum Besten ihrer Gläubigen, ja der ganzen Kirche” (Lumen Gentium, Nr. 22): Und wir müssen mit dem Konzil noch hinzufügen: Wenn die kollegiale Vollmacht über die ganze Kirche besonders im ökumenischen Konzil Ausdruck findet, so hat der Bischof von Rom „das Vorrecht, diese Konzilien zu berufen, auf ihnen den Vorsitz zu fuhren und sie zu bestätigen” (ebd.). Darum hängt alles vom Papst ab, dem Bischof von Rom, als dem Prinzip der Einheit und Gemeinschaft. -5, Hier ist auf folgendes hinzuweisen: Wenn das II. Vatikanum die Tradition des kirchlichen Lehramtes über das Thema „ministerium Petrinum” des Bischofs von Rom - das zuvor beim Konzil von Florenz (1439) und beim I. Vatikanum (1870) Ausdruck fand - übernommen hat, dann bestand sein Verdienst, während es diese Lehre wiederholte, darin, die Beziehung zwischen dem Primat und der Kollegialität der Bischöfe in der Kirche hervorzuheben. Dank dieser neuen Klarstellung wurden wiederholte falsche Auslegungen der Lehraussage des I. Vatikanischen Konzils ausgeschlossen, und die volle Bedeutung des Petrasamtes wurde in Übereinstimmung mit der Lehre von der Kollegialität der Bischöfe dargestellt. Bekräftigt wurde auch das Recht des römischen Papstes, „in Ausübung seines Amtes mit den Hirten und Herden der ganzen Kirche frei zu verkehren”, und das im Hinblick auf alle Riten (vgl. Pastor aetemus, cap. II: DS 3060, 3062). Für den Nachfolger Petri handelt es sich nicht darum, Vollmachten zu beanspruchen, die denen der irdischen Herrscher gleichen, von denen Jesus spricht (vgl. Mt20,25-28), sondern dem Willen des Stifters der Kirche treu zu sein, der diese Art von Gesellschaft und diese Weise zu leiten eingerichtet hat für den Dienst an der Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe. Um dem Willen Christi zu entsprechen, muß der Nachfolger Petri die ihm verliehene Autorität im Geist demütigen Dienens und zur Sicherung der Einheit annehmen und ausüben. Auch in den verschiedenen geschichtlichen Ausübungsweisen muß er Christus nachahmen, indem er denen dient und sie sammelt, die berufen sind, an der einen Herde teilzuhaben. Das, was er für Christus und für seine Kirche empfangen hat, wird er nie persönlichen Zwecken unterordnen. Er wird nie vergessen, daß die universale Hirtensendung notwendigerweise eine tiefere Vereinigung mit dem Opfer des Erlösers, dem Geheimnis des Kreuzes, mit sich bringt. Hinsichtlich der Beziehung zu seinen Mitbrüdem im Bischofsamt denkt er an die Worte des hl. Gregor des Großen und verwirklicht sie: „Meine Ehre ist die Ehre der gesamten Kirche. Meine Ehre ist die volle Lebenskraft meiner Brüder. Dann bin ich in Wahrheit geehrt, wenn allen einzelnen die schuldige Ehre erwiesen wird” (Epist. ad Eulogium Alexandrinum, PL 77,933). 31 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dem innigen Wunsch, die am heutigen Aschermittwoch beginnende österliche Bußzeit möge uns alle zur Mitte unseres Lebens führen und damit ein Weg sein, der uns Gott und den Mitmenschen näherbringt, grüße ich Euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Mein besonderer Willkommensgruß gilt den Or-denschwestem, die einen theologischen Kurs am Päpstlichen Institut „Regina Mundi” in Rom besuchen und die an einem geistlichen Emeuerungskurs in La Storta teilnehmen. Euch, Euren heben Angehörigen sowie allen in Eurer Heimat, die uns in der Hinwendung zu Gott verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostohschen Segen. Sich auf Ostern durch Gebet, Fasten und Nächstenliebe vorbereiten Angelus am 28. Februar Liebe Schwestern und Brüder! 1. Die Fastenzeit hat begonnen. In dieser Bußzeit lädt uns die Kirche ein, eine Wanderung durch die „Wüste” zu machen wie das Volk des Alten Bundes, als es seinen „Auszug” aus der Sklaverei von Ägypten in die Freiheit des verheißenen Landes unternahm; es war die Vorwegnahme eines viel tieferen und endgültigeren Auszugs, eines neuen und ewigen Bundes, der im Ostergeheimnis Wirklichkeit wurde. Die kirchliche Pädagogik empfiehlt uns für diesen Heilsweg drei Bemühungen: Gebet, Fasten und Nächstenhebe, die eng miteinander verbunden sind. Durch das Gebet hören wir auf Gott und pflegen unsere Freundschaft mit ihm. Durch das Fasten widerstehen wir den Versuchungen und oftmals der Sklaverei des Überflusses und machen unser Herz frei. Durch die Nächstenhebe nähern wir uns all denen, die in Not sind, und werden für sie lebendiges Zeugnis der Zuneigung Gottes. Mit dieser inneren Haltung können wir, gestützt durch die Kraft des Wortes des Herrn, unverzüglich unseren Weg in der Fastenzeit beginnen, „um den Versuchungen des Bösen zu widerstehen und in der Freude des Geistes das Osterfest zu feiern” (vgl. Tagesliturgie). 2. Heute, am ersten Fastensonntag, beginnt in den Diözesen Spaniens und Lateinamerikas ein besonders Jubiläum, das ich mit dem päpstlichen Breve Fidelis sui Divini conditoris anberaumt habe, um das unschätzbare Geschenk herauszustehen, welches für die Neue Welt die Ankunft der Botschaft Jesu Christi im Jahr 1493 war. Die ersten Missionare kamen aus Spanien und begannen, in diesen gesegneten, später „Amerika” genannten Ländern das Evangelium zu verkünden. In Erinnerung 32 A UDIENZEN UND ANGELUS an dieses segensreiche Ereignis können die Gläubigen in allen spanischen und ibero-amerikanischen Kathedralen wie auch in einigen von den Bischöfen bestimmten Wallfahrtskirchen den vollkommenen Ablaß unter den gewohnten Bedingungen gewinnen. Das Jubiläum dauert bis zum kommenden Pfingstfest und hat zum Ziel, dem Herrn für das Geschenk des empfangenen Glaubens zu danken und die Neuevangelisierung zu fördern, die vorrangige Verpflichtung jeder kirchlichen Gemeinschaft im Hinblick auf das dritte Jahrtausend des Christentums. Von Herzen wünsche ich, daß diese Monate dazu dienen, das Geheimnis der Erlösung noch tiefer zu feiern und zu leben, und daß sie eine besondere Gelegenheit der Umkehr und Gnade für jeden Glaubenden sind, der berufen ist, mit verstärktem Eifer Christus nachzufolgen, um ein mutiger und beharrlicher Verkünder des Evangeliums unter seinen Brüdern und Schwestern zu sein. 3. Liebe Schwestern und Brüder! Heute abend beginne ich, wie alljährlich, mit meinen Mitarbeitern der Römischen Kurie die geistlichen Exerzitien und unterbreche für einige Tage die gewohnte Tätigkeit meines Dienstamtes. Ich bitte euch, mich mit eurem Gebet zu begleiten und wünsche euch ebenfalls, in der Bußatmosphäre der Fastenzeit einige Stunden belebender Stille zu finden, um euch besser auf die Feier von Ostern vorzubereiten. Wir vertrauen diese unsere Absicht der Fürsprache Marias an, in deren Herz der Samen des Wortes Gottes nie vergebens gefallen ist. Maria, du hörende Frau und Heiligtum der göttlichen Gegenwart, bitte für uns! Nach dem Angelusgebet begrüßte der Papst die Pilger in deutscher Sprache: Herzlich begrüße ich die Pilgergruppe aus der Diözese Würzburg mit Teilnehmern aus den Pfarreien Traustadt, Donnersdorf, Pusselsheimund Dürrfeld. Möge euch die jetzt begonnene Fastenzeit bereit machen, das Osterfest mit Freude und in Reinheit des Herzens zu begehen. Dazu gelten euch sowie allen deutschsprachigen Pilgern und Besuchern meine besten Segenswünsche. Es ist Zeit, zu Gott zurückzukehren! Angelus am 7. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Doch das Auge des Herrn ruht auf allen, die ihn fürchten und ehren, die nach seiner Güte ausschaun.” Diese Worte aus der Liturgie vom heutigen Fastensonntag laden uns ein, auf den Blick Gottes zu achten. Wh brauchen ihn in einem außerordentlichen Maß! Die gesamte Menschheit braucht ihn, erlebt sie doch eine wirklich schwere Zeit. Wie kann man denn schweigen angesichts des traurigen Schauspiels von Übergriffen und unerhörten Grausamkeiten, die, wie es scheint, 33 AUDIENZEN UND ANGELUS Menschen und Völker an den Rand des Abgrunds bringen? Wie ist es möglich, daß wir in unserem Jahrhundert, dem Jahrhundert der Wissenschaft und Technik, das die Geheimnisse des Weltraums zu erforschen vermag, ohnmächtige Zeugen grauenhafter Verletzungen der Menschenwürde sein müssen? Hängt das nicht vielleicht davon ab, daß die zeitgenössische Kultur in hohem Maße der Fata Morgana eines Humanismus ohne Gott folgt und vorgibt, die Rechte des Menschen zu bekräftigen, während sie die „Rechte Gottes” vergißt, ja zuweilen mit Füßen tritt? 2. Es ist Zeit, zu Gott zurückzukehren! Ja, hebe Brüder und Schwestern, die Welt braucht Gott, an den man oft so wenig glaubt, der so wenig angebetet und geliebt wird und dem man so wenig gehorcht. Er ist nicht stumm, aber er verlangt das demütige, schweigende Hören. Seine grenzenlose Achtung vor unserer Freiheit ist keine Schwäche: Er behandelt uns wie Söhne und Töchter. Lassen wir unser Herz von seinem Wort berühren. Er ist die Hoffnung des Menschen und das Fundament seiner wahren Würde. Bei genauer Prüfung hat sich jede Ideologie als blind erwiesen, die den Menschen an die Stelle Gottes, das Geschöpf an die Stehe des Schöpfers setzen wollte. „Denn das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts”, mahnt das Konzil (Gaudium et spes, Nr. 36). Es ist gewiß recht und geboten, die „Rechte des Menschen” geltend zu machen und zu verteidigen; aber noch zuvor gilt es, die „Rechte Gottes” anzuerkennen und zu achten. Wenn man diese vernachlässigt, läuft man zu allem Gefahr, auch jene zunichte zu machen: „Wenn das göttliche Fundament und die Hoffnung auf das ewige Leben schwinden, wird die Würde des Menschen aufs schwerste verletzt”, betont das Konzil (ebd., Nr. 21). Laßt es mich laut hinausrufen: „Es ist Zeit, zu Gott zurückzukehren!” Dem, der die Freude des Glaubens noch nicht besitzt, wird der Mut abverlangt, ihn zuversichtlich, beharrlich und bereitwillig zu suchen. Von dem, der schon die Gnade hat, den Glauben zu besitzen, wird verlangt, ihn als den kostbarsten Schatz seines Daseins zu hüten, indem er ihn bis zum Äußersten lebt und mit Eifer bezeugt. Nach Glauben, nach wahrem und tiefem Glauben, dürstet unsere Welt, denn nur Gott vermag die Sehnsucht des menschlichen Herzens gänzlich zu stillen. 3. Wir müssen zu Gott zurückkehren, die Rechte Gottes anerkennen und achten! Bitten wir die seligste Jungfrau um dieses erneuerte Bewußtsein. Ihre mahnende und mütterliche Gegenwart hat sich auch in unserem Jahrhundert mehrmals zu erkennen gegeben. Es scheint fast, als wolle sie uns auf die Gefahren hinweisen, die der Menschheit drohen. Auf die finstere Macht des Bösen, bittet uns Maria, mit den friedlichen Waffen des Gebets, des Fastens und der Nächstenhebe zu antworten. Sie weist uns auf Christus hin, sie führt uns zu Christus. Enttäuschen wir nicht die Erwartungen ihres mütterlichen Herzens. 34 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Brüder und Schwestern im Herrn! Gestern hat mich der Bürgermeister von Sarajevo besucht und mir bestätigt, daß sich die tragischen Nachrichten verschlimmern, die uns seit über einem Jahr von der gequälten Bevölkerung aus Bosnien-Herzegowina erreichen. Die erschütternden Zahlen von Toten, Verwundeten, vergewaltigten Frauen, von den im Konzentrationslager Internierten und den im Zuge der verbrecherischen „ethnischen Säuberung” Verschleppten, Zahlen, die im Januar in Assisi vom Oberhaupt der islamischen Gemeinde und von den Bischöfen der Diözesen Sarajevo, Banja Luka und Mostar genannt worden waren, sind jetzt noch dramatisch angestiegen. Ich meinerseits habe dem Bürgermeister von Sarajevo die Solidarität der ganzen katholischen Kirche mit dieser Bevölkerung ausgesprochen und ihm versichert, daß der Hl. Stuhl alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel weiter anwenden werde, um dazu beizutragen, daß diesem sinnlosen Morden ein Ende gesetzt werde. Deshalb fühle ich mich verpflichtet, noch einmal einen dringenden Appell an alle Menschen guten Willens zu richten, damit sie, auch wenn es schwere Opfer kostet, in dem edlen Bemühen fortfahren und der vom Krieg am meisten betroffenen Bevölkerung humanitäre Hilfssendungen zukommen lassen. Zum wiederholten Mal empfinde ich die Verpflichtung als dringend, alle für das Drama am Balkan Verantwortlichen darauf hinzuweisen, daß der Angriffskrieg menschenunwürdig ist und vor Gott zum Himmel schreit; daß die physische oder moralische Zerstörung des Gegners ein Verbrechen und die mit Gewalt durchgeführte Eroberung des Territoriums unannehmbar ist. Im Namen Gottes rufe ich alle auf, die Waffen niederzulegen! Es ist nie zu spät, das verübte Unheil wiedergutzumachen und wieder ein neues Vaterland aufzubauen! Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Morgen, am 8. März, wird der Tag der Frau gefeiert. Nachdem wir gemeinsam Maria, die Jungfrau und Mutter des Erlösers, angerufen haben, möchte ich jetzt einen besonderen Dank sagen, der aus der gesamten Kirche zum Herrn aufsteigen möge; einen Dank für die Frau, „für alle Frauen und für jede einzelne” {Mulieris dignitatem, Nr. 31). Maria von Nazaret ist stellvertretend für uns; ihre Gestalt stellt „die Frau als solche ins Licht” {Redemptoris Mater, Nr. 46): Gott wollte sich in ihr der Freiheit und Liebe einer Frau anvertrauen. Damm kann jede Frau mit der Mutter des Erlösers in einer einzigartigen Beziehung leben und darin das Geheimnis entdecken, ihr eigenes Frausein würdig zum Ausdruck zu bringen. Deshalb lautet mein Wunsch zum morgigen Tag für die Frauen der ganzen Welt: Daß sie immer den Reichtum ihres Wesens ausdrücken und so ihre echte Entfaltung verwirklichen. 35 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Lehramt des Nachfolgers Petri als Auftrag für die Gesamtkirche Ansprache bei der Generalaudienz am 10. März 1. Aus den Texten des Neuen Testamentes, die wir in den vorhergegangenen Katechesen wiederholt betrachtet haben, geht hervor, daß Jesus seine Absicht, Petrus die Schlüssel des Himmelreichs zu geben, als Antwort auf ein Bekenntnis .des Glaubens gezeigt hat. Dieses legte Petrus im Namen der Zwölf und kraft einer Offenbarung ab, die vom Vater kam. Er brachte seinen Glauben an Jesus als „den Messias, den Sohn des lebendigen Gottes”, zum Ausdruck. Diese Glaubensanhänglichkeit an die Person Jesu ist nicht einfach eine Vertrauenshaltung, sondern schließt eindeutig die Bekräftigung einer christologischen Lehre ein. Die Rolle des Grundsteins der Kirche, die Jesus Petrus verliehen hat, ist mit. einem Lehraspekt verbunden (vgl. Mt 6,18-19). Der Auftrag, „die Brüder im Glauben zu stärken”, den Jesus ihm gleichfalls gegeben hatte (vgl. Lk 22,32), geht in dieselbe Richtung. Petrus hat die Zusicherung eines besonderen Gebetes des Meisters, damit er diese Rolle erfüllen und seinen Brüdern helfen kann zu glauben. Die Worte: „Weide meine Lämmer!”, „Weide meine Schafe!” (Joh 21,15-17) drücken nicht eindeutig einen lehramtlichen Auftrag aus, aber sie beinhalten ihn. Die Herde weiden heißt, sie mit einer kräftigen Nahrung des geistlichen Lebens zu versorgen, und in dieser Nahrung ist die Mitteilung der geoffenbarten Lehre zur Stärkung des Glaubens enthalten. Daraus ist zu schließen, daß gemäß den Texten des Evangeliums der universale Hirtenauftrag des römischen Papstes, des Nachfolgers Petri, einen lehramtlichen Auftrag beinhaltet. Als universaler Hirt hat der Papst den Sendungsauftrag, die geof-fenbarte Lehre zu verkünden und in der gesamten Kirche den wahren Glauben an Christus zu fördern. Das ist der volle Sinn des Petrusamtes. 2. Die Bedeutung des Petrus verliehenen lehramtlichen Auftrags folgt aus der Tatsache, daß es sich gemäß den Aussagen des Evangeliums um eine Teilhabe seinerseits an der Hirtensendung Christi handelt. Petrus ist der erste der Apostel, zu denen Jesus gesagt hat: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 20,21; vgl. 17,18). Als universaler Ehrt muß Petrus im Namen Christi und in Übereinstimmung mit ihm im weiten menschlichen Bereich handeln, das heißt in der ganzen Welt, wo nach Jesu Willen sein Evangelium gepredigt werden und die Heils Wahrheit Eingang finden soll. Der Nachfolger Petri im universalen Hirtenauftrag ist also der Erbe eines Lehrdienstes, in dem er - zusammen mit Petrus - eng mit der Sendung Jesu verbunden ist. Dies beschneidet den Hirtendienst der Bischöfe nicht; sie haben gemäß dem II. Vatikanischen Konzil unter ihren Hauptaufgaben die, das Evangelium zu verkünden: Denn sie sind „Glaubensboten, die ... dem ihnen anvertrauten Volk die Bot- 36 AUDIENZEN UND ANGELUS Schaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben” verkündigen {Lumen Gentium, Nr. 25). Dennoch ist der Bischof von Rom als Haupt des Bischofskollegiums nach dem Willen Christi der erste Glaubensbote, dem die Aufgabe zusteht, die offenbarte Wahrheit zu lehren und ihre Anwendungen auf das menschliche Verhalten zu zeigen. Er hat die Hauptverantwortung für die Verbreitung des Glaubens in der Welt. Dies bekräftigt das II. Konzil von Lyon (1274) in bezug auf den Primat und die Fülle der Gewalt des Bischofs von Rom, wenn es unterstreicht, daß er „vor allen anderen zur Verteidigung der Glaubenswahrheit verpflichtet ist” und daß „auch alle auftauchenden Fragen über den Glauben” durch sein Urteil „entschieden werden müssen” (DS 861). Auf derselben Linie anerkennt das Konzil von Florenz (1439) den römischen Papst als den „Vater und Lehrer aller Christen” {DS 1307). 3. Diesen lehramtlichen Auftrag erfüllt der Nachfolger Petri durch eine fortlaufende Reihe von gesprochenen oder geschriebenen Aussagen, die die ordentliche Ausübung des Lehramtes bilden als Lehre der Wahrheiten, die zu glauben und ins Leben umzusetzen sind (fidem et mores). Die Äußerungen dieses Lehramtes können mehr oder weniger häufig sein und verschiedene Formen annehmen entsprechend den Zeitumständen, den Anforderungen der konkreten Situationen, den Möglichkeiten und den zur Verfügung stehenden Mitteln sowie der Kommunikationsweise und -technik: Aber diese Aussagen - vorausgesetzt, daß sie aus einer ausdrücklichen oder selbstverständlichen Absicht erwachsen, in Sachen des Glaubens und der Sitten sprechen zu wollen - sind an den von Petrus erhaltenen Auftrag gebunden und haben die von Christus verliehene V olimacht. Die Ausübung dieses Lehramtes kann auch in außerordentlicher Weise geschehen, wenn der Nachfolger Petri - allein oder mit der Versammlung der Bischöfe als Nachfolger der Apostel - „ex cathedra” über einen bestimmten Punkt der christlichen Lehre oder Moral spricht. Aber darüber sprechen wir in den nächsten Katechesen. Jetzt müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die gewohnte und ordentliche Form des päpstlichen Lehramtes richten, das eine viel weitere Reichweite und eine entscheidende Bedeutung für das Denken und Leben der christlichen Gemeinschaft besitzt. 4. Hervorzuheben ist hier besonders der positive Wert des Sendungsauftrags, die christliche Botschaft zu verkünden und zu verbreiten, die authentische Lehre des Evangeliums bekannt zu machen und auf die alten und neuen Fragen der Menschen angesichts der Grundprobleme des Lebens mit den ewigen Worten der Offenbarung zu antworten. Es wäre eine verkürzende, ja irrtümliche Auffassung, würde man glauben, das päpstliche Lehramt bestünde nur in der Verurteilung der Irrtümer gegen den Glauben. Dieser in gewisser Weise negative Aspekt besteht zweifellos in der Verantwortung für die Verbreitung des Glaubens, weil es auch notwendig ist, ihn gegen Irrtümer und Abweichungen zu verteidigen. Aber die wesentliche Aufgabe des päpstlichen Lehramtes ist, die Glaubenslehre darzulegen, indem man die Er- 37 A UDIENZEN UND ANGELUS kenntnis 'des Geheimnisses Gottes und des Heilswerkes fördert und alle Aspekte des göttlichen Planes beleuchtet, dessen Verwirklichung unter dem Wirken des Heiligen Geistes in der menschlichen Geschichte im Gang ist. Das ist der Dienst an der Wahrheit, der hauptsächlich dem Nachfolger Petri anvertraut wurde; dieser handelt in der ordentlichen Ausübung seines Lehramtes nicht als Privatperson, sondern als höchster Lehrer der Gesamtkirche, gemäß der Klarstellung des II. Vatikanischen Konzils in bezug auf die Aussagen „ex cathedra” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25). Indem er diese Aufgabe erfüllt, spricht der Nachfolger Petri in persönlicher Weise, aber mit institutioneller Vollmacht die „Glaubensregel” aus, an die sich die Glieder der Gesamtkirche - die einfachen Gläubigen, die Katechisten, die Religionslehrer und die Theologen - halten müssen, wenn sie den Sinn der immerwährenden Inhalte des christlichen Glaubens erforschen; dies auch in bezug auf die Diskussionen, die innerhalb oder außerhalb der kirchlichen Gemeinschaft über verschiedene Punkte oder über die Lehre insgesamt entstehen. Es ist wahr, daß in der Kirche alle und besonders die Theologen berufen sind, diese Arbeit ständiger Klärung und Erläuterung zu leisten. Aber die Sendung Petri und seiner Nachfolger ist es, mit Vollmacht das festzulegen und herauszustellen, was die Kirche von Anfang empfangen und geglaubt hat, das heißt, was die Apostel gelehrt, was die Heilige Schrift und christliche Tradition als Glaubensgegenstand und christliche Lebensregel festgelegt haben. Auch die anderen Hirten der Kirche, die Bischöfe, Nachfolger der Apostel, werden vom Nachfolger Petri „gestärkt” in ihrer Gemeinschaft des Glaubens mit Christus und in der guten Erfüllung ihrer Aufgabe. Für alle zeichnet so das Lehramt des Bischofs von Rom eine klare Linie der Einheit, die sich besonders in Zeiten intensivster Kommunikation und Diskussion wie der unsrigen als unumgänglich erweist. 5. Der Sendungsauftrag des Nachfolgers Petri wird in drei grundlegenden Weisen ausgeführt: vor allem durch das Wort. Als universaler Hirt wendet sich der Bischof von Rom an alle Christen und an die ganze Welt, indem er die Mission erfüllt, die Christus den Aposteln aufgetragen hat: „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern” (Mt 28,19). Heute, wo die Kommunikationsmittel es ihm erlauben, daß sein Wort alle Völker erreicht, erfüllt er diesen göttlichen Auftrag in einer Weise, wie es bisher nicht möglich war. Er kann auch, dank der Verkehrsmittel, die ihm gestatten, persönlich sogar die entferntesten Orte zu erreichen, die Botschaft Christi zu allen Menschen aller Länder bringen und in neuer und zu anderen Zeiten unvorstellbaren Weise den Befehl „Geht!” verwirklichen, der zu dem göttlichen Auftrag gehört: „Darum geht zu allen Völkern...” Der Nachfolger Petri erfüllt zweitens seine Aufgabe durch die Schrift: Angefangen von seinen Ansprachen, die veröffentlicht werden, damit seine Weisungen bekannt und dokumentiert werden, bis zu all den anderen Dokumenten, die direkt - hier denke man in erster Linie an die Enzykliken, die auch der Form nach den Wert einer 38 AUDIENZEN UND ANGELUS universalen Lehre haben - oder indirekt durch die Dikasterien der Römischen Kurie herausgegeben werden, welche in seinem Auftrag handeln. Der Papst kommt drittens seinem Hirtenauftrag nach durch maßgebliche Initiativen und Einrichtungen wissenschaftlicher und pastoraler Natur. So zum Beispiel, indem er Aktivitäten des Studiums, der Heiligung, der Evangelisierung sowie karitative Hilfswerke in der ganzen Kirche in Gang setzt oder begünstigt; indem er für die Glaubenslehre autorisierte und verbürgte Institute fördert (Priesterseminare, Fakultäten der Theologie und Religionswissenschaften, theologische Vereinigungen, Akademien usw.). Das alles sind breitgefächerte Bildungs- und Arbeitsinitiativen, denen der Nachfolger Petri vorsteht. 6. Abschließend können wir sagen, daß der Inhalt des Lehramtes des Nachfolgers Petri (wie der anderen Bischöfe) von seiner Natur her nach ein Zeugnis für Christus ist, für das Geschehen der Menschwerdung und der Erlösung, für die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche und in der Geschichte. Es kann in seiner Ausdrucksform variieren, entsprechend den Personen, die es ausüben, ihren Auslegungen hinsichtlich der Zeiterfordemisse, ihrer Denk- und Kommunikationsweise. Aber die Beziehung zur lebendigen Wahrheit, zu Christus, war, ist und wird immer ihre Lebenskraft sein. Gerade in dieser Beziehung zu Christus hegt die entscheidende Erklärung der Schwierigkeiten und der Widerstände, denen das Lehramt der Kirche immer, seit den Zeiten Petri bis heute, begegnet ist. Für alle Bischöfe und Hirten der Kirche und besonders für den Nachfolger Petri gelten die Worte Jesu: „Ein Jünger steht nicht über seinem Meister” (Mt 10,24; Lk 6,40). Jesus selbst entfaltete sein Lehramt inmitten des Kampfes zwischen der Finsternis und dem Licht, welches das Umfeld der Menschwerdung des Wortes bildet (vgl. Joh 1,1-14). Dieser Kampf war zur Zeit der Apostel entbrannt, wie der Meister gesagt hatte: „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen” (Joh 15,20). Er war leider auch innerhalb einiger Christengemeinden im Gang, so daß sich Paulus genötigt fühlte, Timotheus, seinen Jünger, aufzufordem: „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung ... (auch wenn) man die gesunde Lehre nicht erträgt” (2 Tim 4,2-3). Was Paulus Timotheus empfahl, gilt auch für die Bischöfe von heute und besonders für den römischen Papst; er hat den Auftrag, das christliche Volk gegen die Irrtümer im Bereich des Glaubens und der Moral zu schützen, und die Pflicht, den Glaubensschatz (vgl. 2 Tim 4,7) zu hüten. Wehe, wenn er sich vor Kritiken und Unverständnis fürchten würde. Seine Aufgabe ist es, Zeugnis abzulegen für Christus, sein Wort, sein Gebot und seine Liebe. Aber neben dem Bewußtsein der eigenen Verantwortung im Bereich der Lehre und Moral muß sich der römische Papst noch bemühen, wie Jesus „gütig und von Herzen demütig” zu sein (Mt 11,29). Betet darum, daß er so ist und immer mehr so wird. 39 A UDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt der Pilgergruppe der Katholischen Polizeiseelsorge in Bayern. Euch allen, Euren heben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Auf die väterliche Liebe Gottes mit Liebe antworten Angelus am 14. März 1. „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Gott.” Liebe Schwestern und Brüder, diese bekannte Aussage des heiligen Augustinus (vgl. Bekenntnisse, 1,1) ist nicht nur auf unser Herz anzuwenden, sondern auch auf das Leben der Gesellschaft in all seinen Erscheinungsformen. Wenn dem Menschen Gott fehlt, mangelt es ihm an innerem und äußerem Frieden, weil das Grundprinzip der Einheit verletzt wird. Der Mensch huldigt tausend Götzen und ist am Ende uneins in sich selbst; er macht sich zum Sklaven der Dinge. Muß man sich dann wundem, wenn die Menschheit ein trauriges Schauspiel von Krieg, Gewalt und Tragödien ohne Ende bietet? „Ich bin Jahwe, dein Gott ... Du sollst neben mir keine anderen Götter haben” (Ex 20,2). Das erste der Zehn Gebote liegt allen anderen zugrunde und ist das Fundament des menschlichen Lebens. Liebe Schwestern und Brüder, es handelt sich nicht um die Forderung eines Gewaltherrschers noch um die Willkür eines Tyrannen: Es ist vielmehr die tief besorgte Stimme des Schöpfers, der trotz unserer Treulosigkeit nicht müde wird, uns als Töchter und Söhne zu behandeln. Unsere erste Pflicht ist, seine Oberherrschaft anzuerkennen: Das ist die Voraussetzung für unsere Rettung. Nur eine tragische Illusion konnte gewisse Denkrichtungen dahin führen, die Welt und den Menschen absolut zu setzen. Wer vorurteilslos die Sprache der Schöpfung zu entziffern sucht, während er die Schönheit, aber auch die Grenzen der irdischen Dinge in Betracht zieht, hat keine Mühe, die Wahrheit zu erkennen: Die Welt, so schön sie ist, ist eine endliche Wirklichkeit, die ins Unendliche führt; das Relative verlangt nach dem Absoluten. Gott allein ist absolut! Er ist die Fülle des Seins und verdient deshalb unsere Anbe-tung. 2. Aber Gott beschränkt sich im ersten Gebot nicht darauf, von uns eine kalte Anerkennung seiner Wahrheit zu fordern. Er bittet uns vor allem um die freie Hingabe des Herzens. „Damm sollst du den Herrn, deinen Gott, heben mit ganzem Herzen, 40 AUDIENZEN UND ANGELUS mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft” (Dtn 6,5). Er liebt uns als Vater und erwartet dafür eine Kindesliebe: eine Liebe, die der Liebe antwortet. Könnte es anders sein? „Gott ist die Liebe” (1 Joh 4,8). Gott hat uns zuerst geliebt und bleibt seiner unvergänglichen Liebe treu trotz der Sünde und des menschlichen Undanks. Wie würde sich die Welt verändern, ließe man sich von der göttlichen Liebe bewegen! Man würde mit immer neuem Staunen die Schönheit des Universums - ein Geschenk Gottes - und das Geheimnis des Menschen entdecken, der, als Abbild des Schöpfers geschaffen, von seiner ewigen Liebe umfangen wird. Denken wir über diese Wahrheiten nach, liebe Schwestern und Brüder, vor allem jetzt in der Fastenzeit, dem bevorzugten Weg der Umkehr und Erneuerung. 3. Seligste Jungfrau, reines Spiegelbild der Liebe Gottes, in dir ist das Wort Heisch geworden; in dir ist die Hoffnung des Menschen zum Leben erwacht. Schau voll Erbarmen auf die menschliche Schwachheit, die zu oft Gott vergißt und gerade deshalb unsinnigen und „selbstmörderischen” Verletzungen der Liebe ausgesetzt ist: dem Haß, dem Krieg, der Gleichgültigkeit, dem Sieg des Egoismus und des Todes. Blicke auf uns mit mütterlichem Erbarmen und nimm uns an der Hand. Wir bitten dich: Mutter, rette uns! Das Charisma der Unfehlbarkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 17. März I. Das Lehramt des römischen Papstes, das wir in der vorhergegangenen Katechese behandelt haben, gehört in den Bereich und kennzeichnet den Höhepunkt des Sendungsauftrags, das Evangelium zu verkünden, das Jesus den Aposteln und ihren Nachfolgern anvertraut hat. Wir lesen in der Konstitution Lumen Gentium des II. Vatikanischen Konzils: „Unter den hauptsächlichsten Ämtern der Bischöfe hat die Verkündigung des Evangeliums einen hervorragenden Platz. Denn die Bischöfe sind Glaubensboten, die Christus neue Jünger Zufuhren; sie sind authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer. Sie verkündigen dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben ... Die Bischöfe, die in Gemeinschaft mit dem römischen Bischof lehren, sind von allen als Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit zu verehren. Die Gläubigen aber müssen mit einem im Namen Christi vorgetragenen Spruch ihres Bischofs in Glaubens- und Sittensachen Übereinkommen und ihm mit religiös gegründetem Gehorsam anhangen” (Nr. 25). Der Lehrauftrag der Bischöfe ist deshalb mit dem des römischen Papstes eng verbunden. Dementsprechend führt der Konzilstext weiter aus: „Dieser religiöse Gehorsam des Willens und Verstandes ist in besonderer Weise dem authentischen Lehramt des Bischofs von Rom, auch wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität 41 AUDIENZEN UND-ANGELUS spricht, zu leisten; nämlich so, daß sein oberstes Lehramt ehrfürchtig anerkannt und den von ihm vorgetragenen Urteilen aufrichtige Anhänglichkeit gezollt wird, entsprechend der von ihm kundgetanen Auffassung und Absicht. Diese läßt sich vornehmlich erkennen aus der Art der Dokumente, der Häufigkeit der Vorlage ein und derselben Lehre und der Sprechweise” (ebd.). 2. Diese höchste Autorität des päpstlichen Lehramtes, dem traditionsgemäß auch in seiner ordentlichen Form die Bezeichnung „apostolisch” Vorbehalten ist, wurzelt in der institutionellen Tatsache, daß der römische Papst Nachfolger Petri ist in der Sendung, zu lehren, die Brüder zu stärken und sicherzustellen, daß die Verkündigung durch die Kirche mit dem „Glaubensgut” der Apostel und der Lehre Christi übereinstimmt. Die Autorität erwächst aber auch aus der Überzeugung, gereift in der christlichen Tradition, daß der Bischof von Rom der Erbe Petri ist auch bezüglich der Charismen eines besonderen Beistandes, den Jesus ihm zugesichert hat, als er ihm sagte: „Ich aber habe für dich gebetet” (Lk 22,32). Das bedeutet einen ständigen Beistand des Heiligen Geistes in der gesamten Ausübung des Lehrauftrags, der dahin zielt, die offenbarte Wahrheit und ihre Folgerungen im menschlichen Leben verständlich zu machen. Deshalb bekräftigt das II. Vatikanische Konzil, daß das Wort des Papstes verdient gehört und aufgenommen zu werden, auch wenn es nicht „ex cathedra”, sondern in der normalen Ausübung des Lehramtes gesprochen wird in der augenscheinlichen Absicht, die Glaubenslehre zu verkünden, in Folge der Institutionalisierung und des geistlichen Erbes, die der Nachfolge Petri ihre volle Dimension verleihen. 3. Bekanntlich gibt es Fälle, in denen das päpstliche Lehramt feierlich ausgeübt wird in bezug auf besondere Lehrpunkte, die zum Schatz der Offenbarung gehören oder eng mit ihm verbunden sind. Dies gilt für die Definitionen „ex cathedra” bezüglich der Unbefleckten Empfängnis Marias, die von Pius IX. im Jahr 1854 verkündet wurde, und bezüglich der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel, die Pius XII. im Jahr 1950 feierlich erklärte. Wie wir wissen, haben diese Definitionen allen Katholiken die Gewißheit gegeben, daß diese Wahrheiten zu bekräftigen und alle diesbezüglichen Zweifel auszuschließen sind. Grund für diese Definitionen „ex cathedra” ist fast immer die Bestätigung der zu glaubenden Wahrheiten, weil sie zum „Glaubensgut” gehören, und der Ausschluß jeden Zweifels oder sogar die Verurteilung der Irrlehre hinsichtlich ihrer Authentizität und ihrer Bedeutung. Auf diese Weise erreicht man den Augenblick höchster, auch formaler Konzentration des Lehrauftrags, den Jesus den Aposteln und durch sie ihren Nachfolgern gegeben hat. 4. Im Hinblick auf die außerordentliche Größe und Bedeutung dieses Lehramtes für den Glauben hat die christliche Tradition dem Nachfolger Petri, der es allein oder in Gemeinschaft mit den zum Konzil versammelten Bischöfen ausübt, ein Charisma des Beistandes des Heiligen Geistes zuerkannt, das sich „Unfehlbarkeit” nennt. Das I. Vatikanische Konzil sagt dazu: „Wenn der römische Bischof in höchster 42 AUDIENZEN UND ANGELUS Lehrgewalt (ex cathedra) spricht, das heißt, wenn er seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen waltend in höchster, apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte. Diese endgültigen Entscheidungen des römischen Bischofs sind daher aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich” (DS 3074). Diese Lehre wurde vom 13. Vatikanischen Konzil zusammengefaßt, bekräftigt und näher erläutert: „Dieser Unfehlbarkeit erfreut sich der Bischof von Rom, das Haupt des Bischofskollegiums, kraft seines Amtes, wenn er als oberster Hirt und Lehrer aller Christgläubigen, der seine Brüder im Glauben stärkt (vgl. Lk 22,32), eine Glaubens- oder Sittenlehre in einem endgültigen Akt verkündet. Daher heißen seine Definitionen mit Recht aus sich und nicht erst aufgrund der Zustimmung der Kirche unanfechtbar, da sie ja unter dem Beistand des Heiligen Geistes vorgebracht sind ... Sie bedürfen daher keiner Bestätigung durch andere und dulden keine Berufung an ein anderes Urteil. In diesem Falle trägt nämlich der Bischof von Rom seine Entscheidung nicht als Privatperson vor, sondern legt die katholische Glaubenslehre aus und schützt sie in seiner Eigenschaft als oberster Lehrer der Gesamtkirche, in dem als einzelnem das Charisma der Unfehlbarkeit der Kirche selbst gegeben ist” {Lumen Gentium, Nr. 25). Und weiter: „Die einzelnen Bischöfe besitzen zwar nicht den Vorzug der Unfehlbarkeit; wenn sie aber, in der Welt räumlich getrennt, jedoch in Wahrung des Gemeinschaftsbandes untereinander und mit dem Nachfolger Petri, authentisch in Glaubens- und Sittensachen lehren und eine bestimmte Lehre übereinstimmend als endgültig verpflichtend vortragen, so verkündigen sie auf unfehlbare Weise die Lehre Christi. Dies ist noch offenkundiger der Fall, wenn sie auf einem Ökumenischen Konzil vereint für die ganze Kirche Lehrer und Richter des Glaubens und der Sitten sind. Dann ist ihren Definitionen mit Glaubensgehorsam anzuhangen. Diese Unfehlbarkeit, mit welcher der göttliche Erlöser seine Kirche bei der Defmierung einer Glaubens- und Sittenlehre ausgestattet sehen wollte, reicht so weit wie die Hinterlage der göttlichen Offenbarung, welche rein bewahrt und getreulich ausgelegt werden muß, es erfordert” {Lumen Gentium, Nr. 25). 6. In diesen Konzilstexten gibt es gleichsam eine Festlegung des Bewußtseins, das bereits die in Jerusalem versammelten Apostel hatten: „Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen ...” {Apg 15,28). Dieses Bewußtsein bestätigte die Verheißung Jesu, den Aposteln und der Kirche den Geist der Wahrheit zu senden nach der Vollendung des Kreuzesopfers und seinem Heimgang zum Vater. „Der Beistand aber, der Heilige Geist, ... wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe” {Loh 14,26). Diese Verheißung hat sich im Pfingsten verwirk- 43 AUDIENZEN UND ANGELUS licht, von dem die Apostel sich noch gestärkt fühlten. Die Kirche hat von ihnen dieses Bewußtsein und dieses Gedächtnis geerbt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Ich heiße die' deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt der Pilgergruppe aus Tirol, die sich anläßlich der Feiern zum 100. Geburtstag von Anna Dengel, der Gründerin der „Missionsärztlichen Schwestern”, in Rom aufhält, ferner den Seelsorgern, Ärzten, Schwestern und dem Pflegepersonal des St.-Iosephs-Krankenhauses in Freiburg sowie der Gruppe von Aussiedlem aus Westfalen. Euch, hebe Schwestern und Brüder, Euren Angehörigen in der Heimat und all jenen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Ehrfurcht vor Gott sichert Achtung des Menschen Angelus am 21. März Liebe Schwestern und Brüder! 1. Wir wollen unsere Überlegungen weiterfuhren, die wir an den Fastensonntagen über die sogenannten „Rechte Gottes” anstellen; diese sind nicht nur als Quellen klarer Pflichten, sondern auch als Fundament und Gewähr der „Rechte des Menschen” selbst zu sehen. Deshalb möchte ich heute die im zweiten Gebot enthaltenen Forderungen herausstelleh: Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren! Der Name Gottes ist voll des Geheimnisses. Es ist ein heiliger Name, der Ehrfurcht und Liebe fordert. Leider ist ihm gegenüber oft eine Haltung zu verzeichnen, die an Leichtfertigkeit, manchmal an offene Verachtung grenzt: angefangen von gotteslästerlichen Flüchen bis zu entheiligenden Darstellungen, von der Verhöhnung bis zu Veröffentlichungen, die das religiöse Gefühl schwer verletzen. Enthebt vielleicht das Recht auf Gewissens-, Meinungs- und Redefreiheit den Menschen von der Pflicht, die geistliche Erfahrung von Millionen von Glaubenden mit achtungsvoller Rücksicht zu behandeln? la, ist denn das religiöse Gefühl nicht das Lebendigste und Kostbarste, was der Mensch haben kann? Wenn man Gott öffentlich beleidigt, lädt man also nicht nur eine schwere moralische Schuld auf sich, sondern man verletzt auch ein klares Recht der Person auf Achtung der eigenen religiösen Überzeugungen. 2. Die Ehrfurchtslosigkeit Gott gegenüber fällt auf den Menschen zurück. Indem er sich des Sinnes für das Geheimnisvolle entwöhnt, verliert der Mensch seine Fähigkeit zu staunen, zu hören und zu achten; er wird versucht, sich dem vergänglichen 44 AUDIENZEN UND ANGELUS Rausch des Willens zur Macht hinzugeben, der die Personen und Dinge über jedes Maß und alle Grenzen hinaus manipulieren will. Die Ehrfurcht vor Gott, die mit dem Fanatismus nichts zu tun hat, ist deshalb die sicherste Gewähr für die Achtung des Menschen. Im Licht des Schöpfers erstrahlt die Würde des Geschöpfes: Der Name jedes Menschen ist in gewisser Weise ein Widerschein des Namens Gottes. In der Tat betont der neue Katechismus der Katholischen Kirche-, „Gott ruft jeden beim Namen” (Nr. 2158). Deshalb „ist der Name jedes Menschen heilig” (ebd.) und wird im ewigen Licht erstrahlen in denen, welche die Liebe Gottes annehmen und Bauleute seines Reiches werden (vgl. ebd., Nr. 2159). Bestätigen uns das nicht besonders augenscheinlich die beiden neuen Heilgen, die heute zur Ehre der Altäre erhoben wurden? Die Heiligen Claudine Thevenet.und Teresa de Jesus de los Andes zeigen uns, wieviel Licht von der Gott erwiesenen Ehre auf den Menschen zurückstrahlt. Liebe Schwestern und Brüder, hegen wir eine ehrfürchtige Verehrung dem heiligen Namen Gottes gegenüber und halten wir uns an ihm fest wie an einem Rettungsanker. Wenn die Welt heute manchmal von sinnloser Gewalt und zehrender Angst gepeinigt zu werden scheint, so geschieht das nicht auch aus dem Grund, weil aus dem Mund und den Herzen der Menschen nur mühsam der Ruf nach Gott kommt? 3. Gehen wir bei der seligsten Jungfrau, der unvergleichlichen Lehrerin des Gebets und des Lobpreises, in die Schule. Bitten wir sie, uns ihre Gefühle in bezug auf den heiligen Namen Gottes einzuflößen. Sprechen wir mit ihr: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter ... Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig” (Lk 1,46-49). Das Lehramt befreit die Prinzipien der Vernunft von interessegesteuerten Verzerrungen Ansprache bei der Generalaudienz am 24. März l.Die Unfehlbarkeit des römischen Papstes ist ein Thema von außerordentlicher Bedeutung für das Leben der Kirche. Deshalb scheinen weitere Überlegungen zu den konziliaren Texten angebracht, um den Sinn und die Reichweite dieses Vorrechts besser klarzustellen. Die Konzilien versichern vor allem, daß die dem römischen Papst zuerkannte Unfehlbarkeit ihm persönlich gilt in dem Sinn, daß sie. mit der persönlichen Nachfolge von Petrus auf ihn in der römischen Kirche übergeht. Das heißt mit anderen Worten, daß der römische Papst nicht der einfache Träger einer tatsächlich dem römischen Stuhl zugehörigen Unfehlbarkeit ist. Er übt das Lehramt und im allgemeinen das Hirtenamt als „vicarius Petri” aus, als „Statthalter Petri”, wie er im ersten christli- 45 AUDIENZEN UND ANGELUS chen Jahrtausend oft genannt wird. Das heißt, daß er gleichsam die Sendung und Vollmacht Petri verkörpert und sie im Namen dessen verwaltet, dem sie von Jesus selbst verliehen wurde. Jedoch ist es klar, daß die Unfehlbarkeit dem römischen Papst nicht als Privatperson gegeben ist, sondern wenn er als Hirt und Lehrer aller Christen seines Amtes waltet. Er übt sie auch nicht aus, weil er die Vollmacht in und von sich selbst hat, sondern „in höchster, apostolischer Amtsgewalt” und „aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist”. Schließlich besitzt er sie nicht so, als könnte er unter allen Umständen über sie verfügen oder auf sie zählen, sondern nur wenn er „in höchster Lehrgewalt (ex cathedra) spricht” und nur in einem Bereich, der sich auf die Glaubens- und Sittenlehre und die damit eng verbundenen Wahrheiten beschränkt. 2. Nach den Texten der Konzilien wird das unfehlbare Lehramt in „der Glaubensund Sittenlehre” ausgeübt. Es handelt sich um den Bereich der ex- oder implizit offenbarten Wahrheiten, die eine Glaubenszustimmung erfordern und deren Schatz - ihr von Christus anvertraut und von den Aposteln überliefert - die Kirche hütet: Sie würde ihn nicht angemessen hüten, wenn sie nicht seine Reinheit und Vollständigkeit schützen würde. Es handelt sich um Wahrheiten, die Gott selbst und sein Schöpfungs- und Erlösungswerk, den Menschen und die Welt in ihrer kreatürlichen Beschaffenheit und in ihrer Bestimmung nach dem Plan der Vorsehung betreffen, sowie um die, die das ewige Leben und das lieben auf Erden in fundamentaler Weise bezüglich der Wahrheit und des Guten erfordern. Es handelt sich also auch um „Lebens Wahrheiten” und um ihre Anwendung im Verhalten des Menschen. Der göttliche Meister hat den Aposteln mit dem Evangelisierungsauftrag befohlen: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern ... lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe” {Mt 28,19-20). Diese Prinzipien der Vernunft, die zwar in den Glaubenswahrheiten nicht enthalten, aber mit ihnen eng verbunden sind, gehören in den Bereich der Wahrheiten, die das Lehramt endgültig vorlegen kann. In der konkreten Wirklichkeit von gestern und heute rettet das Lehramt der Kirche und besonders des römischen Papstes diese Prinzipien und befreit sie ständig von den Verschleierungen und Verzerrungen, denen sie unter dem Druck von Interessen und Fehlhaltungen, die in kulturellen Modellen und Strömungen begründet sind, anheimfallen. In diesem Sinn sagte das I. Vatikanische Konzil, das unfehlbare Lehramt gelte für „eine Lehre über Glauben oder Sitten, (die) von der ganzen Kirche festzuhalten sei” (DS 3074). Und in der neuen, jüngst approbierten Formel des Glaubensbekenntnisses (vgl. AAS 81, 1989, S. 105; 1169) wird unterschieden zwischen von Gott offenbarten Wahrheiten, denen eine Glaubenszustimmung gebührt, und den Wahrheiten, die nicht als von Gott geoffenbart, aber endgültig definiert vorgelegt werden und deshalb eine endgültige Zustimmung erfordern, die aber keine Glaubenszustimmung ist. 46 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. Aus den Konzilstexten gehen auch die Bedingungen für die Ausübung des unfehlbaren Lehramtes durch den römischen Papst hervor. Man kann sie folgendermaßen zusammenfassen: Der Papst muß als „Hirt und Lehrer aller Christen” handeln und sich über Wahrheiten hinsichtlich „Glaube und Sitten” äußern mit Worten, die klar seine Absicht bekunden, eine bestimmte Wahrheit zu definieren und die endgültige Zustimmung zu ihr von allen Christen zu fordern. Dies geschah zum Beispiel bei der Definition der Unbefleckten Empfängnis Mariens, als Pius IX. bekräftigte: „Die Lehre ... ist von Gott geoffenbart und deshalb von allen Gläubigen fest und standhaft zu glauben” (DS 2803). Oder bei der Definition der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, als Pius XU. sagte: „(Wir) verkünden, erklären und definieren ... in Kraft der Vollmacht unseres Herrn Jesus Christus, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und in Unserer eigenen Vollmacht: es ist eine von Gott geoffenbarte Glaubenswahrheit...” (DS 3903). Unter diesen Bedingungen kann man vom außerordentlichen päpstlichen Lehramt sprechen, dessen Definitionen „aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unanfechtbar” sind („ex sese, non autem ex consensu Ecclesiae”). Das heißt, daß diese Definitionen, um Gültigkeit zu besitzen, keine Zustimmung der Bischöfe brauchen, „da sie ja unter dem Beistand des Heiligen Geistes vorgebracht sind, der ihm (dem römischen Papst) im heiligen Petrus verheißen wurde. Sie bedürfen daher keiner Bestätigung durch andere und dulden keine Berufung an ein anderes Urteil” (Lumen Gentium, Nr. 25). 4. Die Päpste können diese Form des Lehramts ausüben. Und das ist auch geschehen. Aber viele Päpste haben es nicht ausgeübt. Zu beachten ist, daß in den Konzilstexten, die wir auslegen, zwischen dem „ordentlichen” und dem „außerordentlichen” Lehramt unterschieden und die Bedeutung des ersteren betont wird, das ständigen und fortdauernden Charakter hat; das Lehramt hingegen, das in den Definitionen zum Ausdruck kommt, ist sozusagen außerordentlich. Neben dieser Unfehlbarkeit der Erklärungen „ex cathedra” besteht das Charisma des Beistandes des Heiligen Geistes, der Petrus und seinen Nachfolgern gewährt wird, damit sie in Sachen des Glaubens und der Moral nicht irren, sondern dem christlichen Volk eine erleuchtete Weisung geben. Dieses Charisma beschränkt sich nicht auf die außerordentlichen Fälle, sondern umfaßt in verschiedener Weise die ganze Ausübung des Lehramtes. 5. Aus den Konzilstexten geht auch hervor, wie schwer die Verantwortung des römischen Papstes in der Ausübung seines sowohl ordentlichen als auch außerordentlichen Lehramtes ist. Er empfindet deshalb das Bedürfnis, ja, man kann sagen, die Pflicht, den „sensus Ecclesiae” zu erforschen, bevor er eine Glaubenswahrheit definiert, denn er weiß, daß seine Definition „die katholische Glaubenslehre auslegt und schützt” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25). „Dies geschah vor den Definitionen der Unbefleckten Empfängnis und der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, und zwar durch eine ausgedehnte und klare 47 AUDIENZEN UND ANGELUS Umfrage in der ganzen Kirche. In der Bulle Munificentissimus über die Aufnahme Mariens in den Himmel (1950) führt Pius XII. unter den Begründungen der Definition den Glaubensbeweis der christlichen Gemeinschaft an: „Die universale Zustimmung des ordentlichen Lehramtes der Kirche liefert einen sicheren und festen Beweisgrund, um zu bestätigen, daß die leibliche Aufnahme der seligsten Jungfrau Maria in den Himmel ... eine von Gott geoffenbarte Wahrheit ist” (AAS 42, 1950, 757). Im übrigen sagt das II. Vatikanische Konzil, wenn es von der zu lehrenden Wahrheit spricht: „Um ihre rechte Erhellung und angemessene Darstellung mühen sich eifrig mit geeigneten Mitteln der Bischof von Rom und die Bischöfe, entsprechend ihrer Pflicht und dem Gewicht der Sache” (Lumen Gentium, Nr. 25). Das ist ein kluger Hinweis, der Bestätigung findet im Vorgehen und in der Verfahrensweise der Päpste und der Ämter des Hl. Stuhls, wenn sie die Aufgaben des Lehramtes und der Leitung als Nachfolger Petri erfüllen. 6. Wir schließen mit der Feststellung, daß die Ausübung des Lehramtes den Beitrag des römischen Papstes zur Entwicklung der Lehre der Kirche konkretisiert und deutlich macht. Der Papst spielt nicht nur eine Rolle als Haupt des Kollegiums der Bischöfe in den von ihnen verkündeten Definitionen des Glaubens und der Moral oder als Sprachrohr ihres Denkens, sondern auch eine persönlichere Rolle sowohl im ordentlichen Lehramt als auch in den Definitionen. Der Papst erfüllt seine Aufgabe, indem er sich persönlich eifrig bemüht und auch die Bischöfe, Theologen, Sachkundigen der Lehre in verschiedenen Bereichen und die Experten der Seelsorge, der Spiritualität und des sozialen Lebens zum Studium anregt. Auf diese Weise bewirkt er eine kulturelle und moralische Bereicherung auf allen Ebenen der Kirche. Auch im Organisieren der Beratungstätigkeit, des Forschens und Studierens erscheint er als der Nachfolger des „Felsens”, auf den Christus seine Kirche gebaut hat. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In der heutigen Katechese wollen wir im Zusammenhang mit dem verheißenen göttlichen Beistand weiter über Sinn und Umfang der dem Nachfolger Petri eigenen Unfehlbarkeit nachdenken. Dies gilt zwar ihm persönlich, jedoch nicht als Privatperson, sondern, wie dies aus den Texten des Konzils hervorgeht, sofern er als ... Hirte und Lehrer aller Christen” Wahrheiten definiert, die die „Glaubens- und Sittenlehre” der Kirche betreffen. So können wir von einem außerordentlichen päpstlichen Lehramt sprechen, dessen Definitionen mit Recht aus sich heraus und nicht erst aufgrund der Zustimmung Kirche unanfechtbar sind, da sie, wie das jüngste Konzil lehrt, „unter dem Beistand des 48 AUDIENZEN UND ANGELUS Heiligen Geistes vorgebracht sind”, der den Päpsten im hl. Petrus verheißen wurde (Lumen Gentium, Nr. 25). Angesichts dieser verantwortungsschweren Aufgabe hat der Papst nicht nur das Bedürfnis, sondern die Pflicht, den „sensus Ecclesiae” zu erfragen, wohl wissend, daß er durch die Ausübung seines Lehramtes „die Lehre des katholischen Glaubens auslegt und schützt” (Lumen Gentium, Nr. 25). Nach dieser kurzen Betrachtung und mit dem innigen Wunsch an Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, durch einen hochherzigen Glauben und in froher Hingabe dem nahen Osterfest entgegenzugehen, grüße ich Euch recht herzlich. Mein besonderer Willkommensgruß gilt den Teilnehmern am Romseminar der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Presse, der Gruppe des Kreuzbund-Di-özesanverbandes Mainz sowie der Pilgergruppe VDK aus Jena. Ebenso herzlich grüße ich die Pilger aus Neunkirchen mit dem Chor Pro-Musica aus Breitenau und die Studentinnen und Studenten aus China und Korea, die in Deutschland am Arbeitskreis China-Europa teilnehmen. Euch allen, Euren heben Angehörigen und Freunden daheim, sowie allen, die uns auf dem Weg durch die österliche Bußzeit verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Humanitäre Hilfe ist moralische Pflicht Grußwort an die Kroaten Herzlich begrüße ich euch, hebe Pilger aus Vukovar, Vinkovici und anderen kroatischen Ortschaften, die der Verwüstung durch den Krieg ausgesetzt sind. Ich teile mit euch eure Leiden und eure Hoffnungen. Bei dieser Gelegenheit erneuere ich die schon wiederholt ergangenen Aufrufe an die Kriegsparteien, sie sohen das unveräußerliche Recht der Menschen achten, sichere Nachricht über ihre gefangengehaltenen Angehörigen zu bekommen und deren Freilassung zu verlangen; desgleichen sohen sie das Recht von Flüchtlingen und Vertriebenen auf Rückkehr in ihre Häuser respektieren. Es ist eine moralische Pflicht aller Menschen guten Willens und der internationalen Gemeinschaft, Wege und Mittel zu finden, um diese vorwiegend humanitäre Aufgabe zu verwirklichen. 49 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Tag des Herrn als Protest gegen die Versklavung durch die Arbeit Angelus am 28. März Liebe Schwestern und Brüder! 1. Bei unserer Betrachtung der sogenannten „Rechte Gottes” verweilen wir beim dritten Gebot des Dekalogs: Gedenke, daß du den Tag des Herrn heiligst! Die Bibel verbindet es mit dem Schöpfungswerk Gottes (vgl. Ez 20,11). Der „shabbat”, der religiöse Ruhetag, zu dem der Mensch berufen ist, ist das Echo von Gottes „shabbat” nach den Schöpfungstagen. Am siebten Tag betrachtete Jahwe mit bewunderndem und frohem Blick das Meisterwerk seiner Hände. Die gesamte Schöpfung und der Mensch, der die Krönung war, wurden gleichsam eingehüllt in diesen liebevollen Blick. Sie spürten dessen milde Wärme und genossen sie wie ein glückliches Kind das Lächeln der Mutter. Die geistliche Wahrheit des biblischen Sabbat findet seine Vollendung im christlichen Sonntag, dem Tag der Auferstehung Christi, „der Tag des Herrn” schlechthin, an dem das Leben über den Tod gesiegt hat und den Keim der neuen Schöpfung gelegt hat. Die Feier des Sonntags verkündet deshalb dieses Ereignis. Für die Glaubenden bedeutet sie nicht nur die Pflicht zum Gebet, das sich eigentlich zu jeder Tageszeit während des ganzen Lebens entfalten soll, sondern einem Anspruch auf eine sozusagen verlängertes Zusammensein mit dem Herrn. Der Sonntag ist der Tag, der für die besondere Begegnung des Vaters mit seinen Kindern bestimmt ist, der Augenblick der Vertrautheit zwischen Christus und seiner Braut, der Kirche. Die Pflicht zur Teilnahme an der Sonntagsmesse wird im Licht dieser tiefen geistlichen und religiösen Erfahrung verständlich. 2. Was Gott von uns verlangt, gereicht uns wie immer zum Vorteil. Die Erfahrung lehrt, daß die Einhaltung des Sonntags als Tag des Gebets und der Ruhe eine erholsame und belebende Wirkung auf das menschliche Dasein hat. Nicht selten läuft man besonders heute Gefahr, von der rasenden Hektik der täglichen Verpflichtungen und Ereignisse mitgerissen zu werden. Darum also der Sonntag: Wie der neue Katechismus der Katholischen Kirche unterstreicht, ragt der Sonntag heraus als Protest des Geistes gegen die Versklavung durch die Arbeit und die Vergötzung des Geldes (vgl. 2172). Im unaufhaltsamen Ablauf der Zeit öffnet der Sonntag einen Weg ins Übernatürliche und Ewige und bietet dem Menschen einen kontemplativen Raum, der ihm hilft, das irdische Leben tiefgehend auszukosten. Außerdem bietet der Sonntag Gelegenheit und Anregung, Kontakte und soziale Beziehungen zu knüpfen und zu vertiefen im Zeichen des Schenkens, der Freundschaft und der Aufmerksamkeit für den, der einsam ist und leidet. Wenn man Zeit für Gott findet, dann findet man auch Zeit für den Menschen! 50 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Liebe Schwestern und Brüder! Lernen wir von der seligsten Jungfrau das Geheimnis einer so erholsamen Vertrautheit mit Gott. Sie als höchstes Vorbild der Ruhe und Kontemplation helfe uns, daß wir uns von der demütigenden Knechtschaft der „Dinge” befreien. Sie lasse uns die Schönheit des „Tags des Herrn” wiederentdecken. Wenn wir Gott unsere Zeit widmen, wird die Härte der täglichen Mühe leichter zu ertragen sein; wir werden gleichsam von einem Hauch des Frieden berührt und uns neu belebt fühlen. Maria, Vorbild der wahren Frömmigkeit, bitte für uns. 4. Bevor wir den Angelus beten, möchte ich an die 144 Missionare erinnern, die „um des Evangeliums willen” (Mk 8,35) in den vergangenen zehn Jahren ermordet wurden. Ihr Beispiel und das der Katechisten und Gläubigen, die mit ihnen den Märtyrertod teilten, bezeugt, daß die Kirche auch heute in vielen Teilen der Welt täglich Verfolgungen und Marter erleiden muß. Während wir dieser Märtyrer unserer Zeit im Gebet gedenken, bitten wir für die vielen Missionare, die unbeschadet der Gefahren und Bedrohungen, vorziehen, bei ihrem Volk zu bleiben, um mit ihm die großen sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten und selbst das Kriegsrisiko zu teilen. Der Herr segne ihren pastora-len Dienst, welcher der Gemeinschaft der Gläubigen und der ganzen Gesellschaft zum Wohl gereichen möge. Die Priester als engste Mitarbeiter des Bischofs Ansprache bei der Generalaudienz am 31. März 1. Wir beginnen heute eine neue Reihe von Katechesen über das Priestertum und die Priester, die bekanntlich die engsten Mitarbeiter der Bischöfe sind und mit diesen die Priesterweihe und -Sendung teilen. Ich werde mich eng an die Texte des Neuen Testamentes halten und der Ausrichtung des n. Vatikanischen Konzils folgen, wie es der Stil dieser Katechesen ist. Ich beginne meine Ausführungen über dieses Thema mit einem Herzen voll Liebe zu diesen engen Mitarbeitern des Episkopats, und ich bin ihnen nahe und liebe sie im Herrn, wie ich ihnen bereits zu Beginn meines Pontifikats und besonders in meinem ersten Schreiben an die Priester der ganzen Welt zum Gründonnerstag 1979 gesagt habe. 2. Zu beachten ist sogleich, daß das Priestertum in allen seinen Stufen eine Teilhabe am Priestertum Christi ist, der nach dem Hebräerbrief der einzige „Hohepriester” des neuen und ewigen Bundes ist, der „ein für allemal sich selbst dargebracht hat” als unermeßlich kostbares Opfer, das unveränderlich und unvergänglich im Mittelpunkt des Heilsplans steht (vgl. Hebr 7,24-28). Keine anderen Priester sind notwendig oder möglich außer bzw. neben dem einzigen Mittler Christus (vgl. Hebr 9,15; Röm 5,15-19; 1 Tim 2,5), dem Verknüpfungs- und Versöhnungspunkt zwischen Gott und den Menschen (vgl. 2 Kor 5,14-20), dem menschgewordenen 51 AUDIENZEN UND ANGELUS Wort, voll der Gnade (vgl. Joh1,1-18), dem wahren „hiereus”, dem Priester auf ewig (vgl. Hebr 5,6; 10,21), der „durch sein Opfer die Sünde getilgt hat” (vgl. Hebr 9,26) und im Himmel für die, die an ihn glauben, allezeit eintritt (vgl. ebd., 7,25), bis sie das von ihm errungene und verheißene Erbe erlangen. Niemand anders ist im neuen Bund „hiereus” in diesem Sinn. 3. Die Teilhabe am einzigen Priestertum Christi, das in verschiedenen Stufen ausgeübt wird, ist von Christus verfügt worden, der in seiner Kirche unterschiedliche Aufgaben wollte, wie es ein gut organisierter Sozialkörper erfordert, und für die Leitung Verwalter seines Priestertums festgesetzt hat (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1554). Ihnen hat er das Weihesakrament erteilt, um sie offiziell als Priester einzusetzen, die in seinem Namen mit seiner Vollmacht handeln, indem sie das Opfer darbringen und die Sünden nachlassen. Das Konzil lehrt: „Daher hat Christus die Apostel gesandt, wie er selbst vom Vater gesandt war, und durch die Apostel den Bischöfen als deren Nachfolgern Anteil an seiner Weihe und Sendung gegeben. Ihr Dienstamt ist in untergeordnetem Rang den Priestern übertragen worden; als Glieder des Priesterstandes sollten sie, in der rechten Erfüllung der ihnen von Christus anvertrauten Sendung, Mitarbeiter des Bischofsstandes sein” {Presbyterorum ordinis, Nr. 2; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1562). Dieser Wille Christi geht aus dem Evangelium hervor, von dem wir wissen, daß Jesus dem Petrus und den Zwölf höchste Gewalt in seiner Kirche verliehen, aber Mitarbeiter für ihre Sendung gewollt hat. Bedeutsam ist, was uns der Evangelist Lukas bezeugt, nämlich daß Jesus, nachdem er die Zwölf ausgesandt hatte (vgl. 9,1-6), eine noch größere Anzahl von Jüngern aussendet, um gleichsam auszudrücken, daß die Mission der Zwölf nicht genügt für das Evangelisierungswerk. „Danach suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus und sandte sie zu zweit voraus in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte” {Lk 10,1). Zweifellos ist dieser Schritt nur eine Andeutung des Dienstes, den Christus später formell einrichten sollte. Aber er zeigt bereits die Absicht des göttlichen Meisters, eine beachtliche Anzahl von Mitarbeitern in den „Weinberg” zu schicken. Jesus hatte die Zwölf aus einer größeren Gruppe von Jüngern ausgewählt (vgl. Lk 6,12-13). „Jünger” im Wortsinn der Texte des Evangeliums sind nicht nur diejenigen, die an Jesus glauben, sondern diejenigen, welche ihm folgen, seine Lehre als die eines Meisters annehmen und sich seinem Werk widmen wollen. Und Jesus gewinnt sie für seine Mission. Gerade bei dieser Gelegenheit spricht Jesus die Worte, die Lukas berichtet: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter” (10,2). Er wies darauf hin, daß seiner Meinung und der ersten Diensterfahrung nach die Zahl der Arbeiter zu klein war. Und das galt nicht nur für damals, sondern gilt für alle Zeiten, auch für unsere Zeit, in der das Problem besonders schwierig geworden ist. Wir müssen es in Angriff nehmen, indem wir uns angespomt und zugleich getröstet fühlen von diesen Worten und - man könnte fast sagen - von diesem Blick 52 AUDIENZEN UND ANGELUS Jesu über die Felder, auf denen Arbeiter für die Ernte nötig sind. Jesus war das Vorbild in dieser Initiative, die man „berufsfördemd” nennen könnte: Er hat außer den zwölf Aposteln noch 72 Jünger ausgesandt. 4. Dem Evangelium nach gibt Jesus den 72 Jüngern einen ähnlichen Auftrag wie den Zwölf: Die Jünger werden gesandt, um die Ankunft des Reiches Gottes zu verkünden: Sie werden dies im Namen Christi und mit seiner Vollmacht predigen: „Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat” (Lk 10,16). Die Jünger erhalten wie die Zwölf (vgl. Mk 6,7; Lk 9,1) die Vollmacht, böse Geister auszutreiben, so daß sie nach den ersten Erfahrungen zu Jesus sagen: „Herr, sogar die Dämonen gehorchen uns, wenn wir deinen Namen aussprechen.” Diese Vollmacht wird von Jesus selbst bestätigt: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen. Seht, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und die ganze Macht des Feindes zu überwinden” (Lk 10,17-19). ' Auch für sie handelt es sich darum, mit den Zwölf am Erlösungswerk Christi, des einzigen Hohenpriesters des neuen Bundes, teilzuhaben, der ihnen ebenfalls eine Sendung und Vollmachten verleihen wollte, die denen der Zwölf ähnlich sind. Die Einsetzung des Priestertums erfüllt deshalb nicht nur ein praktisches Bedürfnis der Bischöfe, die Mitarbeiter brauchen, sondern entspringt einer ausdrücklichen Absicht Christi. 5. In der Tat sehen wir, daß die Priester (presbyteroi) bereits in den christlichen Anfängen vorhanden sind und in der Kirche der Apostel und ihrer Nachfolger, der ersten Bischöfe, Aufgaben haben (vgl. Apg 11,30; 14,23; 15,2.4.6.22-23.41; 16,4; 20,17; 21,18; 7 77m 4,14; 5,17.19; 77t 1,5; Jak 5,14; 1 Petr 5,1.5.15; 2 Johl; 3 Joh 1). Es ist nicht immer leicht, in diesen neutestamentlichen Büchern die „Priester” von den „Bischöfen” hinsichtlich der ihnen übertragenen Aufgaben zu unterscheiden; aber man sieht bereits in der Kirche der Apostel die beiden Kategorien angedeutet, die an der Sendung und am Priestertum Christi teilhaben und dann in den Werken der nachapostolischen Verfassern wiederzufinden sind und besser hervortreten (wie im Brief an die Korinther von Papst Klemens), den Briefen des hl. Ignatius von Antiochia, im Hirten des Hermas u.a.); im Sprachgebrauch der Kirche in Jerusalem, in Rom und in den anderen Gemeinschaften des Ostens und des Westens geht man dann dazu über, nur den Leiter und einzigen Hirten der Gemeinschaft Bischof zu nennen, während einer, der im Dienst des Bischofs steht, als Priester bezeichnet wird. 6. Entsprechend der christlichen Überlieferung und in Übereinstimmung mit dem im Neuen Testament bestätigten Willen Christi spricht das U. Vatikanische Konzil von den Priestern als denen, die „zwar nicht die höchste Stufe der priesterhchen Weihe haben, aber in der Ausübung ihrer Gewalt von den Bischöfen abhängen; dennoch sind sie mit ihnen in der priesterhchen Würde verbunden” (vgl. Lumen Gentium, 53 AUDIENZEN UND ANGELUS Nr. 28 und Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1564). Diese Verbindung wurzelt im Weihesakrament: „Da das Amt der Priester dem Bischofsstand verbunden ist, nimmt es an der Vollmacht teil, mit der Christus selbst seinen Leib auferbaut, heiligt und leitet” (Presbyterorum ordinis, Nr. 2; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1563). Auch die Priester tragen in sich das „Bild Christi, des höchsten und ewigen Priesters” (Lumen Gentium, Nr. 28). Sie haben also teil am Hirtenamt Christi: Und das ist das besondere Merkmal ihres Dienstes, welches auf dem Weihesakrament gründet, das ihnen gespendet wird. Im Dekret Presbyterorum ordinis lesen wir: „Darum setzt das Priestertum der Amtspriester zwar die christlichen Grundsakramente voraus, wird aber durch ein eigenes Sakrament übertragen. Dieses zeichnet die Priester durch die Salbung des Heiligen Geistes mit einem besonderen Prägemal und macht sie auf diese Weise dem Priester Christus gleichförmig, so daß sie in der Person des Hauptes Christus handeln können” (Presbyterorum ordinis, Nr. 2; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1563). Dieses durch die sakramentale Salbung des Heiligen Geistes verliehene Prägemal kennzeichnet diejenigen, die es empfangen, in ganz besonderer Weise in bezug auf die Taufe und die Firmung; hinsichtlich einer tieferen Gleichförmigkeit mit Christus, dem Priester, der sie zu seinen tätigen Dienern im Gottesdienst und in der Heiligung der Schwestern und Brüder macht; in bezug auf die amtlichen Vollmachten, die im Namen Christi, des Hauptes und Hirten der Kirche, auszuüben sind (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 1581-1584). 7. Das Prägemal in der Seele des Priesters ist auch Zeichen und Träger besonderer Gnaden für die Dienstausübung, die gebunden sind an die heiligmachende Gnade, welche die Weihe als Sakrament mit sich bringt sowohl in dem Augenblick, wo sie gespendet wird, als auch im Verlauf ihrer ganzen Ausübung Und Entwicklung durch den Dienst. Sie erfaßt den Priester und bezieht ihn in eine Ökonomie der Heiligung ein, die der Dienst selbst mit sich bringt zugunsten dessen, der ihn ausübt, und derer, die Nutzen aus ihm ziehen in den verschiedenen Sakramenten und den änderen Tätigkeiten, die ihre Hirten entfalten. Die gesamte Kirche empfängt die Früchte der Heiligung, die durch den Dienst der Priester und Hirten gewirkt werden: sowohl der Diözesanpriester als auch derer, die unter welchem Namen und in welcher Form auch immer nach Empfang der heiligen Weihe ihre Tätigkeit in Gemeinschaft mit den Diözesanbischöfen und dem Nachfolger Petri ausüben. 8. Die tiefe Ontologie der Priesterweihe und der Dynamismus der Heiligung, die sie im Dienst mit sich bringt, schließen gewiß jede weltliche Auslegung des Priesteramtes aus, so als würde sich der Priester einfach darum bemühen, Gerechtigkeit zu schaffen und Liebe in der Welt zu verbreiten. Der Priester hat ontologisch teil am Priestertum Christi, er ist wirklich geweiht, ein „Mann des Heiligen”, beauftragt wie Christus zum Gottesdienst, der aufsteigt zum Vater, und zur evangelisierenden Sendung, durch die er die heiligen Dinge, die Wahrheit und die Gnade Gottes, unter den 54 AUDIENZEN UND ANGELUS Schwestern und Brüdern verbreitet und austeilt. Das ist die wahre priesterliche Identität, die wesentliche Anforderung des Priesterdienstes auch in der Welt von heute. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich richte einen herzlichen Willkommensgruß an die deutschsprachigen Pilger und Besucher. Besonders begrüße ich die Kirchenchöre aus der Region Krefeld, die Teilnehmer an der Diözesanwallfahrt von Schülern, Eltern und Lehrern aus dem Bistum Münster, den Kirchenchor Selm sowie die Ministranten der Dompfarrei Speyer und der Pfarrei St. Marien in Neustadt an der Weinstraße. Euch, liebe Schwestern und Brüder, Euren lieben Angehörigen daheim und all jenen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Einladung zum Jugendfest in Denver Angelus am Palmsonntag, 4. April Liebe Schwestern und Brüder! 1. Wir feiern heute den Welttag der Jugend. Die jungen Menschen spüren ein außerordentliches Bedürfnis nach Leben, und der heutige Sonntag bringt ihre Sehnsucht wunderbar zum Ausdruck, nicht nur weil er die Freude und Begeisterung der Bewohner und Pilger von Jerusalem über den messianischen Einzug des Erlösers in Erinnerung ruft, sondern weil er vor allem die Einführung in die einzigartige Feier des Lebens darstellt, das Ostern ist. Liebe Jugendliche, der heutige Sonntag, ein Tag der Freude und des Schmerzes, erinnert deutlich daran, daß der Weg zum wahren Leben den Mut erfordert, sich selbst abzutöten, indem man den Weg der Sünde verläßt, um den engen Pfad des Evangeliums zu gehen. Dieser anspmchsvolle Weg des Geistes versinnbildlicht die geistliche Wallfahrt, die wir zu dem Weltjugendtreffen machen, das in Denver/USA vom 12. bis 15. August ist. In Englisch sprach der Papst weiter: 2. Ich möchte die Jugend aller Länder zu dem großen Jugendfest einladen, das in Denver stattfindet, und ich hoffe, dort vor allem viele junge Menschen des ganzen amerikanischen Kontinents zu sehen. Ich spreche diese Einladung aus zusammen mit Kardinal Eduardo Pironio, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Laien, der mit Erzbischof Francis Stafford heute in Denver bei der Palmsonntagsliturgie 55 AUDIENZEN UND ANGELUS den Vorsitz führt. Ich spreche diese Einladung aus zusammen mit den Bischöfen aller US-amerikanischen Diözesen, denen ich für alles danke, was sie zur Vorbereitung dieses Ereignisses tun. Ich bin sicher, es wird eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Neuevangelisierung sein. Junge Menschen in Amerika und in aller Welt, Christus erwartet euch in Denver. Dort, in den Rocky Mountains von Colorado, wollen wir die positive Erfahrung von Rom, Buenos Aires, Santiago de Compostela und Tschenstochau von neuem erleben. Während wir dem Pilgerkreuz, dem Zeichen des Welttags der Jugend, folgen, wollen wir Gott suchen und ihn im Herzen einer modernen Stadt finden, damit wir ihn in so vielen jungen hoffnungsvollen Menschen erkennen und den Atem des Heiligen Geistes spüren unter so vielen verschiedenen Rassen und Kulturen, die alle einig sind in der Erkenntnis: Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben jedes Menschen. Ich freue mich sehr auf dieses bedeutsame Zeugnis des Glaubens und der Jugend. Von Herzen wünsche ich mir die Begegnung mit jedem einzelnen von euch. In Spanisch fuhr der Papst fort: 3. Mit euch allen verabrede ich mich für den Monat August in Denver, dem Ort, wo wir auch den 500. Jahrestag der Ankunft des Evangeliums auf dem amerikanischen Kontinents feiern werden. Gemeinsam werden wir unser entschlossenes Ja zu Christus und seiner Kirche bekräftigen. Zusammen werden wir mit frohem Mut unseren gemeinsamen Glauben bekennen; zusammen werden wir der Welt entgegenblicken, um Zeichen und Verpflichtung der neuen Einheit zu sein. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend will Christus auch für alle Völker Amerikas und für die ganze Welt der Gott des Lebens sein. Euch, Jugendliche, bittet er, Apostel der Hoffnung des Evangeliums zu sein. Während der Feier in Denver werde ich euch die Fackel der Neuevangelisierung übergeben. Auf Französisch sagte der Papst: Heute feiern wir den Welttag der Jugend. Ich richte einen herzlichen Gruß an alle Jugendlichen und lade sie ein, sich auf das große Treffen in Denver im August dieses Jahres vorzubereiten. Liebe Jugendliche, nehmt Christus auf, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben” ist (Joh 14,6), und tragt an der Schwelle des dritten Jahrtausends seine Botschaft in die Welt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an alle Pilger, besonders an die Jugendlichen aus den deutschsprachigen Ländern. Die Mitfeier der Karwoche und des Festes der Auferstehung unseres Herrn möge uns neu bewußt werden lassen, daß Christus für alle Menschen der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Strebt danach, in eurem Leben ein überzeugendes Beispiel 56 AUDIENZEN UND ANGELUS der Gotteskindschaft zu geben und wahre Hoffhungsträger der Neuevangelisierung zu sein. Euch alle hoffe ich beim großen Weltjugendtreffen im August dieses Jahres in Denver begrüßen zu können. Abschließend sagte der Papst wieder auf Italienisch: 4. Die seligste Jungfrau, Stern der Evangelisierung, gehe uns auf dem Weg zu diesem providentiellen Welttreffen der Jugend voran. Bitten wir sie, uns an der Hand zu nehmen und uns schon jetzt eine neue Osterfreude zu erlangen. Bitten wir sie, zu bewirken, daß Denver die Gelegenheit ist für eine bevorzugte Begegnung Christi mit den Menschen von heute, besonders mit den jungen Menschen, welche die Zukunft der Menschheit sind. Das Heilsgeheimnis des christlichen Lebens Ansprache bei der Generalaudienz am 7. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Heilige Woche am Ende der Fastenzeit mündet direkt ins Osterfest, und sie wird „heilig” genannt, weil während ihres Ablaufs die grundlegenden Ereignisse der christlichen Religion in Erinnerung gerufen werden: die Einsetzung der Eucharistie, das Leiden und der Tod Jesu am Kreuz sowie die glorreiche Auferstehung des Erlösers. Während des Heiligen Triduums sind wir deshalb eingeladen, noch eifriger über das „zentrale Heilsgeheimnis” nachzudenken und es zu erleben, indem wir an den Liturgien teilnehmen, die uns die letzten Tage des Lebens Jesu wieder vergegenwärtigen. Sie haben für jeden Menschen ewige, entscheidende Bedeutung. 2. Der Gründonnerstag führt uns zur Einsetzung der Eucharistie, des höchsten Geschenks der Liebe Gottes in seinem Heilsplan. Beim Abendmahl an jenem Abend nahm Jesus den Opfertod auf Golgota mystisch voraus und gab sich unter den Gestalten von Brot und Wein zum Opfer hin, wie er selbst, angekündigt hatte (vgl. Joh 6); dabei übertrag er den Aposteln und ihren Nachfolgern die Sendung und Vollmacht, dies zum Gedächtnis weiterzuführen durch die Wiederholung desselben Ritus: „Tut dies zu meinem Gedächtnis !” Als der Apostel Paulus um das Jahr 53-56 an die Korinther schrieb, bestärkte er die ersten Christen in der Wahrheit des „eucharistischen Geheimnisses”, indem er ihnen das mitteilte, was er selbst gehört hatte: „Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut 57 AUDIENZEN UND ANGELUS dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!” (1 Kor 11,23-26). Worte von grundlegender Bedeutung! Sie erinnern an das, was Jesus wirklich beim letzten Abendmahl getan hat; sie vermitteln uns seine Absicht zum „Opfer” durch die „Konsekration” von Brot und Wein anstelle des Opferlammes der Juden, das heißt seine ausdrückliche Absicht, die Apostel und ihre Nachfolger zu Dienern der Eucharistie zu machen. Die Eucharistie als wirkliche Anwesenheit Christi und als Sakrament enger Liebesund Heilsgemeinschaft; das Priestertum als eucharistischer Dienst, der den Aposteln und ihren Nachfolgern Vorbehalten ist; Das ist der wesentliche Inhalt des Gründonnerstags. Es handelt sich um ein „Glaubensdogma”, das man mit großer, immerwährender Dankbarkeit annehmen soll. Es ist ein Geschenk Christi, das man mit echter und tiefer Verehrung hochschätzen soll. Der heilige Paulus mahnte die Gläubigen von Korinth; „Wer also unwürdig von dem Brot ißt und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn. Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon ißt und trinkt, ohne zu bedenken, daß es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er ißt und trinkt” (1 Kor 11,27-29). Der Donnerstag, der erste Tag des Heiligen Triduums, bietet auch eine gute Gelegenheit, für die Priester zu beten, daß sie sich immer ihrer hohen Würde bewußt seien, denn ihr Leben ist ganz der Eucharistie geweiht. 3. Der Karfreitag läßt uns das „schmerzhafte Geheimnis” des Leidens und des Kreuzestodes Jesu wieder erleben. Vor dem Gekreuzigten nehmen die Worte, die er beim letzten Abendmahl gesprochen hat, dramatische Gestalt an; „Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird” (vgl. Mk 14,24; Mt 26,28; Lk 22,20). Jesus wollte sein Leben hingeben zur Vergebung der Sünden der Menschheit, und er wählte zu diesem Zweck den grausamsten und erniedrigendsten Tod: die Kreuzigung. Der heilige Petrus schreibt in seinem ersten Brief darüber: Jesus „hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt” (1 Petr 2,24-25). Und der hl. Paulus betont mehrmals: „Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift” (i Kor 15,3); „Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben als Gabe und als Opfer” (Eph 5,2); „Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle” (1 Tim 2,5-6). Vor der Eucharistie und dem Leiden und Sterben Jesu am Kreuz wird das Geheimnis für die menschliche Vernunft grenzenlos und unergründlich. Als wahrer Mensch hat der Messias wirklich unsagbar gelitten, von der geistlichen Todesangst am Ölberg bis zu dem langen und qualvollen Sterben am Kreuz. Der Weg nach Golgota 58 AUDIENZEN UND ANGELUS war ein unbeschreibliches Leiden, das in die schreckliche Qual der Kreuzigung überging. Was für ein Geheimnis ist das Leiden Christi: Der menschgewordene Gott leidet, um den Menschen zu retten, und nimmt das ganze Drama der Menschheit auf sich. Deshalb erinnert uns der Karfreitag ständig an die Aneinanderreihung von Prüfungen in der Geschichte, an die menschlichen Schicksale, die vom andauernden Kampf zwischen Gut und Böse gekennzeichnet sind. Das Kreuz ist wirklich die Waage der Geschichte: Man versteht und akzeptiert sie nur, wenn man den Gekreuzigten betrachtet und hebt. Der Apostel Johannes schrieb: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott gehebt haben, sondern daß er uns gehebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat” (1 Joh 4,10); und auch der hl. Paulus bekräftigte: „Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren” (Röm 5,8). In seinem Heils- und Heihgungsplan geht Gott nicht unseren Weg: Er geht über das Kreuz, um zur Verherrlichung zu gelangen, und regt uns so zu Geduld und Vertrauen an. Liebe Brüder und Schwestern, lernen wir vom Karfreitag, Jesus auf dem Leidensweg zu begleiten in Demut, Zuversicht und Fügsamkeit dem Willen Gottes gegenüber, indem wir inmitten der Drangsale des Lebens im Kreuz Christi Stütze und Trost finden. 4. Das Heihge Triduum endet in dem strahlenden „glorreichen Geheimnis” der Auferstehung Christi. Er hatte vorhergesagt: „Am dritten Tag werde ich auferstehen!” Das ist der endgültige Sieg des Lebens über den Tod. Jesus wird nach seiner Auferstehung Magdalena, den frommen Frauen, den Aposteln und dann den Jüngern erscheinen und ihnen die Wundmale auf seinem Körper zeigen. Er wird ihnen erlauben, seine Person zu berühren; er wird mit den Aposteln essen und sie die wunderbare Neuheit seines verherrlichten Leibes erfahren lassen. Die Auferstehung ist für die Gläubigen die endgültige und entscheidende Gewähr für die Gottheit Christi, deshalb sind sie berufen, seinem Wort mit absoluter Gewißheit und Sicherheit zu glauben. In der geheimnisvollen Stille des Karsamstag, während wir uns auf die Ostemacht vorbereiten, in der das Einbrechen des Lichtes der Erlösung in die Finsternis gefeiert wird, betrachtet der menschliche Geist die machtvollen Taten Gottes, „magnalia Dei”, die im Osterfest gipfeln, dem Mittel- und Kernpunkt des Lebens des christlichen Volkes. Liebe Brüder und Schwestern, die Gottesmutter Maria, die schmerzerfüllt aber auch gefaßt, sicher und aufrecht unter dem Kreuz stand, während Jesus mit dem Tode rang und starb, begleite uns bei der Betrachtung in den Tagen des Heiligen Tridu-ums und führe uns dahin, daß auch wir die erneuernde Osterfreude verspüren. Mit meinem Segen und meinen herzlichen Wünschen für alle! 59 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt dem Vorstand des Förderkreises „Rettet die Nikolaikirche” aus Hamburg. Euer Engagement hat zu einer wirklichen Solidarität über die Grenzen Eures Landes hinaus geführt, den Frieden und die Freiheit zum obersten Ziel menschlichen Handelns zu erheben. Gern segne ich die von Euch als Zeichen des Friedens mitgebrachte Glocke. Ferner grüße ich die Priester, Diakone und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst sowie die gehörlosen Pilger aus der Diözese Trier, die Absolventen des Jesuitenkollegs Kalksburg aus Wien sowie die zahlreichen Schülerinnen und Schüler aus Deutschland und Österreich. Die seligste Jungfrau Maria möge Euch auf Eurem Weg durch die Kartage begleiten und Euch zur Erfahrung der erneuernden Kraft österlicher Freude führen. Verbunden mit meinen besten Wünschen für ein gesegnetes Osterfest erteile ich Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause und den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Christus geht den Weg der Menschen und Völker mit Liebe Pilger aus Zagreb, Split, Ludbreg, Varazdin und anderen kroatischen Orten, ich begrüße euch herzlich. Die schwere, durch den Krieg entstandene Lage hindere euch nicht, euren Weg im Glauben, in der Hoffnung und Liebe weiterzugehen. Es tröste euch das Bewußtsein, daß der Auferstandene im Leben der Menschen und der Völker mitgeht. Von Herzen erteile ich allen meinen Apostolischen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! Mit vollen Händen aus Christus Friede und Freude schöpfen Regina Coeli in Castel Gandolfo am Ostermontag, 12. April Liebe Schwestern und Brüder! 1. Die Osterffeude erfüllt heute, am ersten Tag nach Ostern, noch unsere Herzen. Und mit tiefen Empfindungen grüße ich euch alle, die Bürger von Castel Gandolfo und die Pilger, die in den vergangenen Tagen nach Rom gekommen sind, um an den eindrucksvollen Riten des Heiligen Triduums und der Feier des hochheiligen Osterfestes teilzunehmen. „Jesus ist auferstanden”, sagt der Engel zu den Frauen, die zum Grab gekommen sind, „er ist nicht mehr hier.” Das Leben hat den Tod besiegt. Wenn der Tod in der Sicht menschlicher Erfahrung auch Sieger zu sein scheint, so hat ihn doch Christus, indem er gestorben und auferstanden ist, sozusagen von innen heraus entleert. 60 AUDIENZEN UND ANGELUS Es. bedarf des Glaubens, um sich diesem herrlichen, neuen Horizont öffnen zu können. Das sagt Jesus zum Apostel Thomas, dem Zweifel gekommen waren: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben” (Job 20,29). Der Glaube ist keine Illusion, er ist ein durchdringender Weitblick, der uns zu einer tieferen Schicht der Wirklichkeit Vordringen läßt. Er ist Annahme der inneren Stimme des Geistes Gottes, er ist Vertrauen, das mit Vernunft auf ein geschichtlich begründetes Zeugnis gesetzt wird. 2. Lassen wir uns also von der tröstlichen Osterbotschäft erfassen und vom Glanz seines Lichtes einhüllen, das die Dunkelheit der Angst und Traurigkeit vertreibt. Der auferstandene Jesus geht mit uns. Er macht sich für die, die ihn anrufen und lieben, in gewisser Weise spürbar. Außer im Gebet können wir ihm in den verschiedenen Augenblicken des Lebens begegnen, wenn wir im Glauben und in der Liebe leben. Konkreter Ort der Begegnung mit Christus kann auch die einfache Freude des Zusammenseins, die herzliche Aufnahme, die Freundschaft, der Naturgenuß sein. Der Ostermontag, der traditionsgemäß von der belebenden Erfahrung einer berechtigten Erholung gekennzeichnet ist, möge dazu dienen, uns diese Gegenwart des auferstandenen Jesus spüren zu lassen. Liebe Brüder und Schwestern, ich wünsche euch, daß ihr mit vollen Händen aus ihm Frieden und Freude schöpft, die euch nicht nur heute, sondern alle Tage eures Lebens begleiten mögen. Erbitten wir dies von Maria, der Mutter des Auferstandenen. Erbitten wir von ihr Eintracht und Frieden vor allem für die Völker, die noch vom Würgegriff des Krieges umklammert sind, und für alle, die unter Krankheit, Einsamkeit und vielfältiger Not leiden. Freu dich, Himmelskönigin, Halleluja! Die Verkündigung von Jesu Tod und Auferstehung ist das Herzstück des christlichen Glaubens Ansprache bei der Generalaudienz am 14. April Liebe Schwestern und Brüder! 1. „Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte” (.Mk 16,6). Mit diesen Worten berichtet der Evangelist Markus über die Begegnung des Engels mit den Frauen, die am frühen Morgen des ersten Tages nach dem Sabbat zu dem Ort gegangen waren, wo man Jesus hingelegt hatte. „Sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem weißen Gewand bekleidet war; da erschraken sie sehr” (Mk 16,5-6). „Erschreckt nicht!” sagt der Engel zu ihnen. 61 AUDIENZEN UND ANGELUS „Erschreckt nicht!” Diese Ermutigung des Evangeliums durchläuft die Jahrhunderte und gilt auch uns: „Erschreckt nicht! Sucht Jesus von Nazaret nicht im Grab. Er ist auferstanden, er ist nicht mehr hier. Er ist auferstanden, wie er vorhergesagt hat.” „Er ist auferstanden!” Das ist die überraschende Nachricht von Ostern. Er ist auferstanden, wie er vorhergesagt hat, und er hat die Heilige Schrift voll erfüllt. Ostern ist der Mittelpunkt des liturgischen Jahres und der Stützpunkt des Lebens des Christen, gerade weil es das lebendige Gedächtnis des zentralen Geheimnisses der Erlösung ist: des Todes und der Auferstehung des Herrn. 2. Es handelt sich gewiß um eine überraschende übernatürliche Wirklichkeit, aber gleichzeitig werden wir mit einer geschichtlichen, konkret nachweisbaren Gegebenheit konfrontiert. Der heftige Petrus schrieb an die ersten Christen: „Wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe” (2 Petr 1,16). Dem Apostelfürsten stimmt der heilige Johannes bei, der bekräftigt: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefaßt haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens ... das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt... Wir schreiben dies, damit unsere Freude vollkommen ist” (1 Joh 1-4). Und zu Beginn des Evangeliums versichert Lukas, er habe sich entschlossen, „allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen” und Leben und Lehre Jesu „der Reihe nach aufzuschreiben” (vgl. Lk 1,1-4). In den Evangelien, den authentischen, geschichtlichen Texten, werden Fakten und Einzelheiten über die Auferstehung Jesu berichtet: das leere Grab, die Ungläubigkeit der Jünger, die der von den Frauen verkündeten Nachricht gegenüber zuerst skeptisch sind und sie als „Phantasie” betrachten (vgl. Lk 24,21), die wiederholte Erscheinung des auferstandenen Christus und vor allem seine Begegnungen mit den Jüngern. „Was seid ihr so bestürzt? Warum laßt ihr in eurem Herzen solche Zweifel auf-kommen?” sagt der Erlöser immer wieder zu den überraschten und verwirrten Aposteln, die unmittelbare Augenzeugen der unerwarteten Ereignisse sind. „Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Faßt mich doch an, und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht” (Lk 24,38-39). 3. Christus ist wirklich auferstanden, wie er selbst vorhergesagt hat! Seine Auferstehung hat zweifellos apologetischen Wert. Ein bekannter Gelehrter unseres Jahrhunderts, Romano Guardini, sagt in einer Betrachtung über das Ostergeheimnis und seine Implikationen für das Leben des Glaubenden und der Kirche: „Mit Jesu Auferstehung vom Tode steht und fällt der christliche Glaube. Sie ist keine Randerscheinung dieses Glaubens; auch keine mythologische Entwicklung, die er aus geschichtlichen Gründen genommen hätte und die 62 AUDIENZEN UND ANGELUS später ohne Schaden für sein Wesen abgelöst werden könnte, sondern sein Herzstück” (Der Herr, 6. Teil, I). Die Verkündigung des Todes und der Auferstehung Christi ist das Herzstück des Glaubens. Aus der fügsamen und frohen Annahme dieses Geheimnisses erwächst die echte Nachfolge des Herrn und die Heilssendung, die dem Volk Gottes anvertraut ist, das auf Erden pilgert in Erwartung der Wiederkunft Jesu in Herrlichkeit. Im Hinblick auf eine so grundlegende Wahrheit des Evangeliums versteht man, daß Jesus Christus, und nur Jesus Christus, der „Weg, die Wahrheit und das Leben” ist; daß er das „Licht der Welt”, „das menschliche Abbild” des Vaters ist. Man erfaßt auch die Tiefe seiner Worte: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen ... Glaubt mir doch, daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist” (Joh 14,9-11). Und weiter: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” {Joh 10,10); „Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen” (Joh 5,24). Tatsächlich offenbart das Evangelium auf allen seinen Seiten, angefangen vom Ostergeschehen, den für jeden Menschen bestimmten Heilsplan Gottes. Und diese Verkündigung, welche die Kirche nicht aufhört zu wiederholen, indem sie das Gebot des göttlichen Stifters befolgt, wird Quelle des Trostes und der geistlichen Ermutigung für die Menschheit, die niedergedrückt ist unter der Last von Zweifel, Schmerz und Sünde. Diese Botschaft verleiht dem Schicksal des Menschen und der Geschichte der Völker seinen wahren Sinn und Wert. 4. Liebe Schwestern und Brüder! Wir sind gerufen, mit einfachem und vertrauensvollem Bewußtsein zu wiederholen und zu bezeugen: Christus ist auferstanden; sein Heil ist ein freies Geschenk für alle. Seine Botschaft der Hoffnung und Erneuerung ist für die Menschen aller Völker und Nationen bestimmt. Sein Wort soll überall erklingen und die Wahrheit und übernatürliche Liebe erstrahlen lassen, indem es die gesamte Menschheit zur Umkehr und zur Annahme des Evangeliums der Hoffnung und der Liebe ruft und anregt. Wie die Frauen des Evangeliums sind alle Menschen guten Willens im Laufe der Jahrhunderte aufgerufen, den gekreuzigten und auferstandenen Christus zu suchen und ihm in der Kirche, seinem mystischen Leib, zu begegnen. Im verborgenen „Plan” der göttlichen Erlösung dreht sich die Geschichte immer in geheimnisvoller und providentieller Weise um das Kreuz Christi und den überraschenden Glanz seiner Auferstehung. Wie wichtig ist deshalb der Einsatz der Glaubenden im Hinblick auf die Sendung der Evangelisierung und des authentischen christlichen Zeugnisses. 5. Die Liturgie der Osterzeit erinnert uns wiederholt daran, daß das Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi für die Jünger Jesu ein tägliches Programm des neuen Lebens werden muß. 63 AUDIENZEN UND ANGELUS Während der heilige Paulus die Auferstehung Jesu vom Tod mit der durch die Taufe vollzogenen Wiedergeburt des Christen aus der Sünde vergleicht, schreibt er: „Ihr seid mit Christus auferweckt; darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische!” (Kol 3,1-2). Wenn es auch zweifellos eine Pflicht ist, sich mit den verschiedenen irdischen Aufgaben zu beschäftigen, ruft der Apostel trotzdem dazu auf, sich von ihnen nicht so weit in Anspruch nehmen zu lassen, daß man die übernatürliche Ausrichtung auf die Ewigkeit verliert. 6. Diese Überlegungen mögen uns während der Osterwoche begleiten, die ganz durchdrungen ist von Fröhlichkeit und geistlicher Freude. Sie mögen uns veranlassen, dem Herrn immer dafür zu danken, daß er uns von den Mächten der Finsternis befreit und die Pforten des Lichts und der göttlichen Gnade geöffnet hat. Diese Überlegungen bieten vor allem Grund zu neuem apostolischen und missionarischen Eifer, gepaart mit dem ständigen Augenmerk auf die Nöte, den Schmerz und die Angst so vieler Menschen, die unter der Last der dramatischen Ereignisse in dieser Stunde leiden. Maria, die Mutter Christi, des Auferstandenen, helfe uns, sie stärke unsere Zuversicht und bekräftige unseren Einsatz der Treue zum Herrn und des brüderlichen Dienstes am Nächsten. Mit diesen Empfindungen erneuere ich meine besten Osterwünsche zusammen mit meinem Apostolischen Segen für euch alle, die ihr hier anwesend seid, und für alle eure Lieben. Im Gebet des Warschauer Aufstands gedacht Regina Coeli am 18. April Liebe Schwestern und Brüder! 1. Der christliche Orient feiert heute Ostern. Die Kirche von Rom möchte den Schwesterkirchen einen besonderen Gruß senden und sich mit ihnen vereinen in der Verkündigung der frohen Botschaft: Christus ist auferstanden! In ihm, dem Sieger über Sünde und Tod, beginnt die neue Welt der Liebe und des Friedens, die die geheime Sehnsucht jedes Menschenherzens ist. Möge der auferstandene Herr uns gewähren, daß wir vor der Menschheit von heute das Zeugnis der Urgemeinde geben, in der „die Gläubigen ein Herz und eine Seele” waren (Apg 4,32). 2. Ein ähnliches Zeugnis der Gemeinschaft in der Liebe haben die heute zur Ehre der Altäre erhobenen fünf neuen Seligen gegeben. Welche Anziehungskraft geht von der tätigen Nächstenliebe des Seligen Ludovico da Casoria aus, der sich zum Diener der Armen unter den schwierigen Umständen Süditaliens gemacht hat! Welch vorbildlicher erzieherischer Einsatz, inspiriert von den hohen Idealen des Evangeliums, 64 AUDIENZEN UND ANGELUS wird uns gezeigt von Paula Montal Fomes de San Jose de Calasanz, einer Wegbereiterin der kulturellen, menschlichen und christlichen Förderung der Frau! Zu recht herrscht heute besonders große Freude in Polen, meinem geliebten Heimatland, das zwei seiner Töchter und einen seiner Söhne unter den neuen Sehgen sieht: den Priester Stanlislaus Kazimierczyk, der im 15. Jahrhundert in Krakau lebte und seit langem dort verehrt wird; Mutter Maria Angela Truszkowska, die von dem Wunsch beseelt war, „ein Opfer der Liebe” in Vereinigung mit dem Geheimnis des Kreuzes zu sein; und Schwester Faustina Kowalska, Botin und Zeugin der göttlichen Barmherzigkeit. Das sind fünf Gesichter der Heiligkeit, die fünf Wege der Hoffnung sein können, welche uns die Liebe Gottes vorgezeichnet hat. 3. Die Freude dieses Tages darf uns nicht daran hindern, unsere Aufmerksamkeit auf ein Ereignis zu richten, das vor fünfzig Jahren geschehen und mit unmenschlichem Leiden belastet ist; der Aufstand des Warschauer Ghettos. Ich empfinde das dringende Bedürfnis, alle Christen und Juden zu grüßen, die heute auf diesem Platz zusammengekommen sind, um dieses Ereignis und die gegen das jüdische Volk im letzten Weltkrieg verübten Verbrechen in Erinnerung zu rufen. In tiefempfundener Solidarität mit diesem Volk und in Einheit mit der gesamten Gemeinschaft der Katholiken möchte ich dieser schrecklichen Geschehen gedenken, die schon lange Zeit zurückliegen, aber im Gedächtnis vieler von uns haften gebheben sind: Die Tage der Shoa haben eine wahre Nacht der Geschichte angezeigt und unerhörte Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen verzeichnet. Wie sollten wir euch, hebe jüdische Schwestern und Brüder, nicht nahe sein im Gebet und Nachdenken über einen so schmerzlichen Jahrestag? Seid gewiß: Ihr tragt diese schmerzliche Erinnerung nicht allein. Wir beten und wachen mit euch unter den Augen des heiligen und gerechten Gottes, der reich an Erbarmen und Verzeihung ist. Möge unsere einmütige Solidarität ein Zeichen sein, das für die besorgte Menschheit den von Jesaja angekündigten Tag des Friedens vorwegnimmt, an dem „man nicht mehr das Schwert zieht, Volk gegen Volk, und nicht mehr für den Krieg übt” (Jes 2,4). 4. Ich möchte noch einmal einen dringenden Appell zum Frieden für die Völker in Bosnien-Herzegowina formulieren. Eine vom Päpstlichen Rat „Cor Unum” und von der italienischen Caritas organisierte humanitäre Mission ist dorthin auf dem Weg. Möge diese Mission eine Ermutigung für die ortskirchlichen Gemeinschaften sein. Möge sie vor allem weiter dazu anspomen, das Mögüchste zu tun, damit diesem sinnlosen und grausamen Krieg bald ein Ende gesetzt wird. Wir vertrauen Maria die Ängste und Hoffnungen der Menschheit an, damit sie diese mütterlich aufnehme und durch ihre mächtige Fürsprache erlange, daß sich die barmherzige Liebe auf die Menschen unserer Zeit in reichem Maße ausgieße. 65 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Prediger soll sich nicht auf Menschenweisheit, sondern auf die Kraft Gottes stützen Ansprache bei der Generalaudienz am 21. April 1. In der Kirche sind wir alle dazu berufen, die Frohbotschaft Jesu Christi zu verkünden, sie immer vollständiger den Glaubenden zu vermitteln (vgl. Kol 3,16) und sie den Nichtglaubenden bekannt zu machen (vgl. 1 Petr 3,15). Kein Christ kann sich dieser Pflicht entziehen, die aus den Sakramenten der Taufe und der Firmung erwächst und unter dem Antrieb des Heiligen Geistes wirksam ist. Deshalb ist zunächst zu sagen, daß die Evangelisierung nicht auf eine einzige Gruppe der Glieder der Kirche beschränkt ist. Und doch,sind die Bischöfe dabei die Hauptpersonen und Führer für die ganze christliche Gemeinschaft, wie wir zuvor gesehen haben. Bei diesem Werk werden sie von den Priester und in einem bestimmten Maß von den Diakonen unterstützt, gemäß den Normen und der Gepflogenheit der Kirche sowohl in ältester Zeit als auch in der Zeit der Neuevangelisiemng. 2. Man kann sagen, daß für die Priester die Verkündigung des Wortes Gottes die Hauptaufgabe ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1564), denn das Fundament des persönlichen und gemeinschaftlichen christlichen Lebens ist der Glaube, der vom Wort Gottes geweckt wird und sich von diesem Wort nährt. Das II. Vatikanische Konzil unterstreicht diesen Evangelisierungsauftrag und setzt ihn in Beziehung zur Formung des Volkes Gottes und zum Recht aller, von den Priestern die Botschaft des Evangeliums zu empfangen (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 4). Die Notwendigkeit dieser Verkündigung wird vom heftigen Paulus hervorgehoben, der dem Auftrag Christi seine Erfahrung als Apostel hinzufügen kann. Während seiner Evangelisierung,.die er.in vielen Ländern und verschiedenen Umfeldern ausgeübt hat, sah er, daß die Menschen nicht glaubten, weil ihnen noch niemand die Frohbotschaft verkündet hatte. Er stellte fest, daß nicht alle die Möglichkeit hatten, den ihnen nun offenstehenden Heilsweg zu gehen. Deshalb sprach er auch von der Notwendigkeit der Verkündigung im Auftrag Christi: „Wie sollen sie nun den anru-fen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie aber soll jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist? Darum heißt es in der Schrift: Wie sind die Freudenboten willkommen, die Gutes verkündigen!” (7?öm 10,14-15). Denen, die gläubig geworden waren, wollte der Apostel dann das Wort Gottes in Fülle mitteilen. Das sagt er selbst zu den Thessalonikem: „Ihr wißt.auch, daß wir, wie ein Vater seine Kinder, jeden einzelnen von euch ermahnt, ermutigt und beschworen haben, zu leben, wie es Gottes würdig ist, der euch ... beruft” (7 Thess 2,12). Dem Jünger Timotheus gibt der Apostel dringend den Auftrag: „Ich 66 AUDIENZEN UND ANGELUS beschwöre Dich bei Gott und bei Christus Jesus ... Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung (2 Tim 4,1-2). In bezug auf die Priester schreibt er folgendes: „Älteste, die das Amt des Vorstehers gut versehen, verdienen doppelte Anerkennung, besonders solche, die sich mit ganzer Kraft dem Wort und der Lehre widmen” (1 Tim 5,17). 3. Die Predigt der Priester ist weder eine einfache Redeübung, die einem persönlichen Bedürfnis entspricht, sich auszudrücken und das eigene Denken mitzuteilen, noch kann sie nur in der Wiedergabe einer persönlichen Erfahrung bestehen. Dieser psychologische Wesenszug, der in pastoral-didaktischer Hinsicht eine gewisse Rolle spielen kann, darf weder den Grund noch den Schwerpunkt der Predigt bilden. Die Väter der Bischofssynode von 1971 sagten, daß „die immer vom Evangelium her beleuchteten und gedeuteten Lebenserfahrungen sowohl der Menschen im allgemeinen als auch der Priester weder die einzige noch die hauptsächliche Regel der Predigt sein können” (Euch. Vat. 4,1186). Die Kirche überträgt den Priestern als Teilhabe an der Mittlerschaft Christi die Mission des Predigens, die aufgrund der Erfordernisse seines Auftrags und ihnen entsprechend auszuüben ist: Die Priester, „die ihrem Dienstgrad entsprechend am Amt des einen Mittlers Jesus Christus (vgl. 1 Tim 2,5) teilhaben, verkünden allen das Wort Gottes” (ebd.). Dieses Wort veranlaßt zum Nachdenken. Es ist ein „göttliches Wort” .und deshalb nicht unser „eigenes”; es darf von uns nicht manipuliert, verändert oder nach Belieben angepaßt, sondern muß vollständig verkündet werden. Und weil das „göttliche Wort” den Aposteln und der Kirche anvertraut worden ist, „hat jeder Priester an einer besonderen Verantwortung in der Verkündigung des ganzen Wortes Gottes und in seiner Auslegung dem Glauben der Kirche entsprechend teil”, sagten die Väter der Synode von 1971 (Ench.Vat. 4,1183). 4. Die Verkündigung des Wortes geschieht in enger Verbindung mit den Sakramenten, durch die Christus das Gnadenleben mitteilt und entfaltet. Hier ist noch anzumerken, daß die Predigt besonders heute vorwiegend zur Feier der Sakramente und vor allem der heiligen Messe gehört. Außerdem ist festzuhalten, daß bereits durch die Spendung der Sakramente die Verkündigung vollzogen wird sowohl durch den theologischen und katechetischen Reichtum der liturgischen Formeln und Lesungen, die heute in einer allgemein verständlichen, lebendigen Sprache gesprochen werden, als auch durch die pädagogischen Elemente des Ritus. Und trotzdem besteht kein Zweifel, daß die Predigt der Sakramentenspendung vorausgehen, diese begleiten und krönen muß sowohl hinsichtlich der notwendigen Vorbereitung auf ihren Empfang als auch ihrer fruchtbare Umsetzung im Glauben und Leben. 5. Das Konzil hat daran erinnert, daß die Verkündigung des'göttlichen Wortes die Wirkung hat, den Glauben zu Wecken und zu nähren, und zur Entwicklung der Kirche beiträgt. „Durch das Heils wort wird ja der Glaube, durch den sich die Ge- 67 AUDIENZEN UND ANGELUS meinde der Gläubigen bildet und heranwächst, im Herzen der Nichtgläubigen geweckt”, sagt das Konzil (Presbyterorum ordinis, Nr. 4). Dieser Grundsatz ist immer zu berücksichtigen: Das Ziel, den Glauben zu verbreiten, zu festigen und wachsen zu lassen, muß das Fundament bleiben für jeden Verkünder des Evangeliums und folglich auch für den Priester, der in besonderer Weise und sehr häufig gerufen ist, den „Dienst am Wort” auszuüben. Eine Predigt würde das vom Erlöser gewollte wesentliche Ziel dann nicht erreichen, wenn sie ein Geflecht von personengebundener, psychologischer Beweggründe wäre oder sich in der Darstellung der Probleme - ohne sie zu lösen - oder im Wachrufen von Zweifeln erschöpfte ohne Hinweis auf die Quelle des Lichts des Evangeliums, das den Weg der Einzelnen und der Gesellschaften erhellen kann. Die Predigt würde sogar Verwirrung in der öffentlichen Meinung und Schaden unter den Glaubenden selber stiften, deren Recht, den wahren Inhalt der Offenbarung kennenzulemen, auf diese Weise mißachtet würde. 6. Das Konzil hat außerdem den Umfang und die Vielfalt der Formen aufgezeigt, welche die authentische Verkündigung des Evangeliums gemäß der Lehre und dem Auftrag der Kirche an die Verkündiger entsprechend annehmen kann: „Die Priester schulden also .allen, Anteil zu geben an der Wahrheit des Evangeliums, deren sie sich im Herrn erfreuen. Niemals sollen sie ihre eigenen Gedanken vortragen, sondern immer Gottes Wort lehren und alle eindringlich zur Umkehr und zur Heiligung bewegen, ob sie nun durch eine vorbildliche Lebensführung Ungläubige für Gott gewinnen oder in der ausdrücklichen Verkündigung den Nichtglaubenden das Geheimnis Christi erschließen; ob sie Christenlehre erteilen, die Lehre der Kirche darlegen oder aktuelle Fragen im Licht Christi zu beantworten suchen” (Presbyterorum ordinis, Nr. 4) Dies sind also die Wege, um gemäß der Kirche das göttliche Wort zu lehren: das Lebenszeugnis, das die Macht der Liebe Gottes entdecken läßt und bewirkt, daß die Sprache des Predigers überzeugt; die Predigt, die den Nichtglaubenden das Geheimnis Christi deutlich macht; die Katechese und die Schriftauslegung im Auftrag der Kirche und gemäß ihrer Lehre; die Anwendung der geoffenbarten Wahrheit bei der Beurteilung und Lösung der konkreten Fälle. Unter diesen Voraussetzungen zeigt die Predigt auch heute ihre „Schönheit” und wirkt anziehend auf die Menschen, die sich danach sehnen, „die Herrlichkeit Gottes” zu schauen. 7. Diesem Erfordernis von Authentizität und Vollständigkeit der Verkündigung steht das Prinzip der vom Konzil besonders betonten Anpassung der Predigt (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 4) nicht entgegen. Es ist klar, daß der Priester sich vor allem mit Verantwortungsbewußtsein und Sinn für wirklichkeitsnahe Bewertung fragen muß, ob das, was er in seiner Predigt sagt, von seinen Zuhörern verstanden wird und sich auf ihre Denk- und Lebensweise auswirken wird. Er muß sich außerdem bemühen, die eigene Predigt, die unter- 68 AUDIENZEN UND ANGELUS schiedlichen Bedürfnisse der Zuhörer und die verschiedenen Umstände zu berücksichtigen, die sie dazu bewegen, sich zu versammeln und ihm zuzuhören. Natürlich muß er auch seine Fähigkeiten kennen und um diese wissen; er muß sie in angemessener Weise einsetzen - nicht aus Selbstdarstellung, die ihn außerdem vor den Zuhörern herabsetzen würde, sondern zu dem Zweck, das göttliche Wort besser in den Verstand und ins Herz der Menschen einzupflanzen. Der Prediger soll sich nicht so sehr auf die natürlichen Fähigkeiten, sondern mehr auf die übernatürlichen Charismen verlassen, die in der Geschichte der Kirche und der kirchlichen Rede bei so vielen heiligen Predigern zu finden waren. Denn so fühlt er sich gedrängt, den Heiligen Geist um Erleuchtung zu bitten, damit er in der angemessensten und wirksamsten Weise sprechen, sich verhalten und mit seinen Zuhörern in Dialog treten kann. Das gilt auch für alle, die den Dienst des Wortes durch Schriften, Veröffentlichungen sowie Rundfunk- und Femsehübertragungen ausüben. Auch der Gebrauch dieser Kommunikationsmittel erfordert vom Prediger, Sprecher, Schriftsteller, kirchlichen Berichterstatter und besonders vom Priester die Anrufung und Zuhilfenahme des Heiligen Geistes: ein Licht, das Verstand und Herz belebt. 8. Den Weisungen des Konzils entsprechend soll die Verkündigung des göttlichen Wortes in allen Bereichen und allen Gesellschaftsschichten geschehen unter Berücksichtigung auch der Nichtglaubenden. Mag es sich um wahre Atheisten oder häufiger um Agnostiker handeln, um Gleichgültige oder Zerstreute, deren Aufmerksamkeit in angemessener, erfinderischer Weise geweckt werden soll. Es genügt, hier noch einmal auf das Problem hingewiesen zu haben: Es ist schwerwiegend und muß mit vernünftigem Eifer und Ausgewogenheit in Angriff genommen werden. Für den Priester kann es nützlich sein, die weise Überlegung der Bischofssynode von 1971 in Erinnerung zu rufen, die lautete: „Durch die Evangelisierung bereitet der Diener des Wortes die Wege des Herrn mit viel Geduld und Glauben, indem er sich den unterschiedlichen Lebensverhältnissen der einzelnen und der Völker anpaßt” (Ench.Vat. 4, Nr. 1184). Das Gebet um die Gnade des Herrn und um den Heiligen Geist, welcher der immer notwendige göttliche Ausspender ist, wird in noch lebendigerer Weise in all jenen Fällen zu spüren sein, bei denen es sich um zumindest praktischem Atheismus, Agnostizismus, religiöse Unkenntnis und Gleichgültigkeit, ja manchmal um voreingenommene Feindschaft und sogar Wut handelt, die dem Priester die Unzulänglichkeit der menschlichen Mittel vor Augen halten, wenn in den Herzen ein Weg für Gott gebahnt werden soll. Der Priester spürt dann mehr denn je „das Geheimnis der leeren Hände”, wie gesagt wurde; aber gerade deshalb soll er an den heiligen Paulus denken, der von ähnlichen Erfahrungen beinahe „gekreuzigt” wurde, aber immer wieder neuen Mut und Vertrauen faßte auf „Gottes Kraft und Gottes Weisheit”, die in Christus gegenwärtig sind (vgl. 1 Kor 1,18.29). Er schrieb an die Korinther: „Zudem kam ich in Schwäche und in Furcht, zitternd und bebend zu euch. Meine Botschaft und Verkündigung war nicht Überredung 69 A UDIENZEN UND ANGELUS durch, ge wandte und kluge Worte, sondern war mit dem Erweis von Geist und Kraft verbunden, damit sich euer Glaube nicht auf Menschenweisheit stützte, , sondern auf die Kraft Gottes” (7 Kor 2,3-5). Das ist heute vielleicht der wichtigste Hinweis für den Prediger. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Dechanten und Pfarrern aus der Diözese Hildesheim, der Pilgergruppe des Ferienwerkes Bodensee und den Pilgern der Christlich-Sozialen Union Oberpfalz. Möge Euer Besuch in Rom die Berufung und Sendung als Christ in Euch neu erwecken und stärken. Euch, hebe Schwestern und Brüder, Euren heben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostohschen Segen. Die Wiedergeburt Albaniens geschieht im Zeichen der Ökumene Ansprache bei der Generalaudienz am 28. April 1. „Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen?” (Mk 16,3). Diese Worte der Frauen, die „am ersten Tag der Woche” zum Grab Christi gingen, kommen uns in den Sinn, wenn wir die jüngste Vergangenheit des Landes betrachten, das ich am vergangenen Sonntag besuchen konnte. Jahrelang war Albanien der Inbegriff der schweren Unterdrückung, die von einem totalitären, atheistischen System ausgeübt wurde, in dem die Ablehnung Gottes die äußerste Grenze erreicht hatte. Das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit war dort in brutalster Weise mit Füßen getreten worden: Die Todesstrafe drohte denjenigen, die ledighch die Taufe spendeten oder irgendwelche religiösen Handlungen Vornahmen. Die Verfolgung wütete sowohl gegen Christen als auch gegen Muslime. So war dieses Land dem Grab ähnlich geworden, in welches die Juden Christus eingeschlossen hatten, indem sie einen Stein vor den Eingang des Grabes wälzten. 2. Aber als nun die Frauen zum Grab kamen, „sahen sie, daß der Stein weggewälzt war” (vgl. Lk 24,2). Auch für Albanien ist infolge der 1989 begonnenen Ereignisse der Stein vom Grab weggewälzt worden, und die Zeit der Wandlungen hat begonnen. Die Menschenrechte, einschließlich die auf Gewissens- und Religionsfreiheit, bilden jetzt das Fundament des Lebens der Gesellschaft. Unter diesen Umständen wurde die Anwesenheit des Papstes möglich, ja in gewisser Weise notwendig, besonders für die katholische Gemeinschaft. Dies geschah am vergangenen 25. April. 70 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich bin den Gläubigen dieser leidenden Küche, die mich bei sich haben wollten, sehr dankbar. Weiter danke ich dem Präsidenten der Republik, Sah Berisha, der mich eingeladen und mit großer Herzlichkeit und Freundlichkeit empfangen hat. Ich danke auch den staatlichen und militärischen Obrigkeiten und allen, die zu einem guten Gelingen des Besuchs beigetragen haben. Außerdem danke ich Erzbischof Anastas von der orthodoxen Küche und dem Großmufti Sabri Koci von der islamischen Gemeinschaft, die mich mit ihrer Anwesenheit beehrten. Die geistige Wiedergeburt Albaniens geschieht im Zeichen des ökumenischen Dialogs und der interreligiösen Zusammenarbeit. Ist das nicht ein großes Zeichen der Hoffnung? Das Christentum in Albanien reicht in die Zeit der Apostel zurück: Vielleicht hat der heilige Paulus selbst dieses Gebiet berührt, denn der Hafen von Durazzo war damals eine übüche Anlegestelle auf dem Weg nach Rom. Es ist unmöglich, die verwickelten Wechselfälle der Geschichte des Landes bis heute kurz zusammenzufassen. Es genügt, an die ruhmvollen Taten des Nationalhelden Gjergj Kastriota Skenderbeu zu erinnern, der in seinem Wüken von den römischen Päpsten unterstützt wurde. Ihm gilt das Verdienst für die Verteidung im 15. Jahrhundert gegen die türkischen Angreifer. Ein besonderes Augenmerk für Albanien hatte dann im 18. Jahrhundert auch Papst Klemens XI., der aus diesem Land stammte. Die endlich im Jahr 1912 errungene politische Unabhängigkeit bedeutete leider nicht das Ende der Schwierigkeiten. Seitdem hat Albanien weitere traurige Zeiten erlebt, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Höhepunkt erreichten, als eine grausame Diktatur die fundamentalsten Bürgerrechte blutig unterdrücken wollte und versuchte; den Namen Gottes selbst aus den Herzen der Glaubenden herauszureißen. Ein vergeblicher Versuch, wie die Geschehnisse gezeigt haben: Denn auf die lange Nacht folgte endlich die Morgendämmerung eines neuen Tages. Die Küche in Albanien erlebt jetzt ihren neuen Frühling. 3. Mein Besuch vom vergangenen Sonntag wollte dieses Ereignis bekräftigen durch die Weihe der neuen Bischöfe in der Kathedrale von Scutari, einer der erhabensten Küchen des Balkans. In der Zeit der Diktatur war sie in eine Sporthalle verwandelt worden. Jetzt hat sie ihre ursprüngliche Schönheit wiedererlangt und ist zu einem Zeichen der Auferstehung Albaniens geworden. Eine eine große Schar von Gläubigen folgte andächtig dem feierüchen Gottesdienst. Man spürte beinahe wie bei einem neuen Pfingsten den Atem des Geistes, der die neuen Würdenträger ins Kollegium der Nachfolger der Apostel eingegliedert hat. Einer der Neugeweihten, der Weihbischof von Scutari, Zef Simoni, war 1967 zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im darauffolgenden Jahr ebenfalls am 25. April, vor genau 25 Jahren, wurde das später in Zwangsarbeit umgewandelte Todesurteil über den gesprochen, der jetzt Erzbischof von Scutari ist: Frano Illia. Durch dieses Zusammentreffen der Daten wird die Erinnerung an die Ereignisse, die mit dem Leidensweg der albanischen Kirche verbunden sind, noch ergreifender. Die 71 AUDIENZEN UND ANGELUS anderen neugeweihten, auch verdienstvollen Bischöfe sind der Erzbischof von Du-razzu-Tirana, Rrok K. Mirdita, und der Bischof von Pulati, Robert Ashta. 4. Muß man in all dem nicht ein Zeichen für den Schutz der in Albanien so verehrten Mutter vom Guten Rat sehen? Ich fuhr am 22. April nach Genazzano bei Rom -wo auch Maria, die Mutter vom Guten Rat, verehrt wird -, um ihr meine apostolische Reise nach Albanien anzuempfehlen. Ein geistiges Band verbindet Genazzano mit Scutari, wo die gleichnamige Marienkirche im Laufe der Geschichte zweimal bis auf den Grund zerstört worden ist. Die letzte Zerstörung geht auf das Jahr 1967 zurück, während der Zeit der grausamen Diktatur, die jede religiöse Spur im Land auslöschen wollte. Auf den Trümmern dieses tragischen Versuchs wurde am vergangenen Sonntag nach dem Plan und der Fügung Gottes die bedeutungsvollen Zeichen der Weihe des neuen Erzbischofs und der Segnung des ersten Bausteins für die neue Wallfahrtskirche gesetzt, die das Gnadenbild der Mutter vom Guten Rat aufnehmen wird. 5. Den Besuch beendete abends in Tirana eine unvergeßliche Begegnung mit der Bevölkerung auf dem Platz, der nach dem Nationalhelden Gjergj Kastriota Skender-beu benannt ist. Anwesend waren der Präsident der Republik, die staatlichen Obrigkeiten, die Vertreter der verschiedenen religiösen Bekenntnisse und viele Menschen. Nicht zu vergessen ist der wertvolle Beitrag, den der Apostolische Nuntius, Erzbischof Ivan Dias, zur Vorbereitung meines Besuchs geliefert hat. Ich danke ihm von Herzen und spreche auch den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen - unter ihnen besonders Mutter Teresa - meinen wärmsten Dank aus. Weiter danke ich den kirchlichen Organismen und Bewegungen, die aus anderen Nationen gekommen sind, um den Weg der albanischen Kirche zu unterstützen. Meine an die gesamte Nation gerichtete Abschiedsrede sollte eine Botschaft der Hoffnung und Ermutigung sein. Ich mahnte sie, die Leiden nicht so rasch zu vergessen, welche die Albanier in den vergangenen Jahrzehnten erduldet haben. Ich habe das albanische Volk auf die Herausforderungen der Zukunft hingewiesen. Die wiedergefundene Religionsfreiheit wird gewiß der Sauerteig einer demokratischen Gesellschaft sein, wenn der Wert und die zentrale Rolle des Menschen anerkannt und alle Beziehungen auf sozialer, politischer und wirtschaftlicher Ebene in authentischer Solidarität gestaltet werden. Außerdem habe ich die Hoffnung ausgesprochen, daß Albanien dank der Hilfe der internationalen Gemeinschaft die derzeitige schwere Krise überwinden möge. Helfen werden ihm der Sinn für die Familie und Gastfreundschaft und vor allem sein Glaube. Eine große Stütze werden ihm sein das ständig zu erneuernde Einvernehmen zwischen Katholiken, Orthodoxen und Muslimen. Albanien hat Gott die Pforten geöffnet. Gott verläßt diejenigen nicht, die auf ihn vertrauen. 6. „Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?” (Lk 24,26). 72 AUDIENZEN UND ANGELUS Diese Worte aus der Liturgie vom 3. Ostersonntag erinnern uns daran, daß die Geschichte des Menschen, die Geschichte der Völker und der Nationen, sogar die der traurigsten Zeitabschnitte, durch das Ostergeheimnis des Erlösers erhellt werden. Für diese uns so hebe Nation sprechen wir den Wunsch aus: Christus gehe mit ihren Söhnen und Töchtern, wie es mit den Jüngern in Emmaus geschah: „Er lege ihnen die gesamte Schrift dar”; er öffne ihnen Herz und Augen für das Verständnis der Schrift”; „er gebe sich zu erkennen, wenn er das Brot bricht” (vgl. Lk 24,27.35.45). Er helfe ihnen, eine neue Ordnung aufzubauen, gegründet auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe. Machen wir uns den österlichen Freudenruf zu eigen:„Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen” (Lk 24,34). „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen” (Ps 118,24). In deutscher Sprache sagte der Papst: Indem ich Euch allen, liebe Schwestern und Brüder, das Schicksal der Kirchen, die einen neuen Anfang erleben dürfen und einen oft sehr mühsamen Wiederaufbau zu leisten haben, ans Herz legen möchte, richte ich einen besonderen Willkommensgruß an die Firmkandidaten der Pfarrei St. Marien in Wädenswil, an die Studenten des Ostkirchlichen Seminars in Regensburg und an die Läufer und ihre Begleiter des Staffellaufes Friedrichshafen - Vatikan; für Euren sportlichen Beitrag zur Verständigung unter den Menschen und Völkern Europas danke ich sehr. Euch allen, Euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie all jenen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Papst befürwortet Renovabis Mit meinen Besuch wollte ich allen Albanern, Muslimen, Orthodoxen und Katholiken eine Botschaft der Hoffnung und der Ermutigung bringen; ich habe sie eingeladen, das erduldete Leid nicht aus der Erinnerung zu verdrängen. Auch wir dürfen die lange Nacht Albaniens unter den zahlreichen Tragödien dieses Jahrhunderts nicht vergessen, wenn wir den kommenden Generationen ähnliche Erfahrungen von Intoleranz und dramatischer Menschenrechtsverletzung ersparen wollen. Mit Freude haben ich vernommen, daß die deutschen Katholiken sich die große Aufgabe des kirchlichen und gesellschaftlichen Wiederaufbaus in den ehemals totalitär regierten Ländern Europas zu eigen gemacht haben und am kommenden Sonntag durch eine Kollekte für das neue Hilfswerk „Renovabis” ihre tätige Solidarität für die Schwesterkirchen in Mittel-, Ost-, und Südosteuropa bekunden wollen. Mein Besuch in Albanien hat mir den großen Hunger nach geistlicher Erfüllung der Menschen dieser Länder vor Augen geführt. Möge die Aktion „Renovabis” dabei mithelfen, die Hinwendung zu politischer Freiheit weiterzuführen zu einer Wende zu Gott, der sich in Jesus Christus der Welt endgültig zugewandt hat und der 73 AUDIENZEN UND ANGELUS mit allen suchenden und gläubigen Menschen auf dem Weg ist, um ihnen - wie den Jüngern von Emmaus - die Schrift zu erschließen und mit ihnen das Brot zu brechen. Gott um das Geschenk geistlicher Berufe bitten Regina Coeli am 2. Mai Liebe Schwestern und Brüder! 1. Heute feiern wir den Weltgebetstag für die geistlichen Berufe, der von meinem Vorgänger Paul VI. in den ersten Monaten seines Pontifikats eingerichtet wurde. In diesem Jahr wird er zum 30. Mal begangen. Es handelt sich im wesentlichen um einen Tag des Gebets. Die christliche Gemeinschaft ist aufgerufen, sich an diesem Tag zu versammeln, um vom Herrn das Geschenk der Berufungen und die Gnade zu erbitten, die Herzen großmütig für das göttliche Handeln bereit zu machen. „Er hat dir alles gegeben”, lautet das für diesen Anlaß gewählte Thema. Es will die Glaubenden anregen, über die großartige Verkündigung der Liebe Gottes, der Quelle alles Guten und den Ursprung jeder Sendung nachzudenken. Aus der Annahme des von Gott angebotenen Geschenks entsteht im Menschen das Bedürfnis, so hochherzig als möglich dem zu antworten, der uns über alle Maßen geliebt hat. 2. In diesem Kontext erhält ein anderes Ereignis, das die Diözese Rom unmittelbar betrifft, besondere Bedeutung: Es ist die kostbare Gabe von 29 Neupriestem, die ich selbst zu meiner Freude soeben in der vatikanischen Basilika weihen konnte. Ihr Leben, das sie ganz dem Evangelium widmen sollen, wird eine große Bereicherung für die Diözesangemeinschaft und von großem Nutzen für das gesamte christliche Volk sein. Liebe Schwestern und Brüder, während ich diesen zum Dienst am Altar berufenen jungen Männern meine herzlichsten Glückwünsche ausspreche, lade ich euch ein, zusammen mit mir ihren Familien, die sie an diesem Freudentag begleiten, zu danken und den Herrn für die Kirche in Rom, die sich während ihrer Synode bemüht, neue und mutige Wege der Evangelisierung zu finden, um die Gnade eines wahren christlichen Lebens und einer hochherzigen Bezeugung des Evangeliums zu bitten. 3. Die Gottesmutter Maria, der in besonderer Weise der soeben begonnene Monat Mai geweiht ist, nehme diese Neupriester auf und schütze sie. Maria, „das Geschöpf, das mehr als alle die volle Wahrheit der Berufung erlebt hat, denn kein Mensch hat wie sie mit einer so großen Liebe auf die unermeßliche Liebe Gottes geantwortet”, stehe den Priestern in ihrem täglichen Dienst bei und begleite sie heute und immer. 74 AUDIENZEN UND ANGELUS Ihre mächtige Fürbitte erlange vom Heim für die Gesamtkirche einen neuen Frühling von Berufungen, der zu einer reichen Ernte geistlicher Früchte im christlichen Volk führe sowie den Frieden und Fortschritt der gesamten Menschheit fördere. Maria, Mutter der Kirche und Mutter der Priester, bitte für uns! Der sakramentale Dienst der Priester besitzt göttliche Fruchtbarkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Mai 1. Als wir über den Evangelisierungsauftrag der Priester sprachen, haben wir gesehen, daß es möglich ist, den Gläubigen mit den Sakramenten und durch die Sakramente eine methodische und wirksame Unterweisung zu erteilen. Tatsächlich ist der Evangelisierungsauftrag des Priesters mit dem Dienst der Heiligung durch die Sakramente wesentlich verbunden (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 893). Der Dienst am Wort kann sich nicht nur auf die unmittelbare und eigene Wirkung des Wortes beschränken. Die Evangelisierung ist die vorrangige „apostolische Arbeit”, die „darauf hingeordnet ist, daß alle, durch Glauben und Taufe Kinder Gottes geworden, sich versammeln, inmitten der Kirche Gott loben, am Opfer teilnehmen und das Herrenmahl genießen” (Sacrosanctum Concilium, Nr. 10). Und die Bischofssynode von 1971 hat bekräftigt, daß „der Dienst am Gotteswort, richtig verstanden, zu den Sakramenten und zum christlichen Leben hinführt, wie dieses in der sichtbaren Gemeinschaft der Kirche und in der Welt seinen konkreten Ausdruck findet” (Der priesterliche Dienst, zweiter Teil, I: O.R.dt., Nr. 11, 1971, S. 5). Jeder Versuch, den priesterlichen Dienst nur auf die Verkündigung oder die Unterweisung zu beschränken, würde einen Grundaspekt dieses Dienstes verkennen. Bereits das Konzil von Trient hatte den Vorschlag, das Priesteramt nur im Dienst der Verkündigung des Evangeliums zu sehen, zurückgewiesen (vgl. DS 1771). Weil auch in jüngster Zeit einige den Dienst am Wort zu einseitig hervorhoben, hat die Bischofssynode von 1971 die unauflösliche Verbindung zwischen Gotteswort und Sakramenten unterstrichen. „Die Sakramente werden nämlich in Verbindung mit der Verkündigung des Gotteswortes vollzogen und entfalten so den Glauben, indem sie ihn durch die Gnade stärken. Die. Sakramente dürfen deshalb nicht gering geachtet werden, weil durch sie das Wort zu seiner vollen Wirkung gelangt, nämlich zur Gemeinschaft mit dem Mysterium Christi” (ebd.: O.R.dt., Nr. 11, 1971, S. 5). 2. Über diesen einheitlichen Charakter des Verkündigungsauftrages und des sakramentalen Dienstes zögerte die Synode von 1971 nicht zu sagen, daß eine Trennung zwischen Glaubensverkündigung und. Sakramentenspendung „die Herzmitte der 75 AUDIENZEN UNDANGELUS Kirche selbst spalten und zu einer Glaubenskrise führen” würde (vgl. ebd.: O.R.dt., Nr. 11,1971, S. 5). Die Synode erkennt jedoch an, daß bei der konkreten Anwendung des Einheitsprinzips unterschiedliche Modalitäten für jeden Priester bestehen können, „denn die konkrete Ausübung des priesterlichen Amtes muß oft auf verschiedene Weise erfolgen, um dadurch besser den besonderen und neuen Situationen entsprechen zu können, in denen das Evangelium zu verkünden ist” (vgl. ebd.: O.R.dt., Nr. 11, 1971, S. 5). Eine weise Anwendung des Prinzips der Einheit muß auch die Charismen berücksichtigen, die jeder Priester empfangen hat. Wenn einige von ihnen die besondere Gabe zu predigen oder zu lehren empfangen haben, müssen sie diese zum Wohl der Kirche nutzen. Hier ist es gut, an den heiligen Paulus zu erinnern, der, obwohl er von der Notwendigkeit der Taufe überzeugt war und dieses Sakrament auch einige Male gespendet hatte, sich dennoch als Abgesandter der Verkündigung des Evangeliums betrachtete und alle seine Kräfte vor allem dieser Form des Dienstes widmete (vgl. 1 Kor 1,14.17). Aber in seiner Verkündigung verlor er das wichtige Werk des Aufbaus der Gemeinschaft nicht aus den Augen (vgl. 1 Kor 3,10), dem es dienen muß. Das heißt, daß auch heute wie immer in der Geschichte des Hirtendienstes die Arbeitsteilung dahin führen kann, das Schwergewicht auf die Predigt oder auf den Gottesdienst und die Sakramente zu legen je nach den Fähigkeiten der Menschen und der Bewertung der Situationen. Aber man kann nicht bezweifeln, daß Predigt und Lehre für die Priester auch auf höchsten akademischen und wissenschaftlichen Ebenen immer den Dienst der Heiligung durch die Sakramente zum Ziel haben müssen. 3. Außer Frage steht in jedem Fall die wichtige Sendung der Heiligung, die den Priester aufgetragen ist und die sie vor allem im Gottesdienst und in den Sakramenten ausüben können. Zweifellos ist es ein vor allem von Christus vollbrachtes Werk, wie die Synode von 1971 betont: „Das Heil, das durch die Sakramente gewirkt wird, kommt nicht von uns, sondern von oben, von Gott; dies verdeutlicht die Vorherrschaft des Wirkens Christi, des einzigen Priesters und Mittlers, in seinem Leib, der die Kirche ist” (ebd.: O.R.dt., 1971, Nr. 11, S. 5; vgl. auch das nachsynodale Apostolische Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 12). Im gegenwärtigen Heilsplan jedoch bedient sich Christus des priesterlichen Dienstes, um die Heiligung der Gläubigen zu bewirken (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Wenn er im Namen Christi handelt, erreicht der Priester die Wirksamkeit des sakramentalen Handelns durch den Heiligen Geist, den Geist Christi, das Prinzip und die Quelle der Heiligkeit des „neuen Lebens”. Das neue Leben, das der Priester durch die Sakramente erweckt, nährt, wiederherstellt und wachsen läßt, ist ein Leben des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Der Glaube ist das göttliche Grundgeschenk: „Von daher wird die große Bedeutung der Vorbereitung und Glaubensbereitschaft für denjenigen deutlich, der die Sakra- 76 AUDIENZEN UND ANGELUS mente empfängt; ebenso ergibt sich daraus die Notwendigkeit, daß der Spender des Sakramentes in seinem Leben und vor allem in der Art und Weise, wie er die Sakramente einschätzt und verwaltet, von seinem Glauben Zeugnis gibt” {Der prie-sterliche Dienst, 2. Teil, I: O.R.dt. 1971, Nr. 11, S. 5). Der von Christus durch die Sakramente vermittelte Glaube geht Hand in Hand mit einer „lebendigen Hoffnung” (I Petr 1,3), die in den Herzen der Gläubigen eine starke Dynamik des geistlichen Lebens in Gang setzt, ein Streben nach dem, „was im Himmel ist” {Kol 3,1-2). Andrerseits ist der Glaube „in der Liebe wirksam” {Gal 5,6), in der Liebe, die aus dem Herzen des Erlösers strömt und in den Sakramenten fließt, um sich in das gesamte christlichen Leben zu ergießen. 4. Der sakramentale Dienst der Priester besitzt also göttliche Fruchtbarkeit. Daran hat das Konzil erinnert. So führen die Priester in der Taufe „die Menschen dem Volk Gottes zu” {Presbyterorum ordinis, Nr. 5) und sind also verantwortlich nicht nur für einen würdigen Vollzug des Ritus, sondern auch für eine gute Vorbereitung auf ihn durch die Bildung der Erwachsenen im Glauben und bei den Kleinkindern durch die Unterweisung der Familie, damit sie am Geschehen mitwirkt. Außerdem: „Sie unterweisen sie im Geist Christi des Hirten, ihre Sünden reumütig der Kirche im Sakrament der Buße zu unterwerfen, so daß sie sich ständig mehr zum Herrn bekehren, eingedenk seines Wortes: ,Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen’ {Mt 4,17)” {Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Deshalb müssen auch die Priester selbst in der Haltung von Menschen leben, die die eigenen Sünden und das eigene Bedürfnis nach Vergebung in der Gemeinschaft der Demut und Buße mit den Gläubigen erkennen. Sie werden so die Größe des göttlichen Erbarmens deutlicher bezeugen und denen, die sich schuldbeladen fühlen, himmlischen Trost zusammen mit der Vergebung schenken können. Beim Ehesakrament ist der Priester anwesend als Leiter der Feier, indem er den Glauben bezeugt und die Zustimmung Gottes annimmt, den er als Diener der Kirche vertritt. Auf diese Weise hat er nicht nur am Ritus, sondern auch an der tieferen Dimension des Sakramentes lebendigen und tiefgreifenden Anteil. Durch die Krankensalbung schließlich „richten die Priester die Kranken auf’ (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Es ist eine Aufgabe, die der heilige Jakobus vorsah, der in seinem Brief lehrte: „Ist einer von euch krank? Dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben” {Jak 5,14). Im Bewußtsein, daß das Sakrament der Krankensalbung dazu bestimmt ist, „aufzurichten” und Reinigung sowie geistliche Kraft zu bringen, wird der Priester sich darum bemühen wollen, daß seine Anwesenheit dem Kranken das wirksame Mitleid Christi vermittelt und Zeugnis gibt von der Liebe Jesu zu den Kranken, denen er einen so großen Teil seiner evangelischen Sendung gewidmet hat. 77 A UDIENZEN UND ANGELUS 5. Diese Ansprache über die Haltungen, mit denen man den Empfang der Sakramente vorbereiten soll, so daß man sie bewußt und im Geist des Glaubens spendet, wird vervollständigt in den Katechesen, die wir, so Gott will, den Sakramenten widmen werden. In den nächsten Ansprachen werden wir einen anderen Aspekt der Sendung des Priesters im sakramentalen Dienst behandeln: den Gottesdienst, der besonders in der Eucharistie vollzogen wird. Wir sagen schon jetzt, daß er der wichtigste Teil seiner kirchlichen Aufgabe ist, der Hauptgrund seiner Weihe, die .Zielsetzung, die seinem Leben Sinn und Freude schenkt. Enge Beziehung zwischen Schweizerischer Eidgenossenschaft und dem Hl. Stuhl In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Zur heutigen Generalaudienz heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich willkommen und möchte meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß Ihr so zahlreich Eure Verbindung zum Nachfolger Petri bekundet. Der Verkündigungsauftrag des Priesters, von dem wir in den letzten Katechesen gesprochen haben, kann nicht für sich allein betrachtet werden. Jeder Versuch, den priesterlichen Dienst auf Predigt und Lehrverkündigung reduzieren zu wollen, würde einen fundamentalen Aspekt dieses Dienstes verkennen. Schon das Konzil von Trient hatte den Vorschlag verworfen, das Priestertum einzig im Dienst der Verkündigung des Evangeliums zu sehen (vgl. DS, 1771). Die Bischofssynode von 1971 hat die unauflösliche Verbindung zwischen Wort und Sakrament betont {Euch. Vat 4, 1180). Eibe kluge Anwendung dieses Prinzips der Einheit muß auch den Charismen Rechnung tragen, die jeder Priester erhalten hat. Das bedeutet, daß auch heute, wie immer in der Geschichte des pastoralen Dienstes, die Aufteilung der Arbeit dazu führen kann, den Akzent auf die Verkündigung oder auf den Gottesdienst und die Sakramente zu legen, je nach Fähigkeiten der Personen und der Beurteilung der Situation. Aber es besteht kein Zweifel darüber, daß Verkündigung und Lehre, auch auf ihrer akademischen und wissenschaftlichen Stufe, immer die Heiligung mittels der Sakramente zum Ziel haben. In der gegenwärtigen Heilsökonomie bedient sich Christus des Priesteramtes, um die Heiligung der Gläubigen zu bewirken. Der Priester muß die Sakramente der Taufe, der Buße, der Ehe, und der Krankensalbung mit Gewissenhaftigkeit und im Geist des Glaubens vollziehen. In den nächsten Katechesen behandeln wir das Thema des Gottesdienstes lind im besonderen der Eucharistiefeier, der wichtigsten Aufgabe des kirchlichen Amtes des Priesters. 78 AUDIENZEN UND ANGELUS Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich Euch alle sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Eltern, Angehörigen, Freunden und Bekannten der Päpstlichen Schweizergarde, die zur feierlichen Vereidigung der Rekruten nach Rom gekommen sind. Der Dienst, den die Gardisten dem Papst über Jahrhunderte hin in Treue erwiesen haben, ist ein beredtes Zeichen der engen und freundschaftlichen Beziehung zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Hl. Stuhl. Möge der Herr allen reich vergelten, was sie in selbstlosem Einsatz dem Nachfolger Petri Gutes erwiesen haben. Euch allen, Euren heben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Eucharistie verstärkt die Freude an der Gemeinschaft mit der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Mai 1. Der volle Umfang der Sendung des Priesters im Hinblick auf die Eucharistie wird verständlich, wenn man bedenkt, daß dieses Sakrament vor allem die Erneuerung des Kreuzesopfers auf dem Altar ist, des Mittelpunktes im Erlösungswerk. Christus selbst, Priester und Hostie, dem Vater gehorsam, ist der Urheber des universalen Heils. Er ist der einzige Hohepriester des Neuen und Ewigen Bundes und bringt dem Vater, indem er unsere Rettung verwirklicht, den vollkommenen Gottesdienst dar, den die früheren alttestamentarischen Feiern nur andeuten konnten. Durch sein Blutopfer am Kreuz ist Christus „ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen ... so hat er eine ewige Erlösung bewirkt” (Hebr 9,12). Er hat damit jedes frühere Opfer aufgehoben, um ein neues zu schaffen durch seine Selbsthingabe an den Willen des Vaters (vgl. Ps 40,9). „Aufgrund dieses Willens sind wir durch die Opfergabe des Leibes Jesu Christi ein für allemal geheiligt ... Denn durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt” {Hebr 10,10.14). Indem er das Kreuzesopfer sakramental erneuert, öffnet der Priester diese Heilsquelle in der Kirche, in der gesamten Welt (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 1362-1372). 2. Deshalb hat die Bischofssynode 1971 in Übereinstimmung mit den Dokumenten des II. Vatikanums betont: „Das priesterliche Amt erreicht seinen höchsten Ausdruck in der Feier der heiligen Eucharistie, die die Quelle und das Zentrum der Einheit der Kirche ist” {Der priesterliche Dienst, erster Teil, Lehrsätze, 4: O.R.dt., Nr. 11, 1971, S. 4; vgl. Ad gentes, Nr. 39). Die dogmatische Konstitution über die Kirche unterstreicht, daß die Priester „ihr heiliges Amt am meisten in der eucharistischen Feier oder Versammlung ausüben, wobei sie in der Person Christi handeln und sein Mysterium verkünden, die Gebete 79 AUDIENZEN UND ANGELUS der Gläubigen mit dem Opfer ihres Hauptes vereinigen und das einzige Opfer des Neuen Bundes, das Opfer Christi nämlich, der sich ein für allemal dem Vater als unbefleckte Gabe dargebracht hat (vgl. Hebr 9,11-28), im Meßopfer bis zur Wiederkunft des Herrn (vgl. 1 Kor 11,26) vergegenwärtigen und zuwenden” (Lumen Gentium, Nr. 28; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1566). Dazu liefert das Dekret Presbyterorum ordinis zwei grundlegende Aussagen: a) Durch die Botschaft des Evangeliums wird die Gemeinschaft zusammengerufen, damit alle sich selbst als geistiges Opfer darbringen; b) durch den Dienst der Priester vollendet sich das geistige Opfer der Gläubigen in Einheit mit dem Opfer des einzigen Mittlers Christus, das sie mit ihren Händen auf unblutige und sakramentale Weise darbringen. Ihr Dienst schöpft seine ganze Kraft aus dem Opfer Christi (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 2; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1566). So zeigt sich der Zusammenhang zwischen dem Priesteramt und dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen. So wird auch deutlich, daß unter allen Gläubigen der Priester berufen ist, sich nicht nur sakramental, sondern mystisch mit Christus zu identifizieren, um in gewisser Weise selbst „Sacerdos et Hostia” zu werden, wie der heilige Thomas von Aquin so schön sagt (vgl. Summa Theologica, III, q.83, a.l, ad 3). 3. Der Priester erreicht in der Eucharistie den Höhepunkt des Dienstes, wenn er die Worte Jesu spricht: „Das ist mein Leib ... Das ist der Kelch ... mein Blut.” In diesen Worten verdichtet sich aufs höchste die Ausübung jener Vollmacht, die den Priester befähigt, das Opfer Christi zu vergegenwärtigen. Dann erreicht man - auf sakramentale Weise und damit durch göttliches Wirken - den Aufbau und die Entwicklung der Gemeinschaft. Denn die Eucharistie ist das Sakrament der Gemeinschaft und der Einheit, wie die Bischofssynode von 1971 und jüngst das Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre über einige Aspekte der Kirche als Gemeinschaft hervorhoben (vgl. Communionis notio, Nr. 11). So erklären sich die Andacht und der Eifer, mit denen die heiligen Priester - über die die Hagiographie ausführlich berichtet - immer die Messe gefeiert haben, indem sie sich auf sie entsprechend vorbereiteten und am Schluß Dank sagten. Als Hilfe für diese Übungen bietet das Meßbuch entsprechende Gebete, die oft lobenswerterweise in passender Form in den Sakristeien vorhegen. Außerdem wissen wir, daß verschiedene Werke priesterlicher Spiritualität zum Thema „Sacerdos et Hostia” entstanden sind, die wir den Priestern empfehlen. 4. Hier ein weiterer grundlegender Punkt der priesterlichen eucharistischen Theologie, die Gegenstand unserer Ausführungen ist: Der ganze Dienst und alle Sakramente sind auf die Eucharistie ausgerichtet, die „das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm und das lebendige Brot, enthält. Durch sein Fleisch, das durch den Heiligen Geist lebt und Leben schafft, spendet er den Menschen das Leben; so werden sie ermuntert und angeleitet, sich selbst, ihre 80 A UDIENZEN UND ANGELUS Arbeiten und die ganze Schöpfung mit ihm darzubringen” (Presbyterorum ordinis, Nr. 5). In der Feier der Eucharistie vollzieht sich also die stärkste Teilhabe am vollkommenen Gottesdienst, den der Hohepriester Christus dem Vater darbringt in Vertretung und als Ausdruck der gesamten Schöpfung. Der Priester, der sein Leben so tief mit der Eucharistie verbunden sieht und erkennt, spürt die Horizonterweiterung seines Geistes in einem Ausmaß, das die ganze Welt, ja die Erde und den Himmel umfaßt; andrerseits empfindet der Priester stärker das Bedürfnis und die Pflicht, der Gemeinschaft diesen Schatz, „das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle”, mitzuteilen. 5. Deshalb wird er in seinen pastoralen Vorhaben und Plänen mit Rücksicht darauf, daß das sakramentale Leben der Gläubigen auf die Eucharistie, hingeordnet ist (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 5), dafür Sorge tragen, daß die christliche Bildung auf die aktive und bewußte Teilnahme der Gläubigen an der Eucharistiefeier hinzielt. Heute muß die zentrale Rolle dieser Feier im christlichen Leben und damit im Apostolat neu entdeckt werden. Die Anzahl der Gläubigen, die an der Messe teilnehmen, ist nicht zufriedenstellend: Obwohl der Eifer so vieler Priester zu einer allgemein aufmerksamen und aktiven Teilnahme geführt hat, bleibt der Prozentsatz der Besucher niedrig. Es ist wahr, daß in diesem Bereich mehr als in jedem anderen, das innere Leben betreffend, die statistischen Angaben relativen Wert haben und daß andrerseits die regelmäßige äußere Teilnahme am Gottesdienst noch nicht seinen wirklichen Gehalt beweist. Nicht zu verkennen ist jedoch, daß der äußere Vollzug des Gottesdienstes eine logische Folge des inneren ist (vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologica, II-II, q.81, a.7) und im Fall der Eucharistiefeier eine Folge des Glaubens an Christus, den Priester, und sein Heilsopfer. Nicht klug wäre es, die Bedeutung der Meßfeier herabzusetzen, indem man sich auf die Tatsache beruft, daß sich die Lebendigkeit des christlichen Glaubens mehr durch ein dem Evangelium entsprechendes Verhalten insgesamt als durch rituelle Gesten kundtut. Denn die Eucharistiefeier ist keine einfache rituelle Geste: Sie ist ein Sakrament, das heißt ein Eingriff Christi selbst, der uns die Lebendigkeit seiner Liebe mitteilt. Eine gefährliche Illusion wäre es, würde man vorgeben, ein dem Evangelium entsprechendes Verhalten zu haben, ohne dazu die Kraft von Christus selbst in der Eucharistie zu empfangen, dem Sakrament, das er zu diesem Zweck eingesetzt hat. Ein solcher Anspruch wäre eine Haltung der Selbstüberschätzung, die dem Evangelium radikal entgegengesetzt ist. Die Eucharistie gibt dem Christen mehr Kraft, den Anforderungen des Evangeliums entsprechend zu leben; sie gliedert ihn immer besser in die kirchliche Gemeinschaft ein, zu der er gehört; sie erneuert und verstärkt in ihm die Freude an der Gemeinschaft mit der Kirche. Deshalb wird sich der Priester bemühen, in jeder Weise die Teilnahme an der Eucharistie zu fördern durch Katechese und pastorale Ermunterung sowie durch eine in liturgischer und zeremonieller Hinsicht ausgezeichnete Qualität der Feier. Auf diese Weise wird es ihm gelingen - wie das Konzil betont (vgl. Presbyterorum or- 81 AUDIENZEN UND ANGELUS dinis, Nr. 5) -, die Gläubigen dazu anzuleiten, Gott, dem Vater, im Meßopfer das göttliche Opfer und in Einheit mit diesem das eigene Leben im Dienst an den Nächsten aufzuopfem. Die Gläubigen werden außerdem lernen, um Vergebung für ihre Sünden zu bitten, das Wort Gottes zu betrachten und ehrlichen Herzens für alle Bedürfnisse der Kirche und der Welt zu beten sowie ihr ganzes Vertrauen auf Christus, den Erlöser, zu setzen. 6. Zum Schluß möchte ich daran erinnern, daß der Priester ebenfalls den Auftrag hat, die Verehrung der eucharistischen Gegenwart auch außerhalb der Meßfeier zu fördern; deshalb soll er sich darum bemühen, seine Kirche zu einem „Haus des Gebets” für die Christen zu machen: einem Gotteshaus, in dem „die Gegenwart des auf dem Opferaltar für uns dargebrachten-Erlösers zur Hilfe und zum Trost der Gläubigen verehrt wird” (Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Dieses Haus soll zu Gebet und heiliger Handlung geeignet sein sowohl hinsichtlich Ordnung, Sauberkeit und Glanz, die darin herrschen, als auch durch die künstlerische Schönheit des Raumes, der eine große formende und inspirierende Bedeutung für das Gebet hat. Deshalb empfiehlt das Konzil dem Priester, „die Wissenschaft und die Praxis der Liturgie in rechter Weise zu pflegen” (Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Ich habe auf diese Aspekte hingewiesen, weil auch sie zum Gesamtrahmen einer guten Seelsorge seitens der Priester, besonders der Pfarrer und aller Verantwortlichen der Kirchen und anderer Kultstätten, gehören. In jedem Fall unterstreiche ich die enge Verbindung zwischen Priestertum und Eucharistie, wie die Kirche uns lehrt, und bekräftige mit Überzeugung und auch mit innerer Herzensfreude, daß der Priester vor allem für die Eucharistie da ist: der Diener und Verwalter Christi in diesem Sakrament, in dem - gemäß dem Konzil, das die Lehre der alten Väter und Lehrer zusammenfaßt - „das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle” (Presbyterorum ordinis, Nr. 5) enthalten ist; jeder Priester auf allen Ebenen und in allen Arbeitsbereichen ist Diener und Verwalter des am Kreuz vollbrachten und auf dem Altar für die Rettung der Welt gegenwärtig gesetzten Ostergeheimnisses. „Nachbar in Not” - Hilfe, die ankommt Grußworte anläßlich des 1. Jahrestages der ORF-Aktion „Nachbar in Not” - Hilfe, die ankommt: Unter diesem Motto haben die Caritas, das Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen mit dem Österreichischen Fernsehen und inzwischen auch weiteren Femsehstationen zusammengearbeitet, um den Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem ehemaligen Jugoslawien konkrete Hilfe zukommen zu lassen. Dabei haben zahllose Menschen mit ihren kleinen oder größeren Spenden eine überzeugende Antwort auf den Notschrei ihrer von Folgen eines menschenverachtendes Krieges gedemütigten Nachbarn gegeben. Leider ist der Krieg noch nicht zu Ende. Die Not der Menschen, vor allem der alten, der Frauen und Kinder, ist heute größer als vor einem Jahr. Mit meinen herzlichen Dank für die bis- 82 AUDIENZEN UND ANGELUS her bewiesene beispielhafte Solidarität verbinde ich den Wunsch, dem „Nachbar in Not” auch weiterhin die dringend notwendigen Mittel nicht zu versagen. Möge diese hoffnungsvolle Quelle der Hilfe nicht versiegen, damit niemand mit leeren Händen abgewiesen werden muß. Die Aktion „Nachbar in Not”, das Zeugnis eines tätigen Idealismus, begleiten auch zukünftig meine besten Wünsche. Schönheit des Rosenkranzgebets Regina Coeli am 16. Mai Liebe Schwestern und Brüder! 1. Dieser Sonntag ist überaus reich an geistlicher Freude für die Kirche. Denn heute, während wir den Tag des Herrn „in österlicher Freude” feiern (Röm. Meßbuch, Präfation für die Osterzeit), freuen wir uns über vier neue Selige, die während der soeben beendeten Meßfeier zur Ehre der Altäre erhoben wurden. Es handelt sich um Maurice Tomay, Marie-Louise Trichet, Colomba Gabriel und Florida Cevoli. Ihr Leben war ein Lobpreis an den Herrn in der täglichen Treue zu seinem göttlichen Willen. Sie wurden dabei geführt vom dem leuchtenden Beispiel der seligsten Jungfrau, der treuen Magd des Herrn, die sich ganz den Plänen des himmlischen Vaters überlassen hatte. Das Zeugnis dieser Vorbilder der evangelischen Tugenden spornt uns zu neuem Bemühen auf dem Weg der christlichen Vollkommenheit an. Dieser Weg ist - wie das Konzil betont hat - allen Getauften offen, und die mütterliche Unterstützung der Jungfrau, für welche die neuen Seligen echte und tiefe Verehrung hegten, hilft den Glaubenden, ihn zu gehen. Deshalb ist es wichtig, ein kindliches und bewußtes Vertrauen zur Mutter Jesu zu pflegen. Wertvolle Anregung gibt uns im Monat Mai die christliche Tradition, die uns die Schönheit des Rosenkranzgebetes wiederentdecken läßt. Während wir mit Maria die freudenreichen, die schmerzhaften und glorreichen Geheimnisse unseres Herrn Christus betrachten, können wir Licht und Kraft schöpfen, um den Plan der Liebe zu verwirklichen, den Gott für jeden von uns hat. 2. Wie ihr wißt, betete ich am vergangenen Sonntag das „Regina Caeli” in Sizilien. Ich habe diesen bedeutsamen Pastoralbesuch noch in lebhafter Erinnerung, denn er bot mir die Gelegenheit, erneut den großen Glauben und die ausgeprägte Menschlichkeit der Bevölkerung dieser geliebten Region zu erleben. Ich danke nochmals für die herzliche Aufnahme und die leidenschaftliche Anteilnahme, welche die Bischöfe, die Obrigkeiten und gesamte Bevölkerung bei dieser glücklichen Gelegenheit bekundet haben. In den drei Tagen intensiven kirchlichen Erlebens war es mir möglich, die Vielfalt und den Reichtum der Gaben der Diözesangemeinschaften hochzuschätzen, mit denen ich zusammentraf, besonders bei den Eucharistiefeiem, bei den verschiedenen 83 AUDIENZEN UND ANGELUS Begegnungen mit den Priestern und Ordensleuten, beim Treffen mit der Jugend und beim Gespräch mit den Wissenschaftlern im „Majorana” Zentrum von Erice. Ich möchte dem sizilianischen Volk erneut versichern, daß ich ihm, den Glaubenden und allen Menschen guten Willens, nahe bin. Der Papst und die Kirche begleiten das gemeinsame Bemühen um die Bewältigung der gegenwärtigen Schwierigkeiten und ermutigen alle zu hoffen, daß die heute drohenden Probleme dank des festen Glaubens an Gott und der neuen menschlichen Solidarität eine glückliche Lösung finden können. 3. Am Samstag, 29. Mai, ist die große Vigilfeier von Pfingsten auf dem Petersplatz zum Abschluß der Pastoralsynode der Diözese Rom vorgesehen. Sie ist ein außerordentlicher Anlaß des Glaubens und der Gemeinschaft für die Gläubigen unserer Stadt. Wir werden gemeinsam den Geist des Herrn anrufen, damit er die Beschlüsse der Synodenversammlung mit reichen apostolischen Früchten segnen möge und für unsere kirchliche Gemeinschaft eine Zeit verstärkten evangelischen Eifers anbrechen lasse. In der Hoffnung, daß wir uns zu diesem wichtigen geistlichen Anlaß überaus zahlreich einfinden, bitten wir die seligste Jungfrau, die Mutter der Apostel, uns in diesen Tagen der Vorbereitung auf das hochheilige Pfingstfest zu begleiten. Nach dem Regina Caeli sagte der Papst: Ich bringe mein tiefstes Bedauern über das schwere Attentat zum Ausdruck, das in einem römischen Stadtviertel am Freitagabend verübt wurde. Ich bete für die Verletzten und für die Familien, deren Wohnungen Schäden erlitten haben. Ich wünsche, daß die verantwortungsvolle Haltung aller dazu beitrage, unheilvolle Gewaltakte zu verhindern. Familie und Leben schützen Grußwort an die Bewegung für das Leben Mit besonderer Freude begrüße ich euch, Vertreter der Bewegungen für das Leben, die ihr aus ganz Europa auf Einladung des Päpstlichen Rates für die Familie zusammengekommen seid. Euer Einsatz für die Gewissensbüdung zum Wohl der Familien und der Gesellschaft sowie zum Schutz des menschlichen Lebens vom Augenblick der Empfängnis an bis zu seinem natürlichen Ende ist zur gegenwärtigen geschichtlichen Stunde dringender denn je und erfordert Einigkeit in den Zielsetzungen und tatkräftige Zusammenarbeit. Deshalb schätze ich das von euch in diesen Tagen gezeigte Bemühen um eine bessere Koordinierung eurer Körperschaften. So könnt ihr weitreichende Programme ausarbeiten im Hinblick auf den Weltkongreß der Bewegungen für das Leben, der im nächsten Jahr in Rom anläßlich des Internationalen Jahres der Familie geplant ist. 84 AUDIENZEN UND ANGELUS Jedem von euch, euren Familien und euren Organisationen gelten meine Ermutigung und meine herzliche Unterstützung, bekräftigt durch das Gebet zum Herrn, den Urheber des Lebens. Die überaus vielfältigen Aufgaben des Priesters und Hirten der Gemeinschaft Ansprache bei der Generalaudienz am 19. Mai 1. In den vorhergegangenen Katechesen haben wir die Aufgabe der Priester als Mitarbeiter der Bischöfe im Bereich des Lehramtes (Unterweisung) und des sakramentalen Dienstes (Heiligung) dargelegt. Heute sprechen wir über ihre Mitwirkung an der pastoralen Leitung der Gemeinschaft. Für die Priester wie für die Bischöfe ist es die Teilhabe am dritten Aspekt des dreifachen „munus” Christi (dem Lehramt, Priesteramt und Hirtenamt): ein Widerschein des höchsten Priestertums Christi, des einzigen Mittlers zwischen den Menschen und Gott, des einzigen Lehrers und einzigen Hirten. In kirchlicher Hinsicht besteht die pastorale Aufgabe hauptsächlich im Dienst an der Einheit, das heißt darin, die Einheit aller im Leib Christi, der die Kirche ist, sicherzustellen (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 16). 2. Dazu sagt das Konzil: „Die Priester üben entsprechend ihrem Anteil an der Vollmacht das Amt Christi, des Hauptes und Hirten, aus. Sie versammeln im Namen des Bischofs die Familie Gottes, die als Gemeinschaft von Brüdern nach Einheit verlangt, und führen sie durch Christus im Geist zu Gott dem Vater” (Presbyterorum ordinis, Nr. 6). Das ist das wesentliche Ziel ihres Wirkens als Hirten und der Vollmacht, die ihnen verliehen wird, damit sie diese ihrer Verantwortungsstufe entsprechend ausüben: die ihnen anvertraute Gemeinde zur vollen Entfaltung des geistlichen und kirchlichen Lebens zu führen. Der Priester und Hirt muß diese Vollmacht ausüben, indem er sich dem Vorbild Christi, des guten Hirten, gleichmacht, der sie nicht durch äußeren Zwang auferlegen wollte, sondern dadurch, daß er die Gemeinschaft durch das innere Wirken seines Geistes formt. Er hat versucht, der Gmppe seiner Jünger und allen, die seine Botschaft annahmen, seine brennende Liebe mitzuteilen, um eine „Gemeinschaft der Liebe” ins Leben zu rufen, die er im richtigen Augenblick auch sichtbar als Kirche errichtet hat. Als Mitarbeiter der Bischöfe und Nachfolger der Apostel erfüllen auch die Priester ihre Sendung in der sichtbaren Gemeinschaft, indem sie diese zur Liebe anspomen, damit sie im Geist Christi lebt. 3. Es ist eine mit dem Hirtenauftrag verbundene Forderung, daß der Ansporn nicht von persönlichen Wünschen und Meinungen des Priesters, sondern von der Lehre des Evangeliums getragen wird, wie das Konzil sagt: „Die Priester ... sollen sich ihnen (den Menschen) gegenüber nicht nach Menschengefallen verhalten, sondern so, wie es die Lehre und das christliche Leben erheischt” (Presbyterorum ordinis, 85 AUDIENZEN UNDANGELUS Nr. 6). Der Priester trägt die Verantwortung für die geordnete Arbeit der Gemeinschaft, eine Aufgabe, die zu erfüllen ihm der Bischof die notwendige Vollmacht verliehen hat. Ihm obliegt es, den harmonischen Ablauf der verschiedenen Dienste zu gewährleisten, die für das Wohl aller erforderlich sind; die notwendige Mitarbeit für die Liturgie, die Katechese und die geistliche Führung der Eheleute zu finden; die Entwicklung der verschiedenen geistlichen und apostolischen Vereinigungen oder Bewegungen in harmonischer Zusammenarbeit zu fördern; die karitative Hilfe für die Notleidenden, die Kranken und Einwanderer zu organisieren. Der Priester muß zugleich die Einheit der Gemeinschaft mit dem Bischof und dem Papst sichern und fördern. 4. Der gemeinschaftliche Aspekt der Hirtensorge darf jedoch die Bedürfnisse der einzelnen Gläubigen nicht vernachlässigen. Wir lesen im Konzilstext: „Darum obliegt es den Priestern als Erziehern im Glauben, selbst oder durch andere dafür zu sorgen, daß jeder Gläubige im Heiligen Geist angeleitet wird zur Entfaltung seiner persönlichen Berufung nach den Grundsätzen des Evangeliums, zu aufrichtiger und tätiger Liebe und zur Freiheit, zu der Christus uns befreit hat” (Presbyterorum or-dinis, Nr. 6). Das Konzil unterstreicht die Notwendigkeit, jedem Gläubigen zu helfen, damit er seine besondere Berufung entdeckt, als eigene und kennzeichnende Aufgabe des Hirten, der die Persönlichkeit des einzelnen achten und fördern will. Man kann sagen, daß Jesus selbst, der gute Hirt, der „die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen ruft” mit seiner Stimme, die sie kennen (vgl. Joh 10,3-4), durch sein Beispiel den ersten durch sein Beispiel die erste Regel der Einzelseelsorge festgelegt hat: die Bekanntschaft und Freundschaftsbeziehung mit den Menschen. Dem Priester obliegt es, jedem zu helfen, daß er seine Gaben gut nützt und auch die aus der Erlösung Christi erwachsene Freiheit richtig ausübt, wie der hl. Paulus empfiehlt (vgl. Gal 4,3; 5,1.13; vgl. auch Joh 8,36). Alles muß auf das Üben von „aufrichtiger und tätiger Liebe” ausgerichtet sein. Das heißt, daß die Priester „die Christen auch anleiten (müssen), nicht nur sich selbst zu leben, sondern entsprechend den Forderungen des neuen Liebesgebotes mit der Gnadengabe, die jeder empfangen hat, einander zu dienen; so sollen alle ihre Aufgaben in der Gemeinschaft der Menschen christlich erfüllen” (Presbyterorum ordi-nis, Nr. 6). Deshalb gehört es zur Aufgabe des Priesters, die Pflichten der Liebe in Erinnerung zu rufen; die Anwendung der Liebe im sozialen Leben zu zeigen; eine Atmosphäre der Einheit unter Achtung der Unterschiede zu fördern; Initiativen und Liebeswerke anzuregen, in denen sich für alle Gläubigen große Möglichkeiten eröffnen, besonders durch den neuen Aufschwung im Freiwilligendienst, der als gute Freizeitbeschäftigung und vielfach als Lebensaufgabe bewußt ausgeübt wird. 5. Der Priester ist auch persönlich gerufen, sich in den Liebes werken zu engagieren, manchmal auch in außerordentlicher Form, wie es früher geschehen ist und auch heute üblich ist. Hier drängt es mich, vor allem die einfache, gewohnte, fast unbe- 86 A UDIENZEN UND ANGELUS merkte, aber ständige und hochherzige Liebe hervorzuheben, die sich nicht so sehr in sichtbaren Werken zeigt - zu denen nicht alle das Talent und die Berufung haben sondern in der täglichen Übung der Güte, die hilft, stützt, tröstet in dem Maß, das jedem möglich ist. Es ist klar, daß das Hauptaugenmerk, man kann sagen: die Vorliebe den „Armen und Geringen” gelten soll; denn „ihre Evangelisation ist zum Zeichen messianischen Wirkens gesetzt” (Presbyterorum ordinis, Nr. 6); ferner den „Kranken und Sterbenden”, um die der Priester „am meisten besorgt sein und die er besuchen und im Herrn aufrichten soll” (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 6). Der Priester soll sich „mit besonderem Eifer .:. auch der Jugend annehmen, ebenso der Eheleute und Eltern” (Presbyterorum ordinis, Nr. 6). Er soll besonders den Jugendlichen, die die Hoffnung der Gemeinschaft sind, seine Zeit, seine Kraft und seine Fähigkeiten widmen, um eine christliche Erziehung und das Heranreifen in der Grundsatztreue dem Evangelium gegenüber zu fördern. Das Konzil empfiehlt dem Priester auch „die Katechumenen und Neugetauften; sie sind schrittweise zur Erkenntnis und Führung eines christlichen Lebens zu erziehen” (Presbyterorum ordinis, Nr. 6). 6. Schließlich muß man darauf achten, daß es notwendig ist, jede zu enge Sicht der Ortsgemeinschaft, jede parteiliche und, wie man sagt, lokalpatriotische Haltung zu überwinden, hingegen den Gemeinschaftsgeist zu nähren, der sich auf die Horizonte der Gesamtkirche hin öffnet. Wenn auch der Priester seine Zeit und seine Sorge der ihm anvertrauten Ortsgemeinschaft widmen muß - wie es besonders bei den Pfarrern und ihren direkten Mitarbeitern der Fall ist -, so soll sein Herz offen bleiben für die „Felder, die reif sind zur Ernte”, und über alle Grenzen hinaus, sowohl in der weltumspannenden Dimension des Geistes als auch in der persönlichen Teilhabe an den Missionsaufgaben der Kirche, indem er eifrig die Mitarbeit der eigenen Gemeinschaft bei der erforderlichen geistlichen und materiellen Hilfe fördert (vgl. Re-demptoris missio, Nr. 67; Pastores dabo vobis, Nr. 32). „Kraft des Weihesakramentes - bekräftigt der Katechismus der Katholischen Kirche - haben die Priester an der weltweiten Sendung teil, die Christus den Aposteln anvertraut hat. ,Die Geistesgabe, die den Priestern in ihrer Weihe verliehen wurde, rüstet sie nicht für irgendeine begrenzte und eingeschränkte Sendung, sondern für die alles umfassende und universale Heilssendung bis an die Grenzen der Erde (Apg 1,8)’ (Presbyterorum ordinis, Nr. 10) und macht sie ,stets bereit, das Evangelium überall zu verkünden’ (Optatam totius, 20)” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1565). 7. In jedem Fall beginnt und endet alles in der Eucharistie hin, die das lebensspendende Prinzip pastoralen Handelns ist. Das Konzil sagt: „Die christliche Gemeinde wird aber nur auferbaut, wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat; von ihr muß darum alle Erziehung zum Geist der Gemeinschaft ihren Anfang nehmen” (Presbyterorum ordinis, Nr. 6). 87 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Eucharistie ist die Quelle der Einheit und der vollkommenste Ausdruck der Einheit aller Glieder der christlichen Gemeinschaft. Aufgabe der Priester ist es, dafür zu sorgen, daß sie es wirklich ist. Leider kommt es vor, daß die Eucharistiefeiem manchmal nicht Ausdruck der Einheit sind. Jeder nimmt für sich selbst daran teil und übersieht die anderen. Die Priester sollen alle mit großer Hirtenliebe auf die Lehre des hl. Paulus hinwei-sen: „Ein Brot ist es. Damm sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot”, das „Teilhabe am Leib Christi” ist (1 Kor 10,16-17). Das Bewußtsein dieser Einheit im Leib Christi wird zu einem Leben in Liebe und wirksamer Solidarität anregen. Die Eucharistie ist deshalb das lebenspendende Prinzip der Kirche als Gemeinschaft der Glieder Christi: Aus ihr schöpft alles pastorale Handeln Inspiration, Kraft und Ausmaß. In deutscher Sprache sagte der Papst: Ich grüße Euch, liebe Schwestern und Brüder, nochmals sehr herzlich. Mein besonderer Graß gilt dabei den Lesern der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln sowie den zahlreichen Jugendlichen und Schülergrappen. Euch alle, liebe Schwestern und Brüder, lade ich dazu ein, mit mir für die Priester zu beten, die in Treue ihren oft nicht leichten Dienst zu erfüllen suchen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie all jenen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Friedensgebet für die Balkanländer Aufruf zum Gebet für den Frieden in den Balkanlände m und Grußworte an die kroatischen Audienzteilnehmer Herzlich begrüße ich die lieben kroatischen Pilger, die aus ihrer Heimat und aus anderen Ländern gekommen sind. Auch heute möchte ich wieder zum Gebet aüfrufen, damit Gott den Völkern von Kroatien, Bosnien und Herzegowina und der ganzen Balkanregion das große Geschenk des Friedens gewähre. Euch und euren Familien erteile ich meinen Apostolischen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! 88 AUDIENZEN UND ANGELUS Priester sein - eine Herausforderung zur Heiligkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 26. Mai 1. Die ganze aus der Heiligen Schrift erwachsene christliche Tradition spricht vom Priester als dem „Mann Gottes”, dem Gott geweihten Mann. „Homo Dei” ist eine Bezeichnung, die für jeden Christen gilt, die Paulus aber insbesondere auf seinen Mitarbeiter Bischof Timotheus bezieht, während er ihm den Gebrauch der Heiligen Schrift empfiehlt (vgl. 2 Tim 3,16). Sie ist nützlich für den Priester und auch für den Bischof aufgrund seiner besonderen Weihe an Gott. Tatsächlich vollzieht sich bereits in der Taufe eine erste und grundlegende Weihe des Menschen mit der Befreiung vom Bösen und dem Eintritt in einen Zustand besonderer ontologischer und psychologischer Zugehörigkeit zu Gott (vgl. Thomas v. Aquin, Summa Theolo-gica, II-II, q.81, a.8). Die Priesterweihe bekräftigt und vertieft diesen gottgeweihten Zustand, wie die Bischofssynode von 1971 betont hat unter Bezugnahme auf das Priestertum Christi, das dem Priester durch die Salbung des Heftigen Geistes mitgeteilt wird (vgl. Derpriesterliche Dienst 1,4: O.R.dt., 1971, Nr. 11, S. 4). Die Synode hat hier die Lehre des II. Vatikanischen Konzils aufgegriffen, das die Priester an die Pflicht erinnert, kraft der Taufweihe nach der Vollkommenheit zu streben, und hinzufügt: „Als Priester sind sie jedoch in besonderer Weise zum Streben nach dieser Vollkommenheit verpflichtet. Denn im Empfang des Weihesakramentes Gott auf neue Weise geweiht, sind sie lebendige Werkzeuge Christi des Ewigen Priester geworden, damit sie sein wunderbares Werk, das mit Kraft von oben die ganze menschliche Gesellschaft erneuert hat, durch die Zeiten fortzuführen vermögen” (Presbyterorum ordinis, Nr. 12). Dies empfahl auch Pius XI. in der Enzyklika Ad catholici sacerdotii vom 20. Dezember 1935 (vgl. AAS 28, 1936, S.10). Nach dem Glauben der Kirche wird also mit der Priesterweihe nicht nur ein neuer Auftrag, ein Amt in der Kirche verliehen, sondern eine neue persönliche „Weihe”, verbunden mit dem vom Weihesakrament aufgedrückten Prägemal als geistliches und unauslöschliches Zeichen einer besonderen Zugehörigkeit zu Christus im Sein und folglich im Handeln. Der Anspruch der Heiligkeit im Priester wird also nach dem Anteil am Priestertum Christi als dem Urheber der Erlösung bemessen: Der Diener kann sich nicht der Anforderung entziehen, in sich selbst die Gefühle, die inneren Bestrebungen und Absichten, den Geist des Gehorsams zum Vater und des Dienstes an den Schwestern und Brüdern hervorzubringen, der dem „Hauptmitwirkenden” eigen ist. 2. Daraus erwächst im Priester eine Art Gnadenmacht, die ihm erlaubt, in Gemeinschaft mit Christus zu leben und sich zugleich dem Pastoraldienst an den Schwestern und Brüdern zu widmen. Das Konzil lehrt, daß jeder Priester, „seiner Weihestufe entsprechend, Christus vertritt. Darum erhält er auch die besondere Gnade, durch den Dienst an der ihm anvertrauten Gemeinde und am ganzen Volk Gottes besser der Vollkommenheit dessen nachzustreben, an dessen Stelle er steht, und für 89 AUDIENZEN UND ANGELUS die Schwäche seiner menschlichen Natur, Heilung in der Heiligkeit dessen zu finden, der für uns ein , heiliger, unschuldiger, unbefleckter, von den Sünden geschiedener’ Hoherpriester (Hehr 7,26) geworden ist” (Presbyterorum ordinis, Nr. 12; vgl. Pastor es dabo vobis, Nr. 20). Unter diesen Bedingungen wird der Priester zu einer besonderen Nachahmung Christi, des Priesters, angehalten, die Frucht der besonderen Weihegnade ist: eine Gnade der Vereinigung mit Christus, dem Priester und Opfer, und durch diese Verbundenheit eine Gnade des guten Pastoraldienstes an den Schwestern und Brüdern. Dabei ist es nützlich, an das Beispiel des heiligen Paulus zu denken. Er lebte als vollkommen geweihter Apostel, denn er war „von Jesus Christus erobert worden” und hatte „alles aufgegeben, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein” (Phil 3,7-12). Er fühlte sich so erfüllt vom Leben Christi, daß er wahrlich sagen konnte: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir” (Gal 2,20). Und dennoch fügte er nach einem Hinweis auf die besonderen Gnadenerweise, die er als „Diener Christi” empfangen hatte (vgl. 2 Kor 12,2), hinzu, daß er unter einem „Stachel im Heisch” litt, einer Prüfung, von der er nicht befreit worden war. Trotz seiner dreifachen Bitte an den Herrn bekam er von ihm die Antwort: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit” (2 Kor 12,9). Angesichts dieses Beispiels kann der Priester besser verstehen, daß er sich anstrengen muß, um die eigene Weihe voll zu leben, indem er mit Christus verbunden bleibt und sich von seinem Geist durchdringen läßt, trotz der Erfahrung seiner eigenen menschlichen Schwächen. Diese werden ihn nicht daran hindern, seinen Dienst zu erfüllen, denn ihm wird eine „Gnade” zuteil, „die ihm genügt”. Auf diese Gnade muß der Priester vertrauen, und sie muß er zu Ehlfe nehmen in dem Bewußtsein, daß er so nach der Vollkommenheit streben kann in der Hoffnung, immer mehr in der Heiligkeit zu wachsen. 3. Die Teilhabe am Priesteramt Christi ruft im Priester unweigerlich auch einen Opfergeist hervor, eine Art „pondus Crucis”, eine Kreuzeslast, die sich besonders in der Abtötung kundtut. Das Konzil lehrt: „Christus, den der Vater geheiligt, also geweiht und in die Welt gesandt hat, ,gab sich selbst für uns dahin, um uns von aller Ungerechtigkeit zu erlösen und sich ein reines Volk zu bereiten, das Gott gefällt und guten Werken nacheifert’ (TU 2,14) ... Ähnlich die Priester: Durch die Salbung des Heiligen Geistes geweiht und von Christus ausgesandt, ertöten sie in sich die Werke des Heisches und geben sich gänzlich dem Dienst an den Menschen hin; so können sie in der Kraft der Heiligkeit, mit der sie in Christus beschenkt sind, zur Mannesvollkommenheit heranreifen” (Presbyterorum ordinis, Nr. 12). Im Priester kann der asketische Aspekt des Weges der Vollkommenheit nicht fehlen ohne Verzicht und ohne Kämpfe gegen alle Arten von Wünschen und Begierden, die ihn die Güter dieser Welt suchen ließen und seinen inneren Fortschritt beeinträchtigten. Die Lehrer der Askese sprechen über diesen „geistlichen Kampf’, der jedem Jünger Christi auferlegt ist, aber besonders jedem Diener des Kreuzes, der bemfen 90 AUDIENZEN UND ANGELUS ist, in sich selbst das Bild dessen wiederzugeben, der „Sacerdos et Hostia”, Priester und Opfer, ist. 4. Immer muß der Priester eindeutig für die Gnade offen sein und ihr entsprechen, denn auch sie kommt von dem, der „das Wollen und das Vollbringen bewirkt” (Phil 2,13), der aber auch den Einsatz der Mittel der Abtötung und der Selbstdisziplin fordert, ohne die der Mensch gleichsam ein undurchlässiger Boden bleibt. Die asketische Tradition hat dem Priester immer als Mittel der Heiligung besonders die angemessene Feier der Messe empfohlen und in gewisser Weise vorgeschrieben; weiter das pünktliche Stundengebet (das „nicht zu kurz kommen darf”, wie der heilige Alfons von Liguori sagte), den Besuch des Allerheiligsten Altarsakraments, das tägliche Rosenkranzgebet, die Meditation und den regelmäßigen Empfang des Buß Sakraments. Diese Mittel sind immer noch gültig und unerläßlich. Besonderes Gewicht ist auf das Bußsakrament zu legen, dessen regelmäßiger Empfang im Priester eine realistische Selbsterkenntnis fördert und damit folglich das Bewußtsein, daß auch er ein hinfälliger, armer Mensch ist, ein Sünder unter Sündern, welcher der Vergebung bedarf. So gelangt er zur „Wahrheit über sich selbst” und erzieht sich dazu, vertrauensvoll das göttliche Erbarmen anzurufen (vgl. Reconciliatio et paeni-tentia, Nr. 31; Pastores dabo vobis, Nr. 26). Außerdem muß man immer daran erinnern, daß - wie das Konzil sagt - „die Priester auf der ihnen eigenen Weise zur Heiligkeit gelangen, nämlich durch aufrichtige und unermüdliche Ausübung ihrer Ämter im Geist Christi” (Presbyterorum ordinis, Nr. 13). Denn die Verkündigung des Wortes ermutigt sie, in sich selbst das zu verwirklichen, was sie die anderen lehren. Die Feier der Sakramente stärkt sie im Glauben und in der Gemeinschaft mit Christus. Der pastorale Dienst insgesamt entfaltet in ihnen die Liebe: „Als Lenker und Hirten des Volkes Gottes werden sie von der Liebe des guten Hirten angetrieben, ihr Leben für ihre Schafe hinzugeben, auch zum höchsten und letzten Opfer bereit” (Presbyterorum ordinis, Nr. 13). Ihr Ideal wird sein, eine Einheit des Lebens in Christus zu erreichen, indem sie Gebet mit Dienst, Kontemplation mit Aktion verbinden, durch das ständige Erforschen des Willens des Vaters und der Selbsthingabe für die Herde (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 14). 5. Andrerseits ist es für den Priester eine Quelle der Ermutigung und der Freude zu wissen, daß das persönliche Bemühen um Heiligung zur Wirksamkeit seines Dienstes beiträgt. „Denn - so lehrt das Konzil - obwohl die Gnade Gottes auch durch unwürdige Diener das Heilswerk durchführen kann, so will Gott doch seine Heilswunder für gewöhnlich Heber durch diejenigen kundtun, die sich dem Antrieb und der Führung des HeiHgen Geistes mehr geöffnet haben und darum wegen ihrer innigen Verbundenheit mit Christus und wegen eines heihgmäßigen Lebens mit dem Apostel sprechen können: ,Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir’ (Gal 2,20)” (Presbyterorum ordinis, Nr. 12). 91 A UDIENZEN UND ANGELUS Wenn der Priester erkennt, daß er als Werkzeug Christi zu dienen berufen ist, hat er das Bedürfnis, in enger Verbundenheit mit Christus zu leben, um ein tüchtiges Werkzeug des „Hauptmitwirkenden” zu sein. Deshalb versucht er, in sich selbst das „geweihte Leben” (die Gefühle und Tugenden) des einzigen und ewigen Priesters nachzuahmen, der ihm nicht nur seine Vollmacht, sondern auch seinen Opferzustand bei der Verwirklichung des göttlichen Planes mitteilt „Sacerdos et Hostia”. 6. Ich schließe mit den Worten des Konzils: „Um ihre pastoralen Ziele einer inneren Erneuerung der Kirche, der Ausbreitung des Evangeliums über die ganze Erde und des Gespräches mit der heutigen Welt zu verwirklichen, mahnt daher die Heilige Synode alle Priester inständig, mit Hilfe der von der Kirche empfohlenen entsprechenden Mittel nach stets größerer Heiligkeit zu streben, um so immer mehr geeignete Werkzeuge für den Dienst am ganzen Gottesvolk zu werden” (Presbyterorum ordinis, Nr. 12). Das ist der wichtigste Beitrag, den wir zum Aufbau der Kirche als Anfang des Gottesreiches in der Welt liefern können. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit besonderer Freude heiße ich Euch, die Ihr Eure Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri bekunden wollt, zu dieser Audienz willkommen. Mit dem innigen Wunsch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, Euer Gebet möge dazu beitragen, daß die Priester sich als geeignete Werkzeuge Gottes dem Dienst vor Gott und den Menschen widmen, grüße ich Euch herzlich. Euch, Euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie allen, die uns in froher pfingstlicher Erwartung verbunden sind, erteile ich mit der Bitte um die bestärkende Gnade und den Beistand des Heiligen Geistes von Herzen meinen Apostolischen Segen. Freude über Unabhängigkeit von Eritrea Jetzt möchte ich euch einladen, an der Freude des eriträischen Volkes teilzunehmen, das nach schmerzlichen Kriegsjahren jüngst seine Unabhängigkeit erlangt hat. Wir dürfen nicht vergessen, wieviel die internationalen Organismen, einschließlich die katholischen, in dieser schwierigen Zeit an humanitärer Hilfe geleistet haben. Ich hoffe, daß diese Fürsorge auch heute noch fortdauert. Den Gliedern der Ortskirche, den Hirten und Gläubigen, gilt mein liebevoller Segensgruß! Ich bin gewiß, daß alle in übereinstimmender Absicht mit den Schwestern und Brüdern der anderen christlichen Kirche zum moralischen und materiellen Wiederaufbau ihres Landes beitragen werden. Der auferstandene Herr helfe euch, eine neue Seite eurer Geschichte in Eintracht und ausgewogenem Fleiß zu schreiben. 92 AUDIENZEN UND ANGELUS Angetrieben vom Geist Gottes Regina Coeli am Pfingstsonntag, 30. Mai Liebe Schwestern und Brüder! 1. Die Erinnerung an die Eucharistiefeier ist noch lebendig, mit der gestern abend die Kirche von Rom zum Abschluß der Diözesansynode sich dem immer neuen Geschenk des Geistes geöffnet hat. Die christlichen Gemeinschaften dieser Stadt, auf welche die ganze Kirche blickt, hat sich mehrere Jahre lang befragt, hat versucht, die Zeichen der Zeit zu lesen und hat sich vertrauensvoll und verantwortungsbewußt ihrer Zukunft gestellt. Auf diesem Weg fühlte sie sich ständig begleitet und geführt vom Geist Gottes. Sie ahmte so in gewisser Weise das Bild des ersten Konzils nach, das sich in Jerusalem zu Beginn der christlichen Geschichte ereignet hatte und das das Urbild aller Synodenversammlungen der Kirche ist. Wie damals dürfen die Beschlüsse durch das Charisma der kirchlichen Vollmacht sichergestellt nicht nur als Ergebnis menschlicher Entscheidungsfindung, sondern vor allem als Frucht jener erleuchtenden Gnade betrachtet werden, die das besondere Geschenk des Geistes Gottes ist. Deshalb danken wir dem auferstandenen Herrn und seinem lebensspendenden Geist und Beistand. 2. Zur Freude der Diözese Rom vereint sich heute das gesamte christliche Volk im Jubel über das Ausgießen des Heiligen Geistes am Pfmgsttag. Der Bericht der Apostelgeschichte spricht zu uns in den ausdrucksvollen Bildern von Wind und Feuer. Kraft dieses ursprünglichen Geschenkes konnte die Kirche geboren werden und auf den Straßen der Welt fortschreiten. Der Geist trieb und leitete die Apostel, er kam ihnen im Herzen der Hörenden zuvor und verlieh ihrem Zeugnis Nachdruck. Zu allen Zeiten, aber besonders jetzt ist die Kirche gerufen, die missionarische Ausrichtung der ersten Anfänge wiederzuentdecken. Sie ist eine auf dem klaren Auftrag Christi gründende Pflicht und eine in der Liebe wurzelnde Dringlichkeit. Denn sie entspricht dem unbezwingbaren Bedürfnis der Glaubenden, die Freude mitzuteilen, die sie empfinden, weil sie Jesus als Erlöser und Retter aufgenommen haben. Die Kirche stellt dem Menschen von heute, der eine nicht trügerische Gewißheit braucht, um seinem lieben wahren Sinn zu geben, Jesus vor. Und die Kraft dieses Angebots besteht nicht nur in seiner inneren Wahrheit, sondern auch im inneren Wirken des Geistes Gottes, dem sich die Christen vertrauensvoll überlassen. 3. Liebe Schwestern und Brüder, das höchste Vorbild dieses neuen missionarischen Eifers ist Maria. Gerade morgen wird uns die Liturgie zum Abschluß des Marienmonats das Geheimnis des Besuchs Marias bei Elisabet vor Augen führen. Den Besuch, wie er im Evangelium erzählt wird, kann man als beispielhaft für jeden wahren missionarischen Stil betrachten. Denn die heilige Jungfrau erscheint uns als Frau auf dem Weg, als Pilgerin auf den Straßen der Liebe, arm an allem, aber reich in Chri- 93 AUDIENZEN UND ANGELUS stus. Wenn sich die Kirche dem Menschen mit der Bescheidenheit, der konkreten Liebe und dem Glauben der Jungfrau nähert, braucht sie nicht viele Worte, um zu überzeugen. Der Geist spricht in ihr. An Maria, der Stütze und Führerin aller geistlichen und apostolischen Wege, richten wir jetzt unser vertrauensvolles Gebet. Nach dem Marienlob sagte der Papst: Heute morgen wurde in Rom und in siebzig anderen italienischen Städten die Kundgebung „Bicincittä 1993” veranstaltet, die von der italienischen Vereinigung für Multiple-Sklerose-Kranke einberufen wurde. Ich möchte den Veranstaltern und Teilnehmern meine Hochschätzung zu dieser Initiative aussprechen und wünschen, daß sie für alle ein Aufruf zur Solidarität mit diesen Kranken bedeutet. Gütig und in der Lehre fest 30. Todestag von Papst Johannes XXIII. Am kommenden Donnerstag, 3. Juni, jährt sich zum 30. Mal der Todestag von Papst Johannes XXIII. Auf dem Petersplatz in der Abenddämmerang jenes Tages nahmen hunderttausend Gläubige an der heiligen Messe teil, die für den sterbenden Papst gefeiert wurde. Nach dem „Ite, missa est” erklang die Stimme von Radio Vatikan: „Mit tiefbewegtem Herzen geben wir folgendes bekannt: Johannes XXffl. . ist tot. Der gute Papst ist um 19.49 Uhr, nachdem er die Sakramente der Heiligen Römischen Kirche empfangen hatte, fromm und friedlich entschlafen.” Dieses Datum ist im Herzen von uns allen haften geblieben. Dieser friedliche Tod im Licht des Glaubens besiegelte ein Leben, das dem Dienst für Gott und die Kirche gewidmet war. Heute wollen wir mit besonderer Liebe Papst Johannes’, gedenken, denn er wußte Güte und menschliche Offenheit mit Festigkeit in der Lehre zu vereinbaren, die von Christus geoffenbart wurde und von der Kirche gelehrt wird; er verstand es außerdem, tiefe und frohe Frömmigkeit mit kühnem pastoralem Mut zu verbinden, der ihn bewog, das n. Vatikanische Konzil einzuberufen. Die tiefe Erinnerung an seine geliebte, väterliche Gestalt vereine sich mit der Bitte, daß seine apostolische Sorge in der Kirche weiter anwesend und wirksam sei. Der Priester, ein Mann des Gebets Ansprache bei der Generalaudienz am 2. Juni 1. Wir kommen heute auf einige in der vorhergegangenen Katechese bereits angedeutete Begriffe zurück, um noch stärker die Anforderungen und Widerspiegelungen dessen zu unterstreichen, was wir als Wirklichkeit des gottgeweihten Menschen 94 AUDIENZEN UND ANGELUS dargestellt haben. Wir können mit einem Wort sagen, daß der nach dem Bild Christi geweihte Priester wie Christus selbst ein Mann des Gebets sein muß. In dieser kurzen Definition ist das ganze spirituelle Leben zusammengefaßt, das dem Priester eine wahre christliche Identität verleiht, ihn als Priester kennzeichnet und zur beseelenden Kraft des Apostolats macht. Das Evangelium stellt uns Jesus im Gebet vor in allen wichtigen Augenblicken seiner Sendung. Sein öffentliches Leben, das mit der Taufe anfängt, beginnt mit dem Gebet (vgl. Lk 3,21). Auch in der Zeit, als er vor den Scharen häufig predigt, behält er sich lange Gebetspausen vor (Mk 1,35; Lk 5,16). Bevor er die Zwölf auswählt, verweilt er eine Nacht im Gebet {Lk 6,12). Er betet, bevor er von den Aposteln ein Bekenntnis des Glaubens verlangt {Lk 9,18); er betet nach der wunderbaren Brotvermehrung allein auf dem Berg {Mt 14,23; Mk 6,46); er betet, bevor er die Jünger beten lehrt (ZA 11,1); er betet vor der außerordentlichen Offenbarung der Verklärung, als er genau deshalb auf den Berg gestiegen war, um zu beten {Lk 9,28); er betet, bevor er ein Wunder wirkt {Joh 11,41-42); er betet beim letzten Abendmahl, um dem Vater seine Zukunft und die seiner Kirche anzuvertrauen {Joh 17). In Getsemani betet er, zu Tode betrübt, voll Furcht und Angst zum Vater {Mk 14,35-39 u. par.), und am Kreuz ruft er ihn voll Todesangst {Mt 27,46), aber auch voll grenzenlosem Vertrauen {Lk 23,46). Man kann sagen, daß die ganze Sendung Christi vom Gebet beseelt ist, vom Beginn seines messiani-schen Dienstes an bis zum äußersten priesterlichen Akt: dem Opfertod am Kreuz, der im Gebet vollendet wurde. 2. Diejenigen, die berufen sind, an der Sendung und am Opfertod Christi teilzuhaben, werden durch sein beispielhaftes Vorbild dazu angespomt, in ihrem Leben dem Gebet den Platz einzuräumen, der ihm als Fundament, Wurzel und Gewähr der Heiligkeit im Tun gebührt. Ja, wir lernen von Jesus, daß eine fruchtbare Ausübung des Priesteramtes ohne das Gebet nicht möglich ist, denn es bewahrt den Priester vor der Gefahr, das innere Leben zu vernachlässigen, indem er Aktionismus vorzieht, und vor der Versuchung, sich in die Betriebsamkeit zu stürzen, bis er sich darin verliert. Nachdem die Bischofssynode von 1971 bekräftigt hat, daß „die gesamte Regel für das priesterliche Leben” in der Weihe Christi, dem Ursprung der Weihe seiner Apostel, zu finden ist, wendet sie die Regel auf das Gebet an mit folgenden Worten: „Die Priester müssen also dem Beispiel Jesu Christi, der die ganze Zeit im Gebet verbrachte, und der Führung des Heiligen Geistes folgen, in dem wir rufen: ,Abba, Vater’, und der Betrachtung des Gottes Wortes obliegen. Sie sollen täglich die Gelegenheit benutzen, die Ereignisse des Lebens im Licht des Evangeliums zu überdenken, damit sie zu treuen und aufmerksamen Hörem des Gotteswortes und als wahrhaftige Diener der Verkündigung befunden werden. Sie sollen stets auf das persönliche Gebet, auf die Verrichtung der liturgischen Tageszeiten, auf den häufigen Empfang des Bußsakramentes und vor allem auf die Verehrung des eucharistischen 95 AUDIENZEN UND ANGELUS Geheimnisses bedacht sein” (Der priesterliche Dienst, 11,3: O.R.dt., 1971, Nr. 11, S. 5). 3. Das II. Vatikanische Konzil seinerseits hatte nicht versäumt, den Priester auf die Notwendigkeit hinzuweisen, grundsätzlich mit Christus vereint zu sein, und deshalb das beharrliche Gebet empfohlen: „Auf vielfache Weise, vor allem durch das bewährte innere Gebet und frei zu wählende verschiedene Gebetsarten, suchen und erbitten die Priester von Gott inständig jenen Geist echter Anbetung, durch den sie sich zugleich ... Christus, dem Mittler des Neuen Bundes, einen” (Presbyterorum ordinis, Nr. 18). Wie man sieht, unter den möglichen Gebetsformen lenkt das Konzil die Aufmerksamkeit auf das innere Gebet, das frei von vorgefaßten Formeln ist, nicht das gesprochene Wort erfordert und sich der Führung des Heiligen Geistes in der Betrachtung des göttlichen Geheimnisses anvertraut. 4. Die Bischofssynode von 1971 dringt auf die „Betrachtung des Gotteswortes” (vgl. Der priesterliche Dienst, 11,3: O.R.dt. 1971, Nr. 11, S. 5). Das Wort „Betrachtung” mit der Betonung des geistlichen Bemühens, das es in sich birgt, soll nicht übermäßig beeindrucken. Man kann sagen, daß für alle - abgesehen von den Lebensformen und -weisen, unter denen das „kontemplative Leben” immer das kostbarste Juwel der Braut Christi, der Kirche, bleibt - der Ruf gilt, das Wort Gottes mit kontemplativen Geist zu hören und zu betrachten, damit es sowohl den Verstand als auch das Herz nährt. Das fördert im Priester die Formung einer Grundhaltung, die Welt mit Weisheit im Hinblick auf ihr letztes Ziel: Gott und seinen Heilsplan, zu betrachten. Die Synode sagt: „Die Ereignisse des Lebens im Licht des Evangeliums zu überdenken” (ebd.). Darin besteht die übernatürliche Weisheit, vor allem als Gabe des Heiligen Geistes, der dazu befähigt, im Licht der „tiefsten Beweggründe”, der „ewigen Dinge”, gut zu urteilen. Die Weisheit wird so der Hauptfaktor der Gleichgestaltung mit Christus im Denken, Urteilen und Bewerten der bedeutenden und weniger wichtigen Dinge, so daß der Priester - wie jeder Christ und mehr als dieser - in sich das Licht widerspiegelt, die Verbundenheit mit dem Vater, den wirksamen Antrieb, den Rhythmus des Gebets und des Handelns und sozusagen fast den geistlichen Atem Christi. Zu diesem Ziel kann man gelangen, indem man sich vom Heiligen Geist in der Betrachtung des Evangeliums leiten läßt, die die Vereinigung mit Christus fördert und vertieft; sie hilft auch, immer mehr ins Denken des Meisters einzudringen, und stärkt die Verbundenheit von Mensch zu Mensch mit ihm. Wenn der Priester darin beharrt, bleibt er leichter in einem Zustand bewußter Freude, die aus der Wahrnehmung der inneren, persönlichen Vewirklichung des Wortes Gottes erwächst, das er die anderen lehren muß. Darüber sagt das Konzil: „Beim Nachdenken, wie sie (die Priester) die Früchte ihrer eigenen Betrachtung anderen am besten weitergeben können, werden sie noch inniger ,den unergründlichen Reichtum Christi’ (Eph 3,8) und die vielfältige Weisheit Gottes verkosten” (Presbyterorum ordinis, Nr. 13). Bitten wir den Herrn, daß er uns eine große Anzahl von Priestern schenke, die im Gebetsleben die Weisheit Gottes entdecken, aufnehmen, kosten und 96 AUDIENZEN UND ANGELUS wie der Apostel Paulus (vgl. ebd.) den übernatürlichen Antrieb spüren, es als wahren Grund ihres Apostolats zu verkünden und auszuspenden (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 47). 5. Während das Konzil über das Gebet der Priester spricht, erwähnt und empfiehlt es auch das Stundengebet, das das persönliche Gebet des Priesters mit dem der Kirche vereint. „Beim Breviergebet - so heißt es - leihen sie ihren Mund der Kirche, die beständig im Namen des ganzen Menschengeschlechtes im Gebet verharrt mit Christus, der ,allezeit lebt, um für uns einzutreten’ (Hebrl ,25)” (Presbyterorum ordinis, Nr. 13). Auf Grund der im anvertrauten Sendung der Stellvertretung und Fürbitte ist der Priester zu dieser „offiziellen” Gebetsform, die im Auftrag der Kirche und im Namen nicht nur der Glaubenden, sondern aller Menschen und gewissermaßen aller Wirklichkeiten des Universums ausgeübt wird, ausdrücklich verpflichtet (vgl. C/C., can. 1174,1). Des Priestertums Christi teilhaftig, bittet er für die Anliegen der Kirche, der Welt, jedes Menschen in dem Bewußtsein, Deuter und Träger der universalen Stimme zu sein, die die Herrlichkeit Gottes lobpreist und um die Rettung des Menschen bittet. 6. Es ist gut daran zu erinnern, daß die Priester - um das Gebetsleben besser zu sichern, zu festigen und zu erneuern, indem sie aus seinen Quellen schöpfen - vom Konzil selbst gehalten sind, über die tägliche Gebetsübung hinaus längere Zeitabschnitte in engster Verbundenheit mit Christus zu verbringen: „Gern sollen sie sich für Tage geistücher Zurückgezogenheit frei machen” (Presbyterorum ordinis, Nr. 18). Es empfiehlt ihnen auch „die geistliche Führung hochschätzen” (ebd., Nr. 18). Sie sei für sie gleichsam die Hand eines Freundes oder Vaters, der ihnen auf dem Weg weiterhilft. Und indem sie die diese wohltuende Führung erfahren, werden sie um so mehr bereit sein, ihrerseits diese Hilfe denen anzubieten, die ihrem Hirtendienst anvertraut sind. Das wird vielen Menschen von heute, besonders den Jugendlichen, große Möglichkeiten bieten und ein entscheidender Faktor sein bei der Lösung des Problems der Berufungen, wie die Erfahrung so vieler Generationen von Priestern und Ordensleuten lehrt. Wir haben schon in der vorhergehenden Katechese auf die Bedeutung des Bußsakraments hingewiesen. Das Konzil empfiehlt dem Priester „die häufig geübte sakramentale Buße” (ebd). Es ist klar, daß derjenige, der den Dienst der Versöhnung der Christen mit dem Herrn durch das Sakrament der Vergebung ausübt, selbst dieses Sakrament empfangen muß. Er wird der erste sein, der sich selbst als Sünder bekennt und an die göttliche Vergebung glaubt, die in der sakramentalen Absolution Ausdruck findet. Bei der Spendung des Sakramentes der Vergebung wird ihm dieses Bewußtsein der eigenen Sündhaftigkeit helfen, die Sünder besser zu verstehen. Sagt der Hebräerbrief nicht über den Priester, der aus den Menschen ausgewählt wird: „Er ist fähig, für die Unwissenden und Irrenden Verständnis aufzubringen, da auch er der Schwachheit unterworfen ist” (Hebr 5,2)? Außerdem spornt die persönliche 97 AUDIENZEN UND ANGELUS geübte sakramentale Buße den Priester zu einer verstärkten Bereitschaft an, dieses Sakrament den Gläubigen, die darum bitten, zu spenden. Auch das ist äußerst wichtig für die Seelsorge in unserer Zeit. 7. Aber den Höhepunkt erreicht das Gebet der Priester in der Eucharistiefeier, die ihre „vomehmliche Aufgabe” ist (Presbyterorum ordinis, Nr. 13). Sie ist von so großer Bedeutung für das Gebetsleben des Priesters, daß ich ihr die nächste Katechese widmen möchte. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Alle Pilger und Besucher deutscher Sprache heiße ich zur heutigen Generalaudienz herzlich willkommen. Mein Dank gilt Euch allen, die Ihr sehr zahlreich in die Petersbasilika gekommen seid, um Euren Aufenthalt in der Ewigen Stadt zugleich zu einem Erlebnis reügiöser Besinnung werden zu lassen. Ich grüße Euch alle sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Pilgern aus zahlreichen Pfarreien, die unter der Leitung ihrer Seelsorger gekommen sind, sowie den anwesenden Ministranten und der Gruppe der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Wäldbrunn, die in diesem Jahr ihr lOOjähriges Bestehen feiert. Euch allen, Euren heben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. ■ Der Papst sagte weiter: Der kürzlich in Bosnien erfolgte tragische Tod von Caritashelfem aus Brescia, während sie eine humanitäre Mission zugunsten der vom Krieg heimgesuchten Bevölkerung ausführten, erfüllt mich mit Trauer und drängt mich, nochmals meine ganze Mißbilligung über den anhaltenden unmenschlichen Krieg auszusprechen. Außerdem möchte ich den Angehörigen der Opfer mein tiefempfundenes und herzliches Mitgefühl in diesem schmerzlichen Augenblick bekunden und sie eines besonderen Gebetes an den Herrn zu versichern. Der Gott des Friedens erleuchte die Herzen aller, auch derer, die ein so schweres Verbrechen verschuldet haben, die Herzen aller - damit man versteht, daß Gewalt und Haß nicht dem Wohl des Landes dienen, sondern nur Zerstörung und Tod säen. 98 AUDIENZEN UND ANGELUS Gebet flir die anstehende Dialogkonferenz zwischen Katholiken und Orthodoxen Angelus am Dreifaltigkeitssonntag, 6. Juni 1. Heute, während die lateinische Kirche nach dem gregorianischen Kalender das Hochfest der Heiligsten Dreifaltigkeit feiert, begehen unsere orientalischen Schwestern und Brüder, die dem julianischen Kalender folgen, das hochheilige Pfingstfest. Wir vereinen uns mit ihnen in der Freude und im einmütigen Gebet zum Heiligen Geist, „der - nach dem byzantinischen liturgischen Gebet - überall gegenwärtig ist und alles erfüllt”, möge er seine Gaben in Fülle über uns ausgießen für ein neues Erblühen des Evangeliums und ein gemeinsames Wachsen im Glauben und in der Heiligkeit des Lebens. Das heutige Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit, des Geheimnisses der Gemeinschaft und des Modells vollkommener Einheit für die Kirche und die gesamte Menschheitsfamilie, sowie die Feier von Pfingsten seitens der orientalischen Schwestern und Brüder bieten mir Gelegenheit, Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist die nächste Konferenz der gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche anzuempfehlen, die vom 18. bis 24. Juni im Blamand, Libanon, bei der theologischen Schule des griechisch-orthodoxen Patriarchats von Antiochia geplant ist. 2. Beim Rombesuch unseres ehrwürdigen Bruders Patriarch Dimitros im Dezember 1987 haben wir zusammen dem Herrn gedankt für die konkreten Fortschritte im gemeinsamen Dialog. Aufgrund dieser Ergebnisse und vor allem im Vertrauen auf den immerwährenden göttlichen Beistand spreche ich jetzt die aufrichtige Hoffnung aus, daß die behandelten Fragen in bezug auf die Beziehungen zwischen den orientalischen katholischen Kirchen und den orthodoxen Kirchen eine zufriedenstellende Lösung finden mögen. Ich rufe euch auf, mit mir den Heiligen Geist zu bitten, daß er die Herzen erleuchte und dazu bewege, aufrichtig die Wege der vollen Einheit zu suchen, die der Herr für seine Jünger will. So wird man die bisher sehr fruchtbare theologische Forschung weiterführen können. Eine ehrliche Klarstellung der historischen Streitfragen im Geist kirchlicher Brüderlichkeit und in einer Haltung ausschließlichen Gehorsams dem Willen des Herrn gegenüber wird helfen, den theologischen Dialog im Blick auf die volle Gemeinschaft noch stärker voranzutreiben, und wird auch die Wege und Weisen zeigen, um schon von jetzt an gemeinsam Zeugnis zu geben von einer selbstlosen Zusammenarbeit bei der Verkündigung des Evangeliums. 3. In dieser Zeit der Unruhen und Spannungen, während tragische Kämpfe und mörderische Bruderkriege entbrannt sind, bildet der hochherzige Einsatz der Katholiken und der Orthodoxen in der verstärkten Suche nach der vollen Einheit gewiß einen 99 AUDIENZEN UND ANGELUS echten Beitrag zur Befriedung der Völker und zum Aufbau neuer Beziehungen der Solidarität unter den Nationen. Liebe Schwestern und Brüder! Ich empfehle eurem eifrigen Gebet und dem der Katholiken in aller Welt dieses nächste wichtige Treffen des Dialogs und der brüderlichen Liebe. Dafür erbitten wir jetzt beim Angelusgebet den mütterlichen Beistand Marias. Nach dem „Engel des Herrn” richtete der Papst an die Gründerin der Fokolar-Bewegung, Chiara Lubich, die aus Gesundheitsgründen nicht anwesend sein konnte, ein besonderes Grußwort: Zusammen mit euch möchte ich meine besten Wünsche und Grüße an Chiara und an alle Focolarini in der ganzen Welt richten. In Angola den alles zerstörenden Krieg beenden - Kehrt zurück zum Dialog! Nach dem Angelus sagte der Papst: Vor einem Jahr hatte Gott mir die Möglichkeit gegeben, zwei afrikanische Länder zu besuchen - Angola und Säo Tome und Principe deren Bevölkerung mir immer in Heber Erinnerung und Gegenstand meiner Hirtensörge ist. Besonders für Angola möchte ich heute die Botschaft von damals wiederholen: ,Der Frieden sei mit euch!’ Im Namen der Freundschaft, die mir erwiesen wurde, im Namen der übernommenen Verpflichtungen, im Namen der Tausenden von unschuldigen Opfern dieses sinnlosen Krieges bitte ich die Verantwortlichen der sich abspielenden Tragödie: Beendet den Krieg! Kehrt zurück zum Dialog! Gebt den Weg frei für nationale und internationale Solidarität! Erkennt, daß ein ganzes Volk euren Entscheidungen ausgeliefert ist ... Gewalt, Mißachtung des Menschen und Zerstörung der Strukturen des sozialen Lebens nützen nichts, im Gegenteil, sie sind der Ruin aller. Ich bitte die himmlische Patronin von Angola, das Unbefleckte Herz Mariens, daß sie die Anstrengungen all derer weiterhin unterstütze und segne, die ehrlich und mutig am Werk sind, um den Frieden wiederherzustellen. Die Eucharistie - Herzmitte der priesterlichen Existenz Ansprache bei der Generalaudienz am 9. Juni Die Gläubigen in aller Welt blicken in diesen Tagen nach Sevilla, wo, wie ihr wißt, der Internationale Eucharistische Kongreß gefeiert wird und wohin ich zu meiner Freude am kommenden Samstag und Sonntag fahren werde. Zu Beginn unserer Begegnung heute, bei der wir über die Bedeutung der Eucharistie für das spirituelle Leben des Priesters nachdenken werden, lade ich euch herzlich ein, euch im Geist dieser großen und wichtigen Feier anzuschließen, die alle zu ei- 100 AUDIENZEN UND ANGELUS ner Erneuerung des Glaubens und der Verehrung der wirklichen Gegenwart Christi in der Eucharistie ruft. 1. Die Katechesen, die wir über das geistliche Leben des Priesters halten, gelten vor allem für den Klerus, sind aber an alle Gläubigen gerichtet. Denn es ist gut, daß alle die Lehre der Kirche über das Priesteramt keimen und das, was es von denen erfordert, die damit bekleidet, sich dem erhabenen Bild Christi - des ewigen Priesters und der heiligen Hostie des Heilsopfers - gleichförmig gemacht haben. Dieses Bild ist im Hebräerbrief und in den anderen Texten der Apostel und der Evangelisten dargestellt und wird von der Überlieferung des Denkens und Lebens der Kirche getreu weitergegeben. Auch heute ist es notwendig, daß der Klerus diesem Bild treu bleibt, in dem sich die lebendige Wahrheit Christi, des Priesters und Opfers, widerspiegelt. 2. Die Wiedergabe dieses Bildes verwirklicht sich in den Priestern hauptsächlich durch ihre lebendige Teilhabe am eucharistischen Geheimnis, worauf das christliche Priestertum wesentlich hingeordnet und woran es gebunden ist. Das Konzil von Trient hat betont, daß das zwischen Priestertum und Opfer bestehende Band vom Willen Christi abhängt, der seinen Dienern „die Gewalt übertragen hat, (Brot und Wein in) seinen Leib und sein Blut zu verwandeln und diese darzubringen und auszuteilen” (vgl. DS 1764). Hierin liegt ein Geheimnis der Gemeinschaft mit Christus im Sein und im Handeln vor, das sich in einem spirituellen Leben ausdrücken will, das vom Glauben und von der Liebe zur Eucharistie durchdrungen ist. Der Priester weiß wohl, daß er sich nicht auf seine eigenen Kräfte verlassen kann, um die Ziele des Dienstes zu erreichen, sondern daß er berufen ist, als Werkzeug des siegreichen Handelns Christi zu dienen, dessen Opfertod, auf dem Altar gegenwärtig gesetzt, der Menschheit die Fülle der göttlichen Gaben vermittelt. Aber er weiß auch, daß er, um an Christi Statt die Wandlungsworte: „Das ist mein Leib” - „Das ist der Kelch ... mein Blut” würdig zu sprechen, in tiefer Vereinigung mit Christus leben und versuchen muß, dessen Antlitz in sich selbst wiederzugeben. Je intensiver er aus dem Leben Christi lebt, um so wahrer kann er die Eucharistie feiern. Das n. Vatikanische Konzil hat daran erinnert: „Vor allem beim Meßopfer handeln die Priester in besonderer Weise an Christi Statt” (Presbyterorum ordinis, Nr. 13); deshalb kann es ohne Priester kein eucharistisches Opfer geben. Aber das Konzil hat auch betont, daß alle, die dieses Opfer darbringen, ihre Rolle demütig und in enger geistlicher Verbundenheit mit Christus als seine Diener im Dienst der Gemeinschaft spielen sollen. Sie müssen „das nachahmen, was sie vollziehen; weil sie das geheimnisvolle Geschehen des Todes unseres Herrn vergegenwärtigen, sollen sie auch ihren Leib mit seinen Fehlem und Begierden zu ertöten trachten” (Presbyterorum ordinis, Nr. 13). Indem sie das eucharistische Opfer darbringen, sollen die Priester sich selbst mit Christus darbringen, und alle Verzichte und Opfer annehmen, die das Priesterleben erfordert. „Sacerdos et Hostia” mit Christus und wie Christus. 101 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. Wenn der Priester diese ihm und allen Gläubigen als Stimme des Neuen Testamentes und der Überlieferung vorgelegte Wahrheit „spürt”, versteht er die dringende Ermutigung des Konzils zur täglichen Eucharistiefeier, die „auch dann, wenn keine Gläubigen dabei sein können, ein Akt Christi und der Kirche” ist (Presbyterorum ordinis, Nr. 13). Damals neigte man dazu, nur in Anwesenheit von Gläubigen Eucharistie zu feiern. Wenn es nach dem Konzil wahr ist, daß man sein Möglichstes tun muß, um die Gläubigen zum Gottesdienst zu versammeln, ist es auch wahr, daß das vom Priester - auch wenn er allein ist - an Christi Statt vollzogene eucharistische Opfer die Wirksamkeit besitzt, die von Christus kommt und der Kirche immer neue Gnaden liefert. Deshalb empfehle auch ich den Priestern und dem ganzen christlichen Volk, den Herrn zu bitten, er möge den Glauben hinsichtlich dieser Bedeutung der Eucharistie stärken. 4. Die Bischofssynode von 1971 hat die Konzilslehre aufgegriffen Und erklärt: „Die Feier der heiligen Eucharistie bleibt immer, auch wenn sie ohne die Teilnahme der Gläubigen geschieht, das Zentrum des kirchlichen Lebens und die Herzmitte der priesterlichen Existenz” (Der priesterliche Dienst, 11,3: O.R.dt., 1971, Nr. 11, S. 5). Ein wichtiges Wort: „Zentrum des kirchlichen Lebens.” Die Eucharistie baut Kirche, so wie die Kirche ihrerseits eucharistisch begründet ist. Der Priester, der beauftragt ist, Kirche zu bauen, verwirklicht diese Aufgaben im wesentlichen durch die Eucharistie. Auch wenn keine Gläubigen teilnehmen, hilft er mit, die Menschen durch das eucharistische Opfer in der Kirche um Christus; zu sammeln. Die Synode spricht außerdem von der Eucharistie als der „Herzmitte der priesterlichen Existenz”. Das heißt, daß der Priester, der wünscht, persönlich tief mit Christus verbunden zu sein, als erster in der Eucharistie das Sakrament findet, das diese enge Verbundenheit bewirkt, die weiter wachsen und sogar den Grad mystischer Identifizierung erreichen kann. 5. Auch auf dieser Stufe so vieler heiliger Priester kapselt sich die Priesterseele nicht ein, denn gerade aus der Eucharistie schöpft sie die „Liebe dessen, der sich seinen Gläubigen zur Speise gibt” (Presbyterorum ordinis, Nr. 13). Sie fühlt sich deshalb angespomt, sich ganz den Gläubigen zu schenken, an die sie den Leib Christi austeilt. Und gerade indem sie sich von diesem Leib nährt, fühlt sie sich angetrieben, den Gläubigen zu helfen, daß diese sich ihrerseits derselben Gegenwart öffnen, während sie sich von seiner unendlichen Liebe nähren, um aus dem Sakrament noch reichere Frucht zu schöpfen. Zu diesem Zweck kann und soll der Priester die für eine gewinnbringende Eucharistiefeier notwendige Atmosphäre schaffen. Die Atmosphäre des Gebets. Des liturgischen Gebets, zu dem das Gottesvolk gerufen und erzogen werden sollte. Zum persönlichen betrachtenden Gebet. Dem Gebet gesunder christlicher Volkstraditiö-nen, das die Messe vorbereiten und in gewisser Weise auch begleiten kann. Das Gebet der heiligen Stätten, der sakralen Kunst, des Kirchenlieds, der musikalischen Aufführungen (besonders mit der Orgel), das in den Formeln und Riten beinahe ver- 102 AUDIENZEN UND ANGELUS körpert ist und ständig alles belebt und wiederbelebt, damit es an der Verherrlichung Gottes und an der geistlichen Erhebung des christlichen Volkes teilhaben kann, das zur Eucharistiefeier versammelt ist. 6. Das Konzil empfiehlt dem Priester über die tägliche Meßfeier hinaus auch besonders „die tägliche Zwiesprache mit Christus dem Herrn beim Besuch und in persönlicher Andacht vor der Heiligsten Eucharistie” (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 18). Der Glaube und die Liebe zur Eucharistie können nicht zulassen, daß die Gegenwart Christi um Tabernakel unbeachtet bleibt (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1418). Schon im Alten Testament best man, daß Gott in einem „Zelt” (oder „Tabernakel”) wohnte, das „Offenbarungszelt” (Ex 33,7) genannt wurde. Die Offenbarung war von Gott gewollt. Man kann sagen, daß auch im Tabernakel der Eucharistie Christus gegenwärtig ist im Hinblick auf ein Zwiegespräch mit seinem neuen Volk und mit den einzelnen Gläubigen. Der Priester ist als erster gerufen, in dieses Offenbarungszelt einzutreten und Christus, der im Tabernakel gegenwärtig ist, zu einem „täglichen Zwiegespräch” zu besuchen. Zum Schluß möchte ich daran erinnern, daß der Priester mehr als jeder andere dazu berufen ist, an der grundlegenden Verfügung Christi in diesem Sakrament teilzuhaben, das heißt an der „Gnadenwirkung”, nach der es benannt ist. Verbunden mit Christus, dem Priester und Opfer, teilt der Priester nicht hur seine Hingabe, sondern auch sein Gefühl, seine Bereitschaft zur Dankbarkeit gegenüber dem Vater für die Wohltaten, die er der Menschheit, jedem Menschen, dem Priester selbst und all denen erweist, die im Himmel und auf Erden zur Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes bemfen sind. „Gratias agimus tibi propter magnam gloriam tuam ...” So setzt der Priester den Beschuldigungen und Auflehnungen gegenüber Gott - die man oft in der Welt hört - den gemeinsamen Lobpreis und Segen entgegen, der von denen aufsteigt, die im Menschen und in der Welt die Zeichen einer unendlichen Güte zu erkennen wissen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich begrüße ich Euch, die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern, die Ihr so zahlreich zur heutigen Audienz in die Petersbasilika gekommen seid. Gern erteile ich Euch, Euren heben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen meinen Apostohschen Segen.. 103 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Evangelium in einer entchristlichten Welt neu verkünden Ansprache bei der Generalaudienz am 23. Juni „Statio orbis”: So nennt man gewöhnlich die Feier, in der jeder Eucharistischer Weltkongreß seinen Höhepunkt und Abschluß findet. Am Sonntag vor einer Woche konnte ich eine so feierliche Handlung anläßlich des 45. Eucharistischen Weltkongresses vollziehen, der vom 7. bis 13. Juni einberufen war. Der Kongreß stand unter dem Leitwort: „Christus - das Licht der Völker” und hatte zum Thema: „Eucharistie und Evangelisierung”. Die Eucharistie ist „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens”, lehrt uns das n. Vatikanische Konzil (Lumen Gentium, Nr. 11). Die Eucharistischen Kongresse bringen diese Wahrheit in besonders feierlicher Weise zum Ausdruck. Aber die Eucharistie ist immer die gleiche, unabhängig von den Umständen, unter denen sie gefeiert wird. Sie ist auch immer eine „statio orbis”, denn im Opfer Christi bringen wir Gott, der Heiligsten Dreifaltigkeit, die gesamte Schöpfung und insbesondere die ganze „Welt” der Menschen dar. Besonders eindrucksdruckvoll zeigte dies die Eucharistie, die in früheren Zeiten in den römischen Katakomben oder in unserem Jahrhundert in den Konzentrationslagern wegen der Grausamkeit menschenverachtender Systeme im Geheimen gefeiert wurde. 2. All das war in unserem Gedächtnis während der feierlichen „statio orbis” in Sevilla gegenwärtig. Christus ist immer und überall das „Licht der Welt”: Er erleuchtet jeden Menschen, der in die Welt kommt. Immer und überall ist die Eucharistie die Quelle der Evangelisierung: In ihr. wird die Frohbotschaft zum Sakrament der Wahrheit und des ewigen Lebens für die immer wieder neuen Generationen von Menschen und Völkern. Der Eucharistische Kongreß in Spanien war eng verbunden mit der 500-Jahr-Feier der Evangelisierung Amerikas - der Evangelisierung, die mit der Entdeckung der Neuen Welt durch Christoph Kolumbus begonnen hatte. Gerade dort, auf spanischem Boden in Andalusien, in Sevilla und in Huelva, wurde die historische Expedition vorbereitet. Es handelte sich nicht nur um technische, sondern auch geistliche Vorbereitungen. Die Seeleute waren sich dessen bewußt, daß sie eine Reise ins Unbekannte unternahmen. Was sie dann entdecken sollten, entsprach ganz und gar nicht ihren anfänglichen Erwartungen. Die Orte, die ich besuchen konnte - Moguer, Palos de la Frontera, La Rabida -, zeigen, wie Kolumbus und seine Matrosen ihr Unternehmen mit großem Glauben vertrauensvoll in die Hände Gottes legten. Von den gleichen Orten zogen nach der Entdeckung des neuen Kontinents die ersten Missionare aus, um das Evangeüum zu verkünden. Zur Erinnerung an den Beginn der Evangelisierung vor 500 Jahren habe ich in La Rabida die Madonnenstatue „Virgen de los Milagros” gekrönt. 104 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Der Eucharistische Weltkongreß in Sevilla hat sich auf das Thema „Eucharistie und Evangelisierung” konzentriert, um vor allem die Evangelisierung vor 500 Jahren in Erinnerung zu rufen, das heißt das sogenannte große „Missionsepos”. Aber zugleich hat der Kongreß seine Thematik auch auf die Gegenwart und die Zukunft ausgedehnt: „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit” (Hebr 13,8). Damals wollte Jesus Christus mit seiner Wahrheit und Liebe zu den soeben entdeckten Völkern jenseits des Ozeans gelangen. Heute richtet sich sein heilbringendes Wort „Mich dürstet”, von der Höhe des Kreuzes gesprochen, an alle, die diese Wahrheit und diese Liebe noch nicht kennen. Es richtet sich an alle Bereiche, von denen die Enzyklika Redemptoris missio spricht, während sie auf den Umfang der Entchristlichung und der verschiedenen „Aeropage” der Welt von heute hinweist, wo man das Evangelium erwartet, wie einst der Aeropag von Athen Paulus von Tarsus „erwartete”. 4. Liebe Schwestern und Brüder, der apostolische Besuch des Papstes in Spanien wurde im Zusammenhang mit dem Eucharistischen Weltkongreß nach dessen Leitwort „Eucharistie und Evangelisierung” geplant und tatsächlich verwirklicht. Jede Einzelheit, jeder Aspekt des Programms bezog sich auf dieses lebendige Prinzip. Vor allem der marianische Aspekt. Das „fiat” Marias von Nazaret öffnete das Tor für die Heilsfrüchte, die sich in sakramentaler Weise durch die Eucharistie kundtaten. Und die Evangelisierung, die in der Eucharistie ihre Quelle (fons) und ihren Höhepunkt (culmen) findet, geht Hand in Hand mit der Verehrung und Liebe zur Gottesmutter. Wie soll man hier nicht an das Heiligtum der Madonna „del Rocfo” denken, wo man einer Form außerordentlich lebendiger Volksfrömmigkeit beiwohnt, die auch in Lateinamerika weit verbreitet ist? Maria geht dem Volk Gottes auf dem Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Gemeinschaft mit Christus voran. So wird Kirche gebaut, das heißt mit „lebendigen Steinen”. Und diese lebendige Kirche, dieser Tempel Gottes, in dem der Heilige Geist wohnt, findet konkreten Ausdruck auch in den Werken der Kultur: in den Kirchen, den Heiligtümern, den Kapellen und in den kirchlichen Kunstwerken. Die Weihe der Kathedrale „La Almudena” von Madrid, erbaut in vielen Jahrzehnten, entsprach deshalb sehr gut dem Gesamtentwurf des Kongresses. Die Weihe einer Kirche kann die Weihe der Menschen nicht beiseite lassen, die Frucht der Reifung von Priester- und Ordensberufen ist. Darum stand die Priesterweihe in Sevilla vollkommen mit dem Selbstverständnis des Kongresses im Einklang. Dann das gemeinsame Gebet der Laudes im Priesterseminar von Madrid, wo Seminaristen aus ganz Spanien vertreten waren. Die Eucharistie ist das Sakrament der Gemeinschaft mit Gott, das Sakrament der Heiligkeit, die sich im Menschen entwickelt und wächst. In enger Verbindung mit dem Eucharistischen Kongreß steht deshalb auch die Heiligsprechung des seligen Enrique de Osso y Cervello, des Gründers der Gesellschaft der heiligen Theresia von Jesus, eine Schwestemkongregation, die sich dem Apostolat, besonders durch 105 AUDIENZEN UNDANGELUS die Kinder- und Jugenderziehung widmet. Diese Heiligsprechung auf der Piazza Colombo in Madrid war in gewissem Sinn die Krönung des Kongresses, dessen Leitwort „Eucharistie und Evangelisierung” lautete. 5. Liebe Schwestern und Brüder! Der Bischof von Rom sagt Gott vor allem Dank für das Geschenk der Teilnahme am Eucharistischen Weltkongreß in dem Land, von dem - so wollte es die göttliche Vorsehung - die Evangelisierung des amerikanischen Kontinents ausging. Der Bischof von Rom dankt zugleich den Mitbrüdem im Bischofsamt und der gesamten Kirche Spaniens. Er dankt dem Königspaar von Spanien und allen staatlichen Obrigkeiten. Christus - Licht der Völker - erleuchte immer die Wege der Töchter und Söhne dieser Nation, die seit den Zeiten der Apostel in ihrem Herzen das Samenkorn des Evangeliums und der Eucharistie trägt. Das Buch der Synode in die Praxis umsetzen Angelus am 27. Juni Liebe Schwestern und Brüder! I. Mit der Veröffentlichung des „Synodenbuches” hatte ich gestern die Freude, den langen, vor sieben Jahren begonnenen Weg der Pastoraldiözesansynode von Rom zu krönen. Wie viele andere Diözesen der Welt wollte auch die Kirche in Rom dreißig Jahre nach ihrer ersten Synode ihr Leben und ihre Arbeit im Licht der vom II. Vatikanischen Konzil gegebenen theologischen und pastoralen Leitlinien neu vorzeichnen. Jetzt öffnet sich der nicht weniger mühevolle Weg der Verwirklichung: Die aus dem synodalen Nachdenken erwachsenen Hinweise sollen in das praktische Leben der ges,amten kirchlichen Gemeinschaft umgesetzt werden. Die Diözese Rom darf nicht vergessen, daß sie die besondere Pflicht hat, Vorbild zu sein. Sie ist die von Petrus und Paulus evangelisierte Kirche. . Sie ist die Kirche, deren Bischof der Nachfolger Petri und als solcher Hirt der Gesamtkirche ist. Sie ist die Kirche, welcher der „Vorsitz in der Liebe” gebührt, wie der heilige Ignatius von Antiochien schrieb, als er in diese Stadt kam, um für Christus sein Blut zu vergießen {Brief an die Römer 1,1). Die in der Welt verstreuten Katholiken blicken zurecht nach Rom. Schwestern und Brüder der christlichen Gemeinde dieser Stadt, seid euch eurer Auszeichnung voll bewußt, und seid immer auf der Höhe eurer besonderen Mission, die ständig liebevolles apostolisches und missionarisches Bemühen erfordert. 106 A UDIENZEN UND ANGELUS 2. Wenn man auf die Jahre der Vorbereitung und der Feier der Synode zurückblickt, fragt man sich unwillkürlich: Was hat diese Synodenversammlung für jeden einzelnen von uns bedeutet? Zweifellos war sie vor allem ein großes Geschenk Gottes. Denn Gott ist es, der mit seinem Geist die Kirche ständig drängt, sich zu erneuern, und sie zu immer größerer Treue antreibt. Die Synode war zugleich ein Akt der Liebe unserer kirchlichen Gemeinschaft zu Christus. Während sie auf die Stimme des Geistes hörte, hat sich die Diözese Rom über ihren Glauben und ihr Zeugnis befragt, um im Licht der Zeichen der Zeit neue Einsatzweisen zu erkennen. Durch das Miteinbeziehen der Priester, Ordensleute und Laien, der Pfarrgemeinden und verschiedenen kirchlichen Gruppen in die Synode hat die Kirche außerdem sehr stark die Wirklichkeit der Gemeinschaft erfahren, die die Kirche, „das von der Einheit des Vaters, des Sohnes und Heiligen Geistes zusammengerufene Volk” (hl. Cyprian, De Orat. Dom. 23), tiefgreifend prägt. Durch diese neue Erfahrung der Brüderlichkeit haben die Christen von Rom auch ihre missionarische Ausrichtung erneuert, indem sie sich offen zeigten für die Probleme der Stadt und zu allen ihren Bewohnern Brücken bauten. Von der Feier der Synode kann man deshalb zurecht einen neuen Antrieb zur Evangelisierung und zum Liebeszeugnis erwarten. 3. Die heilige Jungfrau segne dieses große Bemühen um Erneuerung. Sie war unter den Aposteln, als der Geist am Pfingsttag auf die junge Kirche herabkam. Sie möge jetzt die Kirche in Rom mit ihrem mütterlichen Schutz begleiten, damit diese in den Fußstapfen von Petrus und Paulus und befruchtet durch deren Blutzeugnis eine vorbildliche Gemeinschaft werde, immer reicher an klarem Glaubens- und Liebeszeugnis. Militärbischof von El Salvador ermordet Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Soeben ist die traurige Nachricht von der Ermordung des Militärbischofs von El Salvador, Roberto Joaquin Ramos Umana, eingetroffen. Ich möchte den Bischöfen von El Salvador und dieser geliebten kirchlichen Gemeinschaft meine tiefe Anteilnahme zu dem barbarischen Mord dieses Würdenträgers aussprechen und schließe mich ihrem Gebet für seine Seelenruhe an. Gemeinsam mit der gesamten lateinamerikanischen Kirche, die noch den gewaltsamen Tod von Kardinal Posadas Ocampo und Erzbischof Oscar Romero beweint, bitte ich Gott, daß kein weiteres Blut in El Salvador vergossen werde, wo schon zuviel Blut geflossen und das Leid noch so groß ist. 107 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Apostelfürsten mögen helfen, die Schwierigkeiten in der Welt zu lösen Angelus am Fest Peter und Paul, 29. Juni Liebe Schwestern und Brüder! 1. „Ihre Botschaft geht in die ganze Welt hinaus, ihre Kunde bis zu den Enden der Erde” (Ps 19,5). Dieser Psahnvers, der sich auf die Gestirne des Firmaments bezieht, die schweigend, aber eindringlich von der Herrlichkeit Gottes künden, kann gut auf die beiden heiligen Apostel Petrus und Paulus angewandt werden, deren Fest die Kirche heute feiert. Ihr Wort, das getreue Echo des göttlichen Wortes, bleibt mit unauslöschlichen Buchstaben in der Geburtsurkunde der Kirche eingeschrieben. Aus ihrem Wort schöpfen alle christlichen Generationen. Man kann also sagen, daß es sich in der Zeit vervielfältigt: Ihre Botschaft geht in die ganze Welt hinaus! Zwei Stimmen sind es, die von Petrus und Paulus, verschieden geprägt durch ihre unverwechselbaren Persönlichkeiten, aber vollkommen gleichlautend in ihrer Botschaft. Sie rufen nur einen Namen in die Welt: Jesus Christus! 2. Petrus, der Fischer von Galiläa: geformt durch die Vertrautheit mit dem göttlichen Meister und trotz seiner Schwachheit berufen, die Herde Christi zu weiden. Paulus, der Verfolger: geblendet vom Licht des Auferstandenen auf dem Weg nach Damaskus und von da an unermüdlicher Verkünder des Evangeliums. Sie sind zusammen die Patrone dieser ehrwürdigen Stadt, die nach der vergänglichen Pracht der heidnischen Zeit die einzigartige Auszeichnung hatte, das Zentmm der Christenheit zu beherbergen. Hier hat der erste der Apostel sein Blut vergossen und so die endgültige und volle Antwort auf die Frage gegeben, die ihm Christus nach der Auferstehung gestellt hatte: „Liebst du mich mehr als diese?” (Joh 21,15). Hier hat der Völkerapostel sein Leben hingegeben, indem er auf diese Weise die große Leidenschaft seines Herzens vollendete: „Denn für mich ist Christus das Leben, und Sterben Gewinn” (Phil 1,21). Während die Kirche auf sie blickt, entdeckt sie immer wieder ihre Berufung, Zeichen und Werkzeug Christi, der das Licht der Welt ist, zu sein. Diese ihre Berufung wird heute durch die Anwesenheit nicht nur zahlreicher Erzbischöfe bekräftigt, die aus verschiedenen Teilen der Welt zum Empfang des Palliums gekommen sind, sondern auch durch die anwesenden Mitglieder der Delegation, die der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel entsandt hat. Alle und jeden einzelnen begrüße ich herzlich. 3. Liebe Schwestern und Brüder! Vertrauen wir der Fürsprache der heiligen Petrus und Paulus unseren Einsatz zur Neuevangelisierung an, zu der die Kirche sich be- 108 AUDIENZEN UND ANGELUS sonders an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends berufen fühlt. Wie viele Probleme warten auf eine Antwort, die die Welt nicht zu geben weiß! Wie viele falsche Lehrer lehren heute Wahrheiten, die nicht überzeugen und das Herz nicht erfüllen! Während Jahrhunderte und Reiche vergehen, bleibt die Kirche fest verankert im Glauben des Fischers von Galiläa: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens” (Job, 6,68). Maria, Mutter der Kirche und „Stern der Evangelisierung”, erlange uns, daß wir das Evangelium mit der Begeisterung und der Treue der Apostel verkünden. Liebe, Verehrung und Bewunderung für Paul VI. Erinnerung an die Wahl Paul VI. vor dreißig Jahren Nach einem kurzen Konklave wurde am 21. Juni 1963, vor dreißig Jahren, der Erzbischof von Mailand, Kardinal Giovanni Battista Montini, zum Papst gewählt, der den Namen Paul VI. annahm. Wir erinnern uns seiner mit Liebe, Verehrung und Bewundemng. Paul VI. nahm an jenem nun so fernen, aber so entscheidenden Tag die Last und Verantwortung auf sich, das n. Vatikanische Konzil fortzuführen und zu beenden. Nach dreißig Jahren wissen wir, wie erfreulich die Jahre seines Pontifikats gewiß waren für das Aggior-namento in der Kirche, das nach dem Willen der Vorsehung bewirkt wurde, daß es aber auch schwierige, leidvolle Jahre waren. Das erste Empfinden, das damals im Herzen des Papstes erwachte - wie er in der Radiobotschaft „Urbi et Orbi” bekannte -, war das sichere Vertrauen auf die allmächtige Hilfe des Herrn, der „unserem vor der gewaltigen Aufgabe bangenden Herzen die wache und feste Kraft, den unermüdlichen Eifer für seine Ehre, die missionarische Sorge um die weltweite, klare und überzeugende Verbreitung des Evangeliums eingeben wird”. Dies sind ausgewogene, kostbare Worte, die in den Wechselfällen des Pontifkats aufs genaueste bestätigt wurden. Sie sind auch für uns in Erinnerung an die kluge und geduldige Person Papst Pauls VI. ein Ansporn zu Vertrauen und Hoffnung. Der Priester soll in seinem Dienst auf die Hilfe Marias vertrauen Ansprache bei der Generalaudienz am 30. Juni 1. In der Biographie der heiligen Priester findet sich immer die große Bedeutung belegt, die sie Maria in ihrem Priesterleben zuerkannt haben. Die „Lebensbeschreibungen” finden ihre Entsprechung in den „Lebenserfahrungen” so vieler geliebter und verehrter Priester, die der Herr als wahre Verwalter der göttlichen Gnade unter den ihrer Hirtensorge anvertrauten Menschen oder als Prediger, 109 AUDIENZEN UND ANGELUS Kapläne, Beichtväter, Lehrer und Schriftsteller eingesetzt hat. Die geistlichen Lehrer und Führer bestehen auf der Wichtigkeit der Marienverehrung im Leben des Priesters als wirksame Stütze auf dem Weg der Heiligung, als ständige Ermutigung in den persönlichen Prüfungen und als gewaltige Kraft im Apostolat. Auch die Bischofssynode von 1971 hat diese Stimmen der christlichen Tradition den Priestern von heute überliefert, als sie empfahl: „Der Priester soll seinen Sinn auf das Himmlische richten und teilhaben an der Gemeinschaft der Heiligen; er soll zur Gottesmutter Maria aufschauen, die das Wort Gottes in vollkommenem Glauben angenommen hat. Er soll sie täglich um die Gnade (Gottes) bitten, ihn ihrem Sohne gleichförmig zu machen” (Der priesterliche Dienst, 2. Teil, 1,3: O.R.dt. Nr. 11, 1971, S. 5). Der tiefe Grund der Marienverehrung des Priesters wurzelt in der wesentlichen Beziehung, die zwischen der Mutter Jesu und dem Priestertum der Diener des Sohnes im göttlichen Plan festgelegt wurde. Wir wollen diesen besonderen Aspekt der priesterlichen Spiritualität vertiefen und daraus die praktischen Konsequenzen ziehen. 2. Die Beziehung Marias zum Priestertum erwächst vor allem aus der Tatsache ihrer Mutterschaft. Indem sie durch ihre Zustimmung zur Botschaft des Engels Mutter Christi wurde, ist Maria Mutter des Hohenpriesters geworden. Das ist eine objektive Wirklichkeit: Indem er durch die Fleischwerdung Menschennatur annahm, hat der ewige Sohn Gottes die Voraussetzung erfüllt, um durch seinen Tod und die Auferstehung der einzige Hohepriester der Menschheit zu werden (vgl. Hebr 5,1). Wir können eine vollkommene Übereinstimmung zwischen Maria und ihrem Sohn im Augenblick der Menschwerdung beobachten. Ja, der Brief an die Hebräer sagt uns, daß Jesus „bei seinem Eintritt in die Welt” eine priesterliche Ausrichtung auf das persönliche Opfer hin nahm, indem er zu Gott sprach: „Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen ... Da sagte ich: Ja, ich komme ..., um deinen Willen, Gott, zu tun” (Hebr 10,5-7). Das Evangelium berichtet uns, daß die Jungfrau Maria im gleichen Augenblick dieselbe Bereitschaft ausdrückte: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast” (.Lk 1,38). Diese vollkommene Übereinstimmung zeigt uns, daß zwischen der Mutterschaft Marias und dem Priestertum Christi ein enger Zusammenhang besteht. Aus derselben Tatsache ergibt sich eine besondere Verbindung des Priesterdienstes mit der seligen Jungfrau Maria. 3. Wie wir wissen, hat die seligste Jungfrau ihre Mutterrolle nicht nur durch die leibliche Geburt Jesu, sondern auch durch seine moralische Erziehung erfüllt. Aufgrund der Mutterschaft hatte sie die Aufgabe, das Kind Jesus in angemessener Weise auf seine Priestersendung vorzubereiten, deren Bedeutung sie bei der Ankündigung der Menschwerdung erfaßt hatte. In der Zustimmung Marias kann man deshalb eine Verbundenheit mit der wesentlichen Wahrheit des Priestertums Christi und der Annahme der Mitarbeit bei seiner Verwirklichung in der Welt erkennen. Damit wurde der tatsächliche Grand für die 110 AUDIENZEN UND ANGELUS Rolle gelegt, die Maria auch in der Formung der Diener Christi, der Teilhaber seines Priestertums, zu spielen berufen war. Im nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis sagte ich: „Jeder Aspekt der priesterlichen Ausbildung kann auf Maria bezogen werden” (Nr. 82). 4. Wir wissen außerdem, daß die Gottesmutter das Geheimnis Christi voll gelebt hat, das sie durch ihr persönliches Nachdenken über die Geschehnisse der Geburt und Kindheit des Sohnes (vgl. Lk 2,19; 2,51) immer tiefer erkannt hat. Sie bemühte sich, mit Verstand und Herz immer tiefer in den göttlichen Plan einzudringen, um bewußt und tatkräftig an ihm mitzuwirken. Wer könnte besser als sie die Diener ihres Sohnes heute erleuchten und führen, damit sie in die „unbeschreiblichen Reich-tümer” seines Geheimnisses eindringen, um in Übereinstimmung mit seiner Priestersendung zu handeln? Maria war auf einzigartige Weise mit dem priesterlichen Opfer Christi und seinem Willen, die Menschheit durch den Kreuzestod zu erlösen, vereint. Sie war die erste und vollkommenste Teilhaberin seines Opfers als „Sacerdos et Hostia”. Als solche kann sie denen, die auf Dienstebene am Priestertum ihres Sohnes teilhaben, die Gnade des Ansporns erwirken, damit sie immer mehr den Anforderungen der geistlichen Hingabe entsprechen, die das Priestertum mit sich bringt: besonders die Gnade des Glaubens, der Hoffnung und der Standhaftigkeit in den Prüfungen - Gnaden, die bekanntlich zu einer immer hochherzigeren Teilhabe am Erlösungsopfer anspomen. 5. Jesus hat Maria auf Golgota mit einer neuen Mutterschaft betraut, als er zu ihr sprach: „Frau, siehe, deinen Sohn” {Joh 19,26). Wir dürfen nicht verkennen, daß diese Mutterschaft in jenem Augenblick auf einen „Priester”, den Lieblingsjünger, bezogen wurde. Tatsächlich hatte nach den synoptischen Evangelien auch Johannes beim Abendmahl vom Meister die Vollmacht erhalten, das Kreuzesopfer zum Gedächtnis an ihn zu erneuern; mit den anderen Aposteln gehörte er zur Gruppe der ersten „Priester”; er ersetzte bei Maria den einzigen Hohenpriester, der die Welt verließ. In jenem Augenblick beabsichtigte Jesus gewiß, die universale Mutterschaft Marias im Gnadenleben gegenüber allen Jüngern von damals und aller Zeiten festzulegen. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß diese Mutterschaft zu einer konkreten und unmittelbaren Kraft in bezug auf einen Apostel, einen „Priester”, wurde. Und wir können uns denken, daß Jesus neben Johannes die lange Reihe seiner „Priester” von Jahrhundert zu Jahrhundert bis zum Ende der Welt vor Augen hatte. Und daß er besonders sie, einen nach dem anderen, wie den Lieblingsjünger der Mutterschaft Marias anvertraute. Jesus sagte auch zu Johannes: „Siehe, deine Mutter!” (Joh 19,27). Er gab dem Lieblingsapostel den Auftrag, Maria wie seine eigene Mutter zu behandeln, sie zu heben, zu ehren und zu beschützen während der Jahre, die sie noch auf Erden zu leben hatte, aber im Licht dessen, was für sie im Himmel geschrieben stand, in den sie aufgenommen und wo sie verherrlicht werden sollte. Diese Worte stehen am An- 111 AUDIENZEN UND ANGELUS fang der Marienverehrung: Bemerkenswert ist, daß sie an einen „Priester” gerichtet sind. Können wir vielleicht daraus nicht folgern, daß. der „Priester” beauftragt ist, diese Verehrung zu fördern und zu entfalten, und daß er der Hauptverantwortliche dafür ist? In seinem Evangelium will Johannes unterstreichen, daß „von jener Stunde an sie der Jünger zu sich nahm” (vgl. Joh 19,27). Er hat deshalb sofort der Aufforderung Christi entsprochen und Maria zu sich genommen mit einer den Umständen angemessenen Verehrung. Ich möchte sagen, daß er sich auch unter diesem Aspekt als ein „wahrer Priester”, gewiß, ein treuer Jünger Jesu, gezeigt hat. Maria zu sich nehmen bedeutet für jeden Priester, ihr im eigenen Leben einen Platz einzuräumen, indem man in fester Verbundenheit mit ihr bleibt im Denken, in der Liebe, im Eifer für das Reich Gottes und in der Verehrung zu ihr (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2673-2679). 6. Um was sollen wir Maria, die „Mutter des Priesters”, bitten? Heute mehr denn je soll der Priester Maria besonders um die Gnade bitten, das Geschenk Gottes mit dankbarer Liebe anzunehmen und es so hochschätzen, wie sie es im Magnifikat getan hat; die Gnade der Hochherzigkeit in der persönlichen Hingabe, um ihr Beispiel einer „hochherzigen Mutter” nachzuahmen; die Gnade der Reinheit und der Treue in der Verpflichtung zum Zölibat nach ihrem Beispiel als „treue Jungfrau”; die Gnade einer glühenden und erbarmenden Liebe im Licht ihres Zeugnisses der „Mutter der Barmherzigkeit”. Der Priester muß sich immer vor Augen halten, daß er in den Schwierigkeiten, die er hat, auf die Hilfe Marias zählen kann. Auf sie vertraut er und ihr übergibt er sich selbst und seinen Hirtendienst, während er sie bittet, ihn reiche Frucht tragen zu lassen. Und nicht zuletzt schaut er auf sie als vollkommenes Vorbild seines Lebens und seines Dienstes, denn sie ist, wie das Konzil sagt, diejenige, „die, vom Heiligen Geist geführt, sich selbst ganz dem Geheimnis der Erlösung der Menschen weihte. Diese Mutter des höchsten und ewigen Priesters, die Königin der Apostel und Schützerin ihres Dienstes, sollen die Priester mit kindlicher Ergebung und Verehrung hochschätzen und lieben” (Presbyterorum ordinis, Nr. 18). Ich rufe meine Mitbrüder im Priesteramt dazu auf, diese „wahre Marienverehrung” immer mehr zu pflegen und aus ihr die praktischen Konsequenzen für ihr Leben und ihren Dienst zu ziehen. Ich fordere alle Gläubigen auf, sich mit uns Priestern zu vereinen in der persönlichen Weihe an die Gottesmutter und im Gebet um alle Gnaden für sie selbst und für die ganze Kirche. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Sehr herzlich heiße ich Euch zu dieser Audienz willkommen. Es ist mir eine besondere Freude, Euch am Grab des Apostels Petrus begrüßen zu können, dessen Fest wir zusammen mit dem heiligen Paulus begangen haben. 112 AUDIENZEN UND ANGELUS Zum Wesen des priesterlichen Amtes, dem Thema unserer Katechesen, kommt ein weiteres Merkmal hinzu: die besondere Rolle Mariens im Leben des Priesters. Das Verhältnis Marias zum Priestertum geht vor allem aus ihrer Mutterschaft hervor. Indem sie durch ihr „Fiat” Christi Mutter wurde, ist sie zugleich Mutter des einzigen Hohenpriesters der Menschheit geworden, der bei seinem Eintritt in die Welt” (Hebr 10,5) sprach: „Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir erschaffen ... Da sagte ich: Ja ich komme ... um deinen Willen, Gott, zu tun (Hebr 10,5.7). Diese vollkommene Übereinstimmung zeigt uns, daß zwischen der Mutterschaft Mariens und dem Priestertum Christi eine innige Verbindung besteht. Maria war auf einzigartige Weise mit dem priesterlichen Opfer Christi und seinem Willen, die Menschheit durch den Kreuzestod zu erlösen, vereint. Sie war die erste und vollkommenste geistliche Teilhaberin seines Opfers als „Sacerdos et Hostia”. Auf dem Kalvarienberg hat Jesus Maria eine neue Mutterschaft anvertraut, als er sagte: „Frau, siehe, deinen Sohn” (Joh 19,26). Zu Johannes sagte er: „Siehe, deine Mutter” (Joh 19,27). Mit diesen Worten wurde dem gebebten Apostel aufgetragen, Maria als eigene Mutter zu betrachten, zu lieben und zu verehren. Mit unserer kurzen Betrachtung grüße ich Euch alle sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt der ökumenischen Pilgergruppe aus Göttingen, der Seniorengemeinschaft Ulmen und Umgebung sowie der Schülergruppe der Klasse 11 des Gymnasiums Eschenbach. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die Euch geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Dialog statt Gewalt Zu den anwesenden Kroaten sagte der Papst: Liebe kroatische Pilger, ich begrüße euch herzlich! Bringt Gott zusammen mit euren Gebeten für den Frieden auch eure Leiden dar, damit alle europäischen Völker endlich in wahrer Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit leben können. Gott segne euch! Gelobt seien Jesus und Maria! An japanische Religionsvertreter richtete der Papst folgendes Grußwort: Geehrte Anhänger der Tenrikyo-Religion! Wir wissen, daß zur Zeit leider in vielen Teilen der Welt die grausame Geißel des Krieges herrscht. Der Grund für so viel Übel ist offensichtlich: Es ist der Mangel an Nächstenliebe und Dialogbereitschaft zwischen den Menschen, die sich von den Gefühlen der Gewalt hinreißen lassen. Angesichts dieses Unheils müssen wir, die an Gott glauben, uns noch stärker verpflichtet fühlen, den Dialog fortzuführen, Nächstenhebe zu üben und den wahren Frieden verwirklichen. 113 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Jugend wird in Denver ein Zeichen gegen Gewalt setzen Angelus am 4. Juli Liebe Schwestern und Brüder! 1. Im kommenden Monat August treffen sieh Jugendliche aus aller Welt in Denver, in den Vereinigten Staaten, anläßlich des Weltjugendtages. Mit ihnen wollen wir uns auf diese große kirchliche Erfahrung vorbereiten, indem wir uns geistig auf den Weg nach Denver machen, wo gewiß wie in den vorhergegangenen Jahren in Buenos Aires, in Santiago de Compostela und in Tschenstochau eine außerordentliche und lebhafte Beteiligung der Jugend zu verzeichnen sein wird. In Denver versammeln sich Jugendliche aller Rassen und Kulturen, um der Welt ein Zeichen des Vertrauens zu geben in einem geschichtlichen Augenblick, der gekennzeichnet ist von Spannungen und blutigen Kriegen, von Ausbrüchen der Intoleranz, die imstande sind, die Einheit und den Frieden der Welt zu gefährden. 2. Die Jugendlichen werden sich die Hände reichen, indem sie die Farben ihrer Haut, ihrer Nationalflaggen, die Vielfalt der im gemeinsamen Glauben an Christus verankerten Kulturen und Erfahrungen vereinigen. Sie werden so einen riesigen Freundschaftsring bilden, um gleichsam die ganze Menschheit zum Zeichen des Friedens zu umarmen und eine unüberwindliche Schranke gegen jede Form von Gewalt zu errichten. Sie werden laut den Grund ihrer Hoffnung verkünden: Christus, der zu den Menschen gekommen ist, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (.Joh 10,10). Das soll Denver für die jungen Menschen, die teilnehmen werden, und für all jene bedeuten, denen eine persönliche Beteiligung nicht möglich ist, die sich aber geistig mit ihnen verbinden: um im Namen Jesu froh zusammenzusein und die großen Werte des Evangeliums miteinander zu teilen. 3. Liebe Schwestern und Brüder! Für viele beginnt im Monat Juli die traditionelle Ferienzeit und für viele Jugendliche fangen die Schulferien an. Auch ich werde mich am kommenden Mittwoch nach Cadore begeben, um dort einige Ruhetage im Gebirge zu verbringen. In einer Gesellschaft, wo der Rhythmus des täglichen Lebens sich übermäßig beschleunigt hat, ist es notwendig, den Wert der Ruhepause wiederzuentdecken, wobei jedoch zu vermeiden ist, daß man ihn - wie ein gewisser Hedonismus zu tun verleiten würde - in eine „Ruhepause der Werte” verwandelt. Ferien sind dann erholsam, wenn sie uns den gewohnten Verpflichtungen des Alltags entziehen und uns erlauben, die gewöhnlich vernachlässigten Werte neu zu entdecken, zum Beispiel die Freude an der Natur, das Geschenk der Freundschaft und der Solidarität. Ferien, die vor allem Zeit bieten für die geistliche Tätigkeit, für Meditation und Gebet. Ich wünsche von Herzen, daß es für alle so sei. 114 AUDIENZEN UND ANGELUS In diesem Augenblick denke ich auch an alle, die leider nicht in Urlaub fahren können, an die alten Menschen, die allein zuhause bleiben, an die Kranken, die die Sommermonate im Krankenhaus verbringen. Die Gottesmutter helfe, daß es den Leidenden und den Menschen in Not nicht an Freunden fehle, die sie stützen. An Maria wenden wir uns jetzt vertrauensvoll und bitten sie, daß sie für jeden Freude und Frieden erlange. Nach dem Angelus sagte der Papst: Ich möchte meinen Schmerz über die traurigen Ereignisse ausdrücken, die in diesen Tagen in Mogadischu geschehen sind, wo drei italienische Soldaten starben und mehrere verwundet wurden bei der Erfüllung ihrer Mission, in Somalia Hilfe zu leisten und Frieden zu schaffen. Ich lade euch ein, gemeinsam mit mir für die jungen Opfer zu beten und den Herrn um Trost zu bitten für ihre so schwer geprüften Angehörigen. Gott gebe, daß in diesem gequälten Land die blutigen Auseinandersetzungen beendet werden und endlich ein friedliches und geordnetes Zusammenleben beginnt. Das Hirtenamt nicht in einem autoritären Stil ausüben Ansprache bei der Generalaudienz am 7. Juli 1. In den vorausgegangenen Katechesen über die Priester haben wir schon mehrmals auf die Bedeutung hingewiesen, welche die Nächstenliebe in ihrem Leben hat. Wir wollen jetzt eingehender darüber sprechen, indem wir von der Wurzel der Nächstenliebe im Leben des Priesters selbst ausgehen. Die Wurzel gründet in seiner Identität als „Mann Gottes”. Der erste Johannesbrief lehrt uns: „Gott ist die Liebe (4,8). Weil er „Mann Gottes” ist, muß er ein Mann voll Liebe sein. In ihm wäre keine wahre Gotteshebe - und nicht einmal eine wahre Frömmigkeit, ein wahrer apostolischer Eifer - ohne die Liebe zum Nächsten. Jesus selbst hat uns auf die Verbindung zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten hingewiesen, so daß „den Herrn deinen Gott heben aus ganzem Herzen” nicht zu trennen ist von „deinen Nächsten heben” (vgl. Mt 22,36-40). Deshalb fordert der Autor des genannten Briefes: „Dieses Gebot haben wir von ihm: Wer Gott hebt, soll auch seinen Bruder heben” (1 Joh 4,21). 2. Wenn er von sich spricht, beschreibt Jesus diese Liebe als die eines „guten Hirten”, der nicht seine Interessen, seinen Vorteil wie der bezahlte Knecht verfolgt. Der Gute Hirt - sagt er - hebt seine Schafe so sehr, daß er für sie sein Leben hingibt (vgl. Joh 10,11.15). Es ist also eine Liebe, die bis zum Heroismus führt. Wir wissen, mit wieviel Reahsmus ah das im Leben und Sterben Jesu Ausdruck gefunden hat. Diejenigen, die von Christus durch die Priesterweihe den Hirtenauftrag 115 AUDIENZEN UND ANGELUS erhalten, sind berufen, in ihrem Leben die heroische Liebe des guten Hirten zu üben und sie ihn ihrem Handeln zu bezeugen. 3. Gut sichtbar sind im Leben Jesu die wesentlichen Merkmale der „Hirtenliebe”, die er zu seinen „Mitmenschen” hegt und die er seine Mitbrüder, die „Hirten” bittet nachzuahmen. Seine Liebe ist vor allem demütig: „Ich bin gütig und von Herzen demütig” (Mt 11,29). Bezeichnenderweise empfiehlt er seinen Aposteln, auf persönlichen Ehrgeiz und Herrschaftsanspruch zu verzichten, um das Beispiel des „Menschensohnes” nachzuahmen, der „nicht gekommen (ist), um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele” (Mk 10,45; Mt 20,28; vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 21-22). Daraus folgt, daß die Hirtenmission nicht mit einer Haltung der Überlegenheit oder in autoritärem Stil ausgeübt werden darf (vgl. 1 Petr 5,3), der die Gläubigen verunsichern und vielleicht von der Herde entfernen würde. Auf den Spuren Christi, des guten Hirten, muß man sich zu einem Geist demütigen Dienens heranbilden (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 876). Jesus gibt uns außerdem das Beispiel einer mitleidsvollen Liebe, das heißt voll aufrichtiger und tätiger Teilnahme an den Leiden und Schwierigkeiten der Mitmenschen. Er hat Mitleid mit den Scharen ohne Hirten (Mt 9,36), deshalb ist er besorgt, sie durch seine Worte des Lebens zu führen und „lehrt sie lange” (Mk 6,34). Durch dieses Mitleid heilt er viele Kranke (Mt 14,14) und gibt ihnen ein Zeichen der geistlichen Genesung; er vermehrt das Brot für die Hungernden (Mt 15,32; Mk 8,2), deutliches Symbol der Eucharistie; er empfindet Mitleid für die menschlichen Nöte (Mt 20,34; Mk 1,41), und will Hilfe bringen; er nimmt teil am Schmerz derer, die den Verlust eines lieben Angehörigen beweinen (LA; 7,13; Joh 11,33-35); auch mit den Sündern hat er Erbarmen (vgl. Lk 15,1-2), gemeinsam mit dem Vater, der voll des Mitleids für den verlorenen Sohn ist (vgl. Lk 15,20) und Barmherzigkeit, nicht Opfer will (vgl. Mt 9,10-13). Es fehlt auch nicht an Fällen, in denen er seine Gegner tadelt, weil sie sein Mitleid nicht verstehen (Mt 12,7). 4. Dabei ist es bedeutsam, daß der Brief an die Hebräer im Hinblick auf das Leben und den Tod Jesu die Solidarität und das Mitleid als wesentliche Züge des authentischen Priestertums darstellt. Der Brief bekräftigt, daß der Hohepriester „aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt (wird)... Er ist fähig, für die Unwissenden und Irrenden Verständnis aufzubringen” (Hebr 5,1-2). Deshalb mußte auch der ewige Sohn Gottes „in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen” (ebd., 2,17). Darum ist es für uns Christen ein großer Trost zu wissen, daß wir „ja nicht einen Hohen Priester (haben), der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat” (ebd., 4,15). Der Priester findet deshalb in Christus das Vorbild einer wahren Liebe zu den Leidenden, den Armen, den Bedrängten und vor allem zu den Sündern, denn Jesus ist 116 AUDIENZEN UNDANGELUS den Menschen nahe durch ein ähnliches Leben wie dem unsem; er hat Prüfungen und Bedrängnisse wie wir erlebt; er ist deshalb voll des Mitleids für uns und „ist fähig, für die Unwissenden und Irrenden Verständnis aufzubringen” (Hebr 5,2). Und schließlich hilft er wirksam den Menschen in Versuchung, „denn da er selbst in Versuchung geführt wurde und gelitten hat, kann er denen helfen, die in Versuchung geführt werden” (ebd., 2,18). 5. Im Hinblick auf die göttliche Liebe stellt das II. Vatikanische Konzil die Priesterweihe als Quelle der Hirtenliebe vor: „Die Priester des Neuen Testamentes werden zwar aufgrund ihrer Berufung und Weihe innerhalb der Gemeinde des Gottesvolkes in bestimmter Hinsicht abgesondert, aber nicht um von dieser, auch nicht von irgendeinem Menschen, getrennt zu werden, sondern zur gänzlichen Weihe an das Werk, zu dem sie Gott erwählt hat. Sie könnten nicht Christi Diener sein, wenn sie nicht Zeugen und Ausspender eines anderen als des irdischen Lebens wären; sie vermöchten aber auch nicht den Menschen zu dienen, wenn diese und ihre Lebensverhältnisse ihnen fremd blieben” (Presbyterorum ordinis, Nr. 3). Es handelt sich um zwei Erfordernisse, die zwei Aspekte des priesterlichen Verhaltens begründen: „Ihr Dienst verlangt in ganz besonderer Weise, daß sie sich dieser Welt nicht gleichförmig machen; er erfordert aber zugleich, daß sie in dieser Welt mitten unter den Menschen leben, daß sie wie gute Hirten ihre Herde kennen und auch die heimzuholen suchen, die außerhalb stehen, damit sie Christi Stimme hören und eine Herde und ein Hirt sei” (Presbyterorum ordinis, Nr. 3). In diesem Sinn erklärt sich die intensive Tätigkeit des Paulus bei der Spendensammlung für die ärmeren Gemeinden (vgl. 1 Kor 16,1-4) und die Empfehlung, die der Autor des Briefes an die Hebräer gibt, einander zu unterstützen und die Güter mit den anderen zu teilen (koinoma) wie wahre Jünger Christi (vgl. Hebr 13,16). 6. Der Weisung des Konzils entsprechend soll der Priester, der sich nach dem guten Hirten formen und in sich selbst seine Liebe zu den Menschenbrüdem erzeugen will, sich um einige heute mehr denn je wichtige Dinge bemühen: die eigene Herde zu kennen (Presbyterorum ordinis, Nr. 3), besonders durch Kontaktnahme, Hausbesuche, freundschaftliche Beziehungen, geplante oder zufällige Begegnungen usw. und immer mit dem Ziel und im Geist des guten Hirten; für die Menschen, die sich an ihn wenden, soll der Priester so wie Jesus eine freundliche Haltung einnehmen, immer bereit und imstande zuzuhören, darauf bedacht, zu verstehen, offen, ehrlich und voll Güte; der Priester soll sich in den Hilfswerken und Initiativen für die Armen und Behinderten einsetzen; er soll vor allem jene Eigenschaften pflegen und entfalten, „die zu Recht in der menschlichen Gesellschaft sehr geschätzt sind: Herzensgüte, Aufrichtigkeit, Charakterfestigkeit und Ausdauer, unbestechlicher Gerechtigkeitssinn, gute Umgangsformen” (.Presbyterorum ordinis, Nr. 3), außerdem Geduld, die Bereitschaft, rasch und hochherzig zu verzeihen, Freundlichkeit, Geselligkeit, die Fähigkeit, verfügbar und dienstbereit zu sein, ohne den Wohltäter spielen zu wollen. Es ist eine Reihe von menschlichen und seelsorglichen Eigenschaften, die 117 AUDIENZEN UND ANGELUS die Liebe Christi im Verhalten des Priesters zum Ausdruck bringen muß (vgl. Pasto-res dabo vobis, Nr. 23). 7. Von der Liebe getragen, kann der Priester in seinem Dienst dem Beispiel Christi folgen, dessen Speise es war, den Willen des Vaters zu tun. In der Hebe vollen Zustimmung zu diesem Willen wird der Priester den Ursprung und die QueHe der Einheit seines Lebens finden. Das Konzil bekräftigt: „Die Priester werden ... sich mit Christus vereinigen im Erkennen des väteriichen WUlens .,. Wenn sie so die Rolle des guten Hirten übernehmen, werden sie gerade in der Betätigung der Hirtenhebe das Band der priesterlichen Vollkommenheit finden, das ihr Leben und ihr Wirken zur Einheit verknüpft” {Presbyterorum ordinis, Nr. 14). Die Quelle, aus der solche Liebe zu schöpfen ist, bleibt immer die Eucharistie, die „daher Mitte und Wurzel des ganzen priesteriichen Lebens (ist), so daß der Priester in seinem Herzen auf sich beziehen muß, was auf dem Opferaltar geschieht” (Presbyterorum ordinis, Nr. 14). Die Gnade und die Liebe verbreitet sich so vom Altar zum Ambo, zum Beichtstuhl, zum Pfarramt, zur Schule, zum Pfarrzentrum, in die Häuser und Straßen, in die Krankenhäuser, die Verkehrsmittel und in die Medien, überaH dort, wo der Priester die MögHchkeit hat, seinen Hirtenauftrag zu erfüllen: In jedem Fall ist es seine Messe, die sich ausdehnt, seine geistliche Verbundenheit mit Christus, dem Priester und Opfer, die ihn dahin führt, zum Wohl der Mitmenschen „Weizenkom Gottes zu sein, um als reines Brot Christi befunden zu werden”, wie der heüige Ignatius von Antiochien sagt (vgl. Epist. ad Romanos, IV, 1). In .deutscher Sprache sagte der Papst: In unserer heutigen Katechese, die wiederum den Priestern und ihrem Dienst gewidmet ist, woHen wir uns der Bedeutung der Nächsteidiebe im priesterlichen Leben zuwenden. Die Wurzel dieser Liebe zu den Brüdern und Schwestern Hegt in der Identität des Priesters als „Mann Gottes” begründet. Da Gott selbst „Liebe” ist (/ Job 4,8), muß sich auch der Priester durch wahre Liebe zu Gott, durch tiefe Frömmigkeit, echten apostoHschen Eifer und aufrichtige Liebe zum Nächsten auszeichnen. Jesus selbst beschreibt diese Liebe als diejenige eines „guten Hirten”, der nicht seinen eigenen Vorteil sucht. Der gute Hirte Hebt seine Schafe und ist bereit, für sie sein Leben hinzugeben. Im Leben und Sterben Christi hat diese Haltung in besonderer Weise ihre VerwirkHchung erfahren. So sind auch diejenigen, die durch die Priesterweihe Anteil an der Hirtensendung haben, aufgerufen, durch ihr Lebensbeispiel die unüberbietbare Liebe des guten Hirten zu bezeugen. Der Dienst als Hirte darf also keinesfaUs aus einer Haltung der Überlegenheit und in autoritärem Stil ausgeübt werden, wodurch die Gläubigen nur abgestoßen und von der Herde entfernt würden. Auf den Spuren Christi, des guten .Hirten, werden die Priester ihren Dienst in bescheidener Gesinnung ausüben. . 118 AUDIENZEN UND ANGELUS All ihr pastorales Tun soll also geprägt sein vom Geist des guten Hirten: die seelsorglichen Kontakte und Gespräche, die Besuche und die zahlreichen tagtäglichen Begegnungen. Mitte und Wurzel des ganzen priesterlichen Lebens ist dabei stets die heilige Eucharistie, wobei der Priester sich im Gebet immer inniger in das Geheimnis Christi zu vertiefen sucht (Presbyterorum ordinis, Nr. 14). Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich Euch, hebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern, sehr herzhch. Ich wünsche Euch erholsame Ferien, in denen Ihr auch Zeit finden möget, Euren Glauben neu zu beleben und zu festigen. Dazu erteile ich Euch und Euren heben Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen Apostolischen Segen. 350 Kandidaten bereiten sich in Ungarn auf das Priestertum vor Alumnen des byzantinischen Ritus bei Mittwochsaudienz Voll Liebe begrüße ich die ungarischen Pilger: die Alumnen des Priesterseminars des byzantinischen Ritus von Nyiaregyhaza, die Mitgheder des Bardos-Chores von Budapest und die Gläubigen von Sarvar, Papa, Miskolc und Lajosmizse. Der Herr hat eure Schritte zum Grab des Apostelfürsten geführt. Liebe ungarische Pilger, ich bitte euch, während eurer Ferien nicht nur Zeit zum Ausruhen, sondern auch Zeit für die geisthche Tätigkeit, für Gebet und Meditation, zu finden. Von Herzen erteile ich euch und allen ungarischen Katholiken meinen Apostohschen Segen. Gelobt sei Jesus Christus! Besonders die Jugend für den Umweltschutz sensibilisieren Angelus in Santo Stefano di Cadore am 11. Juli Liebe Schwestern und Brüder! 1. Unser Bhck ist auch heute auf Denver gerichtet, wo im kommenden August das Welttreffen der Jugend geplant ist. In den geistlichen Vorbereitungsweg zu diesem wichtigen kirchlichen Ereignis fügt sich gut die heutige Begegnung zwischen den Bergen und Tälern von Cadore. Diese mir bereits vertrauten Orte Hebe ich nicht nur wegen ihrer landschaftlichen Schönheit, sondern auch wegen der herzhchen Gastfreundschaft ihrer Bewohner. Die sorgfältig geachtete Natur teilt hier ihre Reichtümer mit vollen Händen aus. Das Herz wird weit, und ganz spontan will man dem Herrn ein Loblied singen: „Preist den Herrn, all ihr Werke des Herrn; lobt und rühmt ihn in Ewigkeit!” (Dan 3,57). 2. Es ist bezeichnend, daß in unserer Zeit angesichts dessen, was die Gefahr des „Umwelt-Holocausts” genannt wird, eine große kulturelle Bewegung entstanden ist mit dem Ziel, die Umwelt zu schützen und neu zu entdecken. Für dieses dringende 119 AUDIENZEN UND ANGELUS Anliegen muß besonders die Jugend sensibilisiert werden. Das achtungsvolle Genießen der Natur ist als wichtiger Bestandteil ihres Erziehungsprozesses zu betrachten. Wer wirklich sich selbst finden will, muß lernen, die Natur zu genießen, deren Zauber eng mit der Stille der Kontemplation verbunden ist. Die Tonarten der Schöpfung sind gleichfalls Mittel von außerordentlicher Schönheit, durch welche die empfängliche und gläubige Seele mühelos das Echo der geheimnisvollen, höheren Schönheit vernehmen kann, die Gott selbst ist, der Schöpfer, von dem jede Wirklichkeit ihren Urspmng und ihr Leben hat. 3. Das heutige Fest des hl. Benedikt von Nursia, des Schutzpatrons von Europa, lädt zu dieser Suche ein. Er lebte in einer Zeit der Krise der antiken Zivilisation und gründete Klöster, die Oasen der Kontemplation und zugleich Baustellen wurden. Das Mönchtum wußte klugerweise, wie Papst Paul VI. gut beobachtet hatte, „das Kreuz, das Buch und den Pflug” miteinander zu verbinden (Pacis nuntius, 24. Oktober 1964): drei Elemente, die nie voneinander getrennt werden dürfen, will man nicht das Gleichgewicht der Person, der Gesellschaft und der Umwelt gefährden. Der benediktinische Leitspruch „Ora et labora” ist eine weise Formel, dazu bestimmt, die Herzen und die Geister zu erbauen, aber auch „die Wüsteinei und Wildnis in fruchtbare Felder und schöne Gärten zu verwandeln” (ebd.) Das Beispiel von Benedikt, den wir heute besonders verehren, helfe dem Menschen dieser Zeit, die Fähigkeit der Synthese, an die großteils die Qualität der Zukunft der Menschheit gebunden ist. Das ist ein Wunsch für die Jugendlichen, die sich auf das große Treffen in Denver vorbereiten. Treffen in Denver vorbereiten; ein Anhegen, das ich heute zu meiner Freude euch allen empfehlen möchte, euch jungen und weniger jungen Menschen von Cädore, die ihr an der heutigen Biegegnung teilnehmt. Die Fürsprache des hl. Benedikt und der mütterliche Schutz der seligsten Jungfrau mögen bewirken, daß alle die reiche Fülle der Gaben Gottes erlangen. Zölibat bedeutet volle Zugehörigkeit zu Christus Ansprache bei der Generalaudienz am 17. Juli 1. Als Jesus die ersten Apostel berief, um sie zu „Menschenfischem” zu machen (Mt 4,19; Mk 1,17; vgl. Lk 5,10), üeßen sie „alles zurück und folgten ihm nach”, so heißt es in den Evangelien (Lk 5,11; vgl. Mt 4,20.22; Mk 1,18.20). Einmal erinnerte sich Petrus selbst an diesen Aspekt der Apostelberufung und sagte zu Jesus: „Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt” (Mt 19,27; Mk 10,28; vgl. Lk 18,28). Daraufhin zählte Jesus alle Trennungen auf, die - so sagte er - „um meinetwillen und um des Evangeliums willen” (Mk 10,29) notwendig sind. Es handelte sich nicht nur darum, auf materielle Güter wie „Haus” oder „Äcker” zu verzichten, sondern sich auch von den liebsten Menschen zu trennen: „Brüder, Schwestern, 120 AUDIENZEN UND ANGELUS Mutter, Vater, Kinder”, sagen Matthäus und Markus, „Frau, Brüder, Eltern oder Kinder”, sagt Lukas (18,29). Achten wir hier auf die unterschiedlichen Berufungen. Nicht von allen seinen Jüngern forderte Jesus den totalen Verzicht auf das Familienleben, auch wenn er von allen den ersten Platz im Herzen eines jeden verlangte, als er sagte: „Wer Vater oder Mutter mehr hebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr hebt als mich, ist meiner nicht würdig” (Mt 10,37). Der geforderte tatsächliche Verzicht ist dem apostohschen Leben oder dem besonders geweihten Leben eigen. Von Jesus gerufen, verheßen „Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und sein Bruder Johannes” nicht nur das Boot, in dem sie „ihre Netze herrichteten”, sondern auch ihren Vater, mit dem sie waren (Mt 4,22; vgl. Mk 1,20). Diese Feststellungen helfen uns den Grund der kirchlichen Gesetzgebung hinsichtlich des Priesterzölibats zu verstehen. Denn die Kirche war und ist der Auffassung, daß der Zöhbat in der Logik der Priesterweihe und der daraus folgenden vollkommenen Zugehörigkeit zu Christus hegt im Hinblick auf die bewußte Verwirklichung des Auftrags für das geistliche Leben und die Evangelisierung. 2. Im Matthäusevangelium, kurz vor der soeben zitierten Stehe über die Trennung von den heben Menschen, spricht Jesus in der starken semitischen Ausdrucksweise von einem anderen „um des Flimmelreiches willen” geforderten Verzicht, das heißt den Verzicht auf die Ehe. „Manche sind ... zur Ehe unfähig, ... und manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen” (Mt 19,12). Das heißt, sie haben sich zum Zöhbat verpflichtet, um sich ganz in den Dienst „des Evangeliums vom Reich” zu stellen (vgl. Mt 4,23; 9,35; 24,34). In seinem ersten Brief an die Korinther bekräftigt der Apostel Paulus, daß er entschlossen diesen Weg beschritten habe, und offenbart die Kohärenz der eigenen Entscheidung mit den Worten: „Der Unverheiratete sorgt sich um die Sache des Herrn; er will dem Herrn gefallen. Der Verheiratete sorgt sich um die Dinge der Welt; er will seiner Frau gefaben. So ist er geteilt” (1 Kor 7,32-34). Gewiß ist es nicht günstig, daß deijenige „geteilt ist”, der als Priester berufen ist, sich um die Sache des Herrn zu sorgen. Wie das Konzil lehrt, hat die Kirche die Verpflichtung zum Zöhbat - erwachsen aus einer Tradition, die an Christus anknüpft - „besonders im Hinblick auf das priesterhche Leben immer hoch eingeschätzt. Ist sie doch ein Zeichen und zugleich ein Antrieb der Hirtenliebe und ein besonderer Quell geistlicher Fruchtbarkeit in der Welt” (Presbyterorum ordinis, Nr. 16). Es ist wahr, daß in den orientalischen Kirchen viele Priester rechtmäßig nach dem sie betreffenden kanonischen Recht verheiratet sind. Aber die Bischöfe und eine gewisse Anzahl von Priestern leben auch in diesen Kirchen zöhbatär. Diese unterschiedliche Ordnung, die mit den von der Kirche bemessenen Zeit- und Ortsverhältnissen zusammenhängt, erklärt sich aus der Tatsache, daß die vollkommene Enthaltsamkeit, wie das Konzil sagt, „nicht vom Wesen des Priestertums selbst gefordert” ist (ebd.). Sie gehört nicht zum Wesen des Priestertums als Stand und wird 121 AUDIENZEN UND ANGELUS infolgedessen keinesfalls in allen Kirchen auferlegt. Jedoch bestehen keine Zweifel über ihre Angemessenheit, ja Übereinstimmung mit den Anforderungen der heiligen Weihe. Sie gehört, wie gesagt, zur Logik der Priesterweihe. 3. Das konkrete Ideal dieser Bedingung des geweihten Lebens ist Jesus, das Vorbild aller, aber besonders der Priester. Er lebte als Unverheirateter und konnte deshalb alle seine Kräfte der Verkündigung des Reiches Gottes und dem Dienst an den Menschen widmen mit einem für die gesamte Menschheit offenen Herzen und als Stammvater einer neuen Generation im Geist. Er entschied sich wirklich „für das Himmelreich” (vgl. Mt 19,12). Durch sein Beispiel gab Jesus eine Ausrichtung, der man gefolgt ist. Nach den Evangelien scheint es, daß die Zwölf, dazu bestimmt, als erste an seinem Priestertum teilzuhaben, auf ihr Familienleben verzichteten und ihm nachfolgten. In den Evangelien ist nie die Rede von Frauen oder Kindern in bezug auf die Zwölf, auch wenn sie uns wissen lassen, daß Petrus, bevor er von Jesus gerufen wurde, ein verheirateter Mann war (vgl. Mt 8,14; Mk 1,30; Lk 4,28). 4. Jesus hat kein Gesetz erlassen, sondern ein Ideal des Zölibats vorgelebt für das neue Priestertum, das er stiftete. Dieses Ideal hat sich immer mehr in der Kirche durchgesetzt. Es ist verständlich, daß in der ersten Zeit der Verbreitung und Entwicklung des Christentums eine große Anzahl von Priestern verheiratete Männer waren, erwählt und geweiht gemäß der jüdischen Tradition. Wir wissen, daß in den Briefen an Timotheus (/ Tim 3,2-3) und an Titus (1,6) von den zu Priestern gewählten Männern die Eigenschaft gefordert wird, gute Familienväter und mit einer einzigen Frau verheiratet (das heißt ihren Ehefrauen treu) zu sein. Es ist eine Kirche in der Organisierungs- und, man kann sagen, Versuchsphase im Hinblick auf das, was als Ordnung des Lebensstandes besser dem Ideal und den vom Herrn angebotenen „Räten” entspricht. Aufgrund der Erfahrung und der Einsichten hat sich nach und nach die Zölibatsordnung durchgesetzt, bis sie in der westlichen Kirche durch die kanonische Gesetzgebung allgemein gültig wurde. Sie war nicht nur die Folge einer juridischen und ordnungsmäßigen Tatsache: Sie war die Reifung eines kirchlichen Bewußtseins hinsichtlich der' Zweckmäßigkeit des priesterlichen Zölibats nicht nur aus geschichtlichen und praktischen Gründen, sondern auch aufgrund der Übereinstimmung, die man zwischen dem Zölibat und den Anforderungen des Priestertums immer mehr entdeckte. 5. Das II. Vatikanische Konzil zählt die Gründe dieser „tiefen Übereinstimmung” des Zölibats mit dem Priestertum auf: „Durch die Jungfräulichkeit und die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen werden die Priester in neuer und vorzüglicher Weise Christus geweiht; sie hangen ihm leichter ungeteilten Herzens an, schenken sich freier in ihm und durch ihn dem Dienst für Gott und die Menschen, dienen ungehinderter seinem Reich und dem Werk der Wiedergeburt aus Gott und werden so noch mehr befähigt, die Vaterschaft in Christus tiefer zu verstehen. ... So weisen sie auf jenen geheimnisvollen Ehebund hin, der von Gott begründet ist und im anderen 122 AUDIENZEN UND ANGELUS Leben ins volle Licht treten wird, in welchem die Kirche Christus zum einzigen Bräutigam hat. Darüber hinaus sind sie ein lebendiges Zeichen der zukünftigen, schon jetzt in Glaube und Liebe anwesenden Welt”, in der die Auferstandenen weder heiraten noch geheiratet werden (Presbyterorum ordinis, Nr. 16; vgl! Pastores dabo vobis, Nm. 29, 50; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1579). Diese Gründe edler geistlicher Erhebung können wir in den folgenden wesentlichen Punkten zusammenfassen: vollkommenere Zugehörigkeit zu Christus, der mit ungeteiltem Herzen geliebt und dem besser gedient wird (vgl. 1 Kor 7,32-33); größere Bereitschaft für den Dienst des Reiches Christi und für die Erfüllung der eigenen Aufgaben in der Kirche; die außerordentliche Entscheidung zur geistlichen Fruchtbarkeit (vgl. 1 Kor 4,15); eine Lebensform, die dem endgültigen Leben im Jenseits ähnlicher und deshalb vorbildlicher für das Diesseits ist. Das gilt für alle, auch für unsere Zeiten als Grund und höchstes Kriterium jeden Urteils und jeder Wahl in Übereinstimmung mit dem Ruf, „alles zu verlassen”, den Jesus an die Jünger und besonders an die Apostel gerichtet hat. Deshalb hat die Bischofssynode 1971 bekräftigt: „Das in der lateinischen Kirche bestehende Gesetz des priesterlichen Zölibats muß unversehrt erhalten bleiben” (Der priesterliche Dienst, zweiter Teil, 1,4: OR.dt. Nr. 11, 1971, S. 6). ' 6. Es ist wahr, daß die Praxis des Zölibats heute unter den subjektiven und objektiven Lebensumständen der Priester manchmal auch auf schwere Hindernisse stößt. Die Bischofssynode hat sie berücksichtigt, war aber der Meinung, daß die heutigen Schwierigkeiten zu überwinden sind, „wenn dazu geeignete Voraussetzungen geschaffen werden, nämlich: das Wachstum des inneren Lebens durch das Gebet, die Abtötung, die selbstlose Liebe zu Gott und dem Nächsten und andere Hilfen des geistlichen Lebens; ferner eine natürliche innere Ausgeglichenheit durch eine geordnete Eingliederung in das Gesamtgefüge zwischenmenschlicher Beziehungen; der brüderliche Verkehr und Gedankenaustausch mit den übrigen Mitbrüdem im Priesteramt und dem Bischof, die durch eine bessere Anpassung der pastoralen Strukturen und auch durch die Mithilfe der Gemeinde möglich gemacht werden” (ebd.). Es ist eine Art Herausforderang seitens der Kirche an die Mentalität, die Strömungen, die Krankheiten des Jahrhunderts mit dem immer wieder neuen Willen, dem Ideal des Evangeliums gegenüber kohärent und treu zu sein. Deshalb hat die Bischofssynode - auch wenn sie zugibt, daß der Papst das Vorgehen in einigen Fällen besonders abwägen und bestimmen kann - bekräftigt, daß in der lateinischen Kirche „die Priesterweihe von verheirateten Männern nicht gestattet (wird), auch nicht in Sonderfällen” (ebd.). Die Kirche ist der Meinung, daß das in Jahrhunderten gereifte Bewußtsein vollkommener Weihe immer noch Grand hat, zu bestehen und sich immer besser zu entfalten. Die Kirche weiß - und sie weist die Priester und alle Gläubigen mit den Worten des Konzils darauf hin, „daß der himmlische Vater die Berufung zum ehelosen lieben, das ja dem neutestamentlichen Priestertum so angemessen ist, großzügig geben 123 AUDIENZEN UND ANGELUS wird, wenn nur diejenigen, die durch das Sakrament der Weihe am Priestertum Christi teilhaben, zusammen mit der ganzen Kirche demütig und inständig darum bitten” (Presbyterorum ordinis, Nr. 16). Aber vielleicht ist es zuvor noch notwendig, die Gnade zum Verständnis des prie-sterlichen Zölibats zu erbitten, der zweifellos ein gewisses Geheimnis umfaßt: das der Bitte um Kühnheit und Vertrauen im ausschließlichen Verbundensein mit der Person und dem Erlösungswerk Christi im totalen Verzicht, der in menschlichen Augen erschütternd sein mag. Jesus selbst macht, als er davon spricht, darauf aufmerksam, daß ihn nicht alle verstehen können (vgl. Mt 19,10-12). Selig, die die Gnade erhalten, ohne zu verstehen, und auf diesem Weg treu bleiben! In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher und sehr herzlich. Mit meinen besten Wünschen für einen erholsamen Urlaub, der auch der geistig-seelischen Entspannung dienen möge, erteile ich Euch, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Das gemeinsame Gebet der Christen ist die Seele der ökumenischen Bewegung Angelus in Castel Gandolfo am 18. Juli 1. Genau vor einem Monat ist in Balamand (Libanon) die internationale gemischte Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen zusammengetreten. Das Treffen wurde im lobenswerten Geist herzlicher Brüderlichkeit vom griechisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien gastlich aufgenommen, dem ich meine dankbare Hochschätzung ausspreche. Vor diesem Treffen hatte ich dazu aufgerufen, für seinen guten Erfolg zu beten. Heute möchte ich meinen Appell erneuern, für die Ökumene zu beten. Im Laufe dieses Sommers sind nämlich noch andere ökumenische Begegnungen mit anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften geplant: Auf sie richten sich die Augen all derer, denen das Ziel der vollen Einheit zwischen den Christen am Herzen liegt. „Alle sollen eins sein ..., damit die Welt glaubt” (Joh 17,21). Dem Willen des Herrn gehorsam und mit dem Bück auf das Ziel gerichtet, schreiten wir fort auf der Suche nach der vollen Einheit; eine geduldige, beharrliche, zuversichtliche Suche, trotz der objektiven Schwierigkeiten. 124 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Wir wissen wohl, was die wirkliche Dynamik des ökumenischen Dialogs ausmacht. Das II. Vatikanische Konzil hat uns ausdrücklich darauf hingewiesen, „daß dieses heilige Anliegen der Wiederversöhnung aller Christen in der Einheit der einen und einzigen Kirche Christi die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten übersteigt”. Deshalb bekräftigte das Konzil, daß „es seine Hoffnung gänzlich auf das Gebet Christi für die Kirche, auf die Liebe des Vaters zu uns und auf die Kraft des Heftigen Geistes” setzt (Unitatis redintegratio, Nr. 24). Deshalb überrascht nicht die Bekräftigung der Konzilsväter, wonach das Gebet zu jenem Kernpunkt gehört, der „als die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen” ist (Unitatis redintegratio, Nr. 8). Tatsächlich ist es das Gebet, das dieser Bewegung sichere Ausrichtung gibt und das notwendige Licht dazu erlangt, um das Ziel immer klar vor Augen zu haben und die zu beschreitenden Wege und die zu gebrauchenden Mittel zu unterscheiden. Es erbittet außerdem - und das zählt noch mehr - von Gott die innere Kraft und den Mut, diese Verpflichtung des Evangeliums in die Tat umzusetzen. Beten ist für alle möglich. Jeder kann deshalb wirksam zur ökumenischen Suche beitragen: nicht nur die unmittelbar betroffenen Menschen, sondern alle, denen der Wunsch Christi am Herzen liegt: „nur eine Herde ... und einen Hirten” (Joh 10,16). 3. Aus diesem Grund möchte ich heute euch Anwesende hier und die in aller Welt verstreuten Katholiken aufrufen, das gemeinsame Gebet für die Weiterentwicklung der vielfältig laufenden Dialoge zu verstärken. Daß der Herr uns immer besser seinen Willen erkennen lasse, damit wir ihn in unserer Zeit treu verwirklichen, während wir uns auf das dritte Jahrtausend vorbereiten. Möge bald der Augenblick der Wiederherstellung der vollen Einheit zwischen allen Christen kommen, um dem einen Herrn einen großen und einmütigen Lobpreis darzubringen. Der Geist Gottes gewähre allen das notwendige Licht und die Ausdauer, um bei der Vollendung der vollen Einheit mitzuwirken, wo jeder einzelne lebt und arbeitet. Zu diesem Zweck zählen wir auch auf die himmlische Fürsprache der Gottesmutter, die wir mit kindlicher Liebe anrufen. Nach dem Angelus sagte der Papst: Herzlich grüße ich euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher. Möge Gott euch auf euren Wegen mit seinem Segen begleiten und schützen. Italien möge neue Kraft schöpfen Morgen, am 19. Juli, sind es fünfzig Jahre, seit dem Bombenangriff auf die Stadt Rom. In jenen traurigen Augenblicken konnte die römische Bevölkerung ein weiteres Mal in konkreter und greifbarer Weise die liebevolle und väterliche Sorge von Papst Pius XII. seligen Angedenkens erfahren, der, nachdem er als einer der ersten die 125 AUDIENZEN UND ANGELUS zerstörten Stadtteile aufgesucht hatte, allen Betroffenen Trost brachte und Worte der Ermutigung und Zuversicht zu sagen wußte. Haben, damals durch die ungeheure Tragödie des Krieges erschüttert, war imstande, auch aus dem Glauben Kraft zu schöpfen, um wiederzuerstehen und seinen Weg des moralischen und materiellen Wachstums in Harmonie und Eintracht erneut aufzunehmen. In Erinnerung an jene Ereignisse erwacht spontan der mit dem Gebet verbundene Wunsch, die gebebte itahenische Nation möge nicht den Mut vertieren und mit neuer Kraft dem Ziel authentischen zivüen und christhchen Zusammenlebens zustreben. Einfacher Lebensstil für den Priester empfohlen Ansprache bei der Generalaudienz am 21. Juli 1. Zu dem Verzicht, den Jesus von seinen Jüngern gefordert hat, gehört auch der auf die irdischen Güter, insbesondere den Reichtum (vgl. Mt 19,21; Mk 10,21; Lk 12,33; 18,22). Es ist eine an abe Christen gerichtete Forderung in bezug auf alles, was den Geist der Armut betrifft, das heißt den inneren Abstand gegenüber den irdischen Gütern, ein Freisein, das hochherzig macht im Teilen mit den anderen. Die Armut ist eine Lebensweise, die vom Glauben an Christus und der Liebe zu ihm angeregt wird. Sie ist eine geistige Haltung, die auch Übung erfordert im Verzicht auf die Güter nach dem Maß, das den Umständen eines jeden entspricht - sowohl im bürgerbchen Leben als auch in dem Stand, in dem er durch die christhche Berufung in der Kirche lebt, sei es als einzelner, sei es als Mitgbed einer bestimmten Personengruppe. Für abe güt der Geist der Armut. Für jeden ist eine gewisse Praxis dem Evangebum entsprechende Übung erforderlich. 2. Die Armut, die Jesus von den Aposteln gefordert hat, ist ein Leitfaden der Spiri-tuabtät, der sich mit ihnen nicht erschöpfen noch auf besondere Gruppen beschränken konnte: Der Geist der Armut ist für alle notwendig, an aben Orten und zu allen Zeiten; ihn auszulöschen hieße das Evangebum verraten. Die Treue zum Geist bringt aber weder für die Christen im abgemeinen noch für die Priester die Übung einer totalen Armut mit Verzicht auf jeden Besitz oder sogar die Aufhebung dieses Menschenrechtes mit sich. Das kirchbche Lehramt hat mehrmals diejenigen verurteilt, die eine solche Notwendigkeit behaupteten (vgl. DS 760; 930; 1097), indem es versucht hat, das Denken und Tun auf einen maßvoben Weg zu führen. Es ist jedoch tröstlich festzustellen, daß in der zeithchen Entwicklung und unter dem Einfluß so vieler Heibger von gestern und heute im Bewußtsein des Klerus immer stärker ein Ruf zur evangelischen Armut herangereift ist, sowohl im Denken als auch im Tun hinsichthch der Anforderungen der Priesterweihe. Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen der Klerus in fast aben Ländern der Welt lebt, haben dazu 126 AUDIENZEN UND ANGELUS beigetragen, daß die Situation wirklicher Armut von Menschen und Einrichtungen Wirklichkeit geworden ist, auch wenn diese ihrer Natur nach viele Mittel benötigten, um ihre Aufgaben zu erfüllen. In vielen Fällen handelt es sich um einen schwierigen und bedauernswerten Zustand, den die Kirche auf verschiedene Weise zu überwinden sucht hauptsächlich dadurch, daß sie an die Nächstenliebe der Gläubigen appelliert, um von ihnen den nötigen Beitrag zu erhalten, damit sie den Gottesdienst, die karitativen Werke, den Unterhalt der Seelsorger und die missionarischen Initiativen gewährleisten kann. Dieser neuentwickelte Sinn der Armut ist ein Segen für das priesterliche Leben und für das aller Christen, denn er verhilft ihnen dazu, sich besser den Weisungen und Vorschlägen Jesu anzupassen. 3. Die evangelische Armut - diese Klarstellung ist notwendig - bedeutet keine Geringschätzung der irdischen Güter, die dem Menschen von Gott zur Verfügung gestellt werden, damit er sein Leben gestaltet und am Schöpfungsplan mitwirkt. Nach dem II. Vatikanischen Konzil soll der Priester wie jeder andere Christ, weil er die Aufgabe des Lobpreises und der Danksagung hat, die Hochherzigkeit des himmlischen Vaters erkennen und preisen, der sich in den geschaffenen Gütern offenbart (Presbyterorum ordinis, Nr. 17). Trotzdem - so sagt das Konzil - sollen die Priester, die zwar in der Welt leben, immer daran denken, daß sie, wie der Herr gesagt hat, „nicht von der Welt sind” (Joh 17,14-16), und sich deshalb von jedem ungeordneten Hang befreien, um „das geistliche Unterscheidungsvermögen, durch das man die rechte Haltung zur Welt und ihren Gütern findet”, zu erlangen (Presbyterorum ordinis, Nr. 17; vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 30). Zugegeben, es handelt sich um ein schwieriges Problem. Einerseits vollzieht „sich ja die Sendung der Kirche inmitten der Welt, und die geschaffenen Güter sind zum Reifen der menschlichen Persönlichkeit unerläßlich”. Jesus hat seinen Aposteln nicht verboten, die notwendigen Güter für ihr Leben auf Erden anzunehmen. Im Gegenteil, er hat sogar ihr diesbezügliches Recht bekräftigt, als er bei der Aussendung der Jünger sagte: „Eßt und trinkt, was man euch anbietet; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn” (Lk 10,7; vgl. Mt 10,10). Der heilige Paulus erinnert die Korinther daran, daß „der Herr denen, die das Evangelium verkündigen, geboten (hat), vom Evangelium zu leben” (1 Kor 9,14). Er selbst schreibt ständig vor: „Wer im Evangelium unterrichtet wird, lasse seinen Lehrer an allem teilhaben was er besitzt” (Gal 6,6). Deshalb ist es recht, daß die Priester zeitliche Güter besitzen und sie „in dem Rahmen gebrauchen, der ihnen durch die Lehre Christi des Herrn und von der Weisung der Kirche gesteckt ist” (Presbyterorum ordinis, Nr. 17). Das Konzil hat es nicht versäumt, dazu konkrete Hinweise zu geben. Die Verwaltung der Kirchengüter im eigentlichen Sinn soll vor allem „sachgerecht und nach den Richtlinien der kirchlichen Gesetze ..., wenn möglich unter Zuhilfenahme erfahrener Laien” sichergestellt werden. Diese Güter sollen immer verwendet werden „für den rechten Vollzug des Gottesdienstes, für den angemessenen Unter- 127 AUDIENZEN UND ANGELUS halt des Klerus und für die apostolischen und karitativen Werke, besonders für jene, die den Armen zugute kommen” (ebd.). Die von den Priestern durch die Ausübung eines kirchlichen Amtes beschaffenen Güter sind „in erster Linie für ihren standesgemäßen Unterhalt und für die Erfüllung ihrer Standespflichten zu verwenden; was aber davon übrigbleibt, mögen sie dem Wohl der Kirche oder karitativen Werken zukommen lassen”. Das ist besonders zu betonen: Das kirchliche Amt darf für die Priester und noch weniger für die Bischöfe keine Gelegenheit zur persönlichen Bereicherung noch des Gewinns für die Angehörigen sein. „Die Priester sollen darum ihr Herz nicht an Reichtümer hängen, jede Habgier meiden und sich vor aller Art weltlichen Handels sorgfältig .hüten” {ebd.). In jedem Fall ist zu berücksichtigen, daß sich beim Gebrauch der Güter alles im Licht des Evangeliums abspielt. 4. Das gleiche ist im Hinblick auf den Einsatz des Priesters in den weltlichen Aktivitäten zu sagen, das heißt bezüglich der Behandlung von irdischen Angelegenheiten außerhalb des religiösen und kirchlichen Bereichs. Die Bischofssynode von 1971 hat erklärt: „Normalerweise soll deshalb dem priesterlichen Dienst die volle Zeit gewidmet werden. In gar keiner Weise darf nämlich die Beteiligung an den weltlichen Aufgaben der Menschen als vornehmstes Ziel angesehen werden, noch kann diese als Ausdruck der spezifischen Verantwortung der Priester genügen” {Der priesterliche Dienst, zweiter Teil, I, 2: O.R.dt., Nr. 11, 1971, S. 5). Dies war eine Stellungnahme gegenüber der hie und da aufgetauchten Tendenz zur Verweltlichung der Tätigkeit des Priesters in dem Sinn, daß er wie die Laienchristen ein Handwerk oder einen weltlichen Beruf ausüben könne. Wahr ist, daß es Umstände gibt, unter denen die einzige wirksame Kontaktnahme mit der Kirche in einer Arbeitswelt, die Christus nicht kennt, die Anwesenheit von Priestern sein kann, die eine Tätigkeit in dieser Umwelt ausüben, indem sie sich zum Beispiel Arbeiter unter Arbeitern werden. Die Hochherzigkeit dieser Priester ist lobenswert. Jedoch ist zu beachten, daß der Priester, wenn er weltliche Aufgaben und Ämter der Laien übernimmt, Gefahr läuft, seinen kirchlichen Dienst zu einer nebensächlichen Rolle oder zunichte zu machen. Aufgmnd dieses Risikos, das von der Erfahrung bestätigt wurde, hatte bereits das Konzil unterstrichen, daß zur Ausübung einer Handarbeit unter den gleichen Lebensbedingungen der Arbeiter die Gutheißung durch die zuständige Obrigkeit erforderlich ist (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 8). Die Synode 1971 gab als Richtlinie an, daß gegebenenfalls diese profane Beschäftigung den Zielsetzungen des Priestertums entsprechen müsse „nach dem Urteil des Ortsbischofs und seines Presbyteriums - oder wenn nötig, nach Konsultation der Bischofskonferenz” {Der priesterliche Dienst, zweiter Teil, I, 3: O.R.dt., Nr. 11, 1971, S. 5). Andrerseits ist klar, daß es heute wie früher besondere Fälle gibt, wo ein besonders fähiger und gebildeter Priester in einem nicht rein kirchlichen Arbeits- oder Kulturbereich tätig sein kann. Man soll jedoch das Möglichste tun, damit es Ausnahme- 128 AUDIENZEN UND ANGELUS fälle bleiben. Und auch dann ist die von der Synode festgesetzte Regel zu beachten, will man dem Evangelium und der Kirche treu sein. 5. Wir beenden diese Katechese, indem wir uns noch einmal der Gestalt Jesu Christi, des Hohenpriesters, guten Hirten und höchsten Vorbilds der Priester, zuwenden. Er ist das Beispiel der Entsagung von irdischen Gütern für den Priester, der sich der Anforderung der evangelischen Armut entsprechend formen will. Denn Jesus ist in Armut geboren und hat in Armut gelebt. Der heilige Paulus mahnte: „Er, der reich war, wurde euretwegen arm” (2 Kor 8,9). Zu einem jungen Mann, der ihm folgen wollte, sagte Jesus von sich selbst: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann” (Lk 9,57). Diese Worte zeigen eine volle Loslösung von allen irdischen Bequemlichkeiten. Jedoch man darf nicht daraus folgern, daß Jesus im Elend gelebt habe. Andere Abschnitte der Evangelien berichten, daß er Einladungen ins Haus reicher Leute erhielt und annahm (vgl. Mt 9,10-11; Mk 2,15-16; Lk 5,29; 7,36; 19,5-6); er hatte Mitarbeiterinnen, die ihn in den wirtschaftlichen Angelegenheiten unterstützten (Lk 8,2-3; vgl. Mt 27,55; Mk 15,40; Lk 23,55-56), und er war in der Lage, den Armen Almosen zu geben (vgl. Joh 13,29). Jedoch besteht kein Zweifel über sein lieben und seinen Geist der Armut, die ihn auszeichneten. Derselbe Geist der Armut soll das Verhalten des Priesters prägen, seine Haltung, sein lieben als Seelenhirt und Mann Gottes kennzeichnen und sich ausdrücken im geringen Interesse und Abstand gegenüber Geld, in Verzicht auf jedes habsüchtige Streben nach irdischen Gütern und in einem einfachen Lebensstil, in der Wahl einer bescheidenen und allen zugänglichen Wohnung, im Verzicht auf alles, was Luxus ist oder auch nur dessen Anschein haben könnte, und im wachsenden Bestreben, die unverdienten Gaben Gottes unentgeltlich weiterzugeben im Dienst für Gott und die Gläubigen. 6. Wir fügen schließlich hinzu, daß „die Priester und ebenso die Bischöfe”, die von Jesus gerufen sind, die Armen nach seinem Beispiel zu evangeÜsieren, „alles vermeiden (sollen), was den Armen irgendwie Anstoß geben könnte (Presbyterorum ordinis, Nr. 17). Wenn sie hingegen in sich selbst den evangelischen Geist der Armut nähren, sind sie in der Lage, die eigene Option für die Armen zu zeigen, indem sie sie in Teilhabe, in persönliche und gemeinschaftliche Hilfswerke auch materieller Art für Menschen in Not umsetzen. Das ist heute ein Zeugnis, das so viele Priester, die arm und Freunde der Armen sind, für Christus, der arm war, ablegen. Es ist eine große Liebesflamme, entfacht im I-eben des Klerus und der Kirche. Wenn der Klerus manchmal an einigen Orten unter den Reichen zu sehen war, so fühlt er sich heute mit der ganzen Kirche geehrt, in der ersten Reihe unter den „neuen Armen” zu sitzen. Dies ist ein großer Fortschritt in der Nachfolge Christi auf dem Weg des Evangeliums. 129 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich grüße Euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt Euch, Hebe Jugendliche, die Ihr mit einigen Gruppen vertreten seid. Euch, Euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie all jenen, die sich uns in diesem Augenblick verbunden wissen, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Beendet den Krieg - Helft wahren Frieden zu errichten! Die aus den gebebten Ländern Bosnien-Herzegowina eintreffenden Nachrichten erfüllen mich mit großer Trauer. Trotz verschiedener Initiativen mit dem Ziel, Bedingungen für einen Frieden zu schaffen, nehmen die Kampfhandlungen an Intensität zu, steigt die Zahl der unschuldigen Opfer und der Flüchtlinge und fehlt es den Bewohnern ganzer Regionen am Notwendigsten zum Überleben; sie sind ohne Nahrung, ohne Wasser, ohne Licht, ohne jede medizinische Grundversorgung. Angesichts der ständigen Verschlechterung der Lage, die jetzt unerträglich geworden ist, hat der Erzbischof von Sarajevo, Msgr. Vinko Puljif, einen bewegenden Hilferuf an mich gesandt mit der Bitte, alles in meiner Macht Stehende zu tun, damit der grausame Krieg beendet werde, der unter anderem die Anwesenheit der Katholiken in seiner Erzdiözese wie auch in der Diözese Banja Luka auszulöschen drohte Fest in der Hoffnung, die nie vergeht, richte ich im Namen des Herrn erneut einen dringen Appell an alle. An die Kriegführenden: Beendet den Krieg! Er erniedrigt den Menschen und drängt ihn zu unwürdigen und schändlichen Handlungen. Die lange währenden Probleme werden nur mit der Kraft des Dialogs zwischen allen betroffenen Parteien gelöst unter Achtung vor den Rechten jedes Menschen, jedes Volkes und in Gerechtigkeit und Frieden. Ich bitte auch die verantwortlichen Politiker auf internationaler Ebene: Helft den Volksgruppen in Bosnien-Herzegowina, den Krieg zu beenden und einen wahren Frieden zu errichten, der die Grundbedingung für den notwendigen geistigen und materiellen Wiederaufbau des Landes ist! Ich rufe alle auf, das Gebet für diese geliebten Völker zu verstärken: Damit die seligste Jungfrau, die Königin des Friedens, für uns alle, die wir verletzt sind durch soviel Grausamkeit, eintrete und von ihrem Sohn den ersehnten Frieden für Bosnien-Herzegowina, für die Balkanregion und für die ganze Welt erflehe. 130 AUDIENZEN UND ANGELUS Selbstmordfälle drücken tiefes Unbehagen in der Wohlstandsgesellschaft aus Angelus inCastel Gandolfo am 25. Juli Liebe Schwestern und Brüder! 1. Das Jugendtreffen in Denver im kommenden August anläßlich des Weltjugendtages wird gewiß ein großes Fest des Lebens. Die Jugend hebt das lieben, sie soll ihre Erfahrung des Wachsens und menschlichen Reifens voll erleben. Unter diesem Aspekt wird das Treffen in Denver ein bedeutendes Zeugnis in unserer Zeit sein, die gerade zum Thema Leben manchmal auffallende Widersprüche zu verzeichnen hat. Denn einerseits ist das menschliche Leben heute mehr denn je dank des wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritts Gegenstand der Aufmerksamkeit und Sorge; andererseits zeigen sich neben dem anhaltenden Skandal des Hungers, der das I.eben von Milhonen Menschen bedroht, besorgniserregende Phänomene wie die sich verbreitende Kriminalität, die Geißel des Alkohols und der Drogen sowie der brudermörderische Irrsinn des Krieges, die vor ahem unter den Jugendhchen zahllose Opfer fordern. Besonders auffallend ist die Gewöhnung an eine „Kultur des Todes”, die nicht selten unter dem Anschein einer zivilisatorischen Errungenschaft neuer Rechte in Wirklichkeit:das menschliche Ixben durch die Abtreibung bzw. Euthanasie gefährdet oder auslöscht, noch bevor es zur Welt kommt bzw. sein natürliches Ende findet. Vor diesem Hintergrund, auf dem Sinn und Lust des Ixbens gleichsam verdunkelt werden, machen sogar Selbstmordfälle, von denen nicht wenige unter den Jugendlichen ja sogar Heranwachsenden und Kindern Vorkommen, fast keine Schlagzeilen mehr. Sind das nicht beunruhigende Ausdrucksformen eines tiefen Unbehagens? Wie viele Menschen leiden in der Stille und inneren Einsamkeit unter der Tragödie eines wachsenden Lebensüberdrusses! Vor allem in der Wohlstandsgesellschaft kann man Gefahr laufen, in einer Spirale lähmender Angst zu leben oder Illusionen künstlicher Paradiese mit oft tragischem Ausgang zum Opfer zu fallen. 2. Wir fahren nach Denver, um das Lxben zu feiern, den Wert des Lebens, die Schönheit und die Freude des Lebens. Es ist unmöglich, daß die Wissenschaft so viel tut, um Leben zu retten, und sich dann zur Komplizin seiner Zerstörung macht. Es ist nicht möglich, daß man beim Kampf um die Achtung der Pflanzen- und Tierwelt nicht energisch dasselbe Recht auf die ersten Stadien des Lebens des Menschen verteidigt, den Gott an die Spitze der Schöpfung gestellt hat. Diese Widersprüche sind zu augenfällig, als daß man sie hinter der Bekräftigung mutmaßlicher Rechte auf Freiheit verbergen könnte. Ein konstruktiver Dialog zwischen den Menschen guten Willens jenseits aller unterschiedlichen ideologischen Einstellungen ist dringend geboten. 131 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Die selige Jungfrau, die den Urheber des Lebens im Schoß getragen hat, helfe allen, den Wert dieses großen Gottesgeschenkes neu zu entdecken. Die Zukunft des Menschen hängt viel von einer seiner weiten Zustimmung zum Leben ab, und die Jugendlichen sind aufgerufen, in diesem anspruchsvollen Kampf der Zivilisation, der auch ein Zeichen authentischen Fortschritts ist, an vorderster Front zu stehen. Maria, die Mutter der von Christus erlösten Menschheit, bitte für uns! In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Meine besten Segenswünsche begleiten euch während dieser sommerlichen Wochen. Absage an ein politisches Mandat der Priester Ansprache bei der Generalaudienz am 28. Juli 1. Das Thema des inneren Abstands des Priesters von den irdischen Gütern ist eng mit seinem Verhalten zur politischen Frage verknüpft. Mehr denn je zeigt sich heute eine ständige Verflechtung der Wirtschaft mit der Politik sowohl in dem weiten Problembereich von nationalem Interesse als auch auf dem engeren Feld des Familien- und Privatlebens. So geschieht es bei den Wahlen, wo die eigenen Vertreter im Parlament und die öffentlichen Verwalter zu wählen sind, bei der Stimmabgabe für die den Bürgern vorgeschlagenen Kandidatenlisten, bei der Wahl der Parteien und bei der Meinungsäußerung zu Personen, Programmen und Bilanzen, welche die öffentliche Verwaltung betreffen. Es wäre ein Irrtum, machte man die Politik ausschließlich oder hauptsächlich von ihrem ökonomischen Kontext abhängig. Aber die Pläne für den Dienst am Menschen und am Gemeinwohl auf höherer Ebene sind dadurch bedingt und müssen in ihren Inhalten auch die Fragen in bezug auf Besitz, Gebrauch, Verteilung und Umlauf der irdischen Güter umfassen. 2. Alle diese Punkte schließen eine ethische Dimension ein, an der auch die Priester interessiert sind gerade im Hinblick auf den Dienst, der am Menschen und an der Gesellschaft gemäß der von Christus erhaltenen Sendung zu leisten ist. Denn er hat eine Lehre verkündet und Gebote formuliert, die nicht nur das Leben des Einzelmenschen, sondern auch das der Gesellschaft erhellen. Jesus hat besonders das Gebot der gegenseitigen Liebe ausgesprochen. Sie bezieht die Achtung jedes Menschen und seiner Rechte mit ein. Sie schließt die Regeln der sozialen Gerechtigkeit ein, die darauf abzielen, jedem Menschen das zu garantieren, was ihm gebührt, und die irdischen Güter gleichmäßig unter den Menschen, Familien und Gruppen zu verteilen. Jesus hat außerdem die Universalität der Liebe unterstrichen, die über alle Unterschiede zwischen Rassen und Nationen hinausgeht, aus denen sich die Menschheit zusammensetzt. Man könnte sagen, er habe, indem er sich selbst als 132 AUDIENZEN UND ANGELUS „Menschensohn” bezeichnete, auch durch diesen Hinweis auf seine messianische Identität erklären wollen, daß sein Werk für jeden Menschen ohne Unterschied des Standes, der Sprache, der Kultur, der ethnischen und sozialen Gruppe bestimmt ist. Indem er den Frieden für seine Jünger und für alle Menschen ankündigte, hat Jesus das Fundament im Gebot der Nächstenliebe, der Solidarität, der gegenseitigen Hilfe auf dem gesamten Erdkreis gelegt. Es ist klar, daß dies für ihn der Zweck und der Anfang einer guten Politik war. Jesus wollte sich jedoch nie in einer politischen Bewegung engagieren und lehnte jedes Angebot ab, das gemacht wurde, um ihn in irdische Angelegenheiten und Geschäfte zu verwickeln (vgl. Joh 6,15). Das Reich, das er zu gründen gekommen ist, ist nicht von dieser Welt (vgl. Joh 18,36). Deshalb hat er zu denen, die ihn zu einer Stellungnahme in bezug auf die weltliche Macht zwingen wollten, gesagt: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!” (Mt 22,21). Er hat der jüdischen Nation, der er angehörte und die er liebte, nie die politische Befreiung versprochen, die viele vom Messias erwarteten. Jesus versicherte, daß er als Sohn Gottes gekommen war, um der Menschheit, die der Knechtschaft der Sünde unterworfen war, die geistliche Befreiung und die Berufung zum Reich Gottes anzubieten (vgl. Joh 8,34-36); und daß er gekommen war, nicht um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen (vgl. Mt 20,28); und daß auch seine Jünger, besonders die Apostel, nicht wie die Regierenden dieser Erde an die irdische Macht und die Herrschaft über die Völker denken, sondern demütige Diener aller sein sollten (vgl. Mt 20,20-28) wie ihr „Herr und Meister” (Joh 13,13-14). Gewiß sollte diese von Jesus gebrachte geistliche Befreiung entscheidende Folgen in allen Bereichen des privaten und sozialen Lebens haben, dadurch daß sie eine Ära der Neubewertung des Menschen als Person und der Beziehungen zwischen den Menschen nach dem Maß der Gerechtigkeit eröffhete. Aber der direkte Einsatz des Gottessohnes war nicht in diesem Sinn. 3. Es ist leicht verständlich, daß dieser Zustand der Armut und der Freiheit hauptsächlich dem Priester entspricht, dem Sprecher Christi bei der Verkündigung der menschlichen Erlösung und dem Verwalter bei der Anwendung ihrer Früchte auf jedem Feld und jeder Lebensstufe. Dazu sagte die Bischofssynode von 1971: „Die Priester sind zusammen mit der gesamten Kirche gehalten, sich soweit wie möglich für eine bestimmte Handlungsweise zu entscheiden, wenn es um die Verteidigung der fundamentalen Menschenrechte, um die ganzheitliche Förderung der menschlichen Person und die Verwirklichung des Friedens und der Gerechtigkeit geht, wobei stets jene Mittel zu benutzen sind, die im Einklang mit dem Evangelium stehen. Dies alles gilt nicht nur im persönlichen, sondern auch im sozialen Bereich; in dieser Hinsicht sollen die Priester den Laien behilflich sein, damit sie sich in der rechten Weise um die Bildung des eigenen Gewissens bemühen” (Der priesterliche Dienst, zweiter Teil, I, 2: O.R.dt. Nr. 11, 1971, S. 5). 133 AUDIENZEN UNDANGELUS Dieser Text der Synode, der die Einheit der Priester mit allen Gliedern der Kirche im Dienst der Gerechtigkeit und des Friedens ausdrückt, läßt erkennen, daß die Stellung der Priester im Hinblick auf die soziale und politische Tätigkeit nicht identisch ist mit jener der Laien. Das wird noch klarer im Katechismus der Katholischen Kirche ausgesprochen, wo wir lesen: „Es ist nicht Sache der Hirten der Kirche, in die politischen Strukturen und die Organisation des Gesellschaftslebens direkt ein-zugreifen. Diese Aufgabe gehört zur Sendung der gläubigen Laien, die aus eigenem Ansporn mit ihren Mitbürgern Zusammenarbeiten” (Nr. 2442). Der Laienchrist ist berufen, sich unmittelbar auf diesem Gebiet zu engagieren, um dazu beizutragen, daß in der Gesellschaft immer mehr die Prinzipien des Evangeliums vorherrschen. Der Priester setzt sich unmittelbarer in der Nachfolge Christi für die Entfaltung des Gottesreiches ein. Wie Jesus soll er darauf verzichten, sich in der aktiven Politik zu engagieren, besonders wenn sie, wie es fast unausweichlich geschieht, an eine Partei gebunden ist, denn er soll allen Menschen ein Bruder und 7 sofern gewünscht wird - ein geistlicher Vater sein. Natürlich gibt es Sonderfalle für Einzelne und Gruppen sowie Situationen, wo es angebracht oder sogar notwendig erscheint, daß sie den marigelhaften und richtungslosen öffentlichen Einrichtungen zu Hilfe kommen und an ihre Stelle treten, um die Sache der Gerechtigkeit und des Friedens zu unterstützen. Die kirchlichen Institutionen selbst auch auf höchster Ebene haben in der Geschichte diese Rolle gespielt mit allen Vorteilen, aber auch mit der ganzen Last und den Schwierigkeiten, die daraus erwachsen. Die Vorsehung scheint heute die politische, konstitutionelle und lehrmäßige Entwicklung in eine andere Richtung zu führen. Die bürgerliche Gesellschaft hat sich fortschreitend mit Institutionen und Mitteln, ausgestattet, um die eigenen Aufgaben autonom zu erfüllen (vgl. Gaudium et spes, Nm. 40, 76). Für die Kirche bleibt deshalb die Aufgabe, die ihr eigentlich zukommt: das Evangelium zu verkünden und sich darauf zu beschränken, die eigene Mitarbeit in allem anzubieten, was dem Gemeinwohl dient, ohne ein politisches Amt anzustreben oder zu übernehmen. 4. In dieser Sicht kann man besser verstehen, wieviel von der Bischofssynode 1971 in bezug auf das Verhalten des Priesters im politischen Leben gesagt wurde. Ihm steht gewiß weiterhin das Recht auf eine eigene politische Meinung zu und auf die Ausübung seines Wahlrechts dem Gewissen entsprechend. Die Synode sagt: „In jenen Verhältnissen, wo .verschiedene politische, soziale oder wirtschaftliche Wahlmöglichkeiten legitim bestehen, haben die Priester wie alle Bürger das Recht, eine eigene Wahl zu treffen. Da jedoch die politischen Zielsetzungen ihrem Wesen nach relativ sind und das Evangelium niemals völlig adäquat und gültig interpretieren, muß der Priester als Zeuge der zukünftigen Dinge einen gewissen Abstand zu jedwedem politischen Amt oder Einsatz wahren” (Der priesterliche Dienst, zweiter Teil, I, 2: O.R.dt. Nr. 11, 1971, S. 5). Der Priester wird sich besonders vor Augen halten, daß eine politische Partei nie mit der Wahrheit des Evangeliums gleichge- 134 AUDIENZEN UND ANGELUS stellt werden und deshalb - im Gegensatz zum Evangelium - nicht Gegenstand einer vollen Zustimmung sein kann. Folglich wird der Priester diese Relativität berücksichtigen, auch wenn Bürger christlichen Glaubens lobenswerterweise Parteien gründen, die sich ausdrücklich am Evangelium inspirieren, und er wird sich auch in der Weise engagieren, daß das Licht Christi ebenfalls die anderen Parteien und sozialen Gruppen erleuchtet. Hinzuzufügen ist, daß das Recht des Priesters, eine eigene persönliche Wahl zu treffen, von den Anforderungen seines Priesteramtes begrenzt wird. Auch diese Begrenzung kann ein Teil der Armut sein, die nach dem Vorbild Christi zu üben er berufen ist. Tatsächlich kann er manchmal verpflichtet sein, sich von der Ausübung seines Rechtes zu enthalten, um ein gültiges Zeichen der Einheit zu sein und das Evangelium in seiner Fülle verkünden zu können. Noch mehr wird er vermeiden müssen, die eigene Wahl als die allein legitime darzustellen, und innerhalb der christlichen Gemeinschaft wird er daran denken, daß die Laien reife Menschen sind (vgl. ebd.), und er wird sich darum bemühen, ihnen bei der Gewissensbildung zu helfen {ebd.). Er wird möglichst vermeiden, sich Feinde zu schaffen durch Stellungnahmen im politischen Bereich, die das Vertrauen aushöhlen und den seiner Hirtensendung anvertrauten Gläubigen Grund bieten, sich von ihm zu entfernen. 5. Die Bischofssynode von 1971 unterstreicht vor allem die Notwendigkeit für den Priester, auf jeden aktiven Einsatz in der Politik zu verzichten: „Die Übernahme, eines führenden Amtes (leadership) oder die aktive Durchführung von Kampagnen zugunsten irgendeiner politischen Partei muß für jeden Priester ausgeschlossen bleiben, wenn dies nicht in konkreten und außerordentlichen Umständen vom Wohl der Gemeinschaft wirklich gefordert wird. Dies könnte jedoch nur mit Zustimmung des Bischofs unter Konsultation des Priesterrates und - gegebenenfalls - der Bischofskonferenz geschehen” {ebd.). Also besteht die Möglichkeit der Abweichungen von der allgemeinen Regel; sie sind jedoch nur in Ausnahmefällen berechtigt und benötigen eine entsprechende Autorisation. Die Priester, die sich in der Hochherzigkeit ihres Dienstes für das Ideal des Evangeliums zur politischen Tätigkeit gedrängt fühlen, um wirksamer zur Gesundung des politischen Lebens beizutragen, indem sie Ungerechtigkeiten, Ausbeutungen und Unterdrückungen aller Art beseitigen, erinnert die Kirche daran, daß man auf diesem Weg leicht in Parteienkämpfe verwickelt wird und Gefahr läuft, nicht zum Aufbau einer gerechteren Welt, die sie anstreben, sondern zu neuen und schwereren Formen der Ausbeutung der armen Leute beizutragen. Die Priester sollen in jedem Fall wissen, daß sie für diesen aktiven politischen Einsatz weder die Sendung noch das Charisma von oben haben. Deshalb bete ich, und ich fordere zum Gebet dafür auf, daß in den Priestern immer mehr der Glaube an die eigene Hirtensendung auch zum Wohl der Gesellschaft wächst, worin sie leben. Sie sohen ihre Bedeutung auch für unsere Zeit erkennen und die Erklärung der Bischofssynode von 1971 verstehen: „Die Vorrangstellung 135 A UDIENZEN UND ANGELUS der besonderen Sendung, die die ganze Existenz der Priester bestimmt, muß daher stets vor Augen gehalten werden, so daß sie selbst, die eine mit großem Vertrauen erneuerte Erfahrung bezüglich der göttlichen Dinge besitzen, diese wirksam und mit Freude den Menschen zu verkünden vermögen, die darauf warten” (ebd..). Ja, ich wünsche mir und bete darum, daß meinen priesterlichen Mitbrüdem von heute und morgen immer mehr dieses Geschenk der geistlichen Erkenntnis verliehen werde, das sie dahin führe, auch im politischen Leben den Weg der von Jesus gelehrten Armut zu verstehen und zu gehen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich Euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher bitte, für die Priester zu beten, daß ihr Glaube an ihre pastorale Sendung wachse, grüße ich Euch alle sehr herzlich. Einen besonderen Gruß richte ich an die Schwestern vom Göttlichen Erlöser aus den Provinzen in Ungarn, in der Slowakei, in Österreich und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika: Möge das Leitthema eures Generalkapitels: „Du hast Worte des ewigen Lebens” (Joh 6,68) Euch und Eure Mitschwestem auf dem gemeinsamen Glaubensweg begleiten. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Bombenanschläge in Italien Im Gruß an die Pilger italienischer Sprache möchte.ich meinen tiefen Schmerz über die unschuldigen Opfer der schändlichen Attentate zum Ausdruck bringen, die in der vergangenen Nacht, Mailand und das Herz des christlichen Rom getroffen haben. Diese grausamen, durch nichts zu rechtfertigenden Verbrechen sind immer Grund zur Schande für den, der sie plant, und für den, der sie durchführt. Eine menschliche und zivilisierte Gesellschaft baut man nicht auf der Mißachtung Gottes und des Menschen auf. Beten wir zusammen für die trauernden Familien, für die Verwundeten und alle, die von diesen tragischen Ereignissen betroffen wurden. Beten wir für die Zukunft Italiens. Der Herr inspiriere die Bürger dieses Landes mit Gedanken des Friedens und der verantwortlichen Brüderlichkeit. In dieser Stunde der Prüfung erteile ich dem geliebten italienischen Volk von ganzem Herzen meinen besonderen Segen. 136 A UD1ENZEN UND ANGELUS Der Urquell des Lebens Angelus am 1. August Liebe Schwestern und Brüder! 1. Auf unserer Wallfahrt, die wir in Gedanken mit der Jugend aus aller Welt zum Weltjugendtag nach Denver machen - es wird ein großes „Fest des Lebens” werden-, wollen wir heute innehalten und die Quelle des Lebens selbst betrachten: Christus. Ja wahrhaftig, das lieben ist etwas Wunderbares, die Gedankenwelt, die Wissenschaft und die Kunst suchen unermüdlich in dieses Geheimnis einzudringen. So sehr man sich auch bemüht, es zu begreifen, immer bleibt es etwas Geheimnisvolles. Der Glaube aber läßt uns, wenn auch grenzenlos fern, seine transzendente Quelle finden: Er erkennt sie im Geheimnis der dreifältigen Liebe, in dem immerwährenden gegenseitigen Sich-Schenken der drei göttlichen Personen. Dort hat der freie Schöpfungsakt seine Quelle; dort wurde, ungeschuldet, der Entschluß zur Erlösung gefaßt, kraft deren der ewige Sohn sich zum Leben und Licht der Menschen gemacht hat. So trägt die Welt bis in ihre innersten Fasern hinein das Zeichen der dreifältigen Liebe. In einer ganz besonderen Weise trägt es der Mensch, der als Abbild Gottes erschaffen und im Blute Christi erlöst ist. Meine Lieben, laßt uns also das Leben heben. Laßt uns das lieben auf Erden heben, aber noch mehr jenes göttliche lieben, an dem Christus uns Anteil geschenkt hat. Laßt uns nicht müde werden, mit aufmerksamen Ohren und lauterem Herzen auf die Sprache der ewigen Liebe zu hören, die uns an die SchweUe des Geheimnisses führt: „Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament” (Ps 19,2). 2. Die Welt, in der wir leben, ist leider von zersetzenden und zerstörenden Taten der Gewalt, des Bösen und der Sünde gezeichnet, und die Frucht und die Folge davon sind Leiden und Tod. Wie könnte man diese Wirklichkeit vergessen? Bedrückend umgibt sie uns und innerlich belastet sie uns. Wir erkennen sie in den Haßausbrüchen, die Städte und Nationen mit Blut beflecken, in den Spannungen, die die Völker entzweien, in den Ungerechtigkeiten, die die Armen demütigen. Sünde und Tod verdunkeln die Schönheit der Welt. Nicht nur durch das, was ihn von außen umgibt, sondern in seinem Herzen selbst verfinstert sich manchmal das Leben des Menschen. Und aus dem Schmerz erhebt sich der angstvolle und zugleich hoffnungsvolle Schrei des Apostels: „Ich unglücklicher Mensch! Wer wird mich aus diesem dem Tod verfallenen Leib erretten?” (Röm 7,24). Bestimmt und tröstlich ist die Antwort des Glaubens: Der Befreier ist da, nämlich Christus, der Erlöser des Menschen. Er, das menschgewordene Wort, ist für uns 137 A UDIENZEN UND ANGELUS gestorben und auferstanden, damit wir aus ihm das Geheimnis unsterbüchen Lebens schöpfen können. 3. Wir wollen uns an Maria, die Mutter des Erlösers, wenden, damit uns auf ihre Fürbitte Augen geschenkt werden, die tief in das Geheimnis des Lebens einzudringen vermögen. Die heilige Jungfrau ist die Erstgeborene der Erlösten, die Mutter der Lebenden. Ihr, die unter dem Kreuz des Sohnes für uns das Geschenk des wahren Lebens entgegengenommen hat, vertrauen wir unsere Tränen an; in sie setzen wir all unsere Hoffnung. Maria, Mutter der Lebenden, bitte für uns! An die deutschen Besucher richtete der Papst folgenden Gruß: Einen herzlichen Willkommens grüß richte ich an euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher. Mein Gebet und mein Segen begleiten euch auf dem weiteren Lebensweg. Solidarität mit dem Libanon Ich lade euch noch einmal ein, im Gebet eure tiefe Solidarität auch mit den hunderttausenden Brüdern und Schwestern des Libanon zum Ausdruck zu bringen, besonders mit denen der südlichen Region, die nach vielen schrecklichen Kriegstagen gezwungen sind, ihre Häuser und ihre Dörfer zu verlassen. Ich fühle mich ihnen allen nahe, ebenso wie denen, die wiederum ihre Lieben beweinen, Opfer von traurigen Ereignissen, die, wie man hoffte, sich nicht mehr hätten wiederholen dürfen. Mit diesem Empfinden bitte ich den barmherzigen Herrn, aber ich kann nicht umhin, mich auch an die Menschen zu wenden: an jene, die auf jeder Seite die unmittelbar Verantwortlichen für so viel erneuten Schmerz sind, und an all jene, die diese neue Spirale des Hasses und des Leidens hätten verhindern können. Nachdrücklich wiederhole ich ihnen gegenüber: Laßt die Waffen schweigen; seid auf Gerechtigkeit und Dialog bedacht, und pflegt diese Gesinnung und diesen Willen in eurem Herzen; vermeidet Provokation und Reaktionen, die in ihrer furchtbaren Logik der Gewalt dazu führen könnten, daß sich neue und ungeheure Hindernisse gegen den schon so mühevollen Prozeß des Friedens, die einzige wahre Hoffnung für die ganze Region, erheben. Gott möge allen helfen! Priesterliche Gemeinschaft - Teilnahme an der Trinität Ansprache bei der Generalaudienz am 4. August 1. In den vorausgegangenen Katechesen haben wir über die Bedeutung der „evangelischen Räte” der Jungfräulichkeit und der Armut im Leben des Priesters 138 A UDIENZEN UND ANGEL US nachgedacht, sowie über das Ausmaß und die Art und Weise, wie sie nach der geistlichen und asketischen christlichen Tradition und dem Gesetz der Kirche gelebt werden. Heute wollen wir uns in Erinnerung rufen, daß Jesus während seines mes-sianischen Dienstes zu denen, die ihm folgen wollten, unumwunden sagte, wer wirklich sein Jünger sein wolle, müsse „sich selbst verleugnen und sein Kreuz auf sich nehmen” (vgl. Mt 16,24; Lk 9,23). Das ist eine bedeutende Grundregel. Sie gilt vor allem für das Priesterleben. In ihm nimmt sie strengere Formen an, wie sie aufgrund der Berufung der Diener Christi und ihres besonderen Charismas gerechtfertigt sind. Ein erster Aspekt dieser Selbstverleugnung wird sichtbar in den Verzichten, die die Gemeinschaft erfordert, eine Gemeinschaft - sowohl untereinander wie mit dem Bischof (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28; Pastores dabo vobis, Nr. 74) -, die zu leben die Priester berufen sind. Die Einsetzung des Amtspriestertums geschah im Rahmen einer Gemeinschaft und in priesterlicher „Communio”. Jesus sammelte eine erste Gruppe, die der Zwölf, und rief sie dazu auf, in gegenseitiger Liebe eine Einheit zu bilden. Er wollte sodann, daß zu dieser ersten „priesterlichen” Gemeinschaft weitere Mitarbeiter kämen. Als er die siebzig Jünger und die zwölf Apostel zur Mission aussandte, schickte er sie zu zwei und zwei (vgl. Lk 10,1; Mk6,l), sei es zur gegenseitigen Hilfe im Leben und bei der Arbeit, sei es, damit sich die Gewohnheit gemeinsamen Handelns herausbilde und niemand so vorginge, als ob er allein sei, unabhängig von der Gemeinschaft, nämlich der Kirche, und der Apostelgemeinschaft. 2. Das wird bestätigt, wenn wir über die Berufung durch Christus nachdenken, die am Ursprung eines jeden Priesterlebens und jedes priesterlichen Dienstes steht. Jedes Priesteramt hat seinen Ursprung in einer Berufung. Diese richtet sich an eine bestimmte Person, ist aber verbunden mit den Berufungen, die innerhalb des gleichen Planes zur Evangelisierung und Heiligung der Welt an die anderen gerichtet sind. Wie die Apostel, so sind auch die Bischöfe und die Priester gemeinsam - wenn auch in der Vielfalt der persönlichen Berufungen - von Dem berufen, der sie alle zutiefst teilhaben läßt am Geheimnis der Erlösung. Diese in der Berufung gründende Gemeinschaft schließt zweifelsohne ein Offensein des einen gegenüber dem anderen und eines jeden gegenüber allen ein, um in Einheit zu leben und zu handeln. Das kommt nicht zustande, ohne dem immer gegenwärtigen und sich bemerkbar machenden Individualismus den Abschied zu geben, ohne das „er verleugne sich selbst” in die Tat umzusetzen {Mt 16,24) im Sieg der Liebe über den Egoismus. Der Gedanke der Gemeinsamkeit der Berufung, die zur „Communio” wird, muß alle und jeden zu einmütigem Arbeiten ermutigen, zum Anerkennen der Gnade, die den einzelnen und den Bischöfen und Priestern gemeinsam verliehen wurde: eine Gnade, die jedem nicht aufgrund von persönlichen Verdiensten und Qualitäten und nicht nur zur persönlichen Heiligung gewährt wird, sondern im Hinblick auf den „Aufbau des Leibes Christi” {Eph 4,12.16). 139 AUDIENZEN UND ANGELUS Die priesterliche „Communio” ist auch tief im Sakrament der Priesterweihe verwurzelt, in dem die Selbstverleugnung zu eine noch innigeren Teilnahme am Kreuzesopfer wird. Das Sakrament der Priesterweihe bezieht die freie Antwort eines jeden auf die ihm persönlich zuteil gewordene Berufung ein. Seine Antwort ist ebenfalls persönlich. Aber in der Weihe schafft das erhabene Tun Christi, das im Weiheakt durch den Heiligen Geist wirksam wird, gleichsam eine neue Persönlichkeit: Es bringt die Denkweise, das Bewußtsein, die Interessen dessen, der das Sakrament empfängt, über seine persönlichen Zielsetzungen hinaus in die priesterliche Gemeinschaft ein. Das ist eine psychologische Gegebenheit, infolge der seinsmäßigen Verbundenheit eines jeden Priesters mit allen anderen Priestern. Das einem jeden verliehene Priesteramt muß sich im seinsmäßigen, im psychologischen und im geistlichen Bereich dieser Gemeinschaft auswirken. Dann entsteht wirklich priesterliche „Communio”. Sie ist eine Gabe des Heiligen Geistes, aber auch eine Frucht der hochherzigen Antwort des Priesters. Vor allem kommt durch die Gnade der Priesterweihe eine besondere Verbundenheit zwischen den Bischöfen und den Priestern zustande, denn vom Bischof empfängt man die Priesterweihe, von ihm her wächst die Priesterschaft, er ist es, der die Neugeweihten in die Priestergemeinschaft einführt, zu der auch er gehört. 3. Die Gemeinschaft unter den Priestern setzt voraus und schließt ein die feste und treue Verbundenheit aller, der Bischöfe und der Priester, mit der Person Christi. Als Jesus den Zwölfen Anteil an seiner messianischen Sendung geben wollte, rief er sie, wie das Markusevangelium sagt, und setzte sie ein, „auf daß sie bei ihm seien” (vgl. Mk 3,14). Beim Letzten Abendmahl wandte er sich an sie als an jene, die bei ihm in allen Prüfungen ausgeharrt hatten (vgl. Lk 22,28): Er legte ihnen die Einheit ans Herz und bat den Vater darum. In Christus vereint, blieben sie alle auch untereinander eins (vgl. Joh 15,4-11). Das Wissen um diese Einheit und Gemeinschaft in Christus blieb in den Aposteln lebendig bei der Predigt, die sie unter dem antreibenden und zugleich einigenden Wirken des Pfingstgeistes von Jerusalem aus in die verschiedenen Gebiete der damals bekannten Welt führte. Ihre Briefe, die Evangelien und die Apostelgeschichte lassen dieses Bewußtsein durchblicken. Auch wenn Jesus Christus neue Priester zum Priestertum beruft, fordert er von ihnen die Hingabe an seine Person. So will er sie kraft einer besonderen Verbundenheit mit Ihm selbst auch untereinander einen. Hier liegt die wahre Quelle der tiefen Übereinstimmung des Geistes und des Herzens, die die Priester und Bischöfe in der priesterlichen Gemeinschaft verbindet. Diese Gemeinschaft wird gestärkt durch die Zusammenarbeit am gleichen Werk: dem geistlichen Aufbau der Heilsgemeinschaft. Jeder Priester hat zwar ein persönliches Arbeitsfeld, auf dem er alle seine Fähigkeiten und Qualitäten einsetzen kann, aber dieses Arbeitsfeld ist in den größeren Wirkungsbereichen eingefügt, in dem jede Ortskirche bestrebt ist, das Reich Christi zur Entfaltung zu bringen. Das Werk 140 AUDIENZEN UND ANGELUS ist wesentlich ein Gemeinschaftswerk, und so muß jeder in Zusammenarbeit mit den anderen Arbeitern dieses Reiches handeln. Es ist bekannt, wie sehr der Wille, am gleichen Werk beteiligt zu sein, die gemeinsame Anstrengung bei jedem aufrecht halten und anspomen kann. Dieser Wille schafft ein Solidaritätsgefühl und läßt die von der Zusammenarbeit geforderten Opfer in Achtung vor dem anderen und im Bejahen seiner Andersartigkeit annehmen. Hierzu ist zu bemerken, daß eine solche Zusammenarbeit deutlich wird in der Beziehung zwischen dem Bischof und den Priestern, deren Unterordnung unter den Bischof wesentlich ist für das Leben der christlichen Gemeinschaft. Die Arbeit für das Reich Christi kann sich nur entsprechend der von ihm selbst festgesetzten Struktur vollziehen und entfalten. 4. Nun möchte ich gern noch die Rolle hervorheben, die die Eucharistie in dieser Gemeinschaft innehat. Beim Letzten Abendmahl wollte Jesus auf vollkommenste Weise die Einheit in der Gruppe der Apostel begründen, denen er als ersten das Priesteramt anvertraute. Gegenüber ihrer Auseinandersetzung um den ersten Platz gibt er in der Fußwaschung (vgl. Joh 13,2-15) das Beispiel des demütigen Dienstes, der die von Ehrgeiz hervorgerufenen Konflikte löst, und er lehrt seine ersten Priester, Heber den letzten Platz als den ersten zu suchen. Beim Abendmahl spricht er auch das Gebot der gegenseitigen Liebe aus (vgl. Joh 13,34; 15,12) und erschließt die QueHe der Kraft, die sie nötig haben, um es beobachten zu können: Auf sich allein gestellt, wären die Apostel ja nicht fähig gewesen, sich gegenseitig so zu Heben, wie der Meister sie geHebt hatte; aber in der eucharistischen Kommunion empfangen sie die Fähigkeit, die kirchHche „Communio” zu leben, und innerhalb dieser ihre priesterHche „Communio”. Da er ihnen mit dem Sakrament eine so große Liebesfä-higkeit anbot, konnte Jesus eine kühne Bitte an den Vater richten, nämHch jene, unter seinen Jüngern eine Einheit zu schaffen, jener ähnlich, die zwischen dem Vater und dem Sohn herrscht (Joh 17,21-23). Beim Abendmahl überträgt Jesus sodann den Aposteln die Sendung und die Vollmacht, zu seinem Gedächtnis die Eucharistie zu feiern. So vertiefte er das Band, das sie einte, noch mehr. Es ist undenkbar, daß die den Aposteln gemeinsame Vollmacht, die eine Eucharistie zu feiern, für sie - und für ihre Nachfolger und Mitarbeiter - nicht das Zeichen und die QueHe der Einheit gewesen wäre. 5. Es ist bezeichnend, daß Jesus im HohepriesterHchen Gebet beim Letzten Abendmahl nicht nur um die HeiHgung (seiner Apostel) in der Wahrheit betete (vgl. Joh 17,17), sondern um ihre Einheit, welche die Gemeinschaft der göttHchen Personen selbst widerspiegeln soUte (vgl. Joh 17,11). Dieses Gebet - das zwar zunächst die Apostel im BHck hat, die Jesus in besonderer Weise um sich vereinen woUte -weitet sich auch auf die Bischöfe und die Priester aus und auf die Glaubenden aHer Zeiten. Jesus bittet, daß die priesterHche Gemeinschaft ein Widerschein und Teilnahme an der trinitarischen Gemeinschaft sei: Welch ein hohes Ideal! 141 AUDIENZEN UND ANGELUS Doch die Umstände, unter denen Jesus sein Gebet erhob, machen begreiflich, daß die Verwirklichung dieses Ideales Opfer kostet. Jesus bittet in dem Augenblick, wo er sein Leben dem Vater anbietet, um die Einheit seiner Apostel und seiner Nachfolger. Um den Preis seines Opfers begründet er die priesterliche Gemeinschaft in seiner Kirche. Deshalb dürfen die Priester sich nicht über die Opfer wundem, welche die priesterliche Gemeinschaft ihnen ab verlangt. Vom Wort Christ belehrt, entdecken sie in solchen Entsagungen eine konkrete geistliche und kirchliche Anteilnahme am Erlösungsopfer des göttlichen Meisters. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dem innigen Wunsch, Euer Gebet möge die priesterliche Gemeinschaft in ihrem Wirken am Erlösungswerk Christi bestärken, grüße ich Euch alle, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Willkommensgruß gilt der Gruppe der Soldaten der Bundesmarine. Euch allen, Euren heben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die Euch durch die Einheit der an Christus Glaubenden verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostohschen Segen. Das Leben in Fülle haben Angelus am 8. August Liebe Schwestern und Brüder! 1. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Dieses Wort Christi ist das Leit wort des nun schon nahe bevorstehenden Welttags der Jugend in Denver. Es kommt von den Lippen des Guten Hirten und zeichnet sein Verhältnis zu uns im Bild von Zärtlichkeit und innerer Vertrautheit. Zugleich ruft es zur Wachsamkeit auf gegenüber jenen, die er „bezahlte Knechte” nennt, und die mehr auf ihren Profit als auf das Wohl der Herde aus sind. Der Gute Hirt aber gibt das lieben hin für die, die er liebt, und schenkt ihnen das Leben, ja ein Leben „in Fülle”. Was ist der Sinn des Lebens? Eine schwierige Frage, die heute sehr oft ohne Antwort bleibt. Wieviele junge Menschen finden keine gültigen Gründe, um ihr Dasein voll und ganz zu leben, und nicht selten überlassen sie sich schließlich - einer lähmenden Skepsis! Auf diese Frage - sie ist eine große Herausforderung für unsere Zeit - antwortet Christus nicht mit einer abstrakten Ideologie, sondern er weist auf seine Person hin. „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich 142 AUDIENZEN UND ANGELUS werde euch Ruhe verschaffen” (Mt 11,28). Er ist der Gott, der aus Liebe einer aus uns geworden ist. Er ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben” des Menschen (vgl. Joh 14,6). 2. Die Begegnung mit Christus gestaltet das Menschenleben um. „Für mich ist Christus das Leben” (Phil 1,21), ruft der Apostel Paulus aus. Alles ist anders, alles ist schöner, nachdem man ihm begegnet ist. Das Christentum ist von tiefem Glauben an das Leben erfüllt, es erkennt, daß dieses Leben vom menschgewordenen Wort geprägt ist. Die Natur, die Leiblichkeit, die menschlichen Werte, das gesellschaftliche Zusammenleben, die Wissenschaft, die Technik - alles ist Geschenk! Leider verunreinigt die Sünde alles und stiftet Verwirrung, da sie die Welt aus dem Plan Gottes herausnimmt: Daraus entspringen Egoismus, Gewalttaten, Kriege, Zerstörung der Natur, Ungerechtigkeiten und Erniedrigung der menschlichen Würde. Aber die erlösende Kraft der göttlichen Liebe ist stärker als die Sünde. Das ist das Geschenk des „Lebens in Fülle”: das Geschenk der Annahme an Kindes Statt, die die Menschheit dem Abgrund der Schuld entreißt und sie in die Tiefe des dreifältigen Lebens hineinnimmt. 3. Nächste Woche treffen wir uns in Denver, um die Schönheit dieses unermeßlichen Geschenkes zu bezeugen. Wir gehen dorthin in der Demut dessen, der sich bewußt ist, klein und gebrechlich zu sein, aber auch in der Freude dessen, der weiß, daß er geliebt wird und daß ihm verziehen ist. Wir gehen in einem Augenblick, in welchem an vielen Punkten der Erde der Friede durch blutige Konflikte gestört ist und das immer neue Scheitern der Friedensbemühungen zu Entmutigung und Verzweiflung führen könnte. In Denver werden wir mit der hochherzigen Stimme der Jugendlichen laut den Einsatz der Kirche für das Leben und für den Frieden ausru-fen. Wir wollen vor allem verkünden, daß es Hoffnung und Heil für alle gibt, denn über alle menschliche Niederlage triumphiert die siegreiche Liebe Gottes. Liebe Schwestern und Brüder, wenden wir uns in diesen letzten Tagen, die uns noch vom Treffen in Denver trennen, vertrauensvoll an Maria. Ihr wollen wir alle unsere Wünsche anvertrauen und sie bitten, dem nächsten Jugendtreffen reiche Früchte zu schenken. Maria, Mutter der göttlichen Barmherzigkeit, bitte für uns! Nach dem Angelusgebet sagte der Papst in deutscher Sprache: Mit meinem herzlichen Willkommensgruß an Euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher, verbinde ich die Versicherung meines Gebetes für Euch, Eure heben Angehörigen und Freunde in der Heimat. 143 AUDIENZEN UND ANGELUS Gemeinsam eine aufnahmebereite und offene Welt aufbauen Ansprache bei der Generalaudienz am 18. August 1. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Liebe Brüder und Schwestern! Dies war das Leitthema des Weltjugendtages, der in den vergangenen Tagen in Denver/Colorado, im Zentrum der Vereinigten Staaten von Amerika, stattgefunden hat. Im vergangenen Jahr hatte Amerika am 12. Oktober die Gedenkfeiern zum V. Jahrhundert der Evangelisierung begonnen, die gerade am 12. Oktober 1492 in Santo Domingo ihren Anfang nahm. Gegen Ende des Jubiläumsjahres, das dieses so wichtigen Ereignisses gedachte, fand nun das Treffen der Jugendlichen in Denver statt. Es fügt sich damit organisch in den Rahmen der Feiern zum erwähnten Jubiläum ein, gerade wenn man von seinem Thema ausgeht: die Evangelisierung, das Leben in Christus und die Fülle des Lebens. Ich danke dem Herrn, daß ich vom 9. bis 15. August auf jenen Kontinent zurückkehren durfte, um erneut den Weg der Neuevangelisierung zurückzulegen. 2. Die erste Etappe der Apostolischen Reise war Kingston, die Hauptstadt von Jamaika. Dort war der Besuch des Armenhauses, das die Schwestern von Mutter Teresa von Kalkutta betreuen, besonders ergreifend; herzlich waren ferner die Begegnungen mit den Priestern und Ordensleuten in der Kathedrale zur Heiligsten Dreifaltigkeit, mit den Laien im Auditorium des St.-George-Kollegs sowie mit den Vertretern der protestantischen und anglikanischen und der jüdischen Gemeinschaft in der Pfarrkirche zum Heiligen Kreuz. Mein Aufenthalt auf Jamaika schloß mit einer großen Eucharistiefeier im Nationalstadion. In Erinnerung an die großen Übel, entstanden durch die praktizierte Sklaverei, die die Würde der nach dem Bild Gottes geschaffenen menschlichen Person zerstört hat, habe ich im Verlauf der Homilie die grundlegenden Werte der christlichen Ehe und Familie betont, Werte, die vom Evangelium verkündet und vom Lehramt der Kirche ständig in Erinnerung gerufen wurden. 3. Anschließend habe ich mich auf die mexikanische Halbinsel von Yucatan begeben, und zwar nach Izamal und Merida, wo ich im Zusammenhang mit der 500-Jahrfeier der Evangelisierung der Neuen Welt die Nachkommen der Bewohner des amerikanischen Kontinents aus der Zeit, als das Kreuz Christi am 12. Oktober 1492 hier aufgerichtet wurde, gebührend ehren wollte. Zum drittenmal als Pilger in Mexiko, wollte ich meine Solidarität und die der ganzen Kirche mit den Freuden und Leiden des großen und edlen mexikanischen Volkes erneut bekräftigen. 144 AUDIENZEN UND ANGELUS Beim Heiligtum Unserer Lieben Frau von Izamal, das der unbefleckt Empfangenen, „Königin und Patronin von Yucatan”, geweiht und auf der Grundlage einer Pyramide der Maya erbaut ist, erfolgte die bezeichnende Begegnung mit der einheimischen Bevölkerung. Ich habe meinen Gruß an die Völker und Stämme von ganz Nord- und Südamerika gerichtet, von Alaska bis Feuerland, und sie einzeln genannt. Neben der Kultur der Maya habe ich auch die der Azteken und Inkas erwähnt und dabei betont, daß die von den Vorfahren ererbten Werte und die sakrale Sicht des Lebens sich der Botschaft des Evangeliums aufgetan haben. Zugleich wollte ich das Werk der Kirche zur Verteidigung der Indios und für die Förderung der örtlichen Bevölkerungsgruppen angesichts der drohenden Mißbräuche und Erniedrigungen in Erinnerung rufen. Die große Eucharistiefeier in Merida auf dem Platz von Xoclan-Mulsay schloß meinen Besuch in Mexiko ab. 4. Wichtig war der Aufenthalt in Denver, der mir Gelegenheit bot, vielen Tausenden von Jugendlichen zu begegnen, die zahlreicher als vorgesehen hier zusammengekommen waren. Mit ihnen habe ich gebetet, mit ihnen habe ich über das Thema des von Christus kommenden Lebens nachgedacht. Mit ihnen vermochte ich auch voll Hoffnung die Gegenwart und zumal die Zukunft zu betrachten trotz der Schwierigkeiten, die die Menschheit in dieser einzigartigen Stunde ihrer Geschichte durchmacht. Tatsächlich sind die Weltjugendtage aus dem Wunsch entstanden, den Jugendlichen bedeutsame „Bezugspunkte” auf dem steten Pilgerweg des Glaubens zu bieten, der auch durch die Begegnung mit Gleichaltrigen aus anderen Ländern und den Austausch der jeweiligen Erfahrungen bereichert wird. Die jährlichen Feiern dieses „Tages” sind auf diesem Weg des Glaubens und der Evangelisierung gleichsam Abschnitte der Vertiefung und der Prüfung: gemeinsame Stunden des Gebetes und des Nachdenkens über Themen, die bereits innerhalb der Verbände, Bewegungen und Jugendgruppen auf Pfarrei- und Diözesanebene vertieft wurden. 5. Die Jugendlichen sind damit ständig Pilger auf den Straßen der Welt. In ihnen erkennt die Kirche sich selbst und ihre Sendung unter den Menschen; mit ihnen greift sie die großen Herausforderungen der Zukunft auf in dem Bewußtsein, daß die gesamte Menschheit eine neue Jugendlichkeit des Geistes braucht. Wie sollten wir nicht Gott danken für die Früchte einer echten Erneuerung, hervorgebracht von diesen Welttagen? Von der ersten Begegnung an auf dem Platz vor der Lateranbasilika am Samstagnachmittag und auf dem Petersplatz am folgenden Palmsonntag 1985 ist der Weltjugendtag zu einer Tradition geworden, der von Jahr zu Jahr abwechselnd auf Welt- und Diözesanebene begangen wird, um gleichsam die unerläßliche Dynamik des apostolischen Einsatzes der Jugendlichen in der doppelten Dimension - lokal und universal - zu unterstreichen. Im Abstand von zwei Jah- 145 AUDIENZEN UND ANGELUS ren folgten dann die Begegnungen in Buenos Aires in Argentinien, in Santiago de Compostela in Spanien sowie in Tschenstochau in Polen. In diesem Jahr aber war die Begegnung in Amerika zum Abschluß des V. Jahrhunderts der Evangelisierung dieses Kontinents angebracht, um die starke Dringlichkeit eines Niederreißens der „Mauern” der Armut und der Ungerechtigkeit, der Gleichgültigkeit und des Egoismus zu bezeugen, um eine aufnahmebereite und offene Welt zu erbauen, die sich auf Christus gründet, der auf die Erde kam, damit die Menschen „das Leben haben und es in Fülle haben”. 6. Der interessanteste Aspekt der Begegnung von Denver war gewiß die Antwort der Jugendlichen, die aus allen Diözesen der Vereinigten Staaten gekommen waren, aber auch von allen Kontinenten, um ihre Offenheit für das Leben in Christus zu bezeigen. Sie waren zum Beten gekommen. Bei den verschiedenen Begegnungen bewiesen sie ein tiefes Bewußtsein von der Gegenwart Gottes in ihrem Leben. Bezeichnende Augenblicke waren der Kreuzweg, die Messe für die Delegierten des „Internationalen Jugendforums” und vor allem die Vigil und die feierliche heilige Messe am Festtag der Aufnahme Mariens. Diese großartige Jugendwallfahrt hatte als Ziel nicht ein Heiligtum, sondern eine moderne Stadt. Im Herzen dieser „Metropole” haben die Jugendlichen der Welt ihre Identität als Katholiken und den Wunsch verkündet, menschliche Beziehungen herzustellen, die sich auf die Wahrheiten und Werte des Evangeliums gründen. Sie sind nach Denver gekommen, um Ja zu sagen zum Leben und zum Frieden gegen die Bedrohung des Todes, die die Kultur des Lebens gefährdet. Doch das eigentliche Zentrum des achten Weltjugendtages waren die Jugendlichen selbst. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Mein aufrichtiger Dank gilt allen, die sowohl diese große Begegnung als auch die Pastoralbesuche von Jamaika und Merida möglich gemacht haben. Ich danke allen Autoritäten der besuchten Länder für ihre aufmerksame Zusammenarbeit, zumal dem Generalgouvemeur von Jamaika, dem Präsidenten von Mexiko und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten. Ich danke den Bischofskonferenzen der drei Nationen sowie den Hirten der Erzdiözesen, wohin ich mich begeben habe. Ich danke all denen, die diese Reise möglich gemacht und zu ihrem Erfolg beigetragen haben. Vor allem richte ich meinen Dank an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Der Heilige Geist weckt in den Herzen der Jugendlichen Liebe und Hingabe. In Denver haben sie gezeigt, daß sie sich der Aufgaben bewußt sind, die sie erwarten; zur Erfüllung ihrer Sendung vertrauen sie sich vor allem der Gnade des Herrn an. Ich vertraue die Erwartungen und die geistlichen Früchte des Weltjugendtages der Fürbitte Mariens, der in den Himmel Aufgenommenen, an. Möge sie die Jugendlichen feiten und ermuntern, ihren Pilgerweg des Glaubens weiterzugehen und sie für den kommenden Weltjugendtag vorbereiten, der Anfang 1995 in Manila stattfinden wird. 146 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Diese Worte Jesu waren das Leitthema des Weltjugendtreffens in Denver, an dem auch ich teilnehmen konnte. Mein jüngster Pastoralbesuch führte zunächst nach Kingston auf Jamaika, bekannt durch das beredte Zeugnis der Heiligkeit und der Nächstenhebe von Priestern, Ordensleuten und Laien. In Merida, auf der mexikanischen Halbinsel, wollte ich den Nachfahren jener Einwohner die Ehre erweisen, die den Kontinent bewohnten, als das Kreuz Christi vor 500 Jahren, am 12. Oktober 1492, dort aufgesteht wurde. Als „Pilger”, der sich zum zweiten Mal nach Mexiko begab, habe ich die Solidarität der Gesamtkirche mit den Freuden und Leiden des edlen mexikanischen Volkes zum Ausdruck gebracht, insbesondere mit der notleidenden Schicht der Bevölkerung. Zum Abschluß meiner Pastoraireise konnte ich in Denver Tausende und Abertausende von jungen Menschen begrüßen, die aus allen Teilen der Welt zusammengekommen waren. Mit ihnen habe ich gebetet und über Christus, den wahren Quell des Lebens nachgedacht; mit den Jugendlichen habe ich den Bhck der Hoffnung auf die Gegenwart und besonders auf deren Zukunft gerichtet; es war ein Weg in das Innere des Menschen, durchwoben von Gebet und Hören auf Gott, von Treue zum Evangelium. Die Jugend kam nach Denver, um das Offen-Sein für das Leben zu bezeugen, das uns Christus, der Herr, bringt, sowie die Lebendigkeit und Entschiedenheit ihrer Verpflichtung Christus und der Kirche gegenüber zu bezeugen. Die jungen Menschen kamen zusammen im Namen der Verteidigung des menschlichen Lebens und der Menschenwürde gegen alle Versuche, die Kultur des Lebens zu unterminieren. Möge der Herr auf die Fürsprache der Muttergottes die Jugend leiten und ermutigen, um den Weg des Glaubens weiterzugehen und sich auf den nächsten Weltjugendtag vorzubereiten, der Anfang 1995 in Manila stattfindet. Mit der innigen Bitte an Euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher, das Anhegen und den Glaubens weg der Jugendlichen stets mit Gebet, Verständnis und hilfsbereiter Annahme zu begleiten, grüße ich Euch recht herzlich. Euch ahen, Euren Lieben und Freunden zu Hause sowie allen, die Euch nahestehen, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 147 AUDIENZEN UND ANGELUS Ein Besuch mit ökumenischer Dimension Angelus in Castel Gandolfo am 22. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. In Erfüllung eines lange gehegten Wunsches, werde ich mich Anfang September nach Litauen, Lettland und Estland begeben, zu drei bedeutenden Nationen des Baltikum. Ich werde damit Gelegenheit haben, Völker zu ehren, die unter zahlreichen Prüfungen und Leiden für die Zurückgewinnung ihrer Freiheit gekämpft haben. Ich werde vor allem als Pilger auf den Spuren der alten Missionare kommen, die in diesen Ländern mit vollen Händen den Samen des Evangeliums ausgestreut und einer christlichen Kultur Leben geschenkt haben, die so tief verwurzelt war, daß sie auch schreckliche Verfolgungen überlebt hat. Im historischen Zusammenhang des christlichen Europas stellen die baltischen Länder eine heute für die Zukunft der Gemeinschaft der Kirche und unseres Kontinents besonders bezeichnende Besonderheit dar. In ihnen sind sich zwei Ströme der Evangelisierung begegnet: Die eine ging von Rom aus und trug das Zeichen des westlichen Christentums; die andere kam von Konstantinopel her und bot die Schätze der Ostkirche an. Diese beiden christlichen Überlieferungen, die in ihren Inhalten gleich, aber in den Ausdrucksformen verschieden sind, kann man als zwei Wurzeln betrachten, aus denen sich Europa in seiner geistlichen Dimension entwickelt hat. Gerade um diesen doppelten Aspekt der christlichen Identität unseres Kontinents zu betonen, habe ich zu Mitpatronen Europas neben dem hl. Benedikt auch die beiden großen Slavenapostel, die heiligen Cyrillus und Methodius erwählt. 2. Im ersten christlichen Jahrtausend stand diese Zweiheit nicht der Einheit des Volkes Gottes entgegen; sie nährte und bereicherte sie vielmehr. Später freilich kam es aufgrund der Gebrechlichkeit der Menschen und unter dem Druck komplexer historischer Verhältnisse zu einer tragischen Spaltung der Gemeinschaft zwischen diesen beiden großen Überheferungen, und noch später kamen im Lauf der folgenden Jahrhunderte weitere Spaltungen innerhalb der westlichen Christenheit hinzu. Das haben die baltischen Länder stark zu spüren bekommen; Die Christen, die ich auf meiner kommenden apostolischen Pilgerfahrt werde treffen können, sind in Katholiken, Orthodoxe und lutherische Protestanten gespalten. Doch der Geist Gottes drängt ahe stark zur Einheit hin. Beweis dafür ist die ökumenische Bewegung, die in diesen Ländern mit überzeugten Vertretern rechnen kann. Gestützt auf das innige Gebet Christi für die Einheit seiner Jünger - ut unum sint - vertrauen wir darauf, daß bald die Zeit kommt, wo die Glaubenden erneut „ein Herz und eine Seele” (Apg 4,32) sind in der festen Anhänglichkeit an das Wesentliche und zugleich in aufrichtiger Achtung vor den berechtigten Verschiedenheiten. 148 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Mein Besuch gewinnt also eine ökumenische Dimension. Nie war es mehr als heute notwendig, zumal um das Evangelium glaubwürdiger verkünden zu können, daß die Jünger Christi einig sind. Wir müssen dieses Ziel anstreben, indem wir den Dialog verstärken und alle gelehrig auf das Wort Gottes hören in einer ständigen Haltung einer immer tieferen Bekehrung zu Christus, der Weg, Wahrheit und Leben ist. Die Einheit ist eine Gabe von oben, um die wir innig beten wollen. Zu diesem Gebet möchte ich herzlich auch unsere lieben orthodoxen und protestantischen Brüder und Schwestern einladen. Möge die heilige Jungfrau, die Mutter der Kirche, uns die kostbare Gabe einer immer wirklicheren und tatkräftigeren Gemeinschaft unter allen Christen erlangen. Ich möchte dann ferner dazu auffordem, die Völker zweier afrikanischer Länder -Angola und Sudan - nicht zu vergessen, die sich in besonders schwierigen Verhältnissen befinden. Die aus Angola eintreffenden Nachrichten, wo heftige Kämpfe weitergehen, veranlassen mich, mich der kürzlichen Botschaft der Bischöfe des Landes anzuschließen, die die tragischen Folgen eines absurden und unmenschlichen Krieges angeprangert haben. Mit ihnen wende ich mich an die interessierten Teile, damit die Völker dort endlich in Frieden und Freiheit leben können. Mit den Bischöfen Angolas frage ich: Brüder, warum tötet ihr euch? Im Namen Gottes möchte ich allen Angolanern sagen: Bringt die Waffen zum Schweigen und kommt zusammen, um die Wege der Versöhnung zu bereiten. Seid doch bereit, miteinander zu sprechen, einander die Hand zu reichen: Ihr seid doch Kinder des gleichen Volkes. Auch im Sudan geht die Spaltung und der gnadenlose bewaffnete Kampf weiter. Die humanitären Hilfen kommen nur schwer an ihren Bestimmungsort, und die Bevölkerung wird eine Beute der Verzweiflung. Die von der Begegnung in Abuja geweckten Hoffnungen sind geschwunden, und die Waffen haben das Sagen. Es ist dies ein Weg ohne Ausgang, der Tod und noch größere Armut hervorruft. Ich möchte, daß meine Stimme von all denen gehört wird, die irgendeine Entscheidungsvollmacht besitzen, damit sie doch das Mögliche tun, um diese schrecklichen Kriege anzuhalten. Ich möchte, daß meine Worte die Kraft haben, einen jeden von ihnen zu überzeugen, daß nur die Versöhnung und der Friede ihren Mitbürgern gestatten, mit Hoffnung in die Zukunft zu blicken. Mit euch vertraue ich alle diese Anliegen und Wünsche Maria, der Königin des Friedens an: Möge sie von ihrem erhabenen Sohn Würde und Eintracht für alle Völker Afrikas erlangen! Allen wünsche ich von Herzen: „Gnade und Frieden von Gott dem Vater und Christus Jesus” (Tit 1,4)! 149 AUDIENZEN UNDANGELUS Die Beziehung der Priester zu ihren Bischöfen stärken Ansprache bei der Generalaudienz am 25. August 1. Die Gemeinschaft, die Jesus für all jene gewollt hat, die am Weihesakrament teilhaben, soll sich ganz besonders in der Beziehung der Priester zu ihren Bischöfen zeigen. Das II. Vatikanische Konzil spricht dabei von einer „hierarchischen Gemeinschaft”, die der Einheit von Weihe und Sendung entspringt. Wir lesen: „Alle Priester haben zusammen mit den Bischöfen so an ein und demselben Priestertum und Amt Christi teil, das diese Einheit der Weihe und Sendung ihre hierarchische Gemeinschaft mit dem Stand der Bischöfe erfordert. Diese Gemeinschaft bekunden sie vorzüglich bei gelegentlicher Konzelebration, desgleichen bei jeder Eucharistiefeier” (Presbyterorum ordinis, Nr. 7). Wie man sieht, tritt auch hier wieder das Geheimnis der Eucharistie als Zeichen und Quelle der Einheit hervor. Mit der Eucharistie ist das Weihesakrament verbunden, das die hierarchische Gemeinschaft zwischen all denen bestimmt, die am Priestertum Christi teilhaben: „Diözesan- wie Ordenspriester sind also alle zusammen aufgrund ihrer Weihe und ihres Dienstamtes dem Kollegium der Bischöfe zugeordnet”, sagt das Konzil (Lumen Gentium, Nr. 28). 2. Diese Verbundenheit zwischen Priestern jeder Ordnung und jeden Grades und den Bischöfen ist wesentlich für die Ausübung des priesterlichen Dienstes. Die Priester empfangen vom Bischof die sakramentale Vollmacht und die hierarchische Befugnis zu diesem Dienst. Auch die Ordensleute empfangen eine solche Vollmacht und Autorisation vom Bischof, der sie zu Priestern weiht,, und von dem, der die Diözese leitet, in der sie ihren Dienst ausüben. Auch wenn sie Orden angehören, die in ihrer Lebensweise nicht der Jurisdiktion der Diözesanbischöfe unterstehen, erhalten sie vom Bischof gemäß dem kanonischen Recht den Auftrag und die Zustimmung für ihre Eingliederung und Tätigkeit im Bereich der Diözese, ausgenommen jedoch die Befugnis, womit der römische Papst als Haupt der Kirche den kirchlichen Ordensgemeinschaften oder anderen Instituten die Vollmacht erteilen kann, aufgrund ihrer Konstitutionen weltumspannend tätig zu sein. Den Bischöfen wiederum stehen die Priester „als ihre notwendigen Helfer und Ratgeber im Dienstamt der Belehrung, der Heiligung und der Leitung des Gottesvolkes” zur Seite (Presbyterorum ordinis, Nr. 7). 3. Durch diese Verbundenheit der Priester und Bischöfe in der sakramentalen Gemeinschaft sind die Priester „Hilfe und Organ der Ordnung der Bischöfe”, schreibt die Konstitution Lumen Gentium (Nr. 28). Sie führen in jeder Gemeinschaft die Tätigkeit des Bischofs fort und machen ihn in seiner Eigenschaft als Hirten an den verschiedenen Orten gewissermaßen gegenwärtig. Es ist klar, daß der Dienst der Priester aufgrund seiner pastoralen Identität und seines sakramentalen Ursprungs „unter der Autorität des Bischof’ ausgeübt wird. Wie 150 AUDIENZEN UND ANGELUS es in Lumen Gentium heißt, sollen die Priester „ihren Anteil beitragen zur Hirtenarbeit an der ganzen Diözese”, indem sie den ihnen zugewiesenen Teil der Herde des Herrn heiligen und leiten (ebd.). Es ist wahr, daß die Priester Christus darstellen und an seiner Statt handeln, indem sie ihrem Dienstgrad entsprechend an seinem Amt des einzigen Mittlers teilhaben. Sie können aber nur als Mitarbeiter des Bischofs handeln und dehnen so den Dienst des diözesanen Hirten auf die Ortsgemeinden aus. 4. Auf diesem theologischen Prinzip der Teilhabe im Bereich der hierarchischen Gemeinschaft gründen die Beziehungen zwischen Bischöfen und Priestern, die reich an Spiritualität sind. Lumen Gentium sagt darüber: „Um dieser Teilhabe an Priestertum und Sendung willen sollen die Priester den Bischof wahrhaft als ihren Vater anerkennen und ihm ehrfürchtig gehorchen. Der Bischof wiederum soll seine priesterlichen Mitarbeiter als Söhne und Freunde ansehen, gleichwie Christus seine Jünger nicht mehr Knechte, sondern Freunde nennt (vgl. Joh 15,15)” {ebd..). Das Beispiel Christi ist auch hier die Verhaltensregel für die Bischöfe und für die Priester. Wenn er, der die göttliche Vollmacht hatte, seine Jünger nicht als Knechte, sondern als Freunde behandeln wollte, dann kann der Bischof seine Priester nicht als Menschen betrachten, die in seinem Dienst stehen. Denn sie dienen mit ihm dem Volk Gottes. Und die Priester sollen ihrerseits dem Bischof antworten, wie es das Gebot der Wechselseitigkeit der Liebe in der kirchlichen und priesterlichen Gemeinschaft erfordert: das heißt als Freunde und als geistliche „Söhne”. Die Autorität des Bischofs und der Gehorsam seiner Mitarbeiter, der Priester, sollen deshalb im Rahmen wahrer und echter Freundschaft ausgeübt werden. Dieser Einsatz gründet nicht nur auf der Brüderlichkeit, die durch die Taufe zwischen allen Christen besteht, und jener, die dem Weihesakrament entspringt, sondern auf dem Wort und Beispiel Jesu, der sich auch als siegreich Auferstandener aus seiner unermeßlichen Höhe zu seinen Jüngern herabbeugte, indem er sie „meine Brüder” nannte und seinen Vater auch als „ihren” Vater bezeichnete (vgl. Joh 20,17; Mt 28,10). So soll der Bischof nach dem Beispiel und der Lehre Jesu seine Mitarbeiter, die Priester, als Brüder und Freunde behandeln, ohne daß seine Autorität als Hirt und kirchlicher Vorgesetzter beeinträchtigt wird. Ein Klima der Brüderlichkeit und Freundschaft fördert das Vertrauen unter den Priestern und ihre Bereitschaft, mit ihren Bischöfen in Freundschaft und brüderlicher Liebe zusammenzuarbeiten. 5. Das Konzil geht auch auf einige Einzelheiten über die Pflichten der Bischöfe den Priestern gegenüber ein. Es genügt, sie hier in Erinnerung zu rufen: Die Bischöfe seien nach Kräften auf das leibliche Wohl der Priester bedacht, „und vor allem deren geistliches Wohl sei ihnen ein Herzensanliegen. Denn hauptsächlich auf ihnen lastet die schwere Sorge für die Heiligung ihres Presbyteriums; deshalb sollen sie die größte Mühe für deren ständige Weiterbildung aufwenden. Sie sollen sie gern 151 AUDIENZEN UNDANGELUS anhören, ja sie um Rat fragen und mit ihnen besprechen, was die Seelsorge erfordert und dem Wohl des Bistums dient” (Presbyterorum ordinis, Nr. 7). Die Pflichten der Priester ihren Bischöfen gegenüber werden mit folgenden Worten zusammengefaßt: „Die Priester aber sollen die Fülle des Weihesakramentes der Bischöfe vor Augen haben und in ihnen die Autorität des obersten Hirten Christus hochachten. Sie sollen ihrem Bischof in aufrichtiger Liebe und Gehorsam anhängen” (ebd.). Liebe und Gehorsam, das sind die zwei wesentlichen geistlichen Merkmale für das Verhalten seinem Bischof gegenüber. Es handelt sich um einen von der Liebe beseelten Gehorsam. Die grundlegende Absicht des Priesters in seinem Dienst kann nur sein, mit seinem Bischof zusammenzuarbeiten. Wenn er Glaubensgeist hat, erkennt er den Willen Christi in den Entscheidungen des Bischofs. Verständlicherweise kann es manchmal, besonders in Augenblicken, wo verschiedene Meinungen einander gegenüberstehen, schwierig sein, zu gehorchen. Aber der Gehorsam war die Grundhaltung Jesu bei seinem Opfertod und hat die für die ganze Welt bestimmte Frucht der Erlösung hervorgebracht. Auch der Priester, der aus dem Glauben lebt, weiß, daß er zum Gehorsam berufen ist, der ihm, dadurch daß er den Grundsatz Jesu über die Opferbereitschaft verwirklicht, die Macht und die Herrlichkeit gibt, an der erlösenden Fruchtbarkeit des Kreuzestodes teilzuhaben. 6. Schließlich ist noch hinzuzufügen, daß der priesterliche Dienst aufgrund seiner Vielfältigkeit und Weite bekanntlich heute mehr denn je die Zusammenarbeit der Priester und folglich ihre Verbundenheit mit den Bischöfen erfordert. Das Konzil schreibt: „Die Einheit der Priester mit den Bischöfen wird in unseren Tagen um so mehr gefordert, als heute aus vielerlei Gründen das Apostolat notwendigerweise nicht nur vielfältige Formen annimmt, sondern auch die Grenzen einer Pfarrei oder einer Diözese überschreitet. Kein Priester kann abgesondert und als einzelner seine Sendung hinreichend erfüllen, sondern nur in Zusammenarbeit mit anderen Priestern, unter Führung derer, die die Kirche leiten” (ebd.). Deshalb haben auch die „Priesterräte” versucht, die Beratungen mit den Priestern seitens der Bischöfe systematisch und organisch zu gestalten (vgl. Der priesterliche Dienst, zweiter Teil, 11,1: O.R.dt. Nr. 11, 1971, S. 6). Die Priester ihrerseits sollen sich an diesen Räten im Geist treuer und erleuchteter Mitarbeit beteiligen in der Absicht, zum Aufbau des „einen Leibes” beizutragen. Und auch in ihrem persönlichen Verhältnis als einzelne zu ihrem Bischof sollen sie vor allem an eines denken, das ihnen ein Herzensanliegen sein soll: das Wachstum eines jeden und aller in der Liebe, die aus der Selbsthingabe im Licht des Kreuzes erwächst. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Unsere heutigen Überlegungen gelten der Verbundenheit, die nach dem Willen Jesu zwischen den Priestern und ihrem Bischof als „hierarchische Gemeinschaft” besteht 152 AUDIENZEN UND ANGELUS (Presbyterorum ordinis, Nr. 7) besteht. In der Tat sind „die Diözesan- und Ordenspriester alle zusammen aufgrund ihrer Weihe und ihres Dienstamtes dem Kollegium der Bischöfe zugeordnet”, wie das Konzil in Erinnerung ruft (Lumen Gentium, Nr. 28). Die Beziehung der Priester zu ihrem Bischof ist von einem Gehorsam gekennzeichnet, der seine Wurzel in der Liebe hat. Wenn der Priester mit dem Geist des Glaubens erfüllt ist, erkennt er in den Entscheidungen des Bischofs den Willen Christi selbst. Es ist besonders im Fall gegensätzlicher Meinungen verständlich, daß der Gehorsam schwierig erscheinen mag. Auch die Sendung Jesu war von Gehorsam geprägt, und in seinem Opfer hat er der ganzen Welt Erlösung gebracht. In ihrer persönlichen Verbundenheit mit ihrem Bischof wird den Priestern stets eine Sache am Herzen liegen: das Wachsen eines jeden und aller gemeinsam in der Liebe, die Frucht der Selbsthingabe im Lichte des Kreuzes Christi ist. Mit dieser kurzen Betrachtung richte ich einen herzlichen Willkommensgruß an alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Besonders grüße ich die Pilgergruppe aus der Pfarrei Heiligenkreuz in Niederösterreich und die jungen Männer aus Nossgem-Zaventem in Belgien, die nach Rom gekommen sind, um im Gebet Stärkung und Klärung in ihrer geistlichen Berufung zu suchen. Schließlich gilt mein Gruß den Pilgern aus Bischofferode, mit denen mich der aufrichtige Wunsch verbindet, daß die derzeitigen Probleme in ihrer Region in solidarischem Verantwortungsbewußtsein gelöst werden mögen und die Zukunft der Menschen sich auf einer verläßlichen wirtschaftlichen Grundlage hoffnungsvoll entwickeln kann. Euch allen, hebe Schwestern und Brüder, Euren heben Angehörigen daheim sowie all jenen, die sich uns geistlich verbunden wissen, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Das Gebet der Katholiken, Orthodoxen und Lutheraner begleite den Besuch im Baltikum Angelus in Castel Gandolfo am 29. August Liebe Schwestern und Brüder! 1. Anläßlich der bevorstehenden Reise, die mich nach Litauen, Lettland und Estland führen wird, will ich mit euch dem Herrn danken. Er gewährt heute, daß ein noch vor wenigen Jahren unvorstellbares, einzigartiges Ereignis in Erfüllung geht. Diese Völker sind aus dem Tunnel einer erzwungenen Atheisierung herausgekommen, die ihr rehgiöses Gefühl auf eine harte Probe gesteht hat. Jetzt können sie durch die Wiedererlangung der politischen Autonomie und der Freiheit den Glauben, die Lebensader ihrer Geschichte, erneut zum Ausdruck bringen und pflegen. 153 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Meine apostolische Pilgerfahrt in die baltischen Länder soll deshalb ein Dienst der Evangelisierung auf den Spuren der Missionare sein, die am Anfang des zweiten Jahrtausends der christlichen Zeit von den Kirchen des Ostens und des Westens ausgesandt wurden, um das Evangelium in jenem Teil von Europa zu verkünden. Die Geschichte dieser Völker seit damals wäre ohne den Bezug zum Christentum unverständlich. Die Einladung zu dieser Pilgerfahrt nach Litauen wurde anläßlich der 500-Jahr-Feier des Todes des hl. Kasimir und der 600-Jahr-Feier der Taufe der Nation an mich gerichtet; die Einladung nach Lettland war mit der 800-Jahr-Feier der Bischofs weihe des hl. Meinhard, des ersten Bischofs von Riga, verbunden. Erst jetzt, nachdem sich die politische Lage geändert hat, kann ich endlich dem brüderlichen Drängen des Episkopats nachgeben und einen Plan verwirklichen, den ich schon seit langer Zeit im Herzen hegte. Ich bitte die Katholiken der ganzen Welt wie auch die Orthodoxen und Lutheraner - vor allem die in diesen Ländern ansässigen -, mich im Gebet auf den verschiedenen Etappen meines Apostolischen Besuchs zu begleiten. 3. Die Christen dieser Nationen, die den Glauben während der schweren Religionsverfolgung verteidigt haben, sollen sich jetzt darum bemühen, ihn vor den Gefahren der Gleichgültigkeit und des Säkularismus zu bewahren. Notwendig ist deshalb eine Neuevangelisierung, die den Glaubenden und besonders den jungen Generationen hilft, ihre Lebensentscheidungen fest im Evangelium zu verankern. Für dieses besondere Anliegen möchte ich heute mit euch im Geist zu den Marien-heiligtümem pilgern, an denen sich der Glaube der baltischen Völker jahrhundertelang genährt und gefestigt hat: Ich denke insbesondere für Litauen an das Heiligtum „Tor der Morgenröte” in Wilna, an jene von Siluva, Zemaiciu Kalvarija, Krekenava und Pivasiunai; für Lettland an die Heiligtümer von Skaistakalne, Sarkani und vor allem von Aglona, wo die in den Himmel aufgenommene Jungfrau als „Königin des Marienlandes” angerufen wird, unter einem Namen, mit dem man Lettland und einen Teil von Estland seit dem Mittelalter bezeichnete. Die besonders in Wilna in der Kirche „Tor der Morgenröte” verehrte seligste Jungfrau erbitte für die litauischen, lettischen und estnischen Völker eine neue Morgenröte des Glaubens und des gesellschaftlichen Fortschritts. Sie helfe den Christen in diesen Ländern, in der gegenseitigen Achtung und im Dialog zu wachsen, bis sie die volle Einheit erlangen. Maria sei wirklich für diese Völker und für alle Nationen der Erde die Morgenröte des Friedens. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst in deutscher Sprache: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt auch euch, hebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Mögen diese Sommerwochen der Erholung euch die Zeit schenken, für Körper und Geist neue Kraft zu schöpfen. Euch und euren lieben Angehörigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 154 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Verhältnis der Priester untereinander Ansprache bei der Generalaudienz am 1. September 1. Die priesterliche Gemeinschaft (das Presbyterium), über die wir in den vorhergegangenen Katechesen gesprochen haben, schafft unter denen, die an ihr teilhaben, ein Netz wechselseitiger Beziehungen: Diese bestehen im Bereich der kirchlichen Gemeinschaft, die ihren Ursprung in der Taufe hat. Das besondere Fundament dieser Beziehungen ist die gemeinsame sakramentale und geistliche Teilhabe am Priestertum Christi, aus dem spontan ein Zugehörigkeitsgefühl zum Presbyterium erwächst. Das wurde vom Konzil gut hervorgehoben: „Die Priester, die durch die Weihe in den Priesterstand eingegliedert wurden, sind in inniger sakramentaler Bruderschaft miteinander verbunden. Besonders in der Diözese, deren Dienst sie unter dem eigenen Bischof zugewiesen werden, bilden sie das eine Presbyterium” (Presbyterorum ordinis, Nr. 8). In bezug auf dieses Diözesanpresbyterium entwickelt sich hauptsächlich durch das gegenseitige Kennenlemen, die Nachbarschaft und die Lebensund Arbeitsgewohnheiten jenes Zugehörigkeitsgefühl, das die brüderliche Gemeinschaft schafft und erhält und sie öffnet für die pastorale Zusammenarbeit. Die Verbundenheit in der Hirtenhebe drückt sich aus im Dienst und in der Liturgie, wie auch das Konzil betont: „Mit den übrigen Gliedern dieses Presbyteriums ist jeder einzelne durch besondere Bande der apostolischen Liebe, des Dienstes und der Brüderlichkeit verbunden. Das wird schon seit frühen Zeiten in der Liturgie bekundet, wenn die anwesenden Priester aufgefordert werden, dem Neuerwählten zusammen mit dem weihenden Bischof die Hände aufzulegen, und wenn sie einmütig die heilige Eucharistie zusammen feiern” (ebd.). In diesen Fällen kommt die sakramentale, aber auch die geistliche Gemeinschaft zum Ausdruck, die in der Liturgie die „eine Stimme” findet, um vor Gott und den Mitmenschen die Einheit des Geistes zu verkünden und zu bezeugen. 2. Die priesterliche Verbundenheit findet ebenso Ausdruck in der Einheit des Hirtenamtes, im ganzen weitgefächerten Bereich der Aufgaben, Ämter und Tätigkeiten, die den Priestern übertragen sind, die „trotz ihrer verschiedenen Ämter für den Menschen den einen priesterlichen Dienst leisten” (ebd.). Die Vielfalt der Aufgaben kann groß sein. So sind zum Beispiel zu nennen: das Dienstamt in den Pfarreien und der zwischen- oder überpfarrliche Dienst; die di-özesanen, nationalen, internationalen Werke; der Schulunterricht, die Forschung und Analyse, der Unterricht in den verschiedenen Bereichen von Religion und Theologie; jedes Apostolat in Form des Bezeugens, manchmal verbunden mit der Pflege und Lehre eines menschlichen Wissenszweiges; die Verbreitung des Evangeliums durch die Medien; die religiöse Kunst in ihren vielen Ausdrucksformen; die vielfachen karitativen Dienste; die moralische Hilfe für die einzelnen Kategorien von Menschen, die forschen oder arbeiten, und schließlich die heute besonders aktuellen 155 AUDIENZEN UND ANGELUS und wichtigen ökumenischen Aktivitäten. Diese Vielfalt bewirkt keine Abstufungen oder Unterschiede, denn es handelt sich um Aufgaben, die für die Priester immer zum Evangelisierungsplan gehören. „In dem einen - so sagen wir mit dem Konzil -kommen sie alle überein: in der Auferbauung des Leibes Christi, die besonders in unserer Zeit vielerlei Dienstleistungen und neue Anpassungen erfordert” (ebd.). 3. Deshalb ist es wichtig, daß jeder Priester bereit und innerlich entsprechend geformt ist, das von seinen Mitbrüdem im Priesteramt vollbrachte Werk zu verstehen und hochzuschätzen. Es ist eine Frage des christlichen und kirchlichen Geistes sowie der Offenheit gegenüber den Zeichen der Zeit. Er soll zum Beispiel verstehen können, daß es beim Aufbau der christlichen Gemeinschaft unterschiedliche Bedürfnisse wie auch verschiedene Charismen und Gaben gibt; die apostolischen Werke werden in unterschiedlicher Weise verstanden und gestaltet, so daß neue Arbeitsmethoden im Seelsorgebereich vorgeschlagen und angewandt werden können unter Beibehaltung der Gemeinschaft des Glaubens und Handelns der Kirche. Gegenseitiges Verständnis ist die Grundlage der wechselseitigen Hilfe in den verschiedenen Bereichen. Wir wiederholen mit dem Konzil: „Deshalb ist es von großer Bedeutung, daß alle, Welt- und Ordenspriester, einander helfen, damit sie stets Mitarbeiter der Wahrheit sind” (ebd.) Gegenseitige Hilfe kann in vielerlei Weisen geleistet werden: durch die Bereitschaft, die Arbeit im Geist seelsorglicher Zusammenarbeit zu planen, die sich unter den verschiedenen Einrichtungen und Gruppen und in der Gesamtordnung des Apostolats selbst als immer notwendiger erweist. Hier ist zu berücksichtigen, daß die Pfarrei selbst (und manchmal auch die Diözese), obwohl sie selbständig ist, sich nicht isolieren kann; besonders in einer Zeit wie heute, wo die Kommunikationsmittel überhandnehmen ebenso wie die Mobilität der Leute, die Anziehungskraft von Ballungszentren sowie die Gleichschaltung neuer Tendenzen, Gewohnheiten, Moden, Zeitplänen. Die Pfarreien sind lebendige Organe des einen Leibes Christi, der einen Kirche, in der sowohl die Mitglieder der Ortsgemeinden als auch all jene hilfreich aufgenommen werden, die aus irgendeinem Grund in einem bestimmten Augenblick kommen, der ein Erscheinen Gottes in ihrem Bewußtsein, ihrem Leben, bedeuten kann. Natürlich darf das keine Unordnung bzw. kein Vergehen gegen die kanonischen Gesetze verursachen, die ebenso im Dienst der Pastoral stehen. 4. Ein besonderes Bemühen, um gegenseitiges Verständnis und Hilfe untereinander ist wünschenswert und zu fördern vor allem in den Beziehungen zwischen den älteren und den jüngeren Priestern: Die einen wie die anderen sind für die christliche Gemeinschaft so notwendig und den Bischöfen und dem Papst so teuer. Das Konzil empfiehlt den Älteren, für die Initiativen der Jüngeren Verständnis und Wohlwollen zu hegen: die Jüngeren ermahnt es, die Erfahrung der Älteren zu achten und ihnen Vertrauen zu schenken; die einen wie die anderen werden angewiesen, einander mit wahrer Liebe zu behandeln nach dem Beispiel, das so viele Priester gestern und heute gegeben haben (vgl. ebd.). 156 AUDIENZEN UND ANGELUS Wieviel möchte aus dem Herzen und über die Lippen kommen in bezug auf diese Dinge, in denen sich die „priesterliche Gemeinschaft” konkret offenbart, die die Priester miteinander verbindet! Begnügen wir uns mit den Worten des Konzils: „Der Geist der Bruderhebe verpflichtet die Priester, die Gastfreundschaft zu pflegen, Gutes zu tun und ihre Güter zu teilen, wobei ihre besondere Sorge den kranken, bedrängten, mit Arbeit überlasteten, den einsamen, den aus ihrer Heimat vertriebenen Mitbrüdem gelten soll sowie denen, die Verfolgung leiden” (ebd.). Jeder Bischof, jeder Priester, findet, wenn er auf seinen Lebensweg zurückblickt, ihn durchsetzt mit Erfahrungen, wo so viele Mitbrüder wie auch weitere Gläubige, die sich in den soeben genannten und vielen anderen Notsituationen befinden, Verständnis, Hilfe und Mitarbeit brauchen! Wer weiß, ob es nicht möglich gewesen wäre, mehr zu tun für all die „Armen”, die vom Herrn gebebt und der Liebe der Kirche anvertraut wurden. Auch für jene, die - wie das Konzil sagt (ebd.) - sich in Schwierigkeiten befinden. Auch im Bewußtsein, der Stimme des Herrn und des Evangeliums gefolgt zu sein, sollen wir uns jeden Tag vornehmen, immer mehr und immer Besseres für alle zu tun. 5. Das Konzil rät auch zu gemeinschaftlichen Initiativen, die die gegenseitige Hilfe in Notfällen und auch ständig, ja gewissermaßen institutionell zugunsten der Mitbrüder fördern sollen. Es weist vor allem auf regelmäßige brüderliche Zusammenkünfte hin, die der Entspannung und Ruhe dienen sollen, damit das Bedürfnis des Menschen nach Erholung der körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte erfüllt wird, das auch Jesus, unser Herr und Meister, in seiner hebevollen Aufmerksamkeit für die Lage der anderen vor Augen hatte, als er die Apostel aufforderte: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus” (Mk 6,31). Diese Einladung gilt auch für die Priester aller Zeiten und in der unsrigen mehr denn je angesichts der zunehmenden Tätigkeiten und ihrer Verflechtungen auch im Pastoraldienst (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 8). Das Konzil ermutigt weiter die Initiativen, die das Gemeinschaftsleben der Priester ständig ermöglichen und erleichtern wohen, auch in Form eines klug gestalteten und geordneten Zusammenwohnens oder wenigstens einer leicht zugänghchen und nutzbaren Mensa an entsprechenden Stehen. Die nicht nur ökonomischen und praktischen, sondern auch geistlichen Gründe solcher Unternehmen im Einklang mit den Einrichtungen der Urgemeinde von Jerusalem (vgl. Apg 2,46-47) sind offensichtlich und dringend angesichts der heutigen Lage vieler Priester und Prälaten, auf die man achten und für die man sorgen muß, um ihnen Schwierigkeiten und Mühen zu ersparen (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 8). „Hochzuschätzen und achtsam zu unterstützen sind auch Vereinigungen, die nach Prüfung ihrer Satzungen von der zuständigen kirchlichen Autorität durch eine geeignete und entsprechend bewährte Lebensordnung sowie durch brüderliche Hilfe die Heiligkeit der Priester in der Ausübung 157 AUDIENZEN UND ANGELUS ihres Dienstes fördern und auf diese Weise dem ganzen Priesterstand dienen möchten” (ebd.). 6. Letztere Erfahrung wurde in der Vergangenheit an nicht wenigen Orten von heiligen Priestern gemacht. Das Konzil wünscht und ermutigt ihre möglichst weite Verbreitung, und es fehlt nicht an neuen Einrichtungen, die das Wohl des Klerus und des christlichen Volkes fördern. Ihrem Wachstum und ihrer Wirksamkeit entspricht das Maß der Erfüllung der vom Konzil festgelegten Bedingungen: die Zielsetzung der priesterlichen Heiligung, die brüderliche Hilfe unter den Priestern, die Gemeinschaft mit der kirchlichen Autorität auf diözesaner Ebene und auf der des Apostolischen Stuhls den jeweiligen Fällen entsprechend. Diese Gemeinschaft bringt approbierte Statuten als Lebens- und Arbeitsregel mit sich, ohne die die Mitglieder fast unweigerlich in Unordnung oder willkürlichen Zwängen seitens einer starken Persönlichkeit ausgesetzt wären. Es ist ein altes Problem für jede Form der Vereinigung, das auch im religiösen und kirchlichen Bereich auftaucht. Die kirchliche Obrigkeit erfüllt ihre Sendung des Dienstes an den Priestern und allen Gläubigen auch dadurch, daß sie diese Rolle der Unterscheidung der echten Werten und des Schutzes der geistigen Freiheit der Menschen spielt. Ferner will sie die Gültigkeit der Vereinigungen wie des ganzen Gemeinschaftslebens gewährleisten. Auch hier handelt es sich darum, das heilige Ideal der priesterlichen Gemeinschaft zu verwirklichen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Sehr herzlich heiße ich Euch, die Pilger aus den verschiedenen Ländern deutscher Sprache, zu dieser Audienz willkommen. Ich freue mich, mit Euch Zusammentreffen zu können, und will, wie es die Aufgabe des Nachfolgers Petri ist, Euch in Eurem Glauben stärken (vgl. Lk 22,32). Mein besonderer Willkommensgruß gilt den Schüler- und Studentengruppen, den Kirchenchören aus der Diözese Passau, den Teilnehmern der Leserfahrt des Bistumsblatts „Paulinus” der Diözese Trier sowie den Ordensschwestern aus verschiedenen europäischen Ländern, die an einem Weiterbildungskurs der Salvatoria-nerinnen in Rom teilnehmen. Möge der Besuch an den Gräbern der Apostel Euch in Eurem Glauben neue Kraft und Freude schenken. Dazu erteile ich Euch, Euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie all jenen, die uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, von Herzen meinen Apostolischen Segen. 158 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Leidensweg der Balkan Völker möge bald enden Grußworte des Papstes an die anwesenden Kroaten: Liebe kroatische Pilger, jeden Tag bete ich zusammen mit euch zum Herrn, damit der lange Leidensweg der heben Völker von Bosnien und Herzegowina und von Kroatien bald ein Ende nehme; ich bete auch für die Verantwortlichen um die Einsicht, daß zur Wiederherstellung und Erhaltung des wahren Friedens die Achtung der ethischen Grundsätze und der moralischen Werte notwendig ist. Der Segen Gottes komme über euch und sei immer bei euch. Gelobt seien Jesus und Maria! Der Mensch bedarf der Erlösung Angelus in Castel Gandolfo am 12. September 1. „Und das Wort ist Heisch geworden” (loh 1,14). Die knappe Formulierung des Evangelisten Johannes trifft die Wirklichkeit des Geheimnisses in ihrem Wesens-kem: Das ewige Wort Gottes „ist Heisch geworden” im Schoß der Jungfrau. Es ist in die Menschheitsgeschichte eingetreten und hat ihr den Keim, endgültiger Erneuerung eingepflanzt. Das göttliche Wort hat sich menschlichen Worten ausgeliefert und mit ihnen begonnen, die Straßen der Welt zu durchqueren, indem es „bis an die Grenzen der Erde” vorgedrungen ist (Apg 1,8). Unter diesem Schlüssel, hebe Schwestern und Brüder, möchte ich die jüngste apostolische Reise nach Litauen, Lettland und Estland betrachten, in deren Verlauf ich diese edlen Völker näher kennenlemen konnte. Die christliche Botschaft wurde unter ihnen erst zu Beginn des 2. Jahrtausends verbreitet, als sie bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken konnten. Es genügt, daran zu denken, daß die litauische Sprache eine der ältesten indoeuropäischen Sprachen neben dem Sanskrit ist. Die Verkündigung des Evangeliums befruchtete diese Länder, förderte ihre Entwicklung und führte die vielen Werte, die sie schon besaßen, auf den Höhepunkt. Das religiöse und menschliche Erbe, das sich seitdem in jenen Regionen angesammelt hat, stellt einen einzigartigen Reichtum für die Menschheit dar und zeugt von der unendlichen Vielfalt der Ausdrucksformen, durch welche das Wort Gottes seine Gegenwart in der Geschichte kundtut und handelt. Welcher Reichtum an christlichen Gedanken und Gefühlen wurde im Laufe der Jahrhunderte zum Ausdruck gebracht durch die besonderen Akzente jener Sprachen, die sich der Heilsbotschaft bereits geöffnet hatten! Indem sie die Offenbarung annahmen, wurden sie Träger und gleichsam Widerhall des ewigen Wortes, das in Jesus Fleisch geworden ist! 2. Wenn es zu dem von der Sünde verletzten Menschen gelangt, ist das Echo des Wortes leider oft verändert, und es wird oftmals abgelehnt und verleugnet. Sind 159 AUDIENZEN UND ANGELUS vielleicht das Blut, das in unserer Welt fließt, die Egoismen, die sie zerfleischen, die Ungerechtigkeiten, die sie kennzeichnen, kein Verrat an diesem ewigen Wort, das ein Wort der Liebe und des Friedens ist? Der Mensch braucht eine Rettung, die von oben kommt, er bedarf der Erlösung. Daran erinnern uns gerade in dieser Woche die liturgischen Feste der Kreuzerhöhung und der Gedenktag der Schmerzen Mariens; sie laden uns ein, das Geheimnis des Leidens Christi neu zu betrachten, das gleichzeitig Fmcht unserer Sünde ist und Mittel unseres Loskaufs. Großen Trost gab mir auf meiner baltischen Pilgerfahrt die Feststellung, daß diese Länder stark beseelt sind von einem solchen Bewußtsein. Zeugnis davon gibt sogar die Landschaft mit ihren Kreuzen, die verstreut am Wegrand stehen oder auf dem Hügel der Kreuze in Litauen angehäuft sind, ebenso mit ihren Marienheiligtümem, wo sich der althergebrachte Glaube dieser Völker seit Jahrhunderten neue Kraft holt. 3. Zusammen mit diesen endlich zur Freiheit gelangten Völkern blickt Europa in die Zukunft. Aber welche Zukunft kann man sich vorstellen, wenn sie sich entfernt von den christlichen Wurzeln, die Leben und Kultur des Kontinents geformt haben? Wenn man auf die schwierige Situation Europas in unseren Tagen betrachtet, scheint es dringender denn je, daß das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung von neuem Licht werfe auf unsere Probleme, unser Denken, unser nicht leichtes Zusammenleben. Maria, die Mutter des Erlösers, führe die baltischen Länder, Europa und die ganze Welt auf dem Weg der tiefen und authentischen Erneuerung, die aus dem Evangelium ihre Lebenskraft schöpft. Nach dem Angelusgebet begrüßte der Papst die deutschsprachigen Pilgern: Mit euch, hebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern, danke ich Gott für den glücklichen Verlauf meiner jüngsten Pastoraireise, die mich in die baltischen Länder geführt hat. Euch alle begrüße ich sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt heute den Senioren der Bundespost aus Augsburg. Auf die Fürsprache Mariens möge der Herr euch schützen und mit seinem Segen begleiten. Zu den Mitgliedern der Fokolar-Bewegung sagte der Papst: Besonders begrüße ich die Mitglieder der Fokolar-Bewegung, die aus verschiedenen europäischen, afrikanischen und amerikanischen Nationen kommen und hier im Hof und auf dem Vorplatz des Päpstlichen Palastes versammelt sind. Ich hoffe, daß das Treffen in diesen Tagen im Mariapoli-Zentrum von Castel Gandolfo ihnen helfe, den Wert der Einheit im christlichen Leben zu vertiefen, das auf dem Glauben gegründet ist und auf der Liebe zu Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. 160 A UDIENZEN UND ANGEL US Auf dem Weg zum Frieden Heute haben wir für unser inniges Gebet zum Herrn noch einen besonderen Anlaß. Er kommt aus dem Heiligen Land und dem Nahen Osten, von wo uns nach so langer Zeit und so vielen Leiden historische Zeichen des Friedenswillens erreichen. Wir danken dem Herrn, daß er das Herz mutiger Verantwortlicher dazu inspiriert hat, Mißtrauen, Ängste und schwere objektive Schwierigkeiten zu überwinden und endlich einen konkreten und konstruktiven Weg einzuschlagen zum Wohl ihrer Völker und ihrer Region. Es ist der Anfang eines beschwerlichen Weges, auf dem die Schwierigkeiten gewiß nicht fehlen werden: Das ist der Preis für den Frieden unter den Völkern und auch der Preis für den Frieden in den Herzen. Solidarisch verbunden mit allen Glaubenden und mit allen Menschen guten Willens im Nahen Osten, bitten wir Gott, er möge alle Initiatoren dieser Ereignisse beschützen und stärken. Gott gebe auch jenen Vertrauen ein, die noch zweifeln und, von so vielen Enttäuschungen und Ängsten beherrscht, den Frieden und die Gerechtigkeit noch in weiter Ferne sehen. Mit diesen Gefühlen der Hoffnung gehen meine Gedanken unvermeidlich nach Jerusalem, in die Stadt des Herrn, an die Wegkreuzung von Frieden und Brüderlichkeit für das Heilige Land, für die gesamte Region und für alle Völker, die dort wohnen. Rückblick auf die Pilgerreise ins Baltikum Ansprache bei der Generalaudienz am 15. September 1. Ich danke der göttlichen Vorsehung für die jüngste Pilgerreise, die ich nach Litauen, Lettland und Estland unternehmen durfte. Die Bischöfe der Länder am Baltischen Meer hatten den Papst bereits 1986 zur 600-Jahr-Feier der Taufe Litauens eingeladen. Aber damals und auch später konnte man eine solche Pilgerfahrt nicht unternehmen. Sie wurde erst möglich, als die Baltenländer die Unabhängigkeit wiedererlangten, die sie vor dem Zweiten Weltkrieg bis zum Jahr 1939 besaßen. Ich danke gleichfalls den Obrigkeiten der drei Völker - des litauischen, lettischen und estnischen - für die an mich gerichtete Einladung. Gleichzeitig danke ich den Kirchen im Baltikum für alles, was sie getan haben, damit dieser Besuch ihnen das bieten konnte, was sie zurecht vom Bischof von Rom in Ausübung seines Petrusdienstes erwarteten. Ich danke allen, die in irgendeiner Weise mitgewirkt haben bei diesem Dienst zum Wohl der Kirche und der Gesellschaft. 2. „Der Berg der Kreuze.” Der Reiseweg führte mich durch die wichtigsten Städte von Litauen (Vilnius, Kaunas), von Lettland (Riga) und von Estland (Tallinn/Reval). Er wurde jedoch vor allem eine Wallfahrt zu den Stätten, wo der Glaube, die Hoff- 161 A UDIENZEN UND ANGELUS nung und die liebe des Volkes Gottes besonders während der jüngsten schmerzlichen Erfahrungen Ausdruck gefunden haben. Unter diesen Stätten ragt besonders eine hervor: die unter dem Namen „Berg der Kreuze” bekannte in der Nähe von Siauliäi/Scheulen gelegene. Es ist ein kleiner Hügel, auf den die Litauer bereits im vergangenen Jahrhundert, aber besonders in jüngster Zeit das Zeugnis ihrer vielfachen Leiden (Deportation, Kerkerhaft, Verfolgung) in Form von großen oder kleinen Kreuzen trugen. So entstand um das Kreuz Christi herum ein Wald menschlicher Kreuze, die den Hügel bedeckt haben. Die Bekanntschaft mit dem „Berg der Kreuze” war ein bewegendes Erlebnis. Dieser Ort erinnert daran, daß der Mensch ständig „das ergänzt, was an den Leiden Christi noch fehlt”, wie der heilige Paulus schreibt (KoZ 1,24). Nach diesem Besuch wurde die vom II. Vatikanischen Konzil ausgesprochene Wahrheit allen noch deutlicher: Der Mensch kann ohne Christus, ohne sein Kreuz, sich selbst im tiefsten nicht verstehen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Dafür ist der „Berg der Kreuze” ein sprechender Beweis und eine Mahnung. Und die Sprache dieses Heiligtums ist universal: Es ist ein im 20. Jahrhundert in der Geschichte Europas geschriebenes Wort. 3. Die Marienheiligtümer. Deren gibt es viele, aber die Pastoraireise hat mich zu dreien von ihnen geführt: zum „Tor der Morgenröte” (Ausros Vartai), nach Siluva (Litauen) und Anglona (Lettland). Während die Wallfahrtskirche „Tor der Morgenröte” von Vilnius seit Jahrhunderten nicht nur Pilger aus Litauen, sondern auch aus Polen, Weißrußland, Rußland und der Ukraine anzieht, ist Siluva vor allem das Heiligtum der Litauer. Aglona in Lettland (Latgalia) verbindet nicht nur die Letten untereinander, sondern auch die Nachbarvölker, die immer zahlreicher herbeiströmen. Die Verehrung der Gottesmutter hat immer Christus zum Mittelpunkt. Die Marienheiligtümer im Baltikum schöpfen ihren vollen Sinn aus der Beziehung zum Kreuz Christus und zum „Berg der Kreuze”. Der Sieg besteht in unseren Glauben. Das Kreuz enthüllt in sich das Ostern der Auferstehung Christi. 4. Der Ökumenismus. Der Besuch in den baltischen Ländern hatte gleichzeitig eine einzigartige ökumenische Dimension. Diese Länder sind ein Treffpunkt der beiden Evangelisierungswege auf dem europäischen Kontinent (vgl. Angelus vom 22.8.93): der Weg von Rom und der von Konstantinopel aus. Diese Länder sind auch der Ort, wo man nach der Annäherung und der Einheit der Christen suchen muß, die untereinander noch getrennt sind. In Lettland und noch mehr in Estland ist diese Trennung im 16. Jahrhundert mit der Reformation erfolgt. Die Gemeinschaften, besonders die lutherische, die nach der Reformation entstanden ist, sind bereit zum ökumenischen Dialog, zum gemeinsamen Gebet für die Einheit aller Jünger Christi. Dieses Gebet wurde in gewissem Sinn der Mittelpunkt der Begegnung in Riga und in Tallinn. An den ökumenischen Treffen und beim Gebet für die Einheit der Christen nahmen die Hierarchie und Gläubige der orthodoxen Kirchen teil. Der Patriarch von Moskau, Alexej II., war vertreten durch seinen Sondergesandten. Es ist zu hoffen, daß 162 AUDIENZEN UND ANGELUS die Erfahrungen der Vergangenheit jetzt das Terrain bereiten für ein lebendigeres Bewußtsein vom Geheimnis der Kirche und den Anforderungen des Ökumenismus. Christus hat den Vater gebeten: „Alle sollen eins sein damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast” (Joh 17,20-21). Die Einheit der Christen ist die Voraussetzung dazu, daß sich der Glaube in der Welt, auch in der Welt von heute, durchsetzt. 5. Die Begegnung mit der Welt der Kultur. Im Verlauf der Pilgerreise hatte ich Gelegenheit, in Litauen, Lettland und Estland mit den Vertretern der Kultur und der Wissenschaft zusammenzutreffen, deren Rolle gewiß besonders in der jetzigen historischen Stunde unersetzüch ist. Denn in diesen Ländern, die aus dem Tunnel der totalitären Unterdrückung hervorgetreten sind, spürt man das Bedürfnis nach einem „neuen Bündnis” und nach einem neuen Dialog zwischen der Kirche und der bunten Welt der Kultur. Das gilt in bezug auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme, für die die Kirche den reichen Schatz ihrer Soziallehre zur Verfügung stellt. Das wird besonders wichtig für den Anspruch auf sprachliche und kulturelle Einheit, der heute unter diesen Völkern stark verbreitet ist: ein legitimer Anspruch, für den die Glaubenden empfänglich sind, der jedoch immer mit der herzlichen Öffnung für die Werte der Solidarität und die Achtung der Minderheiten verbunden sein soll. Auf diese Weise verbinden sich Glaube und Kultur im Dienst am Menschen, dem die Kirche keine abstrakte Ideologie verkündet, sondern den lebendigen Menschen Christus, den Erlöser des Menschen. 6. Die katholische Kirche in Litauen zählt eine beträchtliche Mehrheit der Nation (73,4 Prozent). In Lettland ist die Christengemeinde eine Minderheit (25 Prozent der Bevölkerung), und in Estland sind die Katholiken zahlenmäßig eine kleine Minderheit (0,3 Prozent). Es sind Gemeinschaften, die nach einer Zeit der Verfolgung und harten Unterdrückung hervortreten, und alle wollen die in der Vergangenheit erlittenen Verluste aufholen. Vor ihnen stehen deshalb die großen Aufgaben der Neuevangelisierung. Es begleite sie das zuversichtliche Bewußtsein, daß „sanguis martyrum est semen christianorum” (das Blut der Märtyrer der Samen der Christen ist). Ich wünsche dem gesamten Volk Gottes, den Priestern, den Gemeinschaften der Ordensfrauen und -männer die Gnade eines fruchtbaren Dienstes am Evangeüum. Meinen Mit-brüdem im Bischofsamt wünsche ich die Hirtenliebe, die dazu „drängt”, sich für die Herde einzusetzen: „caritas Christi urget nos” (Die Liebe Christi drängt uns: 2 Kor 5,14). Voll Verehrung gedenken wir derer, die ihr Leben für Christus und die Kirche hingegeben haben. „Ihre Hoffnung ist voll Unsterblichkeit” (Weish 3,4), und schon heute können wir Gott danken für die Kirche, die überlebt und während der Unterdrückung nie aufgehört hat, Stütze für die Menschen und die Gesellschaft zu sein. 163 A UDIENZEN UND ANGELUS Diese Worte möchte ich auch an die Bischöfe und Priester der Nachbarländer richten, die gekommen sind, um beim Papstbesuch dabei zu sein. Sollte Gott mir eines Tages gewähren, auch ihre Gemeinschaften besuchen zu können, werden wir gemeinsam in gebührender Weise Dank sagen für das „Große, das der Herr getan” (vgl. Lk 1,49). „Ich stehe vor der Tür und klopfe an” {Offb 3,20). Es ist der „Erlöser des Menschen”, der Herr der Geschichte, der wieder an die Tür klopft, damit der Mensch ihm die Tore öffne. Er hat „Worte des ewigen Lebens” (Joh 6,68). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Zur heutigen Generalaudienz heiße ich Euch, die deutschsprachigen Pilger, die Ihr so zahlreich in der Petersbasilika versammelt seid, herzlich willkommen und freue mich über Euren Ausdruck in der Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri. Einen besonderen Gruß richte ich an die Teilnehmer am Studienseminar der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands, an die Mitbrüder des Bischöflichen Amtes Magdeburg und die Mitglieder der Pfarrei St. Sebastian, Magdeburg, sowie an die Ordensschwestern verschiedener Kongregationen, die an einem geistlichen Kurs in La Storta teilnehmen. Euch allen sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gebet um Frieden für die Balkan Völker Grußworte des Papstes an die anwesenden Kroaten: Ich empfehle der Gottesmutter Maria, der Königin des Friedens, euren brennenden Wunsch nach Frieden für alle lieben Völker von Kroatien und Bosnien und Herzegowina. Der Herr entferne auf die Fürsprache Marias die schreckliche Geißel, die ständig so viele Unschuldige trifft und schweres Leid verursacht. Euch allen hier Anwesenden, den Flüchtlingen, den Emigranten, den Verwundeten und allen, die aufgrund des Krieges leiden, erteile ich meinen Apostolischen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! Die Christen sollen eins sein, damit die Welt glaubt Angelus am 19. September Liebe Schwestern und Brüder! 1. Auch heute möchte ich auf meine jüngste Pilgerfahrt durch die Baltenländer Litauen, Lettland und Estland zurückkommen. Vor dem Angelusgebet scheint es an- 164 AUDIENZEN UND ANGELUS gemessen, an den einzigartigen „marianischen Weg” zu denken, der vom Tor der Morgenröte in Vilnius über das Heiligtum in Siluva bis zu dem in Aglona nach Lettland führt. Heute wollen wir betend diesen Weg gehen, der tief in die Geschichte des Volkes Gottes eingegangen ist. Die Mutter des Herrn, die dieses Volk auf dem Pilgerweg des Glaubens anfuhrt, bleibt die besondere Zeugin der Prüfungen, die es im Laufe der Geschichte erduldet hat. 2. Vergessen wir nicht, daß sich auf beiden Seiten dieses marianischen Weges eine tiefgehende Leidenserfahrung in die Geschichte des Volkes Gottes einprägt hat: eine Erfahrung des Opfers und des Martyriums. Davon spricht der „Berg der Kreuze” in Litauen. Aber der Bereich, in dem das Martyrium erlitten wurde, war viel größer. Er erstreckte sich im Osten, nicht nur bis zum Ural, sondern darüber hinaus. Wie viele unschuldige Frauen und Männer waren Opfer der grausamen Verfolgungen! Wie viele Märtyrerinnen und Märtyrer! Auch die orthodoxe Kirche im weiten osteuropäischen Raum kann am Ende dieses Jahrhunderts sagen, was die Kirchenväter zu Beginn der Ausbreitung des Evangeliums verkündet hatten: „Sanguis martyrum -semen christianorum” (Das Blut der Märtyrer ist der Same der Christenheit). Auf dem Marienweg in den Baltenländem begegnen wir derjenigen, die zu Füßen des Kreuzes stand, die Königin der Märtyrer. All diese Märtyrer haben auf verschiedene Weise das ergänzt, was an den Leiden Christi noch fehlt (vgl. Kol 1,24). 3. Mutter der Märtyrer - Mutter der Kirche. Auf beiden Seiten dieses marianischen Weges befindet sich das Volk Gottes, lebt die Kirche. Auf der einen Seite in unseren orthodoxen Schwestern und Brüdern des Patriarchats von Moskau und ganz Rußland; auf der anderen Seite in den Töchtern und Söhnen der christlichen Bekenntnisse, die aus der Reformation hervorgegangen sind. Ist es nicht bemerkenswert, daß wir während der Pilgerreise durch die Baltenländer oft zusammen waren? Wir haben gemeinsam gebetet, wir haben gemeinsam unsere Vergangenheit im Licht des Gebetes Christi für die Einheit betrachtet. Dieses Gebet weist uns den Weg in die Zukunft, und wir wollen ihn gehen. 4. Wem konnte mehr am Gebet Christi für die Einheit gelegen sein als dir, Mutter Gottes, Theotokos? Es ist das Gebet für den Leib deines Sohnes! Die Kirche ist der Leib Christi. Weil sie Leib ist, muß sie eine Einheit bilden. Mutter der Heiligtümer des Baltikums! Mutter der Heiligtümer in Rußland, in Rut-henien! Mutter der Heiligtümer jenseits des Urals! Bitte mit uns am Fuß des Kreuzes Christi, bitte mit uns, denk an das Blut der Märtyrer! Bitte mit uns um Einheit! Von dieser Einheit machte Christus den Glauben der gesamten Welt abhängig: „Auch sie (sollen) in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast” (Joh 17,21). Mutter der Heiligtümer in aller Welt, bitte für uns um Einheit, damit die Welt glaubt! 165 A UDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst in deutscher Sprache: Herzlich grüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Möge Maria, deren Bedeutung für das Werk der Erlösung wir beim Gebet des Angelus gedacht haben, uns auf den Wegen dieses Lebens hin zur ewigen Vollendung mit ihrem mütterlichen Schutz begleiten. Euch allen wünsche einen gesegneten Sonntag. Die Priester sollen immer und überall Menschen des Friedens sein Ansprache bei der Generalaudienz am 22. September 1. Die „priesterliche Gemeinschaft”, über die wir mehrmals in den vorhergehenden Katechesen gesprochen haben, ist nicht zu trennen von der „kirchlichen Gemeinschaft”, sondern gehört zu ihrem innersten Wesen. Sie ist ihr Wesenskem und steht ständig in Verbindung mit allen anderen Gliedern des Leibes Christi. Dieser lebendigen Gemeinschaft dienen die Priester in ihrer Eigenschaft als Hirten, kraft des Weihesakraments und der Sendung, mit der die Kirche sie betraut hat. Beim El. Vatikanischen Konzil hat die Kirche versucht, in den Priestern dieses Bewußtsein der Zugehörigkeit und der Teilhabe neu zu beleben, damit jeder von ihnen daran denkt, daß er zwar ein Hirt, aber weiterhin auch ein Christ ist, der allen Anforderungen seiner Taufe entsprechen und als Bruder unter allen anderen Getauften leben soll, im Dienst „ein und desselben Leibes Christi, dessen Auferbauung allen anvertraut ist” (Presbyterorum ordinis, Nr. 9). Es ist wichtig, daß das Konzil gemäß der Ekklesiologie des Leibes Christi den brüderlichen Charakter der Beziehungen des Priesters zu den anderen Gläubigen unterstreicht, so wie es bereits den brüderlichen Charakter der Beziehungen des Bischofs zu den Priestern bekräftigt hat. In der christlichen Gemeinschaft sind die Beziehungen grundlegend brüderlich, wie Jesus in „seinem” Auftrag gefordert hat, den der Apostel Johannes im Evangelium und ini den Briefen so beharrlich unterstreicht (vgl. Joh 13,14; 15,12.17; 1 Loh 4,11.21). Jesus selbst sagt zu seinen Jüngern: „Ihr alle ... seid Brüder” {Mt 23,8). 2. Nach der Lehre Jesu heißt der Gemeinschaft vorstehen nicht, über sie zu herrschen, sondern ihr zu dienen. Er selbst hat uns das Beispiel des Hirten gegeben, der seine Herde weidet und ihr dient, und er hat verkündet, daß er nicht gekommen ist, um bedient zu werden, sondern um zu dienen (vgl. Mk 10,45; Mt 20,28). Wenn er Jesus, den guten Hirten und einzigen Herrn und Meister (vgl. Mt 23,8), betrachtet, versteht der Priester, daß er weder die eigene Ehre noch das eigene Interesse suchen kann, sondern nur das, was Jesus Christus gewollt hat, so daß er sich in den Dienst seines Reiches in der Welt stellt. Deshalb weiß er - und das Konzil erinnert ihn 166 AUDIENZEN UND ANGELUS daran daß er sich als Diener aller, mit ehrlicher und hochherziger Selbsthingabe verhalten soll, indem er alle mit dem Dienst verbundenen Opfer auf sich nimmt und immer daran denkt, daß Jesus Christus, der einzige Herr und Meister, gekommen ist, um zu dienen, und es getan hat, um „sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele” (Mt 20,28). 3. Das Problem der Beziehungen der Priester zu den anderen Gläubigen in der christlichen Gemeinschaft ist von besonderer Bedeutung in bezug auf die sogenannte Laienschaft, die als solche außerordentliches Gewicht in unserer Zeit besitzt durch das neue Bewußtsein von der entscheidenden Rolle, die die Laienchristen in der Kirche spielen. Bekanntlich haben die geschichtlichen Umstände die kulturelle und organisatorische Wiedergeburt der Laienschaft besonders im 19. Jahrhundert begünstigt und in der Kirche hat sich zwischen den zwei Weltkriegen eine Theologie der Laienschaft entwickelt, die zum besonderen Konzilsdekret Apostolicam actuositatem und noch weiter zur gemeinschaftlichen Sicht der Kirche geführt hat, die in der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium dargelegt ist, und zu der Rolle, die dort der Laienschaft zuerkannt wird. Was die Beziehungen der Priester zu den Laien betrifft, so betrachtet sie das Konzil in bezug auf eine lebendige, aktive und organische Gemeinschaft, die zu bilden und zu leiten der Priester berufen ist. Zu diesem Zweck empfiehlt das Konzil den Priestern, die Würde der Laien wirklich zu fördern: die Würde der Menschen, die durch die Taufe zur Gotteskindschaft erhoben und mit den Gnadengaben bekleidet werden. Für jeden von ihnen bringt die göttliche Gnade eine eigene Aufgabe in der kirchlichen Heilssendung mit sich, auch in den Bereichen wie Familie, Gesellschaft, Beruf, Kultur usw., wo die Priester gewöhnlich nicht die besonderen Aufgaben der Laien erfüllen können (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 9). Das Bewußtsein dieser Besonderheit soll sowohl von den Laien als auch von den Priestern immer mehr entwickelt werden aufgrund eines verstärkten Sinnes der kirchlichen Zugehörigkeit und Teilhabe. 4. Dem Konzil entsprechend sollen die Priester die rechte Freiheit der Laien achten, die als Kinder Gottes vom Heftigen Geist beseelt sind. In dieser Atmosphäre der Achtung der Würde und Freiheit ist die Mahnung des Konzils an die Priester zu verstehen: „Sie sollen gern auf die Laien hören, ihre Wünsche brüderlich erwägen und ihre Erfahrung und Zuständigkeit in den verschiedenen Bereichen des menschlichen Wirkens anerkennen, damit sie gemeinsam mit ihnen die Zeichen der Zeit verstehen können.” Die Priester werden versuchen, mit Hilfe des Herrn die Charismen der Laien, „schlichte wie bedeutendere, mit Glaubenssinn aufspüren, freudig anerkennen und mit Sorgfalt hegen” {ebd.). Es ist wichtig und interessant, daß das Konzil feststellt: „Unter den Gaben Gottes, die sich reichlich bei den Gläubigen finden, verdienen die eine besondere Pflege, die nicht wenige zu einem intensiveren geistlichen Leben anspomen” {ebd.). Gott sei 167 AUDIENZEN UND ANGELUS Dank, wissen wir, daß sich viele Gläubige - auch in der Kirche von heute und oft sogar über ihre sichtbaren Vereinigungen hinaus - dem Gebet, der Meditation, der Buße widmen oder widmen wollen (zumindest der täglichen Arbeit, die fleißig und geduldig verrichtet wird, und dem schwierigen Zusammenleben) mit oder ohne unmittelbare Verpflichtung zum aktiven Apostolat. Sie fühlen häufig das Bedürfnis nach einem priesterlichen Berater oder sogar geistlichen Führer, der sie empfängt, anhört und in christlicher Freundschaft bescheiden und liebevoll behandelt. Man könnte sagen, daß die moralische und soziale Krise unserer Zeit mit den Problemen, die sich sowohl für den Einzelnen als auch für die Familien stellen, dieses Bedürfnis nach priesterlicher Hilfe im geistlichen Leben stärker spüren läßt. Eine neue Einsicht und neue Hingabe an den Beichtdienst und die geistliche Führung ist den Priestern lebhaft zu empfehlen, auch in bezug auf die neuen Forderungen der Laien, die eifriger danach streben, den Weg der vom Evangelium vorgezeichneten christlichen Vollkommenheit zu gehen. 5. Das Konzil empfiehlt den Priestern, die Mitarbeit der Laien im Apostolat und in der Seelsorge innerhalb der Christengemeinde anzuerkennen, zu fördern und zu nähren und nicht zu zögern, ihnen „Ämter zum Dienst in der Kirche anzuvertrauen, ihnen Freiheit und Raum zum Handeln zu lassen” (ebd.). Wir befinden uns folgerichtig im Bereich der Achtung der Würde und der Freiheit der Kinder Gottes, aber auch des Dienstes im Sinn des Evangeliums: „Dienst in der Kirche”, sagt das Konzil. Es ist gut zu wiederholen, daß das alles ein lebendiges Gefühl der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft und der aktiven Teilhabe an ihrem Leben voraussetzt. Und noch tiefer, den Glauben und das Vertrauen auf die Gnade, die in der Gemeinschaft und ihren Gliedern wirksam ist. Als Bezugspunkt kann für den Seelsorgedienst in diesem Bereich das dienen, was das Konzil sagt, das heißt, daß „die Priester mitten unter den Laien (leben), um alle zur Einheit in der Liebe zu führen” (ebd.). Alles kreist um diese Hauptwahrheit und insbesondere um die Öffnung und Aufnahme für alle, das ständige Bemühen, den Eintracht zu bewahren oder wiederherzustellen, den Einklang, die Versöhnung zu begünstigen, die gegenseitige Verständnisbereitschaft zu fördern und eine Atmosphäre des Friedens zu schaffen. Ja, die Priester sollen immer und überall Menschen des Friedens sein. 6. Das Konzil vertraut den Priester diese Friedensmission für die Gemeinschaft an: Frieden in der Liebe und Wahrheit. „Ihre Aufgabe ist es darum, die verschiedenen Meinungen so in Einklang zu bringen, daß niemand sich in der Gemeinschaft der Gläubigen fremd fühlt. Sie sind die Verfechter des gemeinsamen Wohls, für das sie im Namen des Bischofs Sorge tragen, und zugleich die entschiedenen Verteidiger der Wahrheit, damit die Gläubigen nicht von jedem Wind der Lehre hin und her getrieben werden. Ihrer besonderen Sorge sind die anvertraut, die die Sakramente nicht mehr empfangen, ja vielleicht sogar vom Glauben abgefallen sind; sie werden es nicht unterlassen, als gute Hirten gerade auch ihnen nachzugehen” (ebd.). 168 AUDIENZEN UND ANGELUS Ihre Sorge gilt folglich allen in und außerhalb des Schafstalls entsprechend den Anforderungen der missionarischen Dimension, die heute nicht anders als seelsorghch sein kann. Vor diesem pastoralen Hintergrund wird jeder Priester das Problem der Kontakte mit den Nichtglaubenden sehen, die keiner Kirche angehören, ja sich sogar als gottlos bezeichnen. Er wird sich, von der Hirtenhebe gedrängt, zu allen hingezogen fühlen. Allen wird er die Türen der Gemeinschaft zu öffnen versuchen. Das Konzil erinnert hier die Priester an das besondere Augenmerk, das sie auf die Brüder richten sollen „die nicht in voller kirchlicher Gemeinschaft mit uns stehen”. Das ist der ökumenische Horizont. Das Konzil schließt mit der Aufforderung an die Priester, „alle diejenigen sich anvertraut zu wissen, die Christus nicht als ihren Erlöser anerkennen” (ebd.). Christus bekanntmachen, ihm die Türen der Sinne und der Herzen öffnen, an seinem immer neuen Kommen in die Welt mitarbeiten: Das ist der Hauptzweck des Hirtendienstes. 7. Es handelt sich um einen schweren Auftrag, der den Priestern von Christus durch die Kirche zukommt. Verständlicherweise bittet das Konzil alle Gläubigen um ihre Mitarbeit, die sie als Hilfe bei der Arbeit, bei der Bewältigung von Schwierigkeiten und vielmehr noch durch ihr Verständnis und ihre Liebe zu leisten imstande sind. Die Gläubigen sind das andere Ende der Liebesbeziehung, die zwischen den Priestern und der gesamten Gemeinschaft bestehen soll. Die Kirche, die ihren Priestern Aufmerksamkeit und Sorge gegenüber den Gläubigen empfiehlt, ruft die Gläubigen ihrerseits zur Solidarität gegenüber den Hirten auf: „Die Christgläubigen aber sollen sich bewußt sein, daß sie ihren Priestern gegenüber in Schuld stehen. Darum mögen sie diesen als ihren Hirten und Vätern in Kindesliebe verbunden sein. Sie sollen an den Sorgen und Nöten ihrer Priester Anteil nehmen und ihnen durch Gebet und Tat nach Kräften helfen {ebd.). Das wiederholt der Papst, indem er an alle Laienchristen einen dringenden Aufruf im Namen Jesu, unseres einzigen Herrn und Meisters, richtet: Helft euren Hirten durch das Gebet und durch die Tat! Liebt und unterstützt sie bei der täglichen Ausübung ihres Dienstes. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In der Petersbasilika heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen und verleihe meiner Freude Ausdruck, daß Ihr so zahlreich dem Nachfolger Petri Eure Verbundenheit bekundet. Mein besonders herzlicher Willkommensgruß gilt der großen Zahl von Schülerinnen und Schülern aus Deutschland. Für das begonnene Schuljahr erbitte ich Euch Gottes Segen und wünsche Euch viel Erfolg. Ferner grüße ich die Polizeibeamten aus Nordrhein-Westfalen; ich danke Euch für Euren treuen Dienst am Mitmenschen. Außerdem heiße ich den Kirchenchor der Pfarrei Eversberg sowie die Professoren, 169 AUDIENZEN UND ANGELUS Studentinnen und Studenten der Theologie der Philipps-Universität Marburg herzlich willkommen. Euch, Euren heben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Jede Berufung ist ein Geschenk Gottes Ansprache bei der Generalaudienz am 29. September „Nos vos me elegistis sed ego elegi vos.” „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.” Mit diesen Worten möchte ich die Katechese beginnen, die zum großen Katechesezyklus über die Kirche gehört. In diesem umfangreichen Zyklus befindet sich die Katechese über die Priesterberufungen. Die Worte, die Jesus an die Apostel gerichtet hat, sind sinnbildlich gemeint und beziehen sich nicht nur auf die Zwölf, sondern auf alle Generationen von Menschen, die Jesus Christus im Laufe der Jahrhunderte berufen hat. Sie beziehen sich auf manche Menschen persönlich: Wh sprechen von der priesterlichen Berufung, denken aber zugleich an die Berufungen zum gottgeweihten Leben der Männer und Frauen. Die Berufungen sind eine Hauptaufgabe für die Kirche, für den Glauben, für die Zukunft des Glaubens in dieser Welt: Jede Berufung ist ein Geschenk, nach den Worten Jesu ein Geschenk Gottes. Ich habe euch gewählt. Also ist es eine Wahl, eine Erwählung durch Jesus, die immer den Menschen trifft, aber dieser lebt in einem bestimmten Umfeld der Familie, der Gesellschaft, der Zivilisation und der Kirche. Deshalb ist die Berufung ein Geschenk, aber auch Antwort auf dieses Geschenk. Wie jeder von uns, wie der Berufene, der Erwählte auf diesen göttlichen Ruf zu antworten weiß, hängt von vielen Umständen ab, von einer gewissen inneren Reife des Menschen, von dem, was man Mitarbeit mit der Gnade Gottes nennt. Mitarbeiten, hören, nachfolgen. Wir wissen gut, wir erinnern uns, daß Jesus zu dem jungen Mann im Evangelium gesagt hat: „Folge mir!” Nachfolgen können, und wenn man Jesus nachfolgt, dann ist die Berufung reif, sie wird konkrete Wirklichkeit. Und das geschieht immer zum Wohl des Menschen und der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft ihrerseits soll auch auf diese Berufungen zu antworten wissen, die aus ihren Bereichen erwachsen. Sie entstehen in der Familie, und die Familie soll es verstehen, die Berufung zu fördern. Es sind die Bereiche des menschlichen Lebens, des Daseins: die Lebensbereiche. Die Beratung und die Antwort auf die Berufung hängen im höchsten Maß vom Zeugnis der ganzen Gemeinschaft, der Familie, der Pfarrgemeinde ab. Die Menschen sind es, die zum Wachstum der Berufungen beitragen. Die Priester sind es, die durch ihr Beispiel die Jugendlichen anziehen und die Antwort erleichtern auf die 170 A UDIENZEN UND ANGELUS Einladung Jesu: „Folge mir!” Diejenigen, die den Ruf angenommen haben, sollen ein Beispiel geben, wie man nachfolgt. Heute sieht man in der Pfarrgemeinde immer mehr, daß vor allem die Vereinigungen und Bewegungen zum Werk der Berufungen beitragen. Eine der Bewegungen oder vielmehr Vereinigungen, die typisch sind für die Pfarrei, ist die der Ministranten. Sie dient den zukünftigen Berufungen. So war es in der Vergangenheit. Viele Ministranten sind Priester geworden. Auch heute ist das gut, aber man soll auch andere Wege ausprobieren, sozusagen andere Methoden, wie mit dem göttlichen Ruf, mit der göttlichen Erwählung mitzuwirken ist; wie Jesu Worte: Die Ernte ist groß, aber die Arbeiter sind wenige, auszuführen sind; wie man dazu beiträgt, sie zu vollbringen. Und das ist wahr: Die Ernte ist immer groß, die Arbeiter sind immer wenige, besonders in einigen Ländern. Aber Jesus sagt: Bittet den Herrn der Ernte darum. Also bleibt für uns alle, ohne Ausnahme, insbesondere das schmerzliche, sorgenvolle Gebet für die Berufungen. Wenn wir uns in das Erlösungswerk Christi und der Kirche einbezogen fühlen, müssen wir für die Berufungen beten. Die Ernte ist groß. Gelobt sei Jesus Christus! In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Es ist mir eine besondere Freude, Euch, die Ihr aus den Ländern deutscher Sprache so zahlreich am Grab des Apostels Petrus versammelt seid, willkommen heißen zu können. In der Reihe unserer Katechesen über das Priestertum wollen wir heute über die dazu unerläßüche Berufung nachdenken. Sie ist ein Ruf, ein Geschenk, ein Werk Gottes; sie ist eine Tat der Gnade, die zum Geheimnis der unverdienten Gaben Gottes gehört, mit denen er durch Jesus Christus, das Haupt der Kirche, die Menschen beschenkt. Dies kommt auch in den Worten Jesu zum Ausdruck: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt, daß ihr ... Frucht bringt und eure Frucht bleibt” (.Joh 15,16). Dieser Anruf Gottes bedarf jedoch des Mitwirkens vor allem des Berufenen selbst. Nachdem er die vom Bischof bestätigte Berufung zur Christusnachfolge angenommen hat, soll er ihr durch Verfügbarkeit, Gehorsam, Hingabe seiner selbst und durch die erforderliche Vorbereitung entsprechen. Um dies verwirklichen zu können, bedarf es dazu des Zusammenwirkens der Gemeinschaft der Gläubigen, wie das jüngste Konzil lehrt: „Berufe zu fördern ist Aufgabe der gesamten christlichen Gemeinde; sie erfüllt sie vor allem durch ein wirklich christliches Leben” (Optatam totius, Nr. 2). Den wichtigsten Beitrag dazu leisten einmal die Familien, die gleichsam zum ersten Seminar werden; zum anderen die Pfarrgemeinden, an deren Leben die Jugendlichen selbst teilnehmen. Auch die Leh- 171 A UDIENZEN UND ANGELUS rer und die katholischen Verbände sollen die ihnen anvertrauten jungen Menschen so zu erziehen suchen, daß sie den göttlichen Ruf wahmehmen und ihm bereitwillig folgen. Schließlich sollen die Priester selbst ihren apostolischen Eifer vor allem in der Förderung der geistlichen Berufe zeigen. Aufgabe der Bischöfe ist es, die Angehörigen ihrer Diözese in der Förderung von Berufungen anzuspomen, für den Zusammenschluß aller Kräfte und Berufungen zu sorgen und diejenigen, „die nach ihrem Urteil zum Anteil des Herrn berufen sind, väterlich zu unterstützen, ohne dabei irgendein Opfer zu scheuen” (Optatam totius, Nr. 2). Indem ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, herzlich bitte, für Priesterberufe ohne Unterlaß zu beten (Mt 9,38) und den jungen Menschen mit Wort und Tat beizustehen, grüße ich Euch alle sehr herzlich. Mein besonderer Willkommensgruß gilt der Pilgergruppe aus Augsburg anläßlich des tausendjährigen Jubiläums der Heiligsprechung des Bischofs Ulrich, der Pilgergruppe aus Osnabrück mit Herrn Bischof Ludwig Averkamp, den Teilnehmern an der jährlichen Pilgerfahrt „Rom im Rollstuhl” aus der Schweiz, einer ökumenischen Pilgergruppe aus Salzgitter sowie den Seminaristen der Diözese Fulda. Euch, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns in diesem Augenblick verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Kämpfe in Georgien beenden Mit tiefer Trauer lenke ich Eure Aufmerksamkeit auf den schweren Konflikt in Georgien und auf die dramatischen Folgen für die dortige Bevölkerung. Ich fordere die Verantwortlichen der kämpfenden Parteien auf, die Feindseligkeiten einzustellen, die bereits getroffenen Vereinbarungen einzuhalten und den Dialog beharrlich zu verstärken, auch mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft. Den Opfern des Konflikts bin ich nahe im Gebet, und ich bitte den Herrn um Trost und Hilfe für alle. Möge er den streitenden Parteien die notwendige Weitsicht eingeben, damit sie zusammen eine menschenwürdige Gesellschaft aufbauen. Die Enzyklika möge Zustimmung finden Angelus am 3, Oktober Liebe Schwestern und Brüder! 1. Wie ihr wißt, wird am kommenden Dienstag die neue Enzyklika Veritatis splen-dor „über einige grundlegende Fragen der kirchlichen Morallehre” öffentlich vorgestellt. 172 A UDIENZEN UND ANGELUS Dieses so sehr erwartete und lange erarbeitete Dokument wird erst jetzt veröffentlicht, denn es schien angemessen, daß man ihm den Katechismus der Katholischen Kirche vorausschickt, der eine vollständige und systematische Darlegung der christlichen Moral enthält. Das vorliegende Dokument vertieft ihre notwendigen Bedingungen und Grundlagen, indem es einige umstrittene Probleme der heutigen Morallehre klärt. Es bekräftigt insbesondere die Würde und Bedeutung des nach dem Bild Gottes geschaffenen Menschen und legt den unverfälschten Begriff der menschlichen Freiheit dar, indem es die wesentliche grundlegende Beziehung zur Wahrheit nach dem Wort Christi: „Die Wahrheit wird euch befreien” (Joh 8,32), aufzeigt. 2. Die Ankündigung der bevorstehenden Veröffentlichung der Enzyklika hat in der öffentlichen Meinung ein verständliches Interesse geweckt. Ich hoffe, daß der Text, nachdem er eingehend gelesen wurde, Gegenstand einer ausgewogenen Überlegung sein wird und so zum besseren Verständnis der anspruchsvollen und befreienden Botschaft des Evangeliums beitragen kann. Denn wenn die Kirche spricht, tut sie es, weil sie sich als „Schuldnerin” fühlt einerseits dem Menschen gegenüber, der oft verwirrt ist von so vielen widersprechenden Meinungen, andrerseits der Wahrheit gegenüber, die sie selbst empfangt, bevor sie diese verkündet. In den Dienst am Wort Gottes gestellt, wäre es ihr in keiner Weise erlaubt, sie zu verschweigen oder zu manipulieren, um den vergänglichen Zeitgeschmack zu unterstützen. Eine Kirche, die dieser Denkweise nachgeben würde, wäre nicht mehr die „treue Braut” Christi! Die Kirche rührt an die Gewissen und appelliert an die verantwortliche Freiheit der Glaubenden. Ich vertraue darauf, daß dieser pflichtgemäße kirchliche Dienst von den Gläubigen in aller Welt mit spontaner und herzlicher Zustimmung und in einer Haltung der Verbundenheit mit dem kirchlichen Lehramt und des Vertrauens auf den Beistand des Heiligen Geistes aufgenommen wird, der das christliche Volk zu einem immer tieferen Verständnis der Wahrheit führt, indem er es vor den Gefahren der Unordnung und Verwirrung schützt. 3. Ich übergebe diese Enzyklika der seligsten Jungfrau, die wir im Monat Oktober besonders durch das Rosenkranzgebet ehren wollen. Maria vertraue ich außerdem zum wiederholten Mal die Sache des Friedens an, der in so vielen Ländern der Welt und insbesondere im gequälten Bosnien-Herzegowina noch immer so sehr gefährdet ist. Wie bekannt, endet heute in Sarajevo ein Treffen des Nachdenkens des Gebets, zu dem sich der im vergangenen Januar in Assisi gemachten Erfahrung folgend die Vertreter der vier Religionsgemeinschaften dieser Stadt versammelt haben: Muslime, Katholiken, Orthodoxe und Juden. Die Begegnung fand im Zentrum jener Region statt, wo leider das Blut so vieler unschuldiger Opfer vergossen wird aufgrund des schweren Konflikts, der jeder ethischen Norm und aller humanitären Konventionen zum Hohn unsägliche Verbrechen verzeichnet. 173 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich lade die ganze Kirche ein, sich geistig mit dieser Versammlung im einstimmigen Gebet an den Gott des Friedens zu vereinen. Bitten wir gemeinsam, daß man endlich zu einer ehrenhaften Schlichtung zwischen den streitenden Parteien gelange und in der ganzen Region ein Klima zivilisierter Eintracht wiederhergestellt werde. Maria, Königin des Friedens, bitte für uns! Die Bedeutung des Diakonats im Leben der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 6. Oktober 1. Neben den Priestern gibt es in der Kirche eine weitere Kategorie von Dienern mit besonderen Aufgaben und Charismen, wie das Konzil von Trient sagt, wenn es vom Weihesakrament spricht: „In der katholischen Kirche gibt es eine heilige Rangordnung, die, nach göttlicher Anordnung eingeführt, aus Bischöfen, Priestern und Dienern besteht” (vgl. DS, 1776). Schon in den Schriften des Neuen Testaments wird die Anwesenheit von Dienern, „Diakonen”, bestätigt, die sich nach und nach' als eine eigene Kategorie im Unterschied zu den Priestern und Bischöfen herausbildeten. Es genügt hier, daran zu erinnern, daß Paulus den Bischöfen und Diakonen von Philippi seinen Graß übermittelte (vgl. Phil 1,1). Im ersten Brief an Timotheus werden die Eigenschaften aufgezählt, die die Diakone besitzen sollten, mit dem Hinweis, sie zu prüfen, bevor man ihnen ihre Aufgaben überträgt: Sie sollen einen würdigen und achtbaren Lebenswandel führen, in der Ehe treu sein, ihre Kinder gut erziehen, ihrer Familie gut vorstehen und „mit reinem Gewissen am Geheimnis des Glaubens festhalten” (vgl. 1 Tim 3,8-13). In der Apostelgeschichte (6,1-6) ist die Rede vom „Dienst an den Tischen”. Wenn auch aus dem Text nicht klar’hervorgeht, daß es sich um eine sakramentale Weihe der Diakone handelt, wurde diese Episode- in einer langen Tradition als erstes Zeugnis des Diakonats verstanden. Am Ende des 1. Jahrhunderts oder zu Beginn des 2. Jahrhunderts steht die Rolle des Diakons als Stufe der Diensthierarchie bereits fest, zumindest in einigen Kirchen. 2. Wichtig ist vor allem das Zeugnis des hl. Ignatius von Antiochien, nach dem die Christengemeinde unter der Autorität eines Bischofs lebt, dem Priester und Diakone zur Seite stehen: „Es gibt eine Eucharistie, ein Fleisch des Herrn, einen Kelch, einen Altar, so wie es einen Bischof mit dem Kollegium seiner Mitarbeiter, der Priester und Diakone, gibt” (Ad philad., 4,1). In den Briefen von Ignatius werden die Diä-kone immer als untere Stufe in der Diensthierarchie genannt: Ein Diakon wird gelobt, weil er „dem Bischof untersteht wie der Gnade Gottes und dem Priester wie dem Gebot Jesu Christi” (Ad Magnes, 2). Trotzdem unterstreicht Ignatius die Bedeutung des Diakonats, denn es ist „der Dienst Jesu Christi, der von Ewigkeit her beim Vater war und in der Fülle der Zeit erschienen ist” (Ad Magnes, 6,1). Als „Diener der Geheimnisse Jesu Christi” ist es notwendig, daß die Diakone „allen in 174 AUDIENZEN UND ANGELUS jeder Weise willkommen sind” (ad Trali, 2,3)- Als Ignatius den Christen Gehorsam gegenüber dem Bischof und den Priestern empfiehlt, fügt er hinzu: „Achtet die Dia-kone wie ein Gebot Gottes” (Ad Smyrn., 8,1). Andere Zeugnisse finden wir beim hl. Polykarp von Smyrna (Ad Phil, 5,2), beim hl. Justin (Apol., I, 65,5), bei Tertul-lian (De Bapt., 17,1), beim hl. Cyprian (Epist. 15 u. 16) und dann beim hl. Augustinus (De cat. rud., I, c. 1,1). 3. In den ersten Jahrhunderten versah der Diakon liturgische Dienste. Bei der Eucharistiefeier las oder sang er die Lesung und das Evangelium; er übergab dem Zelebranten bei der Opferung die Gaben der Gläubigen; er teilte die Kommunion aus und überbrachte sie denen, die nicht anwesend sein konnten; er überwachte die Gottesdienstordnung und verabschiedete die versammelten Gläubigen. Er bereitete außerdem die Katechumenen auf die Taufe vor, unterrichtete sie und half dem Priester bei der Spendung dieses Sakraments. Unter gewissen Umständen taufte er selbst und übernahm die Predigt. Er beteiligte sich auch an der Verwaltung der Kirchengüter, kümmerte sich um den Dienst an den Armen, den Witwen, den Waisen und um die Gefangenenhilfe. In der bezeugten Überlieferung wird die Unterscheidung zwischen den Aufgaben des Diakons und denen des Priesters bestätigt. Der hl. Hypolit (2.-3. Jahrhundert) zum Beispiel bekräftigt, daß der Diakon „nicht für das Priestertum, sondern für den Dienst des Bischofs geweiht ist, um das zu tun, was dieser anordnef ’ (vgl. SCh., 11, S. 39; Constitutiones Aegypt., III, 2: Ed. Funk. Didascalia. S. 103; Statuta Eccle-siae Ant., 37-41: Masi 3,954). In der Tat gehört der Diakonat nach dem Denken und der Praxis der Kirche zum Weihesakrament, hat aber nicht teil am Priestertum selbst und bringt keine wirklich priesterlichen Aufgaben mit sich. 4. In der westlichen Kirche erhielt das Priestertum im Laufe der Zeit eine fast ausschließliche Bedeutung im Hinblick auf den Diakonat, der sich tatsächlich darauf beschränkte, eine Stufe auf dem Weg zum Priesteramt zu sein. Hier ist nicht der Ort, den geschichtlichen Weg aufzuzeigen und die Gründe für solche Veränderungen darzulegen. Vielmehr ist zu unterstreichen, daß auf den Grundlagen der althergebrachten Lehre in unserem Jahrhundert im theologischen und pastoralen Bereich das Bewußtsein von der Bedeutung des Diakonats für die Kirche und damit der Zweckmäßigkeit seiner Wiedereinrichtung als Weihe und bleibender Lebensstand immer mehr gewachsen ist. Auch Papst Pius XII. wies in seiner Ansprache an den zweiten Weltkongreß des Laienapostolats (5. Oktober 1957) daraufhin und betonte, daß die Idee einer Wiedereinführung des Diakonats als eigenes Amt im Unterschied zum Priestertum zu jener Stunde noch nicht reif genug sei, daß sie jedoch zu verwirklichen wäre und daß in jedem Fall der Diakonat in den von der ältesten Tradition festgesetzten Gesamtrahmen des hierarchischen Dienstes gestellt würde (vgl. Dis-corsi e Radiomessaggi die Sua Santitä Rio XII, vol. XIX, S. 458). 175 A UD1ENZEN UND ANGELUS Die Idee reifte während des II. Vatikanischen Ökumenischen Konzils, das die Vorschläge der vorhergegangenen lahre berücksichtigte und die Wiedereinrichtung beschloß (vgl. Lumen Gentium, Nr. 29). . Papst Paul VI. führte das aus und ordnete kanonisch und liturgisch alles, was den Diakonat betraf (vgl. Sacrum Diaconatus Ordinem: 18. Juni 1967; Pontificalis Romani recognitio: 17. Juni 1968; Adpascendum: 15. August 1972) 5. Die Gründe, in denen die Vorschläge der Theologen und die konziliaren und päpstlichen Beschlüsse wurzelten, waren hauptsächlich zwei: vor allem die Zweckmäßigkeit, daß gewisse karitative Dienste, auf die Dauer sichergestellt von Laien, die sich bewußt dem Dienst der evangelischen Sendung der Kirche widmen, konkrete Gestalt annehmen sollten, die durch eine offizielle Weihe anerkannt ist. Außerdem war es notwendig, dem Priestermangel abzuhelfen und viele nicht direkt mit dem Pastoraldienst der Priester verbundenen Aufgaben zu erleichtern. Es fehlte nicht an solchen Menschen, die im ständigen Diakonat eine Art Brücke zwischen Hirten und Gläubigen sahen. Klar ist, daß durch diese mit geschichtlichen Umständen und pastoralen Ausblicken verbundenen Beweggründe der Heilige Geist, die Hauptperson im Leben der Kirche, geheimnisvoll am Werk war und eine neue Verwirklichung der vollständigen Hierarchie herbeiführte, die traditionsgemäß aus Bischöfen, Priestern und Diakonen bestand. Die Christengemeinden wurden auf diese Weise neu belebt und entsprachen mehr jenen blühenden Gemeinschaften, die von den Aposteln in den ersten Jahrhunderten immer unter dem Antrieb des göttlichen Beistands geschaffen worden waren, wie die Apostelgeschichte bestätigt. 6. Eine Forderang, die beim Beschluß der Wiedereinrichtung des ständigen Diakonats besonders stark empfunden wurde, war die nach einer verstärkten und unmittelbaren Anwesenheit der kirchlichen Amtsträger in den verschiedenen Bereichen von Familie, Arbeit, Schule usw. sowie in den bestehenden Pastoralstrukturen. Das erklärt unter anderem, warum das Konzil, obwohl es auch bei den Diakonen nicht ganz auf das Ideal des Zölibats verzichtet hat, erlaubte, daß diese Weihe „auch in der Ehe lebenden Männern im reifen Alter” gespendet werden kann. Es war eine von Vorsicht und Wirklichkeitssinn inspirierte Linie, beschlossen aus Gründen, die jeder leicht verstehen kann, der Erfahrung hat mit der Lebenslage von Menschen verschiedener Altersstufen und der konkreten Situation des einzelnen entsprechend seinem Reifegrad. Aus demselben Grund wurde dann von der für die Anwendung der Konzilsweisungen zuständigen Stelle verfugt, daß die Diakonatsweihe verheirateten Männern unter gewissen Bedingungen gespendet wird: Alter nicht unter 35 Jahren, Zustimmung der Ehefrau, gute Lebensführung und guter Leumund, eine angemessene Ausbildung in kirchlicher Lehre und Pastoral bei einem Institut oder durch Priester, die eigens zu diesem Zweck bestimmt sind (vgl. Paul VI., Sacrum diaconatus ordinem, 11-15: Ench. Val., 11, 1381-1385). 176 AUDIENZEN UND ANGELUS 7. Zu beachten ist jedoch, daß das Konzil das Ideal eines Diakonats aufrechterhalten hat, das für junge Männer zugänglich ist, die sich auch mit der Verpflichtung zum Zölibat ganz dem Herrn weihen. Es ist ein Weg „evangelischer Vollkommenheit”, der verstanden, gewählt und geliebt wird von hochherzigen Männern, die dem Reich Gottes in der Welt dienen wollen, ohne das Priesteramt anzustreben, zu dem sie sich nicht berufen fühlen, und doch eine Weihe haben, die ihren besonderen Dienst an der Kirche durch die Spendung der sakramentalen Gnade gewährleistet und einsetzt. Heute fehlt es nicht an solchen jungen Männern. Für sie wurden einige Richtlinien herausgegeben wie jene, die für die Diakonatsweihe ein Alter nicht unter 25 Jahren und eine Ausbildung in einem entsprechenden Institut vorsehen, „wo sie geprüft und dazu erzogen werden, wirklich ein Leben nach dem Evangelium zu führen; sie werden dazu ausgebildet, ihre eigenen, besonderen Aufgaben nutzbringend auszuführen”, wenigstens für die Dauer von drei Jahren (ebd., 5-9: Ench. Vat., //., 1375). Diese Richtlinien lassen die Bedeutung erkennen, welche die Kirche dem Diakonat beimißt, und ihr Bestreben, daß diese Weihe nach reiflicher Überlegung und auf sicheren Grundlagen gespendet wird. Sie sind aber auch Ausdruck des althergebrachten und immer neuen Ideals der Selbsthingabe an das Reich Gottes, eines Ideals, das die Kirche dem Evangelium entnimmt und als Banner hochhält besonders für die jungen Menschen auch in unserer Zeit. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit besondere Freude heiße ich Euch, die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, die Ihr so zahlreich nach Rom gekommen seid, willkommen und danke Euch von Herzen für dieses Zeichen der Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri. Mein besonderer Gruß gilt den Angehörigen, Freunden und Mitgliedern aus den Pfarrgemeinden von Diakonen aus dem Päpstlichen Collegium Germanicum et Hun-garicum, die anläßlich der Priesterweihe nach Rom gekommen sind. Außerdem grüße ich herzlich die zahlreichen Teilnehmer an der Wallfahrt der Zeitung „Heinrichsblatt” der Erzdiözese Bamberg, die Mitglieder der Harmonie Froschhausen, die anläßlich des hundertjährigen Bestehens nach Rom gepilgert sind, sowie die Pilger der Pfarrgemeinde Sankt Pius X. aus Wattenscheid, die zum zwanzigsten Mal die Gräber der Apostelfürsten besuchen. Schließlich heiße ich die in großer Zahl anwesenden Schülerinnen und Schüler aus der Bundesrepublik Deutschland willkommen. Euch allen, Euren heben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 177 A UDIENZEN UND ANGELUS Die Märtyrer: Zeugen von Wahrheit und Freiheit Angelus am 10; Oktober Liebe Schwestern,und Brüder! 1. Soeben hatte ich die Freude, dreizehn neue Selige zur Ehre der Altäre erheben zu können. Elf sind Märtyrer der schweren Jahre des Spanischen Bürgerkriegs. Zwei sind italienische Ordensfrauen, die in anderer, alltäglicherer Form das Martyrium voll lebten durch die bedingungslose Annahme der oft harten Anforderungen der Moralordnung. In den Seligen hat sich das Schriftwort verwirklicht, das die Enzyklika Veritatis splendor in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellt: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien.” Sie sind Märtyrer, das heißt Zeugen von Wahrheit und Freiheit! Im Martyrium zeigt sich der innere Zusammenhang zwischen diesen beiden Dimensionen, die die heutige Kultur hingegen trennen und manchmal sogar einander gegenüberstellen will. Durch seinen Opfertod bekundet der Märtyrer vor der Welt die eigene-freie Entscheidung für die Wahrheit Gottes gegen jede Verlockung oder Drohüng dessen, der sich Gott widersetzt. 2. Während ich dem Herrn für das Geschenk dieser neuen Seligen danke, richte ich einen herzlichen Gruß an alle hier aus diesem Anlaß versammelten Pilger. Mit besonderer Liebe begrüße ich die vielen Pilger aus Spanien, die Bischöfe und Delegationen, die an der Seligsprechung teilgenommen haben, vor allem die Pilger aus Almeria y Guadix, die Christlichen Schulbrüder und die Mitglieder des Theresianischen Instituts. Ebenso begrüße ich die Pilger aus Uruguay, dem Land, wo die sterblichen Überreste der seligen Rubatto aufbewahrt werden. Das Zeugnis der neuen Seligen sei für alle Samenkorn der Neuevangelisierung und Ansporn, Bauleute des Friedens und der Brüderlichkeit zu sein. Außerdem begrüße ich die Pilger italienischer Sprache, die aus dem Herkunftsland von Maria Francesca Rubatto und aus all den Gebieten gekommen sind, wo heute die von ihr gegründeten Kapuzinerinnen von Loano tätig sind. Ich begrüße auch alle Anhänger von . Maria Crocifissa Satellico, insbesondere die vielen Gläubigen aus den Marken, die sich heute über die Wundertaten freuen, die die Gnade des Herrn in ihrem Klosterleben gewirkt hat, das einfach und verborgen vor den Augen der Welt, aber reich an Menschlichkeit und Spirituatlität vor den Augen Gottes war. 3. Die Heiligkeit des Lebens dieser Seligen, das in den äußeren Umständen unterschiedlich, aber von derselben Liebe zur Wahrheit des Evangeliums beseelt war, sei für alle ein dringender Hinweis auf den Vorrang der Werte des Geistes. Die Jungfrau Maria, Königin aller Heiligen, öffne das Herz eines jeden, daß er die Botschaft annehme und ausführe, die durch Wort und Leben dieser unserer Schwe- 178 A UDIENZEN. UND ANGELUS Stern und Brüder dargeboten wird, deren Namen heute ins Verzeichnis der Sehgen eingeschrieben wurden. Die Aufgaben des Diakons in der Gemeindeseelsorge Ansprache bei der Generalaudienz am 13. Oktober 1. Das II. Vatikanische Konzil beschreibt den Platz, den die Diakone auf der Linie der alten Tradition in der Diensthierarchie der Kirche innehaben: „In der Hierarchie eine Stufe tiefer stehen die Diakone, welche die Handauflegung , nicht zum Priestertum sondern zur Dienstleistung empfangen’. Mit sakramentaler Gnade gestärkt, dienen sie dem Volk Gottes in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebestätigkeit in Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium” {Lumen Gentium, Nr. 29). Die Formel „nicht zum Priestertum, sondern zur Dienstleistung” ist genommen aus einem Text der Traditio Apostolica des Hippolyt, aber das Konzil stellt sie vor einen weiteren Horizont. In diesem alten Text wird das Amt als „Dienst des Bischofs” beschrieben; das Konzil legt die Betonung auf den Dienst des Volkes Gottes. Denn diese grundlegende Bedeutung des Diakonatsdienstes war zu Beginn von Ignatius von Antiochien bekräftigt worden, der die Diakone „Diener der Kirche Gottes” nannte mit dem Hinweis, sie seien aus diesem Grund dazu verpflichtet, allen zu gefallen (vgl. Ad Trat, 2,3). Der Diakon wurde im Laufe der Jahrhunderte nicht nur als Helfer des Bischofs, sondern auch als Diener der Christengemeinde betrachtet. 2. Um zur Amtsausübung zugelassen zu werden, empfangen die Diakone noch vor der Weihe die Dienstämter des Lektors und Akolythen. Die Übertragung dieser beiden Dienstämter zeigt eine zweifache, entscheidende Ausrichtung in den Diakonatsaufgaben, wie es das Apostolische Schreiben Ad pascendum Pauls VI. (1972) erklärt: „Es ist besonders angemessen, daß die Dienstämier des Lektors und Akolythen denen übertragen werden, die sich als Kandidaten für die Diakonats- oder Priesterweihe in besonderer Weise Gott und der Kirche zu weihen wünschen. Die Kirche, die , nicht aufhört, vom Tisch sowohl des Wortes Gottes wie des Leibes Christi das Brot des Lebens zu nehmen und es den Gläubigen zu reichen’, hält es nämlich für sehr angemessen, daß die Weihekandidaten sowohl durch Studium als auch durch die stufenweise Ausübung des Dienstes am Wort und am Altar diesen doppelten Aspekt des priesterlichen Amtes durch innere Vertrautheit kennenlemen und überdenken” {ebd.: O.R.dt., Nr. 38, 1972, S. 5). Diese Ausrichtung gilt nicht nur für das Priesteramt, sondern auch für den Diakonat. 3. Man muß daran denken, daß das Lektoren- und das Akolythenamt vor dem II. Vatikanischen Konzil als niedere Weihen betrachtet wurden. Bereits im Jahr 252 n. Chr. gab Papst Cornelius in einem Brief an einen Bischof sieben Stufen in der römischen Kirche an: Priester, Diakone, Subdiakone, Akolythen, Exorzisten, 179 AUDIENZEN UND ANGELUS Lektoren und Ostiarier (vgl. Eusebius, Hist. Eccl., IV, 43: PG 20, 622). In der Tradition der lateinischen Kirche waren drei höhere Weihen zugelassen: das Priesteramt, der Diakonat und der Subdiakonat, und vier niedere Weihen: die des Ako-lythen, des Exorzisten, des Lektors und des Ostiariers. Es war eine Regelung der Kirchenstruktur, die den Bedürfnissen der Christengemeinden im Laufe der Jahrhunderte entsprach und von der Kirchenobrigkeit bestimmt worden war. Durch die Wiedereinführung des ständigen Diakonats wurde diese Struktur geändert und, so weit sie den sakramentalen Bereich betrifft, auf drei Weiheämter mit göttlicher Einsetzung verkürzt: den Diakonat, das Priesteramt und das Bischofsamt. Paul VI. hat in seinem Apostolischen Schreiben über die Dienstämter der lateinischen Kirche (1972) außer der Tonsur, die den Eintritt in den Priesterstand kennzeichnete, den Subdiakonat aufgehoben, dessen Aufgaben dem Lektor und dem Akolythen übertragen wurden. Er hat die Ämter des Lektors und des Akolythen beibehalten, die aber nicht mehr als Weiheämter, sondern als Dienstämter betrachtetet und nicht durch „Weihe”, sondern durch „Einsetzung” übertragen werden. Diese Dienstämter müssen von den Diakonats- und Priesteramtskandidaten empfangen werden, sind aber auch den Laien zugänglich, die in der Kirche nur diese bestimmten Aufgaben übernehmen wollen: das Amt des Lektors, das heißt in der liturgischen Versammlung das Wort Gottes außer dem Evangelium vorzulesen und einige bestimmte Aufgaben zu übernehmen (z. B. den Gesang leiten, die Gläubigen anweisen); und das Amt des Akolythen, das eingerichtet wurde, um dem Diakon zu helfen und dem Priester zu dienen (vgl. Ministeria quaedam, V, VI: Euch. Vat., IV, 1762-1763). 4. Das II. Vatikanische Konzil zählt die liturgischen und seelsorglichen Aufgaben des Diakons auf: „Feierlich die Taufe zu spenden, die Eucharistie zu verwahren und auszuteilen, der Eheschließung im Namen der Kirche zu assistieren und sie zu segnen, den Sterbenden die Wegzehrung zu überbringen, vor den Gläubigen die Heilige Schrift zu lesen, das Volk zu lehren und zu ermahnen, dem Gottesdienst und dem Gebet der Gläubigen vorzustehen, Sakramentalien zu spenden und den Beerdigungsritus zu leiten” (Lumen Gentium, Nr. 29). Papst Paul VI. hat in Sacrum Diaconatus Ordinem (Nr. 22,10: Euch. Vat., II,. 1392) außerdem verfügt, daß der Diakon „die zerstreuten Christengemeinden im Namen des Pfarrers oder des Bischofs rechtmäßig leiten” kann. Es ist eine missionarische Aufgabe, die in Ländern, Bereichen, Gesellschaftsschichten und Gruppen zu erfüllen ist, wo der Priester fehlt oder nicht leicht erreichbar ist. Besonders an Orten, wo kein Priester für die Eucharistiefeier zur Verfügung steht, versammelt der Diakon die Gemeinde zu einem Wortgottesdienst mit Austeilung der sorgfältig aufbewahrten Kommunion. Es ist eine Vertretung, die der Diakon im kirchlichen Auftrag ausübt, wenn es darum geht, dem Priestermangel abzuhelfen. Aber diese Vertretung, die nie ein voller Ersatz sein kann, weist die priesterlosen Gemeinden auf die Dringlichkeit hin, um Priesterberufe zu beten und sich darum zu bemühen, diese zu 180 AUDIENZEN UND ANGELUS ihrem Wohl und zum gemeinsamen Wohl der Kirche zu begünstigen. Auch der Diakon soll dieses Gebet fördern. 5. Gemäß dem Konzil können die dem Diakon übertragenen Aufgaben nicht die Rolle der Laien schmälern, die berufen und bereit sind, mit der Hierarchie im Apostolat zusammenzuarbeiten. Ja, unter den Aufgaben des Diakons ist diejenige, „die Apostolatstätigkeit der Laien zu fördern und zu unterstützen”. Mehr als der Priester in den weltlichen Bereichen und Strukturen anwesend und fester in diese eingegliedert, soll sich der Diakon ermutigt fühlen, die Annäherung zwischen dem Weiheamt und der Tätigkeit der Laien im gemeinsamen Dienst des Reiches Gottes zu begünstigen. Eine weitere Aufgabe der Diakone ist die karitative, die auch einen entsprechenden Dienst in der Verwaltung der Güter und in den Hilfs werken der Kirche mit sich bringt. Die Diakone haben auf diesem Gebiet die Aufgabe, „im Namen der Hierarchie die karitativen Aufgaben, die Verwaltung sowie die sozialen Hilfswerke” zu übernehmen (Paul VI., Sacrum Diaconatus Ordinem, 22,9: Erich. Vat., H, 1392). Das Konzil mahnt sie entsprechend der alten Tradition der Christengemeinden: „Den Pflichten der Liebestätigkeit und der Verwaltung hingegeben, sollen die Diakone eingedenk sein der Mahnung der heiügen Polykarp: .Barmherzig, eifrig, wandelnd nach der Wahrheit des Herrn, der aller Diener geworden ist”’ {Lumen Gentium, Nr. 29; vgl. Ad Phil., 5,2, ed. Funk, I, S. 300). 6. Nach dem Konzil scheint der Diakonat besonders nützlich für die jungen Kirchen zu sein. Deshalb bestimmt das Dekret Ad gentes: „Wo die Bischofskonferenzen es für gut halten, soll der Diakonat als fester Lebensstand wieder eingeführt werden, entsprechend den Normen der Konstitution Über die Kirche, denn es ist angebracht, daß Männer, die tatsächlich einen diakonalen Dienst ausüben, sei es als Katecheten in der Verkündigung des Gottes Wortes, sei es in der Leitung abgelegener christlicher Gemeinden im Namen des Pfarrers und des Bischofs, sei es in der Ausübung sozialer oder karitativer Werke, durch die von den Aposteln her überlieferte Handauflegung gestärkt und dem Altar enger verbunden werden, damit sie ihren Dienst mit Hilfe der sakramentalen Diakonatsgnade wirksamer erfüllen können” {Ad gentes, Nr. 16). Wie bekannt, spielen die Katecheten dort, wo die Missionstätigkeit neue Christengemeinden erstehen hat lassen, off eine entscheidende Rolle. In vielen Orten sind sie es, die die Gemeinde anspomen, sie unterweisen und zum Gebet anleiten. Die Diakonatsweihe kann sie in der Mission, die sie ausüben, durch eine offizielle Weihe und einen ausdrücklichen Sendungsauftrag der Kirchenleitung, das heißt durch die Spendung eines Sakraments, bekräftigen. Durch dieses haben sie nicht nur an der Quelle jeden Apostolats, an der Gnade Christi, des Erlösers, teil, die vom Heiügen Geist in die Kirche ausgegossen ist, sondern sie empfangen auch ein unaus-löschüches Merkmal, das den Christen in besonderer Weise Christus gleichmacht, 181 AUDIENZEN UND ANGELUS der selbst „zum Diakon, das heißt zum Diener aller, geworden ist” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1570). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich richte einen herzlichen Willkommensgruß an die in so großer Zahl anwesenden Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Mein besonderer Gruß gilt den Pilgern der Diözesanwallfahrt des Bistums Münster, der Pilgergruppe aus der Diözese Paderborn unter Leitung von Herrn Weihbischof Consbruch, den Pfarran-gehörigen von St. Marien in Hamburg, sowie den Sängern des Domchores Aachen. Weiter grüße ich herzlich die Pilgergruppe der Pfarrei Liebfrauen in Zürich, die Mitglieder der Christlich-Sozialen Union Oberpfalz und die „Freunde von Radio Vatikan”. Euch, liebe Schwestern und Brüder, Euren heben Angehörigen in der Heimat sowie all jenen, die uns über Radio und Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gebet um Frieden für die Balkanvölker Zu einer Gruppe von Kroaten sagte der Papst: Herzlich begrüße ich die Pilger der Katholischen Kroatischen Mission aus Köln in Deutschland und die übrigen kroatischen Pilger. Willkommen! Auch heute möchte ich zum Gebet an den Herrn aufrufen, daß er Bosnien und Herzegowina, Kroatien und die gesamte Balkanregion zu einer Wohnstatt des wahren Friedens, der Gerechtigkeit, der gegenseitigen Achtung und der Solidarität unter den Völkern mache. Euch hier Anwesenden und euren Familien in der Heimat und in Deutschland erteile ich meinen Apostolischen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! Christus hat uns zur Freiheit befreit Angelus am 17. Oktober Liebe Schwestern und Brüder! 1. „Die Wahrheit wird euch befreien” (Joh 8,32). Dieses Wort Jesu ist der Leitfaden der jüngsten Enzyklika Veritatis splendor, die eine Verkündigung der Wahrheit und eine Hymne an die Freiheit sein will: an einen Wert, den der Mensch unserer Zeit so tief empfindet und die Kirche so hochschätzt. Aber was ist Freiheit? 182 A UDIENZEN UND ANGELUS Die zeitgenössische Kultur erfahrt diese Frage in dramatischer Weise. Denn man erkennt eine verbreitete Tendenz, die Freiheit absolut zu setzen, losgelöst von allen Schranken und jedem Verantwortungsbewußtsein. Aber eine so verstandene Freiheit wäre offenbar nicht echt, sondern gefährlich. Nicht zufällig haben alle Gesellschaften das Bedürfnis, eine bestimmte Regelung für die Ausübung der Freiheit festzusetzen. Woher hat diese „Regelung” ihre Berechtigung? Handelte es sich um ein rein pragmatisches und formelles Eingreifen ohne tiefe Verankerung, wären die Gesellschaften dem Triumph der Willkür total ausgesetzt und immer vom Übergriff und der Herrschaft des Stärkeren bedroht. Die wahre Garantie für eine geordnete Freiheit ist ihr moralisches Fundament, das von den Einzelnen und von der Gemeinschaft insgesamt anerkannt wird. 2. „Die Wahrheit wird euch befreien.” Gemäß dem Evangelium soll die Freiheit auf dem unerschütterlichen Fundament der Wahrheit ruhen. Nicht alles, was möglich ist, ist auch moralisch erlaubt. Die moralische Freiheit ist nicht die Befugnis, alles tun zu können, sondern die Fähigkeit des Menschen, ohne Einschränkungen das zu verwirklichen, was seiner Berufung als Kind Gottes, geschaffen nach dem Bild seines Schöpfers, entspricht. Der Mensch ist deshalb nicht wahrhaft frei, wenn er sich den tiefen und unveränderlichen Anforderungen seiner Natur entzieht. Außerhalb dieser Wahrheit würde er zum Gefangenen seiner schlechtesten Instinkte und zum Sklaven der Sünde (vgl. Joh 8,34), und das persönliche und gesellschaftliche Ergebnis wäre nichts als Unheil, wie die Erfahrung leider weitgehend zeigt. Aber ist es dem Menschen mögüch, mit Sicherheit seine „Wahrheit” zu erkennen? Hier stellt sich vielleicht die entscheidende Frage unserer so von Relativismus und Skeptizismus durchdrungenen Zeit. Die Kirche glaubt an die Kraft der Vernunft, die, obwohl „infolge der Sünde zum Teil verdunkelt und geschwächt” (Gaudium et spes, Nr. 15), uns „am Licht des göttlichen Geistes” teilhaben läßt (vgl. ebd.) und uns durch das Gewissen unaufhörlich auf die moralische Wahrheit hinweist. Weit entfernt davon, sich dem Glauben zu widersetzen, findet die Vernunft gerade in ihm eine Stütze, einen Maßstab und eine Vertiefung: und zwar seit Jesus, das fleischgewordene Wort, nicht nur dem Menschen Gott offenbart, sondern auch dem Menschen sich selbst voll enthüllt (vgl. ebd., Nr. 22). Christus ist der Erlöser des Menschen, der „Befreier” seiner Freiheit (Veritatis splendor, Nr. 86). 3. Liebe Schwestern und Brüder! Übergeben wir der Fürsprache Marias, der Mutter der Weisheit, dieses Zeugnis, zu dem sich die Kirche dem Menschen von heute gegenüber verpflichtet fühlt. „Die seligste Jungfrau bewirke durch ihre Fürsprache, daß wir voll Demut und Kraft dieses Zeugnis geben, das hohe Anforderungen stellt und deshalb auf schmerzliches Unverständnis stößt. Sie gewähre uns vor allem, das Zeugnis nicht so sehr durch 183 AUDIENZEN UND ANGELUS Worte, sondern durch die Glaubwürdigkeit eines Daseins zu geben, das froh im Zeichen des Evangeliums gelebt wird. Die Armen nicht ausgrenzen Nach dem Angelusgebet erinnerte der Papst an den Internationalen Tag zur Bekämpfung der Armut, zu dem die Vereinten Nationen aufgerufen hatten. Ich fühle mich im Geist verbunden mit all denen, die heute den Internationalen Tag zur Bekämpfung der Armut begehen, zu dem die Vereinten Nationen aufgerufen haben auf die Initiative von P. Joseph Wresinski, Priester und Gründer der Bewegung „Aide a Toute Detresse - ATD Quart Monde”, damit niemand die Allerärmsten vergesse und nie ihre Ausgrenzung befürworte. Denn die menschliche Würde all derer, die in Armut leben, ist unveräußerlich, und ihr Recht auf ein glückliches Familienleben unantastbar. Welcher Anlaß ist günstiger als der heutige, um die Verantwortlichen der Nationen wie auch die Leiter der christlichen Hilfswerke und Bewegungen aufzurufen, keine Mühe zu scheuen und den bedürftigen Familien zu helfen, aus dem bedrückenden Elend herauszukommen? In jedem Armen scheint das Bild Christi auf. Deshalb sollen wir ihm entgegengehen, beseelt von der bevorzugten Liebe, die uns der Herr beispielhaft vorgelebt hat. Diakonat heißt Gleichgestaltung mit Christus Ansprache bei der Generalaudienz am 20. Oktober 1. Unter den Themen der Katechesen über den Diakonat ist das über den Geist des Diakonats besonders wichtig und interessant, der alle berührt und erfaßt, die dieses Sakrament empfangen, um ihre Aufgaben entsprechend der Dimension des Evangeliums zu erfüllen. Das ist der Weg, der die Diener zur christlichen Vollkommenheit führt und ihnen erlaubt, einen wahrhaft wirksamen Dienst (diaconia) in der Kirche zu leisten „für den Aufbau des Leibes Christi” (Eph 4,12). Daraus entspringt die diakonische Spiritualität, die ihren Ursprung in der „sakramentalen Diakonatsgnade” hat, wie das II. Vatikanische Konzil sie nennt (Ad gentes, Nr. 16). Sie ist nicht nur eine wertvolle Hilfe bei der Erfüllung der verschiedenen Aufgaben, sondern sie beeinflußt tiefgreifend Geist und Herz des Diakons, indem sie ihn zur Hingabe seiner ganzen Person im Dienst für das Reich Gottes und die Kirche verpflichtet. Wie die Bezeichnung „Diakonat” selbst aussagt, kennzeichnet der Geist des Dienstes das innere Fühlen und Wollen dessen, der dieses Weihesakrament empfängt. Durch den Diakonat will man das verwirklichen, was Jesus in bezug auf seine Sendung gesagt hat: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen” (Mk 10,45; Mt 20,28). 184 AUDIENZEN UND ANGELUS Jesus richtete diese Worte zweifelsohne an die Zwölf, die er zum Priestertum bestimmte, um ihnen verständlich zu machen, daß sie sich, obwohl mit der von ihm verliehenen Vollmacht ausgestattet, wie er als Diener verhalten sollten. Deshalb gilt die Mahnung für alle Diener Christi. Dennoch ist sie von besonderer Bedeutung für die Diakone, und zwar mit ausdrücklicher Betonung dieses Dienstes. Sie verfügen nicht über die pastorale Vollmacht der Priester, sondern sind vor allem dazu bestimmt, durch die Erfüllung all ihrer Aufgaben die Absicht zu dienen zum Ausdruck zu bringen. Wenn ihr Dienst mit diesem Geist übereinstimmt, stellen sie noch mehr den charakteristischen Wesenszug Christi ins Licht: den Dienst, nicht nur „Diener Gottes”, sondern auch Diener der Mitmenschen zu sein. 2. Es ist eine Anleitung zum geistlichen Leben, die ihren Ursprung im Evangelium hat und in die frühe christliche Tradition übergegangen ist, wie der alte Text unter dem Namen „Didaskalia der Apostel” (3. Jh.) bestätigt. Die Diakone werden ermutigt, sich an dem im Evangelium beschriebenen Ereignis der Fuß Waschung, zu inspirieren: „Wenn der Herr das getan hat - heißt es in dieser Schrift -, dann sollt ihr Diakone nicht zögern, es für die zu tun, die krank und leidend sind, denn ihr seid Arbeiter der Wahrheit, mit dem Vorbild Christi bekleidet” (XVI, 36: ed. Connolly, 1904, S. 151). Der Diakonat verpflichtet zur Nachfolge Jesu in dieser Haltung des demütigen Dienstes, der nicht nur in den Werken der Liebe Ausdruck findet, sondern die ganze Denk- und Handlungsweise bestimmt und formt. In dieser Sicht versteht man die im Dokument Sacrum Diaconatus Ordinem enthaltene Bestimmung für die Zulassung der jungen Männer zur Diakonatsausbildung: „Zur Ausbildung für den Diakonat sollen nur solche jungen Männer aufgenommen werden, die eine natürliche Neigung zum Dienst der Hierarchie und der christlichen Gemeinschaft zeigen” (Nr. 8). Die „natürliche Neigung” soll nicht im Sinn eines einfachen inneren Antriebs der natürlichen Veranlagung verstanden werden, wenn dies auch immer eine zu berücksichtigende Voraussetzung ist. Es handelt sich um eine Neigung der von der Gnade beseelten Natur in einem Geist des Dienstes, der das menschliche Verhalten dem von Christus gleichförmig macht. Das Sakrament des Diakonats bringt diese Neigung zur Entfaltung: Es läßt den Menschen tiefer am Geist des Dienstes Christi teilhaben, durchdringt seinen Willen mit einer besonderen Gnade und bewirkt, daß er in seinem ganzen Verhalten von einer Neigung zum Dienst an den Mitmenschen beseelt wird. Es handelt sich um einen Dienst, der vor allem als Hilfe für den Bischof und den Priester sowohl im Gottesdienst als auch im Apostolat zu leisten ist. Es erübrigt sich hier anzumerken, daß derjenige, der von einer Mentalität des Widerspruchs oder des Widerstands gegen die Obrigkeit beherrscht wird, die Aufgaben des Diakons nicht angemessen erfüllen könnte. Der Diakonat darf nur denen verliehen werden, die an den Wert der Hirtensendung des Bischofs und des Priesters und an den Beistand des Heiligen Geistes glauben, der sie in ihrem Handeln und in ihren Entscheidungen 185 AUDIENZEN UND ANGELUS leitet. Insbesondere ist zu wiederholen, daß der Diakon verpflichtet ist, „dem Bischof Ehrfurcht und Gehorsam zu erweisen” (ebd., Nr. 30). Aber der Diakonatsdienst gilt auch der eigenen christlichen Gemeinschaft und der ganzen Kirche, für die er eine tiefe Liebe hegen soll aufgrund seiner Sendung und seiner göttlichen Einsetzung. 3. Das II. Vatikanische Konzil spricht auch von den Pflichten und Aufgaben, welche die Diakone übernehmen: „An der Sendung und Gnade des Hohenpriesters haben in eigener Weise auch ... vor allem die Diakone (teil), die den Geheimnissen Christi und der Kirche dienen und sich deshalb von jedem Laster rein bewahren, Gott gefallen und für alles Gute vor den Menschen sorgen müssen (vgl. 1 Tim 3,8-10.12-13)” {Lumen Gentium, Nr. 41). Sie haben deshalb die Pflicht, Zeugnis zu geben, das nicht nur ihren Dienst und ihr Apostolat betrifft, sondern ihr ganzes Leben. Auf die damit verbundenen Pflichten und Aufgaben lenkt Paul VI. die Aufmerksamkeit in dem bereits genannten Dokument Sacrum Diaconatus Ordinem: „Da die Diakone den Geheimnissen Christi und der Kirche dienen, sollen sie sich vor jeder schlechten Gewohnheit hüten und Gott immer zu gefallen suchen, .bereit zu jedem guten Werk’ für das Heil der Menschen. Wegen der empfangenen Weihe müssen sie die anderen übertreffen in lebendiger Teilnahme an der Liturgie, im Gebetseifer, im göttlichen Dienst, im Gehorsam, in der Liebe, in der Keuschheit” (Nr. 25). Insbesondere was die Keuschheit betrifft, verpflichten sich die jungen Männer, die zu Diakonen geweiht sind, den Zölibat einzuhalten und ein Leben der engen Verbundenheit mit Christus zu führen. Nach Empfang der Weihe sind auch die Diakone reiferen Alters „nach der überlieferten Disziplin der Kirche rechtlich unfähig, eine Ehe einzugehen” {ebd., Nr. 16). 4. Um diese Pflichten zu erfüllen und, noch besser, um den Erfordernissen des Diakonats mit Hilfe der sakramentalen Gnade zu entsprechen, ist eine geistliche Lebensführung notwendig, die das Motuproprio Pauls VI. so beschreibt: Die Diakone sollen: „1) eifrig der Lesung und der andächtigen Betrachtung des Wortes Gottes obhegen; 2) häufig, ja womöglich jeden Tag, tätig am Meßopfer teilnehmen, das Sakrament der heiligen Eucharistie empfangen und diesem frommen Besuch abstatten; 3) häufig das Bußsakrament empfangen und, um den würdigen Empfang zu gewährleisten, tägliche Gewissenserforschung halten; 4) die jungfräuliche Gottesmutter Maria fromm verehren und lieben” {ebd., Nr. 26). Papst Paul VI. fügt hinzu: „Es ist sehr angemessen, daß die ständigen Diakone wenigstens einen Teil des göttlichen Offiziums, der von der Bischofskonferenz genau zu bestimmen ist, tägüch beten” {ebd., Nr. 27). Die Bischofskonferenzen haben die Aufgabe, die Standespflichten der Diakone im einzelnen festzulegen entsprechend der Orts- und Zeitumstände. Wer den Diakonat empfangt, ist verpflichtet, sich ständig in der Lehre weiterzubilden, so daß das vor der Weihe erforderliche Studium noch vervollständigt und auf den heutigen Stand gebracht wird: „Die Diakone sollen im Studium besonders der 186 AUDIENZEN UND ANGELUS Theologie nicht nachlassen; die Heilige Schrift sollen sie eifrig lesen; mit den verschiedenen Zweigen der kirchlichen Wissenschaft sollen sie sich so vertraut machen, daß sie die katholische Lehre anderen richtig darlegen können und immer mehr geeignet werden, die Gläubigen zu erziehen und zu stärken. Um das zu erreichen, sollen die Diakone zu festgesetzten Zeiten zu Tagungen zusammengerufen werden, auf denen Fragen ihres Lebens und Dienstes behandelt werden” (ebd., Nr. 29). 5. Die Katechese über den Diakonat, die ich halten wollte, um ein vollständiges Bild von der kirchlichen Hierarchie zu zeichnen, stellt also das heraus, was in diesem Amt wie auch im Priester- und im Bischofsamt von höchster Bedeutung ist: eine besondere geistliche Teilhabe am Priestertum Christi und die Gleichgestaltung des Lebens mit Ihm unter der Führung des Heiligen Geistes. Bevor ich schließe, möchte ich darauf hinweisen, daß auch die Diakone wie die Priester und Bischöfe, bemüht auf dem Weg des Dienstes in der Nachfolge Christi, mit dem Erlösungsopfer enger verbunden sind entsprechend dem Grundsatz, den Jesus lehrte, als er zu den Zwölf vom Menschensohn sprach, der gekommen sei, „um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele” (Mk 10,45). Die Diakone sind deshalb berufen, in Vereinigung mit Christus, dem Erlöser, am Geheimnis des Kreuzes teilzuhaben, die Leiden der Kirche zu teüen und die Ablehnung, auf die sie stößt, zu ertragen. Und dieser schmerzliche Aspekt des diatonischen Dienstes macht ihn noch fruchtbarer. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich heiße ich Euch willkommen, die Ihr am Grab des hl. Petrus so zahlreich versammelt seid, um ihm Verehrung zu erweisen und seinem Nachfolger Treue zu bekunden. Indem ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, innig bitte, mit mir zu beten, damit unsere Diakone mit dem Geist des Dienens erfüllt werden, grüße ich Euch alle recht herzlich. Mein besonderer Willkommensgruß gilt den Mitgliedern des Austria-Bos-nien-Komitees des Sozialdienstes Hietzing, der Gruppe des Ökumene-Ausschusses der Evangelischen Kirche von Westfalen, den Teilnehmern an der Leserfahrt der Kirchenzeitung „Der Pilger” des Bistums Speyer und den Mitgliedern der Christlich-Sozialen Ünion Oberpfalz. Euch allen, Euren heben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns in diesem Augenbück geistüch verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 187 A UDIENZEN UND ANGELUS Mehr mit dem Zeugnis des Lebens als mit Worten Angelus am Weltmissionssonntag, 24. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der Weltmissionssonntag, den wir heute feiern, lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Schar von Männern und Frauen, die von der Botschaft des Evangeliums noch nicht erreicht wurden. Auf sie blickt heute die Kirche in besonderer Weise und fühlt sich mehr denn je vom Auftrag Christi gedrängt: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen” (Mk 16,15). Wie viele Missionare, Priester, Ordensmänner und -frauen sowie Laien widmen ihr Leben dem Dienst der Evangelisierung! Wir sind heute jedem und jeder einzelnen von ihnen besonders nahe. In Wirklichkeit, betrifft die weltumspannende missionarische Aufgabe nicht nur diese auserwählten Glieder der Kirche, sondern alle Getauften, jeden einzelnen entsprechend seiner eigenen Berufung. „Keiner, der an Christus glaubt, keine Institution der Kirche kann sich dieser obersten Pflicht entziehen: Christus muß allen Völkern verkündet werden” (Redemptoris missio, Nr. 3). In unserer Zeit ist auch eine Neuevangelisierung notwendig für die Völker mit alter christlicher Tradition, die aber jetzt von Strömungen der Säkularisierung und religiösen Relativierung erfaßt sind, welche die Wurzeln des Glaubens selbst angreifen. Groß ist deshalb die missionarische Verantwortung der Söhne und Töchter der Kirche. Sie bringt nicht nur die Pflicht der christlichen Verkündigung im eigenen Lebensbereich mit sich, sondern auch die hochherzige Hilfe für alle, die an der vordersten Front der Evangelisierung tätig sind und deshalb das Recht darauf haben, daß sie von ihren Brüdern und Schwestern im Glauben durch Gebet, Opfer und Teilen der geistlichen und materiellen Mittel begleitet werden. 2. Ein neues missionarisches Bewußtsein verpflichtet die Jünger Christi zu konsequentem Lebenszeugnis. Wie ich in der Enzyklika Veritatis splendor sagte, „verströmt die Neuevangelisierung gleichzeitig ihre ganze missionarische Kraft, wenn sie sich durch das Geschenk nicht nur des verkündeten, sondern auch des gelebten Wortes vollzieht” (Veritatis splendor, Nr. 107). Man ist viel mehr Missionar mit dem Leben als mit Worten! Das lehrt die Erfahrung: „Insbesondere ist es das Leben in Heiligkeit, das in so vielen demütigen und oft vor den Blicken der Menschen verborgenen Gliedern des Volkes Gottes erstrahlt, was den schlichtesten und faszinierendsten Weg darstellt, auf dem man unmittelbar die Schönheit der Wahrheit, die befreiende Kraft der Liebe Gottes, den Wert der unbedingten Treue, selbst unter schwierigsten Umständen, angesichts aller Forderungen des Gesetzes des Herrn wahrzunehmen vermag” (ebd.). 3. Wh bücken mit Vertrauen auf Maria, den Stern der Evangeüsierung: Sie schenkte der Welt den Erlöser als erste Missionarin und als Vorbüd für die Mission des ge- 188 AUDIENZEN UND ANGELUS samten christlichen Volkes. Durch ihre mütterliche Fürsprache helfe sie den Missionaren und Missionarinnen, besonders denen, die unter schwierigen Umständen fern von ihrer Heimat tätig sind, und wecke in allen Christen, in den Familien und in den kirchlichen Gemeinschaften den Vorsatz, sich von neuem hochherzig zu bemühen, Christus den Menschen unserer Zeit zu verkünden. Den Entscheid des Volkes achten Aufruf zum Gebet für die Bevölkerung in der ostafrikanischen Republik Burundi Ich rufe euch jetzt auf, für die Bevölkerung von Burundi zu beten, von wo leider traurige Nachrichten über schwere Unruhen kommen, die Gewalttaten und Todesopfer hervorgerufen haben. Wir bitten Maria, die Königin des Friedens, sie möge alle Verantwortlichen dieser Nation erleuchten, damit diese die freien Entscheide und die Erwartungen des bumndischen Volkes achten. Das Bemühen um Versöhnung sei dann die einmütige und feste Antwort auf die Versuchung zu Haß und Rache! Die kirchliche Identität der Laien Ansprache bei der Generalaudienz am 27. Oktober 1. Im Laufe der ekklesiologischen Katechesen haben wir unseren Blick auf die Kirche als Volk Gottes, als priesterliche und sakramentale Gemeinschaft, gerichtet und dann die verschiedenen Dienste und Ämter betrachtet. So sind wir von den von Christus erwählten und gesandten Aposteln zu ihren Nachfolgern, den Bischöfen, zu den Priestern, den Mitarbeitern der Bischöfe, und den Diakonen übergegangen. Folgerichtig befassen wir uns jetzt mit der Stellung und Rolle der Laien, die die große Mehrheit des Volkes Gottes bilden. Wir sprechen über sie, wobei wir der Linie des II. Vatikanischen Konzils folgen, aber auch die Hinweise und Richtlinien des Apostolischen Schreibens Christifideles laici (CL) aufgreifen, das am 30. Dezember 1988 nach der Bischofssynode 1987 veröffentlicht wurde. 2. Bekanntlich kommt das Wort „Laie” vom griechischen „laikös”, das wiederum von „laös”: Volk stammt. „Laie” ist also „einer aus dem Volk”. In dieser Hinsicht ist es ein schönes Wort. Leider hat aber eine längere geschichtliche Entwicklung bewirkt, daß das Wort „Laie” im profanen, vor allem politischen (laizistischen: Anm.d.Red.) Sprachgebrauch die Bedeutung des Widerstands gegen die Religion und insbesondere gegen die Kirche angenommen hat, so daß es eine Haltung der Trennung, der Ablehnung oder wenigstens der ausgesprochenen Gleichgültigkeit ausdrückt. Diese Entwicklung ist gewiß bedauerlich. Im christlichen Sprachgebrauch hingegen heißen diejenigen „Laien”, die zum Volk Gottes gehören, das heißt genauer: die keine mit dem Weihesakrament verbundenen 189 AUDIENZEN UND ANGELUS Dienste und Ämter innehaben und deshalb nicht Teil des „Klerus” sind, entsprechend der Unterscheidung, die traditionsgemäß zwischen „Klerikern” und „Laien” gemacht wird (vgl. CIC, can. 207,1). Die Kleriker sind die geweihten Amtsträger, das heißt der Papst, die Bischöfe, die Priester, die Diakone; die Laien sind die übrigen Christgläubigen, die zusammen mit den Hirten und Amtsträgem das Volk Gottes bilden. Bei dieser Unterscheidung fügt der Codex des kanonischen Rechts hinzu, daß es auf beiden Seiten - das heißt unter den Klerikern und Laien - Gläubige gibt, die in besonderer Weise durch das kanonisch anerkannte Bekenntnis zu den evangelischen Räten Gott geweiht sind {can. 207,2). Nach der obengenannten Unterscheidung sind eine gewisse Anzahl von „Ordensleuten” oder „geweihten Personen”, welche die Gelübde ablegen, aber nicht die heiligen Weihen empfangen, unter diesem Gesichtspunkt unter die Laien einzuordnen. Sie haben aber auf Grund ihres geweihten Standes eine besondere Stellung in der Kirche, so daß sie sich von den anderen Laien unterscheiden. Das Konzil seinerseits hat es vorgezogen, diejenigen gesondert zu behandeln und als Laien zu betrachten, die weder Kleriker noch Ordensleute sind (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31): Und diese weitere Unterscheidung dient, ohne Komplikationen oder Verwirrungen in der Lehre zu stiften, dazu, das Gespräch über die verschiedenen im Organismus der Kirche vorhandenen Stände und Kategorien zu vereinfachen und zu erleichtern. Hier verwenden wir die genannte dreifache Unterscheidung und sprechen von den Laien als den Gliedern des Volkes Gottes, die nicht zum Klerus gehören und nicht an den Ordensstand oder an das Bekenntnis zu den evangelischen Räten gebunden sind (vgl. Christifideles laici, Nr. 9 und Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 897, die den Begriff des Konzils aufgreifen). Nachdem wir über die Stellung und Rolle dieser großen Mehrheit der Glieder des Volkes Gottes gesprochen haben, können wir danach den Stand der Ordensleute oder geweihten Christgläubigen behandeln. 3. Wenn das Konzil auch darauf hinweist, daß die Laien nicht die gesamte Kirche sind, erkennt es doch voll ihre Würde an: Obwohl unter dem Aspekt des Amtes und der Hierarchie die Weihen diejenigen Gläubigen, die sie empfangen, in den Stand besonderer Autorität in Verbindung mit der ihnen übertragenen Rolle versetzen, besitzen die Laien ebenso wie die geweihten Amtsträger oder die Ordensleute in Fülle die Eigenschaft der Glieder der Kirche. In der Tat sind die Laien gemäß dem Konzil „durch die Taufe Christus einverleibt” und haben das unauslöschliche Zeichen ihrer Zugehörigkeit zu Christus kraft des „Taufcharakters”. Sie gehören zum mystischen Leib Christi. Ferner verpflichtet die durch die Taufe vollzogene Initiationsweihe sie dazu, die Sendung des ganzen Volkes Gottes auszuüben: Sie haben „auf ihre Weise teil am priesterhchen, prophetischen und königlichen Amt Christi”. Deshalb gilt das, was wir in den Katechesen über die Kirche als priesterliche und als prophetische Ge- 190 AUDIENZEN UNDANGELUS meinschaft gesagt haben, auch für die Laien, die neben den mit hierarchischen Funktionen und Ämtern bekleideten Gliedern der Kirche berufen sind, ihre Tauffä-higkeiten in Gemeinschaft mit Christus, dem einen Haupt des mystischen Leibes, zu entfalten. 4. Die Anerkennung der Laien als vollberechtigte Glieder der Kirche schließt ihre Identifizierung mit der Hierarchie allein aus. Es wäre eine verkürzte Auffassung und sogar ein dem Evangelium und der Theologie widersprechender Fehler, die Kirche ausschließlich als hierarchischen Leib aufzufassen: als eine Kirche ohne Volk! Dem Evangelium und der christlichen Tradition entsprechend ist die Kirche eine Gemeinschaft, in der es eine Hierarchie gibt, ja, aber gerade weil es ein Volk von „Laien” gibt, dem die Hierarchie dienen und das sie auf den Wegen des Herrn führen soll. Es ist zu wünschen, daß die Kleriker und die Laien sich dessen immer mehr bewußt werden und sich weit davon distanzieren, die Kirche von außen als eine Organisation zu betrachten, die ihnen auferlegt wird, ohne daß sie „Leib” und „Seele” davon sind. Kleriker und Laien, Hierarchie und „nichtgeweihte” Gläubige, bilden das eine Volk Gottes, die eine Kirche, die eine Gemeinschaft der Jünger Christi, so daß die Kirche allen und jedem gehört und wir alle für ihr Leben und ihre Entfaltung verantwortlich sind. Berühmt sind die Worte Pius’ XII., der in einer Ansprache „an die neuen Kardinäle” 1946 bekräftigte: Die Laien „müssen ... ein immer tieferes Bewußtsein gewinnen, daß sie nicht nur zur Kirche gehören, sondern die Kirche sind” (AAS 38, 1946, S. 149, zitiert in: Christifideles laici, Nr. 9 und Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 899). Eine denkwürdige Aussage, die eine Wende in der Psychologie und pastoralen Soziologie zum Licht der verbesserten Theologie bedeutete. 5. Die gleiche Überzeugung wurde vom DL Vatikanischen Konzil als „Wissen” der Hirten bekräftigt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 30). Man kann sagen, daß in den vergangenen Jahrzehnten ein klareres und tieferes Bewußtsein von dieser Rolle gereift ist durch den Beitrag nicht nur der Hirten, sondern auch hervorragender Pastoraltheologen und -experten, die vor und nach der Ansprache Pius’ XII. und dem ersten Weltkongreß für das Laienapostolat (1951) versuchten, die theologischen Fragen bezüglich der Laien in der Kirche zu klären und beinahe ein neues Kapitel der Ekklesiologie schrieben. Dazu dienten auch die Begegnungen und Konferenzen, wo Wissenschaftler, Aktions- und Organisationsexperten die Ergebnisse ihrer Überlegungen und die in ihrer Pastoral- und Sozialarbeit gewonnenen Daten verglichen. So bereiteten sie kostbares Material vor für das päpstliche und konziliare Lehramt. Alles blieb jedoch innerhalb der Linie einer Tradition, die in die Zeit der ersten Christen und besonders in die vom Konzil zitierte paulini-sche Mahnung zurückreichte (vgl. Lumen Gentium, Nr. 30), welche die ganze Gemeinschaft zu Solidarität aufrief und auf die Pflicht hinwies, am Aufbau des Leibes Christi mitzuwirken (vgl. Eph 4,15-16). 191 A UDIENZEN UND ANGELUS 6. In Wirklichkeit arbeiteten gestern und arbeiten heute zahllose Laien in der Kirche und in der Welt entsprechend den Mahnungen und den Aufrufen der Hirten. Sie verdienen Bewunderung! Neben denen, die eine herausragende Rolle spielen, gibt es viel mehr Laien, die, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, intensiv ihre Taufberufung leben und in der ganzen Kirche die Wohltaten ihrer Liebe verbreiten. Aus ihrer Verborgenheit erwächst ein Apostolat, das der Geist wirksam und fruchtbar macht. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit großer Freude heiße ich Euch, alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, die Ihr auch heute in so großer Zahl gekommen seid, willkommen. Für die Verbundenheit mit dem Nachfolger des hl. Petrus, die Ihr damit bekundet, danke ich Euch. Mein besonderer Gruß gilt den Teilnehmern an der Wallfahrt des Bistums Mainz unter der Leitung unseres geschätzten Herrn Bischofs Lehmann, ebenso den zahlreichen Schülerinnen und Schülern aus Deutschland und Österreich sowie den Polizeibeamten aus Graz und Fulda. Euch allen, Euren Lieben zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Menschliches Leben vor Manipulationen bewahren Angelus am 31. Oktober 1. „Wenn du ... das Leben erlangen willst, halte die Gebote!” (Mt 19,17). Die Worte Jesu weisen auf den tiefen Sinn der moralischen Verpflichtung hin und setzen sie in Bezug auf die Sehnsucht des Menschenherzens nach Leben (vgl. Veri-tatis splendor, Nr. 7). Ein wirklich wertvoller Hinweis für den Menschen unserer Zeit, der so nach Leben dürstet und paradoxerweise den Verlockungen einer heimtückischen Kultur des Todes ausgesetzt ist. Es ist ein verzerrtes Bild, wenn man das Moralgesetz als eine Fessel darstellt, welche die Lust des Menschen am Leben beeinträchtigt. Im Gegenteil, der Mensch lebt und ist ganz frei in dem Maß, in dem er die Gebote Gottes hält. Recht verstanden, verkürzen sich diese nicht auf eine Reihe von Verboten, sondern bringen vielmehr Grundwerte zum Ausdruck, die mit der Wahrheit und Würde der Person eng verbunden sind. Wenn der Mensch sie beobachtet, handelt er im Einklang mit seinem Wesen und seiner tiefen Berufung und geht dem Leben in Fülle entgegen, das in Jesus sein Vorbild, seinen Ursprung und seine Vollendung hat. „Wenn du das Leben erlangen willst, halte die Gebote!” 192 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Aber wer ist der Mensch? Wann beginnt er als „Person” zu existieren? Welche Bestimmung hat er? Welche Würde besitzt er? Die zeitgenössische Kultur gibt auf diese Fragen ausweichende und manchmal irreführende Antworten. Der ethische Relativismus bleibt nicht einmal an der Grenze der Identität und der Würde des menschlichen Lebens stehen, sondern öffnet den Weg zu unerlaubten und verwirrenden Experimenten. Zu Recht reagiert das Weltgewissen. Wie kann man nicht tief besorgt sein? In der Tat spürt man: Wenn auch diese Grenze überschritten ist, kann den Menschen nichts mehr vor verwirrenden Manipulationen und vor den Versuchungen eines selbstzerstörerischen Wahnsinns bewahren. Die Achtung des Menschen vom Augenblick seiner Empfängnis an gehört, wie ich in der Enzyklika Veritatis splendor sagte, zu den unumgänglichen Grundforderungen des Moralgesetzes. 3. So vieles ändert sich im Menschen und um ihn herum. Aber da ist etwas, das sich nicht verändert, und das ist seine „Natur”, die im Licht der Vernunft hervortritt, die ihrerseits von der göttlichen Offenbarung bekräftigt und vertieft wird. Auf dieser unvergänglichen Wahrheit gründet der universale und unveränderliche Charakter des Moralgesetzes, das uns den unendlichen Horizont des Guten aufzeigt und uns auf die unüberschreitbare Grenze jener in sich schlechten Handlungen hinweist, die kein Umstand und keine Absicht annehmbar und gut machen können (vgl. Veritatis splendor, Nm. 80-81). Bitten wir die seligste Jungfrau, die Mutter des Erlösers, den Menschen von heute vor dem Abgrund der Gewissenlosigkeit und des schlechten Gewissens zu retten und ihm eine klare Einsicht der moralischen Wahrheit zu erwirken, von deren Verwirklichung in großem Maße seine Zukunft abhängt. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Noch einmal danke ich allen Anwesenden, allen, die sich heute am letzten Sonntag, am letzten Tag im Oktober versammelt haben. Gemeinsam danken wir dem Herrn für all das, was er uns in diesem Monat durch das Rosenkranzgebet in der Familie, in der Pfarrgemeinde und in den einzelnen Bereichen gebracht hat. Wir wünschen allen eine gute Fortsetzung: Mit diesen Gebetsfrüchten können wir den Monat November beginnen mit den spirituell so bedeutsamen Tagen: morgen das Hochfest Allerheiligen und übermorgen Allerseelen. Allen sage ich: Gelobt sei Jesus Christus, und gelobt sei er an allen Tagen der kommenden Woche. 193 A UDIENZEN UND ANGELUS Die Waffen niederlegen Erneuter Aufruf zum Frieden und Dialog in Burundi Auch heute möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die ungeheure Tragödie lenken, von der Burundi heimgesucht wird. Die betrüblichen Nachrichten von wahllosen Morden, die an unschuldigen Menschen und an der wehrlosen Bevölkerung verübt wurden, erfüllen das Herz mit tiefer Trauer. Der Herr nehme alle, die gestorben sind, die Opfer so großen Hasses, in seinen Frieden auf. Ich appelliere an das Gewissen all derer, die in Burundi eine Waffe in der Hand haben, und sage ihnen, daß das Leben jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes heilig ist. In Burundi wird das Gesetz Gottes verletzt, und jede Möglichkeit bürgerlichen Zusammenlebens wird zerstört. Den besten Dienst, den die Burundier ihrem Vaterland erweisen können, ist, den Mut zu haben und die Waffen niederzulegen, miteinander zu sprechen und den vor kurzem eingeschlagenen Weg der Demokratie aufzunehmen. Ich bitte die internationalen, vor allem katholischen Hilfsorganisationen, rasch und hochherzig der Bevölkerung und den Flüchtlingen zu Hilfe zu eilen, die wieder Auszug, Armut, Krankheit und Tod erleben. Auch die Nachbarländer von Burundi mögen sich bemühen, den einzelnen Parteien zu helfen, den Dialog und Verhandlungsweg unter voller Achtung von Recht und Gerechtigkeit aufzunehmen. Der Königin des Friedens übergebe ich wieder unser Gebet und unsere Hoffnungen. Sich neu besinnen auf die Berufung zur Heiligkeit Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November ; 1. „Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen” {Mt 5,8) Diese Seügpreisung des Evangeliums erklingt in der heutigen Liturgie des Hochfestes Allerheiligen und bringt uns in spirituellen Einklang mit der Schar derer, „die ein reines Herz haben” und die im Himmel Gott schauen und lobpreisen. Gott schauen ist die große Sehnsucht des Menschenherzens. Oft ist sich der Mensch dessen nicht bewußt, denn er wird abgelenkt vom Wirbel der Außenwelt, die vorübergeht. Es ist seine geistliche Struktur selbst, die ihn auf die Unendlichkeit hin ausrichtet und ihn nicht nur „zu Gott befähigt”, sondern das Bedürfnis nach Ihm weckt. „Denn geschaffen hast du uns zu dir, Herr, und ruhelos ist unser Herz, bis daß es seine Ruhe hat in dir.” Als der heilige Augustinus diese Worte schrieb, gab er nicht nur seine persönliche Erfahrung als Neubekehrter wieder, sondern machte sich zum Sprecher der menschlichen Grundbefindlichkeit. 2. Während uns die heutige Feier an der Freude der Heiligen teilhaben läßt, hilft sie uns zur Neubesinnung auf unsere Berufung zur Heiligkeit. Das Konzil hat daran erinnert, „daß alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des 194 AUDIENZEN UND ANGELUS christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind” {Lumen Gentium, Nr. 40). Der Weg auf dieses Ziel hin geht durch die hochherzige Einhaltung der Gebote Gottes (vgl. Mt 7,21). In der jüngsten Enzyklika Veritatis splendor wies ich darauf hin, „daß die Gebote nicht als eine nicht zu überschreitende Minimalgrenze verstanden werden dürfen, sondern vielmehr als eine Straße, die offen ist für einen sittlichen und geistlichen Weg der Vollkommenheit, deren Seele die Liebe ist” (Nr, 15). Der Christ ist im wesentlichen ein zur Heiligkeit Berufener, und seine Lebensregel ist Christus selbst: „Das Handeln Jesu und sein Wort, seine Taten und seine Gebote bilden die sittliche Richtschnur für das christliche Leben” {ebd.). 3. Jungfrau Maria, Königin aller Heiligen und Vorbild der Heiligkeit! Du frohlockst heute mit der riesigen Schar derer, die ihre Gewänder „im Blut des Lammes” (<Offb 7,14) gewaschen haben. Du bist die erste der Erlösten, die ganz Heilige, die Unbefleckte. Hilf uns, unsere Mittelmäßigkeit zu überwinden. Leg uns den Wunsch und die Absicht zur Vollkommenheit ins Herz. Erwecke in der Kirche zugunsten der Menschen von heute einen reichen Frühling der Heiligkeit! Der Weltcharakter der Laien in der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 3. November 1. Bekanntlich nennt das II. Vatikanische Konzil den „Weltcharakter” als Merkmal des Laienstandes, wenn es die Glieder der Kirche und insbesondere die Laien von denen unterscheiden will, die dem Klerus und den Ordensinstituten angehören. „Den Laien ist der Weltcharakter in besonderer Weise eigen”, bekräftigt das Konzil {Lumen Gentium, Nr. 31) und weist damit auf einen Lebens umstand hin, der die Berufung und Sendung der Laien auf Grund der gemeinsamen Taufweihe kennzeichnet, so wie der Weihestand und das Priesteramt für die Kleriker und das Bekenntnis zu den evangelischen Räten für die Ordensleute charakteristisch ist. 2. Es handelt sich um eine besondere Berufung, welche die allgemeine christliche Berufung näher bestimmt, durch die wir alle gerufen sind, entsprechend den Erfordernissen unseres „Daseins”, das heißt als Glieder des mystischen Leibes Christi und in Ihm Adoptivkinder Gottes zu „wirken”. Immer dem Konzil entsprechend {ebd.), sind die geweihten Diener berufen, die heiligen Handlungen mit einer besonderen Konzentration ihres Lebens in Gott zu vollziehen, um den Menschen die geistlichen Güter, die Wahrheit, das Leben und die Liebe Christi zu beschaffen. Die Ordensleute ihrerseits geben Zeugnis von der Suche nach dem „einzig Notwendigen” durch den Verzicht auf die zeitlichen Güter zugunsten des Reiches Gottes: Sie sind also Zeugen des Himmels. Die Laien als solche sind berufen und dazu bestimmt, Gott im Gebrauch der zeitlichen Dinge und durch das Mitwirken am Fort- 195 AUDIENZEN UND ANGELUS schritt der Gesellschaft zu ehren. In diesem Sinn spricht das Konzil vom Weltcharakter der Laien in der Kirche. Wenn das Konzil diesen Ausdruck auf die Berufung der Laien anwendet, hebt es die zeitliche Ordnung und, wir können sagen, die Welt hervor. Aber die Weise, in der es dann diese Berufung definiert, zeigt ihre Transzendenz über die Ausblicke der Zeit und die Dinge der Welt. 3. Denn nach den Worten des Konzils gibt es im Laienchristen, weil er Christ ist, eine wahre Berufung, die für ihn als Laien einen besonderen Bedeutungsgehalt besitzt: Aber sie ist immer Berufung zum Reich Gottes! Der Laienchrist ist gewiß jemand, der „in der Welt” lebt, wo er sich um die zeitlichen Dinge sorgt, um die eigenen Bedürfnisse auf persönlicher, familiärer und sozialer Ebene zu befriedigen und nach dem Maß der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten an der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der ganzen Gemeinschaft mitzuarbeiten, als deren lebendiges, tätiges und verantwortliches Glied er sich fühlen soll. In dieser Lebensform ruft und begleitet ihn Christus und erkennt und achtet ihn die Kirche. Durch seine Rolle in der Welt soll er „das Reich Gottes suchen” und die zeitlichen Dinge nach dem Plan Gottes „ordnen”. Hier der Konzilstext: „Sache der Laien ist es, kraft der ihnen eigenen Berufung in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen” (Lumen Gentium, Nr. 31). Das betonte auch die Bischofssynode von 1987 (Propositio 4, in Christifideles laici, Nr. 15 und Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 898). Das Konzil erklärt weiter, daß die Laien „in der Welt leben, das heißt in all den einzelnen irdischen Aufgaben und Werken und den normalen Verhältnissen des Familien- und Gesellschaftslebens, aus denen ihre Existenz gleichsam zusammengewoben ist” {Lumen Gentium, Nr- 31). Und darin bezeugen sie, daß die Kirche, dem Evangelium getreu, die Welt nicht für wesentlich schlecht und unkorrigierbar hält, sondern für fähig, die Heilskraft des Kreuzes anzunehmen. 4. Hier stellt sich für die Berufung der Laien und den Weltcharakter ihres Zustandes und ihrer Sendung ein Grundproblem der Evangelisierung: das Verhältnis der Kirche zur „Welt”, ihr Urteil über sie und das wahrhaft christlich angelegte Heilswirken. Gewiß kann man nicht verkennen, daß im Johannesevangelium mit der Bezeichnung „Welt” oft eine Gott und dem Evangelium feindlich gesinnte Umgebung bezeichnet wird: jene menschliche Welt, die das Licht nicht aufnimmt (1,10), den Vater (17,25) und den Geist der Wahrheit (14,17) nicht erkennt und Christus und seine Jünger haßt (7,7; 15,18-19). Jesus weigert sich, für diese Welt zu bitten (17,9), und wirft den „Herrscher dieser Welt”, den Satan (12,31), hinaus. In diesem Sinn sind die Jünger nicht von der Welt, so wie Jesus selbst nicht von der Welf ist (17,14.16; 8,23). Der eindeutige Gegensatz wird auch im ersten Johannesbrief ausgedrückt: „Wir wissen: Wir sind aus Gott, aber die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen” (5,19). Und trotzdem darf man nicht vergessen, daß im gleichen Johannesevangelium der Begriff „Welt” auch auf den ganzen menschlichen Bereich bezogen wird, für den 196 AUDIENZEN UND-ANGELUS die Heilsbotschaft bestimmt ist: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat” (3,16). Wenn Gott die Welt, wo die Sünde herrscht, geliebt hat, dann erhält diese Welt durch die Menschwerdung und die Erlösung einen neuen Wert und soll geliebt werden. Die Welt ist zum Heil bestimmt: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird” (3,17). 5. Zahlreich sind die Stellen im Evangelium, welche die Haltung der Güte und Barmherzigkeit beweisen, die Jesus gegenüber der Welt einnimmt, weil er ihr Retter ist: Das Brot, das vom Himmel kommt, „gibt der Welt das Leben” (Joh 6,33); in der Eucharistie wird das Heisch Christi hingegeben „für das Leben der Welt” (Joh 6,51). Die Welt erhält so das göttliche Leben Christi. Sie empfängt vom ihm auch das Licht: Denn Christus ist „das licht der Welt” {Joh 8,12; 9,5). Auch seine Jünger sind berufen, „Licht der Welt” {Mt 5,14) zu sein: Sie sind wie Jesus „in die Welt” {Joh 17,18) gesandt. Die Welt ist also das Feld der Evangelisierung und der Umkehr: der Bereich, wo die Sünde ihre Macht ausübt und spüren läßt, wo aber auch die Erlösung am Werk ist in einer Art Spannung, die - wie der Glaubende weiß - dazu bestimmt ist, mit dem Sieg des Kreuzes zu enden, einem Sieg, dessen Zeichen seit dem Tag der Auferstehung in der Welt sichtbar sind. Diesen Ausblick zeigt das U. Vatikanische Konzil besonders in der Konstitution Gaudium et spes, welche das Verhältnis der Kirche zur Welt, verstanden als „die gesamte Menschheitsfamilie”, behandelt, wo die Heilskraft Christi wirksam ist und sich der Plan Gottes verwirklicht, den er nach und nach zur Vollendung führt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Das Konzil verkennt nicht den Einfluß der Sünde auf die Welt, es unterstreicht aber, daß die Welt gut ist, weil sie von Gott geschaffen und von Christus erlöst wurde. Man versteht deshalb, daß die Welt, entsprechend dem positiven Charakter, den sie von der Schöpfung und der Erlösung empfängt, „zum Bereich und zum Mittel der Erfüllung der christlichen Berufung der Laien (wird), weil sie dazu bestimmt ist, in Christus Gott den Vater zu verherrlichen” {Christifideles laici, Nr. 15). Vor allem den Laien steht es also gemäß dem Konzil zu, sich in der Welt einzusetzen, damit in ihr das Werk der Erlösung verwirklicht werde. 6. Deshalb sind die Laien weit entfernt davon, der Welt zu entfliehen, sondern dazu berufen, sich auf sie einzulassen, um sie zu heiligen: Das wiederholen wir noch einmal mit einer schönen Aussage des Konzils, die als Abschluß dieser Katechese dienen kann: Die Laien sind „von Gott gerufen, ihre eigentümliche Aufgabe, vom Geist des Evangeliums geleitet, auszuüben und so wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen und vor allem durch das Zeugnis ihres Lebens, im Glanz von Glaube, Hoffnung und Liebe Christus den anderen kund zu machen” {Lumen Gentium, Nr. 31). 197 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich innig dafür bete, daß Ihr Eurer Berufung, an der Erlösung der Welt mitzuwirken, jederzeit mit Eifer Folge leistet, grüße ich Euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Mein besonderer Willkommensgruß gilt den Mitgliedern des Cäcilienverbandes der Erzdiözese Freiburg im Breisgau, den Kimling-Chören aus dem Kreis Karlsruhe und dem Polizeichor München. Für Eure Darbietungen, mit denen Ihr Herz und Seele der Menschen erfreut, danke:ich Euch und wünsche Euch zugleich, daß Ihr durch Euer Singen auch weiterhin zur Verinnerlichung der Liturgie beitragen möget. Ebenso grüße ich herzlich die Gruppen der Katholischen Militärgemeinden Regensburg und Neubiberg und den Verein „Gemeinsam Reisen mit Behinderten”, Ulm. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Auf die Stimme des Gewissens hören Angelus am 7. November 1. Ein Berührungspunkt zwischen dem christlichen Denken und den besten Vertretern der zeitgenössischen Kultur ist gewiß die Wahrnehmung der Würde des Menschen. Diese Würde gründet im tiefsten Innern des Menschen, der „als Abbild Gottes” (Gen 1,26) geschaffen wurde. Von allen Lebewesen der sichtbaren Welt beschränkt sich nur der Mensch nicht einfach darauf, zu existieren, sondern weiß auch, dank der Vernunft, durch die er „am Licht des göttlichen Geistes” teilhat (Gaudium et spes, Nr. 15), daß er existiert. Und so konnte der hl. Augustinus schreiben: „Geh in dich. Die Wahrheit wohnt im Innern des Menschen” {De yera religione, 39,72). Unter den Reichtümem dieser Innerlichkeit des Menschen ist das moralische Gewissen das entscheidende Element. In ihm tut sich „ein Gesetz” kund, „dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft” {Gaudium et spes, Nr. 16). Dieses Gewissen ist die verborgenste Mitte der Person, wo nicht nur die moralische Verantwortung, sondern die religiöse Erfahrung selbst wurzelt. Dazu sagte das Konzil: „Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist” {Gaudium et spes, Nr. 16). 2. In der jüngsten Enzyklika Veritatis splendor bekräftigte ich die Angemessenheit und Universalität des Moralgesetzes und unterstrich die zentrale Bedeutung des Gewissens. In Wirklichkeit stehen Moralgesetz und Gewissen .nicht zur Auswahl. Das Gewissen ist die nächste Richtschnur des Handelns, und als solche muß man 198 A UDIENZEN UND ANGELUS ihm folgen, sogar wenn es aus unüberwindlicher Unkenntnis irrt. Aber seine bindende Kraft kommt aus dem Moralgesetz selbst, dessen Anforderungen sie auf die konkreten Lebenssituationen anwendet. Das Gewissen schafft nicht die Regel, aber es nimmt sie als Gebot, das sich ihm auferlegt. Sein Urteil gründet deshalb nicht auf der Anmaßung der absoluten Autonomie, sondern auf der Demut des Geschöpfes, das sich von seinem Schöpfer abhängig fühlt. Wie alles Menschliche kann auch das Gewissen Niederlagen verzeichnen, Illusionen hegen und Irrtümer begehen. Seine Stimme ist leise und kann von einem lärmenden und zerstreuten Leben übertönt oder von einer anhaltenden und schwerwiegenden Gewöhnung an das Laster beinahe erstickt werden. Das Gewissen muß man pflegen und bilden. Der bevorzugte Weg für seine Bildung ist - wenigstens für den, der die Gnade des Glaubens hat - die Gegenüberstellung mit der biblischen Offenbarung des Moralgesetzes, das mit dem Beistand des Heiligen Geistes vom Lehramt der Kirche maßgeblich interpretiert wird. 3. Wenn wir, meine Lieben, das Vorbild eines reifen Gewissens suchen, schauen wir auf Maria. Die seligste Jungfrau wird uns im Evangelium als Frau dargestellt, die auf Gott hört, immer bereit, seinen Willen zu tun. In ihrem aufnahmebereiten Herzen konnte das Wort Gottes tiefe Wurzeln fassen, bevor es in ihrem jungfräulichen Schoß „Fleisch wurde” und „unter uns gewohnt hat” (Joh 1,14). Deshalb erlange uns Maria durch ihre mütterliche Fürsprache ein waches Gewissen, das dem Wehen des göttlichen Geistes entspricht. Die Laien und das Geheimnis Christi Ansprache bei der Generalaudienz am 10. November 1. Wir haben bereits festgestellt, daß der für das Leben der Laien kennzeichnende Weltcharakter nicht nach einer rein „irdischen” Dimension erfaßt werden kann, weil es das Verhältnis des Menschen zu Gott innerhalb der Heilsgemeinschaft, und das ist die Kirche, einschließt. Im Christen gibt es deshalb einen transzendenten Wert des Laientums, der von der Taufe kommt, durch welche der Mensch Adoptivkind Gottes und Glied des mystischen Leibes Christi, der Kirche, wird. Deshalb haben wir auch von der ersten „Katechese über die Laien” an gesagt, daß das Wort „Laie” (davon abgeleitet „laizistisch” Anm.d.Red.) nur mißbräuchlich als eine Christus oder der Kirche entgegensetzte Haltung der Trennung, der Unabhängigkeit oder auch nur der Gleichgültigkeit verstanden und verwendet werden kann. Im christlichen Sprachgebrauch ist der „Laie” derjenige, der Glied des Volkes Gottes ist und zugleich in die Welt eingebunden lebt. 2. Die Zugehörigkeit der Laien zur Kirche als ihr lebendiger, aktiver und verantwortlicher Bestandteil entspringt demselben Willen Jesu Christi, der seine Kirche 199 AUDIENZEN UND ANGELUS für alle offen haben wollte. Es sei hier nur an das Verhalten des Weinbergbesitzers in dem so bedeutsamen und eindrucksvollen Gleichnis erinnert, das Jesus erzählt hat. Als er die arbeitslosen Männer sieht, sagt der Gutsbesitzer: „Geht auch ihr in meinen Weinberg” (Mt 20,4). Dieser Ruf, sagt die Bischofssynode von 1987 (Christifideles laici, Nr. 2), „erklingt in der Geschichte weiter ... Er richtet sich an jeden Menschen, der in diese Welt eintritt”. „Der Ruf ergeht nicht nur an die Hirten, an die Priester, an die Ordensleute. Er umfaßt alle. Auch die Laien sind persönlich vom Herrn berufen, und sie empfangen von ihm eine Sendung für die Kirche und für die Welt.” Alle sind aufgerufen, „sich mit Gott versöhnen zu lassen” (vgl. 2 Kor 5,20), sich retten zu lassen und am weltumspannenden Heil mitzuwirken, denn Gott „will, daß alle Menschen gerettet werden” (1 Tim 2,4). Alle sind eingeladen, mit ihren persönlichen Fähigkeiten im „Weinberg” des Vaters zu arbeiten, wo jeder seinen Platz und seinen Lohn hat. 3. Die Berufung der Laien bringt ihre Teilnahme am Leben der Kirche und eine konsequente enge Gemeinschaft mit dem Leben Christi mit sich. Sie ist ein göttliches Geschenk und verpflichtet gleichzeitig zur Antwort. Hat denn Jesus die Jünger, die ihm gefolgt waren, nicht aufgefordert, ständig mit ihm und in ihm vereint zu sein und die gleiche mitreißende Lebenskraft in ihren Geist und in ihr Herz eindringen zu lassen? „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch; ... getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen” (Joh 15,4-5). Wie für die Priester gilt auch für die Laien: Die wahre Fruchtbarkeit hängt von der Verbundenheit mit Christus ab. Der Satz „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen” bedeutet nicht, daß die Laien ihre Fähigkeiten und Eigenschaften in den zeitüchen Tätigkeiten ohne Christus nicht entfalten können. Aber die vom Johannesevangelium überlieferten Worten Jesu mahnen uns alle, Kleriker und Laien, daß wir ohne Christus nicht die besondere Frucht unserer christlichen Existenz hervorbringen können. Für die Laien ist diese Frucht insbesondere ihr Beitrag zur Umgestaltung der Welt mit Hilfe der Gnade und zum Aufbau einer besseren Gesellschaft. Nur durch die Treue zur Gnade ist es möglich, in der Welt die Wege der Gnade zu öffnen: sowohl durch die Erfüllung der eigenen familiären Pflichten, besonders in der Kindererziehung, als auch in der eigenen Arbeit, im Dienst an der Gesellschaft auf allen Ebenen und in allen Einsatzformen für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden. 4. Im Einklang mit dieser Lehre des Evangeliums, die vom Apostel Paulus wiederholt (vgl. Röm 9,16) und vom hl. Augustinus hervorgehoben wird (vgl. De Correp-tione et Gratia, c.2), hat das Konzil von Trient gelehrt: Obwohl es möglich ist, „gute Werke” zu tun, ohne im Stand der Gnade zu sein (vgl. DS 1957), verleiht nur die göttliche Gnade den Werken heilbringenden Wert (ebd., 1551). Der heftige Papst Pius V., der zwar die Aussage dessen verurteilte, der behauptete: „Alle Werke der Ungläubigen sind Sünden, und die Tugenden der Philosophen sind Laster” (ebd., 1925), lehnte jeden Naturalismus und Legalismus ab, um zu bekräftigen, daß das verdienstvolle und heilbringende Gute vom Heiligen Geist kommt, der die 200 AUDIENZEN UND ANGELUS Gnade ins Herz der Adoptivkinder Gottes eingießt (ebd. 1912-1915). Es ist die vom hl. Thomas von Aquin verfolgte Linie der Ausgeglichenheit, die auf die Frage, „ob der Mensch das Gute ohne die Gnade wollen und vollbringen könne”, antwortete: „Weil die menschliche Natur durch die Sünde nicht ganz bis zu dem Punkt verdorben ist, daß sie jedes natürlichen Guten beraubt wird, kann der Mensch kraft seiner Natur manches bestimmte Gute tun, wie Häuser bauen, Weinberge pflanzen und andere Dinge dieser Art (im Bereich der Werte und der Welt der Arbeit, Technik und Wirtschaft), aber er kann nicht alles seinem Wesen entsprechende Gute vollbringen, wie ein Kranker von sich aus nicht die Bewegungen eines gesunden Menschen vollkommen nachmachen kann, wenn er nicht mit Hilfe der Arznei geheilt wird” (Summa Theologica, I-II, q.109, a.2). Noch weniger kann er das höhere und übernatürliche Gute (bonum superexcedens, supematurale) vollbringen, welches das Werk der eingegossenen Tugenden und vor allem der aus der Gnade erwachsenen Liebe ist (vgl. ebd.). Wie man sieht, ist auch in diesem die Heiligkeit der Laien betreffenden Punkt einer der grundlegenden Leitsätze der Theologie der Gnade und der Erlösung miteinbe-zogen. 5. Die Laien können in ihrem Leben die Gleichgestaltung an das Geheimnis der Menschwerdung gerade durch den Weltcharakter ihres Standes verwirklichen. Wir wissen tatsächlich, daß der Sohn Gottes unseren menschlichen Zustand teilen wollte, indem er sich in allem, ausgenommen in der Sünde, uns gleich machte (vgl. Hebr2,\l\ 4,15). Jesus hat sich als derjenige bezeichnet, „den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat” (Joh 10,36). Das Evangelium bestätigt uns, daß der ewige Sohn sich voll in unsere Lage versetzt und in der Welt die eigene Heiligung gelebt hat. Das ganz menschliche Leben Jesu in der Welt ist das Modell, welches das Leben aller Getauften erhellt und inspiriert (vgl. Gaudium et spes, Nr. 32): Das Evangelium selbst lädt uns ein, im Leben Christi ein perfektes Modell zu entdecken, das Vorbild für all jene sein kann und soll, die Ihm als Jünger nachfolgen und an der Sendung und der Gnade des Apostolats teilhaben. 6. Wir können insbesondere feststellen, daß der Sohn Gottes, indem er das gewöhnliche Leben der Menschen annahm, diesem Leben einen neuen Wert verliehen und es auf die Ebene göttlichen Lebens erhoben hat (vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologica III, q.40, aa.1-2). Weil er Gott ist, hat er auch in die einfachsten Gesten des menschlichen Lebens seine Teilhabe am göttlichen Leben hineingelegt. In ihm können und sollen wir den Gott erkennen und ehren, der als Mensch geboren ist und gelebt hat wie wir: der gegessen, getrunken, gearbeitet und die notwendigen Tätigkeiten aller verrichtet hat, so daß sich im ganzen Leben, in allen auf eine höhere Ebene erhobenen Tätigkeiten der Menschen, das Geheimnis des dreifältigen Lebens widerspiegelt. Wer wie die Laienchristen im Licht des Glaubens das Ge- 201 AUDIENZEN UND ANGELUS heimnis der Menschwerdung lebt, der durchwirkt auch die zeitlichen Tätigkeiten mit dem Sauerteig der Gnade. Im Licht des Glaubens haben die Laien, die dem Gesetz der zu unserer Rettung geschehenen Menschwerdung folgen, auch am Geheimnis des heilbringenden Kreuzes teil. Im Leben Christi sind die Menschwerdung und die Erlösung ein einziges Lie-besgeheimnis. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, um die Menschheit durch seinen Opfertod loszükaufen: „Der Menschensohn ist... gekommen, um ... sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele” (Mk 10,45; Mt 20,28). Wenn der Brief an die Hebräer bekräftigt, daß der Sohn uns in allem, außer in der Sünde, gleich geworden ist, spricht er von der Ähnlichkeit und der Mitbeteiligung an den schmerzlichen Prüfungen des jetzigen Lebens (vgl. Hehr 4,15). Auch im Brief an die Philipper best man, daß deijenige, der den Menschen gleich wurde, gehorsam war bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,7-8). Wie die Erfahrung der täglichen Schwierigkeiten im Leben Christi im Kreuz gipfelt, so finden im Leben der Laien die täglichen Prüfungen ihren Höhepunkt in der Vereinigung des Todes mit dem Kreuzestod Christi, der den Tod besiegt hat. In Christus und all seinen Jüngern, Priestern und Laien, ist das Kreuz der Schlüssel zum Heil. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Zur Generalaudienz in der Basilika St. Peter heiße ich Euch, die zahlreichen Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, herzlich:willkommen. Zugleich danke ich Euch für dieses Zeichen der Verbundenheit mit dem Nachfolger des hl. Petrus. Mein besonderer Gruß gilt den Schülern und Lehrern des Diözesanenmusikgymna-siums Linz sowie allen Schülerinnen und Schülern aus Österreich und Deutschland. Weiter begrüße ich die Mitglieder der Historischen Deutschen Schützenbruderschaft Leverkusen, die anläßlich des 575jährigen Gründungsjubiläums nach Rom gepilgert sind. Christus, der uns in allem gleich geworden ist, außer der Sünde, der mit uns das Leid und die Schmerzen des Lebens teilt, führe Euch zum Heil des ewigen Lebens. Dazu erteile ich Euch, Euren Lieben zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Grußwort an die Kroaten Aus ganzem Herzen grüße ich die kroatischen Pilger, Seid willkommen! Meine Lieben, in den schweren Prüfungen des derzeitigen Augenblicks stütze euch die Hoffnung des Glaubens an Christus, den Erlöser des Menschen. Euch und allen, 202 AUDIENZEN UND ANGELUS die unter den tragischen Folgen des Krieges in Kroatien und in Bosnien und Herzegowina leiden, erteile ich meinen Apostolischen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! Zum Wohl der ganzen Menschheitsfamilie Angelus am 14. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am vergangenen Donnerstag mußte ich, wie ihr wißt, für kurze Zeit ins Krankenhaus, weil ich gestürzt war, während ich die Stufen vom Podium herabstieg, um am Schluß einer Audienz die Anwesenden zu begrüßen. Ich danke herzlich allen, die mir umgehend die notwendige medizinische Hilfe zukommen ließen. Außerdem danke ich den vielen Menschen, die mir durch ihre herzliche Zuwendung und vor allem durch den wertvollen Trost ihres Gebets nahe gewesen sind. Es ist für mich eine weitere Gelegenheit, mich enger mit dem Geheimnis des Kreuzes Christi zu vereinen in Gemeinschaft mit so vielen leidenden Brüdern und Schwestern. Ich nehme auch diese Prüfung aus der Hand Gottes an, der alles in seinen der Vorsehung gemäßen Plänen fügt, und opfere sie auf für das Wohl der Kirche und für den Frieden unter den Menschen. 2. Heute wird in ganz Italien das Erntedankfest gefeiert. „Es ist tatsächlich - wie die Bischöfe Italiens in der aus diesem Anlaß veröffentlichten Botschaft betonen - ein öffentliches Bekenntnis des Glaubens und bietet wieder die christliche Sicht des menschlichen Einsatzes in der Landarbeit an, der zur Förderung des Wohls der Menschen, der Familien und der ganzen Gemeinschaft bestimmt ist.” Angeregt vom nationalen Bauernverband bringt das Erntedankfest jenen natürlichen Lobpreis des Herrn zum Ausdruck, der seit je das Landvolk kennzeichnet, das gewohnt ist, die Wunder der Natur aus der Nähe zu betrachten und sie mit Liebe zu pflegen zum Wohl der ganzen menschlichen Gemeinschaft. Leider zeigt sich die Gesellschaft heute nicht immer aufmerksam für die grundlegende Rolle der Landwirtschaft. Und doch ist sie unerläßlich, weil sie der Menschheit den notwendigen Unterhalt sichergestellt. Die derzeitige Krise, welche die Landwirtschaft durchmacht, die Rückschläge der Weltwirtschaftsordnung, der Mangel an Nahrungsmitteln, unter dem weite Regionen der Welt leiden, erinnern uns an die Bedeutung einer rationellen Landwirtschaft. Blicken wir deshalb mit besonderer Sympathie auf die Landarbeiter; danken wir mit ihnen dem Herrn und bitten wir um den göttlichen Segen für ihre Mühen. 3. Maria, unsere Hoffnung und Zuversicht, helfe uns, unser Leben immer zu einem frohen und dankbaren Geschenk für den himmlischen Vater zu machen. Ich empfeh- 203 AUDIENZEN UND ANGELUS le ihr heute besonders alle Kranken, besonders die einsamen und hoffnungslosen. Sie möge diese mit ihrer mütterlichen Liebe trösten und den Begleitpersonen Gefühle herzlicher und tatkräftiger Nächstenliebe eingeben. Ein offenes Herz für die Armen Grußwort an die Pilger auf dem Petersplatz am 17. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Obwohl heute die gewohnte Mittwochsaudienz nicht abgehalten wurde, möchte ich doch nicht auf die Freude verzichten, die Pilger wenigstens kurz zu begrüßen, die nach Rom gekommen sind, um dem Nachfolger Petri zu begegnen. Ich heiße euch alle herzlich willkommen, die heute morgen hier auf dem Petersplatz Anwesenden wie auch alle, die mit uns über Rundfunk und Fernsehen geistig verbunden sind. Erneut möchte ich allen danken, die mir in den vergangenen Tagen rührende Beweise der Liebe und Solidarität zukommen ließen, und ich versichere jeden meines steten Gedenkens im Gebet. 2. Die heutige Liturgie, hebe Brüder und Schwestern, gedenkt einer tiefgläubigen und von glühender Nächstenhebe beseelten Frau, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts gelebt hat: die hl. Elisabeth von Thüringen. Von königlicher Herkunft, heiratete sie noch sehr jung den Landgrafen Ludwig IV. von Thüringen. Sie führte als Ehefrau und Mutter ein vorbildliches Leben und leistete an der Seite ihres Mannes einen wertvollen Beitrag vor allem in der Hilfe für die Armen und Bedürftigen. Als Witwe von der Spiritualität des hl. Franziskus von Assisi angezogen, dessen Orden sich damals in Europa ausbreitete, heß sie die Bequemlichkeiten des Hofes hinter sich und führte ein Leben in Armut, das aber reich an Werken der Nächstenhebe war, indem sie sich ganz dem Dienst an den Armen im Hospital widmete, das sie selbst hatte erbauen lassen. Das Vorbild und die Fürsprache dieser bedeutenden Heftigen der Nächstenliebe, der Patronin des Franziskanersäkularordens und der karitativen Werke, sporne uns zu einem tugendhaften Leben an, damit wir immer bereit sind, den Willen Gottes in die Tat umzusetzen und mit offenem Herzen auf die Armen und Notleidenden zuzugehen. 3. Während ich den himmlischen Schutz der hl. Ehsabeth anrufe, die von ihrem Beichtvater, Konrad von Marburg, als „pauperum consolatrix” und „famelicorum reparatrix” - „Trösterin der Armen” und „Stärkende der Hungernden” bezeichnet wurde, erteile ich euch hier Anwesenden, euren Familien und allen euren Lieben, besonders den Kranken und Leidenden, den Apostolischen Segen. 204 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Einen herzlichen Graß richte ich an euch, liebe Schwestern und Brüder. Ich danke euch für euren herzlichen Besuch und empfehle euch und eure Lieben dem Schutz und Segen unseres Vaters im Himmel. Boten des Friedens sein Mit tiefer Trauer gedachte der Papst der beiden Franziskanerpatres, die bei Kampfhandlungen in Fojnica/Bosnien getötet wurden: Die Nachricht von der Ermordung der beiden Franziskanerpatres des alten Konvents von Fojnica (Foinitsa) erfüllt uns mit tiefer Trauer. Wir bitten für diese unsere Brüder um die Freude und den Frieden des Himmels; sie wurden von der Gewalt überrollt, die so viele unschuldige Opfer in diesen leidgeprüften Regionen fordert. Möge ihr Opfer nicht umsonst sein, sondern ihre Mitbrüder dazu anspomen, in der franziskanischen Berufung auszuharren und Boten des Friedens und des Heils zu sein. Aufruf zur brüderlichen Solidarität Angelus am 21. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der heutige Sonntag ist dem Königtum unseres Herrn Jesus Christus geweiht und der letzte im Jahreskreis. Nachdem sie die Geheimnisse des Lebens unseres Herrn von seiner Geburt bis zu seinem Tod und seiner Auferstehung betrachtet hat, blickt die Kirche heute auf das geopferte Lamm neben dem Vater im Glanz der himmlischen Herrlichkeit und macht sich den ewigen Lobpreis der Engel und der Heiligen im Himmel zu eigen. „Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit” (Offb 5,13). Das Fundament des Königtums Jesu Christi ist seine Gottheit: ein großes Geheimnis, das wir im demütigen und dankbaren Glaubensgehorsam bekennen. Dieser befähigt uns, in Jesus den ewigen Sohn Gottes, das Wort, eines Wesens mit dem Vater, das fleischgewordene Wort (Joh 1,14), zu erfassen. Kraft einer solchen Identität kann Christus sagen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6). In ihm wurde alles geschaffen, und auf ihn strebt alles zu: Er ist der König des Universums! 2. Während sie sein Lob singt, hört die Kirche trotzdem nicht auf sich zu wundem über das Paradox eines Königs, der sich zum Knecht gemacht hat, indem er uns in allem gleich wurde, ausgenommen in der Sünde (vgl. Hebr 4,15). Das Königtum Jesu betrachten heißt deshalb für den Menschen nicht, sich seine Herrlichkeit aneignen, sondern sich mit seiner Liebe messen. 205 AUDIENZEN UND ANGELUS Der König, den wir heute betrachten ist in der Tat der gute Hirt, der sein Leben gibt für seine Schafe; sein Königtum ist nicht Herrschaft, sondern Dienst. Die Kirche, obwohl sie die Schwächen ihrer Glieder erkennt, bleibt diesem Ideal treu, und gerade deshalb verkündet sie wie in der jüngsten Enzyklika Veritatis splendor mit ruhiger Festigkeit die Wahrheit über den Menschen. Das ist gewiß einer der dringen-sten Dienste, derer die Menschheit heute bedarf. Die Jünger Christi fühlen sich als Hörer und Diener dieser Wahrheit, berufen, sie immer neu von den Lippen dessen zu vernehmen, der vor Pilatus die Bedeutung seines Königtums bekundete und bekräftigte: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege” (Joh 18,37). 3. Liebe Brüder und Schwestern! Schauen wir auf Maria, welche die Kirche als Mutter und Königin verehrt: Die Herrlichkeit des Sohnes ist auch die ihre! Wir bitten Sie, durch ihre Fürsprache die Ankunft des Reiches Gottes zu beschleunigen; das heißt, daß Christus in den Herzen, in den Familien, in den Nationen herrsche, Er, der Gott der Liebe und des Friedens. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute am 21. November, dem Fest der Darstellung Marias im Tempel, wird der „Tag für die Klausurschwestem” gefeiert zur Unterstützung der weiblichen monasti-schen Gemeinschaften. Wer diese Gemeinschaften kennt, weiß wohl, wie wertvoll ihre schweigende und betende Anwesenheit für das christliche Volk und für die ganze Gesellschaft ist. Deshalb lade ich euch ein, meine Lieben, ihren Bedürfnissen entgegenzukommen, damit diesen unseren Schwestern nicht die nötigen Mittel fehlen, um unbesorgt ihre besondere kontemplative Berufung zu leben, der sie sich mit so bewundernswerter Hingabe widmen. Die Kirche in Italien feiert heute auch den „Tag für die Migranten”, der in diesem Jahr die Worte des hl. Paulus zum Thema hat: „Ihr seid nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht” (Eph 2,19). Das Evangelium reißt jede Trennwand zwischen den Menschen und den Völkern nieder und streut in der Welt den Samen einer neuen, in der Gottesliebe gründenden Brüderlichkeit aus. Ich rufe alle Glaubenden und die Menschen guten Willens auf, jene Atmosphäre brüderlicher Solidarität zu fördern, die unerläßlich ist, um die komplexen Probleme der Migranten im jetzigen geschichtlichen Augenblick in Angriff zu nehmen und zu lösen. Dialog und Versöhnung gefragt Aufruf zum Gebet für den Frieden in Irland Ich begrüße die englischsprachigen Pilger, die hier zum Angelusgebet versammelt sind. Heute wird in den katholischen, anglikanischen und protestantischen Kirchen ganz Irlands und Großbritanniens besonders um das göttliche Geschenk des Friedens für die leidgeprüften Gemeinden von Nordirland gebetet. Ich schließe mich an 206 AUDIENZEN UND ANGELUS und rufe den Trost und die Kraft des allmächtigen Gottes herab auf alle, die aufgrund der Gewalt trauern oder leiden, und seine Weisheit auf alle, die sich für einen gerechten und dauerhaften Frieden einsetzen. Der Geist der Wahrheit erwecke in allen das Bewußtsein für die dringende Notwendigkeit von Dialog und Versöhnung, damit die tiefe Sehnsucht der Menschen nach Frieden, die heute besonders weit verbreitet und stark ist, bald erfüllt werde. Die Berufung der Laien zur Heiligkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 24. November 1. Die Kirche ist heilig, und alle ihre Glieder sind zur Heihgkeit berufen. Die Laien haben teil an der Heihgkeit der Kirche, weil sie im Vollsinn Glieder der christlichen Gemeinschaft sind: Und diese Teilhabe - die wir ontologisch nennen können - an der Heihgkeit der Kirche bedeutet auch für die Laien ein persönliches sitthches Bemühen um Heiligung. In dieser Befähigung und Berufung zur Heihgkeit sind alle Gheder der Kirche gleich (vgl. Gal 3,28). Der Grad persönlicher Heihgkeit hängt nicht von der Stellung ab, die man in der Gesellschaft oder in der Kirche einnimmt, sondern einzig und allein von dem Maß der gelebten Liebe zum Nächsten (vgl. 1 Kor 13). Ein Laie, der die göttliche Liebe bereitwillig in sein Herz und sein Leben aufnimmt, ist heiliger als ein Priester oder Bischof, der sie in geringerem Maß aufnimmt. 2. Die christliche Heihgkeit wurzelt in der Verbundenheit mit Christus im Glauben und in der Taufe. Dieses Sakrament steht am Anfang der kirchlichen Gemeinschaft in der Heihgkeit. Das scheint in dem Pauluswort auf: „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe” (Eph 4,5), zitiert vom II. Vatikanischen Konzil, das daraus die Aussage über die Gemeinsamkeit ableitet, welche die Christen in Christus und in der Kirche verbindet (Lumen Gentium, Nr. 32). In dieser Teilhabe am Leben Christi durch die Taufe wurzelt die ontologische, ekklesiologische und ethische Heihgkeit jedes Glaubenden, ob Kleriker oder Laie. Das Konzil bekräftigt: „Die Anhänger Christi sind von Gott nicht kraft ihrer Werke, sondern aufgrund seines gnädigen Ratschlusses berufen und in Jesus dem Herrn gerechtfertigt, in der Taufe des Glaubens wahrhaft Kinder Gottes und der götthchen Natur teilhaftig und so wirklich heilig geworden” (Lumen Gentium, Nr. 40). Die Heihgkeit ist Zugehörigkeit zu Gott. Diese Zugehörigkeit verwirklicht sich in der Taufe, wenn Christus vom Menschen Besitz ergreift, um ihm „an der götthchen Natur Anteil” zu geben (vgl. 2 Petr 1,4), die in ihm durch die Menschwerdung vorhanden ist (vgl. Summa Theologica III, q.7, a.13; q.8, a.5). So wird Christus wirklich, wie bereits gesagt, zum „Leben der Seele”. Das dem Menschen durch die Taufe eingeprägte sakramentale Merkmal ist das Zeichen und Band der Weihe an 207 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott. Darum nennt Paulus die Getauften, wenn er von ihnen spricht, „die Heiligen” (vgl. Rom 1,7; 1 Kor 1,2; 2 Kor 1,1, usw.). 3. Aber aus dieser ontologischen Heiligkeit erwächst, wie wir gesagt haben, das Bemühen um sittliche Heiligkeit. Alle sollen, wie das Konzil betont, „die Heiligung, die sie empfangen haben, mit Gottes Gnade im Leben bewahren und zur vollen Entfaltung bringen” {Lumen Gentium, Nr. 40). Alle sollen nach Heiligkeit streben, denn sie tragen in sich schon den Keim dazu; sie sollen diese ihnen verliehene Heiligung entfalten. Alle sollen leben, „wie es sich für Heilige gehört” {Eph 5,3), und sich als „auserwählte Heilige mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld bekleiden” (vgl. Kol 3,12). Die Heiligkeit, die sie besitzen, schützt sie nicht vor Versuchungen und Sünde, denn in den Getauften dauert die beständige Gebrechlichkeit der menschlichen Natur im gegenwärtigen Leben an. Das Konzil von Trient bekräftigt diesbezüglich, daß niemand „während des ganzen Lebens alle, auch die läßlichen Sünden ohne besonderes von Gott verliehenes Vorrecht meiden könne, wie es die Kirche von der seligsten Jungfrau lehrt” (vgl. DS 1573). Das veranlaßt zum Gebet, um vom Herrn immer wieder neue Gnade zu erhalten, die Beharrlichkeit im Guten, und die Vergebung der Sünden: „Und vergib uns unsere Schuld” {Mt 6,12). 4. Gemäß dem Konzil sind alle Anhänger Christi, auch die Laien, zur vollkommenen Liebe berufen {Lumen Gentium, Nr. 40). Das Streben nach der Vollkommenheit ist nicht das Privileg einiger, sondern das Bemühen aller Glieder der Kirche. Und nach christlicher Vollkommenheit streben heißt, beharrlich in der Heiligkeit fortzuschreiten. So wie das Konzil sagt: „Der Herr Jesus, göttlicher Lehrer und Urbild jeder Vollkommenheit, hat die Heiligkeit des Lebens, deren Urheber und Vollender er selbst ist, allen und jedem einzelnen seiner Jünger in jedweden Lebensverhältnissen gepredigt: ,Seid ihr also vollkommen, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist’ {Mt 5,48)” {Lumen Gentium, Nr. 40). Und deshalb sind „alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen” {ebd.). Gerade durch die Heiligung jedes einzelnen wird eine neue menschliche Vollkommenheit in die irdische Gesellschaft eingebracht. Die Dienerin Gottes Elisabeth Leseur sagte: „Jede Seele, die sich erhebt, erhebt damit auch die Welt.” Das Konzil lehrt, daß „durch diese Heiligkeit auch in der irdischen Gesellschaft eine menschlichere Weise zu leben gefördert wird” {ebd.). 5. Hier ist zu bemerken, daß sich der unendliche Reichtum der den Menschen mitgeteilten Gnade Christi in eine Menge und Vielfalt von Gaben umsetzt, mit denen jeder den anderen in dem einen Leib der Kirche dienen und wohltun kann. Petrus empfahl den in Kleinasien verstreuten Christen, als er sie zur Heiligkeit anspomte: „Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat” (1 Petr 4,10). Auch das II. Vatikanische Konzil sagt, daß „in den verschiedenen Verhältnissen und Aufgaben des Lebens die eine Heiligkeit von allen entfaltet (wird), die sich vom Geist Gottes leiten lassen” {Lumen 208 AUDIENZEN UND ANGELUS Gentium, Nr. 41). Es erinnert an den Weg der Heiligkeit für die Bischöfe, die Priester, die Diakone, die Seminaristen, die Diener Christi werden wollen, und „jene von Gott erwählten Laien, die vom Bischof gerufen sind, sich voll dem apostolischen Wirken hinzugeben”. Aber ausdrücklicher berücksichtigt es den Weg der Heiligkeit für die im Ehebund lebenden Christen: „Die christlichen Eheleute und Eltern müssen auf ihrem eigenen Weg in treuer Liebe das ganze Leben hindurch einander in der Gnade Halt und Stütze sein und die von Gott gerne empfangenen Kinder mit den christlichen Lehren und den Tugenden des Evangeliums erfüllen. So geben sie allen das Beispiel einer unermüdlichen und großmütigen Liebe, sie bauen die Bruderschaft der Liebe auf, sind Zeugen und Mitarbeiter der fruchtbaren Mutter Kirche, zum Zeichen und in Teilnahme jener Liebe, in der Christus seine Braut geliebt und sich für sie hingegeben hat” (ebd.). Das gleiche kann und soll für die Lage der Menschen gelten, die aus freier Wahl oder aufgrund besonderer Ereignisse und Umstände allein stehen, wie die unverheirateten Männer und Frauen, die Witwer und Witwen sowie die getrennt und die in der Feme lebenden Personen. Für alle gilt der göttliche Ruf zur Heiligkeit, verwirklicht in Form der Liebe zum Nächsten. Die Rede kann und soll auch wie in der Bischofssynode von 1987 (vgl. Christifideles laici, Nr. 17) auf diejenigen ausgedehnt werden, die im gewöhnlichen Berufs- und Arbeitsleben für das Wohl der Mitmenschen und den Fortschritt der Gesellschaft wirken nach dem Vorbild Jesu, des Arbeiters. Das gleiche kann und soll schließlich auch - wie das Konzil sagt - für „die Armen, Schwachen, Kranken und von verschiedener Mühseligkeit Bedrückten oder die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten” gelten: Sie „sollen sich in besonderer Weise mit Christus in seinem Leiden für das Heil der Welt vereinigen” (Lumen Gentium, Nr. 41). 6. Vielfältig sind also die Aspekte und Formen der christlichen Heiligkeit, die sich den Laien in den verschiedenen Lebensumständen eröffnen, wo sie berufen sind, Christus nachzufolgen und von Ihm die notwendige Gnade erlangen, um ihre Sendung in der Welt zu erfüllen. Alle sind von Gott gerufen, den Weg der Heiligkeit zu gehen und ihre Lebens- und Arbeitsgefährten in der Welt der zeitlichen Dinge auf diesen Weg zu führen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit unserer heutigen Katechese wenden wir uns der Berufung der Laien zur Heiligkeit zu. Die Wurzel christlicher Heiligkeit hegt in der innigen Verbundenheit mit Christus im Glauben und in der Taufe. Im Leben jedes einzelnen, sei er Laie, Priester oder Bischof, soll das Streben nach Vervollkommnung der christlichen Liebe zum Ausdruck kommen, (vgl. Lumen gentium, Nr. 40). Auf diese Weise wird der unendliche Reichtum der Gnade Christi deutlich, die er allen Menschen zuteilt und die ihre Verwirklichung in der großen Vielfalt der göttlichen Gnadengaben findet. 209 AUDIENZEN UND ANGELUS Mit diesen Gaben, die einem jeden zu eigen sind, kann jeder dem anderen dienen und dem einen Leib, der die Kirche ist, zum Segen werden. Alle Gläubigen, Laien wie Priester, sind von Gott gerufen, den Weg der Heiligkeit zu gehen und auf diesem Weg ihre Mitmenschen im Alltag des Lebens und der Arbeit einzuladen und sie zu begleiten. Mit dieser kurzen Betrachtung heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den zum Generalkapitel in Rom versammelten Marienschwestem von der Unbefleckten Empfängnis. Euch allen, Hebe Schwestern und Brüder, Euren lieben Angehörigen daheim sowie all jenen, die uns in diesem Augenbhck geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1994 Internationales Jahr der Familie Angelus am ersten Adventssonntag, 28. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute beginnen wir das neue Kirchenjahr. An diesem ersten Adventssonntag lädt uns die Kirche ein, dem Herrn, „der kommt”, entgegenzugehen. Weihnachten, das wir in Kürze feiern, ist nicht einfach Gedächtnis der Vergangenheit, sondern Aufnahme dessen, der immer neu in unser Leben kommt bis zur Wiederkunft in Herrlichkeit am Ende der Zeiten. Die Haltung, welche die Liturgie uns für diese Zeit der Erwartung vorschlägt, ist die der Wachsamkeit. Wir können dem Herrn nicht begegnen, wenn unser Geist abgelenkt wird, unser Herz kalt ist und unsere Augen unfähig sind, sich dem Geheimnis zu öffnen. „Seid wachsam!” lautet die Mahnung Jesu, die unsere Trägheit aufrüttelt und uns auffordert, ihm in unserem Alltagsleben Raum zu geben. 2. Möge dieser Ruf Gottes zu allen christlichen Familien gelangen. Ja, ich möchte ihn für alle Familien der Welt erschallen lassen. Denn 1994 ist, wie ihr wißt, von den Vereinten Nationen als Internationales Jahr der Familie proklamiert worden, und auch die Kirche wird es feiern mit Beginn am 26. Dezember des Jahres, dem Fest der HeiHgen Familie. Der heutige Aufruf zur Wachsamkeit findet gewiß in den Familien besonders aufnahmebereiten Boden. Die Familie ist ihrer Natur nach auf die Zukunft ausgerichtet. Sie erwächst aus der Entscheidung des Mannes und der Frau, ihr Leben in einem gemeinsamen Liebesplan zu verschmelzen. In diesem Plan ist auch die Erwartung von Kindern, von neuem Leben unbedingt eingeschrieben, welche die Famihe berufen ist, mit Liebe anzunehmen, voll Eifer zu pflegen und mit Vernunft zu erziehen. Auf diesem Weg der Liebe ist „Wachsamkeit” eine unerläßliche Tugend. Der Advent erfordert deren Vertiefung, indem er die Familien einlädt, Gott, der kommt, die 210 AUDIENZEN UND ANGELUS Türen zu öffnen durch das Wiederentdecken des gemeinschaftlichen Gebetes, begleitet von Vorsätzen der Lebensemeuerung und einer verstärkten Anstrengung zu Gemeinschaft. 3. Blicken wir auf Maria, das Vorbild der wachsamen und tätigen Erwartung. Für sie bedeutete der Advent, den Urheber des Lebens selbst im Schoß zu hüten und auf seine Geburt zu warten. Sie kannte die Freuden, aber auch die Mühen, Ängste und Leiden der Familie. Ihrem Schutz vertrauen wir alle Familien der Welt an, damit sie von ihr lernen, in Jesus das Geheimnis ihrer Ausgewogenheit und den Wegbegleiter zu finden. Pfarrkirchen für die jungen Gemeinden Aufruf an die Gläubigen des Bistums Rom zur Spende für den Bau von Kirchen in den Außenbezirken Ich wende mich jetzt besonders an euch, Gläubige der Diözese Rom. Vom heutigen ersten Adventssonntag an bis Weihnachten findet die Geldsammlung statt zum Bau neuer Pfarrkirchen in unserer Stadt, vor allem in den Vierteln, die kürzlich entstanden sind oder sich noch weiter ausdehnen. Ich appelliere an die Hochherzigkeit aller, damit eine Initiative unterstützt wird, die so wichtig ist für Tausende von Familien, welche auf ein „geistliches Haus” warten, wo sie gemeinsam im Namen des Herrn wachsen können. Die Madonna del Divino Amore segne eure Anstrengungen, die bereits im vergangenen Jahr reiche Früchte getragen haben; sie erlange uns durch ihre Fürsprache, daß im Jahr 2000 alle Pfarrgemeinden von Rom ein würdiges Gotteshaus besitzen. Grundlagen der Laienspiritualität Ansprache bei der Generalaudienz am 1. Dezember I. Die besondere Rolle der Laien in der Kirche erfordert von ihrer Seite ein tiefes geistliches Leben. Um ihnen zu helfen, dies zu erreichen und zu entfalten, wurden theologische und pastorale Werke der Spiritualität für die Laien veröffentlicht, die auf der Voraussetzung gründen, daß jeder Getaufte zur Heiligkeit berufen ist. Die Art, wie dieser Ruf verwirklicht wird, wechselt entsprechend der unterschiedlichen Berufungen des einzelnen, der Lebens- und Arbeitsbedingungen, der Fähigkeiten und Neigungen, der persönlichen Vorzüge für diesen oder jenen Meister des Gebets und Apostolats, für diesen öder jenen Gründer eines Ordens oder einer kirchlichen Einrichtung: Wie es in allen Schichten geschehen ist und geschieht, aus denen die betende, tätige und ins Himmeheich pilgernde Kirche zusammengesetzt ist. Das II. Vatikanische Konzil zeichnet die Linien einer besonderen Laienspiritualität im Bereich der für alle in der Kirche gültigen Lebensweise vor. 211 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Als Grandlage jeder christlichen Spiritualität müssen die Worte Jesu über die Notwendigkeit einer lebendigen Verbundenheit mit ihm genommen werden: „Bleibt in mir ... Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Fracht” (.Joh 15,5). Bedeutsam ist die Unterscheidung, auf die der Text anspielt, zwischen zwei Aspekten der Verbundenheit: Es gibt eine Gegenwart Christi in uns, die wir immer stärker annehmen, erkennen und erwünschen sollen, erfreut darüber, daß wir sie manchmal besonders intensiv spüren können. Und es gibt unsere Gegenwart in Christus, die wir durch unseren Glauben und unsere Liebe entfalten sollen. Diese Verbundenheit mit Christus ist das Geschenk des Heiligen Geistes, der sie in die Seele eingießt; diese nimmt sie an und fördert sie durch die Betrachtung der göttlichen Geheimnisse, im Apostolat, das danach strebt, das Licht mitzuteilen sowohl im persönlichen als auch sozialen Handlungsbereich (vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologica, Ü-II, q.45, a.4). Die Laien sind wie jedes andere Glied des Volkes Gottes zur Erfahrung dieser Verbundenheit berufen. Daran erinnert das Konzil durch die Mahnung: Die Laien sollen „bei der rechten Erfüllung ihrer weltlichen Pflichten in den gewöhnlichen Lebensverhältnissen die Vereinigung mit Christus nicht von ihrem Leben abspalten” (Apostolicam actuositatem, Nr. 4). 3. Weil es sich um ein Geschenk des Heiligen Geistes handelt, soll die Vereinigung mit Christus durch das Gebet erfleht werden. Wenn man die eigenen Aufgaben dem göttlichen Willen entsprechend erfüllt, tut man zweifellos etwas Gott Wohlgefälliges, und das ist schon eine Form des Gebets. So werden auch die einfachsten Handlungen eine Huldigung zur Ehre Gottes, die sein Wohlgefallen findet. Aber wahr ist auch, daß dies nicht genügt. Es ist notwendig, besondere Augenblicke ausdrücklich dem Gebet zu widmen nach dem Beispiel Jesu, der sich auch mitten in der intensivsten messianischen Tätigkeit zum Gebet zurückzog (vgl. Lk 5,16). Das gilt für alle, also auch für die Laien. Die Formen und Weisen solcher „Gebetspausen” können vielfältig sein. Aber in jedem Fall gilt der Grundsatz, daß das Gebet für alle sowohl im persönlichen Leben als auch im Apostolat unerläßlich ist. Nur durch ein intensives Gebetsleben können die Laien Inspiration, Kraft, Mut inmitten der Schwierigkeiten und Hindernisse, Ausgeglichenheit, Unternehmungslust, Widerstandskraft und Neubelebung finden. 4. Das Gebetsleben jedes Gläubigen und damit auch des Laien kann nicht auskom-men ohne die Teilnahme an der Liturgie, den Empfang des Sakraments der Versöhnung und vor allem ohne die Eucharistiefeier, wo die sakramentale Vereinigung mit Christus die Quelle jener Art wechselseitigen Einwohnens zwischen der Seele und Christus ist, die er selbst ankündigt: „Wer mein Heisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm” {Joh 6,56). Das eucharistische Mahl bietet jene geistliche Nahrung, die dazu befähigt, reiche Fracht zu bringen. Auch die Laienchristen sind deshalb zu einem intensiven eucharistischen Leben berufen und eingeladen. Die Teilnahme an der Sonntagsmesse soll für sie Quelle des spirituellen Lebens und Apostolats sein. Glücklich diejenigen, die sich über die Sonntagsmesse 212 A UD1ENZEN UND ANGELUS und Kommunion hinaus zum häufigeren Kommunionempfang hingezogen und gedrängt fühlen, der von so vielen Heiligen besonders in jüngerer Zeit empfohlen wird, wo das Laienapostolat sich immer mehr entfaltet hat. 5. Das Konzil will die Laien daran erinnern, daß die Vereinigung mit Christus alle Aspekte ihres irdischen Lebens miteinbeziehen kann und soll: „Weder die häuslichen Sorgen noch die anderen Aufgaben, die das Leben in der Welt stellt, dürfen außerhalb des Bereiches ihres geistlichen Lebens stehen gemäß dem Wort des Apostels: ,Was ihr auch tut in Wort und Werk, tut alles im Namen des Herrn Jesus Christus, und sagt Dank Gott und dem Vater durch ihn’(Ko/ 3,17)” (Apostolicam actuositatem, Nr. 4). Die ganze menschliche Tätigkeit erhält in Christus einen höheren Sinn. Hier eröffnet sich ein weiter und erhellender Ausblick auf die Bedeutung der irdischen Wirklichkeiten. Die Theologie hat das Positive all dessen hervorgehoben, was existiert und handelt durch die Teilhabe am Leben, an der Wahrheit, der Schönheit und am Guten, das Gott, „der Schöpfer und Herr des Himmels und der Erde” ist, das heißt des ganzen Universums und jeder kleinen oder großen Wirklichkeit, die zum Universum gehört. Es war eine der Grundthesen des Weltbildes des hl. Thomas (vgl. Summa Theologica, I, q.6, a.4; q.16, a.6; q.18, a.4; q.103, aa.5-6; q.105, a.5, usw.), das er auf dem Buch Genesis und vielen anderen biblischen Texten aufbaute und das die Wissenschaft mit den wunderbaren Forschungsergebnissen über den Mikro- und Makrokosmos weitgehend bestätigt: Alles hat eine eigene Identität, alles bewegt sich nach einer eigenen Bewegungsfähigkeit, aber alles weist auch auf die eigene Grenze, seine Abhängigkeit und seine ihm innewohnende Finalität hin. 6. Eine Spiritualität, gegründet auf dieser wahrheitsgemäßen Sicht der Dinge, ist offen für den unendlichen und ewigen Gott, der gesucht, geliebt, dem das ganze Leben lang gedient wird; der als das Licht entdeckt und erkannt wird, das die Ereignisse der Welt und der Geschichte erklärt. Der Glaube begründet und vervollkommnet diesen Geist der Wahrheit und Weisheit und ermöglicht es, das Bild Christi in allen, auch in den sogenannten „zeitlichen” Dingen zu sehen, die der Glaube und das Wissen in ihrer Beziehung zu Gott entdecken lassen, „denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir” (Apg 17,28; vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 4). Durch den Glauben erkennt man auch in der zeitüchen Ordnung die Verwirklichung des göttlichen Heilsplans der Liebe und im persönlichen Lebensverlauf die von Jesus offenbarte ständige Sorge des Vaters, das heißt das Eingreifen der Vorsehung als Antwort auf die Bitten und menschlichen Bedürfnisse (vgl. Mt, 6,25-34). Für die Laien setzt diese Glaubenssicht die Dinge des Alltags ins rechte Licht, im Guten wie im Bösen, in der Freude und im Schmerz, in der Arbeit und in der Ruhe, in der Reflexion und im Handeln. 7. Wenn der Glaube eine neue Sicht der Dinge bewirkt, schenkt die Hoffnung neue Kraft auch für den Einsatz in der zeitlichen Ordnung (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 4). So können die Laien bezeugen, daß die Spiritualität und das Apostolat 213 AUDIENZEN UND ANGELUS nicht das Bemühen um die Vervollkommnung der zeitlichen Ordnung lähmen. Zugleich zeigen sie die außerordentliche Höhe der Ziele, die sie verfolgen, und der Hoffnung, die sie beseelt und die sie auch den anderen mitteilen wollen. Es ist eine Hoffnung, die Leiden und Prüfungen nicht ausschließt, aber nicht trügen kann, weil sie im Ostergeheimnis, im Geheimnis des Kreuzes und der Auferstehung Christi, gründet. Die Laien wissen und bezeugen, daß die Teilhabe am Kreuzesopfer zur Mitbeteiligung an der vom verherrlichten Christus vermittelten Freude führt. So leuchtet in diesem Blick auf die äußeren und zeitlichen Güter die innere Gewißheit dessen auf, der sie sieht und unter Achtung ihrer eigenen Bestimmung als Mittel und Weg zur Vollkommenheit des ewigen Lebens behandelt. All das geschieht durch die Liebe, die der Heilige Geist in die Seele eingegossen hat (vgl. Röm 5,5), um sie schon auf Erden am Leben Gottes teilhaben zu lassen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Unsere Überlegungen über den Dienst der Laien wenden sich heute deren Spiritualität zu. Grundlage allen geistlichen Lebens ist eine doppelte Verbundenheit: die Gegenwart Christi in uns und unsere Gegenwart in Ihm. Diese muß im Gebet erfleht werden, das im Leben der einzelnen entscheidend für die Heiligung jeder Situation im Alltag ist. Aus der Kraft des Gebetes vermag der Gläubige in allen Bereichen seines Daseins, im Guten und im Bösen, in Freude und Schmerz, in Arbeit und Freizeit, in der Betrachtung und- im aktiven Handeln neue Kraft und Ermutigung zur Bewältigung seiner Aufgaben gewinnen. In dieser gegenseitigen Durchdringung von geistlichem und alltäglichem Leben vermögen die Laien deutlich zu machen, daß Spiritualität und apostolisches Wirken keineswegs das Bemühen um Vervollkommnung der irdischen Ordnung behindern. Es wird vielmehr deutlich, daß den äußerlichen und zeitlichen Dingen, mit denen wir umzugehen haben, trotz ihrer je eigenen Zweckbestimmung die Aufgabe innewohnt, uns der ewigen Vollendung entgegenzuführen. Mit dieser kurzen Betrachtung heiße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, sehr herzlich willkommen. Ich verbinde damit den Wunsch, Euer Besuch in Rom zu Beginn der Adventszeit möge Euer geistliches Leben vertiefen, verlebendigen und stärken. Dazu erteile ich Euch und allen Euren Lieben von Herzen meinen Apostolischen Segen. 214 AUDIENZEN UND ANGELUS Familie - Kernzelle der Gesellschaft Angelus am 2. Adventssonntag, 5. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!” (Mk 1,3). Diese Aufforderung Johannes des Täufers in der heutigen Liturgie ist mit der -frohen Ankündigung Gottes verbunden, der kommt. Der Vorläufer leitet den Höhepunkt der Heilsgeschichte ein. Gott, der „viele Male und auf vielerlei Weise ... einst zu den Vätern gesprochen (hat) durch die Propheten” (Hebr 1,1), ist jetzt im Begriff, sein endgültiges Wort zu sprechen durch den Sohn. Er kommt, um unter uns zu wohnen, uns „mit dem Heiligen Geist zu taufen” (vgl. Mk 1,8) und jeden von uns zu seiner Wohnung zu machen: „Wenn jemand mich hebt - sagt Jesus zu uns -, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn heben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen” (Joh 14,23). Die Umkehr, welche der Täufer von uns verlangt, ist wie die Aufforderung an die Juden seiner Zeit am Jordanufer von dieser Begegnung abhängig. 2. Der Ruf zur Umkehr berührt uns persönlich in unserem privaten und öffentlichen Verhalten. Auch hier sind Wege zu bereiten und Straßen zu ebnen. Und die Dringlichkeit ist heute größer denn je. Im Hinblick auf das bevorstehende Jahr der Familie möchte ich euch heute aber besonders auf die Institution Familie als besonderen „Weg des Herrn” hinweisen. Die Kirche hat der Welt vor zehn Jahren, im November 1983, eine „Charta der Familienrechte” vorgelegt. Sie ist auch heute noch voll gültig und zeitgemäß. Leider spürt auch die Familie immer mehr die moralische Krise, welche die gesamte Gesellschaft erfaßt hat. Aber was bliebe, wenn auch dieser Damm beim Verlust so vieler Grundwerte des Lebens einstürzte? Es besteht die Gefahr, daß das zu spät erkannt wird, vielleicht erst, wenn man dem „Schock” unsinniger Verhaltensweisen gegenübergestellt wird, von denen nicht einmal mehr die Jüngsten auszuschließen sind. Deshalb ist es notwendig, die „Wege Gottes” und besonders die „Straße Gottes” in der Familie wiederzuentdecken, um seinen Plan aufzunehmen, der aus ihr die Kern-Zelle der Gesellschaft macht, die erste und unersetzliche Liebesgemeinschaft. 3. Wir bitten Maria, mit ihrer Fürsprache unseren Vorsatz zur Umkehr zu unterstützen. In ihrem Mutterherzen stieß das Kommen des Herrn auf kein Hindernis. Ja, ihr Leben war der bevorzugte Weg, den Gott wählte, um unter uns zu kommen. Die seligste Jungfrau segne unsere Familien und helfe uns, die Straßen unseres Herzens zu ebnen in der aufrichtigen und tatkräftigen Erwartung Gottes, der kommt. 215 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet begrüßte der Papst die Pilger: Wahrscheinlich seid ihr auch gekommen, um zu sehen, ob es dem Papst besser geht. Deshalb möchte ich euch sagen, daß es ihm viel besser geht und er sich gut verhält, indem er den Weg des Advents geht, den Predigten Johannes’ des Täufers folgt und die Weisungen der Professoren und Ärzte befolgt ... So gehen wir gemeinsam auf Weihnachten zu, und die Krippe wird vorbereitet... Ich grüße alle und danke euch allen für eure Anwesenheit und eure Teilnahme am „Engel des Herm”-Gebet. Maria, Zeichen der Hoffnung und des Trostes Angelus am Fest der Immakulata, 8. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Tota pulchra es Maria! Ganz schön bist du, Maria! Das Fest der Unbefleckten Empfängnis lädt uns ein, die Herrlichkeit Gottes zu betrachten, die sich auf dem Antlitz der seligsten Jungfrau, der neuen Eva, der Mutter des Erlösers, widerspiegelt. In ihr verwirklicht sich voll der Plan Gottes, wie ihn uns der Apostel Paulus beschreibt: „Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heiüg und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus” (Eph 1,4-5). Der ewige Plan wurde durch die Erbsünde gestört, „wo jedoch die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden” (Röm 5,20). Im Ostergeheimnis wird uns die Freundschaft Gottes neu angeboten, und dem Menschen, der Christus aufnimmt, wird es ermöglicht, in ihm und durch ihn „Kind Gottes zu werden” (.Joh 1,12). Das ist, hebe Brüder und Schwestern, der Horizont, in den das heutige Fest eingefügt ist. Maria steht in der Mitte dieses Geheimnisses als erste der Erlösten, und die Kirche verehrt sie als „Unbefleckte”, das heißt als völlig frei von jedem Makel der Sünde, denn die Erlösung offenbart an ihr eine vorausgenommene und ständige Heilskraft. Dazu berufen, der „Schoß” für den Erlöser zu sein, wurde sie gleichsam von der göttlichen Fracht ihres Leibes durch jene Heilskraft geformt, die in der Voraussicht Gottes aus dem Opfertod Christi bereits ausgeht. So ist sie Mutter des Erlösers und Erstlingsfracht der Erlösten. 2. Mit besonderer Freude begrüße ich euch, hebe Pilger aus allen Teilen der Welt am heutigen Festtag unserer himmlischen Mutter. Die Immakulata betrachten heißt in Licht eintauchen. Und ihr Licht brauchen wir mehr denn je in unserer Zeit, die von so vielen Schwierigkeiten und Problemen gekennzeichnet ist. 216 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Immakulata ist die Ankündigung eines barmherzigen Gottes, der auch vor der Sünde seiner Kinder nicht kapituliert. Sie ist das Urbild, auf das die Kirche schaut, um immer mehr eine Gemeinschaft von Heiligen zu werden. Sie ist das „Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes” (Lumen Gentium, Nr. 68) für das Volk Gottes und die gesamte Menschheit, die sie mit mütterlicher Liebe begleitet. 3. Heilige Jungfrau, nimm an unsere kindlichen Gefühle heute. Sieh uns hier vor dir, mit unseren Lasten und unseren guten Vorsätzen. Blick auf alle Nationen der Welt, besonders auf jene, die vom Krieg verwüstet sind, und flöße unserer gepeinigten Menschheitsfamilie Gedanken und Empfindungen des Friedens ein. Schau auf die Jugendlichen und stärke in ihnen die Hoffnung, indem du sie zum Einsatz für den Aufbau einer besseren Welt bewegst. Blicke vor allem auf die Familien, während das ihnen gewidmete Jahr beginnt, damit sie im Plan Gottes den Sinn ihrer Sendung finden. Wir setzen unser volles Vertrauen in deine Fürsprache, „o gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria”. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Genau vor einem Jahr wurde der christlichen Gemeinschaft der Katechismus der Katholischen Kirche vorgestellt. Ich wollte es am Fest der Immakulata nicht nur deshalb tun, um ihn ihrem mütterlichen Segen anzuvertrauen, sondern damit gleichsam ihre fürsorglichen Hände ihn jedem Sohn und jeder Tochter der Kirche überreichten. Heute möchte ich ihr noch einmal dafür danken, indem ich ihrer Fürsprache die günstige Aufnahme zuschreibe, die er unter den Katholiken gefunden hat, und das weitreichende Interesse, das er in der öffentlichen Meinung geweckt hat. Ich hoffe lebhaft, daß die christliche Gemeinschaft sich nach der ersten Fühlungsnahme jetzt beharrlich der Vertiefung der Wahrheiten widmet, die in ihm vorgeschlagen werden als authentischer Ausdruck des Glaubens der Kirche, der von den Menschen unserer Zeit zu leben und ihnen zu verkündigen ist. Ich grüße herzlich die Mitglieder der Katholischen Aktion Roms, die einem schönen Brauch gemäß am heutigen Fest ihre Verpflichtung in der Vereinigung erneuern. Meine Lieben, ich rufe euch auf, in dem euch kennzeichnenden Stil der Treue und Zusammenarbeit die bei dieser Gelegenheit erneuerten Vorsätze christlichen Zeugnisses zu verwirklichen und insbesondere euren Dienst für die Anwendung der Beschlüsse der Diözesansynode anzubieten, damit ihr so zur Neuevangelisierung der Stadt Rom beitragt. Ich richte am Schluß einen herzlichen Gruß an den Präsidenten, Kardinal Andreas Maria Deskur, und an die Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Immakulata aus den Diözesen Como, Cuneo, Mailand und Venedig und an die Jugendgemeinschaft „Casa di Maria” von Rom. Ich ermutige euch, diesen geistlichen Weg hochherzig 217 A UDIENZEN UND ANGELUS weiterzugehen, indem ihr mit eurem Leben bezeugt, daß die Unbefleckte das Vorbild der vollen Freude ist für jeden Menschen auf der Suche nach dem wahren Glück. Einem Glück, das zu finden ist, wie Maria es getan hat, durch das herzliche Schenken seiner selbst an Gott und die Mitmenschen. Von Herzen segne ich euch alle. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich Euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher, am heutigen Fest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Möge die „Mutter aher Lebenden” unsere Fürsprecherin beim Herrn sein, damit wir in dieser Adventszeit ihm, der auf uns zukommt, die Wege bereiten und ihn mit reinem Herzen aufnehmen können. Dazu erteile ich Euch und Euren Lieben in der Heimat meinen Apostolischen Segen. Gebetstag für den Frieden auf den 23. Januar festgesetzt Angelus am 3. Adventssonntag, 12. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Liturgie vom 3. Adventssonntag steht uns Johannes den Täufer, den Vorläufer, als Zeugen des Lichtes vor (vgl. Joh 1,7-8). Er weist die Menschen auf Christus hin, „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet” (Joh 1,9). Die Sendung Johannes’ des Täufers setzt sich fort, ja vertieft sich in der Kirche, die berufen ist, jeder Generation Christus zu verkünden. Zum bevorstehenden Jahr der Familie möchte ich unterstreichen, daß diese Aufgabe in ganz besonderer Weise der christlichen Familie anvertraut ist. „Vor allem heute” - schrieb ich in Familiaris consortio - „hat die christliche Familie eine besondere Berufung, den Bund mit dem auferstandenen Herrn zu bezeugen, indem sie beständig die Freude erkennen läßt, die aus der Liebe entsteht, und die Gelassenheit, die aus der Hoffnung kommt, von der sie Rechenschaft geben soll” (Familiaris consortio, Nr. 52). In gewisser Weise ist jedoch jede Familie der Welt dazu berufen, „Zeugnis vom Licht” zu geben durch den Plan Gottes, der sie zum Heiligtum des Lebens, zum Ort der Aufnahme, der Hoffnung und der Solidarität macht. 2. Wenn wir an die erhabene Aufgabe der Familie erinnern, können wir nicht umhin, mit großer Besorgnis an die vielen Familien zu denken, die unter dem Krieg in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien zu leiden haben, wo der Konflikt weitertobt und eine gerechte und angemessene Beilegung leider nicht nahe scheint. Während ich die Verantwortlichen dieser Völker beschwöre, die Stimme der Waffen endlich zum Schweigen zu bringen, und die internationalen Behörden auffordere, jede weitere mögliche Anstrengung zu friedlicher und wirksamer Vermittlung zu 218 A UDIENZEN UND ANGELUS unternehmen, möchte ich die Glaubenden der ganzen Welt auffordem, von Gott das unschätzbare Geschenk des Friedens zu erflehen. Dies müssen wir beständig tun, ohne uns entmutigen zu lassen. Auch die Welt-Gebetswoche für die Einheit der Christen, die vom 18. bis 25. Januar stattfinden wird, soll für die Katholiken und die Brüder der anderen christlichen Konfessionen ein wichtiger Anlaß sein, um den leidgeprüften Volksgruppen von Bosnien-Herzegowina geistig nahe zu sein. Deshalb habe ich für Sonntag, den 23. Januar, einen besonderen Gebetstag festgesetzt, um von Gott den Frieden zu erflehen. Ich werde an diesem Tag hier in Rom die Eucharistie feiern und lade jetzt schon die ganze Kirche ein, sich mir anzuschließen und diesem Moment tiefen gemeinschaftlichen Gebets einen Fasttag vorausgehen zu lassen. Diese Einladung dehne ich auf jeden anderen Glaubenden und alle Menschen guten Willens aus. Der Herr, der uns auffordert, ihn mit einem vom Bemühen um Umkehr und brüderliche Gemeinschaft getragenen Glauben anzurufen, erhöre unsere Bitten und gewähre jener gequälten Region wie auch jedem anderen vom Drama des Krieges betroffenen Volk endlich den Frieden. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Schauen wir auf Maria, die Königin des Friedens. Betrachten wir Schwierigkeiten, welche die Familie von Nazaret bedrängten, die von Verfolgung und Gewalt bedroht war. Seligste Jungfrau, du hast im Glauben die schweren Stunden des Familienlebens durchgestanden, erbitte den Frieden für die vom Krieg heimgesuchten Nationen und hilf den Familien in der Welt, ihre unersetzliche Friedensmission zu erfüllen. Segnung der römischen Krippenfiguren Nach dem Angelusgebet segnete der Papst die vorwiegend von römischen Kindern mitgebrachten Krippenfiguren: Ich heiße euch besonders willkommen, hebe Kinder und Jugendliche, die ihr heute mittag auf dem Petersplatz versammelt seid anläßlich der traditionellen Segnung des „Jesuskindes” und der anderen Krippenfiguren. Ich begrüße herzlich die Kinder von Rom, die in der Mehrheit sind, aber auch die anderen, die mit den Jesuskindfiguren von weiter hergekommen sind, und grüße auch die Schüler des „Ravasco”-Instituts von Pescara. Das Gedächtnis der Geburt des Erlösers, das in diesen Tagen in den Familien besonders lebendig ist, sei für alle ein innerer Anruf, jene geistliche Atmosphäre zu schaffen, die der Feier des Weihnachtsfestes entspricht. Liebe Kinder, verweilt mit euren Familien an der Krippe und erneuert vor dem Jesuskind euren Vorsatz zur Güte und Hochherzigkeit. Bittet Jesus um das Geschenk des Friedens für die Welt und den Schutz für alle, die in Not sind. Von Herzen wünsche ich euch und euren Angehörigen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest, während ich euch voll Liebe segne zusammen mit den Figuren, die 219 AUDIENZEN UND ANGELUS ihr in eure Krippen stellt: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Die Teilhabe der Laien am Priestertum Christi Ansprache bei der Generalaudienz am 14. Dezember 1. In den vorhergegangenen Katechesen über die Laien haben wir mehrmals den Dienst zum Lobpreis Gottes und die anderen Kultaufgaben angedeutet, die den Laien zustehen. Heute wollen wir dieses Thema näher behandeln, ausgehend von den Texten des II. Vatikanischen Konzils, wo wir lesen: „Da der ewige Hohepriester Christus Jesus auch durch die Laien sein Zeugnis und seinen Dienst fortsetzen will, macht er sie durch seinen Geist lebendig und treibt sie unaufhörlich an zu jedem güten und vollkommenen Werk” (Lumen Gentium, Nr. 34). Unter diesem Antrieb des Heiligen Geistes entsteht in den Laien eine Teilhabe am Priestertum Christi in der Form, die wir seinerzeit als allgemein für die ganze Kirche bezeichnet haben und in der alle, auch die Laien, gerufen sind, Gott geistliche Verehrung zu erweisen. „Denen nämlich, die er mit seinem Leben und seiner Sendung innigst verbindet, gibt er (Christus) auch Anteil an seinem Priesteramt zur Ausübung eines geistlichen Kultes zur Verherrlichung Gottes und zum Heil der Menschen. Deshalb sind die Laien Christus geweiht und mit dem Heiligen Geist gesalbt und dadurch wunderbar dazu berufen und ausgerüstet, daß immer reichere Früchte des Geistes in ihnen hervorgebracht werden” (ebd.). 2. Wir sehen, daß das Konzil sich nicht darauf beschränkt, anzuerkennen, daß die Laien „des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig” sind {Lumen Gentium, Nr. 31), sondern klar sagt, daß Christus selbst die Ausübung seines Priestertums in ihrem Leben fortführt, wo sich deshalb die Teilhabe am allgemeinen Priestertum der Kirche im Auftrag und durch das Werk Christi, des ewigen und einzigen Hohenpriesters, vollzieht. Und weiter: Dieses priesterliehe Werk Christi an den Laien wird durch den Heiligen Geist vollbracht. Christus „macht sie durch seinen Geist lebendig”. Das hat Jesus verheißen, als er den Grundsatz verkündete, daß der Geist lebendig macht (vgl. Joh 6,63). Der, welcher am Pfmgsttag gesandt wurde, die Kirche zu bilden, hat die ständige Aufgabe, das Priestertum und die priesterliche Tätigkeit Christi in der Kirche auch in den Laien zu entwickeln, die durch die Taufe im vollen Sinn Glieder des Leibes Christi sind. Denn durch die Taufe beginnt die Gegenwart und priesterliche Wirksamkeit Christi in jedem Glied seines Leibes, in das der Heilige Geist die Gnade eingießt und das Merkmal einprägt, während er dem Glaubenden die Fähigkeit verleiht, an dem von Christus in der Kirche ausgeübten Gottesdienst zur Ehre des Vaters lebendig teilzuhaben. Bei der Firmung verleiht er den Gläubigen die Fähigkeit, sich als reife Menschen im Glauben einzusetzen im Dienst des Bezeugens 220 AUDIENZEN UND ANGELUS und in der Verbreitung des Evangeliums, der zur Sendung der Kirche gehört (vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologica, III, q.63, a.3; q.72, aa.5-6). 3. Durch diese Vermittlung seines Priestertums schenkt Christus allen seinen Gliedern, auch den Laien (vgl. Lumen Gentium, Nr. 34), die Fähigkeit, in ihrem Leben jenen Gottesdienst zu verwirklichen, den er selbst „den Vater anbeten ... im Geist und in der Wahrheit” nennt {Loh 4,23). Durch die Ausübung eines solchen Gottesdienstes hat der Gläubige, beseelt vom Heiligen Geist, am Opfer des menschgewordenen Wortes und an seiner Sendung als Hoherpriester und Welterlöser teil. Gemäß dem Konzil sind die Laien gerufen, in dieser transzendenten priesterlichen Wirklichkeit des Geheimnisses Christi ihr ganzes Leben als geistliches Opfer darzubringen und so mit der Kirche an der vom Erlöser unaufhörlich gewirkten Heiligung der Welt mitzuarbeiten. Das ist die hohe Sendung der Laien: „Es sind nämlich alle ihre Werke, Gebete und apostolischen Unternehmungen, ihr Ehe- und Familienleben, die tägliche Arbeit, die geistige und körperliche Erholung, wenn sie im Geist getan werden, aber auch die Lasten des Lebens, wenn sie geduldig ertragen werden, ,geistige Opfer, wohlgefällig vor Gott durch Jesus Christus’ (7 Petr 2,5). Bei der Feier der Eucharistie werden sie mit der Darbringung des Herrenleibes dem Vater in Ehrfurcht dargeboten. So weihen auch die Laien, überall Anbeter in heiligem Tun, die Welt selbst Gott” (Lumen Gentium, Nr. 34; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 901). 4. Der geistüche Kult bringt eine Teilhabe der Laien an der Eucharistiefeier mit sich, dem Kern der ganzen Ökonomie der Beziehungen zwischen den Menschen und Gott in der Kirche. In diesem Sinn nehmen die Laien teil „am priesterlichen Amt Christi, durch das Jesus sich selbst am Kreuz geopfert hat und sich in der Feier der Eucharistie ständig neu für die Verherrlichung des Vaters und für das Heil der Menschheit darbringt” (Christifideles laici, Nr. 14). In der Eucharistiefeier haben die Laien aktiv teil durch die Darbringung ihrer selbst in Einheit mit Christus, dem Priester und Opfer; und diese ihre Darbringung hat kirchliche Bedeutung kraft des Taufpräge-mals, das sie befähigt, Gott durch Christus und in der Kirche den offiziellen Gottesdienst der christlichen Religion darzubringen (vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologica III, a.63, a.3). Die sakramentale Teilhabe am eucharistischen Mahl regt ihre Opfergabe an und vervollkommnet sie, indem sie ihnen die sakramentale Gnade eingießt und hilft, entsprechend den Anforderungen des mit Christus und der Kirche vollbrachten Opfers zu leben und wirken. 5. Hier müssen wir die Bedeutung der von der Kirche vorgeschriebenen Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier hervorheben. Sie ist für alle der höchste Akt des Gottesdienstes in der Ausübung des allgemeinen Priestertums, wie es das sakramentale Meßopfer in der Ausübung des priesterlichen Dienstes für die Priester ist. Die Teilnahme am eucharistischen Mahl ist für alle eine Voraussetzung zur lebendigen Vereinigung mit Christus, wie er selbst gesagt hat: „Wenn ihr das Fleisch 221 AUDIENZEN UND ANGELUS des Menschensohnes nicht eßt und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch” (Joh 6,53). Der Katechismus der Katholischen Kirche ruft allen Gläubigen die Bedeutung der sonntäglichen Teilnahme an der Eucharistie in Erinnerung (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 2181-2182). Hier möchte ich schließen mit den bekannten Worten aus dem ersten Petrusbrief, welche die Rolle der Laien umschreiben, die am kirchlichen eucharistischen Geheimnis teilhaben: „Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen” {1 Petr 2,5). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ausgangspunkt unserer heutigen Katechese über die Teilhabe der Laien am prie-sterlichen Dienst Christi soll eine Aussage des Konzils sein, wo es heißt: „Da der ewige Hohepriester Christus Jesus auch durch die Laien sein Zeugnis und seinen Dienst förtsetzen will, macht er sie durch seinen Geist lebendig und treibt- sie unaufhörlich an zu jedem guten und vollkommenen Werk” (Lumen Gentium, Nr. 34). Im Heiligen Geist gewinnen die Laien Teilhabe am Priestertum Christi in einer Form, die allen Gliedern der Kirche gemeinsam ist und wonach auch die Laien berufen sind, Gott gegenüber den geistlichen Kult auszuüben. Das Konzil spricht den Laien Teilhaftigkeit am „priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi zu” {Lumen Gentium, Nr. 31) und stellt fest, daß Christus selbst durch sein Priestertum in ihrem Leben wirkt. Durch die Kraft des Heiligen Geistes verleiht Christus allen Gliedern der Kirche die Fähigkeit, in ihrem Leben zu verwirklichen, was er selbst „den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten” {Joh 4,22) nannte. Der geistliche Kult beinhaltet eine Teilhabe der Laien an der eucharistischen Feier, dem Mittelpunkt der Beziehungen zwischen Gott und den Menschen in der Kirche. So erinnert der Katechismus. der Katholischen Kirche alle Gläubigen an die Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 2181-2182). Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Zum bevorstehenden Weihnachtsfest erbitte ich den Glauben, die Liebe und die Offenheit des Herzens, die euch ein neues Verstehen des tiefen Inhaltes von Weihnachten und Epiphanie schenken möge, das mehr erfahren läßt als äußere Wahrnehmung. Euch allen und Euren Lieben daheim erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 222 AUDIENZEN UND ANGELUS Menschliche Natur und unsterbliche Seele Angelus am 4. Adventssonntag, 19. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wenige Tage vor Weihnachten legt uns die Liturgie wieder den bekannten und eindrucksvollen Dialog der Verkündigung vor, wo der Engel Gabriel vor den Augen Marias das Geheimnis der Menschwerdung enthüllt: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben” (Lk 1,31). Im Schoß der Jungfrau wird der Sohn Gottes Mensch. Vom ersten Augenblick der Empfängnis an macht sich das ewige Ich des Wortes, von Ewigkeit her mit dem Vater im Dialog in erhabener dreifältiger Gemeinschaft, die menschliche Natur zu eigen, die sich im unbefleckten Leib der Mutter entwickelt. Diese tiefe Einheit der Mensch- und Gottheit in der Person des Wortes erlaubt es der Kirche, Maria „Theotökos”: Mutter Gottes, zu nennen. Maria ist wirklich, wie der Engel sagt, „die Begnadete”. 2. Die Empfängnis des Sohnes Gottes in ihrem Schoß ist gewiß ein einmaliges und unwiederholbares Ereignis. Aber es wirft indirekt auch Licht auf die Würde des Menschen, jedes einzelnen Menschen, vom Augenblick seiner Empfängnis im Mutterschoß an. Während wir uns vorbereiten, das Jahr der Familie zu feiern, das genau am nächsten Sonntag, 26. Dezember, dem Fest der heiligen Familie, beginnt, möchte ich gern noch weiter über dieses große Geheimnis nachdenken. Bei der Empfängnis eines Menschen steht man nicht nur vor einer biologischen Tatsache, sondern vor dem Augenblick des Entstehens eines menschlichen Lebens. Denn die Wissenschaft zeigt, daß in der empfangen Leibesfrucht „vom ersten Augenblick an das Programm feststeht, was dieses Lebewesen sein wird: ein Mensch, dieser individuelle Mensch mit seinen charakteristischen und schon bestimmten Eigenschaften” (Kongregation der Glaubenslehre: Erklärung über den Schwangerschaftsabbruch, Nr. 13: AAS 66 (1974) 738). Aus dieser embryonalen Existenz ergibt sich eine fortschreitende und organische Entwicklung bis zur vollen körperlichen und geistigen Reife. Diese offensichtliche Ausrichtung des Embryos auf die Zukunft hin erlaubt es nicht, ihn als reine biologische Materie zu behandeln, denn im göttlichen Plan über den Menschen wird die im Mutterschoß empfangene genaue biologische „Individualität” auch von der allmächtigen Liebe Gottes empfangen, die eingreift, um sie mit einer unsterblichen Seele auszustatten. Letztere ist in der Tat als Ursprung der Person unmittelbar von Gott geschaffen (vgl. Pius XII., Humani generis, DS 3896). Daraus folgt, daß man dem Menschenwesen, das äußerst hinfällig und von der Wärme des Mutterschoßes wie auch von der schöpferischen Liebe Gottes umhüllt ist, die jeder menschlichen Person gebührende Achtung zollen muß. 223 AUDIENZEN UND ANGELUS Meditation vor dem Angelus Heilige Jungfrau, du hast wie keine andere Frau in der Welt das höchste Geheimnis der Mutterschaft gelebt. Während der Glaube dich für das Wort des Herrn empfänglich machte, gab dein Leib fruchtbaren Raum für seine Menschwerdung. Mutter, führe uns zu einer immer tieferen Wahrnehmung der Würde jedes Menschen. Gib, daß sich ihrer vor allem die Männer und Frauen, welche die hohe Berufung der Vater- und Mutterschaft erhalten, klar bewußt werden, damit sie immer „Heiligtum des Lebens” seien durch das Wunder der Zeugung, das Gott der Wahrhaftigkeit ihrer treuen Liebe und ihrer wachsamen Verantwortlichkeit anvertraut hat. Weihnachten gibt dem Menschen Lebenssinn Ansprache bei der Generalaudienz am 22. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir stehen wieder kurz vor Weihnachten, dem liturgischen Fest, das die Geburt des göttlichen Erlösers in Erinnerung ruft und unsere Herzen mit Freude und Frieden erfüllt. Das herkömmliche Datum ist bekanntlich der 25. Dezember. Im heidnischen Altertum feierte man an diesem Tag das Fest „Natalis Solis Invicti” im Anschluß an die Wintersonnenwende. Den Christen schien es folgerichtig und natürlich, dieses Fest durch die Feier der einen und wahren „Sonne”, Jesu Christi, zu ersetzen, die über der Erde aufgegangen ist, um den Menschen das Licht der Wahrheit zu bringen. Mit außerordentlicher Freude und nach intensiver Vorbereitung im. Advent und durch die besondere Novene gedenken die Gläubigen seit damals des Ereignisses der Menschwerdung des Sohnes Gottes. Papst Leo der Große (440-461) sagte in einer seiner vielen und herrlichen Weihnachtspredigten: „Laßt uns frohlocken im Herrn, laßt uns im Geiste vor Freude jauchzen; denn erschienen ist der Tag, der uns neue Erlösung bringt, auf den die alten Zeiten hinwiesen, und der uns ewiges Glück beschert! Kehrt doch alljährlich das Geheimnis unseres Heiles wieder, jenes Geheimnis, das von Anfang an verheißen wurde, am Ende der festgesetzten Zeit in Erfüllung ging und endlos dauern soll” (Sermo XXII, Zweite Predigt auf Weihnachten, Band I, München 1927, Bibliothek der Kirchenväter). 2. Liebe Brüder und Schwestern! Es handelt sich nicht um eine Freude, die nur mit dem Zauber eines geheimnisvollen und bewegenden Datums verbunden ist. Sie entspringt vielmehr einer übernatürlichen und geschichtlichen Wirklichkeit: Der Gott des Lichtes, bei dem es, wie der hl. Jakobus schreibt, „keine Veränderung und keine Verfinsterung gibt” {Jak 1,17), wollte Mensch werden, indem er „die menschliche Natur” annahm. Um die Menschheit zu retten, wurde in Betlehem aus der seligsten Jungfrau Maria unser Erlöser geboren! 224 A UDIENZEN UND ANGELUS Im Prolog seines Evangeliums erläutert der hl. Johannes eingehend dieses einmalige und überwältigende Ereignis: „Im Anfang war das Wort ... In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen ... Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden ... Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt...” (Loh 1,1.4.12.14). Wir kennen so mit Gewißheit den Beweggrund und die Zielsetzung der Menschwerdung: Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, um uns das Licht der Heilswahrheit zu offenbaren und uns das göttliche Leben selbst zu vermitteln, indem wir Adoptivkinder Gottes und seine Geschwister werden. Auf diese Grundwahrheit kommt der hl. Paulus oft in seinen Briefen zurück. An die Galater schreibt er: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt ... damit wir die Sohnschaft erlangen” (Gal 4,4). Und weiter: „Ihr seid alle durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus” (Gal 3,26). Im Brief an die Römer weist er dann auf die logischen, aber auch anspruchsvollen Folgerungen dieser Tatsache hin: „Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden” (Röm 8,17). Gott ist Mensch geworden, um uns in Jesus an seinem göttlichen Leben und dann an seiner ewigen Herrlichkeit teilhaben zu lassen! Das ist die wahre Bedeutung von Weihnachten und damit unserer mystischen Freude. Und das war gerade die Verkündigung des Engels an die Hirten, die über den Lichtglanz erschraken, der sie in der Nacht überrascht hatte: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr” (Lk 2,10-11). 3. Liebe Brüder und Schwestern! Weihnachten ist das göttliche Licht, das dem Leben des Einzelnen und der Menschheitsgeschichte Wert und Sinn verleiht. Dabei kommen mir die Worte in den Sinn, die Papst Paul VI. während seines historischen Besuches in Betlehem gesprochen hat: „Wir bringen das demütige, bange, aber volle und frohe Bekenntnis unseres Glaubens, unserer Hoffnung und unserer Liebe zum Ausdmck. Wir wiederholen ihm gegenüber feierlich das Bekenntnis des Petrus, als sei es unser eigenes: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes {Mt 16,16).” Und Paul VI. sagte weiter: „Wh wissen, daß der Mensch heftige Zweifel hegt. Wh wissen, daß in seinem Herzen viel Dunkelheit, viel Leid herrscht. Wh haben ein Wort zu sagen, das wh für entscheidend halten. Und um so mehr wagen wh, es anzubieten, denn es ist menschlich. Es ist das eines Menschen an den Menschen. Christus, den wir der Menschheit bringen, ist der ,Menschensohn’: So nannte er sich selbst. Er ist der Erstgeborene, das Urbild der neuen Menschheit, der Bruder, der Kollege, der Freund schlechthin. Er ist der, von dem allein man wahrhaftig sagen konnte, daß ,er wußte, was im Menschen ist’ {Joh 2,25). Ja, er ist der Gesandte Gottes, aber nicht um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten (vgl. Joh 3,17)” {Insegnamenti di Paolo VI, II, 1964, S. 29-33). 225 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Liebe Brüder und Schwestern! Mit den Augen Gottes, die voll Vertrauen und Liebe’ sind, unser Leben betrachten: Ist das nicht die Aufgabe, die uns auch an Weihnachten 1993 gestellt wird? Jesus wird in der Armut von Betlehem geboren, um unsere ganze Menschheit zu umfassen. Jesus kommt auch in diesem Jahr zu uns, um das geheimnisvolle Wunder der Erlösung zu erneuern, die allen Menschen und dem ganzen Menschen geboten wird. Seine Gnade wirkt still im Innern der einzelnen Seelen, denn die Erlösung ist hauptsächlich ein Dialog des Glaubens und der Liebe mit Christus, der im Geheimnis der Menschwerdung angebetet wird. Nehmen wir diese Botschaft als das wahre Weihnachtsgeschenk an. Mit Maria und Josef vor dem Jesuskind kniend, bereiten wir uns darauf vor, das Jahr der Familie zu beginnen. Wir richten unser inniges Gebet an den Allerhöchsten, um Treue und Eintracht für alle Familien zu erbitten, die heute so sehr von den falschen Propheten der hedonistischen und materialistischen Kultur bedroht sind. Möge Weihnachten für jeden heimischen Herd ein Anlaß zu Freude und Trost sein. Mögen die christlichen Familien, indem sie sich am Beispiel der Heiligen Familie inspirieren, die Botschaft der für das Leben offenen Liebe ausstrahlen und so die Hoffnung auf eine bessere Zukunft stärken. Mit diesen Empfindungen wünsche ich euch allen und euren Lieben gesegnete Weihnachten! In deutscher Sprache sagte der Papst: Wir stehen wiederum vor Weihnachten und gedenken mit von Freude erfülltem Herzen der Geburt des göttlichen Erlösers. Dabei geht es nicht um eine an den Zauber eines geheimnisvollen Datums gebundene Freude. Sie entspringt vielmehr einer ebenso übernatürlichen wie auch geschichtlichen Wirklichkeit: Der Gott des Lichtes, „bei dem es keine Veränderung und keine Verfinsterung gibt” {Jak 1,17), hat Reisch werden wollen, indem er die menschliche Natur annahm. Johannes verkündet im Prolog seines Evangeliums: „Im Anfang war das Wort .. in Ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen ... Und das Wort ist Heisch geworden und hat unter uns gewohnt” {Joh 1,1.4.14). Der Grund für die Menschwerdung ist demnach: Gottes Sohn hat Heisch angenommen, um uns das Licht der heilbringenden Wahrheit zu offenbaren und uns sein göttliches Leben zu schenken, indem Er uns in Christus seiner göttlichen Natur und seiner ewigen Herrlichkeit teilhaftig werden zu lassen. Das ist die wahre Bedeutung von Weihnachten und daher auch der Anlaß unserer tiefen Freude. Davon sprach auch der Engel zu den Hirten: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr” (Lk 2,10-11). Jesus wurde in der Armut von Bethlehem geboren, um unser ganzes Menschsein mit uns zu teilen. Er kommt auch jetzt zu uns, um das unfaßbare Wunder seines Heiles zu erneuern, das er allen Menschen und einem jeden von uns schenken will. 226 AUDIENZEN UND ANGELUS Liebe Schwestern und Brüder! Möge unsere Teilhabe an der Menschenfreundlichkeit Gottes, die in Christus erschienen ist, unseren Glauben neu beleben und uns befähigen, sie an die Mitmenschen weitergeben zu können. Dies erbitte ich Euch, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die Euch in der wahren Weihnachtsfreude verbunden sind. Dazu erteile ich Euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Frieden und Eintracht für Algerien Aus Algerien erreichen uns ständig traurige Nachrichten über Ermordungen Unschuldiger, Drohungen, schwere Spannungen und als Folge tiefe Verwirrungen für die katholische Gemeinde am Ort. Man kann nicht umhin, solche Verbrechen zu beklagen. Im konkreten Fall scheinen sie auch Ausdruck der Feindseligkeit Glaubenden gegenüber zu sein: den Christgläubigen gegenüber, die dennoch immer an den einen barmherzigen Gott und Schöpfer, den Gott Abrahams, glauben. Wir alle wollen daran denken, daß die Urheber solcher Verbrechen nicht von religiösen Beweggründen geleitet werden. Wenn es so wäre, erschwerten sie in starkem Maß den Glaubensweg vieler Menschen. Gleichzeitig möchte ich den Bischöfen von Algerien, allen Priestern, Ordensleuten und Gläubigen meine geistliche Nähe und hebevolle Teilnahme in diesem Augenblick schmerzlicher Prüfung zum Ausdruck bringen. Gott erhöre die Gebete so vieler Christen und Muslime und gewähre dem ganzen algerischen Volk, daß es Frieden und Eintracht wiederfinde. Bosnien-Herzegowina die Entbehrungen des Winters ersparen Heute findet in Brüssel durch die Vermittlung der Europäischen Union eine wichtige Konferenz statt mit dem Ziel, den Zugang der humanitären Hilfstransporte für die Bevölkerung von Bosnien-Herzegovina zu erleichtern und dem dramatischen Konflikt ein Ende zu setzen, der dort schon allzulange wütet. Ich wünsche, daß die Vertreter der beteiligten Parteien vor allem das wahre Wohl der Bevölkerung berücksichtigen und sich bewußt um einen konstruktiven Dialog bemühen. Ich hoffe, daß man endüch und so bald wie möglich zu einer von allen respektierten tatsächlichen Feuereinstellung gelangt und damit der von so vielen Prüfungen erschöpften Bevölkerung die Entbehrungen und Leiden eines neuen Winters erspart bleiben. Zum bevorstehenden Weihnachtsfest erflehen wir von Gott, der die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8), das Geschenk eines gerechten und dauerhaften Friedens. 227 A UDIENZEN UND ANGELUS Die Familie gründet auf der unauflöslichen Ehe Angelus am Fest der Heiligen Familie, 26. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit der Eucharistiefeier unter dem Vorsitz des Päpstüchen Legaten in Nazaret eröffnet die Kirche heute das Jahr der Familie und lädt alle ihre Kinder zum Gebet und zum Nachdenken ein. Sie tut es im Einklang mit der Initiative, die von der Organisation der Vereinten Nationen ausgegangen ist. Das Fest der Heiligen Familie, das heute begangen wird, ist ein besonders geeigneter liturgischer Anlaß für den Beginn dieses Jahres. Und tiefe Bedeutung hat auch die Wahl Nazarets als Eröffnungsort. Denn dort bei der Verkündigung „ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt” (Joh 1,14). Indem er unter dem liebevollen Blick der seligsten Jungfrau und des hl. Josef lebte, verlieh Christus der Familie besonderen Wert und heiligte sie. Vor beinahe genau dreißig Jahren, am 5. Januar 1964, lehrte mein verehrter Vorgänger Paul VI. von der Verkündigungsbasilika in Nazaret aus eine eindrucksvolle Meditation, die noch immer von brennender Aktualität ist. Er stellte Nazaret als Schule des Evangeliums und Schule des Familienlebens vor: „Nazaret lehre uns - so sagte er -, was die Familie ist, ihre Liebesgemeinschaft, ihre einfache und schlichte Schönheit, ihr heiliger und unveräußerlicher Charakter. Wir lernen von Nazaret, wie hebevoll und unersetzlich die Erziehung ist, die man dort erhält. Wir lernen, was ihre vorrangige Rolle auf sozialer Ebene ist” (Insegnamenti di Paolo VI, II, 1964, S. 25). 2. Liebe Brüder und Schwestern, es ist dringender denn je, daß wir die Bedeutung der Familie als Gemeinschaft wiederentdecken, die auf der unauflöslichen Ehe eines Mannes und einer Frau gründet, die ihr Dasein in der Liebe vereinen und sich dem Geschenk des Lebens öffnen; und daß wir die Familie als Lebensbereich wiederentdecken, wo jedes Kind, das auf die Welt kommt, vom Augenblick seiner Empfängnis an voll Liebe und Dankbarkeit aufgenommen wird und all das findet, was es braucht, um unbeschwert heranzuwachsen, wie das Evangelium von Jesus sagt: „Seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen” (Lk 2,52). Die Wiederentdeckung dieses ursprünglichen göttlichen Plans ist von entscheidender Bedeutung angesichts der epochalen Krise, welche die Menschheit von heute durchmacht. Die Zukunft hängt zum Großteil von der Familie ab! Sie „trägt - wie ich in der Botschaft zum kommenden Weltfriedenstag geschrieben habe - die Zukunft der Gesellschaft in sich; es ist ihre ganz besondere Aufgabe, wirksam zu einer friedlichen Zukunft beizutragen” (Nr. 2). 3. Wir vertrauen dieses Jahr der Familie der Fürsprache der Jungfrau von Nazaret an. 228 AUDIENZEN UND'ANGELUS Möge es ein Jahr der Gnade sein, das zur Festigung dieses Grundwertes führt. Möge es ein Jahr des Segens für alle Familien sein, möge es Trost und Ermutigung all denen bringen, die in einer Situation der Krise und Schwierigkeiten leben. Möge jede Familie der Welt in Wahrheit wiederholen, was der Psalmist bekräftigt: „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen” (Ps 133,1) Jahr des Gebetes und der Katechese für die Familien Ansprache bei der Generalaudienz am 29. Dezember 1. Am vergangenen Sonntag, dem liturgischen Fest der Heiligen Familie, hat die Kirche das Jahr der Familie eröffnet im Einklang mit der Initiative, die von der Organisation der Vereinten Nationen unternommen wurde. Die kirchliche Eröffnung dieses Jahres geschah mit der Eucharistiefeier des Päpstlichen Legaten in Nazaret. Denn das Jahr der Familie soll vor allem ein Jahr des Gebetes sein, um vom Herrn Gnade und Segen für alle Familien der Welt zu erflehen. Aber die Hilfe, um die wir den Herrn bitten, setzt wie immer unser Bemühen voraus und erfordert unsere Antwort. Wir müssen deshalb das Wort Gottes hören, indem wir dieses Jahr als eine bevorzugte Gelegenheit zu einer Katechese über die Familie nutzen, die in den in aller Welt verstreuten Ortskirchen systematisch durchgeführt wird, um den christlichen Familien Gelegenheit zur Reflexion zu bieten, die ihnen helfen soll, sich ihrer Berufung immer mehr bewußt zu werden. In der heutigen Katechese möchte ich deshalb einige Meditationsanstöße geben, die verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift entnommen sind. 2. Das erste Thema wird uns vom Matthäusevangelium (2,13-23) angeboten und betrifft die Bedrohung, welcher die Heilige Familie fast unmittelbar nach der Geburt Jesu ausgesetzt ist. Die unbegründete Gewalt, die ihr Leben bedroht, bricht auch über viele andere Familien herein und bewirkt den Tod der Unschuldigen Kinder, deren Gedenktag wir gestern begangen haben. Indem sie dieser vom Sohn Gottes und seinen Altersgenossen erduldeten schweren Prüfung gedenkt, fühlt sich die Kirche aufgerufen, für alle Familien zu beten, die von innen oder außen bedroht werden. Sie betet insbesondere für die Eltern, deren große Verantwortung vor allem das Lukasevangelium herausstellt. Gott vertraut in der Tat seinen Sohn Maria an und beide zusammen Josef. Es ist notwendig, für alle Mütter und Väter zu beten, damit sie ihrer Berufung treu bleiben und sich des Vertrauens würdig erweisen, das Gott in sie setzt, indem er Kinder ihrer Sorge anvertraut. 3. Ein anderes Thema ist das der Familie als Ort, wo die Berufung heranreift. Wir können diesen Aspekt in der Antwort Jesu an Maria und Josef sehen, als sie ihn angstvoll suchten, während er sich mit den Lehrern im Tempel von Jerusalem un- 229 AUDIENZEN UND ANGELUS terhielt. Er sagte zu ihnen: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?” (Lk 2,49). In dem Brief, den ich’ 1985 an die Jugend der Welt anläßlich des Weltjugendtages gerichtet hatte, versuchte ich herauszustellen, wie wertvoll dieses Lebensprogramm ist, das jeder junge Mensch gerade in seiner Jugend sich bemühen muß, auszuarbeiten. Wie der zwölfjährige Jesus sich dem gewidmet hat, „was dem Vater gehört”, so ist jeder gerufen, sich die Frage zu stellen: Was ist das, „was dem Vater gehört” und wo ich mein ganzes Leben einsetzen soll? 4. Weitere mit der Berufung der Familie verknüpfte Aspekte werden von den apostolischen Weisungen erläutert, die sich zum Beispiel in den Briefen an die Epheser und an die Kolosser finden. Die Familie ist für die Apostel wie auch später für die Kirchenväter die „Hauskirche”. Dieser Tradition folgt Papst Paul VI. in seiner wunderbaren Homilie über Nazaret und über das Beispiel, das uns von der Heiligen Familie gegeben wird: „Nazaret lehrt uns, was die Familie ist, was ihre Liebesge-meinschaft ist, ihre einfache und schlichte Schönheit, ihr heiliger und unveräußerlicher Charakter ...” (Insegnamenti di Paolo VI, II, 1964, S. 25). 5. Von Anfang an richtet also die Kirche ihr geschriebenes Wort an die Familien, und ich selbst will diesen Spuren folgen, indem ich einen Brief zum Jahr der Familie vorbereite; er wird in Kürze veröffentlicht. Die Heilige Familie von Nazaret ist für uns eine ständige Herausforderung, die uns dazu verpflichtet, das Geheimnis der „Hauskirche” und jeder menschlichen Familie zu vertiefen. Sie ist für uns der Antrieb, für die Familien und mit den Familien zu beten und mit ihnen all das zu teilen, was für sie Freude und Hoffnung, Sorge und Angst bedeuten kann. 6. Deshalb ist die Familie dazu berufen, im christlichen Leben Inhalt einer täglichen Opferung zu werden, gleichsam eine heilige Opfergabe, ein Gott wohlgefälliges Opfer (vgl. 1 Petr 2,5; Röm 12,1). Das legt uns auch das Evangelium von der Darstellung Jesu im Tempel nahe. Jesus, der „das Licht der Welt” {.loh 8,12), aber auch „Zeichen des Widerspruchs” {Lk 2,34) ist, will diese Opferung jeder Familie annehmen, wie er Brot und Wein in der Eucharistie annimmt. Diese menschlichen Freuden und Hoffnungen, aber auch die mit dem Familienleben verbundenen unausweichlichen Leiden und Sorgen will er mit dem Brot und Wein vereinen, die zur Transsubstantiation bestimmt sind, und so in gewisser Weise in das Geheimnis seines Leibes und Blutes hineinnehmen. Diesen Leib und dieses Blut schenkt er dann in der Kommunion als geistliche Kraftquelle nicht nur für jeden einzelnen Menschen, sondern auch für jede Familie. 7. Die Heilige Familie von Nazaret führe uns zu einem immer tieferen Verständnis der Berufung jeder Familie, die in Christus die Quelle ihrer Würde und ihrer Heiligkeit findet. In der Weihnacht ist Gott dem Menschen begegnet und hat ihn unauflöslich mit sich verbunden: Diese „wunderbare Gemeinschaft” schließt auch die „Familiengemeinschaft” mit ein. 230 AUDIENZEN UND ANGELUS Während die Kirche diese Wirklichkeit betrachtet, beugt sie die Knie wie vor einem „großen Geheimnis” (vgl. Eph 5,32): Sie sieht in dem Gemeinschaftsleben, zu dem die Familie berufen ist, einen Widerschein der dreifältigen Gemeinschaft in der Zeit und weiß wohl, daß die christliche Ehe nicht nur eine natürliche Realität, sondern auch das Sakrament der bräutlichen Verbundenheit Christi mit seiner Kirche ist. Das II. Vatikanische Konzil hat uns aufgefordert, diese hohe Würde der Familie und Ehe zu fördern. Glücklich die Familien, die diesen ursprünglichen und wunderbaren Plan Gottes annehmen und verwirklichen, indem sie den von Christus gewiesenen Weg gehen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Am vergangenen Sonntag, an dem wir die liturgische Feier des Festes der Heftigen Familie begangen haben, hat das Jahr der Familie begonnen, das die Kirche gleichzeitig mit einer ähnlichen, von den Vereinten Nationen durchgeführten Initiative ausgerufen hat. Zum Auftakt dieses Jahres hat der Päpstliche Gesandte in Nazaret einen Gottesdienst gefeiert, um deutlich zu machen, daß es - auf dem Hintergrund des Beispiels der Heiligen Familie - in erster Linie ein Jahr des Gebets sein soll, um den Herrn um seine Gnade und seinen Segen für alle Familien der Welt zu bitten. Dieses Jahr soll darüber hinaus in allen Teilen der Kirche dazu einladen, den Familien Hilfen anzubieten, sich ihrer eigenen Bedeutung und Sendung für Kirche und Welt bewußt zu werden. Wenn wir heute einige Aspekte herausgreifen, so müssen wir zunächst auf die vielfältigen inneren und äußeren Bedrohungen für die Familie hinweisen. Beten wir für alle Väter und Mütter, daß sie sich ihrer Berufung bewußt seien und sich des von Gott in sie gesetzten Vertrauens würdig erweisen, der ihre Kinder ihrer Herzenssorge anvertraut hat. Erwähnt sei ebenso die Rolle der Familie für das Heranreifen von Berufungen. Diese Bedeutung für das geistliche Leben klingt in den Worten Jesu an, wenn er als Zwölfjähriger im Tempel zu seinen Eltern sagt: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?” (Lk 2,49). Die Heftige Familie von Nazaret stellt für uns also in mancherlei Hinsicht eine dauernde Herausforderung dar, die uns einladen sollte, den Charakter einer „Hauskirche”, den jede Familie auszeichnet, näher zu betrachten und zu vertiefen. Mit diesen Überlegungen grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Ich begrüße jeden einzelnen wie auch die anwesenden Familien und Gruppen, vor allem jene, die sich im gemeinschaftlichen Gebet, in der Liturgie oder im privaten Rahmen dem Gotteslob widmen und vom Herrn Frieden erbitten für die Menschen und Völker dieser Erde. Euch allen gelten meine besten Wünsche für das kommende Jahr. Dazu erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. 231 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen REISEN 1. Gebetstag für den Frieden in Europa in Assisi (9./10. Januar) Den Kriegen und Konflikten wollen wir unsere Eintracht entgegensetzen Ansprache in Assisi zur Eröffnung des Gebetstreffens für den Frieden in Europa am 9. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt, hebe Vertreter der christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, hebe Vertreter des Judentums und des Islams, hebe Brüder und Schwestern, alle, die ihr bei dieser feierhchen Gebetswache für den Frieden anwesend seid oder uns über Radio oder Fernsehen folgt: Frieden vom Gott Abrahams, vom großen und barmherzigen Gott, von Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, vom „Gott des Friedens” (vgl. Röm 15,33), dessen Name „Frieden” lautet (vgl. Eph 2,14). 1. Zu Beginn dieser unserer Begegnung möchte ich zunächst alle Anwesenden herzlich willkommen heißen. Ihr wolltet dem Aufruf entsprechen, den ich zusammen mit den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Europas an die europäischen Bischöfe, an die christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften des Kontinents, aber auch an die Vorsteher der jüdischen und muslimischen Gemeinschaften des gleichen Kontinents gerichtet hatte, damit wir uns in dieser gesegneten Stadt Assisi treffen und über den Frieden in Europa, zumal auf dem Balkan, nachdenken und beten. Nun aber sind wir hier, gedrängt von der gemeinsamen Sorge um ein so grundlegendes Gut für die Menschheit. Wir sind hier versammelt, um dem Herrn der Geschichte unsere Bitten vorzutragen, jeder in seiner Weise und gemäß der eigenen religiösen Tradition, um von Ihm das kostbare Gut des Friedens zu erbitten, das allein Er uns schenken kann. Wir Christen werden gemeinsam in einem zweiten Teil dieser Gebetswache in der Oberkirche des hl. Franziskus beten. Unsere jüdischen und muslimischen Brüder aber haben in diesem gleichen heiligen Konvent, also unter demselben Dach, angemessene Räume für ihr eigenes Gebet zur Verfügung. Wir alle aber wollten, weil wir auch das gemeinsam haben, das Gebet mit Fasten begleiten. 2. Was uns veranlaßt hat, von unseren jeweihgen Bischofssitzen herzukommen, andere Aufgaben beiseite zu lassen und uns hier zu versammeln, ist das tiefe Bewußtsein, daß die Tragödie des Krieges in Europa, in Bosnien-Herzegowina, im Kauka- 235 REISEN sus und in anderen Teilen der Welt, an unsere besondere Verantwortung als religiöse Frauen und Männer appelliert. Ein jeder von uns weiß, daß sich die eigene religiöse Überzeugung für das Leben und nicht für den Tod ausspricht; für die Achtung vor jedem menschlichen Wesen mit all seinen Rechten und nicht für die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen; für das friedliche Zusammenleben der Stämme, Völker und Religionen und nicht für eine gewalttätige Auseinandersetzung und den Krieg. Angesichts dieser gemeinsamen Überzeugung, die sich für die hier vertretenen Religionen aus der eigenen religiösen Auffassung und einem klaren Verständnis für die Würde der menschlichen Person ergibt, muß uns das Schauspiel der Schrecken des Krieges auf dem Kontinent, zumal auf dem Balkan, unbedingt veranlassen, zum Gebet als jenem Mittel Zuflucht zu nehmen, das für den Glaubenden kennzeichnend ist. Hierin liegt unsere Stärke; dies ist unsere Waffe. Angesichts der tödlichen Zerstörungsmittel, angesichts der Gewaltanwendung und Grausamkeit bleibt uns nichts anderes als die Zuflucht zu Gott mit unseren Worten und unseren Herzen. Wir sind weder stark noch mächtig, doch wir wissen, daß Gott das Gebet derer nicht unbeantwortet läßt, die sich mit aufrichtigem Glauben an ihn wenden, zumal wenn das gegenwärtige und zukünftige Schicksal von Millionen von Personen auf dem Spiel steht. 3. Dies ist der Sinn unserer Gebetswache. In diesem ersten uns allen gemeinsamen Teil dachten wir, daß es gut wäre, als Einleitung und Vorbereitung des nachfolgenden Gebetes einige Zeugnisse von Personen anzuhören, die auf die eine oder andere Weise vom Krieg oder von den Gewalttaten betroffen sind, die Europa derzeit erschüttern. Aus diesem Grund haben wir eine ökumenische und interreligiöse Delegation aus den Balkanländem eingeladen, die die Zeichen des Leidens und der Sinnlosigkeit des Krieges, dieses Krieges und aller anderen, an sich tragen. Wir wollten, daß auch die Stimme der Flüchtlinge gehört werde, die wie die anderen und mehr als sie Opfer dieser absurden Auseinandersetzung unter Brüdern sind. Wenn wir sie schweigend hören und dann über das nachdenken, was ihre Erfahrung auch uns tiefer spüren läßt, werden wir besser zum Gebet für den Frieden bereit sein, der ja ein Geschenk Gottes ist. 4. Ich möchte hinzufügen, daß diese unsere Begegnung und die Gebete, die später an den verschiedenen Orten dieses heiligen Konvents folgen sollen, in sich selber ein lebendiges Zeugnis und gleichsam eine glückliche Vorwegnahme des Geschenkes sein wollen, um das wir für unsere Schwestern und Brüder in Europa und in der übrigen Welt bitten möchten. Ein jeder von uns ist von der Treue zur eigenen religiösen Tradition getrieben hergekommen, zugleich aber in dem Bewußtsein und in der Achtung vor der Überliefe- 236 REISEN rung anderer, denn wir sind zum gleichen Zweck hergekommen, nämlich um für den Frieden zu beten und zu fasten. Unter uns herrscht Frieden. Ein jeder nimmt den anderen an, wie er ist, achtet ihn als Bmder und Schwester im gemeinsamen Menschsein und in den persönlichen Überzeugungen. Die Unterschiede, die uns trennen, bleiben. Der wesentliche Punkt und der Sinn dieser Begegnung und der Gebete, die später folgen werden, hegen aber darin: Allen sichtbar zu machen, daß das Geheimnis einer am Ende versöhnten Menschheit und eines seiner wahren Berufung würdigen Europas nur in der gegenseitigen Annahme des anderen und in der daraus folgenden gegenseitigen Achtung zu finden ist, die von der Liebe noch vertieft wird. Den Kriegen und Konflikten wollen wir demütig, aber auch nachdrücklich das Bild unserer Eintracht in Achtung vor der Identität jedes einzelnen entgegenstellen. Hier sei mir gestattet, den ersten Vers von Psalm 133 zu zitieren: ”Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen.” 5. Liebe Brüder und Schwestern! Die Erinnerung an den großen Gebetstag für den Frieden, der hier in Assisi im Oktober 1986 stattfand, kommt uns spontan in Erinnerung. Bei jener Gelegenheit galt die Sorge der Anwesenden der ganzen Welt, über der sich dunkle Wolken zusammenballten. Deswegen waren Vertreter vieler anderer Religionen anwesend. Heute richtet sich unser Blick auf Europa. Die Einladung wurde daher an die Vertreter der drei großen religiösen Traditionen gerichtet, die seit Jahrhunderten auf diesem Kontinent präsent sind, zu dessen allmählicher Formung im Laufe der Zeit alle drei ihren Beitrag geleistet haben und weiter leisten: Juden, Christen und Muslime. Nun wird von uns mit unseren Gebeten und dem Opfer unseres Fastens ein besonderer Beitrag zur Wiederherstellung des europäischen Kontinents, vielleicht sogar zu seinem Überleben gefordert, kontinuierlich in dem Geist, der den Gebetstag im Oktober 1986 geprägt hat. Wie wir uns damals dem Herrn der Geschichte anvertraut haben, der uns auch greifbare Zeichen seiner Erhörung geschenkt hat, vertrauen wir uns heute erneut seiner Barmherzigkeit an in der Gewißheit, erhört zu werden. Diese Stadt bietet mit dem heiligen Franziskus, der an sie seinen Namen geknüpft hat und für alle einen Bezugspunkt als Beispiel und Urbüd des Friedens mit den Mitmenschen, der Schöpfung und mit Gott bildet, heute abend den eindrucksvollen Hintergrund für unsere Gebetswache. Wenn sie zu Ende ist, werden andere, zumal Jugendliche, sie mit Fackelzügen und Gebeten bis zum kommenden Morgen fortsetzen. Der Morgen! Möge er Symbol und Vorankündigung jenes Morgens voll Licht und Frieden sein, der hoffentlich am Ende über ganz Europa aufleuchten wird. Möge der Gott des Friedens mit uns sein! Amen. 237 REISEN Wir dürfen den Frieden nicht außerhalb von Christus suchen Predigt in der Oberkirche von San Francesco in Assisi bei der Gebetswache für den Frieden in Europa am 9. Januar Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Dies ist die Stunde des Gebetes. Vor kurzem haben wir uns versammelt, um Zeugnisse von Menschen zu hören, die den Krieg und seine Folgen erlebt haben. Wir haben still über die Berichte von den leidvollen Ereignissen nachgedacht und im Innern an den Leiden jener gequälten Völker teilgenommen. Erster Zweck dieser Gebetswache ist also: Alle Männer und Frauen in Europa, die für religiöse Werte aufgeschlossen sind, sollten gleichsam am eigenen Leib die Wunden des Krieges empfinden: Angst, Einsamkeit, Ohnmacht, Trauer, Schmerz und Tod, vielleicht auch Verzweiflung. Wir haben uns noch mehr davon überzeugt, daß diese Übel etwas sind, das auf unseren Schultern lastet und unsere Herzen bedrückt. Angesichts einer solchen Tragödie können wir nicht gleichgültig bleiben und die Augen verschließen. Wir müssen vielmehr wachen und beten wie Jesus am Ölberg, als er sich alle unsere Sünden aufgeladen hatte, so daß er Blut schwitzte (vgl. Lk 22,44). Christus „liegt nämlich bis ans Ende der Welt im Todeskampf ’ (Pascal, Pensees, 736). Und wir wollen ihn heute nacht wachend und betend begleiten. 2. Dazu kommt der zweite Teil unserer Gebetswache. Er findet für uns Christen in der Oberkirche von San Francesco statt. Die Vertreter des Islams, wie auch einige Vertreter des Judentums, haben sich an einem anderen Ort dieses Heiligen Konvents versammelt, während viele andere Juden, die wegen ihrer religiösen Pflichten nicht zu uns nach Assisi kommen konnten, sich unserem Gebet anschließen, indem sie in ihren Synagogen beten. Beim Einzug in die Kirche haben wir unsere Kerzen an der großen Kerze entzündet, die an einem bevorzugten Platz in unserer Mitte als Sinnbild der Gegenwart Christi, des „Lichtes der Welt” aufgestellt ist. Er hat uns ja verheißen: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen” {Mt 18,20). Doch die Kerze ist zugleich Sinnbild für das innere Licht des Heiligen Geistes, den wir in dieser Gebetsstunde besonders brauchen. Gemeinsam haben wir die Worte der Heiligen Schrift vernommen. Auch für dieses Licht ist die Kerze ein Sinnbild. Die Heilige Schrift erleuchtet uns, weil in ihr und durch sie das Wort zu uns spricht. Ja, in den Worten der Propheten, der Apostel und Evangelisten wird das Wort selber gegenwärtig. Wir können daher das besser verstehen, was wir bei dieser Gebetswache für den Frieden vom dreieinigen Gott erbitten müssen; was wir in dieser heiligen Nacht erflehen müssen. 3. Den Schlüssel zum Verständnis der gehörten Worte und zum Sinn unseres Gebets finden wir in der zweiten Lesung, die gerade vorgetragen wurde. Der Apostel sagt, 238 REISEN daß Christus unser Friede ist: „Er ist unser Friede”, sagt der hl. Paulus (Eph 2,14). Was bedeuten für uns in dieser Nacht diese kurzen, deutlichen Worte des Apostels? Sie bedeuten vor allem, daß wir den Frieden nicht außerhalb von Christus suchen dürfen; erst recht nicht gegen Ihn. Wir müssen uns aber bemühen, den Worten des Paulus nachzuleben: „Seid ... so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht” (Phil 2,5). Dies setzt unsere persönliche Bekehrung voraus, deutlich ausgedrückt in den Worten desselben Apostels: „Tut nichts aus Ehrgeiz und nichts aus Prahlerei. Sondern in Demut schätze einer den anderen höher ein als sich selbst. Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen” (vgl. Phil 2,3-4). Wenn Christus „die trennende Wand der Feindschaft niederriß” (vgl. Eph 2,14), wenn er „in seiner Person die Feindschaft getötet hat”, um „die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib zu versöhnen” (vgl. Eph 2,16), wie kann es dann in der Welt noch Feindschaft geben? Wie kann der Haß weiter bestehen? Wie ist dann gegenseitiges Töten noch möglich? 4. Diese Fragen müssen wir in dieser Nacht an alle, auch an uns selber richten, wenn wir die Tragödien in Bosnien-Herzegowina und in anderen Teilen Europas und der Welt betrachten. Und es gibt auf diese Fragen keine andere Antwort als die der demütigen Bitte um Vergebung zu Füßen des Kreuzes, auf dem der Herr gekreuzigt wurde für uns und für alle. Gerade deswegen ist unsere Gebetswache zugleich ein Bußgottesdienst und ruft uns zur Umkehr auf. Es wird keinen Frieden geben ohne diese Rückkehr im Gebet zum gekreuzigten Christus, aber auch im Verzicht auf ehrgeizige Pläne, auf Hunger nach Macht und den Willen, die anderen zu übervorteilen, auf die mangelhafte Achtung vor den Rechten anderer. Denn dies sind die Ursachen der Kriege, wie schon der Apostel Jakobus in seinem Brief gelehrt hat: „Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten? Doch nur vom Kampf der Leidenschaften in eurem Innern” (Jak 4,1). Christus ist unser Friede. Wenn wir uns von ihm entfernen - im Privatleben, in den Strukturen des sozialen Lebens und in den Beziehungen zwischen Personen und Völkern -, was bleibt dann anderes übrig als Haß, Feindschaft, Konflikt, Grausamkeit und Krieg? Wir müssen beten, daß sein „Blut” uns einander „näherbringt”, uns also einander zu Nachbarn macht, denn wir selber können uns untereinander nur „entfremden” (vgl. Eph 2,13); wir vermögen einander nur den Rücken zuzukehren. „Lassen wir uns daher mit Gott versöhnen” (vgl. 2 Kor 5,20), um uns auch untereinander versöhnen zu können. 5. Die um uns herum ausgelösten Konflikte, die Entbehrungen und Nöte, unter denen so viele Menschen in der ganzen Welt leiden, sind eine Herausforderung für alle jene, die sich Jünger Christi nennen. Spiegeln nicht zahlreiche Unglücksfälle den Kampf zwischen Gut und Böse wider, in dem eine auf Egoismus und Begierde ge- 239 REISEN gründete Gesellschaft einer Gesellschaft im Zeichen der Liebe entgegensteht? Christus fordert uns auf, uns nicht vom Bösen besiegen zu lassen, sondern das Böse durch das Gute zu besiegen (vgl. Röm 12,21) und eine Gesellschaft aufzubauen, in der die Liebe oberstes Gesetz ist und die Achtung vor dem anderen an erster Stelle steht. Darf man einen Menschen seines Rechtes auf Leben und Sicherheit berauben, bloß weil er keiner von uns, sondern ein anderer ist? Darf man eine Frau des Rechtes auf ihre Integrität und Würde berauben, weil sie nicht zu den Unseren gehört, sondern zu den „anderen”? Darf man ferner ein Kind des Rechtes auf ein schützendes Obdach sowie des Rechtes auf Nahrung berauben, weil es ein Kind der „anderen” ist? Sind wir und die „anderen” nicht alle Kinder des einen Gottes, seine geliebten Kinder? Ist nicht Jesus Christus in die Welt gekommen als das „wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet” (Joh 1,9), um uns von der Sünde der Spaltung zu befreien und uns alle in Liebe zu verbinden? Und wenn dieser „andere” geschlagen, herabgesetzt, verachtet und mißhandelt wird, wenn er keinen Ort mehr hat, wohin er sein Haupt betten, sich weder ernähren noch wärmen kann, ist es dann nicht Jesus selber, der erneut geschlagen, erniedrigt, verachtet und beleidigt wird? (vgl. Mt 25,31-46). Wer kann den grausamen, eisernen Griff des Bösen, der uns umklammert, lockern? Mit den Worten des hl. Paulus können und müssen wir antworten: „Dank sei Gott durch Jesus Christus unseren Herrn” (Röm 7,25). 6. Christus ist der Friede, der wahre Friede, welches andere Erbe hätte er uns hinterlassen können, wenn nicht diesen Frieden? Wir haben seine Worte gehört, die im Evangelium aufgezeichnet sind. Es sind uns wohlbekannte Worte. Mögen sie bei dieser Gebetswache in unseren Herzen mächtiger nachhallen und eine überzeugendere und hochherzigere Antwort wecken. „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch” (Joh 14,27). Wenn wir uns in dieser nächtlichen Andacht in Assisi umschauen, was sehen wir da? Hat Jesus wirklich den Frieden hinterlassen? Wie kommt es dann, daß rings um uns soviel Gewalt und in einigen Ländern, aus denen wir gekommen sind, sogar Krieg herrscht? Haben wir vielleicht einen Frieden vorgezogen, „wie die Welt ihn gibt”? Einen Frieden, der im Schweigen der Unterdrückten und in der Ohnmacht der Besiegten, in der Demütigung von Menschen und ganzen Völkern besteht, die ihre Rechte mit Füßen getreten sehen? Der wahre Friede, der Friede, den Jesus uns hinterlassen hat, gründet auf der Gerechtigkeit; er entfaltet sich in der Liebe und Versöhnung. Er ist eine Frucht des Geistes, „den die Welt nicht empfangen kann” (Joh 14,17). Lehrt nicht der Apostel: „Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede ...” (Gal 5,22). Der Prophet Jesaja aber hat uns eben aufmerksam gemacht: „Die Ruchlosen finden keinen Frieden, spricht mein Gott” (Jes 57,21). 7. „Der Tröster aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt 240 REISEN habe” (Joh 14,26). Der Geist lehrt und erinnert uns in dieser Nacht, was die Quelle des wahren Friedens ist und wo man ihn zu suchen hat. Deswegen haben wir uns hier an diesem heiligen Ort, unter dem Blick und dem Schutz des heiligen Franziskus, versammelt. „Herr, mach aus mir ein Werkzeug deines Friedens.” „Herr, schenk uns Frieden”, schenk ihn allen, wie wir ihn bereits miteinander ausgetauscht haben und ihn in dieser Liturgie erneut miteinander austauschen. Möge der Friede sich in dieser Nacht über Europa und die Welt aus der offenen Seite Christi ergießen. In der Weihnachtsbotschaft von 1990, die wir eben gehört haben, hat uns der verstorbene Patriarch Dimitrios I. gesagt: „Dieser Friede ist keine Idee oder ein Motto; er ist eine Wirklichkeit, die aus der äußersten Armut kommt, aus der ,kenosis’ und dem Selbstopfer des Sohnes Gottes”. Angesichts des Geheimnisses von Leiden und Tod, wie es die Kriege sind, will unsere Gebetswache keine isolierte, flüchtige und augenblickliche Antwort sein, sondern die erneute Übernahme des Erbes, das Christus uns hinterlassen hat. Er hat uns doch den Frieden geschenkt, als er dem Kreuzestod entgegenging und dann als Auferstandener zu uns zurückkehrte (vgl. Joh 20,19). Der Friede auf Erden ist unsere Aufgabe, die Aufgabe der Frauen und Männer guten Willens. Er ist insbesondere eine Aufgabe der Christen. Wir sind dafür vor der Welt und in der Welt verantwortlich, die ohne wahren Frieden bleibt, wenn Jesus Christus ihr ihn nicht durch seine „Werkzeuge des Friedens” schenkt, durch „Friedensstifter” (vgl. Mt 5,9). Paul VI. hat in dem eben verlesenen Text gesagt: „Unsere Aufgabe ist die Verbreitung des Wortes .Frieden’ mitten unter den Menschen, die sich gegenseitig bekämpfen. Es ist unsere Aufgabe, die Menschen daran zu erinnern, daß sie Brüder sind. Es ist unsere Aufgabe, die Menschen zu lehren, daß sie einander lieben und sich miteinander versöhnen und zum Frieden erziehen müssen”. 8. Wenn wir an diesem Abend hier versammelt sind, sind wir aufgerufen, nachzudenken, welchen Beitrag ein jeder von uns und eine jede von unseren Kirchen leisten muß, um dem Frieden zu dienen. Ein Beitrag freilich gilt gewiß für uns alle, nämlich das Gebet. Daher wollte der Bischof von Rom gemeinsam mit den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Europas seine Brüder und Schwestern im Glauben sowie die Vorsteher der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, aber auch die Juden und Muslime einladen, nach Assisi zu kommen, um hier für den Frieden zu beten. Er hat zugleich die Teilkirchen Europas aufgefordert, das gleiche zu tun. Im Verlauf dieser Gebets wache wird Europa in all seinen Sprachen den Gott des Friedens innig bitten, er möge endlich so vielen seiner Völker, die immer noch von der Geißel des Krieges heimgesucht werden, dieses wichtige Gut gewähren. Das Erbe Christi in diesem Bereich aufgreifen bedeutet vor allem, für den Frieden zu beten. Es bedeutet auch, gemeinsam Zeugnis zu geben für das empfangene Erbe, 241 REISEN für unsere Verantwortung ihm gegenüber und für unser ständiges Bemühen um den Frieden. Zu diesem vorrangigen Beitrag kömmt dann das Eintreten für die Gerechtigkeit. Der Herr sagt durch den Mund des Jesaja: „Als Heiliger wohne ich in der Höhe, aber ich bin auch bei den Zerschlagenen und Bedrückten, um den Geist der Bedrückten wieder aufleben zu lassen und das Herz der Zerschlagenen neu zu beleben” (Jes 57,15). In dieser Nacht wollen wir alle unseren Einsatz für die „Letzten” und all jene erneuern, die Opfer der Kriege geworden sind und deren schweigendes Rufen die Himmel durchdringt. 9. In der Botschaft zum Weltfriedenstag habe ich mich in diesem Jahr mit der Bezeichnung zwischen Armut und Frieden befaßt. Die Armen sind das traurige Heer, das die Konflikte begleitet, aber die gegen sie begangenen Ungerechtigkeiten rufen die Konflikte hervor und nähren sie. Die Achtung vor Personen und vor Völkern aber ist der sichere Weg zum Frieden. Ein jeder von uns ist aufgerufen, diesen Weg zu gehen. Jeder noch so kleine Schritt auf diesem gesegneten Weg bringt uns der Eintracht und dem Frieden näher. Wir müssen die Rechte aller und jedes einzelnen verkünden; wir müssen die Würde jedes Mannes und jeder Frau betonen, welchem Volksstamm sie auch angehören, wie auch immer ihre Hautfarbe und ihr religiöses Bekenntnis sein mögen; wir müssen die Mißbräuche anprangem. Das sind einige Schritte, die wir uns in dieser Nacht erneut vornehmen wollen, weil wir Erben des Friedens Jesu sind. Christus ist unser Friede. Er hat uns den Frieden am Kreuz erworben und schenkt ihn uns auch in dieser heiligen Nacht, damit wir ihn durch die Gnade des Heiligen Geistes in Wort und Werk sowie durch unser Verhalten zu jeder Stunde, immer, der Welt weitergeben, die keinen Frieden hat. Jesaja sagt: „Ich schaffe Lob auf den Lippen. Friede, Friede den Femen und den Nahen, spricht der Herr, ich werde sie heilen” (Jes 57,19). Möge der Herr in dieser Nacht auf unsere Lippen das Wort Friede legen, um uns alle zu heilen. Amen. Die Ohnmacht des Gebetes weckt neue Hoffnungen Ansprache an die behinderten Kinder und Jugendlichen im Seraphikus-Heim in Assisi am 9. Januar 1. Zu Beginn meines kurzen Aufenthalts in Assisi ist es mir eine Freude, kurz, aber bewegten Herzens unter euch, den lieben Bewohnern des Seraphikus-Heimes von Assisi, weilen zu können. Herzlich begrüße ich euch alle gemeinsam mit euren Erziehern und Erzieherinnen. Ich begrüße die Kinder des benachbarten Heimes „Pater Ludovico Casoria”, die gemeinsam mit den Elisabeth-Schwestern aus Padua hier 242 REISEN anwesend sind; diese Schwestern leisten mit der Hilfe von Erzieherinnen und freiwilligen Helferinnen einen wertvollen Liebesdienst. Voll Höchschätzung wende ich mich an Diözesanbischof Sergio Goretti, dem ich für die herzlichen, an mich gerichteten Worte der Begrüßung danke. Auch danke ich dem Präsidenten des Heimes, Dr. Guido Jacono, der mich, gemeinsam mit dem gesamten Verwaltungsrat, so freundlich aufgenommen hat. Gerne gedenke ich auch der örtlichen Verantwortlichen der Internationalen Vereinigung der Freunde des hl. Franziskus Seraphikus von Assisi (AIMSA), deren Anliegen es ist, die erzieherischen und karitativen Initiativen des Werkes auch finanziell zu unterstützen. Allen Anwesenden gilt mein herzlicher Gruß. 2. Liebe Jungen und Mädchen, die ihr hier lebt! Ich umarme euch sehr herzlich und nehme an eurem vom Leid gezeichneten, aber vom Herrn auf besondere Weise auserwählten Leben herzlichen Anteil. Die Evangelien berichten ja, daß Jesus vor allem den leidgeprüften Menschen nahe war. Gerne habe ich die Einladung, euch zu besuchen, angenommen, um auf diese Weise meine Gebetswallfahrt zu beginnen und so den fundamentalen Wert des menschlichen Lebens, das von Christus erlöst ist, heute jedoch leider oft mißachtet und nicht selten von Gewalt und Krieg vernichtet wird, besonders hervorzuheben. In diesem Augenblick denke ich in erster Linie an den hl. Franziskus, der, während seiner letzten Lebensjahre beinahe erblindet, gerade hier in Assisi den Sonnengesang verfaßte, eine außerordentliche Lyrik der Lobpreisung und des Dankes an den Schöpfer, in der sich der Glaube und die poetische Empfindsamkeit des „Poverello” angesichts des Alls und des Menschen zeigen. Dieser Hymnus, von tiefer Spiritualität und erbaulicher Hingabe an Gott durchdrungen, beginnt mit einem Akt vollkommener Anbetung: „Höchster, allmächtiger, guter Herr, Dein ist das Lob, der Ruhm und die Ehre und alle Benedeiung”, und endet mit dem Ausdruck des größten Gehorsams: „In tiefer Demut”. Meine heben jungen Heimbewohner, möge der hl. Franziskus euch helfen, immer von diesen Gefühlen heiteren Vertrauens auf den Herrn, der euch in den schwierigen Augenblicken trösten möge, erfüllt zu sein! Möge er euch, hebe Verantwortliche, Erzieher und Erzieherinnen, in eurem täghchen Wirken beistehen, damit euer Institut - wie die Statuten so besonders betonen - erfolgreich „dem Ziel dienen, die funktionelle und soziale Rückgewinnung, den Unterricht, die ethische Erziehung und die christliche Bildung” ah jener zu fördern, welche die Vorsehung eurer Sorge anvertraut. 3. Wir sind nach Assisi gekommen, um für den Frieden in Europa und in aller Welt zu beten und ich bin von eurer aktiven und eifrigen Teilnahme an dieser bedeutsamen spirituellen Unternehmen überzeugt. Die Welt bedarf des Friedens, der Eintracht, des gegenseitigen Verstehens. Der göttliche Meister hat der Kirche und den Menschen aher Zeiten das unwandelbare Testament der Liebe hinterlassen: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe!” Die 243 REISEN Seele wird von Traurigkeit erfüllt, wenn man an die unendliche Güte des Herrn denkt und an die menschliche Gleichgültigkeit, den Haß und die Kriege, die auf Erden den Plan der göttlichen Vorsehung verdunkeln. Ihr könnt mit eurem Gebet und dem Zeugnis der Güte Tag für Tag einen Beitrag zur Ausbreitung des Friedens in den Herzen und zu seinem Aufbau unter den Menschen leisten. Ich bin gekommen, um euch zu sagen, daß der Papst auf euren verborgenen, aber wirksamen Beitrag zählt: Erbittet von Gott das Geschenk des Friedens der Herzen, der Familien und der Völker. Meine Lieben! Angesichts der Tragödien der Menschen können die Gebete wirkungslos und vergebhch erscheinen, während sie hingegen immer neue Schimmer der Hoffnung wecken, und das vor allem dann, wenn sie vom Leid unterstützt werden, das sich in Liebe verwandelt. Meine Hoffnung ist, daß auch ihr, nach dem Beispiel des hl. Franziskus und der hl. Klara, mit der Hilfe der Gottesmutter zu Werkzeugen des Friedens und der Verbrüderung werdet. Möge euch dabei auch mein Segen begleiten, den ich euch jetzt aus ganzem Herzen erteile. Herr, reiße die Mauern des Hasses nieder... Predigt bei der Eucharistiefeier in der Oberkirche von San Francesco am Gebetstag für den Frieden in Europa, 10. Januar 1. „Domine, murum odii everte, nationes dividentem, et vias concordiae fac homini-bus planas.” „Herr, reiße die Mauern des Hasses nieder, die die Völker trennen, und laß die Menschen den Weg zu Eintracht und Frieden finden” (vgl. Dienstag der 3. Adventswoche, Fürbitten der Landes). Liebe Brüder und Schwestern! Den Ruf, den wir heute an Gott richten, stammt aus der Adventsliturgie. Das Gebet für den Frieden in Europa und besonders in den Balkanländem erhebt sich zu diesem Zeitpunkt in den Sprachen der einzelnen Völker des europäischen Kontinents. Zusammen mit den bischöflichen Vorsitzenden ganz Europas haben wir den Herrn um Frieden angefleht. Wir haben auch unsere christlichen Brüder und Schwestern sowie die Söhne und Töchter Israels und die Muslime aufgefordert, für den Frieden zu beten. Wir stehen hier in Assisi in den Fußstapfen des hl. Franziskus, der Christus, die Menschen und die ganze Schöpfung in herausragender Weise liebte. Mit ihm erleben wir wieder das Geheimnis der Taufe Christi im Jordan, das Schlüsselereignis in der messianischen Sendung Jesu von Nazaret. 244 REISEN 2. „Zu dieser Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müßte von dir getauft werden, und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Laß es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit (die Gott fordert) ganz erfüllen” (Mt3,13-15). Die von Johannes im Jordan gespendete Bußtaufe ist ein Zeichen der Gerechtigkeit, die der Mensch von Gott erwartet, wenn er ihn mit ganzem Herzen sucht. Sie ist auch ein Zeichen des Friedens, ersehnt vom Geist des Menschen in allen Völkern und Nationen der Erde. Und nun finden wir Jesus von Nazaret in der Reihe der Menschen, die, von diesem Wunsch beseelt, kommen, um die Bußtaufe zu empfangen und ihre Sünden zu bekennen. Jesus ist ohne Sünde, aber dennoch reiht er sich unter die Sünder ein. Das ist eine sehr bedeutsame Tatsache. „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe” (Mt 3,17). Gerade der Sohn, an dem der Vater unendliches Gefallen gefunden hatte, reiht sich unter die Sünder ein und empfängt mit ihnen die Bußtaufe. „Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten” (Mt 9,13). Am Ende wird dieser Auftrag ihn ans Kreuz bringen. Das meinte Johannes am Jordanufer, als er sagte: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!” (Joh 1,29). 3. Wir sind heute hierhergekommen, beladen mit den schweren Sünden unserer Zeit, unseres Kontinents. Der in den Balkanländem herrschende Krieg ist eine besondere Anhäufung von Sünden. Menschen benützen Zerstörungsmittel, um ihre Mitmenschen zu töten und auszurotten. Welch grauenhafte Kriege hat das 20. Jahrhundert besonders in Europa erlebt! Es war ein von Haß und tiefer Verachtung gegen die Menschheit gezeichnetes Jahrhundert; von einem Haß und einer Verachtung, die auf kein Mittel und keine Methode zur Tötung und Auslöschung des andern verzichtet haben. Das göttliche Liebesgebot wurde vielmals auf verschiedene Weise verletzt, ja so weit, daß man sich angstvoll fragte, ob der europäische Mensch überhaupt noch imstande sei, sich aus diesem Abgrund zu erheben, in den ihn eine wahnsinnige Macht- und Herrschsucht gestürzt hatte - auf Kosten der anderen, anderer Menschen, anderer Nationen. Solch eine tragische Erfahrung scheint leider während der letzten Jahre in gewisser Weise wiedererstanden zu sein; sie breitet sich gerade auf der Balkanhalbinsel ständig aus. Das ist der Grund, weshalb ganz Europa sich zum Gebet versammelt; darum sind wir nach Assisi gepilgert, um Gott durch Christus anzurufen: „Reiße die Mauern des Hasses nieder und laß die Menschen den Weg zu Eintracht und Frieden finden!” 4. Christus betet zusammen mit uns. Er hat sich nicht nur einmal am Jordanufer in die Reihe der Sünder gestellt, wo er von Johannes die Bußtaufe empfing. In jedem Jahrhundert und in jeder Generation mischt er sich unter eine solche Reihe an allen Orten der Erde. Christus ist wirklich der Retter der Welt, und Gott hat ihn, „der 245 REISEN keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden” (2 Kor 5,21). Daraus erwächst unsere feste, vom Glauben erhellte Überzeugung, daß Christus in dem leidgeprüften Land der Menschen und Nationen der Balkanvölker gegenwärtig ist unter allen, die leiden und einer widersinnigen Verletzung der Menschenrechte ausgesetzt sind. Er, Christus, ist immer Zeuge und Verteidiger der Rechte des Menschen: Ich war hungrig, ich war durstig, ich war fremd, nackt, ich wurde gefoltert, gequält, vergewaltigt, geschändet in meiner Menschenwürde (vgl. Mt 25,31-46). In ihm sind die Rechte der Person nicht nur Worte, sondern Leben: Leben, das den Tod überwindet und sich durch den Sieg der Auferstehung behauptet. Heute beten wir mit Ihm und durch Ihn, denn wir sind fest überzeugt, daß er für uns unaufhörlich eintritt. 5. Der Vater findet an Ihm Gefallen. Wir glauben, daß der Mensch, auch der ge-schändetste und der schuldigste, von der einen Liebe umfangen wird, die stärker ist als aller Haß, Sünde und unmenschliche Bosheit. Er, Diener unserer Rechtfertigung, „zerbricht nicht das geknickte Rohr, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus ... Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat” (Jes 42,3-4). Der Vater spricht zu ihm: „Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein” (Jes 42,6). Seht, die Völker, die Nationen jener Länder, die jetzt in den grauenhaften Krieg auf dem Balkan verwickelt sind, sind Gemeinschaften, durch so viele Bande untereinander verbunden, die nicht nur der Erinnerung an die Vergangenheit angehören, sondern sich auch in der gemeinsamen Hoffnung auf eine bessere Zukunft auswirken, die auf den Werten der Gerechtigkeit und des Friedens gründet. Jede dieser Nationen ist ein besonderes Gut, ein Beweis für den vielfältigen Reichtum, den der Schöpfer dem Menschen und der gesamten Menschheit geschenkt hat. Außerdem hat jede Nation als Gemeinschaft das Recht der Selbstbestimmung. Es ist ein Recht, das man sowohl durch die eigene politische Souveränität als auch durch einen Bundesstaat oder einen Bund mit anderen Nationen wahmehmen kann. Hätte man die eine oder andere Form unter den Nationen des ehemaligen Jugoslawien retten können? Das ist schwerlich auszuschließen. Der Krieg, der entfesselt wurde, scheint eine solche Möglichkeit jedoch in weite Feme gerückt zu haben. Und der Krieg ist noch im Gang. Menschlich gesprochen scheint es schwer, ein Ende abzusehen. Und doch: „Sanabües fecit Deus nationes” - Zum Heil hat Gott die Völker erschaffen (vgl. Weish 12,14: Vulg.). 6. Wir wenden uns deshalb an Dich, Christus, Sohn des lebendigen Gottes, Wort, an dem der Vater Gefallen findet; Du wolltest den Heilsdienst unserer Erlösung vollenden. Du machst den Sünder, alle Sünder und Übeltäter der menschlichen Geschichte, gerecht. Du bist der Bund der Menschen, das Licht der Völker. 246 REISEN Sei bei uns. Tritt ein für uns. Bitte für uns Sünder, damit die Finsternis nicht über-handnimmt. Vergib uns unsere Schuld, die furchtbare Schuld vom Haß besessener Menschen, so wie auch wir vergeben, wenn wir versuchen, die Spirale des Bösen zu durchbrechen. Lösch aus den Haß, der die Völker trennt. Mach, daß dort, wo jetzt die Sünde überwiegt, Gerechtigkeit und Liebe überreich vorhanden sind, wozu alle Menschen, Völker und Nationen in Dir, Fürst des Friedens, berufen sind. In dieser schweren Stunde wenden wir uns auch an Deine heiligste Mutter, die die Mutter aller Völker, insbesondere die Mutter der Völker Europas ist, die im Laufe der Jahrhunderte ihr zu Ehren bekannte Heiligtümer errichtet haben, die heute noch Ziel vieler Wallfahrer sind. Ich denke in diesem Augenblick vor allem an die älteste Marienkirche Santa Maria Maggiore in Rom, an die „Unzerstörbare Wand” in der Ukraine und an die Wallfahrtsorte in Rußland, wo das Bild der Gottesmutter unter dem Namen Muttergottes von Wladimir, von Kazan und von Smolensk verehrt wird. Weiter denke ich an die Heiligtümer Mariapocs in Ungarn, Marija Bistrica in Kroatien, Studenica in Serbien, das Nationalheiligtum der Schmerzhaften Gottesmutter in der Slowakei, das „Tor der Morgenröte” in Litauen, das Heiligtum von Aglona in Lettland, Marija Pomagaj in Slowenien, Tschenstochau in Polen, Montserrat in Spanien, Lourdes in Frankreich, Fatima in Portugal und noch viele andere. Deiner und unserer Mutter Maria, o Christus, vertraut ganz Europa sein Gebet finden Frieden an, indem es bei der heutigen Messe alle auf dem Kontinent gebräuchlichen Sprachen verwendet. 7. Die Mauern des Hasses mögen niedergerissen werden! Gott des Friedens! Ebne die Wege der Menschen, damit sie von neuem Zusammenleben als Nachbarn, als Schwestern und Brüder, als „Kinder des Vaters im eingeborenen Sohn” (vgl. Eph 1,4-5): in Jesus Christus, unserm wahren Frieden. Gott schenke der Teilnehmern an den Friedensverhandlungen für Bosnien-Herzegowina Klugheit und Mut Angelus in Assisi am Gebetstag für den Frieden in Europa, 10. Januar Liebe Schwestern und Brüder! 1. Am Schluß dieses Gebetstreffens in Assisi, das gestern mit der Gebetswache begonnen hatte und heute früh mit der Meßfeier fortgesetzt wurde, möchte ich mit euch, die ihr trotz Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten so eifrig teilgenommen habt, dem Herrn aus tiefstem Herzen danken für die jedem einzelnen erwiesene, besondere Gnade. Tatsächlich hat der Appell, den ich zusammen mit den Vertretern der europäischen Episkopate am 1. Dezember formulierte, einstimmige und hochherzige Antwort in der katholischen Kirche gefunden und auch Echo in den anderen christlichen Kir- 247 REISEN chen und Gemeinschaften wie auch bei den Vertretern des Judentums und des Islams. Das ist ein klares Zeichen dafür, daß das Gewissen der für religiöse Werte empfänglichen Frauen und Männer und aller, die nach dem Wohl der Menschheit trachten, immer wacher wird für die Probleme des leidenden Menschen, der Opfer von Konflikten ist, .von denen er weder Grund noch Zweck versteht. In allen schärft sich der Sinn für den Einsatz zu Beendigung jeden Krieges und für einen Frieden, der auf Gerechtigkeit und Versöhnung untereinander gegründet ist. Ist dieses Bewußtsein, das aus unserer innersten Antwort an Gott kommt, nicht selbst ein Geschenk des Herrn? Ja, es ist ein Geschenk Gottes, wie es der Frieden ist, nach dem wir streben und in dessen Namen wir wieder hier in Assisi versammelt sind. Gott schenke uns die Gnade, diesen selbstlosen und dringenden Dienst zugunsten des Friedens immer treuer zu tun. Er gehört zu jeder wahren religiösen Haltung und ist ein Unterscheidungsmerkmal der Jünger Christi, denen Er vor seinem Leiden den Frieden als sein Erbe hinterlassen hat (vgl. Joh 14,27). 2. In diesem Rahmen geistlicher Brüderlichkeit drängt es mich auch, jedem der Versammelten zu danken: den Herren Kardinälen, den Brüdern im Bischofsamt, den Priestern, den Ordensmännem und -frauen und vor allem den Jugendlichen, die in so großer Zahl gekommen sind, und, sichtbar um den Frieden besorgt, sich bemühen, ihn zu suchen und wirklich aufzubauen. Mein Dank gilt auch den Brüdern und Schwestern der anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften, die uns seit Tagesbeginn begleiten; ihre Anwesenheit in Assisi unterstreicht wieder deutlich die ökumenische Dimension des Einsatzes für den Frieden. Mein tiefempfundener Dank gilt den Vertretern des Islam für ihre Teilnahme an der Gebetswache gestern abend. Und voll Liebe begrüße ich unsere „älteren Brüder”, die Juden, die mit uns geistig vereint sind im Gebet zu Gott für das kostbare Geschenk seiner Gerechtigkeit und seines Friedens. Das Ereignis von gestern hat es uns ermöglicht, den unvergeßlichen Gebetstag wiederzuerleben, zu dem wir uns im Oktober 1986 hier an diesem Ort versammelt hatten, der vom Geist des hl. Franziskus, des Pilgers und Apostels des Friedens, geprägt ist. Das neuerliche Zusammentreffen hat uns Gelegenheit gegeben, die tiefen Bande wieder zu achten, die uns im Dienst an der Sache des Menschen und seiner legitimsten Bestrebungen vereinen. 3. Dieses Treffen war besonders dem Gebet für den Frieden in Europa gewidmet, unter besonderer Berücksichtigung der schwierigen Lage der Bevölkerung auf dem Balkan. Wir haben diese Begegnung gemeinsam erlebt. Mit uns verbunden waren die Teilkirchen des gesamten europäischen Kontinents. Unser gemeinsames Ziel war, unsere ständige Sorge für alle Menschen, die durch die Verhärtung und Blindheit der Herzen anderer leiden, zu bekunden und fruchtbar zu machen; die Sorge für alle - Kinder, Frauen, Männer, Alte, wehrlose Bürger, Einzelpersonen und Völker -, 248 REISEN die gezwungen sind, den traurigen Preis des Krieges zu zahlen, den sie nicht gewollt, aber erlitten haben. Unser Einsatz soll tatkräftig sein und konkrete Gestalt im eifrigen und ständigen Gebet annehmen, dem eine uneigennützige humanitäre Hilfsaktion folgen muß. Wir wollen uns auch dazu verpflichten, die Kultur des Friedens zu fördern durch tägliche Gesten der Achtung vor den Rechten der anderen und durch ein geduldiges Mitwirken an der Versöhnung. Während ich zu euch spreche, wird in Genf die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen für Bosnien-Herzegowina vorbereitet. Gott schenke allen Teilnehmern an diesem entscheidungsvollen Treffen Klugheit und Mut, damit für alle Parteien annehmbare Lösungen im Hinblick auf einen wahren und dauerhaften Frieden gefunden werden. 4. All das möchte ich der Fürsprache des Heiligen von Assisi anvertrauen, der selbst Sinnbild des Friedens ist. Vor allem möchte ich auf unsere Bestrebungen und unsere Friedenspläne den mütterlichen Schutz Marias herabrufen. Die seligste Jungfrau erlange von ihrem göttlichen, menschgewordenen Sohn für uns die Gnade, daß wir in Europa und in der Welt endlich den Frieden anbrechen sehen, einen Frieden, der kein Ende nimmt. Ausdrucksvolles Symbol des Friedens, des universalen Ziels, dem unser nun beendetes Gebetstreffen galt, sollen die Kerzen sein, die ich soeben den Mitgliedern der Delegationen überreicht habe, die aus den vom Krieg verwüsteten Regionen hierher gekommen sind. Diese schwachen Hammen der Hoffnung mögen allen, die unter der vom andauernden Krieg verursachten Todestrauer und in Ruinen leben, den Trost des Lichtes der Liebe Gottes bringen, der einzigen und wahren Quelle des Friedens. Maria, die Königin des Friedens, begleite uns und helfe uns allen. An sie wenden wir uns jetzt alle zusammen. Aus dem Glauben an Gott gemeinsam für den Frieden arbeiten Ansprache an die Vertreter der muslimischen Gemeinschaft Europas im Konvent von San Francesco in Assisi am Gebetstag für den Frieden in Europa, 10. Januar Liebe muslimische Brüder und Freunde! 1. Vielleicht kann man sagen, daß kein anderer Heiliger der Kirche das Lob des Friedens und der universalen Brüderlichkeit aller Kinder Gottes so besungen hat wie der heilige Franziskus von Assisi. In der Stadt, in der er geboren wurde und gestorben ist, sind wir versammelt, um den Frieden für die Völker des europäischen Kontinents und besonders für die Balkangenbiete zu erflehen. Ich möchte euch, den hervorragenden Führern der islamischen Gemeinschaft in Europa, danken, daß ihr die 249 REISEN Einladung zur Teilnahme an diesem Tag des Gebetes angenommen habt. Wir haben gebetet und hoffen inständig, daß das Jahr 1993 überall ein Jahr des Friedens wird, auch in jenen Gebieten der Welt, wo noch Konflikte bestehen. 2. In den Zeugnissen, die uns gestern abend vorgetragen wurden, hörten wir, wie sehr die Menschen in den vom Krieg heimgesuchten Gebieten des Balkans leiden. Der tragischste Aspekt dieses Krieges und jedes Krieges ist die Tatsache, daß die am meisten Leidenden gewöhnliche Bürger sind - Eltern, ältere Menschen, Frauen und Kinder -, Menschen, die nur ihre Familien unterhalten, ihrer Arbeit nachgehen, ihr Leben gestalten und ihre religiösen Pflichten in Frieden erfüllen möchten. Gerade diese Menschen aber sind es, deren Stimme auf der internationalen Bühne allzu selten gehört wird und denen daher unsere erste Aufmerksamkeit gelten muß. Wir sind mit diesen Opfern der Unterdrückung, des Hasses und der Grausamkeiten solidarisch, aber auch mit all denen, deren Dörfer niedergebrannt und bombardiert wurden, mit denen, die ihre Häuser verlassen und anderswo Zuflucht gesucht haben, mit den zu Unrecht Festgenommenen und in Konzentrationslagern Gefangenen. Christentum und Islam schärfen uns ein, uns beharrlich für Gerechtigkeit und Frieden für sie und für alle Opfer von Konflikten einzusetzen. Wir haben ferner Zeugnisse der Zusammenarbeit für die Notleidenden vernommen. Wie kann jemand auch angesichts so vieler Leiden ungerührt bleiben? Da alle Menschen von Gott geschaffen und alle Glieder der einen Menschheitsfamilie sind, haben wir die Pflicht, allen zu helfen. 3. Wir sind zusammengekommen, um demütig und bittend vor den allmächtigen Gott hinzutreten. Zu unseren Gebeten haben wir das Fasten hinzugefügt. Dürfen wir darin nicht ein doppeltes Zeichen dafür sehen, daß wir unsere eigene Schwäche erkennen und offen sind für göttliche Hilfe? Unsere Gebete für den Frieden schließen das Anliegen ein, daß auch wir gestärkt werden mögen, um stets als Friedensstifter zu wirken. In dieser Hinsicht bleibt der Aufruf des Zweiten Vatikanischen Konzils an Christen und Muslime, gemeinsam zu arbeiten, auch heute noch gültig; der Aufruf, „gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen” (Nostra aetate, Nr. 3). Ich versichere euch erneut, daß die katholische Kirche wünscht und bereit ist, weiter mit den Muslimen auf diesen verschiedenen Gebieten zusammenzuarbeiten. Möge Gott die in diesem Sinne bereits ergriffenen Initiativen segnen und unsere Bereitwilligkeit stärken, weiter zusammenzuarbeiten. Eure Anwesenheit in Assisi bei diesem Anlaß ist von großer Bedeutung: Sie zeigt, daß wahrer religiöser Glaube eine Quelle gegenseitigen Verständnisses und der Harmonie ist, Und daß lediglich die Verkehrung religiöser Gefühle zu Diskriminierung und Konflikt führt. Die Religion als Vorwand für Ungerechtigkeit und Gewalt zu benützen, ist ein schrecklicher Mißbrauch, der von allen, die wahrhaft an Gott glauben, verurteilt werden muß. 250 REISEN 4. Ihr seid zu diesem Gebetstag aus verschiedenen Ländern Europas gekommen. Ihr seid gekommen, weil ihr Frieden und Gerechtigkeit für alle Völker wollt, die auf diesem Kontinent leben. Dir seid ebenso wie die Christen über Formen des Rassismus und Völkerhasses besorgt, die, wie es scheint, an Einfluß gewinnen. Das sind Übel, und wir, die wir an Gott glauben und seinen Wiflen tun möchten, müssen sie nachhaltig verurteilen, wann und wo immer sie in der Welt auftauchen. Solange die Glaubenden nicht gemeinsam eine Politik des Hasses und der Diskriminierung ablehnen und nicht gemeinsam für das Recht auf religiöse und kultureUe Freiheit in allen menschlichen GeseUschaften eintreten, kann es keinen echten Frieden geben. Ich danke euch erneut für eure Anwesenheit und benütze die Gelegenheit, um euch und den islamischen Gemeinschaften, die ihr vertretet, meine besten Wünsche, verbunden mit meinem Gebet, auszusprechen. Der allmächtige Gott segne unsere Bemühungen, damit wir der Sache der Gerechtigkeit und des Friedens dienen. Franziskus und Klara lebten die evangelische Armut als Friedensbotschaft Ansprache an die Klarissinnen und an die Klausumonnen der Diözese in Assisi am Gebetstag für den Frieden in Europa am 10. Januar Liebe Schwestern in Christus! 1. Es ist mir eine große Freude, anläßlich meines Besuchs in Assisi, zum gemeinsamen Gebet für den Frieden in Europa mit den Brüdern im Bischofsamt, mit den Vertretern anderer Kirchen und christlicher Gemeinschaften und anderen an Gott glaubenden Männern und Frauen guten Wülens in eurer Mitte zu sein, hier in der Basilika der heiligen Klara, in dieser Stadt auf dem Berg, die nunmehr weltweit als Symbol des Gebets und des Friedens gilt. Ihr verkörpert die große Vielfalt der auf das kontemplative Leben hingeordneten Frauenordensinstitute, die eins sind in der Hingabe und der Verpflichtung des geweihten Lebens und der Nachfolge Christi; ihr lebt in Gemeinschaft mit der Weltkirche und dem Nachfolger Petri, gleichzeitig seid ihr aber auch tief mit der Ortskirche und eurem Bischof Msgr. Sergio Goretti, den ich herzlichst begrüße, verbunden. Auf diese Weise verdeutlicht ihr eure Berufung, lebendige Mitglieder der Diözesan-familie, Teilhaberinnen ihrer Freuden und Hoffnungen sowie Zeuginnen der historischen Ereignisse zu sein. Diese eindrucksvolle Stunde des Gebets, in der die Klausurfamilien der Diözese - die Klarissinnen, die Kapuzinerinnen, die Augustinerinnen, die Benediktinerinnen -um den Papst vereint sind, läßt uns auf Erden im voraus die Gemeinschaft der heiligen Gründer und Gründerinnen im Himmel genießen. Zusammen mit uns beten sie, damit der Wille des Vaters, der den Frieden afler seiner Kinder wünscht, „wie im Himmel so auf Erden” geschehe. Ja, unser Treffen bedeutet die Gemeinschaft der 251 REISEN Heiligen in der Barmherzigkeit und der Einheit mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist zu erleben. Wie könnte ich es versäumen, gemeinsam mit euch an diesem Tag des Gebets für den Frieden in Europa, und ganz besonders in den schwer heimgesuchten Gebieten des Balkans, jener zahlreichen dort lebenden Ordensmänner und -frauen zu gedenken, von denen viele der Franziskanerfamilie angehören. Sie waren und sind auch weiterhin ein heroisches Beispiel der Nächstenliebe, und sie setzen sich für die Versöhnung der Herzen ein, indem sie - oft das eigene Leben gefährdend - die Not und das Leid der Bevölkerung teilen. Liebe Schwestern der kontemplativen Ordensgemeinschaften der Diözese, ihr seid die leibhaftigen Vertreterinnen all jener Orte, wo, in Europa und in der übrigen Welt, beschauliche Seelen Tag für Tag, und vor allem bei diesem Anlaß, ihre inständigen Bitten an den Spender alles Guten richten, damit auf alle der Geist der Liebe und der Vergebung, der Einheit und des Friedens herabkommen möge. Die Welt braucht eure „reinen Hände, die, frei von Zorn und Streit, sich zum Himmel erheben” (vgl, 1 Tim 2,8), um für Frieden zu bitten. Ihr verkörpert die Kirche als Braut, die „betende Kirche”, die sich im beharrlichen und einmütigen Gebet in den Klöstern des Westens mit der innigen Fürbitte der Klöster des Ostens verbindet „für den Frieden, der auf uns herabkommen möge und für die Einigkeit aller Menschen” (vgl. Gebet für den Frieden der byzantinischen Liturgie). 2. In dieser Stadt Assisi sind zwei Heilige untrennbar miteinander verbunden in unserer Erinnerung: Franziskus und Klara. Zwei Namen, zwei Berufungen, die die evangelischen Werte der Barmherzigkeit, der Armut, der Reinheit, der geistlichen Freundschaft, des Gebets und des Friedens wachrufen. Hier stehen wir vor den sterblichen Überresten der heiligen Klara, im Protokloster, wo ihre Gegenwart deutlich zu spüren ist und wo ihr Vorbild der Heiligkeit, nach dem heute viele geistliche Töchtern überall in der Welt leben, fortdauert. Liebe Töchter der heiligen Klara, ich bin sehr froh, an der Schwelle der Jubiläums-feierlichkeiten, anläßlich ihres 800. Geburtstages bei euch zu sein. Ein Gnadenjahr, das der gesamten Glaubensgemeinschaft die Möglichkeit geben wird, das Charisma dieser „Frau des Evangeliums” zu bewundern, die das Geheimnis Christi auf ganz besondere Weise ausstrahlt. Klara, wie auch Franziskus, ist die Verkörperung des armen Christus. Sie, die echteste Nachfolgerin des „Poverello”, nannte sich gern „Klara, unwürdige Dienerin Christi, und Pflänzchen des seligen Vaters Franziskus ...” (Regel der heiligen Klara, I, 3; Ordensregeln der Franziskaner, Assisi, 1978, S. 2248). Beide haben das ursprüngliche franziskanische Ideal zum Ausdruck gebracht, indem sie einander ergänzen: Franziskus und seine Brüder durch die Verkündigung der Frohbotschaft, Klara und ihre Schwestern durch das kontemplative Leben in Armut und Buße, das sie gewählt hatten. Wenn Klara der Widerschein Franzikus’ war, und sich in ihm „wie in einem Spiegel sah”, so können wir zweifel- 252 REISEN los sagen, daß, durch ihreVerbundenheit im selben Geist das Licht der Reinheit und der Armut Klaras das Angesicht des „Poverello” erstrahlen ließ, so wie auch der Gedanke an sie und die Gewißheit ihres Gebets ihm in schwierigen Zeiten und Momenten der Prüfung Mut gegeben haben. Aus diesem Grund ist Klara unlösbar mit Franziskus verbunden und sie ergänzen einander in der evangelischen Botschaft. Als ich im März 1982 zu euch kam, habe ich euch nahegelegt, den 800. Geburtstag eurer geistigen Mutter vorzubereiten und feierlich zu begehen. Ich sagte euch damals: „In unserem Zeitalter ist es notwendig, die heilige Klara neu zu entdecken, denn dies ist für das Leben der Kirche wichtig. Ihr wißt ja nicht, welch wichtige Rolle ihr, verborgen und unbekannt, im Leben der Kirche spielt, wieviele Probleme, wieviele Dinge von euch abhängen. Die Wiederentdeckung dieses Charismas, dieser Berufung, ist wichtig; wir brauchen die Wiedererkennung der göttlichen Legende von Franziskus und Klara” (vgl. Osservatore Romano, 14. März 1982, S. 3). 3. Bei dem heutigen Anlaß, wenn die Augen Europas und der Welt auf Assisi gerichtet sind, scheint sich die Botschaft Franziskus’ und Klaras in drei stets aktuellen evangelischen Worten: Armut, Frieden, Gebet zu konzentrieren. Dem Beispiel Franziskus' folgend, hat Klara den Weg der evangelischen Armut gewählt. Sie, die die heilige Agnes von Prag aufforderte, sich den Beinamen „arme Jungfrau des armen Christus” zu nennen (vgl. 2. Brief an die heilige Agnes von Prag, Nr. 18; Ordensregeln der Franziskaner, S. 2288), liebte es, den Herrn der Herrlichkeit in seiner Armut zu betrachten, um in Liebe zu dem zu leben, der „aus Armut bei seiner Geburt in eine Krippe gelegt wurde, der in Armut auf Erden lebte und unbekleidet am Kreuz hing” (Testament der heiligen Klara, Nr. 45; Ordensregel der Franziskaner, S. 2273). Sie war sich bewußt, Teil „einer kleinen Herde” zu sein, „die der Allerhöchste, der Vater, durch das Wort und das Beispiel unseres seligen Vaters Franziskus, in seiner heiligen Kirche gründete, um die Armut und die Demut des geliebten Sohnes und seiner glorreichen jungfräulichen Mutter nachzuahmen ...” (ebd. Nr. 46 und S. 2273). Armut und Frieden sind wie zwei Seiten des gleichen Geheimnisses Christi. Sie sind zwei Forderungen seiner Botschaft, die mehr denn je in der Welt von heute ihre Gültigkeit haben. Ihr, liebe Schwestern, seid berufen, durch eure entwaffnende Armut, die ihr in der vollkommenen Eintracht sanftmütiger und versöhnter Herzen lebt, ein treues evangelisches Beispiel abzulegen. In der diesjährigen Botschaft zum Weltfriedenstag habe ich die Gläubigen aufgefordert, den Geist der evangelischen Armut als Quelle des Friedens zu leben. „Diese evangelische Armut erweist sich als Friedensquelle, weil der Mensch durch sie eine rechte Beziehung zu Gott, zu den anderen und zur Schöpfung herzustellen vermag” (Nr. 5). Aber ohne Gebet gibt es keinen Frieden. Tag für Tag bittet die Kirche den Herrn während der Meßfeier um dieses Geschenk. Wenn die Hoffnung der Menschen auf Frieden zu schwinden droht, wenn die Kraft des Übels und der Einfluß des Bösen, 253 REISEN der als „dia-bolös”, als der Trennende, in die Herzen den Geist des Hasses und der Zwietracht einpflanzt, noch spürbar ist, verharren die Christen, im Namen Christi einträchtig verbunden (vgl. Mt 18,19-20), im Gebet: „Höchster, Allmächtiger, guter Herr und bitten Ihn um den Geist des Friedens und der Güte, um den Geist, der die Herzen bewegt und in ihnen Gedanken des Friedens und nicht des Leides weckt. 4. Eben deshalb sind wir nach Assisi gekommen. Das gilt auch für euch: Wir sind nach Assisi gekommen, um von Gott den Frieden zu erbitten. Liebe Schwestern, der Papst möchte euch diese Aufgabe anvertrauen, damit das heilige Feuer des Bittgebetes für den Frieden nicht erlösche und das Gebet wie Weihrauch mit dem Opfer des Leibes und des Blutes Christi nicht aufhören, emporzusteigen. Ich bitte euch, weiterhin mein universales Petrusamt mit der Kraft eures unablässigen Gebets zu begleiten und zu unterstützen. Ja, mit dem Gebet, in dem sich ein besonderer Aspekt des marianischen Charakters der Kirche zeigt. Tatsächlich seid ihr in der Kirche eine besondere „Ikone” des Mariengeheimnisses, so wie Franziskus es formulierte, als er zu Klara und ihren Schwestern sprach. Das wollte ich euch sagen. Vielleicht ist es zuviel. Man hätte es abkürzen sollen. Ihr wißt alles. Zum Schluß möchte ich zusammen mit eurem Bischof, den Kardinälen und Monsignori, die mich begleiten, euch einen Segen erteilen. Ein Segen, mit ein klein wenig Eigeninteresse, denn ich weiß, daß ihr um den Segen bittet und dafür als Gegenleistung betet und fastet - viel mehr als der Papst, viel mehr als wir alle. Ich bin sehr froh über diesen Besuch am Grab des hl. Franziskus und auch in diesem Heiligtum seiner geistlichen Schwester, der hl. Klara. Es freut mich, euch zu treffen und zu sehen, daß ihr junge Berufungen habt. Man sieht es an den weißen Schleiern und jungen Gesichtem. Ich wünsche euch, immer junge Berufungen zu haben, denn wir brauchen dieses Heer mit der Waffe des Gebetes, des Opfers, der Armut, der Demut des Gehorsams und der Liebe. Wie sie „seid ihr wahrhaft Töchter und Dienerinnen des allerhöchsten Königs, des himmlischen Vaters geworden, und ihr habt euch mit dem Heiligen Geist vermählt, indem ihr gemäß der Vollkommenheit des Evangeliums leben wolltet” (Schreiben an Klara von Assisi: A) Lebensform, Nr. 1; Ordensregel der Franziskaner, S. 136). Seid das Abbild Marias in ihrer unablässigen und innigen Fürsprache. Der Katechismus der katholischen Kirche erinnert uns daran, daß „Maria das vollkommene Gebet, das Bild der Kirche ist. Wenn wir zu ihr beten, stimmen wir mit ihr dem Plan des Vaters zu, der seinen Sohn sendet, um alle Menschen zu erlösen ... Wir können mit ihr und zu ihr beten. Das Gebet der Kirche wird gleichsam von Marias Gebet unterstützt, mit der sie durch die Hoffnung verbunden ist” (Nr. 2679). Ja, auch bei diesem Anlaß werden unser Gebet und unsere Hoffnung auf Frieden von Maria, der Königin des Friedens, unserer Hoffnung, unterstützt. Möge mein Segen euch begleiten, den ich von Herzen allen mit euch geistig vereinten Klausurschwestem erteile. 254 REISEN 2. Pastoraireise nach Benin, Uganda und in den Sudan (3. bis 10. Februar) Benin - das lateinische Quartier Afrikas Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Cotonou (Benin) am 3. Februar Herr Präsident! 1. Mit großer Freude beginne ich meine zehnte Pastoraireise nach Afrika mit einem neuen Besuch in Benin. Es wird nämlich nicht wie 1982 ein kurzer Zwischenaufenthalt sein. An meiner Freude nehmen teil meine hier anwesenden engsten Mitarbeiter, Kardinal Angelo Sodano, Kardinal Jozef Tomko und besonders Kardinal Ber-nardin Gantin, ein Sohn dieses Landes, den ich heute erfreulicherweise an meiner Seite sehe. Ich grüße Eure Exzellenz voll Hochachtung und danke Ihnen sehr für die Worte des Willkommens, die Sie eben an mich gerichtet haben und die mir viel bedeuten. Hochachtungsvoll grüße ich die hier anwesenden bedeutenden Persönlichkeiten, die Parlaments- und Regierungsmitglieder, die Mitglieder der großen Staatskorps wie auch die Mitglieder des Diplomatischen Korps, die die Freundlichkeit hatten, zu diesem Treffen zu kommen: Den einen wie den anderen danke ich für dieses Zeichen der Höflichkeit. In Ihrer Person, Herr Präsident, möchte ich das ganze Volk von Benin aus tiefem Herzen gleich bei meiner Ankunft grüßen, ohne einen Unterschied in der Stammesoder Religionszugehörigkeit zu machen; denn dieses Land war durch seine besondere geographische Lage immer offen und aufnahmebereit. 2. Meine herzlichen Grüße gelten dann meinen Mitbrüdern im Bischofsamt: Msgr. Lucien Monsi-Agboka, dem Bischof von Abomey und Präsidenten der Bischofskonferenz von Benin, wie auch allen übrigen Bischöfen, die ihn umgeben. In eurer Person, Hebe Mitbrüder, grüße ich herzlich und voll Hochachtung die Gemeinschaft der Katholiken, denn die Kirche in Benin kann bereits auf eine lange und nennenswerte Geschichte zurückblicken. 3. Wenn ich in euer Land komme, so weiß ich, daß ich in Kontakt mit einem Volk trete, das alle seine materiellen und menschüchen Mittel entfalten möchte, um ein immer würdigeres Leben führen zu können. Benin hat große Anstrengungen für eine Erneuerung gemacht, und man kann sagen, daß es die übrigen Mitglieder der Völ-kerfamiüe auf dem afrikanischen Kontinent angeregt hat. Insbesondere weiß ich um die Achtung, die ihr dem „Rechtsstaat” und den Bemühungen entgegenbringt, euch Institutionen zu geben, die voll und ganz in der Lage sind, dem Gesetz gegenüber 255 REISEN der Willkür der Menschen Vorrang zu geben. So kann sich wirklich ein echt demokratisches Leben entwickeln. Wenn man früher von eurem Land sprach, sagte man gern, es wäre das „lateinische Quartier Afrikas”, denn hier nahm das Schulwesen gleich mit der Ankunft der Missionare seinen Anfang, und ihr könnt euch glücklich schätzen, eine wertvolle Elite zu besitzen, die fähig ist, die Zukunft zu gestalten. Ich möchte deshalb, daß sich alle lebendigen Kräfte der Nation vereinen, um in einer gefestigten und gutgeführten Demokratie euren Landsleuten die Entfaltung ihrer Persönlichkeit und die Erfüllung ihrer Berufung zur Teilhabe am göttlichen Leben zu ermöglichen. 4. Unter den Bevölkerungsgruppen von Benin werde ich Menschen begegnen, die verschiedenen Religionen angehören. Daher möchte ich schon jetzt alle Glaubenden in diesem Land herzlich begrüßen, zumal jene, die die traditionellen afrikanischen Religionen ausüben, und die Mitglieder der muslimischen Gemeinschaften. Ich wünschte, mein Besuch könnte dazu beitragen, die Bande der Brüderlichkeit unter allen zu festigen, sowie zur Toleranz, zu ungestörtem Zusammenleben, zu Frieden und Nächstenliebe zu ermuntern. 5. Was euch, katholische Brüder und Schwestern von Benin betrifft, so bin ich glücklich, wieder in eurer Mitte zu weilen, denn ich komme aus Rom als Bote des Evangeliums. Um mit den Worten des Apostels Paulus zu sprechen, „sehne ich mich herzlich danach, euch zu sehen; ich möchte euch geistliche Gaben vermitteln, damit ihr dadurch gestärkt werdet... so hegt mir alles daran, auch euch das Evangelium zu verkündigen’ ’ (Röm 1,11.15). Mein Kommen lade euch ein, euren Glauben, eure Hoffnung und eure Liebe zu erneuern. Auf mehreren Kontinenten sind Initiativen ergriffen worden, um eine tiefrei-chende und nachhaltigere Evangelisierung sicherzustellen, damit die Welt echte Zeugen der Liebe Gottes habe und sich wahre Beziehungen brüderlicher Liebe unter den Menschen entwickeln. Auch Afrika ist aufgerufen, dem Ruf des Geistes Gottes Folge zu leisten: Die wichtigen synodalen Versammlungen, die vorbereitet werden, sollen den Evangelisierungsauftrag der Kirche in eurem Land im Hinbück auf das Jahr 2000 herausstellen. Daher ist es notwendig, Katholiken von Benin, daß ihr immer eifrigere Boten unseres Herrn Jesus Christus werdet und Zeugen, die die Liebe in ihrem Herzen ausstrahlen, in ständiger Achtung vor der religiösen Identität der Menschen, mit denen ihr zusammenlebt. Zum Schluß wünsche ich, daß ihr, angeregt von der Soziallehre der Kirche, Seite an Seite mit euren Landsleuten einen nützlichen und hochherzigen Beitrag zum Aufbau der Gesellschaft in Benin leistet. 6. Herr Präsident, ich spreche Ihnen erneut meinen Dank für Ihre Grußworte aus, und ich bedanke mich zugleich für alle Vorkehrungen, die Sie getroffen haben, um diesen Pastoralbesuch zu erleichtern, den ich mit großer Hoffnung antrete. Ich bitte den Herrn, er möge alle Menschen segnen, die hohe Verantwortung im Dienst der 256 REISEN Nation tragen, und ich rufe die Fülle göttlichen Segens auf das ganze Volk von Benin herab. Die Familie ist die erste Wiege der Evangelisierung Predigt bei der Messe mit Priesterweihe in Cotonou (Benin) am 3. Februar 1. „Der Geist des Herrn ruht auf mir” (Jes 61,1). Wir befinden uns in Nazaret. Die Worte des Propheten Jesaja wurden zu Beginn der messianischen Tätigkeit Jesu von Nazaret verkündet. Jesus von Nazaret hat sie im Alter von dreißig Jahren ausgesprochen, und nachdem er die Lesung beendet hatte, fügte er hinzu: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt” (Lk 4,21). Die Worte des Propheten lauten: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde” (Jes 61,1). Jesus von Nazaret spricht die gleichen Worte heute in unserer Mitte aus, mitten unter euch, die ihr die Kirche des lebendigen Gottes seid auf afrikanischem Boden, in Cotonou, in Benin. Ihr alle, die ihr Christus aufgenommen habt, habt auch den Heiligen Geist empfangen. Der sakramentale Ausdruck ist das Zeichen dieser Gabe: die Salbung bei der Taufe, Firmung und beim Sakrament der Kranken. 2. Besonders bezeichnend ist die Salbung beim Weihesakrament: bei der Spendung der Priester- und Bischofsweihe. Heute darf ich selber unter euch weilen, um Söhnen eures Landes das Sakrament der Priesterweihe zu spenden. Es ist ein Tag großer Freude für die Kirche: Eure Söhne, „aus eurer Mitte erwählt” (vgl. Hebr 5,1), werden „Diener unseres Gottes” (Jes 61,6) genannt. Ich freue mich daher mit euch, und wie der Prophet Jesaja sage ich zu diesen jungen Menschen: „Ihr werdet Priester des Herrn genannt, man sagt zu euch Diener unseres Gottes” (Jes 61,6). In euch grüße ich die ganze Kirche von Benin, die Kirche, welche das Volk Gottes und die königliche Priesterschaft ist. Wenn ihr heute vor den Bischof tretet, um geweiht zu werden, bezeugt ihr in eurer Person, daß ihr Frucht und Ausdruck des königlichen Priestertums des Volkes Gottes seid, berufen, ihm zu dienen. Gott segne eure Familien, Gott segne eure Pfarreien und eure Diözese Cotonou! Gott segne euer Heimatland Benin! Durch den Dienst des Bischofs von Rom segne Gott alle hier anwesenden Gläubigen, aber auch die der anderen Diözesen von Benin, zumal die von Porto-Novo, von Abomey und Lokossa! Von Herzen begrüße ich meine Mitbrüder im Bischofsamt: Msgr. Isidore de Souza, den Erzbischof von Cotonou, dem ich für seine Worte des Willkommens danke; 257 REISEN Msgr. Lucien Monsi-Agboka, den Präsidenten der Bischofskonferenz von Benin, sowie die übrigen Bischöfe dieses Landes. Ich möchte nicht die beiden alten Erzbischöfe von Cotonou vergessen: Kardinal Bemardin Gantin, mit dem mich so viel verbindet, und Msgr. Christophe Adimou, dessen Weisheit für euch in diesen schwierigen Jahren wertvoll war. Und ich schließe in diesen Gruß auch die Bischöfe ein, die aus den Nachbarländern oder von weither gekommen sind. Einen herzlichen Gruß richte ich an die Priester, an die Ordensfrauen und -männer, an die Katecheten und an alle Gläubigen von Cotonou und von Benin, aus den Nachbarländern Togo, Ghana und Nigeria. Auch den nationalen und regionalen Obrigkeiten, die freundlicherweise an dieser liturgischen Feier teilnehmen, spreche ich meine ergebenen Grüße aus. Willkommen heißen möchte ich bei dieser Versammlung auch unsere Brüder aus anderen christlichen Konfessionen sowie aus anderen religiösen Überheferungen, die an diesem Fest ihrer katholischen Freunde teilnehmen wollten. 3. Liebe Diakone, die ihr nun die Priesterweihe empfangt! Der Apostel Paulus schrieb an Timotheus, dem er die Hände aufgelegt hatte, wie euch der Bischof von Rom heute seine Hände auflegen wird: „Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus ... verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne in unermüdlicher und geduldiger Belehrung” (2 Tim 4,1-2). Und weiter: „Sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle treu deinen Dienst” {2 Tim 4,5). Dieses apostolische Programm ist immer noch aktuell. Auch heute noch gibt es die Leitlinien für Berufung und Dienst sämtlicher Hirten der Kirche an. So soll es auch euer Programm sein. Ihr übernehmt heute euren Teil am Dienst und an der Verantwortung, indem ihr Priester werdet: Seid „getreue Diener”, wenn ihr das Wort verkündet, das Volk Gottes versammelt und leitet und wenn ihr die Gnadengeschenke, die Sakramente, feiert. 4. Priester, ihr setzt euer Leben dafür ein, daß die Evangelisierung in eurem Land Fortschritte mache. Die Erlöserhebe Christi beseele euch in ah eurem Tun, denn man kann kein wahrer Zeuge Christi sein, wenn man seine Brüder und Schwestern nicht hochherzig und selbstlos liebt! Die Quelle dieser Liebe findet ihr in eurem Herzen, das in der Innigkeit des Gebetes mit dem Herzen Christi vereint ist. Kraft und Treue für diese Liebe empfängt ihr in der Eucharistie und im Sakrament der Versöhnung. Aber der Mut, das Wort zu verkünden, eure pastoralen Initiativen zu verstärken, die Hoffnung zu wecken und dahin zu wirken, daß die Evangelisierung immer aktuell bleibt, dieser Mut wird euch geschenkt, wenn ihr euch von Jesus Christus ergreifen laßt, von ihm, der „die Seinen liebte ... bis zur Vollendung” (vgl. Joh 13,1). Mit euch danke ich Gott für all diese Gaben, die euch durch die Kirche in eurem Land vermittelt wurden. 258 REISEN 5. Das, was ich Mer den Weihekandidaten sage, liebe Brüder und Schwestern, das sage ich zugleich euch allen, die ihr die Frohbotschaft euren Brüdern und Schwestern mitteilen möchtet. Wenn ihr Jesus, den Heiland, mit offenem Herzen aufnehmt, wird er in eurem Haus wohnen, und eure Familie leuchtet auf in seiner Liebe. Ja, die Familie ist die erste Wiege der Evangelisierung: die Liebe, die von Gott kommt, bereichert und reinigt die Liebe der Ehegatten und Eltern. Die Liebe macht sie hochherzig in der Bejahung, Erziehung und .Glaubenserweckung ihrer Kinder. Sie ist eine Quelle des Vertrauens und der gegenseitigen Achtung. Und die Gnade Gottes, der alle Menschen hebt, erlaubt ihnen, die bedeutenden Augenblicke ihres Lebens zu heiligen: Geburt, Eheschließung und die letzten Abschnitte unseres Pilgerweges. Die brüderliche Liebe, bereichert durch die Liebe zu Gott, lädt zur Achtung der Würde eines jeden Familienmitglieds ein, auch wenn die Prüfungen des Lebens es geschwächt oder isoliert haben. Der heilige Paulus sagt: „Die Liebe trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht.” Der Jünger Christi kann nichts billigen, was den Nächsten verwundet oder zerstört. Im Gegenteil, fährt der heilige Paulus fort: „Die Liebe freut sich an der Wahrheit; sie erträgt alles ... sie hält allem stand” (1 Kor 13,5-7). Fürchtet euch also nicht, das Böse zurückzuweisen, habt vielmehr Mut, zu lieben: Mi Kpan Kon! (Habt Mut!). Die Kirche kann nur dann lebendig und offen sein, wenn die Familien als erste das Evangelium aufnehmen. Auch die Nächstenhebe reift im Schoß der Familie, um sich dann in der ganzen Gemeinschaft der Kirche zu verbreiten, die ja vereint ist, um die Gaben Gottes zu teilen und auf den Wegen des „ewigen Bundes”, den der Prophet Jesaja angekündigt hat (vgl. Jes 61,8), voranzuschreiten. Die Christen aber haben die Freude, von einer Botschaft der Wahrheit, die erheht und Quelle der Hoffnung ist, geleitet zu werden. Und das Gesetz, das ihre Lebensweise regelt, ist gänzlich zusammengefaßt in der höchsten Botschaft der Liebe Jesu zu seinen Freunden. Die Gemeinschaft unter den Söhnen und Töchtern der Kirche und Gliedern desselben Leibes Christi entspricht zugleich dem Wunsch des Erlösers: „Daran werden ahe erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt” (Joh 13,35). 6. Brüder und Schwestern, die große Aufgabe der Kirche in Benin wie in ganz Afrika und in der ganzen Welt ist die Neuevangelisierung. Sie wird die Frucht der Liebe sein, die ihr in euren Herzen, daheim, in euren Pfarrgemeinden, Bewegungen und Diözesen leben dürft. Diese Liebe muß eure Zusammenarbeit mit den Landsleuten zum Wohl eures Landes prägen, das heute die tatkräftige Hochherzigkeit aller Einwohner von Benin nötig hat. Der Christ, der seinen Nächsten Hebt, verteidigt in der Gesellschaft die Rechte der Person und erfüllt seine Pflicht gegenüber dem Gemeinwohl. Zugleich gilt es, nach Gerechtigkeit zu streben und Solidarität zu üben. Vor euch stehen viele schöne Aufgaben zum Wohl eurer Nation: Meistert also eure Zukunft mit dem Mut der Liebe! Mi Kpan Kon! (Habt Mut!). Hesi ma di mi o! (Habt keine Angst!). 259 REISEN Das Evangelium dieser Messe bringt uns Kunde -von Jesu Worten, die die Bedeutung der brüderlichen Liebe und ihren tiefen Sinn aufzeigen: die Armen, Kranken, Fremden oder Gefangenen sind der „Nächste”, dem wir einfach und konkret helfen müssen. Es beginnt damit, daß wir ihm zu essen und zu trinken geben, ihn bekleiden, für ihn sorgen und ihn besuchen. Und wie die Menschen, zu denen der Herr spricht, sind auch wir erstaunt: Jesus identifiziert sich mit den „Kleinen, die seine Brüder sind” (vgl. Mt 25,40). Wie können wir also am Wegrand Brüder und Schwestern hegenlassen, in denen Christus gegenwärtig ist? Wie können wir Zeugen des Evangeliums sein, wenn wir nicht eine Solidarität Vorleben, die für jeden unserer Nächsten offen ist? Wie können wir einen einzigen Leib bilden, ohne alle unsere Mitmenschen in der gleichen Liebe zu umfassen? 7. „Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der Lebenden und der Toten.” Der Evangehst Matthäus zeigt uns, wie dieses Gericht abläuft. Wir lesen diese Worte oft, und wir hören sie immer mit tiefer Ergriffenheit. Sie sprechen zu uns von der Parusie, das heißt von der endgültigen Wiederkunft des Erlösers der Welt, die zugleich das Ende der Zeiten und die Offenbarung des Reiches Gottes selber bedeutet. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan” (Mt 25,40). „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan” (Mt 25,45). Jesus Christus hatte seine messianische Sendung anfangs in Nazaret offenbart. „Er zog umher und tat Gutes” (Apg 10,38). Er hat die Welt durch seinen Opfertod am Kreuz losgekauft aus Liebe zum Vater und zu allen Menschen. Am Ende der Welt wird er wiederkommen, um „Gericht zu halten über die Lebenden und die Töten” (vgl. 2 Tim 4,1). Wir werden dann nach der Liebe beurteilt, jeder einzelne von uns, Männer und Frauen. Verrichten wir also die Werke der Liebe! Ihr, die ihr heute euren priesterlichen Dienst auf diesem afrikanischen Boden beginnt, dient Christus sowie euren Brüdern und Schwestern in Liebe! Stellt euch wie Christus in den Dienst aller! Und möge eure Weihe euch zu Bauleuten des Friedens und der Einheit machen! Fifa ni no Kpo Ha mi! (Der Friede sei mit euch!). Ich vertraue euch ganz besonders der Mutter Christi an, wie Jesus ihr seinen Apostel auf Kalvaria anvertraute. Der Segen des lebendigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, komme auf euch herab, und bleibe bei euch allezeit! Do To tarne. Do vi Tarne. Do Yesinen Tarne. Amen. (Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.) 260 REISEN Am Ende der heiligen Messe richtete der Papst folgende Gruß- und Dankesworte an die Gläubigen: Liebe Schwestern und Brüder, wir danken Gott, unserem Herrn, für diesen Nachmittag, für diesen eindrucksvollen Abend. Wir danken ihm für die neugeweihten Priester. Wir danken der ganzen Versammlung. Wir danken dem Herrn Präsidenten der Republik Benin. Wir danken den Chören für die Gesänge und die wunderbare Teilnahme. Wir beten vor allem für die neugeweihten Priester, Söhne eures Volkes, wie Kardinal Gantin es ist, ein Sohn in der Weiterführung des Priesterberufs. Kardinal Gantin sei gedankt für seine Arbeit an der römischen Kurie, an der Seite des Papstes. Dank euch allen für eure Treue, eure Verbundenheit mit Christus und seine Kirche. Gott segne euch immer und überall! Grußworte an die Togolesen nach der Priesterweihe Am Ende dieser Feier möchte ich einen freundschaftlichen Gruß an die unter uns anwesenden Togolesen richten wie auch an die Delegationen, die aus Ghana, Nigeria und anderen Nachbarländern gekommen sind, um sich mit der Kirche von Benin zu vereinen. Ich möchte den Bischöfen, den Priestern, den Ordensfrauen und -männern, den Katecheten und den übrigen Gläubigen aus Togo und durch Vermittlung derer, die hier sind, allen Togolesen meine ganze Sympathie und Zuneigung aussprechen. Schon in Rom dachte ich oft an euer Land. Zur Zeit habt ihr mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, mit politischer und wirtschaftlicher Unbeständigkeit, Unsicherheit und Gewalt. Diese Situation veranlaßt Tausende von Togolesen, ihr Land zu verlassen. Deshalb bete ich unvermindert in dieser Zeit der Prüfung, Gott möge eurem Volk den Frieden schenken. Gewalt und Mißachtung der berechtigten Erwartungen der Bürger haben noch nie zu staatlichem und sozialem Fortschritt geführt. Man kann sogar sagen, daß sie oft ein unverantwortliches Verhalten erkennen lassen. Nur die Werte, die die demokratische Ordnung und das Gefüge des Rechtsstaates festigen, erlauben es, eine bessere Zukunft vorzubereiten. Töchter und Söhne der Kirche in Togo, in diesem Jahr der Hundertjahrfeier der Evangelisierung eures Landes bete ich darum, daß ihr im Glauben fest bleibt, daß ihr der Sauerteig in der Masse seid und daß mit euch und durch euch alle Togolesen die Freiheit in der Solidarität kennenlemen. Das sind die Bitten, die ich durch die mütterliche Fürsprache Unserer Lieben Frau an Gott richte. Möge Gott euch und alle Völker Afrikas segnen! 261 REISEN Verkündet eurem Volk, daß es von Gott geliebt wird! Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen von Benin in Cotonou am 3. Februar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Am Ende meines ersten Tages auf dem Boden von Benin bin ich besonders froh über diese brüderliche Begegnung mit euch, den Hirten der diözesanen Gemeinschaften des Landes, und ich danke herzlich Msgr. Luden Monsi-Agboka, dem Bischof von Abomey und Präsidenten der Bischofskonferenz, für das, was er hebenswürdigerweise in euer aller Namen zu mir gesagt hat. „Die Neuevangelisierung” ist das Hauptthema, das ihr für den Besuch des Papstes in Benin gewählt habt. Meine Vorschläge gelten daher diesem aktuellen Thema, und sie hegen zugleich auf der Linie der Enzyklika Redemptoris missio: „Wie der auferstandene Herr dem Apostelkollegium mit Petrus an der Spitze den Auftrag zur Weltmission übertragen hat, so hegt diese Verantwortung vor allem auf dem Kollegium der Bischöfe” (Nr. 63). 2. Über die Funktion der Bischöfe sowohl als Kollegium wie auch als Hirten, die persönlich die verschiedenen Diözesen leiten, sagt das Zweite Vatikanische Konzil folgendes: „Unter den hauptsächlichen Ämtern der Bischöfe hat die Verkündigung des Evangeliums einen hervorragenden Platz” {Lumen Gentium, Nr. 25). Die Welt braucht heute mehr denn je die Verkündigung der Frohbotschaft. So soll das Evangelium nicht nur in die geographischen Räume getragen werden, wo es noch nicht hingelangt ist, sondern auch und vor allem in alle Bereiche der Menschheitsfamilie, die es von innen her mit Leben erfüllen soll. Ziel der Evangelisierung ist daher, verbunden mit der Annahme des Glaubens, auch die innere Wandlung, die Bekehrung des persönlichen und kollektiven Bewußtseins der Menschen. 3. Nach den Initiativen der ersten Missionare und ihrer Nachfolger ist die Kirche in Benin mit Hilfe der Einwohner des Landes selber gewachsen. Sie besitzt heute ihre Priester und Bischöfe wie auch einen Kardinal, dem in Rom die Verantwortung für ein sehr wichtiges Dikasterium anvertraut ist und dessen Mitarbeit ich schätze. Die Priesterberufe, die hier reifen, sind ein Zeugnis für die Lebenskraft der christlichen Gemeinschaften. Das Große Seminar von Saint-Gall, auf das die Kirche in Benin stolz sein kann, hat mehreren Diözesen von Westafrika Generationen von Priestern mit einem tiefen geistlichen Leben geschenkt, die zugleich von großem missionarischem Eifer erfüllt sind. Laßt mich euch im Namen der Kirche meinen Dank aussprechen für die Arbeit, die in Ouidah an diesem Zentrum für die Vorbereitung auf das priesterliche Leben geleistet wurde. Ich wünsche, daß den Seminaristen - dank einer immer fruchtbareren Zusammenarbeit unter den Bischöfen und dem Professorenkollegium - eine qualitativ hochstehende Ausbildung vermittelt wird und daß man weiter beim Ordensberuf Klugheit walten läßt. Gewiß wünscht sich die 262 REISEN Kirche Priester in großer Zahl, aber nicht um jeden Preis, denn nur Priester nach dem Herzen Christi können den unermeßlichen Bedürfnissen der Ernte entsprechen. In Benin wie in anderen Ländern Afrikas stehen engagierte Laien und tüchtige Katechisten an der Seite der Hirten, um den Christengemeinden noch festere Grundlagen zu geben. Liebe Brüder, stärkt in den gläubigen Laien noch mehr das Bewußtsein von ihrer Rolle und Sendung in der Kirche; entfaltet in ihnen den Sinn für die Mitverantwortung beim nie vollendeten Werk der Evangelisierung. 4. Im Verlauf der schweren Jahre, die euer Land durchgemacht hat, habt ihr es nicht daran fehlen lassen, eurem Volk das Licht des Evangeliums anzubieten. Im Jahre 1989 habt ihr es in einem Dokument, das vor allem das nationale Leben tief geprägt hat, zur Bekehrung eingeladen; ihr habt euer Volk zur Beteiligung an der Neuordnung eures Landes ermuntert; und vor etwa einem Jahr habt ihr ihm beim Nachdenken über die Erfordernisse der Demokratie geholfen. Ich hoffe, daß ihr geduldig Und unermüdlich euer Werk als gute Samariter weiterführt; denn die lange Dauer eines heute glücklicherweise beseitigten Regimes hat eure Landsleute auf eine harte Probe gestellt und ihre Reaktionsfähigkeit geschwächt: Der verwundete Mensch muß nun erst alle Kräfte seines Menschseins zurückgewinnen. So brauchen die Einwohner von Benin eure verständnisvolle Präsenz und eure Hirtensorge. Helft ihnen, wieder Hand anzulegen und ihre Kräfte für das Gemeinwohl neu zu sammeln. 5. Ich bin glücklich über den großen Dienst, den die Hierarchie dieses Landes in der Person von Msgr. Isidore de Souza der Nation in einer wichtigen Stunde geleistet hat, und ich beglückwünsche euch dazu. Allgemein spreche ich den Wunsch aus, daß jene, die geglaubt haben, aus dem Geist des Evangeliums heraus ausnahmsweise eine vorübergehende Aufgabe politischer Ordnung übernehmen zu müssen, unverzüglich zu ihrer eigentlichen Aufgabe in der Seelsorge zurückkehren, für die sie die Weihe empfangen haben. Auf diesem Gebiet ist es nämlich besser, treuen Laien die Aufgabe im Rahmen des Möglichen anzuvertrauen, wie es auch der Katechismus der katholischen Kirche lehrt: „Es kommt den Hirten der Kirche nicht zu, direkt in den politischen Aufbau und in die Organisation des sozialen Lebens einzugreifen. Diese Aufgabe gehört zur Berufung der treuen Laien, die aus eigener Initiative mit ihren Mitbürgern Zusammenarbeiten” (Nr. 2442). Mögen die Katholiken von Benin sich gründlich mit der Soziallehre der Kirche vertraut machen, um wirklich Licht, Salz und Sauerteig zu sein, so daß sie in der Lage sind, alle irdischen Wirklichkeiten mit christlichem Eifer zu beleben! 6. Die Evangelisierung, die das Herz des bischöflichen Dienstes bildet, verläuft über die Inkulturation des Glaubens. Dieses Thema hegt euch am Herzen und ist Gegenstand eurer Überlegungen, schon allein im Hinblick auf die Sondersynode der Bischöfe für Afrika. 263 REISEN Die Botschaft des Evangeliums spielt eine prophetische und zugleich kritische Rolle. Sie will erneuern, aber auch das aussieben, was unklar oder minderwertig ist, sei es in den Sitten der Vorfahren, sei es in den erst kürzlich aus dem Ausland eingeführten Praktiken. So kann all das aufgenommen werden, was gut, edel und wahr ist, damit das christliche Geheimnis den afrikanischen Begabungen entsprechend ausgedrückt wird. Dieses Bemühen um Inkulturation erfordert viel Zeit, theologische Klarheit und geistiges Unterscheidungsvermögen. Auch in Europa, das als erstes, vom Mittleren Osten abgesehen, die Wohltat der Verkündigung des Evangeliums durch die Apostel erfuhr, dauerte es eine gewisse Zeit, bis das Evangelium eine christliche Kultur hervorbrachte. Auch in Afrika wird es einige Zeit dauern. Das Zweite Vatikanische Konzil hat drei Kriterien für die Unterscheidung bei der Aufnahme kultureller Werte der Völker aufgestellt, nämlich: ihre Brauchbarkeit, zum Lob Gottes, des Schöpfers, beizutragen; ihre Fähigkeit, die Gnade des Erlösers ins Licht zu stellen; endlich ihre Brauchbarkeit für eine gebührende Ordnung des christlichen Lebens (vgl. Ad gentes, Nr. 22). Gegründet auf der apostolischen und kirchlichen Überheferung, ist die Inkulturation an der Schwelle des dritten Jahrtausends die große Aufgabe der katholischen Kirche in Afrika. Ausgehend von der christlichen Lebenskraft, geht es darum, echt afrikanische Früchte hervorzubringen in Einheit mit den übrigen Teilkirchen des Kontinents und mit der Gesamtkirche. Für euch als Hirten in Benin geht es um die Erkenntnis dessen, wie ein Beniner in seinem Leben ganz und gar Christ sein kann. 7. Wir wollen noch über einen weiteren Aspekt der Berufung des Bischofs nach-denken: Die Bischöfe sind innerhalb und außerhalb ihrer Diözesen Erbauer der katholischen Einheit. Sie machen sich in besonderer Weise das letzte Gebet Jesu für die Seinen zu eigen: „Heiliger Vater, bewahre meine Jünger in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir” (Joh 17,11). Bei der Bischofsweihe hat ein jeder von uns durch die Handauflegung den Geist empfangen, der uns die Fülle des Priestertums mitteilt und aus uns Hirten des heiligen Volkes macht. Unter euch aber hat der Herr mir die Aufgabe übertragen, euch in dieser Sendung zu stärken, damit wir gemeinsam die Einheit der Kirche, ihre Treue und ihr Wachstum sichern. Diese persönliche Aufgabe des Nachfolgers Petri darf ich zu meiner Freude durch diesen Pastoralbesuch in Benin erfüllen, und ich danke euch nochmals dafür, daß ihr mir die Gelegenheit dazu gegeben habt. „Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde” (1 Petr 5,2). Der Hirt hat die Aufgabe, zu sammeln und zu führen: Das tut nun der Bischof. Er tut es, wenn er bei der Eucharistiefeier den Vorsitz führt, dem Sakrament, das die Kirche aufbaut, Er tut es, wenn er die Getauften in alle Welt sendet, um Zeugen des Evangeliums zu sein. Ich weiß, daß unter euch ein Klima der Einheit und der brüderlichen Zusammenarbeit herrscht, und ich danke Gott dafür. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Vorgänger von Msgr. Lucien Monsi-Agboka im Amt des Präsidenten der Bischofskonferenz, dem Alt-Erzbischof von Cotonou, Christophe Adimou, Ehre erweisen, 264 REISEN dessen Weisheit, Ausgeglichenheit, pastoraler Sinn und Weitblick in schwierigen Stunden viel zum guten Einvernehmen, das heute unter euch herrscht, beigetragen haben. 8. Liebe Brüder, teilt mit euren diözesanen Gemeinschaften diesen Schatz der Einheit und diesen Zusammenhalt, „damit die Welt glaubt” (Joh 17,21). So werdet ihr auch besser dem Angriff der Sekten gewachsen sein, die sich vervielfacht haben und vom Christentum ein entstelltes Bild bieten. Gebt weiterhin Zeugnis von der Einheit, indem ihr euch engagiert: Die Diözesen des Nordens brauchen die Diözesen des Südens. In bestimmten Gebieten befindet sich Benin noch im Vorstadium der Evangelisierung, und ihr spürt den Mangel an pasto-ralen Mitarbeitern. Ich weiß, daß Priester aus dem Süden sich im Norden einsetzen: Ich beglückwünsche euch zu diesen hochherzigen und selbstlosen Initiativen. Wie manche von euch erfahren haben, wird außerdem die Pastoralarbeit wirksamer und trägt mehr Frucht, wenn man jenen Teil, für den man selber verantwortlich ist, entschlossen der Gesamtkirche öffnet. 9. Bei eurer Aufgabe habt ihr zu eurer Freude die Hilfe der Ordensmänner und Ordensfrauen des aktiven und kontemplativen Lebens. Ihr Leben als gottgeweihte Menschen läßt sie ebenfalls in eurem Sinn zu Bauleuten der Einheit werden, die sich dafür einsetzen, die Schranken unter den Menschen niederzureißen. Ich wünsche, daß sich in Benin wie auch sonst in Afrika zwischen den gottgeweihten Personen und den Hirten ein herzliches Verständnis und gegenseitige Achtung entwickeln. Dazu wird es nützlich sein, den Seminaristen eine gediegene Information über den Ordensstand zu vermitteln. Ich wünsche ebenfalls, daß die bereits vorhandenen Strukturen zur koordinierten Zusammenarbeit zwischen Bischöfen und Ordensoberen neuen Antrieb erhalten zugunsten eines immer größeren Verständnisses und einer aktiveren Zusammenarbeit in der Gesamtpastoral. Macht es zu eurem Herzensanliegen, in eure Hirtensorge als wichtigen Teil die deutliche Förderang des Ordenslebens einzubeziehen: Seine Einpflanzung ist zugleich ein Zeichen für die Entwurzelung der Evangelisierung in Teilkirchen und bürgt dafür, daß die Mitglieder der diözesanen Gemeinschaft ihren Glauben vertiefen. Praktisch solltet ihr nicht so sehr Neugründungen vornehmen, sondern mehr zur Entwurzelung der schon bestehenden Niederlassungen beitragen. Helft den gottgeweihten Menschen, dem Charisma ihres Stifters und ihren Gelübden treu zu bleiben, damit sie ein Beispiel der Ganzhingabe an den Herrn geben. Die jungen Generationen müssen Vorbilder für eine endgültige Bindung vor Augen haben, um ihr eigenes Leben zu gestalten als Antwort auf den Gott der Liebe, der mit den Menschen einen neuen und ewigen Bund geschlossen hat. 10. Aufmerksam für ein klares „Zeichen der Zeit” möchte die Kirche natürlich den Dialog in ihr Aktionsprogramm aufnehmen. „Der interreligiöse Dialog ist Teil der Sendung der Kirche zur Verkündigung des Evangeliums. Wenn er als Methode und 265 REISEN Mittel zur wechselseitigen Kenntnis und Bereicherung verstanden wird, steht er nicht in Gegensatz zur Mission ad gentes, sondern hat vielmehr eine besondere Bindung zu ihr und ist sogar Ausdruck davon” (Redemptoris missio, Nr. 55). In der Überzeugung, daß die Liebe Christi alle Hindernisse zu überwinden vermag (vgl. Rom 12,21), entwickelt weiter mit den Gläubigen aus anderen Religionen eine Atmosphäre, die allen die Voraussetzungen bietet für eine Anhänglichkeit an den Glauben in voller Freiheit. Ermuntert das gegenseitige Kennenlemen und die gegenseitige Achtung bei dem gemeinsamen Bemühen um Entfaltung der menschlichen Person, die nur erreicht werden kann, wenn man entschlossen ist, jede psychologische, moralische oder physische Gewalt zu vermeiden. In bezug auf diesen Punkt, der euch in Benin besonders betrifft, darf ich euch einla-den, über das nachzudenken, was bei meiner Begegnung mit der muslimischen Jugend von Casablanca am 19. August 1985 wie auch im Dokument „Dialog und Verkündigung” gesagt wurde, das der Päpstliche Rat für den interreligiösen Dialog und die Kongregation für die Evangelisierung der Völker im Mai 1991 veröffentlicht haben. 11. Sagt allen und zumal den Jugendlichen ein Wort der Hoffnung nach dem Beispiel des Herrn, der voll Erbarmen und Mitleid mit seinen Brüdern war. Ihr wißt, euer Volk muß von den alten Ängsten befreit werden: Es hat Furcht vor den Vorfahren, denen man vielleicht nicht treu geblieben ist, Furcht vor den Zauberern und Furcht vor den „gris-gris”; es braucht den Zuspruch, daß es von Gott geliebt wird, daß es durch Christus von allen Übeln, die die Menschheit bedrängen, befreit wurde und daß es besondere Talente besitzt, die es zugunsten Afrikas und der übrigen Welt entfalten kann. „Die Tugend der Hoffnung antwortet auf die Sehnsucht nach Glück, die Gott ins Herz eines jeden Menschen eingepflanzt hat; sie nimmt die Hoffnungen in sich auf, die die Tätigkeiten der Menschen anregen; sie reinigt sie auch, um sie auf das Himmelreich hinzuordnen: Sie schützt vor Entmutigung; sie ist Stütze in Augenblicken der Verlassenheit; sie macht das Herz weit in der Erwartung der ewigen Seligkeit. Der innere Antrieb der Hoffnung bewahrt vor dem Egoismus und führt zum Glück der Liebe” (Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1818). Schenkt also eurem Volk wieder Hoffnung, und belebt seinen Glauben an die Zukunft. Wie ihr in eurem Hirtenbrief vom Februar 1992 geschrieben habt, festigt das, was „unter Mühsal und Tränen mit Gottes Hilfe ausgesät worden ist”. Euer Land kann mit einer, großen Zahl von mutigen Frauen und Männern rechnen, die sich dem Gemeinwohl widmen möchten und die aus dem Glauben leben „und arbeiten, als wenn alles von ihnen abhinge, aber zugleich beten, als ob alles von Gott abhinge”. Aus vollem Herzen erteile ich euch erneut meinen apostolischen Segen. Euch persönlich, Hirten dieses teuren Volkes Gottes, vertraue ich der mütterlichen Sorge Unserer Lieben Frau an, und ich segne euch ebenfalls in aller brüderlichen Verbundenheit. 266 REISEN Am Schluß der Begegnung fügte der Papst hinzu: Es ist zu spät, noch lange Reden zu halten; es ist besser, diese Zeit zum Lesen, Studieren und Nachdenken zu nutzen. Ich möchte nur zu einer Sache etwas sagen: Der Präsident berichtete mir, daß das Volk sehr zufrieden, sehr froh ist, den Papst zu sehen. In der Tat muß ich feststellen, daß sich das Volk darüber freut, die Bischöfe mit dem Papst zu sehen. Den Papst mit den Bischöfen von Benin als Ausdruck der vollen Nachfolge, der Nachfolge der Zwölf. Es ist die Nachfolge Petri, die Nachfolge der Zwölf wie zur Stunde des Pfingsttages. Ich glaube also, daß wir heute das Pfingsten von Benin erlebt haben, vor allem durch die Teilnahme, die Begeisterung der Christen bei dieser Versammlung und besonders durch die Priesterweihe eurer Söhne, eurer Neupriester. Ich danke euch für die Geschenke, besonders für die Marienfigur. Die Statue der Jungfrau auf dem Weg versinnbildlicht das, was in Lumen Gentium geschrieben steht, und zwar, daß sie immer dem Volk Gottes vorangeht. Wir sehen dieses wandernde Volk nicht deutlich, aber wir können uns vorstellen, daß sie dem Volk Gottes überall vorangeht; sie geht auch dem Volk Gottes von Benin und von Afrika voran, und das ist das Kennzeichen für die ganze Kirche in Benin. Deshalb wünsche ich euch weiterhin Erfolg im gesellschaftlichen Fortschritt. Dieser Bürgersinn einer friedlichen Gemeinschaft hat es - Gott sei Dank - bewirkt, daß ich heute den ehemaligen Präsidenten Kerekou, der mich vor elf Jahren empfangen hatte, treffen und den Beifall hören konnte, als der jetzige Präsident über seine Verdienste sprach, Verdienste, die auch eine Umkehr betreffen. Eine Umkehr im sozialen und politischen Sinn, die eurem Land zu einer friedlichen und für die Zukunft vielversprechenden Lösung verholfen hat. Deshalb wünsche ich euch ein gutes Fortschreiten auf diesem Weg in nationaler und kirchlicher Hinsicht. Vielen Dank. Gewissens- und Religionsfreiheit als Basis des nationalen Zusammenlebens Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern des Islam in Parakou (Benin) am 4. Februar Meine Herren Würdenträger, Vertreter der muslimischen Gemeinschaften in Benin! 1. Ich bin glücklich, daß ich euch im Verlauf meines zweiten Besuches in Benin begegnen kann. Ich sage Gott Dank, der mir oft die Gelegenheit geschenkt hat, auf meinen apostolischen Reisen die religiösen Führer der Muslime und die Gläubigen des Islam zu treffen. Niemanden wundert es, daß Brüder, die an einen einzigen Gott glauben, sich besser kennenlemen und ihre Erfahrungen austauschen möchten. Ich danke euch auch für die edlen Worte, die ihr eben am mich gerichtet habt. 267 REISEN Viele gemeinsame Punkte zwischen Muslimen und Christen sind mit der Verehrung Gottes verbunden, wie der bedeutende Platz, der dem Gebet eingeräumt wird, die Hochschätzung der Moral und der Sinn für die Würde der menschlichen Person, die für die Transzendenz offen ist. Wir erkennen dort gewisse Quellen für die wesentlichen Rechte des Menschen. Ihr versteht, daß der Papst als Oberhaupt und Hirte der Kirche, wenn er die Gemeinschaft der Katholiken in Benin besucht, unbedingt auch die Vertreter der muslimischen Gemeinschaft treffen wollte. 2. In Benin leben Christen und Muslime seit langer Zeit Seite an Seite zusammen. Ich kann die einen wie die anderen in ihren Bemühungen nur ermuntern, die sie machen, um in der gegenseitigen Kenntnis und Wertschätzung zu wachsen. Euer Land hat Zeiten des Ruhmes und Zeiten großer Schwierigkeiten durchgemacht: So ist die Stunde gekommen, wo alle Einwohner von Benin ohne Unterschied der Volks- oder Religionszugehörigkeit aufgerufen sind, ihre Kräfte für seinen Wiederaufbau zu vereinen. Die Entwicklung Benins, an der Muslime, Christen und Anhänger der traditionellen Religion teilhaben sollen, müßte allen Schichten der Bevölkerung zugute kommen unter Vermeidung aller Formen der moralischen, physischen oder psychologischen Gewalt. 3. Dieser neue Aufbau Benins muß vom Fundament, der Familie, ausgehen. Ich bin sicher, daß ihr euch der Wichtigkeit der Werte der Familie bewußt seid, die heute oft bedroht sind, und daß ihr mit den Christen Zusammenarbeiten möchtet, um diese Werte zu wahren und zu festigen. In dieser Hinsicht bleibt die Heranbildung der Jugend immer eine Priorität. Im Verlauf meiner Begegnung mit den jungen Muslimen in Casablanca im August 1985 habe ich gesagt, daß „man durch Zusammenarbeit wirksam sein kann. Die recht verstandene Arbeit ist ein Dienst an den anderen. Sie schafft Bande der Solidarität” (19. August 1985, Nr. 6). Die Erwachsenen müssen der Jugend Vertrauen schenken und ihr helfen, ihre volle Verantwortung zu übernehmen, doch zugleich müssen die Jugendlichen bereit sein, mit den Erwachsenen zusammenzuarbeiten. Denn man kann kein neues Antlitz formen, ohne das alte zu befragen. Bereitet daher die Jugendlichen für das Verständnis ihrer Zeit vor, für das Gespräch mit den Alten und mit den anderen Jugendlichen zum Wohl dieses Landes und für seine Einheit. Bei der grundlegenden Aufgabe der Gewissensbildung spielt die Familie eine erstrangige Rolle. Denn die Eltern haben die schwere Pflicht, ihren Kindern vom frühesten Alter an zu helfen bei der Suche nach der Wahrheit und beim Leben nach der Wahrheit, im Streben nach dem Guten und bei seiner Förderung. So bereiten sie die Kinder vor, die Achtung vor der Gewissens- und Religionsfreiheit zu üben, weil dies für das Zusammenleben der Nation wesentliche Voraussetzung ist. 4. Gestattet mir, meinerseits einen weiteren Bereich zu nennen, in dem Christen und Muslime Hand in Hand arbeiten können: Es geht um die Friedenssuche. Denn „der Weg jener, die an Gott glauben und ihm dienen möchten, ist nicht der Weg der 268 REISEN Herrschaft über andere. Es ist der Weg des Friedens: der Frieden der Einheit mit unserem Schöpfer, der in der Erfüllung seines Willens Ausdruck findet; der Frieden innerhalb der geschaffenen Welt, indem man ihre Reichtümer weise und zum Wohl aller nutzt; der Frieden im Schoß der Menschheitsfamilie, indem man gemeinsam für die Schaffung starker Bande der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit und der Harmonie in unseren Gesellschaften eintritt; der Frieden im Herzen der einzelnen” (Botschaft zum Ramadan 1991, Nr. 5). Wie viele Länder in Europa ebenso wie in Afrika und in vielen Gegenden der Welt hungern und dürsten nach diesem Frieden, ohne den die Entwicklung eines Volkes unmöglich wird. Im vergangenen Jahr habe ich die Notwendigkeit des Gebets der Glaubenden für das Kommen des Friedens betont. Tatsächlich ist ein inniges und demütiges, vertrauensvolles und beharrliches Gebet nötig, wenn man will, daß diese Welt am Ende eine Wohnstatt des Friedens wird. Das Gebet „öffnet für die Begegnung mit dem Allerhöchsten, es bereitet ebenso auf die Begegnung mit dem Nächsten vor und hilft, mit allen ohne irgendwelche Diskriminierung Beziehungen der Achtung, des Verständnisses, der Hochachtung und der Liebe aufzubauen” {Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 1992, Nr. 4). 5. Ich möchte auch folgende weitere Bedingung für den Frieden betonen: die Beseitigung der Armut, wie es in diesem Jahr meine Botschaft zum Weltfriedenstag dargelegt hat. Die Armut, besonders wenn sie zum Elend wird, ist eine Bedrohung für den Frieden. Das II. Vatikanische Konzil, das uns heute inspiriert und leitet, hat betont: „Der Friede kann auf Erden nicht erreicht werden ohne Sicherheit für das Wohl der Person ... Der feste Wille, andere Menschen und Völker und ihre Würde zu achten, gepaart mit einsatzbereiter und tätiger Brüderlichkeit - das sind unersetzliche Voraussetzungen für den Aufbau des Friedens” (Gaudium et spes, Nr. 78). Wir wissen gut, daß diese Achtung der anderen und diese aktive Brüderlichkeit mit der Beseitigung der Armut beginnen. Die Bemühungen der Muslime und der Christen zu diesem Zweck in eurem Land sind höchst lobenswert. Ich lade euch daher zum Gebet dafür ein, daß eurem Land, dem afrikanischen Kontinent und der ganzen Welt die Wohltat des Friedens geschenkt werde. Zum Schluß möchte ich euch meines Gebetes für euch selber, für eure Familien und für euer Land versichern. Gott schenke euch die Fülle seines Segens ! Im Alltag den Weg zur Einheit suchen Predigt bei der Messe in Parakou (Benin) am 4. Februar 1. „So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich” {Joh 17,23). Christus hat diese Bitte an seinen Vater gerichtet in einer schweren Stunde seines Lebens auf Erden, bevor er sich für die Menschheit als Opfer hingegeben hat. In seinem hohepriesterlichen Gebet hat er inständig dämm gefleht, daß die Einheit sei- 269 REISEN ner Jünger mit ihm und mit dem Vater die Menschen zum. Glauben und zur Einsicht führen möge, daß sie von Gott geliebt werden. Liebe Schwestern und Brüder, ich bin sehr glücklich, am zweiten Tag meines Besuchs in Benin bei euch sein zu können. Und groß ist meine Freude, euch auf eurem eigenen Boden zu treffen und gemeinsam mit euch in dieser Stadt Parakou in Nordbenin die „Messe für die Einheit” zu feiern. Von ganzem Herzen begrüße ich euren Bischof, Msgr. Nestor Assogba, und ich danke ihm zutiefst für die Willkommens Worte, die er an mich gerichtet hat. Ich danke meinem beninischen Mitarbeiter in Rom, Kardinal Bemardin Gantin, und auch den hier anwesenden Kardinälen und Bischöfen. Meinen freundschaftlichen Gruß richte ich an die Priester, Ordensleute und Katecheten und an alle Gläubigen der Diözesen Parakou und Natitigou. Auch den Gläubigen von Togo, die mit dem Diözesanadministrator aus Sokode und aus Dapango gekommen sind, bringe ich meine Liebe zum Ausdruck. Die Obrigkeiten, die an dieser Liturgiefeier teilnehmen wollten, begrüße ich voller Ehrerbietung, und ich danke ihnen für ihre Anwesenheit. Ich begrüße auch herzlich all die Menschen, die anderen geistlichen Familien angehören und uns durch ihre Teilnahme an dem Fest der Katholiken dieser Region ihre Freundschaft beweisen. Schwestern und Brüder, eure wunderbare Versammlung hier um den Altar ist das Bild der Einheit, die unser Herr Jesus Christus unter den Menschen herstellen will. Sagt uns das Evangelium nicht, daß er sein Blut am Kreuz vergossen hat, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln” (Joh 11,52)? Öffnen wir daher unsere Herzen für die Botschaft, die Gott uns im Laufe dieser Eucharistiefeier sendet, damit wir in den Augen Gottes aufs beste eine geeinte Familie bilden! Es gibt Pläne, deren Verwirklichung außerhalb der Reichweite des Menschen zu hegen scheint: Die Einheit gehört zu diesen Plänen, doch der Prophet Ezechiel sichert uns auf ganz besondere Weise zu, daß in der Hand des allmächtigen Gottes alles vereint wird, was getrennt ist: „... sie werden eins in meiner Hand” (Ez 37,19). 2. Wir haben gehört, was der hl. Paulus über die verschiedenen Gruppen gesagt hat, die sich der Einheit der Christen von Korinth widersetzten. Nach dem Apostel sind die Mitglieder der Gemeinschaften deshalb gespalten, weil sie die wahre Weisheit Christi, die ihnen gegeben wurde, nicht verstanden haben: „Ihr seid an allem reich geworden in ihm, an aller Rede und aller Erkenntnis” (1 Kor 1,5). Und in der Tat ist der erste Schritt zur Einheit die Annahme der Botschaft Christi, die verbunden ist mit der notwendigen Umkehr des Herzens. Deshalb freue ich mich, daß die Bewohner von Nordbenin unseren Herrn Jesus Christus, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben” ist {Joh 14,6), immer besser kennenlemen und daß sie ihre Herzen für die Frohbotschaft öffnen. Liebe Schwestern und Brüder, ich möchte euch dazu ermutigen, so weiterzumachen wie bisher und alle Energien, die ihr durch eure Taufe empfangen habt, unter der 270 REISEN Anleitung eurer Bischöfe zu entfalten. Als Verlängerung des Festes der Darstellung des Herrn, das wir vorgestern gefeiert haben, wünsche ich euch, daß ihr Christus immer mehr als das wahre Licht der Völker und als den Boten annehmt, der uns den ewigen Bund zwischen Gott und den Menschen offenbart. Geht auch ihr, dem Beispiel von Simeon und Hanna folgend, dem Herrn entgegen, damit ihr dann um euch das Licht Gottes ausstrahlen könnt. In seinem Abschiedsgebet, in dem Jesus für die Seinen bittet, spricht er: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast” (Joh 17,3), und etwas später fügt er hinzu: „Ich habe ihnen dein Wort gegeben” (Joh 17,14). Es hegt nun an uns, diese Worte, die die Quelle des Lebens und der Freude sind, anzunehmen: „Dies rede ich noch in dieser Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben” (Joh 17,13). 3. Zu den Jugendlichen, die mir zuhören und die ihrem Leben einen Sinn geben möchten, sage ich: Hört die Worte Jesu! Ihr werdet im Evangelium Lebensregeln finden, die eure Persönlichkeit zur vollen Entfaltung bringen, weil ihr euch auf feste und klare Überzeugungen stützt: die Überzeugung, daß Jesus auf euch bückt und euch hebt; die Überzeugung, daß ihr von Gott Begabungen empfangen habt, die fruchtbar gemacht werden müssen und daß ihr beim Aufbauen der Kirche in Benin und bei der Entwicklung der Gesellschaft in diesem Land eure eigene Aufgabe erfüllen müßt. Indem ihr über die Zeichen und Worte Christi nachdenkt, lernt ihr, im Glauben zu wachsen, daß heißt, euer Denken durch Christi Denken zu erheüen; ihr lernt, in der Hoffnung zu wachsen, das heißt, euren Willen auf den Willen Christi abzustimmen und das zu suchen, was er für euch vorbereitet hat; ihr lernt, in der Liebe zu wachsen, das heißt, so zu heben, wie Christus hebt, mit einer Liebe, die aus der Liebe entspringt, die der Heiüge Geist bei der Taufe in eure Herzen eingegossen hat, mit einer verinnerlichten Liebe. Liebe Jugendüche, ich wünsche mir, daß ihr, indem ihr auf Christus hört, zu verant-wortüchen Männern und Frauen werdet. Denn ist es nicht so, daß das soziale Umfeld in Afrika zuweilen dazu führt, daß sich Einzelverantwortungen in einer Gruppenhaltung auflösen? Um einen größeren Fortschritt zu erzielen, muß sich ein wirkliches persönüches Bewußtsein entwickeln. Damit ein Pfüchtbewußtsein entsteht, muß jeder einzelne in der Lage sein, für seine Handlungen einzustehen, und er muß wissen, was zu tun und was nicht zu tun ist. Folgt dem Beispiel Christi, der als Sohn des Zimmermanns gelten wollte, und hebt Mühe und Arbeit. Bekämpft das Parasitentum, unter dem die heutige afrikanische Gesehschaft sehr oft zu leiden hat! Nehmt eure Verantwortung auf euch mit Vertrauen und Mut! Und habt keine Angst. Ihr sollt wissen, daß ihr dank eures christüchen Glaubens einem siegreichen Volk angehört: „Wer sonst besiegt die Welt, außer dem, der glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist” (1 Joh 5,5)? Angst ist ein Gefühl, das lähmt, 271 REISEN das jedwede Fähigkeit zur Ergreifung von Initiativen mindert und das verhindert, daß man ein verantwortungsvoller Mensch wird. Zur Überwindung der Angst ist ein Klima der Freiheit nötig, das einem jeden die Möglichkeit gibt, sich zu entfalten und seine volle Kreativität zum Ausdruck zu bringen. Christus ist gekommen, um uns zu befreien. Und nochmals sage ich euch: Öffnet eure Herzen für seine Botschaft, damit ihr freie Menschen werdet! 4. Gott will das Heil aller Menschen. Er ist geheimnisvoll, aber wirklich in allen gegenwärtig. Die Menschheit bildet eine einzige Familie, denn alle Menschen sind nach dem Bild Gottes geschaffen. Alle haben eine gemeinsame Bestimmung, weil sie berufen sind, in Gott die Fülle ihres Lebens zu finden. Unter den Menschen gibt es trotz der Unterschiede im Glauben ein Geheimnis der Einheit, dessen sich die Christen durchaus bewußt sind. Wenn sich das Geheimnis der Einheit in aller Fülle verwirklichen und der Tag der „vollen Übereinstimmung im Denken und Fühlen”, von dem der hl. Paulus spricht, kommen soll, so müssen die Christen mit allen den Heilsdialog anknüpfen, den Gott der Welt seit Jahrhunderten anbietet und den die Kirche, getreu der göttlichen Initiative, weiterführt. Ihr, die ihr mir zuhört, müßt euch bemühen, das Gespräch im Alltag zu suchen, wo ein jeder sich anstrengt, gute nachbarschaftliche Beziehungen zu pflegen, indem er Freude und Trauer, Schwierigkeiten und gemeinsame Sorgen mit den anderen teilt. Dieses Gespräch ist grundlegend: Es verlangt eine ausgewogene Haltung, eine tiefe religiöse Überzeugung und das Offensein für die Wahrheit. 5. Auf der Linie dieser Suche nach Einheit und Dialog möchte ich besonders die Mönche und Nonnen der Diözese Parakou begrüßen. Durch ihr Gemeinschaftsleben, das sie im Kloster mit den Brüdern oder Schwestern aus anderen Teilen der Welt beharrlich führen, bieten sie ein Vorbild der Einheit und des Dialogs. Das Klosterleben ist für die Teilkirche eine große geistige Kraft. Es bietet denen, die das Geschenk ihrer Taufe voll entfalten wollen, die Mittel, ein wahres geistiges Leben zu fördern und die Frohbotschaft auszustrahlen, indem sie das Absolute, die Größe und Anziehungskraft Gottes bezeugen. Ich kenne die Lebendigkeit der Klostergemeinschaften dieser Diözese, von denen eine bereits über Benin hinaus an Einfluß gewinnt, und ich ermuntere sie dazu, immer mehr eine Schule zu werden, in der man den Dienst des Herrn lernt. Im Hinblick auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika lade ich die Klostergemeinschaften ein, ihren Beitrag vor allem im Bereich der Inkulturation zu leisten. Klöster können Knotenpunkte der Inkulturation sein, da das Gemeinschaftsleben zwischen Menschen unterschiedlichen kulturellen Erbes dazu verpflichtet, den wesentlichen und wahren Werten den Vorrang zu geben, um die Einheit aller zu vertiefen. 6. Christus hat seiner Kirche das Sakrament der Eucharistie hinterlassen, um die Einheit der Christen mit ihm zu zeigen und: „Unser Erlöser hat beim Letzten 272 REISEN Abendmahl in der Nacht, da er überliefert wurde, das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes eingesetzt, um dadurch das Opfer des Kreuzes durch die Zeiten hindurch bis zu seiner Wiederkunft fortdauem zu lassen und so der Kirche, seiner geliebten Braut, eine Gedächtnisfeier seines Todes und seiner Auferstehung anzuvertrauen: das Sakrament huldvollen Erbarmens, das Zeichen der Einheit, das Band der Liebe, das Ostermahl, in dem Christus genossen, das Herz mit Gnade erfüllt und uns das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird.” Diese wichtige Aussage habe ich aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil zitiert (Sacrosanctum Conci-lium, Nr. 47). Die Eucharistie baut die Kirche: Sie einigt die Gläubigen in Christus, und Christus einigt alle Gläubigen in seinem Leib. In der Taufe sind wir dazu berufen worden, nur einen einzigen Leib zu bilden. In der Eucharistie erneuert und vertieft sich die Einverleibung in Christus: „Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot” (7 Kor 10,16-17). Schwestern und Brüder, ich freue mich ganz besonders, dieses große Mysterium der Eucharistie mit euch, den Gläubigen, gemeinsam zu feiern, worauf ich bei all meinen Pastoralbe suchen Wert lege. Im Augenblick der Wandlung werde ich mit den Konzelebranten die Worte Christi über das Brot sprechen: „Das ist mein Leib.” Mögen wir an dieser Messe wie an allen Messen so in Gemeinschaft mit Christus und unseren Brüdern teilhaben, daß der Herr auf unsere kirchliche Versammlung blicken und sagen kann: „Das ist mein Leib”, denn die Kirche ist der mystische Leib Christi! 7. Bitten wir Christus gemeinsam, die Initiativen der Evangelisierung in der Diözese Parakou und in ganz Nordbenin zu segnen. Bitten wir ihn, den Priestern, Ordensleuten, Katecheten und gläubigen Laien beizustehen, damit sie eifrige und erfolgreiche Verkünder des Evangeliums sein können. Bitten wir ihn, seinen Geist der Einheit auf alle kirchlichen Gemeinschaften herabzusenden, „damit die Welt glaubt” (Joh 17,21). Bitten wir ihn schließlich durch die Fürsprache der Jungfrau Maria, im Herzen aller Bewohner von Benin „das Licht, das die Völker erleuchtet”, erstrahlen zu lassen, damit sie, indem sie Christus und seine Botschaft immer besser kennenlemen, wissen, daß sie alle von Gott geliebt werden: „So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich” (Joh 17,23). MeROBISIBU, BESE Ka widobu! Die Vorsehung Sei mit euch! GUSUNo SIARÄ! Dank sei Gott! SU MARI SIARA! Dank sei Maria! 273 REISEN Religionsfreiheit ist ein unveräußerliches Recht Ansprache an die Vertreter des Wodukults in Cotonou (Benin) am 4. Februar Liebe Freunde! 1. Ich freue mich, daß ich Gelegenheit habe, euch zu treffen, und ich grüße euch von Herzen. Wie ihr wißt, bin ich hauptsächlich nach Benin gekommen; um die katholischen Gemeinschaften zu besuchen, ihnen Mut zu machen und sie in ihrem Glauben zu stärken. Außerdem habe ich den Kontakt zu den Menschen, die anderen religiösen Traditionen angehören, stets als einen wichtigen Teil meines Dienstes angesehen. Die katholische Kirche ist zum Dialog bereit: zum Dialog mit den Christen anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften; zum Dialog mit den Gläubigen anderer geistlicher Familien und auch zum Dialog mit denen, die sich zu keiner Religion bekennen. Sie möchte positive und konstmktive Beziehungen zu jedem einzelnen und zu den Gruppen anderer Bekenntnisse aufbauen im Hinblick auf eine gegenseitige Bereichemng. 2. Das Zweite Vatikanische Konzil hat den Weg der Kirche zum Ende dieses Jahr-tausends hin vorgezeichnet und erkannt, daß in den verschiedenen religiösen Traditionen etwas Wahres und Gutes, Samen des Wortes, vorhanden sind. Das Konzil hat die Jünger Christi ermuntert, die Reichtümer zu entdecken, die „der freigiebige Gott unter den Völkern verteilt hat” {Ad gentes, Nr. 11). Der hl. Paulus hat den ersten Christen die Grundlagen für einen fruchtbaren Dialog dargelegt: „Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, hebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht” {Phil 4,8). Und hieraus erwächst unsere Haltung der Achtung: Achtung vor den wahren Werten, wo immer sie auch zu finden sind, Achtung insbesondere vor den Menschen, die versuchen, nach diesen Werten zu leben, die ihnen dabei helfen, die Angst zu bannen. Ihr fühlt euch der Tradition eurer Ahnen außerordentlich verpflichtet. Es ist berechtigt, den Vorfahren dankbar zu sein, die den Sinn für das Heilige, den Glauben an einen einzigen und guten Gott, den Sinn für Feiertage und die Hochschätzung des sittlichen Lebens und der Harmonie in der Gesellschaft vermittelt haben. 3. Eure christlichen Brüder schätzen wie ihr all das, was in diesen Traditionen schön ist, denn sie sind wie ihr Söhne und Töchter von Benin. Doch ebenso dankbar sind sie ihren „Vorfahren im Glauben”, die von den Aposteln bis hin zu den Missionaren reichen, dafür, daß sie ihnen das Evangelium gebracht haben. Die Missionare haben ihnen die Frohe Botschaft verkündet, die besagt, daß Gott der Vater ist und daß er durch seinen Sohn Jesus Christus, den Überbringer der frohen Nachricht der Befreiung, zu den Menschen gekommen ist. Wenn wir noch weiter in die Geschichte zurückblicken, so sehen wir, daß die Vorfahren dieser aus Europa stammenden Missionare selbst das Evangelium zu einem 274 REISEN Zeitpunkt empfangen hatten, als sie bereits einer anderen Religion oder einem anderen Kult anhingen. Durch die Annahme der göttlichen Botschaft haben sie nichts verloren. Im Gegenteil, sie gewannen dadurch, daß sie Jesus Christus kennenlemten und durch die Taufe in ihm zu Söhnen und Töchtern des Gottes der Liebe und des Erbarmens wurden. 4. All das hat sich in Freiheit vollzogen. Und in den Evangelien wird besonders hervorgehoben, daß Jesus niemanden gezwungen hat. Den Aposteln hat Christus gesagt: „Wenn du willst, folge mir!” Den Kranken hat er gesagt: „Wenn du willst, kannst du gesund werden!” Jeder muß dem Ruf Gottes frei und in voller Verantwortung folgen. Die Kirche betrachtet die Religionsfreiheit als ein unveräußerliches Recht, ein Recht, das mit der Suche nach der Wahrheit einhergeht. In einem Klima, in dem die Freiheit aller geachtet wird, kann sich der interreligiöse Dialog entwickeln und reiche Frucht bringen. 5. Dieser Dialog ist nicht nur auf die Worte der Vergangenheit und der Gegenwart ausgerichtet. Er blickt auch in die Zukunft. Er zielt auf eine Zusammenarbeit aller hin, um gemeinsam einzutreten für „den Schutz und die Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen” (Nostra aetate, Nr. 3). Obschon diese Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils in einem anderen Kontext gesprochen wurden, sind sie für die Gläubigen eures Landes, wo Christen und Muslime in engem Kontakt zu den Angehörigen der traditionellen afrikanischen Religion stehen, außerordentlich bedeutsam. Benin braucht für seine Entwicklung die Mitwirkung all seiner Söhne und Töchter, und niemand darf sich in sich selbst verschließen. Die Christen/die Mitglieder der traditionellen Religion und die Muslime sind dazu aufgerufen, sich bereit zu machen, um gemeinsam für das Wohl des Landes zu arbeiten. Dieses solidarische Handeln der Gläubigen ist für die gesamte Entwicklung, für die Gerechtigkeit und die menschliche Befreiung wichtig. Es wird um so besser vorangehen, je mehr es vom inständigen Gebet zu Gott, dem Schöpfer und Vater, der Quelle alles Guten, begleitet wird. Mögen sich alle Stimmen vereinen und Gott darum bitten, allen Bewohnern dieses lieben Landes Wohlstand und Frieden zu gewähren! Was mich betrifft, so seid gewiß, daß ich eure Sorgen und Hoffnungen vor den Herrn trage. Gott segne euch und all eure Familien! 275 REISEN Eure Erfahrung ist ein wertvoller Beitrag zur Bischofssynode für Afrika Predigt bei der Vesper in der Kathedrale in Cotonou (Benin) am 4. Februar 1. „Gott wollte ihnen zeigen, wie reich und herrlich dieses Geheimnis unter den Völkern ist: Christus ist unter euch, er ist die Hoffnung auf Herrlichkeit” (Kol 1,27). Freudig greife ich diese Worte des Apostels Paulus auf, die wir im Lauf unserer abendlichen Liturgie in eurer Kathedrale vernommen haben. Wir danken den Priestern, Ordensleuten und engagierten Laien in Vertretung aller Diözesen Benins: „Christus ist unter euch”. Ich danke für eure herzliche Aufnahme, ich danke Bischof Monsi-Agboka für seine Worte des Willkommens. Ja, wir wollen danken, denn nach den ersten Kontakten mit dem Christentum hat die Kirche in eurem Land tatsächlich seit 1861, seit der Ankunft der Patres Borghero und Femandez, Wurzeln gefaßt, nachdem einer ihrer Gefährten bereits „vereint mit den Leiden Christi” sein Leben hingegeben hatte. Unter den zahlreichen Aposteln des Evangeliums möchte ich der ersten Bischöfe Dar-tois, Steinmetz und Parisot gedenken: Sie festigten das Gebäude der Kirche und vertrauten es den Söhnen Benins an, die bald das Priestertum und hierauf die Bischofswürde erlangten. Ich denke hierbei an Kardinal Gantin, den Papst Paul VI. zuvor nach Rom berufen hat und der jetzt neben mir steht, sowie an die hier versammelten Bischöfe eurer sechs Diözesen. 2. Durch die Delegierten, welche diese Kathedrale füllen, möchte ich alle kirchlichen Gemeinschaften Benins in ihrer Treue zum Evangelium stärken, wie es der hl. Paulus getan hatte: Ihr müßt „unerschütterlich am Glauben festhalten und dürft euch nicht von der Hoffnung abbringen lassen, die euch das Evangelium schenkt” (Kol 1,23). Diese Worte gelten den Laien, den Katecheten, den Vizepräsidenten der Pastoral-räte und den Verantwortlichen der verschiedenen Werke und Bewegungen. Sie haben mit ihrem Zeugnis und den geleisteten Diensten bei der Entwicklung der Kirche und ihrer Lebenskraft in diesem Land eine beachtenswerte Rolle gespielt. Ihr Wirken unter dem Volk Gottes ist und bleibt von fundamentaler Bedeutung. Liebe Freunde im Laienstand, dient weiterhin euren Pfarreien und Diözesen, mit dem Glauben und der Hochherzigkeit, die im Lauf dieser schwierigen Jahre eine große Gabe des Herrn waren. Vergeßt jedoch nicht die Tatsache, daß ihr die ersten seid, die im Interesse des Wiederaufbaus eures Landes den Geist des Evangeliums in die Arbeitswelt in alle Bereiche der Gesellschaft hineintragen können. Die christlichen Laien sind verpflichtet, gemeinsam mit ihrem ganzen Volk echte Gestalter des Gemeinwohls zu sein, voll Kompetenz, Gewissenhaftigkeit und Selbstlosigkeit. 276 REISEN 3. Der hl. Paulus sagt uns, daß er Christus verkünden will, „mit aller Weisheit, um dadurch alle in der Gemeinschaft mit Christus vollkommen zu machen (Kol 1,28). Man könnte das Ziel der Evangelisierung nicht besser ausdrücken: „Alle in der Gemeinschaft mit Christus vollkommen machen”. Das heißt, in der Tiefe der Seele die Gaben Gottes aufiiehmen und das eigene geistliche Leben entwickeln. Dieser Aufruf gilt sowohl den im Priestertum und im Ordensleben verpflichteten Menschen als auch den engagierten Laien. Wer sich zu einer Verantwortung in der Kirche berufen fühlt, muß ständig darauf bedacht sein, Ansporn und Kraft aus den Quellen des Gebets zu schöpfen: Aus dem Wort Gottes, dem Stundengebet, den Sakramenten, welche die wesentlichen Begegnungen mit dem Herrn in der erlösenden Gnade darstellen, und ganz besonders aus der Eucharistie, dank derer sich die kirchliche Gemeinschaft bildet. Mögt ihr alle, den Erfordernissen eurer Berufung entsprechend, im Gebet „von Herz zu Herz” die Anziehungskraft des Herrn spüren; mögt ihr euch von der Mutter Jesu führen lassen, die in ihrem Herzen die Wunder des Heils bewahrte! Mögt ihr euch alle gegenseitig zur Aufnahme der Frohbotschaft ermutigen und sie als das wertvollste Gut mit der Familie, der Gemeinschaft und den Brüdern und Schwestern teilen, die sie noch nicht kennen! 4. Liebe Ordensleute, euch ist bei der Evangelisierung eine besondere Rolle auferlegt, seid ihr doch dazu berufen, für eine rückhaltlose Hingabe Zeugnis abzulegen. Ich danke Gott für das Erblühen der Ordensberufungen in diesem Land und auch für die so positive Zusammenarbeit jener, die seit Beginn der Mission aus anderen Teilen der Welt gekommen sind, mit den Einwohnern Benins, die in den verschiedenen nationalen und internationalen Ordensgemeinschaften auf den Ruf des Herrn geantwortet haben. Mit eurem Leben, den verschiedenen Charismen eurer Orden und Kongregationen entsprechend, weist ihr den Weg dieser „Vollkommenheit in Christus”, nach der wir, dem Beispiel des hl. Paulus folgend, alle streben müssen. Eure Berufung führt euch zur rückhaltlosen Hingabe eurer selbst für das Reich Gottes und macht euch euren Brüdern und Schwestern gegenüber zu Zeugen für den mutigen Einsatz des ganzen Lebens in der Nachfolge Christi. Ihr habt an den verschiedenen Formen der dem Evangelium entsprechenden Dienste Anteil: Der Dienst der Lobpreisung und der Fürbitte steht im monastischen Leben, das glücklicherweise in Benin Wurzeln gefaßt hat, an erster Stelle; bei den täglichen pastoralen Aufgaben, der Erziehung, der Krankenpflege und der Hilfe für die Armen sind die Ordensleute des apostolischen Lebens unersetzliche und beispielhafte Animatoren. Laßt euer Wirken weiterhin von der Großmut eurer Weihe an Gott beseelen und wißt wie sehr der Nachfolger Petri in Einheit mit seinen Brüdern im Bischofsamt euch hochschätzt. Ich möchte noch etwas hinzufügen: Der Tatsache eingedenk, daß das Ordensleben in seiner monastischen Form in Afrika entstanden ist, können die afrikanischen Ordensleute dank der Lebendigkeit ihres Engagements, ihrer Loslösung von materiellen Gütern und ihrer einfachen Lebensweise ihren Brü- 277 REISEN dem und Schwestern in anderen Teilen der Welt große Dienste erweisen. Sie sollen wissen, daß die ganze Kirche auf sie zählt! 5. Ihr, hebe Priester, die ihr um eure Bischöfe geschart seid, sichert wirklich mit den zahlreichen Funktionen, die eurem - gestern im Rahmen der Priesterweihen gefeierten- Amt eigen sind, die Existenz der Kirche. Gott sei Dank sind die aus Benin stammenden Priester jetzt im Land schon in der Mehrzahl, während die ersten im damaligen Dahomey geweihten bereits in den Frieden des Reiches Gottes eingegangen sind. Ich möchte euch mit Liebe und Vertrauen ermutigen: Eure Aufgabe ist schwer, aber begeisternd; für das Volk Gottes seid ihr die Ausspender von Gaben, seid Führer und Meister im Glauben. Das erfordert von euch in erster Linie eine unablässig erneuerte Treue in der Liebe zu Gott und zum Nächsten: Lebt den Zölibat als wesentliches Zeichen eurer Dienstbereitschaft, eurer Entsagung und eurer Freiheit sowohl materiellen Gütern als auch der menschlichen Wertschätzung gegenüber. Seid loyale Mitarbeiter des Bischofs und arbeitet selbst mit den Laien aufgeschlossen und respektvoll zusammen. Wir befinden uns in der Kathedrale Unserer Lieben Frau des Erbarmens: Diese Tatsache kann uns in Erinnerung rufen, daß euer Amt das des Erbarmens, des Trostes, der Friedens Stiftung und der Einheit sein soll. Ihr seid mit eurem ganzen Sein Zeichen der lebensspendenden und befreienden Gegenwart des Erlösers. 6. Vieles von dem, was ich soeben gesagt habe, gilt auch euch, hebe Seminaristen. Es erfüllt mich mit Freude, euch, die Gemeinschaft von Ouidah - dem Seminar, das ich leider nicht besuchen kann - so zahlreich hier zu sehen, gemeinsam mit euren Freunden des vorbereitenden Zyklus und mit den jüngeren, welche die Knabenseminare besuchen. Liebe Seminaristen, der Zeitabschnitt, in dem ihr lebt, ist der Ausbildung und vor allem der Entscheidung gewidmet: Ihr müßt euch über eure wahre Berufung klar werden im Gespräch mit euren Lehrern, unterstützt vom Gemeinschaftsleben und vor allem von der persönlichen Begegnung mit dem Herrn in Betrachtung und Gebet. Seid voll und ganz bereit, den Ruf der Kirche anzunehmen: Sie ist es, die durch den Mund des Bischofs ein Urteil über die Echtheit eurer Berufung abgibt. Seid zur Selbsthingabe, ja, zum Opfer bereit: Seid mit der furchtlosen Großmut der Jugend für die Nöte eurer Brüder und Schwestern aufgeschlossen, angefangen von den Bedürftigsten; bereitet euch darauf vor, ihnen, dem Beispiel des Herrn folgend, nahe zu sein, sind sie doch in den Augen der Welt arm, aber reich an göttlichen Gaben, die euch an vertraut werden, damit ihr sie weitergebt. Seid bereit, den zahlreichen Versuchungen zu widerstehen und euren Teil an den Leiden der Menschen auf euch zu nehmen, wie der hl. Paulus sagt: „Für den Leib Christi, die Kirche” (Kol 1,24). Denn werdet ihr den Herrn sagen hören: „Du bist ein tüchtiger und treuer Diener ... nimm teil an der Freude deines Herrn” (Mt 25,23). 7. Mehrere Vertreter anderer kirchlicher Gemeinschaften wollten freundlicherweise diesen Abend mit uns verbringen. Ich möchte für ihr Kommen danken und begrüße 278 REISEN sie herzlich. Ich wünsche nachdrücklich, daß ihr Meinungsaustausch und ihr gemeinsames Gebet mit den katholischen Brüdern und Schwestern fortgesetzt werden. Es ist gut, gemeinsam das Wort Gottes zu hören, um in der Welt seine glaubwürdigsten Zeugen zu sein. Auch ist es nützlich, zur Verwirklichung einer wahrhaft dem Evangelium gemäßen Liebe zusammenzuarbeiten. Möge der Herr ihre ökumenischen Initiativen segnen! 8. Liebe Freunde, Priester, Ordensleute und Laien, eure geistliche und pastorale Erfahrung ist ein Beitrag zu den Überlegungen der Bischofssynode für Afrika. Ich lade euch ein, für ihre Sitzungen zu beten, damit sie fruchtbar seien und die Evangelisierung dieses Kontinents fördern, die der Kirche aufgetragen ist. Eure Versammlung ist bereits ein Zeichen der Hoffnung. Mein Wunsch ist es, daß jeder und jede von euch immer besser der eigenen Berufung entspreche und von der eigenen Arbeit mit dem Apostel Paulus sagen könne: „Dafür kämpfe ich unter vielen Mühen, denn seine Kraft wirkt mit großer Macht in mir” (Kol 1,29). Im Namen des Herr segne ich euch alle aus ganzem Herzen. Aids-Kranke können aktiv an der Sendung der Kirche teilnehmen Predigt bei der Eucharistiefeier in Gulu (Uganda) am 6. Februar Rwot waco ni „An Lakwat Maber” - „Ich bin der gute Hirt” {Joh 10,11), so spricht der Herr. Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Jesus Christus sagt im Evangelium: „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe (für meine Schafe) ... Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin” (Joh 10,17-18). Schon im alten Testament hatte Gott durch die Propheten verkündet, daß er wie ein Hirt ist, der selber nach seinen Schafen sucht und sich selber um sie kümmert (vgl. Ez 34,11). Diese Worte finden ihre Erfüllung in Jesus, dem guten Hirten, „der sein Leben hingibt für die Schafe” (vgl. Joh 10,11). Jesus hat sein Leben aus Liebe hingegeben. Er liebt den Vater und alle, die ihm der Vater anvertraut hat. Er hat sein eigenes Leben geopfert, damit allen Menschen das ewige Leben gegeben werde. Christus, der gute Hirt, bringt das Heil. Aus Liebe zum Vater geht der Sohn auf die Suche nach jedem Menschen. Er will alle Männer und Frauen retten, um sie zum Haus des Vaters zurückzuführen. Das Gleichnis vom guten Hirten hilft uns, das Geheimnis unserer Erlösung zu verstehen. Jeder von uns ist durch die Liebe des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist gerettet worden. Des Sohnes Liebe zu uns ist so groß, daß er für uns sein Leben opfert. Er hat das Kreuz freiwillig auf sich genommen. „Niemand entreißt mir 279 REISEN mein Leben”, sagt Christus, „ich gebe es aus freiem Willen hin” (Joh 10,18). Der Kreuzestod Jesu ist ein vollkommenes Liebesopfer und der Preis für unsere Erlösung. • 2. Immer und überall hat die auf den Aposteln gegründete Kirche das Geheimnis der erlösenden Liebe Christi verkündet. Heute erfüllt es uns mit großer Freude, daß der Glaube der Apostel in Afrika, in Uganda, Wurzeln gefaßt und im Leben aller, die an Christus glauben, Früchte getragen hat. Von jenem Tag an, als der Heilige Geist erstmals auf die Apostel im Obergemach herabkam, hat die Kirche Christi niemals aufgehört, das Evangelium allen Völkern unter dem Himmel (vgl. Apg 2,5) zu predigen. Während dieser Eucharistiefeier gedenken wir mit Dankbarkeit all derer, die als erste euch den katholischen und apostolischen Glauben gebracht haben. Wir danken allen, die euch mit ihren Worten und Taten Kraft verliehen und jenen Samen ausgesät haben, der durch Gottes Gnade eine immer reichere Ernte einbringen wird. Heute ist es für den Papst, den Nachfolger des Apostels Petrus, eine große Freude, daß der gute Hirt sein geliebtes Volk in Uganda berufen hat, seiner Herde anzugehören. In der Liebe zum Herrn umarme ich euch alle, meine Schwestern und Brüder in Christus! Ich begrüße meine Brüder im Bischofsamt, insbesondere Bischof Martin Luluga aus Gulu, Bischof Frederick Drandua aus Ama, Bischof Joseph Oyanga aus Lira wie auch alle anderen hier anwesenden Bischöfe, besonders die Bischöfe Sudans. Ebenso grüße ich die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Katecheten wie auch alle gläubigen Laien, die eure jungen und lebendigen Kirchen bilden. Wir danken auch dem Präsidenten der Republik, der uns mit seiner Anwesenheit beehrt und an dieser Feier in Nord-Uganda teilnimmt! 3. Die Worte der Propheten erfüllend, zeigt Jesus, der gute Hirt, wie er für alle Schafe seiner Herde Sorge trägt: „Die verlorengegangenen Tiere will ich suchen, die vertriebenen zurückbringen, die verletzten verbinden, die schwachen kräftigen” (Ez 34,16). Der gute Hirt ist unser Beschützer: Er behütet die ganze Gemeinschaft, die ganze Herde und alle, die zu ihr gehören. Er verteidigt sie sogar, indem er sein eigenes Leben aufs Spiel setzt. Er ist nicht wie der bezahlte Knecht, der mehr darauf bedacht ist, sich selbst zu retten (vgl. Joh 10,12-13). Sobald er den Wolf kommen sieht, läßt er die Schafe im Stich und flieht. Der gute Hirt kennt seine Schafe (vgl. Joh 10,14). Er kennt jeden einzelnen von uns. Er kennt die wahre Würde jeder Person, denn alle Menschen sind nach Gottes Bild geschaffen (vgl. Gen 1,26). Deshalb kennt und hebt er jeden Menschen, und deshalb ist der gute Hirt bereit, sein Leben für jeden Menschen zu opfern. Christus liebt jeden von uns auf einzigartige und besondere Weise, denn er hat uns alle durch seinen Tod am Kreuz erlöst. Er hat mit der größten Liebe für uns bezahlt - es kann keine größere geben (vgl. Joh 15,13). 280 REISEN 4. Christen von Uganda! Der gute Hirt ist stets in eurer Mitte! Er liebt euch und wird euch nie verlassen! Christus ist durch den Dienst der Bischöfe und der Priester, die euch mit dem Wort Gottes und dem eucharistischen Opfer nähren, auf ganz besondere Weise in eurer Mitte. In seiner Liebe hat er durch das Werk der Missionspriester zu euch gefunden; vor allem sind da die Comboni-Patres zu nennen, die von weither kamen, um mit der Bevölkerung im Norden Ugandas das Geschenk des Glaubens zu teilen und um eure jungen heranreifenden Gemeinschaften zu unterstützen. Das treue Zeugnis eurer Priester für die Liebe des guten Hirten hat einige von ihnen so weit geführt, ihr Leben für ihre Herde hinzugeben und so ihre Liebe zu dieser Herde durch die uneingeschränkte Nachfolge Christi zu besiegeln. Ebenso helfen sie uns zu erkennen, daß die Missionsarbeit eine wesentliche und endlose Aufgabe für die Kirche ist und daß die wahre Lebenskraft jeder Teilkirche an den aus ihr hervorgehenden Missionsberufungen gemessen wird. Jesus sagt: „Ich gebe mein Leben hin für die Schafe” {Joh 10,15). Zu meinen heben Brüdern im Priesteramt sage ich: Nehmt euch diese Worte zu Herzen, und laßt sie euer ganzes Priesterleben inspirieren! Vertraut auf die Kraft der Liebe Christi! Indem ihr euch freiwillig der Kirche schenkt, werdet ihr in jener Hirtenliebe gestärkt, die euch befähigt, eurem Auftrag treu zu bleiben, euren Dienst fruchtbar zu machen und bereit zu sein, am jüngsten Tag über eure Arbeit Rechenschaft zu geben. Nur so könnt ihr das werden, wozu ihr berufen seid: Diener der Gemeinschaft, bereit, ihrer Herde allzeit beizustehen, um ihretwillen Schwierigkeiten und Gefahren entgegenzutreten und sich ganz dem Aufbau des Leibes Christi in der Liebe und Einheit hinzugeben. 5. Der gute Hirt, der alle Schafe seiner Herde kennt und hebt, ist auch in der Person all jener Christen in eurer Mitte, die sich dem Dienst an ihren Brüdern und Schwestern hingeben. Hier wollen wir in erster Linie die wichtige Rolle anerkennen, die eure Katecheten beim Aufbau der Kirche in Uganda spielten und noch immer spielen. Ihre Treue zu Christus veranlaßte sie oft dazu, dem Beispiel des heiligen Charles Lwanga und der anderen Märtyrer zu folgen, deren Lebensopfer die Entstehung des kirchlichen Lebens in eurem Land heiligte. Da die Liebe Christi auf besondere Weise im Leben der Familien verankert ist und Ausdruck findet, möchte ich alle christlichen Eltern in ihrer edlen Berufung stärken, Kanäle der Liebe Gottes füreinander und für ihre Kinder zu sein. Die Familie ist die Wiege, in der jede neue Generation die Liebe Gottes kennenlemt durch die treue Liebe der Mütter und Väter, die vor dem Herrn durch das Ehesakrament verbunden sind. Ich möchte noch einige Worte der Ermunterung für die jungen Menschen hinzufügen, die ein solch wichtiger Teil eurer Gemeinden sind und die die Zukunft eures Landes verkörpern. Auch ihr seid berufen, Zeugen der Liebe Gottes, des guten Hirten, zu sein, und zwar nicht nur in euren Familien und in eurem Freundeskreis, son- 281 REISEN dem vor allem auch durch euer Bestreben, nach den verlorengegangenen Schafen zu suchen und den Armen und Ausgestoßenen zu helfen. Christus ruft euch, Boten seiner Liebe zu sein mit all der Großherzigkeit und Freude eurer Jugend und die Selbstsucht zurückzuweisen, die nur Unzufriedenheit, Haß und Gewalt verbreitet. Unter denjenigen, die dem guten Hirten gefolgt sind und ihr Leben für die Schafe hingegeben haben, möchte ich auch den zahlreichen Ordensfrauen und -männern danken, die sich dem Dienst an der Bevölkerung Ugandas gewidmet haben. Durch ihr Zeugnis wird die besondere liebe Christi bekannt und wirksam, indem sie den Menschen ein tiefes Bewußtsein ihrer eigenen Würde als Kinder Gottes gibt. Gleiches gilt für Ärzte, Krankenschwestern und Gesundheitsfürsorger, die auf sehr konkrete Weise mithelfen, „die Verletzten zu verbinden und die Schwachen zu kräftigen” (vgl. Ez 34,16). Hier in Gulu kann ich es nicht versäumen, die hingebungsvolle Arbeit des im Saint-Mary-Krankenhaus tätigen Personals zu erwähnen. Kann ein eindrucksvolleres Zeugnis für unseren christlichen Glauben an die Würde jedes Menschen gegeben werden als das der Sorge für die Armen, die Kranken und die Sterbenden? Ebenso lobenswert ist die Großherzigkeit, mit der ihr eine Vielzahl von Flüchtlingen aus dem Sudan aufgenommen habt. Die Opfer, die ihr um dieser Brüder und Schwestern willen bringt, werden reich von demjenigen belohnt werden, der einst selbst in der Verbannung lebte und zu seinen treuen Anhängern sagt: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen” (Mt 25,35). Wir wissen, daß Christus besonders die Kranken liebte und oft seine Hand ausstreckte, um sie zu berühren und zu heilen. Und so sage ich nun zu allen Kranken, insbesondere zu denen, die an Aids leiden: Der gute Hirt hebt jeden von euch! Ihr habt einen ganz besonderen Platz in der Kirche, und ihr könnt aktiv an ihrer Sendung teilnehmen, indem ihr, vereint mit Christus, euer Leiden und euer Gebet für die Bedürfnisse der Herde und für die Einheit und den Frieden der Herde des Herrn darbringt. 6. Christus hat den Tod besiegt! Er ist der Herr des Lebens, der sagt: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht” (Joh 14,27). Auch wenn wir in finsterer Schlucht wandern, fürchten wir kein Unheil, denn er ist bei uns; mit seinem Stock und seinem Stab gibt er uns Zuversicht (vgl. Ps 23,4). Christus weiß um das Leiden, das Uganda hat ertragen müssen! Er kennt den Preis, den ihr für den jahrelangen Kriegs- und Unruhezustand habt zahlen müssen! Er kennt den Preis, den ihr und eure Kinder für das Leben in Angst und Unsicherheit bezahlt habt! Dennoch wiederholt er: „Habt Mut: Ich habe die Welt besiegt” (Joh 16,33). Jesus hat seinen Preis gezahlt, um euch von der Macht der Angst und der Gewalt zu befreien. Er hat euch mit seinem Blut erlöst! Seht, er ruft euch, seine Boten zu sein! Er ruft euch, damit ihr dort aufbaut, wo andere zerstört haben; damit ihr Verkünder der Hoffnung gegen Zynismus und Verzweiflung sowie Verkünder der Liebe angesichts jeder Gewalt seid. Ich appelliere heute an euch alle in Uganda, hier in Gulu: Seid Boten Christi, des guten Hirten! 282 REISEN Zeigt allen Menschen, wie ihr einander hebt, wie ihr zusammenarbeitet, indem ihr die Spaltungen durch Nächstenhebe überbrückt und allen Menschen zu dienen sucht; denn ihr seht in ihnen Kinder Gottes, eure Schwestern, eure Brüder. Um eurer Kinder und der Zukunft willen, die Gott für Afrika bereithält, müßt ihr Boten des Lichts sein, das die Finsternis vertreibt (vgl. Joh 1,5). Ihr müßt eine Zivilisation der Liebe aufbauen und dadurch die „Kultur” des Todes besiegen. 7. Jesus Christus, der gute Hirt, sagt: „Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten” (Joh 10,16). Mit diesen Worten wandte sich Jesus an seine Zuhörer in Palästina. Heute sagt er das gleiche zu uns - hier in Gulu. Jesus möchte alle Menschen an sich ziehen. Aus Liebe zum Vater opferte Jesus sein Leben für die Rettung der Welt. Er trägt stets Sorge für die Menschen, die er um den Preis seines Blutes gerettet hat. Er erfüllt sie mit der heilbringenden Liebe, und er erwartet jenen Tag, an dem er jede Frau und jeden Mann dem Vater zurückgeben wird, damit Gott „über allem und in allem” ist (vgl. 1 Kor 15,28). Lokristo me Uganda! Lakwat maber tye kwedwu. Uwek en kutel wun iyo metir. Amen. (Christen Ugandas! Christus, der gute Hirt, ist bei euch! Laßt euch von ihm auf den rechten Weg führen! Amen.) Keuschheit ist das sicherste Mittel gegen die Aids-Plage Ansprache beim Treffen mit der Jugend in Kampala am 6. Februar Gepriesen sei Gott, der unsere Jugend mit Freude erfüllt (vgl. Vulg. Ps 42,4)! Liebe Jugend von Uganda! 1. Diese Begegnung mit euch erfüllt mich mit großer Freude! In eurem frohen Enthusiasmus und eurer Liebe spiegelt sich das Licht Christi wider! Heute abend teilt ihr eure Jugend mit dem Papst und macht ihn wieder jung! Hier im Navikubo-Sta-dion sind wir durch Christus, das Licht, das in der Finsternis leuchtet (vgl. Joh 1,5), als Freunde versammelt (vgl. Mt 18,20). Ich schenke jedem einzelnen von euch - und allen Jugendlichen in Uganda - die gleiche Liebe Christi, die uns drängt (vgl. 2 Kor 5,14) und die ihr mir entgegengebracht habt. Mögen wir einander immer lieben, „denn die Liebe ist aus Gott” (7 Joh 4,7). Eure kurzen Darbietungen haben auf offene und kreative Weise die Schwierigkeiten beschrieben, mit denen junge Menschen in Uganda heute zu kämpfen haben. Ich teile eure Niedergeschlagenheit und eure Mutlosigkeit angesichts der Werke der Finsternis, die euch umgeben (vgl, Eph 5,11). Aber ihr laßt euch nicht entmutigen trotz eurer zahlreichen Schwierigkeiten - Studenten ohne Unterstützung der Familie und ohne Zukunftsaussichten; Arbeiter, die sich von Arbeitslosigkeit und finanziel- 283 REISEN ler Not bedroht sehen, junge Menschen aus ländlichen Gebieten, die oft ohne sozialen Dienst ausgenutzt werden; die AIDS-Kranken. Die Finsternis hat euer Licht nicht ausgelöscht. Ich weiß, daß es schmerzliche Erfahrungen für euch sind, wenn ihr mit ansehen müßt, wie Ungerechtigkeit, Korruption und Gewalt offenbar die Oberhand gewinnen. Als euer Vater und euer Freund versteht der Papst sehr gut, wie schwierig es sein kann, das Licht der Hoffnung in euren Herzen nicht erlöschen zu lassen. 2. Aber - werdet ihr nun fragen was sollen wir tun, um sicher zu gehen, daß die Finsternis des Bösen nicht das Licht des Guten in unserer Welt besiegt? Die Kirche hat nur eine Antwort darauf, die alt und doch immer neu ist. Öffnet eure Herzen und euren Geist für Jesus Christus. Er ist euer Bruder, der euch stets treu bleibt. Er ist euer Erlöser, der für euch gestorben und für euch auferstanden ist. Er ist euer Herr, der euch in die ewige Herrlichkeit führen wird. Mit Christus, dem „Licht der Welt” (.loh 8,12), könnt ihr die Finsternis der Sünde verdrängen, die ihren Schatten über dieses Land der Sonne wirft. Mit Christus, dem Erlöser der Welt, werdet ihr siegreich sein (vgl. Joh 16,33). Christus steht vor der Tür eures Herzens (vgl. Offb 3,20). Er möchte eintreten und mit euch das Feuer seiner Opferhebe teilen. Aber erst wenn ihr sein Klopfen hört, könnt ihr die Tür öffnen, damit Christus euer Licht werde (vgl. Eph 5,14). Das bedeutet, daß ihr jeden Tag vor Lärm und Verwirrung fliehen und einige Minuten lang still und ruhig sein müßt. „Ist einer von euch bedrückt? Dann soll er beten” (Jak 5,13), sagt uns der heilige Jakobus. Beten ist nicht nur sprechen, sondern vor allem hören. Der Vater sagt zu uns: „Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören” (Mk 9,7). Das Gebet wird euch auf eurem Lebensweg erleuchten, erfrischen und stärken. Wenn ihr betet, werden einige unter euch den Ruf des Herrn hören, ihm als Priester oder Ordensmann und Ordensfrau zu folgen. Habt keine Angst, seine sanfte Stimme zu hören, die euch ruft! Ihr werdet voller Begeistemng sagen: „Rede, Herr; denn dein Diener hört” (1 Sam 3,9). Baut auf Gottes Kraft (vgl. Phil 4,13), und vertraut darauf, daß die Liebe Jesu euch stützen wird. 3. Weil ihr getauft seid, leuchtet das Licht des Tages bereits in euren Herzen. Gott hat euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen (vgl. Petr 2,9). Ihr seid „Söhne des Lichts” (Joh 12,36)! In seinem Brief an die Epheser ermahnt der heilige Paulus die Christen, ein Leben zu führen, das dem Ruf Gottes würdig ist (vgl. Eph 4,1). „Lebt als Kinder des Lichts” (Eph 5,8). Das Licht Christi konnte bereits in euren Familien, in den Gemeinschaften, in der ganzen Nation durch den Heldenmut eurer Märtyrer, die Lebenskraft eurer edlen Traditionen und die Nächstenhebe der Gläubigen erstrahlen. Euch, der Generation des Ugandas von morgen, der Hoffnung für die Zukunft der Kirche, haben sie diese leuchtende Fackel evangelischer Liebe weitergegeben! 284 REISEN Gott ruft jeden von euch, in Gemeinschaft mit Christus im Licht zu leben (vgl. 1 Joh 1,7). Der Fürst dieser Welt aber versucht oft, euer Licht zu löschen. Wir kennen die nüchternen Worte des heiligen Johannes: „Jeder, der Böses tut, haßt das Licht und kommt nicht zum Licht” (Joh 3,20). Eure Lieder und Darbietungen sagen mir, daß ihr nicht stolpern und fallen wollt. Wie junge Menschen überall verdient ihr es, im Licht zu leben. Aber wie könnt ihr „als Lichter in der Welt leuchten” (Phil 2,15)? Uganda braucht eine gut vorbereitete Generation junger Menschen. Ihr müßt euch auf eure zukünftige Verantwortung durch ernsthaftes Studium, Liebe zur Reinheit und Solidarität mit der Gemeinschaft vorbereiten. 4. Ich weiß, daß ihr von der Notwendigkeit einer guten Ausbildung sowohl für eure persönliche Reife als auch für die Entwicklung eurer Nation überzeugt seid. Doch ihr habt mir auch gesagt, daß es oft sehr schwer ist, in der Schule zu bleiben, und daß ihr oft versucht seid, aufzugeben. Ihr fragt euch: Wozu sollen so große Anstrengungen nützen? Ich kann euch aufgrund meiner eigenen Studienerfahrungen während des Krieges in meinem Land versichern, daß Bildung einer der wesentlichen Wege ist, die uns aus der Finsternis der Unwissenheit in das Licht der Wahrheit führen. Die Wahrheit suchen, entdecken und sich an ihr freuen sind einige der aufregendsten Abenteuer des Lebens. Bildung macht euch frei, nur so könnt ihr voll integrierte Männer und Frauen werden. Regelmäßiger Schulbesuch erfordert Ausdauer und Geduld, Selbstlosigkeit und Disziplin. Vor allem müßt ihr Mut haben! Gebt euch nicht geschlagen, und laßt euch nicht entmutigen. Allein die Wahrheit kann euch befreien (vgl. Joh 8,32); folgt ihr deshalb ohne Furcht. Christus ruft euch, um die Blindheit der Unwissenheit mit dem Licht der Wahrheit zu heilen. Möge das Licht der Bildung in jedem Winkel der „Perle der Krone Afrikas” strahlen! In wenigen Jahren werdet ihr, meine lieben Freunde, die Männer und Frauen des dritten Jahrtausends sein. Uganda und die Kirche zählen auf den Ertrag eurer Talente (vgl. Mt 25,14-30)! 5. Zweitens, die meisten von euch werden ihren Lebensweg in der Ehe gehen. Auch das erfordert eine Art von Bildung. Ihr müßt euch auf die wunderbare Aufgabe der Ehe und der Gründung einer Familie, der wichtigsten Zelle der christlichen Gemeinschaft, vorbereiten. Als junge Christen müßt ihr sorgfältig darauf hinarbeiten, güte Ehepartner und Eltern in euren eigenen Familien zu werden. Ein wesentliches Element eurer Vorbereitung auf die Ehe ist eure Berufung zur Keuschheit. Ich weiß, daß junge Menschen Heuchelei ablehnen. Ihr wollt mit euch selbst und anderen ehrlich sein. Ein tugendhafter Mensch ist ehrlich. Als Gott uns schuf, gab er uns mehr als eine Art und Weise, miteinander zu „sprechen”. Außer der Möglichkeit, uns durch die Sprache zu verständigen, können wir uns auch durch unseren Körper ausdrücken. Gesten sind wie „Worte”, die verraten, wer wir sind. Unser geschlechtliches Verhalten sind „Worte”, die unser Wesen offenbaren. Der 285 REISEN Herr verlangt, daß wir unser Geschlechtsleben nach seinem Plan gestalten. Er erwartet, daß wir wahrheitsgetreu „sprechen”. Eine aufrichtige geschlechtliche „Sprache” fordert von uns die Verpflichtung zu lebenslanger Treue. Seinen Körper einem andern Menschen schenken symbolisiert das volle Sichschenken an diesen Menschen. Aber wenn ihr nicht verheiratet seid, gebt ihr zu, daß sich eure Einstellung in Zukunft vielleicht ändern könnte. Von vollem Sichschenken kann also nicht die Rede sein. Ohne Ehebund sind geschlechtliche Beziehungen eine Lüge - und Ehe bedeutet für Christen Ehesakrament. Die Keuschheit - die bedeutet, die Würde anderer achten, weil unser Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist (vgl. 1 Kor 6,19) - hilft euch, in der Liebe zum Nächsten und zu Gott zu wachsen. Sie bereitet euch auf das wahre Sichschenken (vgl. Gaudium et spes, Nr. 48) vor, das die Grundlage der christlichen Ehe ist. Und noch wichtiger, sie lehrt euch so zu lieben, wie Christus geliebt hat, indem er sein Leben für uns hingab (vgl. Joh 15,13). Laßt euch nicht von den leeren Worten jener täuschen, die eure Keuschheit oder eure Selbstkontrolle verspotten. Die Stärke eurer künftigen Liebe in der Ehe ist von der Intensität eurer jetzigen Bemühungen, wahre Liebe zu erlernen, abhängig - von jener Keuschheit, die den Verzicht auf alle außerehelichen geschlechtlichen Beziehungen einschließt. Die sexuelle Enthaltsamkeit der Keuschheit ist der einzig sichere und tugendhafte Weg, der tragischen AIDS-Plage, die so viele junge Opfer gefordert hat, ein Ende zu setzen. „Empfangt Macht und Stärke” (Dtn 31,6) mit Hilfe der Gnade Gottes in den Sakramenten der Buße und der Eucharistie. Der Papst drängt euch, diese geistige Revolution der Reinheit von Leib und Seele zu befolgen. Möge die Erlösung Christi in euch Früchte tragen! Die Welt von heute hat diese Art von Revolution nötig! 6. Drittens, während ihr in der vollendeten Gestalt Christi reift (vgl. Eph 4,13), bekleidet mit den „Waffen des Lichts” (Rom 13,12), müßt ihr weiterhin den Herausforderungen standhalten, die durch Gewalt, Rassendiskriminierung, Arbeitslosigkeit, Armut und Ungerechtigkeit von der furchtbaren Finsternis der Sünde hervorgerufen werden. Wendet euch nicht von euren gesellschaftlichen Verantwortungen ab, indem ihr das dauerhafte Engagement für eure Brüder und Schwestern durch vergängliche Vergnügen ersetzt. Erhebt eure Stimme zugunsten der Wahrheit und Gerechtigkeit. Habt keine Angst! Haltet fest an eurem mutigen Fragen und Suchen nach allem, „was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter” {Phil 4,8) ist. Macht euer Recht geltend, an den Entscheidungen über euer politisches, gesellschaftliches und wirtschaftliches Schicksal teilzuhaben (vgl. Redemptor hominis, Nr. 17). Befaßt euch eingehend mit der reichen Tradition der kirchlichen Soziallehre. Sie ist die wichtigste Quelle für den Aufbau einer Gesellschaft, wo Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden herrschen sollen. Heute abend will euch der Herr Jesus herausfordem. Er bittet euch, ihm eure Hände und Füße, eure Herzen und euren Verstand zu überlassen, damit er - durch euch! - 286 REISEN die Zerschlagenen in Freiheit setzen kann (vgl. Lk 4,18). Gemeinsam mit Christus fordere ich euch auf, Eigennutz mit Solidarität zu ersetzen. Solidarität ist das Gegenteil von Flucht, Trägheit und ausschließlicher Liebe zu denen, die uns heben (vgl. Mt 5,46)! Solidarität erfordert, daß ihr ausnahmslos mit anderen und für andere arbeitet. Ich weiß, daß junge Menschen in Liebe Zusammenarbeiten wollen. Darin hegt der Schlüssel für die Befreiung der Menschheit! Bildet eine Kette der Solidarität - der Zusammenarbeit in der Liebe zum Nächsten -, die von euren Familien ausgeht und eure Schulen, euren Arbeitsplatz, eure Städte und euer Land mit einbezieht. Wenn ihr Solidarität übt, wird auch Gerechtigkeit gedeihen (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nm. 39.40). 7. Meine heben, jungen Freunde! Da ihr auf Christi Tod und Auferstehung getauft und von seinem Geist bei der Firmung erleuchtet worden seid, habt ihr die Kraft, die dunklen Schatten des Pessimismus und der Selbstsucht zu vertreiben. Während wir uns dem neuen Jahrtausend nähern, „ist Gott dabei, einen großen christlichen Frühling zu bereiten” (Redemptoris missio, Nr. 86). Er braucht euch, denn ihr seid die Boten dieser Hoffnung in ganz Uganda! Christus weiß, was in euren Herzen ist - und er hebt euch. Das wahre Licht hat jeden Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9). Ich danke den jungen Leuten in Uganda dafür, „Söhne des Lichts und Söhne des Tages” (1 Thess 5,5) zu sein. In eurem Licht erkenne ich das Licht Christi! Nun müßt ihr dasselbe Licht mit euren Brüdern und Schwestern teilen! Eure Kraft und eure Begeisterung für das Evangehum sind Grund genug, um hoffnungsvoll auf die Zukunft der Kirche in Uganda und in ganz Afrika zu schauen. Während ihr für das kommende Jahrhundert Verantwortung übernehmt, möge das Wort Gottes eurem Fuß eine Leuchte und ein Licht für eure Pfade sein (vgl. Ps 119,105)! Mit euch und allen Jugendlichen in Uganda bete ich, daß die Jungfrau Maria, der Morgenstern, der die Sonne der Gerechtigkeit getragen hat (vgl. Mal 3,20), euch mit der Liebe Christi erfüllen möge. Geht hinaus mit euren brennenden Lampen, damit alle es sehen, geht dem Herrn des Tages entgegen! Gott segne euch alle! Er wird mit Liebe und Freundlichkeit auf diese jungen Menschen blicken und ihr Gebet erhören, so daß sie Herz und Verstand immer offen halten für Christus, unser Leben. 287 REISEN Das Ärgernis der Spaltung beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit des Evangeliums Ansprache im anglikanischen Heiligtum für die ugandischen Märtyrer in Namugongo (Uganda) am 7. Februar Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” (Eph 1,2). Mit diesen Worten des Apostels Paulus möchte ich die Führer und Mitglieder der christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in Uganda begrüßen. Durch euch grüße ich herzlich alle Jünger Christi in Uganda. Unsere heutige Begegnung in Nakiyanja weckt die Erinnerung an die ersten Christen, Anglikaner und Katholiken, in Uganda, die ihr Leben für ihren Glauben an Jesus Christus opferten. Ihr Beispiel erinnert uns an die große Kraft der Gnade Christi, die scheinbare Machtlosigkeit in Stärke, Leid in Freude und Tod in ewiges Leben verwandeln kann. Das Geheimnis des Kreuzes war in der Geburtsstunde des Christentums in Uganda auf lebendige Weise zugegen. Laßt uns beten, daß seine erlösende Kraft die Christen von heute in ihrem Zeugnis für das Evangelium und in ihrem Streben nach vollkommener Einheit im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe unterstützen möge. 2. Jeder Getaufte hat die Pflicht, sich für die Einheit der Christen einsetzen. Das ist es, was uns der Apostel Paulus lehrt, wenn er sagt: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angelegt... denn ihr alle seid ,einer’ in Christus Jesus” (Gal 3,27-28). Kraft ihrer gemeinsamen Taufe, teilen alle Christen die Verantwortung zur Verwirklichung dieser Einheit, dem Willen unseres Herrn Jesus Christus entsprechend. In der Nacht vor seinem Tod, betete Jesus: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast” (Joh 17,21). Möge unser Treffen heute dazu beitragen, eine passende Antwort auf dieses Gebet zu geben. Es freut mich sehr, daß hier in Uganda bedeutende Schritte zur Förderung der Einheit der Christen im Rahmen der Initiativen des „Uganda Joint Christian Council” (Gesamtchristlicher Rat für Uganda) unternommen werden. Vor allem in den letzten Jahren hat diese Einrichtung eine wichtige Rolle für den Frieden und die Aussöhnung aller Menschen in Uganda gespielt. 3. Liebe Freunde! Unsere heutige Begegnung hier weist auf die neue Bereitschaft der geteilten christlichen Gemeinschaft hin, für eine vollkommene Einheit zusammenzuarbeiten. Die noch bestehenden Spaltungen unter uns beeinträchtigen die Lebenskraft des Evangeliums und sind ein Ärgernis vor den Augen der Welt, besonders, wenn wir offensichtlich ein „Reich, das in sich gespalten ist” (Lk 11,17) verkünden. Unser Getrenntsein beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit des Evangeliums. 288 REISEN Die christliche Einheit ist selbstverständlich ein Geschenk Gottes, um das wir inständig bitten müssen, aber wir sind zuversichtlich, daß es uns - dem Willen des Herrn gemäß - gewährt werden wird. Christen dürfen nie aufhören, für die Einheit zu beten und zu opfern. Ebenso sind sie aufgerufen, die Bemühungen ihrer jeweiligen Gemeinschaften um einen theologischen Dialog, gegenseitiges Zeugnis und praktische Zusammenarbeit zu unterstützen. Durch eine solche Zusammenarbeit der Christen untereinander „kommt die Verbundenheit, in der sie schon untereinander vereinigt sind, lebendig zum Ausdruck, und das Antlitz Christi, des Gottesknechtes, tritt in hellerem Licht zutage” (Unitatis redintegratio, Nr. 12). Hier in Uganda wird die Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheitsfürsorge und auf sozialen Gebieten durch den „Joint Christian Council” gefördert. Weitere Formen ökumenischer Zusammenarbeit schließen gemeinschaftliche Initiativen zur Bibelübersetzung und die Entwicklung der Gemeinschaften ein. Sie sind gute Beispiele für das, was christliche Menschen Seite an Seite durch ihr gemeinsames Zeugnis tun können, insbesondere zugunsten der Bevölkerung Ugandas, die sich nach einem Leben in Gott durch die Freundschaft mit Jesus, seinem Sohn, sehnt. So wichtig ökumenische Zusammenarbeit auch ist, sie darf jedoch nicht zum Selbstzweck werden, denn dies würde von ihrem eigentlichen Sinn - dem Streben nach voller, sichtbarer Einheit unter getrennten Christen - abweichen. Deshalb können einige Forumsdiskussionen zu weiterem Nachdenken über die Gründe für eine gemeinsame ökumenische Arbeit anregen und von Nutzen sein. Ich bin mir bewußt, daß die „Ökumenische Studiengruppe” in Kampala, mit der Unterstützung der verschiedenen Kirchenoberhäupter, in dieser Hinsicht einen wertvollen Dienst geleistet hat. 4. Bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich betont, daß die katholische Kirche fest verpflichtet ist, die ökumenische Bewegung und die Zusammenarbeit zwischen den getrennten christlichen Gemeinschaften zu fördern (vgl. Ansprache an die römische Kurie, 28.6.1985; Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 32). Anstelle von Argwohn, Mißtrauen und Feindschaft, die in der Vergangenheit nur allzu oft die gegenseitigen Beziehungen der Christen in Uganda beeinträchtigt haben, möchte die katholische Kirche alle Bemühungen zur Förderung der Einheit aller Gläubigen, durch den Frieden, der sie zusammenhält (vgl. Eph 4,3), unterstützen und begünstigen. Liebe Brüder und Schwestern! Ich hoffe und bete inständig, daß eure Sehnsucht nach der Einheit aller Christen als Antwort auf das Gebet des Erlösers: „Alle sollen eins sein” (Joh 17,21), Tag für Tag stärker wird. Ich bitte den Herrn um seinen reichen Segen für euch alle. Am Schluß des Besuches des ugandischen Märtyrerheiligtums sagte der Papst: Besten Dank für eure Gastfreundschaft. Es ist wichtig, daß ich meine tiefe, innere Bewegung betone, die ich an dieser Stätte des Martyriums eurer Vorfahren emp- 289 REISEN finde, die ugandischen Blutzeugen beider Bekenntnisse, Anglikaner und Katholiken, die gemeinsam vom Feuer verzehrt wurden. Es war das im Herzen brennende Feuer des Heiligen Geistes und,die Einheit in Jesus Christus! Ich wünsche, daß dieses Feuer des Heiligen Geistes uns in der gleichen Kirche, in derselben Einheit in Jesus Christus durch seinen Heiligen Geist zusammenführe. Besten Dank für eure Gastfreundschaft. Gott segne euch. Uganda muß das Wort Gottes hören. Predigt beim Gottesdienst im Heiligtum der ugandischen Märtyrer in Namugongo am 7. Februar Baana bange abaagalwa, Mbalamusizza mwenna. Mwebale okujja. Katonda Kitaffe tumugulumize. ; Meine lieben Söhne und Töchter, ich grüße euch alle. Danke für euer Kommen. Laßt uns Gott, unsem Vater, preisen. 1. „Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor” (Eph 5,9). Heute ist Sonntag. Jesus Christus, das Licht der Welt (vgl. Joh 8,12), ist vom Tod auferstanden! Im Heiligtum der Märtyrer Ugandas sind wir zusammengekommen, um Christus, das Licht der Welt, zu feiern. Mit der Auferstehung Christi haben sich die vom Propheten Jesaja zur Heiligen Stadt Jerusalem gesprochenen Worte erfüllt: „... es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir ... über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir” (Jes 60,1-2). Jesaja sagte weiter: „Völker wandern zü deinem Licht... Deine Söhne kommen von lern” (Jes 60,3-4). Ja, von fern sind die Völker gekommen, aus zahllosen Ländern und Nationen der Erde. Zweitausend Jahre lang. Auch du bist gekommen, Volk Ugandas, ihr Söhne und Töchter Afrikas. Auch ihr habt das Licht der Auferstehung Christi gesehen. Das Licht, das „lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit” hervorbringt. 2. Das ist der Ort, wo das Licht Christi mit besonderem Glanz auf euer Land geschienen hat. Das ist der Ort der Dunkelheit, Namugongo, wo das Licht Christi in dem großen Feuer, das den heiligen Charles Lwanga und seine Gefährten verzehrte, hell erstrahlt ist. Das Licht dieses Opfers möge niemals aufhören, in Afrika zu leuchten! Das heldenhafte Opfer der Märtyrer hat geholfen, Christus, dem wahren Licht, das alle Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9), Uganda und ganz Afrika zuzuführen. Männer und Frauen aller Rassen und Sprachen, aller Völker und Nationen (vgl. Offb 5,9) haben auf den Ruf Christi geantwortet, sind ihm nachgefolgt und Glieder seiner Kirche geworden, so wie die Scharen, die Jahr für Jahr nach Namugongo pilgern. 290 REISEN Heute ist der Bischof von Rom, der Nachfolger des heiligen Petrus, ebenfalls als Pilger zum Heiligtum der ugandischen Märtyrer gekommen. Dem Beispiel Papst Pauls VI. folgend, der diese Söhne eures Landes zur Ehre der Altäre erhob und später als erster Papst Afrika besuchte, möchte auch ich diesem heiligen Boden einen besonderen Friedenskuß aufdriicken. Es ist mir eine Freude, von hier aus den Präsidenten der Republik Uganda zu grüßen und die Vertreter der Regierung, die uns mit ihrer Anwesenheit beehren. Ich grüße alle Glieder der Kirche in Uganda. Es freut mich, Erzbischof Emmanuel Wamala und alle meine Brüder im Bischofsamt in Uganda zu begrüßen, besonders die Bischöfe des Südens: Bischof Adrian Ddungo von Masaka, Bischof Joseph Willigem von Jinja und Bischof Joseph Mukwaya von Kiyinda-Mityana. Auch heiße ich alle Bischöfe willkommen, die aus anderen Ländern zur Teilnahme an dieser Feier gekommen sind. Ich grüße die Priester und die Ordensmänner und Ordensfrauen, die ihr Leben dem Dienst an ihren Brüdern und Schwestern im Glauben gewidmet haben. Meine Grüße gehen heute auch in besonderer Weise an die gläubigen Laien Ugandas. Ich umarme euch mit Liebe im Herrn Jesus. Ihr seid die Erben der starken und getreuen Laienverantwortlichen, mit denen die Kirche in Uganda von Anfang an gesegnet war. 3. „Einst wart ihr Finsternis”, sagte Paulus zu den Ephesem, „jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden” (Eph 5,8). Wie inhaltsreich waren die Worte Papst Pauls VI. in seiner Predigt bei der Heiligsprechung der ugandischen Märtyrerl „Wer hätte vorhersehen können”, so fragte der Papst, „daß wir zusammen mit den großen historischen Figuren der afrikanischen Märtyrer und Bekenner wie Cyprian, Felicitas und Perpetua und dem herausragenden Augustinus eines Tages die geliebten Namen von Charles Lwanga, Matthias Mulumba Kalemba und ihren zwanzig Gefährten nennen würden?” (18. Oktober 1964). Wahrlich, die ugandischen Märtyrer sind durch den Herrn Licht geworden! Ihr Opfer hat die Wiedergeburt der Kirche in Afrika beschleunigt. In unseren Tagen wird ganz Afrika zum Licht Christi gerufen! Afrika wird wieder gerufen, seine wahre Identität im Licht des Glaubens an den Gottessohn zu entdecken. Alles, was wirklich afrikanisch ist, alles, was an Afrikas Traditionen und Kulturen wahr, gut und edel ist, ist bestimmt, in Christus seine Erfüllung zu finden. Die ugandischen Märtyrer zeigen dies deutlich: Sie waren die wahrsten Afrikaner, würdige Erben der Tugenden ihrer Vorfahren. Indem sie Jesus Christus aufnahmen, haben sie ihrem Volk die Tür zum Glauben geöffnet (vgl. Apg 14,27), so daß die Herrlichkeit des Herrn über Uganda, über Afrika leuchten konnte. 4. Es ist recht, daß wir hier in Namugongo Gott für alle danken, die für die Wiedergeburt der Kirche auf diesem Kontinent gearbeitet, gebetet und ihr Blut vergossen haben. Wir danken für alle, die das Werk der Märtyrer fortgesetzt haben, indem sie sich bemühten, eine wirklich afrikanische und katholische Kirche aufzubauen. 291 REISEN An erster Stelle möchte ich euch für den herausragenden Dienst, den eure Katecheten leisten, meine Anerkennung aussprechen. In letzter Zeit wurden einige von ihnen wie die Märtyrer der Vergangenheit gerufen, ihr Leben für Christus hinzugeben. Die Geschichte der Kirche in Uganda zeigt deutlich, daß Generationen von Katecheten „einen einzigartigen und unersetzlichen Beitrag zur Verbreitung des Glaubens und der Kirche” (vgl. Ad gentes, Nr. 17) in eurem Land geleistet haben. Wie deutlich wurde das schon beim Anbruch der christlichen Ära in Uganda! Obwohl sie selbst Christus gerade erst kennengelemt hatten, teilten eure Märtyrer freudig mit anderen die gute Nachricht über einen, der „der Weg und die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6) ist. Sie verstanden: „Der Glaube wird stark durch Weitergabe” (Redemptoris missio, Nr. 2). Liebe Katecheten: Was ihr umsonst empfangen habt, sollt ihr umsonst geben (vgl. Mt 10,8)! Vertieft eure Kenntnis des Glaubens der Kirche, so daß ihr dessen Schätze immer vollständiger mit anderen teilen könnt. Seid immer bestrebt, mit der Kirche zu denken. Vor allem müßt ihr euch dem persönlichen Gebet widmen. Nur wenn euer Dienst vom Gebet genährt und von einem authentischen christlichen Leben getragen wird, bringt er dauerhafte Frucht. Eure Katechese kann niemals nur Unterweisung über Christus und seine Kirche sein. Sie muß auch eine Schule des Gebets sein, wo die Getauften lernen, in einer immer tieferen und bewußteren Beziehung zu Gott, dem Vater, zu Jesus, dem Erstgeborenen von vielen Brüdern und Schwestern (vgl. Röm 8,29), und zum Heiligen Geist, dem Spender ewigen Lebens, zu wachsen. Die Auswirkungen des Lichtes Christi müssen an der Güte eures Lebens deutlich sichtbar sein! Ihr müßt Vorbilder eines Glaubens sein, der in einer persönlichen Beziehung zu Jesus wurzelt und in voller Gemeinschaft mit der Kirche gelebt wird. Euer Glaube muß klar zu erkennen sein an eurem Gehorsam gegenüber dem Evangelium, an eurem Leben der Liebe und des Dienstes und an eurem missionarischen Eifer gegenüber denen, die noch nicht glauben oder die den Glauben, den sie in der Taufe empfangen haben, nicht mehr leben. Nehmt euch die Lehre des heiligen Paulus zu Herzen: Seid ein Vorbild der Geduld und Liebe allen Menschen gegenüber eingedenk der Tatsache, daß ihr nichts seid, wenn ihr die Liebe nicht habt (vgl. 1 Kor 13). 5. „Ihr seid durch den Herrn Licht geworden!” Wie hell leuchtet das Licht Christi im Leben der Laien, Männer und Frauen, die in den stillen und oft verborgenen Gegebenheiten ihres Lebens nach Heiligkeit streben! Ich möchte insbesondere die Wertschätzung der Kirche für die Frauen Ugandas zum Ausdruck bringen. Ich ermutige euch: Habt keine Angst, eure Stimme hören zu lassen! Gott hat den ugandischen Frauen wichtige Gaben gegeben, die miteinander zu teilen sind für den Aufbau einer menschlicheren Gesellschaft voll Liebe, einer Gesellschaft, die die Würde aller Menschen, besonders der Kinder und Notleidenden, achtet. 292 REISEN Wie wichtig ist das Apostolat der christlichen Familien für das Wachstum der Gesellschaft und der Kirche! Christliche Ehepaare, seid einander treu! Vergeßt niemals den heiligen Ruf, den ihr empfangen habt, den Glauben weiterzugeben und die jüngere Generation zu einem Leben zu erziehen, an dem Gott Gefallen findet. Afrika braucht das Zeugnis christlicher Familien, Familien, die Schulen der Großmut, der Geduld, des Dialogs und der Achtung vor den Bedürfnissen anderer sind! Es freut mich, hier die Vertreter von verschiedenen Vereinigungen und kirchlichen Bewegungen zu sehen, die im Leben eurer Ortskirchen eine so wichtige Rolle spielen. Liebe Freunde! Euer Wunsch nach Heiligkeit und authentischem christlichem Leben ist ein großes Geschenk Gottes an die Kirche in unserer Zeit. Seid eines Sinnes und Herzens mit den Hirten der Kirche. Jesus ruft euch, Missionare seiner Liebe und Sauerteig der Versöhnung und Erneuerung inmitten seines Volkes zu sein. Ich ermutige eure Anstrengungen, allen die gute Nachricht Christi zu bringen, vor allem den lauen und denen, die von der normalen Seelsorge der Kirche nicht erreicht werden. 6. „Auf, werde Licht, denn es kommt dein Licht!” (Jes 60,1). Christi Worte sind an euch gerichtet, gläubige Laien Ugandas! Zu jedem von euch sagt Christus: „... euer Licht (soll) vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen” (Mt 5,16). Wie sehr brauchen die Menschen in Uganda das Licht des Evangeliums, um die Dunkelheit zu vertreiben, die nach langen Jahren ziviler Unruhen, der Gewalt und des Schreckens jetzt zurückgeblieben sind. Uganda steht heute am Scheideweg: Seine Menschen brauchen das Salz des Gotteswortes, um die Tugenden der Redlichkeit, Güte, Gerechtigkeit, Achtung vor der Würde anderer hervorzubringen, die allein den Wiederaufbau ihres Landes auf einer soüden Grundlage gewährleisten können. Für Uganda ist es notwendig, das Wort Gottes zu hören! Wie viele eurer Brüder und Schwestern sind Christus noch nicht begegnet! Euch allen wiederhole ich heute die Aufforderung, die Papst Paul VI. euch hinterlassen hat: Ihr müßt eure eigenen Missionare werden! Euer Evangelisierungseifer gehe Hand in Hand mit einem immer echteren Einsatz für die Einheit aller, die den Namen Christi bekennen. Die Beziehungen unter den Christen sollten von Harmonie und einem Geist gegenseitigen Respekts gekennzeichnet sein. Den Spaltungen zum Trotz sind die Bemühungen zur Förderung der christlichen Einheit ein machtvolles Zeichen der Versöhnung, die Gott in eurer Mitte wirken will (vgl. Redemptoris missio, Nr. 50). 7. Laien Ugandas! „Ihr müßt das Salz der Erde und das Licht der Welt sein” (vgl. Mt 5,13-14). Wenn eure Werke das Salz der „Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit” enthalten, dann wird euer Leben wirklich Licht für eure Nächsten werden. Christus ruft euch, ein Leben zu führen, an dem Gott Gefallen findet. Durch eure Wiedergeburt im Wasser der Taufe wurdet ihr neue Schöpfung, bekamt ihr Anteil 293 REISEN an seinem göttlichen Leben und wurdet ihr ausgesandt, Zeugnis zu geben für den, der uns aus der Finsternis in sein Reich des Lichts gemfen hat (vgl. Kol 1,13). Der heihge Paulus sagt es sehr deutlich: habt nichts gemein mit den Werken der Finsternis” (Eph 5,11). Ihr habt dem Teufel und seinen Werken widersagt. Ihr seid tim den Preis des Blutes Christi losgekauft worden, daher dürft ihr Ihn niemals verleugnen, indem ihr euch Götzen zuwendet oder von eurem christlichen Lebensweg wegen der leeren Versprechungen einer Kultur des Todes abweicht! „Einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden” (Eph 5,8). Laßt euch von den Märtyrern anleiten! Sie bekannten Christus nicht allein mit dem Mund. Sie zeigten ihre Liebe zu Gott, indem sie seine Gebote hielten (vgl. 1 Joh 5,3). Das Bild Christi leuchtete in ihnen mit einer geistlichen Kraft weiter, die jetzt noch Menschen zu ihm führt. In ihrem Leben und in ihrem Tod haben die Märtyrer die Macht des Kreuzes geoffenbart, die Macht eines Glaubens, der stärker ist als die Angst, ein Leben, das über den Tod triumphiert, eine Hoffnung, die die Zukunft erhellt, und eine Liebe, die die erbittertsten Feinde versöhnt. 8. „Der Herr ist dein ewiges Licht” (Jes 60,20). Ich danke Gott für die Gelegenheit, mit euch im Heiligtum der heiligen Märtyrer Ugandas die Eucharistie zu feiern. Die Märtyrer waren inmitten dieses geliebten afrikanischen Volkes aufgerufen, „ihr Licht vor den Menschen leuchten zu lassen” (vgl, Mt 5,16). In ihnen wurde das Gleichnis Christi vom Salz und vom Licht erfüllt. In ihrem irdischen Leben suchten die Märtyrer „zu entdecken, was dem Herrn gefällt” (vgl. Eph 5,10), und handelten in einer Weise, die des Rufes würdig war, den sie erhalten hatten. Als Jünger Christi waren sie bereit, selbst ihr Leben für ihn hinzugeben. Der Heilige Geist hat in Namugongo „ein Licht angezündet”. Durch den Dienst der Kirche hat er auch dafür gesorgt, daß das Licht nicht verborgen bleibt, sondern „allen im Haus leuchtet” (vgl. Mt 5,15): in , eurem Haus, in Uganda und in ganz Afrika. Mwebale okumpuliriza. Kristu abeere ekitangaala. Mu Africa yonna. (Danke, daß ihr mir zugehört habt. Möge Christus das Licht ganz Afrikas sein.) Uganda dem Schutz Marias anvertraut Angelus in Kampala am Sonntag, 7. Februar Am Schluß dieser Messe wenden wir uns voll Liebe an die seligste Jungfrau Maria und bereiten uns vor, den „Engel des Herrn” zu beten. Vom Kreuz aus gab Jesus seinen Jüngern Maria zur Mutter (vgl. Joh 19,25-27). Seit den Anfängen des Daseins der Kirche in diesem Land wurden die Christen von Uganda in ihrem Zeugnis für das Evangelium durchdie Fürbitte der Gottesmutter unterstützt. Die ugandischen Märtyrer bewiesen ihre tiefe Marienverehrung durch das tägliche Gebet des Angelus 294 REISEN und des Rosenkranzes während ihrer Kerkerhaft. Mit ihnen und allen Heiligen vereint, laßt uns jetzt dieses geliebte Land Uganda und seine Bevölkerung dem mütterlichen Schutz Marias anvertrauen! Maria, Königin des Friedens! Dir empfehlen wir die Männer, Frauen und Kinder von Uganda. Der Geist Gottes schenke ihrer Nation durch deine Fürbitte dauerhaften Frieden und Wohlstand. Das Licht Christi vertreibe die geistige Finsternis, die Selbstsucht, Gewalt sowie Haß gegen die anderen und Verachtung ihrer Rechte gebiert. Mögen sich alle Herzen der Kraft der Liebe Gottes öffnen. Mögen die durch ethnische oder politische Gegensätze Getrennten lernen zusammenzuarbeiten, um eine Gesellschaft in Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit für ihre Kinder aufzubauen. Maria, Königin der Märtyrer! Dir empfehlen wir die Christen dieses Landes. Das edle Vorbild des heiligen Charles Lwanga und der ugandischen Märtyrer rege sie dazu an, ihr Leben als ein wohlgefälliges Opfer Gott darzubringen. Ihr Glaube an Christus werde sichtbar in der Heiligkeit ihres Lebens und ihrer Nächstenliebe zu ihren Brüdern und Schwestern. Stärke die Priester und Ordensleute in ihrer Treue und ihrem apostolischen Eifer und gib, daß immer mehr junge Menschen dem Ruf Gottes zum Dienst in seiner Kirche hochherzig folgen. Mögen die Christen durch deine liebevolle Fürsprache Leitsterne der Hoffnung sein, indem sie ihr Licht vor den Menschen leuchten lassen, und mögen sie Sauerteig der evangelischen Werte sein, indem sie zur geistlichen und moralischen Erneuerung der ugandischen Gesellschaft beitragen. Maria, Mutter aller Glaubenden! Mögen sich alle Jünger Christi in diesem Land im Geist gegenseitiger Achtung und Zusammenarbeit noch enger zusammenschließen. Mögen sie ein noch deutlicheres brüderliches Zeugnis geben von der versöhnenden Liebe Jesu, des Erlösers. Gedrängt vom Geist der Liebe, mögen sie helfen, das Licht des Evangeliums unter dem ganzen Volk in Uganda zu verbreiten. Maria, Mutter der Schmerzen! Schau mitleidsvoll auf alle, die leiden. Steh den Opfern von Gewalt und Schrecken bei, und tröste alle Trauernden. Dein Sohn Jesus schenke Trost und Frieden allen Kranken und Sterbenden und stärke alle, die für deren körperliches und geistliches Wohl sorgen. Maria, Königin von Afrika! Führe alle Völker in das Gottesreich der Heiligkeit, der Wahrheit und des Lebens. Du, die du frei ja zu Gott gesagt hast und die jungfräuliche Mutter seines einzigen Sohnes geworden bist, bleibe deinen Söhnen und Töchtern in Uganda nahe. Durch sie möge ganz Afrika den Namen Jesu Christi, unseres Erlösers, kennen und lieben lernen. 295 REISEN Kommerzielle Interessen dürfen Aids-Bekämpfung nicht beeinträchtigen Botschaft an die Kranken in Uganda, überreicht am 7. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit Freude und Zuneigung grüße ich euch, Kranke und Behinderte Ugandas; auf euch rufe ich die Gnade und das Erbarmen Gottes, unseres Vaters, herab. Mit dieser Botschaft, die ich Bischof Henry Ssentbngo, dem Präsidenten des Gesundheitsbüros der Ugandischen Bischofskonferenz, anvertraue, möchte ich euch alle umarmen, die ihr in dieser gebebten afrikanischen Nation das Mysterium des menschhchen Leidens lebt. Die Kirche fühlt sich denen, die geistig oder körperlich leiden, besonders nahe, was immer ihre sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse oder ihre Rebgionszugehörig-keit seien. In jedem sieht sie das Büd Christi, ihres Retters, der Mensch wurde, um uns von unseren Sünden zu erlösen und uns das ewige Leben zu geben. Dem Beispiel und Gebot Jesu, ihres Herrn und Meisters, folgend, streckt sie vob Erbarmen und Mitleid jedem Menschen die Hände entgegen, besonders aber den Armen, den Kranken und den Behinderten. Diese bebende Sorge, die für ihre Sendung wesent-bch ist, findet ihren konkreten Ausdruck nicht nur in der Errichtung von vielen kirchlichen Krankenhäusern, Khniken und Ambulatorien, sondern auch und vor allem in der leibhchen und geistbchen Betreuung durch ihre Priester und Ordensleute und die vielen Laien - Ärzte, Krankenschwestern usw. -, die sie der Gesebschaft als Beispiel für ihre selbstlose Hingabe an die Mitmenschen vorstellt. Mit diesen Mitteln möchte die Kirche „den Menschen in besonderer Weise auf dem Weg ihres Leidens begegnen” (vgl. Salvifici doloris, Nr. 31) und ihnen die Hoffnung und den Trost des Evangeliums anbieten. 2. Mein Gruß an euch ist ein Gruß der Freude und des Friedens, der aus dem sicheren Vertrauen kommt, das die Christen in Jesus Christus haben. Wir. sind zuversichtlich, daß der Herr uns eines Tages an seiner Herrhchkeit teilhaben lassen wird, wenn wir mit ihm leiden, wie Petrus es so schön geschrieben hat: „... freut euch, daß ihr Anteil an den leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrhchkeit vob Freude jubeln” (1 Petr 4,13). Trotz des Schmerzes, der Enttäuschung und der Einsamkeit, die wir erleben mögen, wissen wir, daß wir in Christus Licht und Hoffnung finden, selbst wenn wir leiden. Im Kreuz Jesu Christi hat Gott die endgültige Antwort auf alles Böse, das morah-sche wie das physische, gegeben. Der Vater hat seine Schöpfung nicht abein gelassen, als Leid und Tod infolge der Sünde in die Welt gekommen sind (vgl. Joh 3,15-19). Er hat vielmehr „die Welt so sehr gebebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat” (Joh 3,16). Wegen dieses Geschenks der Liebe des Vaters, das am vollsten 296 REISEN im Tod und der Auferstehung Christi offenbar wurde, können wir nun in der Hoffnung leben - nicht der falschen Hoffnung, daß wir niemals zu leiden haben werden, sondern in der realen Hoffnung auf das ewige Leben. Im Licht des Ostergeheimnis-ses des Kreuzes und der Auferstehung Christi finden wir einen völlig neuen und endgültigen Grund zur Hoffnung angesichts des Leidens und des Todes, einer Hoffnung, die anspomt, „sich einen Weg durch das tiefe Dunkel der Demütigungen, der Zweifel, der Verzweiflung und der Verfolgung zu bahnen” (Salvifici doloris, Nr. 20). 3. Liebe Brüder und Schwestern, wegen unserer Aufnahme in Christus durch die Taufe haben die Christen Anteil am Geheimnis des Kreuzes Christi, dem Geheimnis, durch das er die Welt erlösen wollte. Weil lesus durch sein Leiden uns allen Gnade und Vergebung gebracht hat, ist jeder von uns „auch zur Teilhabe an jenem Leiden aufgerufen, durch das die Erlösung vollzogen wurde” (ebd., Nr. 19). Durch das Kreuz erhielt menschliches Leiden eine transzendente Dimension und heilbringende Bedeutung, und damit wurde ihm ein Zweck und Wert verliehen, der vordem niemals vorstellbar gewesen wäre. „Darum kann auch jeder Mensch durch sein Leiden am erlösenden Leiden Christi teilhaben” (ebd.). Die Christen sind daher aufgefordert, nicht nur auf sich selbst zu schauen, sondern mit den Augen des Glaubens das große Gute zu sehen, das vollbracht werden kann, wenn sie ihre Leiden, vereinigt mit dem Kreuz Christi, als gefälliges Opfer Gott, unserem Vater, darbringen. Wie viele Menschen gibt es in Uganda, denen durch unsere Gebete geholfen werden kann! Ich denke an die Waisen, an die jungen Menschen auf der Suche nach einem Arbeitsplatz, an die Familien, die ums Überleben kämpfen, an die Alkohol- oder Drogenabhängigen, an die Männer und Frauen, die das Evangelium Christi nie gehört haben, an die Alten, die Einsamen und vor allem jene, deren Krankheit noch schwerer sein mag als die eure. „Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst” (Röm 12,1). Jene, die hochherzig das Kreuz Jesu Christi umarmen und ihre Leiden im Verein mit der rettenden Kraft seines ewigen Opfers darbringen, können dazu beitragen, den Menschen Ugandas und den Männern und Frauen in der ganzen Welt neues Leben zu bringen. Der heilige Paulus sah klar, wie sehr die Kirche durch die Leiden der Christen bereichert wird, wenn diese mit Geduld und Liebe ertragen werden: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt” (Kol 1,24). Die Kirche ist auf die geistüche Gabe angewiesen, die nur die Kranken zu geben fähig sind. Ertragt eure Leiden in Vereinigung mit dem Herrn, darauf vertrauend, daß ihr eines Tages mit ihm verherrlicht werdet. Denn „die Leiden der gegenwärtigen Zeit ... bedeuten (nichts) im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll” (Röm 8,18). 297 REISEN 4. Und nun möchte ich besonders diejenigen unter euch ansprechen, die an Aids leiden. Ich weiß wohl, daß diese schreckliche Krankheit innerhalb von einem Jahrzehnt schon so viele Menschen bei euch befallen und Tausende von Kindern ohne elterliche Fürsorge gelassen hat. Viele von euch sind bereits bettlägrig, viele andere als seropositiv diagnostiziert, andere wiederum leben in ständiger Angst, mit der Krankheit angesteckt zu werden. Es gibt nur einen, der euch Hoffnung und Zuversicht in all diesem Leiden, in dieser Angst und sogar im Tod selbst geben kann. Es ist Christus, der gesagt hat: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch, und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht” (Mt 11,28-30). Verliert nie den Mut! Manchmal mag das Joch drückend und die Last schwer erscheinen, doch der Herr versichert euch wie dem heiügen Paulus: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit” (2 Kor 12,9). Christus ist an eurer Seite; zweifelt nicht an seiner Gegenwart und der Kraft seiner Gnade! Die Aids-Geißel ist eine Herausforderung für jeden. Wie die Bischöfe Ugandas richtig festgestellt haben, „muß dieser Situation, die alle trifft, in Solidarität begegnet werden, mit viel Liebe und Sorge für die Opfer, mit viel Großherzigkeit für die Waisen und mit viel Einsatz für eine neue Weise, christliche Moral zu leben” (Hirtenbrief Laßt euer Licht leuchten, Nr. 28). In der Tat sind alle Menschen guten Willens aufgerufen, über die tieferen sozialen und moralischen Probleme nachzudenken, die mit dieser Krankheit in Zusammenhang stehen. Parallel zur Ausbreitung von Aids besteht eine gefährliche Wertekrise in einigen Gesellschaften, da viele Menschen geistig verkrüppelt aufwachsen, gleichgültig gegenüber den Tugenden und geistlichen Werten, die allein der Gesellschaft wahres Glück und authentischen Fortschritt garantieren können. Von dieser geistlichen Krise sind besonders die Jugendlichen betroffen, von denen die Zukunft eures Landes abhängt. Ihr, die ihr an Aids leidet, habt in diesem entscheidenden Kampf für das Wohl eures Landes eine wichtige Rolle zu spielen! Opfert eure Leiden in Vereinigung mit Christus für eure Brüder und Schwestern, die besonders gefährdet sind! Euer Leiden kann eine gnadenerfüllte Gelegenheit sein, die moralische Wiedergeburt der ugandischen Gesellschaft herbeizuführen. Ich rufe die tröstenden und stärkenden Gaben der unerschöpflichen Liebe Gottes auf die herab, die an Aids leiden, und auf alle, die sich hochherzig ihrer Pflege widmen. Zugleich appelliere" ich an diejenigen, die daran arbeiten, eine wirksame wissenschaftliche Antwort auf diese Krankheit zu finden, nicht zu säumen und vor allem nicht zuzulassen, daß kommerzielle Interessen ihre hochherzigen Anstrengungen nicht beeinträchtigen. 5. Die tiefe Liebe und Wertschätzung der Kirche für die Kranken kommt in den Worten meines Vorgängers Papst Paul VI. an die Patienten des National Hospital in 298 REISEN Mulogo bei seinem Besuch im Jahr 1969 schön zum Ausdruck. Liebe Freunde, ich bitte euch nun, diese Worte zu Herzen zu nehmen: „Wie unser Herr am Kreuz könnt ihr euch nicht frei bewegen; doch ihr könnt - wie er - eure Arme offenhalten für die ganze Welt und eure Leiden für das Heil der Menschen aufopfem ... Laßt euer Krankenbett einen Altar sein, auf dem ihr euch selbst ganz Gott hingebt, damit er mit euch tun kann, was er will; und eure Belohnung wird überaus groß im Himmel sein” (1. August 1969). Kreuz und Auferstehung Jesu Christi haben den wahren Sinn und Wert des menschlichen Leidens enthüllt. Der Herr lädt alle ein, ihn auf dem Weg nach Golgota zu begleiten und an der Osterfreude teilzunehmen. Auf diesem Weg sind wir nie .allein; die selige Jungfrau Maria, die unter dem Kreuz ihres Sohnes stand, ist immer an unserer Seite. Indem ich ihre Fürbitte und die des heiligen Charles Lwanga und aller ugandischen Märtyrer erflehe, erteile ich euch, euren Lieben und allen, die euch betreuen, meinen Apostolischen Segen als Unterpfand des Trostes und der Gnade Gottes. Die Leiden aufopfern für das Wohl des Landes Grußworte an die Kranken im St. Francis Hospital in Kampala (Uganda) am 7. Februar Liebe Freunde! 1. Mit großer Liebe in unserem Herrn Jesus Christus begrüße ich die Vertreter der Kranken und Behinderten Ugandas hier im Saint Francis Hospital in Nsambya. Meine herzlichen und guten Wünsche gehen auch an die Ärzte, an die Krankenschwestern und alle anderen, die sich beruflich den Kranken widmen. In wenigen Tagen, am 11. Februar, dem Fest U. Lb. Frau von Lourdes, wird die Gesamtkirche den ersten Welttag für die Kranken feiern. Er ist eingeführt worden, um das Interesse der Kirche für die Kranken und ihr Bemühen hervorzuheben, deren leibliche und geistliche Bedürfnisse zu erfüllen. Dies sind wesentliche Aspekte des Zeugnisses der Kirche für Christus in allen Ländern, in denen sie anwesend ist. Hier in Uganda wird die Sendung der Kirche, sich um die Kranken zu kümmern, von zahlreichen Krankenhäusern und Zentren des Gesundheitswesen wahrgenommen, auch von diesem Krankenhaus, das von Mutter Kevin Keamey, der Gründerin der Franziskanermissionarinnen für Afrika, im Jahr 1906 errichtet worden ist. Von da an wurde es ständig vergrößert, und es hat seine Programme und Dienstleistungen ausgeweitet und ist nun das größte nichtstaatliche Krankenhaus des Landes geworden. Die umfangreichen Gesundheits-, Rehabilitations- und Hauspflegedienste, die geboten werden, sind beeindruckend, und alles wird in jenem Geist der Liebe getan, der dem Beispiel des Herrn Jesus selbst entspringt, der seinen Segen denen versprochen hat, die den geringsten seiner Brüder dienen (vgl. Mt 10,42). Im Namen 299 REISEN der ganzen Kirche ergreife ich gerne diese Gelegenheit, um all denen zu danken, die dem Beispiel des barmherzigen Samariters folgend, den Kranken in der Stunde ihrer Not Mitleid und Hilfe bringen. 2. Meine Heben, kranken und behinderten Brüder und Schwestern! Der heilige Paulus hat uns gelehrt, daß unsere Leiden, wenn sie mit dem Erlösungsopfer Christi vereint sind, auf geheimnisvolle Weise heilbringende Kraft für das Leben seiner Kirche erhalten. Er schrieb an die Kolosser: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi; die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt” (Kol 1,24). „Ich freue mich!” Wie schwer ist es oft für euch, euch zu freuen, wenn Schmerz, Krankheit, der Verlust der Körperkräfte und die Trennung von geliebten Menschen euch zu Ungeduld, Frustration, Einsamkeit und sogar an den Rand der Verzweiflung führen können. Das Leiden findet seine Bedeutung und Erfüllung einzig im Glauben und in der Liebe: in dem Glauben, daß Gott das geduldige Ertragen „bei denen, die ihn heben, ... zum Guten führt” (Röm 8,28), und in jener Liebe, die uns veranlaßt, jeden Tag unser Kreuz auf uns zu nehmen (vgl. Lk 9,23), um Christus nachzufolgen, der unser Heil wirkte, indem er sein Leben für seine Freunde hingab (vgl. Joh 15,13; Gal 2,20). Wir haben volles Vertrauen, daß wir tatsächlich „für den Leib Christi, die Kirche, (ergänzen), was an den Leiden Christi noch fehlt”. Eure Brüder und Schwestern in Uganda brauchen euch! Sie brauchen eure Gebete und eure hochherzige Selbsthingabe! Euer geduldiges Ertragen kann dazu beitragen, ihnen Leben und Hoffnung zu bringen, wenn ihr vorbehaltlos den Willen Gottes annehmt in dem Vertrauen, daß ihr alles in ihm vermögt, der euch Kraft gibt (vgl. Phil 4,13). Die Kirche ist zusammen mit allen Männern und Frauen guten Willens tief besorgt über die große Zahl von Menschen in Uganda, vor allem Kinder und Jugendhche, die an Aids leiden, und über die unsägliche Not, die diese Krankheit in die Familien, die Gemeinschaften und die Nation selbst gebracht hat. Heute möchte ich mir die Worte eurer Bischöfe zu eigen machen, die geschrieben haben: „Dieser Situation, die alle im Land trifft, muß in SoHdarität begegnet werden, mit viel Liebe und Sorge für die Opfer, mit viel Großherzigkeit für die Waisen und mit viel Bemühen um die christHche Erneuerung der moralischen Lebensweise” (Hirtenbrief der ugandischen Bischöfe Laßt euer Licht leuchten, 28). Angesichts der Herausforderung durch Aids haben auch die Kranken eine besondere Rolle zu spielen: Ihr könnt eure Leiden opfern, damit die Wahrheit und die Liebe Christi sich in diesem ganzen Heben Land verbreiten. Ich ermutige euch, „euer Licht vor den Menschen leuchten (zu lassen), damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen” {Mt 5,16). 3. Ich vertraue nun Bischof Henry Ssentongo, dem Präsidenten des Gesundheitsbüros der Ugandischen Bischofskonferenz, die schrifthche Botschaft an, die ich an aUe Kranken und Behinderten in Uganda richte. Indem ich das tue, bete ich inständig zu Gott, daß er auf die Fürsprache des Patrons dieses Krankenhauses, des heili- 300 REISEN gen Franz von Assisi, des Armen, der an seinem Leib die Wundmale der Passion Christi trug, allen Kranken Ugandas helfen möge, ihre Leiden „als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt” {Röm 12,1) für das Wohl der Menschen dieses Landes und der ganzen Welt. Die Fürsprache Marias, Heil der Kranken, und des heiligen Charles Lwanga und der ugandischen Märtyrer mögen euch dabei unterstützen. Euch ahen und euren Familien und den Ärzten, Krankenschwestern, der Verwaltung und dem Personal des Saint Francis Hospital erteile ich von Herzen meinen apostolischen Segen. Baana bange abaagalwa Mbasaasira obulwadde. Kristu abagumye Era abawe omu-kisa. (Liebe Söhne und Töchter, ich spreche euch mein Mitgefühl aus. Möge Christus euch trösten; möge er euch segnen.) Gemeinsam für eine bessere Welt arbeiten Gruß wort an die Muslime in Nsambya am 7. Februar Ich danke Ihnen allen, Vertretern und Führern der islamischen Gemeinschaft hier in Uganda, für Ihren Besuch. Erzbischof Wamala sagte mir, daß Sie Zusammenarbeiten und auf diese Weise auch den Wißen Gottes, unseres Schöpfers und Vaters, erfüllen. Gott hat uns alle geschaffen, Frauen und Männer, das ganze Menschengeschlecht, damit wir Zusammenarbeiten - gemeinsam arbeiten für eine bessere Welt. Unser Gott gab uns den Auftrag, die Erde zu bewohnen, sie nutzbar zu machen, aber sie nicht zu mißbrauchen; sie so zu gebrauchen, daß sie dem Menschen, dem menschlichen Leben, dient. Es ist notwendig, daß alle Zusammenarbeiten, denn die Reichtümer der Erde sind manchmal in Gefahr, und die Menschheitsfamilie ist manchmal gefährdet. Erforderlich ist die Zusammenarbeit von uns ahen, die an denselben Gott glauben, an den einen Gott Abrahams, den Vater, der uns seinen Sohn Jesus Christus schenkte. Vielen Dank für Ihren Besuch. Die Kirche in Uganda muß eine versöhnende Gemeinschaft sein Ansprache an die ugandischen Bischöfe in Kampala am 7. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Dieser pastorale Besuch in Uganda, den ich so sehr herbeigewünscht habe, kann irgendwie als Erwiderung eures Ad-limina-Besuches im letzten Mai gelten. Ich danke euch erneut für eure Einladung und für die sorgfältigen Vorbereitungen, die ihr getroffen habt, um durch diese Pilgerreise den Glauben der Kirche von Uganda 301 REISEN zu festigen. Für die freundlichen Willkommensworte, die Erzbischof Wamala in eurem Namen aussprach, bin ich ebenfalls recht dankbar. Es war für mich eine Freude, , an diesem Sonntag dem Volk in Uganda die Liebe Christi anzubieten - und die gleiche Gegenliebe zu empfangen. Wie alle Bischöfe, so muß auch ich das Evangelium predigen, „denn ein Zwang hegt auf mir” (1 Kor 9,16). Als Hirten haben wir die oberste Pflicht, „die unerschöpflichen Reich-tümer Christi” bekanntzumachen (Eph 3,8), und zwar bei jeder Gelegenheit, die uns der Herr schenkt. Heute aber haben wir diese Verpflichtung in unserer Eucharistiefeier beim Heiligtum der Märtyrer erfüllt, denn durch unseren priesterlichen Dienst hat der Herr selber zu seinem Volk gesprochen und es mit dem Brot des Himmels genährt (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 7). Wenn wir den Tod und die Auferstehung unseres Erlösers gefeiert haben, aber auch mit unseren Brüdern und Schwestern der anderen christlichen Bekenntnisse zusammengetroffen sind, endlich nach dem Beispiel des barmherzigen Samariters die Kranken gestärkt haben, waren wir auf den Wegen, die das Werk des Vaters weiterführen. Und doch lädt uns der Herr inmitten aller Tätigkeit ein zu Stunden wie dieser, wo wir nachdenken und uns brüderlich austauschen, so daß wir den Vater für all das, was er durch uns vollbringt, preisen und die mit unserem bischöflichen Dienst verbundene Hirtenliebe neu entzünden können. 2. Meine Anwesenheit in Uganda erinnert an den Pastoralbesuch eines anderen pilgernden Papstes, meines heben Vorgängers Paul VI., der als erster Nachfolger Petri der modernen Zeit seinen Fuß auf afrikanischen Boden setzte. Die vier unter euch, die er im Jahre 1969 zu Bischöfen weihte, sind ein lebendiges Band zwischen diesem historischen Besuch und der Begegnung am heutigen Abend. In der Weihezeremonie sprach Papst Paul VI. von den heiligen Pflichten der Bischöfe, die „eine besondere Ausgießung des Heiligen Geistes empfangen”, so daß sie „Vermittler und Werkzeuge der Liebe Christi zu den Menschen” werden. Der Papst sagte: „Bischöfe sind Diener ... sie sind nicht für sich selber, sondern für andere da ... Sie sind für die Kirche da und sie weihen der Kirche ihr ganzes Leben (vgl. 2 Kor 12,15) ... Denn von euch, geliebte Brüder, Bischöfe der neuen oder sehr jungen Kirchen, wird Hir-tenliebe in höherem Maß gefordert” (Ansprache bei der Bischofsweihe in Kampala am 1.8.1969). Diese Hirtenliebe, von der der Papst so feinfühlig sprach, ist die Teilhabe an der Liebe des Gottessohnes selber (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 23). Die Selbsthingabe, zu der der Heilige Geist jene befähigt, die die heiligen Weihen empfangen, ist die Teilhabe an der Selbsthingabe des guten Hirten, der sein Leben für seine Herde hingab (vgl. Joh 10,11). Diese Hirtenliebe bildet das Fundament für alles Gute, was wir in der Kirche zu vollbringen vermögen, weil die Gemeinschaft in der Liebe, die die Güeder des Leibes Christi miteinander verbindet, nur in Liebe aufgebaut werden kann. 3. Mein Besuch in Uganda bietet die Gelegenheit, unsere Gemeinschaft in der Heiligen Dreifaltigkeit besonders lebendig zu erfahren. Er bietet ebenfalls - wie ihr in 302 REISEN dem Hirtenbrief zur Vorbereitung meines Besuches betont habt - die Gelegenheit, erneut Werke des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu vollbringen, die vom auferstandenen Erlöser Zeugnis geben können. Euer Hinweis auf die besonderen Bereiche, in denen die Gläubigen von Uganda aufgefordert werden, ihre Berufung als Christen zu verwirklichen, bedeutet ein wirkliches Lesen der „Zeichen der Zeit” in eurer Nation. Damit setzt ihr die Erneuerung fort, welche die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils eingeleitet haben. Diese Initiative eurer Bischofskonferenz scheint mir für das Leben der Kirche in Uganda derart wichtig, daß ich aus eurem Hirtenbrief einige Punkte für meine Bemerkungen an diesem Abend herausgreifen möchte, sind es doch Gedanken, die die bei eurem jüngsten Ad-limina-Besuch besprochenen Themen ergänzen oder weiterführen sollen. 4. Euer Hirtenbrief befaßt sich ausführlich mit den zahlreichen Formen, wie die Katholiken Ugandas ihren Beitrag zur staatüchen Ordnung leisten können. Ihr fordert neuen Nachdruck beim Aufbau der Nation, zumal in dieser entscheidenden Stunde seiner Geschichte. Da das Volk von Uganda eine Zeit der Gewalttätigkeit und des sozialen Aufruhrs hinter sich hat, möchte es jetzt die Nation wieder aufbauen, und so sind die Mitglieder der Gemeinschaft der Katholiken dringend aufgerufen, selber hochherzige Taten der Solidarität zu vollbringen. Hier wie in jedem Land und in jeder Nation müssen als wichtigste Güter im Leben des Volkes die geistigen und moralischen Werte verstärkt werden. Ohne sie wird es keine Entwicklung geben, die diesen Namen verdient. Zu den wesentlichen Elementen eines gesunden staatlichen Lebens gehören Dinge wie die Anerkennung der Würde jedes einzelnen Menschen, die Achtung vor den Rechten, die in dieser Würde begründet sind - zumal das Recht auf Leben und das Recht auf Religionsfreiheit -, endlich der wirksame Einsatz, das Wohl der Armen, der Schwachen und der Schutzlosen sicherzustellen (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nm. 33, 42). Wer eine Gesellschaft mit diesen Wirklichkeiten als heiliges Erbe aufbaut, baut eine Kultur des Friedens auf, ein Umfeld, in dem die Bürger um so leichter die Ziele erreichen können, für die sie geschaffen wurden. Seit Ugandas Unabhängigkeit wurden diese geistigen Güter meistens leider angegriffen aufgrund von Streitigkeiten, die oft die Machthaber und das Volk sowie die Bürger untereinander entzweiten. Die Tatsache, daß die Nation aus dem Schatten dieser Jahre herauskommt, bedeutet nicht, daß alle Gefahren für eine Kultur des Friedens vorüber wären. Auch heute noch kann die Versuchung, vergangene Übel aufrechtzuerhalten und zu nähren, zur Gefahr für das Wohl der Gesellschaft werden. In dieser Stunde der Geschichte Ugandas kommt es daher der Kirche zu, mit immer größerer Treue Gottes Gebot zu befolgen und eine versöhnende Gemeinschaft zu sein (vgl. Reconciliatio et paenitentia, Nr. 8). Die Glieder des Volkes Gottes leben aus dem tiefen Empfinden heraus, daß ihnen viel vergeben wurde und sie daher ebenfalls hochherzig verzeihen müssen (vgl. Mt 18,23-35). Dieses Bewußtsein muß Frucht bringen in der Bereitschaft aller Gläubigen von Uganda, den Haß beiseite zu 303 REISEN lassen und so in Wahrheit zu bezeugen, daß der Geist des Erbarmens stärker ist als der Geist der Rache. Hier ist unbedingt die besondere Rolle der Führungskräfte der katholischen Laien zu betonen. Ihnen sind die Dinge der zeitlichen Ordnung anvertraut: Politik, Wirtschaft und Führung der Gesellschaft (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31; Christifideles laici, Nr. 15). In diesen Bereichen sind sie „aufgerufen, sich unmittelbar um den Dialog oder um die Förderung des Dialogs für den Frieden zu bemühen” (Reconciliatio et paenitentia, Nr. 25). In Uganda aber sind solche Schritte zur Wiederherstellung der Harmonie besonders dringend notwendig. Niemand darf natürlich meinen, daß ihr, wenn ihr die katholischen Bürger Ugandas zum Mitwirken bei der Erneuerung der Gemeinschaft auffordert, damit sagen wolltet, es wäre ausschließlich ihre Pflicht. Nein, die Zusammenarbeit der Christen aller Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften miteinander ebenso wie mit den Anhängern anderer Religionen ist nicht nur willkommen, sondern unerläßlich (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 1992, Nm. 6-7). 5. Das Licht des Evangeliums allen Männern und Frauen zu bringen ist die grundlegende Verpflichtung, die Christus seinen Jüngern auferlegt hat (vgl. Mt 28,19; Re-demptoris missio, Nr. 71). Die Worte des heiligen Paulus im zweiten Korintherbrief: „Ich habe geglaubt, darum habe ich geredet” (2 Kor 4,13), betonen die Tatsache, daß die Verbreitung des Wortes Gottes ein wesentlicher Akt des Glaubens an dieses Wort ist. Unter der Leitung der Bischöfe hat das ganze Volk Gottes teil am Werk der Verkündigung des Kommens seines Reiches. Wie ihr in eurem Hirtenbrief sagt, liegt für dieses Werk der Verkündigung des Evangeliums in Uganda ein weites Feld offen. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung hat noch nicht das Licht Christi empfangen. Zugleich müssen jene in ihrem katholischen Glauben gefestigt werden, die zum Abgleiten von der Kirche und zum Aufgeben der Forderungen einer gesunden Spiritualität in einem unproduktiven Suchen nach „Visionen” und „Heilmethoden” versucht sind oder sich neu entstandenen Sekten anschließen. Durch neuen Eifer aller Gläubigen in diesem Volk wird die Saat überreich ausgestreut, und sie wird auf dem Boden Ugandas wachsen, der säende Gott aber wird eine überreiche Ernte schenken (vgl. Mt 13,8; 1 Kor 3,7). 6. Bei dem, was ihr in eurem Hirtenbrief über ein neues Bemühen um eine weitere Inkulturation des christlichen Glaubens geschrieben habt, hoffe ich sehr, daß die Arbeit der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika neues Licht auf diese schwierige und heikle Aufgabe werfen wird. Ihr greift weise die Konzilsväter auf, wenn ihr betont, daß Ursprung und Beispiel für diese Inkulturation das Geheimnis der Menschwerdung ist (vgl. Ad gentes, Nr. 22). Bei der Vereinigung von Gott und Mensch in Christus ging nichts von der göttlichen Wahrheit verloren, und jedes Reden und Tun Christi war nichts anderes als eine Offenbarung des eingeborenen Sohnes (vgl. Konzil von Ephesus, DS 255; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 468). Alle heutigen Versuche, dieses unaussprechliche Wort in den kulturellen Verhältnissen eines Volkes oder einer Rasse 304 REISEN zum Ausdruck zu bringen, müssen ebenfalls sicherstellen, daß nichts von der göttlichen Offenbarung in Jesus Christus verloren oder ihr hinzugefügt wird. Nur Menschen, die Christus wirklich kennen und ebenso mit ihrem eigenen kulturellen Erbe gründlich vertraut sind, können entscheiden, wie das göttliche Wort durch die Mittel dieser Kultur passend ausgedrückt werden kann. Daraus folgt: Es kann keine echte Inkulturation geben, wenn sie nicht von der Betrachtung des Wortes Gottes und von einer wachsenden Gleichgestaltung mit ihm durch Heiligkeit des Lebens ausgeht. Endlich hat das Lehramt der Kirche zu entscheiden, welchen neuen Stimmen es erfolgreich gelungen ist, das unvergängliche Geheimnis des dreieinigen Gottes und seiner Liebe zu uns auszudrücken. Weil der kürzlich veröffentlichte Katechismus der Katholischen Kirche eine vollständige und systematische Darstellung der Reichtümer der Frohbotschaft bietet, die „in der Kirche für immer unversehrt und lebendig bewahrt” werden (Dei Verbum, Nr. 7), stellt er eine providentielle Hilfe beim Durchführen der Inkulturation dar. Der Katechismus ist „eine sichere Norm für die Lehre des Glaubens” {Fidei deposi-tum, Nr. 4), und so hoffe ich, daß ihr und alle, die mit euch Zusammenarbeiten, in ihm eine klare und verläßliche Führung finden werden bei eurer Verkündigung, daß Jesus der eine und einzige Mittler beim Vater ist; wenn ihr ferner die Rolle der Kirche als Zeichen und Werkzeug des Heiles für die ganze Menschheit lehrt; wenn ihr die moralischen Forderungen eines Lebens in Gnade herausstellt und das Verhältnis der nichtchristlichen Religionen zur Offenbarung erklärt. 7. Voll einverstanden bin ich mit dem Nachdruck, den ihr in eurem Hirtenbrief auf die Notwendigkeit einer Festigung des Familienlebens legt. Die Festigung des Familienlebens ist tatsächlich ein wesentlicher Schritt bei der Erneuerung der Gesellschaft, denn in der Familie wird die Kultur einer Gesellschaft vermittelt und genährt und zugleich ihre Zukunft bestimmt. Staat und Kirche müssen daher gleichermaßen den Schutz und die Förderung der Familie zu einer ihrer höchsten Prioritäten machen. Die christlichen Familien dieser Nation haben eine entscheidende Rolle in der bürgerlichen Gesellschaft zu spielen, zugleich hat ihre Rolle wesentlich kirchlichen Charakter. Es ist hilfreich, sich daran zu erinnern, daß die christliche Familie mit Recht als „Kirche im Kleinen” (Hauskirche) bezeichnet wird, denn „sie ist dem Geheimnis der Kirche so tief eingefügt, daß sie auf ihre Art an deren Heilssendung teilnimmt” (Familiaris consortio, Nr. 49). In dieser durch das Sakrament der Ehe geschaffenen Gemeinschaft werden die Eheleute wie die Kirche eine erlöste Gemeinschaft, die zugleich durch Weitergabe der Liebe Christi an andere - zunächst und vor allem an die ihnen von Gott geschenkten Söhne und Töchter - bemfen ist, eine erlösende Gemeinschaft zu sein (vgl. ebd.). Das pastorale Wirken der Kirche aber muß besonders darauf abzielen, den christlichen Eltern bei der Erfüllung ihrer edlen Aufgabe zu helfen. Zuweilen mag es notwendig sein, eure Mitarbeiter daran zu erinnern, daß die Familienpastoral 305 REISEN nicht eine Frage neuer und zuweilen oberflächlicher Programme ist, sondern das Ergebnis einer tiefergehenden Katechese, die die Ehepaare und ihre Kinder zu verstärktem Glauben hinführt, zu einer aufrichtigen Teilnahme an den Sakramenten - zumal an denen der Buße und der heiligen Eucharistie -, zu einem eifrigeren Gebetsleben und zu hochherzigerem Dienst füreinander. Durch gemeinsames Beten bringen die christlichen Familienmitglieder klar zum Ausdmck, daß sich ihre Gemeinschaft nicht auf diese Erde beschränkt, sondern Teilhabe an der ewigen Gemeinschaft der Fleiligen Dreifaltigkeit ist. Solches Gebet führt die Kinder zugleich auf den Weg der Nachfolge. Wenn Eltern und Kinder täglich gemeinsam Gott loben und ihm danken - in Stunden der Freude ebenso wie in Stunden der Angst und Trauer -, lernen die jungen Menschen, ihr ganzes Leben dem himmlischen Vater anzuvertrauen (vgl. Familiaris consortio, Nr. 60). Kein Seelenhirte darf es daran fehlen lassen, die Wichtigkeit des Gebetes im christlichen Leben der Gläubigen zu betonen. 8. Euer Hirtenbrief hebt besonders die Rolle hervor, die die Jugend Ugandas bei der Verkündigung der Frohbotschaft vom Heil spielen kann. Darin erklingt ein Anliegen der Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Junge Menschen selbst müssen die ersten und unmittelbaren Apostel der Jugend werden ... Auch die Kinder haben schon eine ihnen eigentümliche apostolische Betätigung” (Apostolicam actuosita-tem, Nr. 12). „Mission bedeutet noch vor aller Aktivität Zeugnis und Ausstrahlung” (Redemptoris missio, Nr. 26). Auch jene, die das Erreichen der Reife noch vor sich haben, sind durchaus befähigt, die Schönheit einer echt christlichen Lebensauffassung sichtbar zu machen. Wenn man ihnen hilft, der Taufgnade zu entsprechen, macht die Begeisterung für die Zukunft die Jugendlichen zu wirksamen Zeugen für die Wahrheit, daß „bei denen, die ihn lieben, Gott alles zum Guten hinlenkt” (Rom 8,28). In ähnlicher Weise spiegelt die Bereitschaft der Jugendlichen, anderen zu helfen, das Beispiel des Herrn wider, der der Knecht aller war (vgl. Mt 20,28). Ein solches Zeugnis für die Liebe Christi wird unbedingt andere zu ihm hinziehen. Das Missionsapostolat der jungen Katholiken Ugandas muß von Pfarrgruppen sowie Jugendbewegungen und -verbänden aufgefangen werden. Hier müßt ihr entscheiden, was gesund und nützlich ist und welche Organisationsformen wirklich dem Charakter eures Volkes entsprechen. An anderer Stelle habe ich meine Überzeugung ausgesprochen, daß der Heilige Geist „einen neuen Frühling für das Evangelium vorbereitet” (vgl. Redemptoris missio, Nr. 86). Wir sollten nicht überrascht sein, wenn er sich dabei der „Kleinen” bedient (vgl. 1 Kor 1,26-29) - jener, die im Frühling ihres Lebens stehen -, um seinen Zweck zu erfüllen. 9. Liebe Brüder, heute freue ich mich als Pilger, der das Ziel seines Aufenthaltes in Uganda erreicht hat: das Heiligtum der Märtyrer und den Boden, der durch ihren Tod geheiligt worden ist. Daß ich die heilige Eucharistie hier mit euch und eurem 306 REISEN Volk feiern konnte, ist eine vollendete Freude, denn es ist in Wahrheit würdig und recht, daß wir das Opfer von Kalvaria an dem Ort gegenwärtig machen, wo die Herrlichkeit des Leidens unseres Erlösers in den Gliedern seines mystischen Leibes aufgeschienen ist (vgl. Phil 3,10). Ich werde die Erlebnisse dieses Tages in Erinnerung behalten, und dieses Gedenken wird oft zu einem Gebet zum heiligen Charles Lwanga und seinen Gefährten für das geliebte Volk von Uganda werden. „Wahrlich, der Herr ist gut” (vgl. Ps 34,9), denn er hat mich nach Uganda geführt. Ich empfehle euch und alle eure Priester, Ordensleute und Laien der liebevollen Fürbitte Unserer Lieben Frau von der Hoffnung und erteile meinen Apostolischen Segen als Unterpfand der Liebe und des Friedens Christi, ihres Sohnes. Moralische Erneuerung in Gerechtigkeit, Frieden und Einheit gefordert Predigt bei der Eucharistiefeier in Kasese (Uganda) am 8. Februar Abagonzebwa omu Kristo, Muroho Muta! Liebe Brüder und Schwestern in Christus, ich begrüße euch! 1. Unser Herr Jesus Christus hat uns gesagt, wir sollten alle eins sein. In der Nacht, bevor er starb, betete Christus zum Vater für die Einheit seiner Jünger: „Vater, laß sie in uns eins sein, wie du in mir bist und ich in dir, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast” (Joh 17,21). Gott; selber ist einer: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Grundlagen der Einheit aller Christen reichen daher bis in die letzten Tiefen des Geheimnisses der Heiligsten Dreifaltigkeit, wo der Vater im Sohn und der Sohn im Vater ist durch den Geist der Liebe, der vom Vater und vom Sohn ausgeht. Die gleiche Liebe goß der Vater über die Welt in Jesus Christus aus: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab” (Joh 3,16). Heute ist dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, hier in Kasese die Gnade geschenkt, mit euch, den Gläubigen des Mittelwestens von Uganda, die Eucharistie feiern zu können. Im Namen Jesu Christi, unseres Herrn, versammelt, erkennen wir die Einheit und freuen uns in ihr, die uns in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche verbindet. In der Nacht vor seinem Opfertod am Kreuz zur Erlösung der Welt hat der Sohn für die Einheit seiner Jünger zum Vater gebetet: für die Apostel und für jene, die später von Generation zu Generation folgen würden. Er betete für die Einheit all jener, die durch das Wort der Apostel an ihn glauben sollten (vgl. Joh 17,20). Damit betete er zugleich für die Einheit der Teilkirchen untereinander und für die Einheit der Teilkirchen mit dem Bischof von Rom. 307 REISEN 2. Die Eucharistie ist das vollendetste Zeichen der Einheit, und so begrüße ich mit großer Liebe in unserem Herrn Jesus Christus euch alle, zumal jene, die einen weiten Weg auf sich genommen haben, um an diesem feierlichen Ereignis teilnehmen zu können. Im Schatten des Rwenzori-Gebirges, dessen mächtige Gipfel schweigend den Herrn preisen (vgl. Dan 3,75), begrüße ich euren Bischof Egidio Nakaijanabwo von Kasese, dem ich für seine herzlichen Willkommensworte danke; ich grüße Bischof Paul Bakyenga von Mbarara, Bischof Paul Kalanda von Fort Portal, Bischof Deogratias Byabazaire von Hoima und Bischof Barnabas Halem’Imana von Kabale sowie Altbischof Serapio Bwemi Magambo von Fort-Portal und Altbischof John Baptist Kakubi von Mbarara. Ich grüße euch, die Priester, Ordensleute und Laien aus ganz Westuganda. Herzliche Grüße richte ich auch an die Vertreter anderer christlicher Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sowie an die Anhänger anderer Religionen. Dankbar würdige ich die Anwesenheit der staatlichen Obrigkeiten, denen die edle Aufgabe obliegt, dem Gemeinwohl ihrer Mitbürger zu dienen. Bischof Nkaijanabwo sprach von der großen natürlichen Schönheit des Rwenzori-Gebirges und der zahlreichen Flüsse, die von seinen Gipfeln herabströmen und das Land bewässern. Angeregt von diesem Bild, wollen wir bei der Eucharistiefeier unsere Herzen für den Strom des lebendigen Wassers öffnen, das Christus denen schenkt, die an ihn glauben, bis es zu einer Quelle des Wassers wird, das zum ewigen Leben emporsprudelt (vgl. Joh 4,14). 3. Im hohepriesterlichen Gebet Jesu im Obergemach in der Nacht, bevor er starb, findet sich ein fernes, aber getreues Echo der Worte des Propheten Ezechiel, die wir in der heutigen Liturgiefeier gehört haben: „Ich hole euch heraus aus den Völkern, ich sammle euch aus allen Ländern und bringe euch in euer Land” (Ez 36,24). Der Prophet sprach diese Worte aus im Gedanken an die Söhne und Töchter Israels, die im Exil in der Diaspora lebten. Wie sehr verlangten sie nach der Rückkehr in die Heimat! Wie sehr wollten sie die alte Einheit des Volkes Gottes um den Tempel in Jerusalem wieder aufbauen! Jesus spricht dagegen von einer tieferen Einheit: von einer Einheit, die jede Schranke und jede Spaltung zu überwinden vermag, von einer Einheit des Geistes und Herzens, die ihre Quelle in Gott selber hat. Denn Jesus betete: „Vater, laß sie in uns eins sein, wie du in mir bist und ich in dir bin ... ich in ihnen und du in mir” {Joh 17,21.23). „Ich in ihnen.” Dies ist die große Aufgabe, die ich den Christgläubigen von Westuganda vorlegen möchte: Christus soll durch euren Glauben und die Heiligkeit eures Lebens in euch so lebendig sein, daß kein völkischer, kein sozialer oder religiöser Unterschied einem wirklich solidarischen Aufbau des Gemeinwohls im Wege steht. 4. In dieser Region mit ihren Gebirgen und Ebenen, die von vielen verschiedenen Völkerschaften bewohnt sind, hat es eine große Völkerwanderung gegeben. In den meisten Orten leben Menschen mit unterschiedlichem völkischem Hintergrund und verschiedenen Sprachen Seite an Seite. Sollte nicht jeder, zumal die religiösen Füh- 308 REISEN rer und staatlichen Obrigkeiten, mit' Nachdruck darauf hinarbeiten, ein Bewußtsein der Zugehörigkeit zu einer weiterreichenden regionalen und nationalen Gemeinschaft zu schaffen, einer Mitgliedschaft, die einen jeden auffordert, seine Rohe bei der gemeinsamen Aufgabe des Wiederaufbaus der Gesellschaft in Uganda zu übernehmen? Die tragischen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit haben ein schmerzliches Erbe hinterlassen. In diesen dunklen Jahren haben die Bischöfe unentwegt die Hoffnung genährt, daß eines Tages Frieden und Einheit überwiegen würden. Laßt uns gemeinsam für ihren pastoralen Eifer und für das christliche Zeugnis der zahllosen Gläubigen danken, deren Heroismus, Liebe und Opfer ein weiteres herrliches Kapitel der Geschichte der Kirche in Afrika geschrieben haben. Jetzt ist die „Zeit der Gnade, der Tag des Heiles” gekommen, für alle Ugandesen der Tag, da sie die Spuren zerstörerischer Spaltungen aufgrund von Ungleichheit, Völkerfeindschaft und Rivalität entfernen müssen. Das Evangelium erinnert uns daran: „Keine Stadt und kein Haus kann Bestand haben, wenn sie in sich selber gespalten sind” (Mt 12,25). So haben eure Bischöfe geschrieben: „Für uns alle als Nation ist die Zeit gekommen, einander zu vergeben und uns zu versöhnen, um eine neue Ära der Verbundenheit und Solidarität zu beginnen” (Hirtenbrief, Let Your Light Shine, 36). Ich mache mir diese Worte zu eigen und fordere euch ebenfalls auf, mit Gott und untereinander versöhnt zu leben (vgl. 2 Kor 5,20). 5. Eine geistliche Bekehrung und eine moralische Erneuerung sind notwendig, wenn Gerechtigkeit, Frieden und Einheit fest aufgebaut werden sollen. Der Prophet lehrt, daß Gott in uns „ein neues Herz” und „einen neuen Geist” legt, so daß wir gemäß dem Willen Gottes leben (vgl. Ez 36,26). Wenn es unter euch Zwietracht gibt, zwischen Mitgliedern der gleichen Familie oder zwischen verschiedenen Gruppen und Regionen, dann muß Gottes Gnade das „Herz von Stein” beseitigen und ein „Herz von Reisch” an seine Stelle setzen (vgl. ebcL). Versöhnung und Frieden müssen herrschen! Wir alle haben unseren Ursprung im gleichen Gott der Liebe, der „aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht geschaffen hat, damit es die ganze Erde bewohne” (Apg 17,26). Die Menschheitsfamilie ist daher eine einzige! Sie ist aufgerufen, eine Gemeinschaft zu bilden, die frei ist von Diskriminierung durch Rasse, Farbe, Klasse oder Religion (vgl. Nostra aetate, Nr. 5). Die Unterschiede zwischen uns sollten die Einheit und die Achtung aller füreinander nicht mindern, sondern stärken. Gemeinschaftsgeist, Sinn für hochherziges Teilen und herzliche Gastfreundschaft anderen gegenüber gehören zu den besten Aspekten der überlieferten afrikanischen Kultur. Kürzlich haben diese Eigenschaften eure rühmenswerte Hochherzigkeit gegenüber den zahlreichen Hüchtlingen des Bürgerkrieges in Rwanda bestimmt. Wir wollen beten, daß die Bemühungen um eine Beendigung des Konflikts in diesem Land erfolgreich verlaufen und die Vertriebenen bald nach Hause zu ihren Familien zurückkehren können. 309 REISEN Da ihr aus erster Hand das Leiden erfahren habt, das entsteht, wenn Vorurteile zu Haß und Gewalttätigkeit führen, wißt ihr, wie wichtig es ist, keinen übertriebenen Individualismus und keine Selbstsucht zuzulassen, die die Tugenden der Solidarität, der Gerechtigkeit und des Friedens aufs Spiel setzen, denn diese bilden die einzige sichere Hoffnung für die Zukunft der Gesellschaft in Uganda. 6. Hier möchte ich die Kirche in Westuganda zur Weiterführung der eitrigen Pasto-ralarbeit in bestimmten Seelsorgsbereichen ermuntern. An erster Stelle ist ein immer wirksameres Familienapostolat zu fördern. Schon auf den ersten Seiten des Buches Genesis wird klar, daß Gott die Absicht hatte, Mann und Frau sollten zueinander finden, in beständiger und treuer Weise einander heben und verantwortlich die Frucht ihrer Liebe, ihre Kinder, annehmen, ernähren und erziehen. „Das endlich”, sagt Adam im Blick auf seine Frau, „ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Heisch ... Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Heisch” (Gen 2,23-24). Diese enge, personale und monogame Gemeinschaft ist nicht westlichen Ursprungs, sie entspricht vielmehr Gottes Plan für Mann und Frau. Der Ehebund ist so erhaben und steht Gottes eigener Seinsweise in der Dreifaltigkeit so nahe, daß die Schrift immer wieder Gottes Liebe zur sündigen Menschheit mit der Liebe eines unendlich treuen Mannes zu seiner Frau vergleicht. Der heilige Paulus aber stellt mit Nachdruck die sich hingebende Liebe Christi zu seiner Kirche als Symbol und Vorbild jedes unauflöslichen Ehebundes hin (vgl. Eph 5,25-33). Der positive Sinn für Familienbande, der die afrikanische Tradition kennzeichnet, die Ernsthaftigkeit der ehelichen Bindung als Grundlage der Solidarität zwischen verwandten Familien - eine Solidarität, die vor allem ältere Menschen, Witwen und Waisen begünstigt und eine Form von Mitverantwortung für die Betreuung der Kinder bildet - kann zur Festigung christlicher Familien beitragen. Es ist die schöne Aufgabe der Priester, Ordensleute und Katecheten, junge Ehepaare zu unterweisen, wie sie diese Dynamik der Familie mit Gottes Plan für Ehe und Familie in Übereinstimmung bringen können. Kurse zur Ehe Vorbereitung sollten die Paare zur Entdek-kung all der Gnade und geistlichen Kraft anleiten, die ihnen durch das Sakrament, das ihre Liebe heiligt, zuteil wird. Im Vertrauen auf den Herrn können sie dann einen gemeinsamen Lebensweg finden, sich zwar der Gefahren bewußt, denen ihre Treue ausgesetzt sein wird, jedoch zugleich bereit, gemeinsam alle kommenden Aufgaben zu meistern. 7. Ich möchte eure hart arbeitenden Bischöfe und Priester dazu drängen, das Leben der Familien weiter zu einer Priorität ihres pastoralen Wirkens zu machen. Gruppen und Bewegungen, welche Ehepaare unterstützen, sollten ermuntert werden. Katholische Ehepaare aber können eine gewaltige Hilfe für andere Ehepaare bedeuten. Kurse, Gebets- und Studientage können bei der Festigung der Familien eine wichtige Rolle spielen. Wo es besondere Schwierigkeiten gibt, wenn zum Beispiel Männer auswärts Arbeit suchen müssen, wenn Krankheit kommt oder andere Übel sich 310 REISEN einstellen, sollte die Gemeinschaft der Christen besonderes Interesse zeigen und konkrete Hilfe anbieten, um die Bande des Familienlebens fest zu erhalten. Ich bin mir klar darüber, daß für viele von euch die familiären Bindungen weit weg hegen und die Schaffung von Gemeinschaftsgeist schwierig ist. So bitte ich euch, zumal die Jugendlichen, Mut zu fassen .und eine intensive Sorge für das Gemeinwohl zu entwickeln. Auch der Staat sollte von der Bedeutung der Familie als Grundlage einer geordneten Gesellschaft fest überzeugt sein und daher eine Politik verfolgen, die die Werte der Familie gegen Angriffe aller Art schützt. 8. Brüder und Schwestern, eure frohe Beteiligung an dieser Liturgiefeier ist ein Widerschein der Vitalität eures Lebens in der Pfarrei. Ich weiß, daß ihr euren Priestern, den Ordensschwestern und den Ordensbrüdern nahesteht, die in diesem Teil Ugandas arbeiten. Doch ihre Zahl ist nicht ausreichend für all das, was zu tun wäre. Der Papst fordert euch daher zum Gebet um mehr Priester und Ordensleute auf. Er möchte, daß die Jugendlichen sich fragen, ob Christus sie ruft, und hochherzig antworten, wenn das der Fall ist. Es gibt so viel zu tun! Ich möchte zumal die Rolle der Ordensfrauen bei der Evangelisierung und Anregung der Gemeinschaft der Katholiken betonen. Allen anwesenden Ordensfrauen sage ich herzüch Dank im Namen der Kirche. Wie könnte ich dann vergessen, den Katecheten zu danken! Dazu den katholischen Lehrern! Euer bewundernswertes Wirken und die Zusammenarbeit der Laien in den Laienräten und -komitees ist für die Festigung des Lebens der Kirche in euren Pfarreien und Diözesen entscheidend. In allem muß ein starker Sinn für die Einheit mit euren Bischöfen herrschen. Damit aber kehren wir zum Thema dieser Eucharistiefeier zurück, in der Christi ho-hepriesterliches Gebet nachdrücklich widerhallt: „Alle sollen eins sein.” Unser Erlöser möchte, daß wir eins sind, damit die Welt glaubt, daß der Vater ihn gesandt hat (vgl. Joh 17,21). Alles Wirken für die Evangelisierung hängt von diesem Zeugnis ab. Wenn andere glauben sollen, müssen sie sehen können, daß die Christen eins sind. Sie müssen sehen können, daß wir in Liebe eins sind: Das Kreuzesopfer ist ja in der Tat der Höhepunkt der Sendung unseres Erlösers, und in diesem Opfertod lernt die Welt die Liebe kennen, mit der Gott die ganze Menschheit geliebt hat. Jedesmal, wenn wir das Paschaopfer Christi in der Eucharistie feiern, erneuert Christus seine Liebe zu einem jeden von uns. Wohin führt diese Liebe? Sie führt zum ewigen Leben in Gott: „Ich will, daß alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor der Erschaffung der Welt” (Joh 17,24). Beim letzten Abendmahl brachte Christus die Liebe zu seinen Jüngern zum Ausdruck. Heute bringt er die gleiche Liebe für euch in Kasese zum Ausdruck. „Jesus Christus ist derselbe heute, gestern und in Ewigkeit” (Hebr 13,8). Durch unsere Einheit mit ihm, durch die Einheit untereinander in ihm, erhalten auch wir Anteil am göttlichen Leben: am ewigen Leben im Vater, im Sohn 311 REISEN und im Heiligen Geist. Die Menschen in Westuganda streben nach einem besseren Leben, nach einem ehrenhafteren, gerechteren und friedlicheren Leben. Aber das wird nur dann möglich werden, wenn die Gesellschaft die geistige Dimension im Leben des Menschen achtet und schützt, dazu seine Berufung zur Transzendenz. Das menschliche Herz ist unruhig, bis es ruht in Gott (vgl. Augustinus, Bekenntnisse, I, 1). Doch wir besitzen eine sichere Hoffnung, denn der Herr selbst hat für sein Volk gebetet: „Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich gebebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin” (Joh 17,26). Engonzi za Yesu Kristo zikale omu mitima yanyu ebiro byoona. Engonzi za Ru-hanga zibe maani ganyu, inywena Abanya Uganda. Amina. Die Liebe Jesu herrsche in euren Herzen! Gottes Liebe sei die Kraft aller Ugan-desen! Amen. Es darf keine Ausbeutung und Diskriminierung aufgrund von Stammesunterschieden geben Ansprache an das Diplomatische Korps in Kampala am 8. Februar Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Es freut mich sehr, mit den Botschaftern und dem Personal der diplomatischen Missionen und internationalen Organisationen in Uganda zusammenzutreffen. Begegnungen wie diese sind zu einem normalen Teil meiner Reisen in die vielen Länder geworden, die ich in den Jahren meines Pontifikates besuchen konnte, und ich schätze diese Gelegenheiten, einige Anliegen des Hl. Stuhls den Männern und Frauen vorzutragen, die wie Sie das Verständnis und die Zusammenarbeit unter den Völkern der Welt fördern möchten. Ich bin auch Ihrem Dekan, Botschafter Kanya-rushoke von Rwanda, für seine freundlichen Worte dankbar, und ich versichere ihn meines Gebets und meiner besten Wünsche für einen dauerhaften Frieden in seinem Land. Meine Reisen als Nachfolger des heihgen Petrus und Haupt der kathobschen Kirche haben ein vorrangig pastorales Ziel, und die. Begegnung mit Ihnen heute stimmt mit diesem Zweck überein. Ich komme zu Ihnen als Freund, als ein Freund, der Sie bei Ihren schwierigen Aufgaben ermuntern möchte. Ich komme als Freund Afrikas, solidarisch mit den Männern und Frauen dieses Kontinents in dieser Zeit des Wandels, wo neue Möghchkeiten der menschkchen Entwicklung aufkommen, doch zugleich neue Bedrohungen des Friedens am Horizont auftauchen. Wie die Völker anderswo wünschen sie Frieden und ein würdiges Leben für sich selber und für ihre Kinder. Doch das Afrika von heute stebt auch ab jenen dringende Aufgaben, die irgendwie den Lauf der Weltereignisse bestimmen. Diese Aufgaben müssen gelöst werden, wenn die internationale Gemeinschaft wirklich beim Aufbau einer gerechteren und 312 REISEN menschlicheren Welt Fortschritte machen soll, die auf dem festen Fundament der Achtung der Würde des Menschen und seiner Rechte ruht. Ich denke zumal an die Notwendigkeit, den bewaffneten Konflikten ein Ende zu setzen, für die Hungernden Nahrung zu beschaffen und für die Schar der Flüchtlinge Sorge zu tragen. 2. Jedes dieser Probleme ist Anlaß zu tiefer Sorge. Doch man darf sie mit Recht auch zusammen betrachten, weil jedes einzelne Problem sowohl Ursache als auch Folge der anderen ist. In Afrika ergibt sich der Hunger selten aus lediglich natürlichen klimatischen Bedingungen. Oft ist er die Folge von gesellschaftlicher Auflösung infolge von Konflikten. Unter den Opfern des Krieges und des Hungers aber sind auch jene, die gezwungen wurden, ihre Wohnungen zu verlassen und anderswo eine Unterkunft zu suchen. Das Gesamtergebnis ist, daß massenhaft Männer, Frauen und Kinder über ganz Afrika in diesen letzten Jahren des 20. Jahrhunderts verstreut sind: Statistiken nennen gewöhnlich die Zahl von sechs Millionen Flüchtlingen und weiteren 16 Millionen Menschen, die in ihren eigenen Ländern vertrieben wurden. Die Leiden dieser Millionen aber verursachen weitere Kriege, noch mehr Elend und mehr Flüchtlinge - noch mehr Leiden und Sterben. Es ließen sich mehrere Beispiele anführen. Meine Gedanken konzentrieren sich besonders auf den nächsten Abschnitt meiner Pilgerreise, die mich nach dem Sudan führt. Die Verhältnisse gestatten keinen vollständigen Pastoralbesuch bei der Gemeinschaft der Katholiken in diesem Land. Dennoch möchte ich beim Besuch der Hauptstadt meine Stimme für Frieden und Gerechtigkeit für alle Sudanesen erheben sowie meine Schwestern und Brüder, von denen so viele vom Krieg betroffen sind, der im Süden andauert, im Glauben stärken. Diese Auseinandersetzung ergibt sich weitgehend aus der Forderung nach einer einzigen Nation in einem Land, wo es zwischen Nord und Süd große rassische, kulturelle, sprachliche und religiöse Unterschiede gibt, die nicht mißachtet werden dürfen, sondern zu berücksichtigen sind. Nur ein aufrichtiger Dialog, der für die berechtigten Ansprüche aller Parteien offen ist, kann Bedingungen für echte Gerechtigkeit schaffen, wo alle gemeinsam für das wahre Wohl ihres Landes und seiner Bevölkerung arbeiten können. Ich bete darum, daß mein Besuch in gewisser Weise zu solch einem Dialog beiträgt. 3. Jene, die mit dem Wohl Afrikas als nationale Führer oder als Leiter internationaler Unternehmen befaßt sind, sollten keine Mühe scheuen, für die Opfer von Krieg, Hunger und Vertreibung unmittelbare Hilfe bereitzustellen. Alle müssen darauf hinarbeiten, eine Ausbreitung dieser Übel zu verhindern, ja diese zu beendigen. Grundsätzlich ist fast jeder dafür, daß die Gewalt dem Dialog weichen muß, daß die Ernährung nie als Waffe eingesetzt werden darf und die unbehinderte Verteilung humanitärer Hilfe als ein Recht aller Leidenden anerkannt werden muß. Doch der Schritt von Grundsatzerklärungen und guten Absichten zu konkreten Maßnahmen ist oft schwierig. Hier appelliere ich an Sie, werte Freunde, alles zu tun, was Sie können, damit die Solidarität immer wirksamer vorankommt. Angesichts der schweren Prüfungen, die diesen Kontinent heimsuchen, verdienen die Freunde Afrikas, ob es 313 REISEN nun die Afrikaner selbst oder echte Freunde Afrikas sind, unsere volle Ermunterung und Dankbarkeit. Zugleich sollten wir gern alles anerkennen, was geschieht, um so weiten Kreisen der notleidenden Bevölkerung Hilfe zu bieten. Lob verdienen die Familien und Dörfer, die Gemeinschaften der Gläubigen, die Regionen und Nationen in Afrika, die ihre Gastfreundschaft so hochherzig auf die Besitzlosen ausgedehnt haben, wobei sie selber einen nicht geringen Preis zahlen mußten. Ich danke zumal herzlich den Missionaren und Stäben der internationalen Hilfsorganisationen, die heroisch im Dienst ihrer weniger begünstigten Brüder und Schwestern arbeiten. Wer kann ferner die Verdienste so vieler eifriger Männer und Frauen ermessen, die im Gesundheitswesen tätig sind? Die Wunden, die dem Leib und dem Geist der Afrikaner durch Gewaltanwendung, Hunger und Vertreibung zugefügt worden sind, brauchen eine Genesungszeit. Und doch leisten die ärztlichen Dienste an vielen Stellen nur das Aller-notwendigste, und die alarmierende Verbreitung von Aids könnte sie leicht völlig zusammenbrechen lassen. Hier müssen wir uns an die industrialisierten Länder und an Organisationen von Freiwilligen wenden, damit sie den Kranken in Afrika zu Hilfe zu kommen! 4. Auf einer anderen Ebene fehlt es nicht an erfrischenden Zeichen der Hoffnung. Die Initiativen zur Förderung einer demokratischeren Regierung sind besonders wertvoll, weil sie sehr oft ein Zeichen für die wachsende Achtung der Würde des Menschen sowie der Rechte und Pflichten sind, die sich daraus ergeben (vgl. Cente-simus annus, Nr. 46). Die Völker Afrikas ringen um die Zurückgewinnung der positiven, überlieferten Werte und der sie stützenden sozialen Strukturen, die in den letzten Jahren ausgehöhlt worden sind. Sie suchen nach neuen Wegen der Anpassung ihres Erbes an das Leben im kommenden Jahrhundert. Sind wir Zeugen eines neuen Auflebens jenes Optimismus beim Aufbau gesunder Gesellschaften, der den Übergang vom Kolonialismus zur Unabhängigkeit begleitet hat? Erfährt Afrika eine Wiedergeburt seiner Freiheit? Dies ist gewiß meine tiefe Hoffnung. Und bei diesem Werk verdienen die Völker dieses Kontinents die brüderliche Unterstützung aller Männer und Frauen guten Willens. Welches aber müssen die Grundlage und die Leitlinien bei diesem gewaltigen Werk sein? An erster Stelle der transzendente Wert einer jeden menschlichen Person. In dem neuen Afrika, das nun geboren wird, bedeutet das: Es darf keine Ausbeutung und Diskriminierung aufgrund von völkischen oder Stammesunterschieden geben. Im Afrika der Zukunft darf es keinen Raum für Pläne geben, die die nationale Einheit dadurch zustandebringen wollen, daß sie den Minderheiten die Kultur oder Religion der Mehrheit aufzwingen. Eine solche „Gemeinschaft” wäre eine Karikatur und würde den Namen Gemeinschaft nicht verdienen. Als einer, der dem Boden des alten Kontinents Europa entstammt, muß ich die von der Erfahrung bekräftigte Überzeugung aussprechen: Falsche Einheit führt nur zu Tragödien. Deshalb muß überall die Religionsfreiheit geachtet werden, weil das Recht, die eigene Religion in 314 REISEN Freiheit auszuüben, tatsächlich der Eckstein aller Menschenrechte ist (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 1988, Einleitung). In dem Afrika, das wir gern sehen möchten, werden Nationen und völkische Gruppen Brücken gegenseitiger Achtung bauen, nicht einen Wall von Mißtrauen und Furcht; keinem Kind wird seine Würde verweigert, denn jedes wird als Mitglied der Menschheitsfamilie geachtet sein. Dies ist das Afrika, um das wir beten, ein Afrika von Afrikanern, die Zusammenarbeiten und miteinander solidarisch eine bessere Zukunft aufbauen. 5. Doch wer soll Afrikas Probleme lösen? Zweifellos müssen die Völker Afrikas selber die Verantwortung für den Aufbau ihrer eigenen Zukunft übernehmen. Es wächst auch die Überzeugung, daß afrikanische Probleme afrikanische Lösungen brauchen. Wie könnte es anders sein? Können sie erneut die Unterwerfung unter verfeinerte Formen des wirtschaftlichen oder politischen Kolonialismus hinnehmen, die zwar nicht von Rechts wegen, aber dennoch real vorliegen? Nein, Afrika kann auf keinen Fall einen neuen Kolonialismus akzeptieren. Seine Nationen sind unabhängig und müssen es bleiben. Das heißt nicht, daß keine Hilfe von den übrigen Mitgüedem der Völkergemeinschaft notwendig und erwünscht wäre. Im Gegenteil, heute ist Hilfe mehr denn je gefordert. Doch um tatsächlich wirksam zu sein, muß sie eine Beziehung der Interdependenz, aber nicht der Unterwerfung widerspiegeln. In diesem Zusammenhang verdient das ungelöste Problem der Außenverschuldung der ärmeren Länder Afrikas und aller Entwicklungsländer ernsthafte Aufmerksamkeit. Wie ich anderswo geschrieben habe, „kann man nicht verlangen, daß die aufgelaufenen Schulden mit unzumutbaren Opfern bezahlt werden” (Centesimus annus, Nr. 35). Auch langfristige Hilfe ist wichtig. Sie sollte darauf hinzielen, den Völkern Afrikas zu helfen, daß sie selber die tieferreichenden Gründe ihrer Unterentwicklung aufgreifen können. Echte Solidarität besteht darin: Wenn ein Volk mit dem andern das Wissen austauscht, das den Partner zu einem gleichwertigen Partner werden läßt, der das Material und die kulturellen Strukturen schaffen kann, die einen angemessenen Lebensstandard sicherstellen. In diesem Punkt sind die hohen Prozentsätze an Analphabeten ein besonderes Anliegen, denn die Angaben weisen klar auf das Fehlen einer Ausbildung hin, die für ein voll menschliches Leben absolut grundlegend ist. Die Bestrebungen von Millionen Menschen wurden vom Zweiten Vatikanischen Konzil gut beschrieben: „Die Einzelpersonen und die Gruppen begehren ein erfülltes und freies Leben, das des Menschen würdig ist, indem sie sich selbst alles, was die heutige Welt ihnen so reich darzubieten vermag, dienstbar machen” (Gaudium et spes, Nr. 9). 6. Meine Damen und Herren! In unseren Tagen haben die Entwicklung der sozialen Kommunikationsmittel und der Fortschritt zu einer Weltwirtschaft in bemerkenswertem Maß die gegenseitige Abhängigkeit der Nationen verstärkt. Heute muß daher der Dienst der Diplomaten und Staatsmänner über die Grenzen des eigenen na- 315 REISEN tionalen Interesses hinausblicken. Ein äußerst wichtiges Anliegen der Diplomatie besteht im Wirken auf eine soziale Ordnung hin, die gerecht ist sowie allen Völkern der Erde Frieden und Wohlstand bringt. Es ist klarer als je geworden, daß das Wohl einer jeden einzelnen Gesellschaft Teil des Gemeinwohls der gesamten internationalen Gemeinschaft ist (vgl. Pacem in terris, Nr. 130). Sie sind also in Wahrheit Diener der Gerechtigkeit, des Friedens und der Entwicklung, die alle umfaßt. Dieses hohe Anhegen ist auch der Grund für die ständige Beteiligung des Hl. Stuhls an den internationalen diplomatischen Bemühungen und für seine Unterstützung aller Initiativen, die dem Anhegen des Friedens dienen. Ahe Männer und Frauen guten Wihens erwarten ja mit Recht nicht weniger von denen, die bezeugen, daß ihr Herr der Fürst des Friedens ist. Es ist meine große Hoffnung, daß der allmächtige Gott, dessen Vorsehung die Geschicke der Nationen lenkt, auch Ihnen bei Ihrem Wirken als Friedensstifter hilft. Ich bete besonders darum, daß er Sie und ahe jene stärkt, die in öffentlichen Angelegenheiten an führender Stelle tätig sind, damit sie rastlos für das Wohl aller Völker dieses Kontinents arbeiten. Möge der Gott des Friedens über Sie und Ihre Familien wachen. Möge er die Nationen, die Sie vertreten, in Fühe segnen. Möge er die Völker Afrikas, zumal die Bürger Ugandas, unsere freundlichen Gastgeber und heben Freunde, beschützen. Bedeutendes für die Afrika-Mission geleistet Ansprache an die Comboni-Missionare in Kampala am 8. Februar Diese Begegnung trifft sich gut; ich wußte nicht einmal, daß hier Comboni-Missio-nare sind. Ich wußte, wenn wir in Afrika, in Uganda, in der Nähe des Sudans sind, müssen Comboni-Missionare hier sein. Aber ich wußte nicht, daß sie so nahe sind. Der Nuntius sagte uns, sie seien ganz in der Nähe, so daß man ihnen einen Besuch abstatten könnte, worauf ich entgegnete: Laßt uns gehen, gehen wir doch wenigstens für einige Minuten. Gehen wir, um dieses bedeutende Missionswerk zu ehren, das aus der Hochherzigkeit seines Gründers hervorgegangen und dann in den beiden Ordensfamihen, der männlichen und der weibhchen, gewachsen ist und stets weiter wächst. Aber was tun, auch wenn es ständig wächst, ist es doch nie genug. Jesus sagte von dieser Ernte, daß sie groß ist, so groß, stets größer als wir. Aber andererseits müssen wir auch dankbar sein für das, was wir haben, für das, was getan worden ist. Wenn ich auf die vergangenen hundert Jahre der Mission in Afrika zurückschaue - etwa so lange seid ihr nun hier -, so ist besonders in Afrika Wunderbares geleistet worden. Sicher, es hätte mehr sein können, aber nicht alles kann sofort geschehen. Die Evangelisierung hat riesige Fortschritte gemacht. Es sind praktisch hundert Jahre, 316 REISEN ein Jahrhundert der Evangelisierung, der Mission in Afrika, in dem eure Comboni-Familie eine herausragende Rolle spielt. Ich denke oft an Msgr. Baroni, den ehemaligen Erzbischof von Khartum, wo ich übermorgen sein werde. Jetzt ist dort sein sudanesischer Nachfolger. Aber sicherlich müssen auch die jungen Kirchen Afrikas etliche Verfolgungen und Prüfungen durchstehen, wie sie auch die Kirche in unseren bereits seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden christianisierten und evangelisierten Heimatländern hat erleiden müssen. Ich sehe in euch diese göttliche Kraft, diese Stärke des Heiligen Geistes, die die Kirche ständig antreibt trotz aller menschlicher Schwächen, aller Grenzen der Geschichte und auch der Kirche, rein menschlich gesprochen. Ich sehe die Kraft des Geistes, der uns trotz allem weiterführt. Ich danke dem Provinzial für seine Worte, aber ich möchte auch euch allen, eurer ganzen Gemeinschaft, allen Missionaren danken. Meine ganz besondere Hochachtung gilt den Brüdern und Schwestern, die ihr Leben für die Mission in Afrika geopfert haben. Und dann hoffe ich, daß ihr immer nur von einem Hauptwunsch erfüllt sein werdet: daß die Mission, die Redemptoris missio, die Sendung des Erlösers, immer weiterwachse. Ihr möchtet die ganze Welt erobern und zu Christus führen. So seid ihr mit ihm vereint. Ich wünsche euch natürlich auch zahlreiche Berufungen, die so notwendig sind. Wir könnten sehr viele Berufungen gebrauchen. Vor vielen Jahren sagte Kardinal Thian-doum zu mir: Dies ist die Stunde Afrikas, die Stunde der Kirche in Afrika. Wenn wir zehnmal, fünfmal soviel Missionare hätten, wie wir tatsächlich haben, könnten wir eine ausgedehnte Evangelisierung bewirken, eine umfassende Bekehrung der Afrikaner, denn es gibt noch all diese guten Animisten. Ich habe in Cotonou an der Begegnung mit ihnen teilgenommen, und man konnte deutlich sehen, wie sie ausgerichtet sind. In ihrer Mentalität, ihren Riten und ihren Symbolen haben sie irgendwie schon die Bereitschaft, das anzunehmen, was die Kirche vermitteln will. Sie warten nur darauf, daß jemand kommt und ihnen die Hand reicht, um den Schritt zu tun und nach der Taufe das zu leben, wozu sie in gewisser Hinsicht schon vor der Taufe bereit waren. Wir danken dem Herrn für alles, für die Gnade, die es uns erlaubt, zu dienen, die es euch, mir, uns allen, den Kardinälen erlaubt, die mich begleiten und vor allem die tägliche Last, die Verantwortung für die Kirche, mit mir tragen - nicht nur während der Besuche, sondern besonders im Vatikan. Dieser Beifall sagt mir, daß ich schon zu Ende kommen muß. Er ist das Zeichen. Ich möchte noch hinzufügen, daß eure missionarische Arbeit sicher sehr viel schwerer ist als meine. Ich komme mit dem Flugzeug, ich werde mit dem Flugzeug gebracht: Es muß so sein, anders geht es nicht. Ich bewundere aber immer diese grundlegende Arbeit, Tag für Tag, die Teil eures Lebens, eurer Berufung ist. Ich wünsche euch alles Gute. Der allmächtige Gott segne euch! Gelobt sei Jesus Christus! 317 REISEN Eure Bischöfe haben euch den Weg in eine Zukunft ohne Haß gezeigt Predigt während der Messe in Soroti (Uganda) am 9. Februar „Was sollen wir also tun?” (Lk 3,10) In der Ateso-Sprache formulierte der Papst die Anrede: Liebe Schwestern und Brüder in Christus! 1. Volksscharen kamen zu Johannes dem Täufer am Ufer des Jordans. Sie hörten seine Predigt. Sie nahmen sich seine Worte zu Herzen und antworteten daher mit der Frage: „Was sollen wir also tun?” Der Täufer war von Gott gesandt in der Fülle der Zeit, als „alle Menschen das Heil sehen (sollten), das von Gott kommt” (Lk 3,6). Er war Gottes Bote, ein Prophet. Der letzte und größteder Propheten. Er war die Stimme, die in der Wüste rief: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!... Bringt Früchte hervor, die eure Umkehr zeigen” (Lk 3,4.8). Seine Botschaft war die immer gültige und dringende Botschaft von der Buße, die Gott an die Menschheitsfamilie von Anfang an gerichtet hat, seit der ersten Stunde ihrer Auflehnung und dann durch die gesamte Heilsgeschichte hindurch. Gott hat immer wieder die sündigen Menschen zu Werken der Bekehrung und Buße aufgerufen, wie auch durch Jesaja, der in der heutigen Liturgiefeier zu uns spricht: „Löst die Fesseln des Unrechts ... Teile dein Brot an die Hungrigen aus und nimm die obdachlosen Armen ins Haus auf; ... Wenn du einen Nackten siehst, bekleide ihn und entzieh dich deinen Verwandten nicht” (Jes 58,6-7). Zu allen Zeiten geht dieser Dialog zwischen Gott und der notleidenden Menschheit weiter. So bleibt von den Propheten bis zu Johannes dem Täufer der Aufruf immer der gleiche: ein Ruf zu Buße und Bekehrung. Heute ist hier im Osten Ugandas das gesamte Volk Gottes aufgefordert, Gottes Ruf zur Umkehr zu hören, ein besseres und hochwertigeres christliches Leben anzustreben: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!” (Lk 3,4). 2. Liebe Brüder und Schwestern, von Herzen sage ich Gott Dank, daß er meinen Besuch bei euch und die Erfüllung meines Dienstes als Nachfolger des Petrus in diesem Teil eures Landes ermöglicht hat. Ich grüße Bischof Erasmus Wandera von Soroti und die übrigen Bischöfe der Diözesen des Ostens: Bischof Denis Kiwanuka von Kotido, Bischof Henry Ssentongo von Moroto und Bischof James Odongo von Tororo. Ich spreche den Priestern meine Verbundenheit aus: denen, die Söhne dieses Landes sind, und den Patres von Mill Hill, den Weißen Vätern, den Patres von Verona und allen, die zum Dienst am Volke Gottes hierhergekommen sind und damit gezeigt 318 REISEN haben, daß die Kirche eine universale Gemeinschaft ist, in der wir alle füreinander Verantwortung tragen. Ordensffauen und -männer, ob aus dem Ausland oder Töchter und Söhne der Ortskirche dieser Region, durch eure Weihe an Gott befindet ihr euch im Zentrum des kirchlichen Evangelisationsauftrags. Ich spreche euch die Dankbarkeit des Papstes aus und möchte euch zu einem fröhlichen Zeugnis in eurem Leben und Wirken für die bleibenden Wahrheiten und Werte des Königreiches Christi ermuntern. Katecheten und Mitglieder der Laienschaft, ich feiere diese Eucharistie mit tiefer Freude hier in Soroti und bete mit euch für eure Anliegen und für das Wohl des ganzen Volkes von Uganda. Ich grüße auch die Mitglieder anderer christlicher Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die mit uns bei diesem feierlichen Ereignis vereint sind, und ich heiße zugleich die Anhänger aller anderen religiösen Überheferungen willkommen, die heute hier anwesend sind. 3. „Was sollen wir also tun?” (Lk 3,10). Diese Frage erhebt sich auch in unseren Herzen. So wie im Alten Testament die Propheten geantwortet haben und Johannes der Täufer geantwortet hat und im Neuen Testament Jesus selbst antwortete, so muß die Kirche auf die alten und neuen Fragen eingehen, die der Mensch stellt. Sie muß eine Antwort auf die Fragen versuchen, die die verschiedenen Gemeinschaften und Gesellschaften bewegen, zu denen die Menschen gehören. Doch wenn die Frauen und Männer von heute fragen, was sie tun müssen, so kommt die Kirche nicht daran vorbei, die von Jesus Christus selbst gegebene Antwort anzubieten: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium” (Mk 1,15). Umkehren bedeutet, nicht mehr sündigen (vgl. Joh 8,11). Es bedeutet ferner, den Herrn unseren Gott aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und mit all unseren Kräften zu lieben, den Nächsten aber wie uns selbst (vgl. Mt 22,38-39). Es bedeutet vollkommen sein, wie unser Vater im Himmel vollkommen ist (vgl. Mt 5,48). An das Evangelium glauben aber bedeutet, die Worte Johannes des Täufers hören: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt” (Joh 1,29), und als Ergebnis unser ganzes Vertrauen auf Christus, den Erlöser, setzen, der allein Worte des ewigen Lebens hat (vgl. Joh 6,68). Es ist eine Tatsache, daß durch das rechte und heilige Leben ihrer Glieder und durch deren unwandelbare Treue zu Christus die Kirche in jedem Volk und in jedem Teil der Welt wächst. Ein deutliches Beispiel ist die Bedeutung der Märtyrer von Uganda für das Leben der Gemeinschaft der Christen in diesem Land. Vor mehr als hundert Jahren bekannte der vortreffliche Mulumba Matthias Kalemba gegenüber P. Livinhac von den Weißen Vätern, er habe nach einer Antwort auf die Frage gesucht, was zu tun sei. Auf dem Totenbett hatte sein Pflegevater Magatto vom Klan der Musu zu Matthias gesagt, eines Tages würden Männer kommen und „den rechten Weg lehren”. Von seinem Vater hatte er gelernt, nach dem Licht der Wahrheit 319 REISEN zu hungern, und als es entsprechend Gottes Vorsehung kam, ergriff Matthias das kostbare Geschenk der Frohbotschaft vom Heil und gab es nie wieder auf, auch wenn es ihn das Leben kostete. Die heutige Generation der Katholiken Ugandas darf nicht zulassen, daß das Licht, das die Märtyrer über ihnen zum Leuchten brachten, verglimmt. 4. Als die Bischöfe Ugandas im vergangenen Mai zu ihrem Ad-limina-Besuch nach Rom kamen, besprachen wir einige der wichtigeren Fragen, vor denen die Kirche in diesem Teil Afrikas steht. Als Vorbereitung auf diesen Besuch veröffentlichten sie dann einen Hirtenbrief, in dem sie das Programm des Wirkens der Kirche in den kommenden Jahren vor dem neuen Jahrtausend schilderten. Sie schlugen vor, dieser Besuch des Papstes sollte Anlaß zum Nachdenken über das Thema werden: „Laßt euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen” (Mt 5,16). Bei jedem Aufenthalt während dieses kurzen, aber intensiven Besuchs bin ich auf einige besondere Aspekte eingegangen, was die Kirche in Uganda aufgerufen ist, zu tun, um eine lichtvollere Zukunft für das Volk Gottes vorzubereiten und eine gerechtere, geeinte, menschliche und friedvolle Gesellschaft aufzubauen (vgl. Hirtenbrief: Laßt euer Licht leuchten, Nr. 2). Unter den Prioritäten der Gemeinschaft der Katholiken von Uganda nimmt die grundlegende Aufgabe der Evangelisierung den ersten Platz ein. Evangelisierung ist ja die Verwirklichung dessen, was Johannes der Täufer im heutigen Evangelium nahelegt: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! ... Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt” (Lk 3,4-6). Die Tatsache, daß so viele noch nicht die Frohbotschaft vernommen haben und daß einige in ihrem Glauben lau sind, bedeutet, daß die ganze Gemeinschaft der Christen aufgefordert ist, ihre Sendung, Apostel der anderen zu sein, emstzunehmen, nämlich die Sendung, die ein jeder bei der Taufe und Firmung empfangen hat und die ständig in der Eucharistie genährt wird (vgl. Laßt euer Licht leuchten, Nr. 30). 5. Zur Sendung zürn Evangelisieren gehört, daß die Christen Ugandas auf das Rufen all jener hören müssen, die in diesem Land und in ganz Afrika aus so manchen Formen der Sklaverei befreit werden möchten: von Unwissenheit und Unterdrückung, die so schwer auf den Armen, Alten und Alleinstehenden lastet, auf den Kranken, Flüchtlingen, der schutzlosen Jugend und zumal den Kriegswaisen oder den Waisen, die die Opfer der Aids-Epidemie hinterlassen haben. Sie alle brauchen eure bevorzugte und praktische Liebe. Was immer aber ihr ihnen tut, das tut ihr für Christus selber (vgl. Mt 25,34-36). Eure Bischöfe haben die Kirche in Uganda ferner aufgefordert, mutig das Leben und die Würde des Menschen zu verteidigen. Christen müssen eine klare und aktive Option für die Gerechtigkeit treffen: „Wo Gerechtigkeit herrscht, erfließt der Friede wie ein Strom” (Laßt euer Licht leuchten, Nr. 35). Nur durch Überwindung von 320 REISEN Rivalität und Haß, nur durch Verzicht auf das Verlangen nach Rache, nur durch Verzeihung und Versöhnung werden die Christen Ugandas Zeugnis für das Licht geben. Eine Verbesserung der ökumenischen Beziehungen, das Gebet für die Einheit der Christen, die Förderung eines besseren Verständnisses und größerer Zusammenarbeit mit den Anhängern des Islam bei der menschlichen Entwicklung und beim Aufbau eines neuen Uganda auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Achtung vor den Menschenrechten: All das gehört zu der Aufgabe, vor der die Gemeinschaft der Katholiken angesichts des näherkommenden neuen christlichen Jahrtausends steht. Ich erwähne diese Punkte aus dem Hirtenbrief eurer Bischöfe, um sie als Hirten in ihrer Festlegung der Prioritäten für den pastoralen Dienst in den kommenden Jahren zu bestärken. Ich möchte aber zugleich alle Katholiken Ugandas zum gründlichen Nachdenken über die Frage der Lesung aus dem Evangelium auffordem: „Was sollen wir also tun?” (Lk 3,10). Eure Bischöfe haben den Weg nach vorne gezeigt. Möge die ganze Gemeinschaft der Katholiken antworten: wie ein Licht auf dem Leuchter, das alle erleuchtet, die im Hause sind (vgl. Mt 5,15). 6. Die unmittelbare Zukunft des Lebens der Kirche auf diesem Kontinent wird tief beeinflußt werden durch die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika. Dieses wichtige Ereignis soll den Einzelkirchen in Afrika helfen, das Licht des Evangeliums in seiner ganzen Fülle den Männern und Frauen der kommenden Generation weiterzugeben. Der Heilige Geist ruft die katholische Kirche Afrikas zu einem neuen Pfingsten auf, zu einer neuen Vergegenwärtigung von Gottes hebender Macht, nämlich zur Heiligung des Volkes Gottes. Durch euer Tun und Zeugnis aber sollen Gesellschaft und Kultur umgewandelt werden. In ganz Afrika haben Menschen bereits aktiv und fruchtbar die Diskussion der Themen dieser Versammlung aufgegriffen. Heute aber in Kampala treten die Vorbereitungen für die Synode in ein neues Stadium. Ich bitte euch daher, weiter für dieses wichtige Ereignis zu beten, so daß Afrika in Gottes Licht eingetaucht wird, in jenes Licht, das im segensreichen Martyrium des heiligen Matthias, des heftigen Charles, des heftigen Musaka, des heiligen Kizto und all ihrer rahmvollen Gefährten hell aufgestrahlt ist. 7. „Alle Menschen werden das Heft sehen, das von Gott kommt” {Lk 3,6). Das Licht, das Gott sandte, als er seinen Sohn für die Welt hingab (vgl. Joh 3,16), ist allen Völkern zugedacht. Der Täufer am Jordan gab Zeugnis für den universalen Charakter der Erlösung. Als er Jesus auf sich zukommen sah, wurde Johannes vom Geist Gottes zu der Verkündigung veranlaßt: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt” (Joh 1,29). Die Worte des Johannes sind im Mittelpunkt der Messe erhalten geblieben: in der Opferung von Brot und Wein, welche auf diesem Altar für unser Heil zum Opfer Christi selbst wird an seinen Vater. Ja, für das Heil der Welt! Heute sage ich in Soroti Gott dafür Dank, daß ich diese Messe für die Heiligung des Volkes Gottes im östlichen Teil von Uganda darbringen durfte. Als Nachfolger des heiligen Petrus bin ich zu euch gekommen, um euch nachdrücklich aufzufordem: 321 REISEN Laßt euer Licht leuchten, so daß alle es sehen und ganz Afrika, weil es eure guten Werke sieht, unseren Vater im Himmel preist (vgl. Mt 5,16). Der Papst schloß in der Ateso-Sprache: Gott segne Afrika! Gott segne Uganda! Gott segne einen jeden von euch. Amen. Die Afrika-Sondersynode beginnt im April 1994 Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode in Kampala am 9. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Mit der Freude, „die der Heüige Geist gibt” (1 Thess 1,6), haben wir uns in der Kathedrale der Erzdiözese Kampala zur Eröffnungssitzung des Rats des Generalsekretariats der Bischofssynode für die Sonderversammlung für Afrika eingefunden. Es ist die siebente Zusammenkunft des Rats und die dritte, die auf diesem Kontinent stattfmdet. Ich begrüße alle seine Mitglieder und die anderen Bischöfe, die hier bei uns sind. Dieser Anlaß ist von tiefer Bedeutung nicht nur für die Ortskirchen in Afrika, sondern auch für däs Volk Gottes in der ganzen Welt. Durch meine Anwesenheit hier will ich sowohl das bereits Geleistete als auch die Arbeit der kommenden Tage unterstützen. Indem wir gemeinsam die Vesper beten, bringen wir die Bande der Gemeinschaft, die den Stuhl Petri und die Teilkirchen auf diesem Kontinent verbinden, sichtbar zum Ausdruck, und die Wirklichkeit dieser „Collegialitas effectiva et affectiva” verleiht unserem Gebet für die afrikanischen Bischöfe Intensität, da sie sich mit ihren Herden auf die Sonderversammlung der Synode vorberei-ten. Mit tiefer Liebe in unseren Herrn Jesus Christus möchte ich die Vertreter der Priester, der Ordensmänner und Ordensfrauen und der Seminaristen der Diözesen Ugandas, die heute abend bei uns sind, begrüßen. Durch euch, liebe Brüder und Schwestern in Christus, sind wir in der Lage, all jenen unsere Achtung zu erweisen, die sich dafür einsetzen, denen, für die der gute Hirt sein Leben gegeben hat, das Evangelium zu bringen. Es ist wirklich gut, daß ihr hier mit Bischöfen aus ganz Afrika zusammen seid, denn ihr bringt uns die Hoffnungen und Erwartungen zu Bewußtsein, die so viele Menschen hinsichtlich dieser Sondersynode hegen. I. 2. Ihr seid die Arbeiter, die der Herr in die Ernte schickt, um den „großen christlichen Frühling” (Redemptoris missio, Nr. 86) vorzubereiten, den er seiner Kirche bereitet! Der Reichtum an Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Le- 322 REISEN ben in Uganda offenbart die Vitalität und den Eifer der Kirche - ein Geschenk, für das wir dem Herrn Lob und Dank sagen müssen! Diese starke evangelisatorische Anstrengung wäre nicht möglich ohne die mutigen Männer und Frauen, die, von der Liebe Christi gedrängt (vgl. 2 Kor 5,14), seit über einem Jahrhundert mit dem Sendungsauftrag „ad gentes” in dieses Land gekommen sind. Ich spreche ihnen meine Anerkennung aus mit den Worten, die mein geliebter Vorgänger Papst Paul VI. geschrieben hat: „Die Tätigkeit der Missionare war stets selbstlos und von evangelischer Liebe beseelt, und um den Afrikanern zu helfen, die komplexen menschlichen und sozialen Probleme in ihren Ländern zu lösen, haben sie sich hochherzig aufgeopfert” (Africae terrarum, 24). Hochgeschätzte Brüder und Schwestern, ihr seid die Erben einer großen Tradition - ein Erbe, geformt von der Gnade, die in den Weißen Vätern, den Mill-Hill-Missionaren, den Söhnen und Töchtern von Bischof Comboni und allen Mitgliedern der Missionsgesellschaften so machtvoll am Werk war. Überzeugt, daß das Evangelium „eine Kraft Gottes (ist), die jeden rettet” (Röm 1,16), kamen diese Männer und Frauen aus Liebe zu den Menschen Ugandas hierher, einer Liebe, die sich in den letzten Jahren heroisch durch die Treue bestätigt hat, mit der ihr in Zeiten der Prüfung euren lauten beigestanden habt. An euch sehen wir, daß der Evangelisierungsauftrag der Kirche nicht nur für eine vergangene Epoche, sondern für immer Gültigkeit besitzt (vgl. Redemptoris missio, Nr. 66). Schaut nicht darauf, was es kostet, Diener Christi und des Evangeliums zu sein (vgl. 1 Kor 4,1). Werdet nie müde, die Grenzen des Reiches Gottes auszuweiten. Wie glücklich werdet ihr sein, wie Pere Lourdel das Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi im Leben derer verwirklicht zu sehen, die ihr zum Herrn bringt. 3. Liebe Mitbrüder im Priestertum: An euch richte ich ein Wort tiefempfundener Liebe. Ihr seid die wichtigsten Mitarbeiter eurer Bischöfe bei der Ausübung des euch im Weihesakrament übertragenen apostolischen Amtes (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 2). Durch die sakramentale Weihe seid ihr „Jesus Christus als dem Haupt und Hirten der Kirche gleichgestaltet” (Pastores dabo vobis, Nr. 21). Ihr setzt die Sendung der Opferliebe unseres Erlösers zu seiner Braut, der Kirche, fort, für die er sein Leben hingegeben hat (vgl. Eph 5,25). Diese Hirtenliebe erfordert von euch eine totale Selbsthingabe an die Kirche - eine Eingabe, die ihr jeden Tag in der Feier des eucharistischen Opfers erneuert (vgl. ebd., 23). Und wie ihr gut wißt, wird eure Wirksamkeit als Verwalter der versöhnenden Liebe Christi und als Verkündiger des Evangeliums der Buße durch den häufigen Empfang des Bußsakraments zunehmen. Ich bitte euch eindringlich, wie Paulus den Timotheus, seinen geliebten Sohn und Bruder im Glauben, aufforderte, „entfacht die Gnade Gottes wieder, die euch zuteil geworden ist” (vgl. 2 Tim 1,6). Die Dynamik der Hirtenliebe bedarf ständiger Erneuerung und Nahrung durch den Gott, der alles neu macht (vgl. Offb 21,5). Die 323 REISEN Teilnahme an Programmen zur Weiterbildung ist ein Mittel, durch das der Heilige Geist euch „zu einem immer tieferen Verständnis des Christus-Mysteriums” und „des Mysteriums der priesterlichen Sendung” (ebd., 70) führt. Bei solchen Erfahrungen werdet ihr die Kraft gewinnen, in eurem Dienst an der Herde auszuharren. In dieser Hinsicht wird das Nationale Emeuerungszentrum für den Diözesanklerus hier in Kampala sicherlich der ganzen Kirche in Ostafrika große Dienste leisten. 4. Liebe Seminaristen! Ihr, die ihr danach trachtet, an der Seite der Priester euren Platz als Arbeiter im Weinberg des Herrn einzunehmen, euch schließe ich als hebevoller Vater in die Arme. Bereitet euch gut auf die unschätzbare Gabe vor, die ihr von Gott „durch die Auflegung der Hände” empfangen werdet. Um „Christus in seiner vollendeten Gestalt” (Eph 4,13) darstellen zu können, müßt ihr euch ganz dem Programm der geistlichen, akademischen und pastoralen Bildung widmen, das die mit eurer Ausbildung Beauftragten festgesetzt haben. Vergeudet keinen Augenblick. In der Zeit bis zu eurer Weihe müßt ihr den Glauben, der uns von den Aposteln weitergegeben wurde, eifrig studieren und euch vom Heiligen Geist zu passenden Gefäßen für diesen Schatz (vgl. 2 Kor 4,7) formen lassen. Lernt durch das Gebet, „Jesus wie Freunde in enger Gemeinschaft des ganzen Lebens verbunden zu sein” (vgl. Optatam totius, Nr. 8), so daß die Gnade Gottes reiche Frucht in euch bringen kann (vgl. Joh 15,8). 5. Liebe Ordensmänner und Ordensflauen! Grund zu großer Freude ist, daß dieses Land, durch das Blut der Märtyrer fruchtbar gemacht, das Wachstum des Ordenslebens begünstigt hat. Neben den älteren Kongregationen, die hier heimisch geworden sind, ist die Errichtung blühender neuer Institute ein klares Zeichen für die wachsende Reife der Kirche in Uganda. Tatsächlich sind alle von euch gewissermaßen „Söhne und Töchter” des heiligen Charles Lwanga und seiner Gefährten. Durch die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams gebt ihr als Ordensleute wie die Märtyrer Zeugnis für die Wahrheit, daß „das Volk Gottes ... hier keine bleibende Heimstatt (hat), sondern ... die zukünftige (sucht)” (Lumen Gentium, Nr. 44). Gerufen, Zeichen der neuen Welt der kommenden Auferstehung zu sein (vgl. Familiaris consortio, Nr. 16), evangelisiert ihr vor allem dadurch, daß ihr euer Leben Christus als „Gabe” darbringt (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 1) und für alle das neue Leben sichtbar macht, das für uns am Kreuz erworben wurde. Das Zeugnis der Selbsthingabe wird nicht nur von den Mitgliedern der Institute aktiven Lebens verwirklicht, sondern auch von denen, deren gelebte stille kontemplative Liebe im Herzen der Kirche brennt - der Karmelitinnen, Klarissen, Zisterzi-enserinnen, Benediktinerinnen und Schwestern von der Ewigen Anbetung. Euch alle, Ordensmänner und Ordensfrauen, möchte ich, wie ich im Apostolischen Schreiben Redemptionis donum geschrieben habe, „einladen, eure Ordensweihe nach dem Vorbild der Weihe der Gottesgebärerin neu zu leben” (Nr. 17). Legt wie Maria alles, was ihr seid, und alles, was ihr habt, in die Hände des Vaters (vgl. Lk 1,38). 324 REISEN Da das Ordensleben ein machtvolles Instrument zur Verbreitung des Lichts der evangelischen Wahrheit ist, möchte ich noch einmal die Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit des von den Ordensfrauen gelebten Beispiels, besonders für die Missionskirchen, lenken. Die Ordensschwestern, „deren jungfräuliches Leben für das Reich Gottes vielfältige Früchte einer geisthchen Mutterschaft trägt” (Redemptoris missio, Nr. 70), zeigen, daß es die Berufung jeder Frau - nicht nur im gottgeweihten Leben, sondern auch im Ehestand - ist, sich anderen als aufrichtige Gabe ihrer selbst zu schenken. Diese Wahrheit über das Frau-Sein - eine Person zu sein, geschaffen für die Selbsthingabe an eine andere Person - ist die Grundlage für die ihr mit Recht entgegengebrachte Achtung und für die Rohe, die sie in Familie und Gesellschaft zu spielen hat (vgl. Mulieris dignitatem, Nm. 7, 21). Im Namen der hier versammelten Bischöfe möchte ich allen Priestern, Ordensleuten und Seminaristen in Uganda für ihren selbstlosen Einsatz danken, die befreiende Wahrheit des Evangeliums den Menschen, denen sie dienen, zu bringen. Ihr seid die auserwählten Werkzeuge der Evangelisierung. Mit der Hilfe des Herrn und dem Gebet Marias werden eure Mühen reiche Ernte für das Reich Gottes bringen! II. 6. Als mein Vorgänger Papst Paul VI. zur Einweihung des Heiligtums der Märtyrer, die er selbst heiliggesprochen hatte, nach Kampala kam, sprach er in eben dieser Kathedrale vor einer Versammlung, die ähnlich war wie diese hier. Er sprach von der Kirche als Gemeinschaft. Er ermutigte seine Zuhörer, durch ihr Beispiel für dieses Mysterium Zeugnis zu geben, und setzte einen besonderen Akzent auf die Rolle der Bischöfe als „Zeichen und Diener der Einheit”. Ist es zu verwundern, daß ihm die Gestalt des Bischofs in den Sinn kam, als er hier am Grab von Bischof Joseph Kiwanuka, des ersten afrikanischen Bischofs der modernen Zeit, stand? Der Herkunft nach Ugander, war Bischof Kiwanuka in der Tat ein Zeichen der Hoffnung, als die Kirche von neuem begann, wirklich afrikanisch zu werden. Papst Paul VI. sah für die Kirche und die Afrikaner große Möglichkeiten, die erwachsen sollten aus der Treue der Kirche zu ihrer Berufung, am Geschenk des dreifältigen Lebens Gottes teilzuhaben. Er ermutigte damals alle Anwesenden mit den folgenden Worten: „Seid wirklich bestrebt, jene kirchliche Gemeinschaft zu leben, die uns in Christus alle eins (vgl. Joh 17,21-23), alle zu einem mystischen Leib (vgl. 1 Kor 10,16-17 usw.) macht, denn wir sind die Kirche, alle eins mit Christus und untereinander” (Ansprache in der Kathedrale in Kampala, 2. August 1969). Es ist weiter sehr natürlich, daß sich unsere Gedanken heute der Bischofssynode als einem besonders nützlichen Instrument der kirchlichen Gemeinschaft zuwenden. Von Papst Paul VI. gegen Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils errichtet, ist die Synode bestrebt, die Gemeinschaft der Bischöfe in der ganzen Welt unter der Führung des Nachfolgers Petri auszudrücken und zu fördern. Das Prinzip, das der Errichtung der Bischofssynode zugrunde liegt, ist einfach: Je besser die Gemeinschaft 325 REISEN der Bischöfe im Weltepiskopat ist, desto reicher wird die Gemeinschaft der Gesamtkirche. In diesen Tagen sieht die Kirche in Afrika die Wahrheit dieser Worte aus erster Hand, da sie die Begeisterung und die praktischen Vorteile erfährt, die die Vorbereitungen auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika begleiten. 7. Das Wort „Synode” bezeichnet eigentlich ein Miteinander-Gehen: „syn-odos.” Es liefert ein ausdrucksvolles Bild, das nicht nur auf die eigentliche Synodenversammlung angewandt werden kann, sondern auch auf alle Phasen der Vorbereitung, die dieser Zusammenkunft vorangehen. Alle Glieder der Kirche in Afrika - Priester, Ordensleute und Laien - befinden sich auf einem gemeinsamen Weg, „gehen miteinander”, wobei sie für die kommende Synode ihre Gaben in den Dienst der Kirche in Afrika stellen. Jetzt hat dieser Weg mit der Veröffentlichung des Arbeitsdokuments, des Instrumentum laboris, eine bedeutsame Etappe erreicht. Die Vorarbeit für die Sondersynode ist beendet. Die Phase der eigentlichen Vorbereitung hat begonnen. Es freut mich besonders, daß dieses Dokument in Afrika selbst veröffentlicht wird, und zwar bei der Eröffnungssitzung dieser Zusammenkunft des Rats des Generalsekretariats der Synode. Auf ihre Weise ist die Veröffentlichung des Instrumentum laboris ein Ausdruck des Mysteriums der kirchlichen Gemeinschaft, die die Hirten und das Volk Afrikas in ihrem Dienst für das Reich Gottes miteinander verbindet. Sie ist eine Antwort auf den Austausch, der mit der Übergabe des früheren Dokuments, der Lineamenta, an die Kirche in Afrika begonnen hat. Auch dieses Dokument ist in Afrika selbst vorgestellt worden: Das war bei der Zusammenkunft der Bischöfe am 25. Juli 1990 in Lome, Togo, zur neunten Vollversammlung des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM). Ein weiteres Zeichen der Gemeinschaft des Lebens der afrikanischen Ortskirchen in den verschiedenen Abschnitten ihrer Geschichte ist die Tatsache, daß dieses Synodendokument an genau demselben Ort veröffentlicht wird, wo vor fast fünfundzwanzig Jahren die anläßlich des historischen Uganda-Besuchs Papst Pauls VI. einberufene erste Vollversammlung des SECAM feierlich abgeschlossen wurde. 8. Die Vergangenheit im Licht der Gegenwart zu werten, ist stets von Nutzen. Wenn wir heute auf die Arbeit zurückblicken, die in den letzten zwei Jahren zur Vorbereitung auf die Sondersynode geleistet wurde, können wir Gott dankbar sein für das, was er auf dem afrikanischen Kontinent vollbracht hat. Selbst in dieser kurzen Zeit sind sowohl die Kirche als auch die Gesellschaft in Afrika durch das kirchliche Mysterium der Gemeinschaft bereichert worden, wie es sich beim Gabenaustausch anläßlich der Synodenvorbereitung gezeigt hat. Es gibt viele positive Zeichen, die uns Mut und Anregung geben, da der Weg seine Schlußetappe erreicht. Diese zwei Jahre intensiven gemeinschaftlichen Gebets und Nachdenkens über die Evangelisierung haben die geistliche Erneuerung, einen tieferen Sinn für die Kirche und ihre Lehre und ein stärkeres Verantwortungsbewußtsein des ganzen Gottes Volkes gebracht, wie man auf die einzig und allein in Afrika anzutreffenden Situationen 326 REISEN im Glauben antworten muß. Das im Dialog gewonnene Verständnis hat Priestern, Ordensleuten und Laien eine wirksamere Zusammenarbeit bei der Weitergabe des Glaubens und der Begegnung mit den Nöten unserer Zeit ermöglicht. Sie haben die wirklich wichtigen Fragen ins Auge gefaßt und arbeiten miteinander, um die geeigneten Antworten zu finden. Die durch die .Vorbereitungen auf die Synode entwickelte Kraft hat sich auch in einer größeren Offenheit für den ökumenischen und interreligiösen Dialog gezeigt. Ebenso ist sie fruchtbar gewesen für die Erneuerung der wechselseitigen Zusammenarbeit bei Programmen zugunsten der Würde der Person, zugunsten der menschlichen Entwicklung und zur Förderung der Gerechtigkeit und des Friedens. 9. Es scheint von der Vorsehung gefügt, daß die Ankündigung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika - die erste „Sonderversammlung”, die nach dem jüngst revidierten Kirchenrechtskodex angekündigt wurde - am 6. Januar 1989, dem Fest der Epiphanie, geschah. Dieses Fest, das an die biblischen Geschehnisse erinnert, die die Heilige Familie in den afrikanischen Kontinent führten, hebt die universale Sendung Christi hervor und bringt uns auf das Thema der Sondersynode: „Die Kirche in Afrika und ihr Evangelisierungsauftrag für das Jahr 2000: ,Ihr werdet meine Zeugen sein’ (Apg 1,8).” Letztlich ist die kirchliche Gemeinschaft eine Berufung und zugleich eine Sendung, Zeugnis zu geben für Christus, das „Licht aller Völker” (vgl. Lk 2,32). Von diesem Thema ausgehend, ist die Vorauskommission und später der erweiterte Rat des Generalsekretariats in die Studien- und Diskussionsphase eingetreten, die zum Vorbereitungsdokument oder den Lineamenta geführt hat. Dieses aus zwei Teilen bestehende Dokument beginnt mit einer allgemeinen Abhandlung des Themas Evangelisierung; es folgen fünf Kapitel, die jeweils verschiedene Aspekte des Themas behandeln: die Verkündigung der guten Nachricht des . Heils, die Inkulturation, den Dialog, Gerechtigkeit und Frieden und die sozialen Kommunikationsmittel. Die unermüdliche Arbeit des Rats hat ihre Früchte in der begeisterten Reaktion gezeitigt, die dem Dokument auf dem afrikanischen Kontinent sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche zuteil wurde. Ein deutlicher Ausdruck dieser Begeisterung war die praktisch einstimmige Antwort der Bischofskonferenzen Afrikas: die höchste je bei einer Synodenversammlung eingegangene Zahl von Antworten. Jede dieser Antworten repräsentiert auf ihre Weise die Lebenskraft und die konkreten Auswirkungen der Gemeinschaft in der Kirche in Afrika. Jede Antwort offenbart einen vom Gebet getragenen Dialog, der von den Bischofskonferenzen mit jedem Bischof begonnen und von den Gemeinschaften und einzelnen Gläubigen fortgesetzt wurde: einen Dialog, der sich von den lokalen Gemeinschaften auf diözesane, nationale, internationale und kontinentale Ebene ausgebreitet hat. Aus der in diesem Prozeß gewonnenen Informationsfulle haben die Bischofskonferenzen ihrerseits die offiziellen Antworten formuliert, die dem Generalsekretariat zugesandt wurden. Diese 327 REISEN wiederum wurden durch Antworten und Anmerkungen von weiteren betroffenen Kirchenorganen ergänzt. 10. Mit der Vorstellung des Instrumentum laboris oder Arbeitspapiers der Sondersynode hat die Kirche in Afrika eine besonders wichtige Phase in der Vorbereitung auf die Sondersynode erreicht. Die Lineamenta-Benchte, die die auf verschiedenen Ebenen des kirchlichen Lebens in Afrika erfahrene Gemeinschaft zum Ausdmck brachten, wurden vom Rat des Generalsekretariats sorgsam studiert. Mit der Hilfe afrikanischer Theologen wurden sie dann zusammengefaßt und weiter verbessert, so daß sie ein detailliertes Bild der gegenwärtigen Lage und die allgemeinen Gesichtspunkte der christlichen Gemeinschaft in Afrika zum Thema der Evangelisierung bieten. Dieses Dokument, das den zweiteiligen Aufbau und die Abhandlung in fünf Kapiteln von den Lineamenta übernimmt, hat daher eine besondere Bedeutung. Einerseits ist es in einem gewissen Sinn die erste Frucht des gemeinsamen Gebets, Studiums und Nachdenkens über das Thema der Synode. Andrerseits dient es als ausführliche Agenda, die bei der Versammlung selbst im Rahmen des Dialogs und der Gemeinschaft gebraucht werden wird. Wenn es auch der Hauptzweck des Dokuments ist, diejenigen vorzubereiten, die an der Sondersynode teilnehmen, bietet diese allgemeine Veröffentlichung für die ganze Kirche in Afrika die Möglichkeit, weiteren Nutzen aus dem Vorbereitungsprozeß der Synode zu ziehen. Zugleich kann das Dokument als allgemeine Anregung zum Studium und als Mittel dienen, die Begeisterung für diese Sondersynode zu wecken, die - da sie in diesem Augenblick der Geschichte der Kirche in Afrika stattfindet - für deren Übergang ins dritte christliche Jahrtausend eine entscheidende Rolle zu spielen hat. Durch die Dynamik der Gemeinschaft, durch die Diskussion und das Gebet über das Thema der Evangelisierung wird die Sonderversammlung der Synode einen pastoralen Aktionsplan für die Kirche zu formulieren suchen, die ihrer Berufung zur Gemeinschaft und ihrem Auftrag, Christus allen Völkern zu verkündigen, treu bleiben will. 11. Die besondere Natur dieser Synode hat ferner eine Anpassung gewisser Punkte des Ordo Synodi, der Vorschriften, die die Synode regeln, erfordert. Diese Anpassungen, die zum größten Teil mit den Kriterien für die Vertretung und Teilnahme der Bischofskonferenzen an der Generalversammlung zu tun haben, sind von mir gebilligt worden und werden ebenfalls jetzt veröffentlicht. Kopien werden an die Bischofskonferenzen gesandt, so daß die Synodenteilnehmer bestimmt werden können. In Anbetracht der Bedeutung der Veröffentlichung des Instrumentum laboris und der neuen Phase unmittelbarer Vorbereitung auf die Synode, die damit angezeigt wird, freut es mich, nach eingehender Beratung bekanntzugeben, daß die Sonder-versammlung der Bischofssynode für Afrika am Weißen Sonntag, 10. April 1994, beginnen wird. 328 REISEN Da die Sondersynode nicht nur für die Kirche in Afrika, sondern für die Gesamtkirche von großem Interesse ist, wurden hinsichtlich ihrer Sitzungsperioden folgende Regelungen getroffen: Die Arbeitssitzungen der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika werden im Vatikan zusammentreten, wo alle Versammlungen der Bischofssynode stattgefunden haben, gleichsam um die Gemeinschaft der Bischöfe mit dem Nachfolger Petri zu zeigen. In Anerkennung der intensiven Teilnahme an der Vorbereitung der Synode durch Gebet und Studium von Menschen und Institutionen der Kirche auf dem ganzen Kontinent und in dem Wunsch, deren Zusammenarbeit mit dem Synodenvorgang fortzusetzen, beabsichtige ich, nach Afrika zu kommen für eine Sitzungsperiode, um die Ergebnisse der Sondersynode feierlich zu verkünden. Diese Phase wird eine Gelegenheit sein, die Katholiken Afrikas bei der Umsetzung der Synodenbeschlüsse zu ermutigen und die Solidarität der Gesamtkirche mit den Teilkirchen Afrikas hinsichtlich der pastoralen Aufgaben auszudrücken, die bei der Evangelisierung dieses Kontinents an der Schwelle des dritten Jahrtausends zu bewältigen sind. 12. Im Mysterium der kirchlichen Gemeinschaft ist die Sondersynode für Afrika von Bedeutung für die Gesamtkirche, nicht nur wegen des großen Interesses, das dieses Ereignis hervorruft, sondern vor allem wegen der wahren Natur der kirchlichen Gemeinschaft, die alle zeitlichen und räumlichen Grenzen übersteigt. Sie hat viele Gebete und gute Taten hervorgerufen, mit denen die Glieder und Gemeinschaften der Kirche auf anderen Kontinenten den Synodenvorgang begleiten. Wir können in der Tat zuversichtlich sein, daß im Mysterium der Gemeinschaft die Synode vom Gebet der Heiligen im Himmel getragen werden wird. Diesbezüglich erinnere ich mit Freude an das Zeugnis für das Evangelium Christi, das in diesem durch das Blut der Märtyrer geweihte Land gegeben wurde, ein Zeugnis, das für die Kirche in Uganda viele Früchte hervorgebracht hat. Indem ich die Worte des Liedes wiederhole, das die Märtyrer sangen, als sie durch ihren Tod für Christus das höchste Zeugnis gaben, empfehle ich ihrer mächtigen Fürsprache die Arbeit der Ratssitzung, die nun beginnt, wie auch die Sondersynode selbst: „Gib, daß unsere Augen sich öffnen, unseren Retter und König hier zu sehen, und unsere Herzen stets bereit sind, ihn zu hören und sein Lob zu singen.” Von Uganda, vom Herzen Afrikas, aus möge dieses Lied aufsteigen und im Chor über den ganzen Kontinent hin anschwellen in dieser Schlußphase der Vorbereitung auf die Sondersynode, die für die Kirche an der Schwelle des dritten Jahrtausends , so reich an Verheißungen und Hoffnungen ist. Maria, Regina Martyrum, orapro nobis! 329 REISEN Das Ostergeheimnis - Mittelpunkt des menschlichen Lebens Ansprache beim Besuch der Kathedrale in Khartum (Sudan) am 10. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Mein erster Impuls ist es, euch die Hand zu reichen, um jedem von euch, den Priestern, den Ordensleuten, den Priesteramtsanwärtem, den Katecheten - ob Sudanesen oder Missionaren - zu versichern, daß ihr einen ganz besonderen Platz im Herzen und in den Gedanken des Stellvertreters Christi einnehmt. Ihr lebt euer Leben und tut eure Arbeit inmitten von großen Schwierigkeiten, und manchmal werdet ihr denken, daß die übrige Welt euch vergessen hat. Aber ihr seid nie weit entfernt von den Gedanken und dem Herzen Gottes. Er kennt all eure Gebete und eure mühevolle Arbeit. Die Kirche, der Nachfolger Petri, die Christen überall in der Welt, die unablässig für euch beten, haben euch nicht vergessen. Ich grüße euch in der Liebe der Heiligsten Dreifaltigkeit: „Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Retter” (77/1,4). Ein besonderer Gruß geht auch an jene Priester, Ordensleute und Laien, die in diesem Land täglich für das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus Zeugnis geben und heute nicht hier sein können. Ich hoffe, daß meine Stimme irgendwie zu ihnen gelangen wird, denn sie sollen wissen, daß die ganze Kirche sie hebt und für sie betet. 2. Ich bin mir der traurigen Situation in eurem Land, das von einem Bürgerkrieg gepeinigt wird, der besonders im Süden dem sudanesischen Volk unbeschreibliches Elend, Leid und Tod gebracht hat, nur allzu bewußt. Die Existenz eurer Gemeinschaften ist auch durch den Abbruch der guten Beziehungen, die zwischen Christen und Moslems bestehen sollten, stark beeinträchtigt. Außerdem lebt ihr und eure christlichen Brüder, was irdische Güter anbelangt, in dürftigen Verhältnissen, oft sogar in extremer Armut. Mit Bewunderung und mit innigster Dankbarkeit zu unserem himmlischen Vater für eure Treue bestärke ich euch, „in dem einen Geist festzustehen, einmütig für den Glauben an das Evangeüum zu kämpfen” (vgl. Phil 1,27). In meiner Heimat habe ich selbst die Greuel des Krieges kennengelemt und erlebt, wie sich die Geschichte der Katakomben in diesem Jahrhundert wiederholt. Als der Nachfolger Petri, in meiner Sorge um alle Kirchen, teile ich die Prüfungen und das Leid eurer Brüder und Schwestern überall in der Welt. Doch in diesem Teil Afrikas sehe ich deutlich eine besondere Wiederkehr des Golgotageheimnisses im Leben der meisten Christen. Was kann ich euch antworten? Wie kann ich euch trösten? Gleich werden wir die heilige Messe feiern, „das wohlgefällige Opfer für das Heil der ganzen Welt” (Eucharistisches Hochgebet, Nr, 4). Mit unerschütterlicher Zuversicht werden wir unseren Glauben bekennen: „Herr, durch dein Kreuz und deine Auferstehung hast du uns befreit. Du bist der Erlöser der Welt.” 330 REISEN Brüder und Schwestern, wenn es eine Botschaft gibt, die der Papst euch mitgeben möchte, dann ist es die: Macht das Ostergeheimnis zum Mittelpunkt eures Lebens! Versammelt das Volk Gottes zur Feier des Glaubensmysteriums. Nährt euch und eure Gemeinschaften mit dem Wort des Lebens und den Sakramenten unserer Erlösung. 3. Liebe Brüder im Priesteramt: Am Tag eurer Weihe wurdet ihr Jesus, dem hohen Priester, für den Dienst am Evangelium nachgestaltet. Vergeßt nie das Ausströmen jener Gnade, durch die euch große Verantwortung anvertraut worden ist, die euch aber auch Kraft gegeben und für die kommende harte Arbeit gefestigt hat. Verliert nie Jesus, „den Urheber und Vollender des Glaubens, der angesichts der vor ihm hegenden Freude das Kreuz auf sich genommen hat” (vgl. Hebr 12,2), aus den Augen. Die Gläubigen schauen auf euch, um sowohl bei ihrer Suche nach christlicher Heiligkeit als auch bei ihrer Forderung nach Achtung ihrer Menschen- und Bürgerrechte Unterstützung und Ermutigung zu finden. Ihr wißt, daß eure Rolle nicht nur eine rein gesellschaftliche oder politische Funktion hat. Vielmehr „als Diener Christi soll man euch betrachten und als Verwalter von Geheimnissen Gottes” (vgl. I Kor 4,1). Die wahren „Kennzeichen” eures Auftrags sind euer Eifer, mit dem ihr den Willen des Vaters erfüllt, euer unablässiges Gebet, die Einhaltung des Zölibats um des Reiches Gottes willen, der demütige Dienst, der die Barmherzigkeit des Guten Samaritaners widerspiegelt. Es ist sowohl für euch persönlich als auch für die richtige Einordnung eures Dienstes wichtig, einen ausgeprägten Sinn für die Gemeinschaft und die konkrete Zusammenarbeit mit euren Bischöfen aufrechtzuerhalten und durch sie in geistiger und gefühlsmäßiger Einheit mit dem einen, universalen Leib Christi zu stehen. Möget ihr, insbesondere bei der Austeilung des Sakraments der Sündenvergebung, wahre Instrumente der Versöhnung und des Friedens sein. Ich vertraue euch und euer Amt der mütterlichen Fürsorge der heiligen Jungfrau an. Möge ihre Fürsprache euch all jene Ermunterung geben, die ihr braucht. Liebe Priesteramtsanwärter: Ihr seid dabei zu entdecken, was die treue Nachfolge Jesu und die Vorbereitung auf euer Amt bedeutet. Ihr solltet jede Gelegenheit für eine eingehende und solide Ausbildung nutzen! Weiterhin solltet ihr dem Guten Hirten Tag für Tag erlauben, eure Herzen nach seinem Herzen zu formen (vgl. Jer 3,15), damit ihr in Situationen der Not wie er fähig seid, alles aus Liebe zur Herde zu ertragen. 4. Liebe Ordensleute: Auch ihr nehmt einen besonderen Platz im Herzen und im Gebet des Papstes ein. Eure Rolle in der christlichen Gesellschaft ist von fundamentaler und außerordentlicher Bedeutung nicht nur aufgrund dessen, was ihr in all den verschiedenen Formen des Apostolats, wo ihr beschäftigt seid, leistet, sondern vor allem weil eure treue Befolgung der evangelischen Räte auf wirksame Weise zu an- 331 REISEN deren Menschen - Christen und Nichtchristen - von der Wahrheit und der Bedeutung der Seligpreisungen, dem Kern des christlichen Lebens, spricht. Mögen euch die Worte, die das Zweite Vatikanische Konzil an die Ordensleute richtet, Mut geben: „Je inniger sie also durch solche Selbsthingabe, die das ganze Leben umfaßt, mit Christus vereinigt werden, desto reicher wird das Leben der Kirche und desto fruchtbarer deren Apostolat” (Perfectae caritatis, Nr. 1). Im Heilsplan Gottes seid ihr der lebendige Samen einer wunderbaren geistigen Fruchtbarkeit. Ich möchte ganz besonders die Schwestern ihrer einzigartigen Rolle versichern, die sie im Leben und in der Sendung der Kirche innehaben. Eure Weihe, euer Beispiel authentischer Heiligkeit und der Eifer eures Dienens sind in den konkreten Situationen eures Apostolats, die die Würde der Frauen betreffen, eine entscheidende Aussage. Ich danke euch im Namen der Kirche. Ich möchte euch alle ermuntern, auch weiterhin die Berufungen für das Ordensleben zu fördern, und allen, die dazu auserwählt sind, bei ihrer Ausbildung zu helfen, wie auch alle hilfsbedürftigen Brüder und Schwestern zu betreuen und ihnen geistige Unterstützung zu geben. Möge Maria, die eilte, um ihrer Cousine Elisabeth beizustehen, für alle ein Beispiel christlicher Barmherzigkeit sein. 5. Liebe Katecheten: Erlaubt mir, mit den Worten des heiligen Paulus an die Korinther zu euch zu sprechen: „Ich habe großes Vertrauen zu euch; ich bin sehr stolz auf euch. Trotz all unserer Not bin ich von Trost erfüllt” (2 Kor 7,4). Ihr steht im Mittelpunkt dieser christlichen Gemeinde, die oft in verschiedene „kleine christliche Gemeinschaften” unterteilt ist. Es ist eure Aufgabe, das Wort Gottes in eine Sprache zu fassen, die den Anforderungen und der Lebenspraxis eurer Brüder und Schwestern am nächsten kommt. Durch eure Worte und Taten nähert sich Christus dem täglichen mühsamen Kampf eures Volkes. Entsprechend eurer Aufnahmefähigkeit für die Botschaft des Evangeliums, wird Christus durch euch wahrhaft Teil des sudanesischen Volkes. Möge das Beispiel der seligen Bakhita, die, ganz gleich wie hart die Umstände ihres Lebens auch waren, nie ihre Zuversicht und Hoffnung aufgab, euch mit Liebe und Barmherzigkeit allen gegenüber erfüllen. 6. Schließlich möchte ich noch den Männern und Frauen, die als Missionare im Sudan tätig sind, auf ganz besondere Weise danksagen. Auch durch eure aufopfernde Arbeit kann die Kirche in diesem Land trotz großer Schwierigkeiten und Einschränkungen ihre Sendung mit Mut und Entschlossenheit weiterführen. Ihr seid ein Symbol der Universalität der Kirche, ihrer Glaubenseinheit und ihrer Offenheit für die Gemeinschaft aller Teilkirchen mit der gleichen Heilssendung. Möge der Herr euren selbstlosen Einsatz reich belohnen. 7. Brüder und Schwestern: Im Ostergeheimnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus hegt der Reichtum und die Zuversicht der Kirche. Es ist die Quelle unserer Kraft und Hoffnung. Wenn die Gerechtigkeit der Menschen versagt, kann es allein unsere Wunden heilen und unseren Bemühungen einen Sinn geben. In der heiligen Messe, die wir heute nachmittag feiern wollen, 332 REISEN werde ich ganz nahe bei euch sein, denn „unablässig erinnern wir uns vor Gott, unserem Vater, an das Werk eures Glaubens, an die Opferbereitschaft eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung” (1 Thess 1,3). Die ganze Kirche empfiehlt euch der hebevollen Vorsehung Gottes, denn wir wissen - nach den Worten des Römerbriefs - daß „Gott, der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist” (Rom 8,27). Möge der Vater, der Sohn und der Heilige Geist mit euch allen sein. Amen. Gerechtigkeit und Achtung der Menschenrechte als Bausteine des Friedens Ansprache an das Staatsoberhaupt in Khartum (Sudan) am 10. Februar Exzellenz! 1. Mein Besuch im Sudan ist für mich bei der Erfüllung meines religiösen und pasto-ralen Amtes als Bischof von Rom, dem Oberhaupt der katholischen Kirche, Anlaß zu großer Befriedigung. Auch wenn es nicht möglich war, einen ausgedehnteren Besuch in andere Teile des Landes in Betracht zu ziehen, so bin ich doch sehr froh, daß ich nach Khartum kommen konnte, um die Botschaft der Versöhnung und der Hoffnung, dem Kernpunkt des Katholizismus, allen Menschen im Sudan, ungeachtet ihrer unterschiedlichen Religionen und Abstammung, zu überbringen. Ich habe diesem Besuch besonders erwartungsvoll entgegengesehen, denn er gibt mir Gelegenheit, den Menschen dieses Landes neuen Mut zu machen. Sie sind Söhne und Töchter der Kirche, deren innigster Wunsch es ist, auf einträchtige und wirksame Weise, gemeinsam mit ihren Landsleuten, am Aufbau einer besseren Gesellschaft für alle Sudanesen mitzuhelfen. 2. Vor kurzem habe ich in meiner Neujahrsansprache an die Mitglieder des Diplomatischen Korps, der 145 beim Hl. Stuhl akkreditierten Staaten, meine Sorge bezüglich der vielen Hindernisse auf dem Weg zum Frieden und Fortschritt zum Ausdruck gebracht, die immer noch die internationale Szene trüben. Was Afrika betrifft, so habe ich mit Nachdruck erneut bekräftigt, daß „in zahlreichen Konfliktgebieten oder bei Naturkatastrophen dringend Hilfe geboten sei” (Ansprache an das Diplomatische Korps, 16.1.1993, Nr. 2). Außerdem war es mir ein Bedürfnis, insbesondere auf den Krieg aufmerksam zu machen, der die Völker im Norden und im Süden des Landes weiterhin gegeneinander stellt. Es ist meine innige Hoffnung, „daß die Sudanesen in freier Wahl jene Verfassungsform finden können, die ihnen eine Überwindung der Gegensätze und Kämpfe in Achtung vor den Besonderheiten einer jeden Gemeinschaft gestattet” (ebd.). Exzellenz, dieser Hoffnung möchte ich heute hier erneut Nachdruck verleihen. Meine Hoffnung beruht auf der Überzeugung, daß Frieden immer möglich ist. Der Mensch ist ein rational denkendes Lebewesen, dem 333 REISEN Intelligenz und Willenskraft gegeben ist; daher ist er auch in der Lage, gerechte Lösungen für Konfliktsituationen zu finden, wobei es keine Rolle spielt, wie lange diese Konflikte sich schon hinziehen oder wie verworren die Beweggründe sind, die sie ausgelöst haben. Schritte zur Wiederherstellung der Eintracht hängen davon ab, ob die beteiligten Parteien bereit und entschlossen sind, die für den Frieden notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen. Aber wo auf Grundsatzerklärungen kein konkretes Handeln folgt, können Gewalttätigkeiten unkontrollierbare Ausmaße annehmen. Ein bemerkenswertes Beispiel in Europa ist der Konflikt in den Balkanlän-dem; in Asien ist es Kambodscha und der Nahe Osten; in Afrika die tragische Situation in Liberia. 3. Auf die Bausteine des Friedens wurde auch von den sudanesischen Bischöfen selbst hingewiesen, als sie sagten: „Ohne Gerechtigkeit und Achtung vor den Rechten des Menschen kann kein Frieden erlangt werden” (Kommunique vom 6.10.1992). In einem Staat, wo viele Völker und viele Kulturformen Seite an Seite existieren, kann eine Konffontationsstrategie niemals zu Frieden und Fortschritt führen. Lediglich die gesetzlich abgesicherte Einhaltung der Menschenrechte, in einem System, das für alle die gleichen Rechte vorsieht, kann die richtigen Voraussetzungen für eine friedliche Koexistenz und Kollaboration zum Wohl der Allgemeinheit schaffen. Meine Hoffnung für euer Land kann daher auf konkretere Weise durch meinen innigen Wunsch zum Ausdruck gebracht werden, daß alle Menschen im Sudan - ohne Diskriminierung aufgrund ihrer Abstammung, ihres kulturellen Hintergrunds, ihrer sozialen Stellung und ihrer religiösen Überzeugung - ihren Teil von Verantwortung im Leben der Nation übernehmen, wobei ihre Unterschiedlichkeit durchaus zur Bereicherung der gesamten Staatsgemeinschaft beitragen kann. 4. Seit der Gründung von Vielvölkerstaaten war die Existenz von Minderheiten innerhalb des gleichen Staatsgebiets eine positive Herausforderung und die Gelegenheit für eine vielfältige gesellschaftliche Entwicklung. In einer Zeit, wo wir uns zunehmend der Bedeutung der Achtung der Menschenrechte als Ausgangsbasis für eine Welt der Gerechtigkeit und des Friedens bewußt werden, sollten sich insbesondere die Verantwortlichen des politischen und religiösen Lebens ernsthaft mit der Frage nach der Berücksichtigung der Minderheiten befassen. Im Laufe dieses Jahrhunderts haben extrem negative Erfahrungen im Zusammenhang mit der Behandlung der Minderheiten - vor allem in Europa, aber auch anderswo - die internationale Gemeinschaft veranlaßt, auf drastische Weise vorzugehen und die Rechtsansprüche dieser Gruppen im Rahmen internationaler Abkommen zu definieren. Die Umwandlung von Absichten in Gesetze und in die entsprechenden Verhaltensweisen zeigt das Maß der Reife eines jeden Landes und garantiert für seine Fähigkeit, die friedliche Koexistenz innerhalb der Staatsgrenzen zu gewährleisten und zum Frieden in der Welt beizutragen. 5. Die Kirche sieht diese Frage aus einer überwiegend moralischen und humanitären Sicht. Zwei fundamentale Prinzipien Hegen der universalen Verpflichtung, die Ver- 334 REISEN schiedenheit und die Vielfalt anderer Völker, Gesellschaften, Kulturen und Religionen zu verstehen und zu achten, zugrunde. Die unveräußerliche Würde jeder menschlichen Person, ungeachtet ihrer Rasse, Abstammung, Kultur, Staatszugehörigkeit oder religiösen Überzeugung, bedeutet erstens: Wenn Menschen sich zu Gruppen vereinen, haben sie das Recht, eine gemeinschaftliche Identität zu genießen. Demnach haben auch Minderheitsgruppen eines Landes das Recht, mit ihrer eigenen Sprache, Kultur und Tradition zu bestehen, und der Staat ist moralisch verpflichtet, ihrer Identität und der Art und Weise, sie zum Ausdruck zu bringen, Raum zu geben. Zweitens erfordert die fundamentale Einheit der menschlichen Rasse, die ihren Ursprung in Gott, dem Schöpfer aller Dinge, hat, daß keine Gruppe sich einer anderen überlegen fühlt. Sie verlangt außerdem, daß die Integration auf wahrer Solidarität und ohne Diskriminierung aufgebaut wird. Folglich hat der Staat die Pflicht, die bestehenden Unterschiede unter seinen Bürgern zu achten und zu schützen, wie ihrer Verschiedenheit zu erlauben, dem Wohl aller zu dienen. Die Erfahrung zeigt, daß Frieden und interne Sicherheit nur dann gewährleistet werden können, wenn die Rechte aller, für die der Staat die Verantwortung trägt, geachtet werden. In dieser Hinsicht ist die Freiheit des einzelnen Menschen und der Gemeinschaften, sich zu einer Religion zu bekennen und sie auszuüben, ein wesentliches Element für die friedliche Koexistenz der Menschen. Die freie Gewissensentscheidung wie auch die Freiheit, nach der Wahrheit zu suchen und das Handeln im Einklang mit der jeweiligen persönlichen religiösen Überzeugung sind so grundsätzlich menschlich, daß jeder Versuch, sie einzuschränken, fast unausweichlich zu erbitterten Konflikten führt. Wo die Beziehungen der verschiedenen Gruppen innerhalb eines Landes unterbrochen werden, dort sind der Dialog und Verhandlungen der obligatorische Weg zum Frieden. Die Wiederversöhnung in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Gerechtigkeit und der Berücksichtigung der rechtmäßigen Erwartungen aller Teile der nationalen Gemeinschaft muß zur Regel werden. Die Beteiligung von Minderheitsgruppen am politischen Leben ist ein Zeichen für die moralische Reife einer Gesellschaft und ehrt jene Nationen, wo alle Bürger frei sind, in einem Klima von Gerechtigkeit und Frieden am Leben der staatlichen Gemeinschaft teilzuhaben. 6. Exzellenz, das sind einige der Gedanken, zu denen mich mein Besuch veranlaßt. Ich möchte ihre Aufmerksamkeit und die der Regierungsmitglieder auf die Gesinnung richten, die die Tätigkeit der katholischen Kirche überall in der Welt inspiriert, eine Gesinnung, die ich vor kurzem vor den Vertretern aller Länder, die diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl unterhalten, folgendermaßen darlegte: „Die katholische Kirche, gegenwärtig im Schoß einer jeden Nation dieser Erde, und der Heilige Stuhl, Mitglied der internationalen Gemeinschaft, möchten in keiner Weise Bewertungen oder Vorschriften aufzwingen, vielmehr nur ein Zeugnis von ihrer Auffassung des Menschen und der Geschichte geben, die ihrem Wissen nach einer göttlichen Offenbarung entstammen ... Trotz der Schwierigkeiten wird die katholi- 335 REISEN sehe Kirche weiter ihrerseits ihre selbstlose Mitarbeit anbieten, damit der Mensch dieses Jahrhunderts besser aufgeklärt ist, und sich von flüchtigen Idolen zu befreien weiß. Die Christen haben nur die Ambition zu bezeugen, daß sie die persönliche und allgemeine Geschichte im Zusammenhang mit der Begegnung Gottes mit den Menschen verstehen ...” (Ansprache an das Diplomatische Korps, 16. Januar 1993, Nr. 7). Hier werden nun meine guten Wünsche für den Sudan zu einem ernsthaften Gebet, damit die göttliche Gabe des Friedens in eurer Mitte Wirklichkeit wird, damit Eintracht und Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd, zwischen Christen und Moslems anstelle des Konflikts treten und damit die Behinderungen der Religionsfreiheit bald der Vergangenheit angehören. Möge Gott, der Allerhöchste, alle Menschen im Sudan auf dem Weg der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des Friedens führen. Baraka Allah as-Sudan (Gott segne den Sudan). Religionsführer sind für Gemeinwohl mitverantwortlich Ansprache an die Führer der verschiedenen Religionsgemeinschaften in Khartum am 10. Februar Liebe Freunde! Dieser Begegnung mit Ihnen, den Führern der verschiedenen im Sudan vertretenen Religionsgemeinschaften, habe ich erwartungsvoll entgegengesehen. Mein Pastoral-besuch bei der katholischen Kirche in dieser Nation bietet mir die Gelegenheit, Ihnen freundschaftlich die Hand entgegenzustrecken und die Hoffnung auszusprechen, alle sudanesischen Bürger mögen, ungeachtet der zwischen ihnen bestehenden Unterschiede, in Harmonie und Zusammenarbeit für das Gemeinwohl wirken. Die Religion durchdringt alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens; soll die Eintracht im bürgerüchen Leben aufrechterhalten werden, müssen die Bürger einander mit all ihren Verschiedenheiten in Sprache, Brauchtum, Kultur und Religion annehmen. Die Führer der Religionsgemeinschaften spielen bei der Förderung dieser Harmonie eine wichtige Rolle. Hier im Sudan kann ich es nicht unterlassen, nochmals die hohe Achtung zu betonen, welche die katholische Kirche den Anhängern des Islam entgegenbringt. Die sudanesischen Katholiken wissen sehr wohl, daß ihre muslimischen Nachbarn die moralischen Verpflichtungen hochhalten und den einen, allmächtigen und barmherzigen Gott verehren, insbesondere durch Gebet, Fasten und Almosengeben. Sie schätzen die Tatsache hoch, daß Sie Jesus und seine Mutter Maria verehren (vgl. Nostra aetate, Nr. 3). Sie anerkennen, daß es sehr gute Gründe für ein besseres gegenseitiges Verständnis gibt, und sind bestrebt, mit Ihnen zusänmienzuarbeiten, um der Nation neuerlich Frieden und Wohlstand zu schenken. Ich hoffe, daß diese Begegnung eine neue Zeit des konstruktiven Dialogs und des Wohlwollens einleiten wird. 336 REISEN Auch an meine Brüder in Christus, die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften angehören, möchte ich einen besonderen Gruß richten: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, sei mit eurem Geist!” (Phil 4,23). Wie Ihnen wohlbekannt, ist die katholische Kirche sehr um ökumenisches Verständnis bemüht in der Absicht, dem Willen unseres Herrn Jesus Christus zu entsprechen: „Alle sollen eins sein” (Joh 17,21). Es befriedigt mich, zu wissen, daß hier im Sudan gute ökumenische Beziehungen bestehen und daß in vieler Hinsicht zusammengearbeitet wird. Ich vertraue darauf, daß Gott Ihre Bemühungen, die auf Fortschritte auf diesem Weg abzielen, segnen wird. Ihnen allen, werte Führer der Religionsgemeinschaften im Sudan, spreche ich nochmals meine Achtung aus und wiederhole, daß die katholische Kirche unwiderruflich zum ökumenischen und interreligiösen Dialog verpflichtet ist. Möge Gott den Herzen aller Glaubenden Gedanken des Friedens eingeben. Nachfolger Petri unterstützt Aufruf der Bischof e für Bürgerrechte Predigt bei der Messe zu Ehren der sei. Josephine Bakhita in Khartum am 10. Februar „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen” (Mt 11,28). Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zu allen Zeiten und allerorts waren diese Worte unseres Herrn Jesus Christus eine Quelle unaussprechlicher Kraft und Tröstung für die Christen. Vor allem in Zeiten der Prüfung und des Leidens nahmen Männer und Frauen und selbst Kinder in ihren Herzen die mächtige Gegenwart des Erlösers wahr, der diese Worte an sie richtete und sie das Geheimnis seines rettenden Kreuzestodes lehrte. „Laßt uns also voll Zuversicht hingehen zum Thron der Gnaden, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit” (Hebr 4,16). Einer der Menschen, welchen die Lehre vom Kreuz inmitten von Leiden aller Art unvergleichliche Kraft verlieh, war die sei. Josephine Bakhita, eine Tochter dieses Landes. Heute wendet sich in Khartum, im Sudan, in Afrika die ganze Kirche in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri an die sei. Bakhita und bittet um ihre Fürsprache für die Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien dieses Landes: für Erzbischof Gabriel Zubeir und die Gläubigen der Erzdiözese Khartum; für Erzbischof Paulinus Lukudu und die Gläubigen der Erzdiözese Juba; für die Hirten und die Gläubigen der Diözesen El Obeid, Rumbek, Tombura-Yambio, Torit, Wau und Yei. 2. War es nicht ein erfrischender Augenblick der Erneuerung - von Christus, dem Guten Hirten, der gesamten katholischen Gemeinde im Sudan dargeboten -, als auf 337 REISEN dem Petersplatz in Rom Josephine Bakhita unter die Seligen der Kirche aufgenommen wurde? Sie wurde auf diese Weise für die Christen zum Vorbild der Tugend und der Heiligkeit des Lebens. Zu den Glaubenden überall spricht sie vom Wert der Versöhnung und der Liebe, hat sie doch in ihrem Herzen alle Gefühle des Hasses gegenüber jenen, die ihr Böses getan hatten,, besiegt. Sie lernte aus den tragischen Ereignissen ihres Lebens das volle Vertrauen auf den Allmächtigen, der immer und überall gegenwärtig ist, sowie die Güte und Hochherzigkeit allen Menschen gegenüber (vgl. Audienz anläßlich der Seligsprechung, 18.5.1992). Ihre Seligsprechung war Ausdruck der Achtung nicht nur für sie, sondern auch für den Sudan, da eine Tochter dieses Landes als heroisches Vorbild des Erbarmens und der Güte vorgestellt wurde. Gott bediente sich ihrer, um uns allen den Sinn der Worte Jesu zu lehren: „Selig die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden” (Mt 5.9). Jesus sagt: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast” (Mt 11,25). Mit diesen Worten segnet Christus die Einfachheit Bakhitas, wie ihr ein Kind dieses Landes. In ihrer Schlichtheit und ihrem grenzenlosen Vertrauen verkörpert sie auf dem Leidensweg ihres Lebens die Weisheit, die von Gott selbst kommt und den Heiligen eigen ist. 3. Heute danke ich der göttlichen Vorsehung, die es mir erlaubt hat, den Wunsch der Kirche im Sudan - die Verehrung Bakhitas in ihrer Heimat - zu erfüllen, einen Wunsch, der am Tag ihrer Seligsprechung geäußert worden war. Ich danke allen: den staatlichen Behörden und denen, die bei der Vorbereitung dieses Besuches mitgeholfen haben; den Bischöfen, die mich eingeladen haben, mit euch zu beten und am Leben der hiesigen katholischen Gemeinde teilzunehmen, sei es auch nur für einen kurzen Augenblick. Auch ist es mir eine Freude, die Vertreter der anderen christlichen Kirchen und Gemeinden begrüßen zu können. Wir sind aufgrund unserer Taufe durch tiefe geistliche Bande miteinander verbunden, und diese Bande müssen uns veranlassen, nach der Einheit der Kirche zu,streben, die Christus selbst für Glaubenden wünschte (vgl. Job 17,21). Auch begrüße ich die gesamte islamische Gemeinde. Ein wichtiger Zweck meines Besuches ist der Aufruf zu einer neuen Beziehung zwischen Christen und Muslimen in diesem Land. Erst kürzlich fanden sich in Assisi Katholiken, andere Christen und Muslime Europas zu einem Tag des Fastens und des Gebets für den Frieden zusammen. Ich bringe nun nochmals die Überzeugung zum Ausdruck, von der ich weiß, daß sie von den bei dieser Begegnung anwesenden Muslimen geteilt wurde: „Eure Anwesenheit zeigt, daß wahrer religiöser Glaube eine Quelle gegenseitigen Verständnisses und der Harmonie ist, und daß lediglich die Verkehrung religiöser Gefühle zu Diskriminierung und Konflikt führt” (Grußadresse an die islamischen Führer, Assisi, 10.1.1993). 338 REISEN Ich hoffe ernstlich auf mehr Dialog und Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen im Sudan. Uns allen muß klar sein: „Die Religion als Vorwand für Ungerechtigkeit und Gewalt zu benützen, ist ein schrecklicher Mißbrauch, der von allen, die wahrhaft an Gott glauben, verurteilt werden muß ... Solange die Glaubenden nicht gemeinsam eine Politik des Hasses und der Diskriminierung verurteilen und nicht gemeinsam für das Recht auf religiöse und kulturelle Freiheit in allen menschlichen Gesellschaften eintreten, kann es keinen echten Frieden geben” (ebd.). 4. Ich muß in diesem Augenblick auch der Gebete und Leiden derer gedenken, die vom anhaltenden Konflikt in diesem Land - insbesondere in seinem südlichen Teil -betroffen sind. Viele von euch stammen von dort und sind jetzt infolge des Krieges heimatlose Flüchtlinge. Das ungeheure Leid von Millionen unschuldiger Opfer ist für mich eine Herausforderung, meine Solidarität mit den Schwachen und Schutzlosen laut zum Ausdruck zu bringen, mit all denen, die zu Gott um Hilfe, rufen und Gerechtigkeit, Achtung ihrer gottgegebenen Menschenwürde sowie die Freiheit erbitten, zu glauben und ihren Glauben ohne Angst oder Diskriminierung leben zu können. Ich hoffe allen Ernstes, daß meine Stimme euch, die Brüder und Schwestern im Süden, erreichen wird. Wie das in der ersten Lesung dieser Liturgie erwähnte Volk seid vielleicht auch ihr versucht zu sagen: „Der Herr hat mich verlassen, Gott hat mich vergessen” (Jes 49,14). Dennoch lehrt euch euer christlicher Glaube, daß eure Gebete und Leiden den lauten Schrei Christi selbst erreichen, der als Hoherpriester des ganzen Volkes Gottes in das Heiligtum eingetreten ist, um für uns Fürsprache einzulegen (vgl. Hehr 9,1-12). Und wie einst auf Erden, so sagt er jetzt im Haus des Vaters: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen” {Mt 11,28). Wenn eure Herzen auf seine Worte hören, fügt er hinzu: „Lernt von mir, denn ich bin von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele” (Mt 11,2-19). So spricht Christus - er, der allein den Vater kennt und den der Vater als seinen eingeborenen Sohn anerkennt -, das ewige Wort, eines Wesens mit dem Vater. Heute wiederholt der Bischof von Rom und Nachfolger Petri im Sudan diese Worte und fordert euch auf, auszuharren und Mut zu fassen. Der Herr ist euch nahe. Er wird euch nie verlassen. Die ganze Kirche weiß um eure Leiden und betet für euch. 5. Inmitten so vieler Schwierigkeiten ist die selige Bakhita euer Vorbild und eure himmlische Patronin. In den harten Prüfungen ihres Lebens hörte sie stets auf das Wort Christi. Sie lernte das Geheimnis seines Kreuzes und seiner Auferstehung: die rettende Wahrheit über Gott, der jeden von uns so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab (vgl. Joh 3,16), die rettende Wahrheit über den Sohn, der jeden von uns bis zum Ende liebt (vgl. Joh 13,1). Die selige Bakhita war treu und stark. Sie vertraute Christus rückhaltlos. Sie erwies sich als Dienerin Gottes durch das geduldige Ertragen von Mühen, Nöten und Schwierigkeiten, durch Reinheit, Weisheit, Nachsicht und Freundlichkeit (vgl. 339 REISEN 2 Kor 6,8) - wie die ersten Christen, die inmitten der Verfolgungen des römischen Reiches sich als Diener Gottes erwiesen, „bei Ehrung und Schmähung, bei übler Nachrede und bei Lob” (2 Kor 6,8). So schreibt der Apostel Paulus im Brief an die Korinther und so spricht die Geschichte der Kirche in Afrika, auch in den von mir jetzt besuchten Ländern Benin, Uganda und Sudan. 6. Die Macht Gottes war es, die Bakhita - ähnlich wie Christus - zu einem Menschen machte, der viele bereicherte. Das arme Sklavenmädchen, das nichts sein Eigen nannte, zeigte, daß es in Wirklichkeit die größten Schätze besaß (vgl. 2 Kor 6,10). Selbst als es, menschlich gesprochen, zum Tod verurteilt schien, lebte es! (vgl. 2 Kor 6,9). Bakhita lebte, ebenso wie Christus lebt, obwohl er zum Tod verurteilt und gekreuzigt wurde. Sie lebt aus seinem Leben! In ihrem neuen Leben in Christus kehrt diese unsere Schwester heute nach Afrika zurück. Diese Tochter der christlichen Gemeinde im Sudan kehrt heute zu euch zurück. Auch ihr seid vielen Prüfungen ausgesetzt, dennoch ist das Leben euer Erbe, jenes Leben, das der auferstandene Christus allen geschenkt hat. Worin bestehen heute im Sudan die Zeichen des Lebens in Christus? Die Worte des hl. Paulus in der zweiten Lesung sprechen klar über eure täglichen Mühen: „Uns wird Leid zugefügt, und doch sind wir jederzeit fröhlich, wir sind arm und machen doch viele reich, wir haben nichts und haben doch alles” (2 Kor 6,10). 7. Die Kirche und die Menschen guten Willens in aller Welt atmeten auf, als die Einführung eines neuen politischen Systems angekündigt wurde, eines Systems, das Gleichheit für alle Bürger vorsah, ohne jede Diskriminierung von Hautfarbe, Religion oder Geschlecht. Es wurde gesagt, daß in einem multi-ethnischen, multi-kulturellen und multi-religiösen Land alle Religionen frei ausgeübt werden könnten. Die Religionsfreiheit ist ein Recht, das jedem Einzelnen zusteht, da es der unveräußerlichen Würde jedes Menschen entspringt. Es ist unabhängig von politischen und gesellschaftlichen Strukturen, und der Staat hat, wie in zahlreichen internationalen Erklärungen festgestellt wurde, die Pflicht, diese Freiheit gegen Angriffe oder Einmischungen zu verteidigen. Wo Bürger aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen diskriminiert werden, wird eine fundamentale Ungerechtigkeit gegen Gott und die Menschen begangen, und der Weg zum Frieden ist verbaut. Heute bekräftigen der Nachfolger Petri und die ganze Kirche nochmals, daß sie die nachhaltigen Aufrufe, mit denen die Bischöfe die Achtung für eure Rechte als Bürger und Glaubende fordern, unterstützen. Jeden Tag gedenke ich der sudanesischen Christen und bete für sie. Die ganze Kirche ist zutiefst solidarisch mit den Opfern der Hungersnot, mit den Flüchtlingen und Verschleppten, die unter entsetzlichen Zuständen leben müssen, mit den Kranken und den Verfolgten, mit den ungerecht Verurteilten und den so vielen verlassenen, elternlosen Kindern. Afrika darf es nicht versäumen, neue Wege der menschlichen Solidarität, der Gerechtigkeit und der Achtung der Menschenrechte, des Friedens und des konstruktiven Fortschritts zu suchen und zu beschreiten. Die internationale 340 REISEN Gemeinschaft darf ihre feierlichen Versprechen für Afrika nicht vergessen; die internationalen Behörden müssen in die Lage versetzt werden, Hilfe zu leisten, die Entwicklung zu fördern und in diesem so hart geprüften Erdteil die Voraussetzungen für Frieden und Freiheit zu schaffen. 8. Liebe Brüder und Schwestern, diese Eucharistiefeier auf sudanesischem Boden muß für uns alle ein Zeichen der Hoffnung sein. Christus ist hier, inmitten seines gläubigen Volkes. „Jubelt, ihr Himmel, jauchze, o Erde ... der Herr hat sein Volk getröstet Und sich seiner Armen erbarmt” (Jes 49,13). Juble, ganz Afrika! Bakhita ist zu dir zurückgekehrt: die Tochter des Sudans, die als Sklavin, als lebendige Handelsware verkauft wurde, ist dennoch frei. Frei in der Freiheit der Heiligen. Die sei. Josephine kehrt zu euch zurück mit der Botschaft des unendlichen Erbarmens Gottes, des Vaters. Der Mensch glaubt manchmal: „Der Herr hat mich verlassen! Gott hat mich vergessen” (Jes 49,14). Und Gott antwortet mit den Worten des großen Propheten: „Kann eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde, ich vergesse dich nicht... Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände” (Jes 49,15-16). Ja, in die Hände Christi, von den Nägeln der Kreuzigung durchdrungen. Der Name eines jeden von euch ist in diese Hände eingezeichnet. Deshalb rufen wir voll Vertrauen: „Der Herr ist meine Kraft und mein Schild, mein Herz vertraut ihm ... Da jubelt mein Herz, ich will ihm danken mit meinem Lied” (Ps 28,7). Amen. In arabischer Sprache fügte der Papst hinzu: Durch die Fürbitte der seligen Bakhita erflehe ich von Gott den Segen für eure Familien. Besseres Verhältnis zwischen den Religionen wünschenswert Ansprache vor dem Abflug von Khartum am 10. Februar Herr Präsident, sehr geehrte Regierungsmitglieder, hebe Brüder im Bischofsamt, werte Mitglieder des Diplomatischen Korps, liebe Freunde! 1. Der Augenblick meines Abschieds vom Sudan und das Ende eines sehr bemerkenswerten Besuchs in Afrika sind nun gekommen. Ich möchte Ihnen und all jenen danken, die es mir ermöglicht haben, inmitten der katholischen Gemeinde von Khartum zu weilen und auf sudanesischem Boden die Eucharistie, den erhabensten Gottesdienst unseres Glaubens, zu feiern. Ich bin Erzbischof Gabriel Zubeir, allen Bischöfen und Gläubigen der Kirche, welche diese 341 REISEN ergreifende Erfahrung gemeinsam mit mir gemacht haben, dafür sehr verbunden. Dieser Tag wird mir stets in lebhafter Erinnerung bleiben, und mein Herz nimmt mehr denn je an den Freuden und Leiden, den Hoffnungen und Ängsten all derer teil, die in diesem weiten Land wirklich für Frieden und Harmonie arbeiten. 2. Beim Verlassen Afrikas fühle ich mich gedrängt, mich an Gott, den Vater aller Lebenden, zu wenden und in dieser Zeit des Wandels seinen Schutz auf die Völker des Kontinents herabzurufen. Ja, Afrika ändert sich - nicht überall im gleichen Rhythmus und nicht immer im gleichen Sinn. Es ist jedoch klar, daß die Völker Afrikas ein neues Verantwortungsbewußtsein für ihr Geschick zeigen und danach streben, auf ihre eigene Art zu wachsen und sich zu entwickeln. Möge Gott den Führern dieses Kontinents helfen, die besten Antworten auf die Fragen zu finden, die ihre Völker betreffen. Möge er ihnen helfen, die große Herausforderung anzunehmen, daß sie es ihren Mitbürgern ermöglichen, an der Gestaltung ihrer eigenen, besseren Zukunft nachhaltiger mitzuarbeiten. Ich wiederhole, was ich vor drei Wochen zu den beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomaten sagte: „In diesem neuen Afrika muß der Bevölkerung die zentrale Rolle überlassen bleiben. Sie muß in die Lage versetzt werden, sich voll an der Entwicklung zu beteiligen. Daher braucht sie einerseits regionale und internationale Zusammenarbeit zur Vorbeugung von Krisen, und andererseits müssen diese Hilfeleistungen den Demokratisierungsprozeß sowie auch das wirtschaftliche Wachstum begleiten” {Ansprache an das Diplomatische Korps, 16.1.1993, Nr. 9). 3. Afrika! Du bist in so großen Nöten, aber du hast auch so viel zu geben! Du hast einen tiefen Gemeinschaftssinn und einen lebendigen Sinn für die geistliche Dimension des menschlichen Lebens. Laß dich nicht dazu verleiten, in einem übertriebenen Individualismus, der immer zur Selbstsucht führt, den richtigen Weg zum Fortschritt zu sehen. Halte an der Kraft des Familienlebens, an der Liebe zu den Kindern, an der Solidarität mit den Bedürftigen und der Gastfreundschaft gegenüber den Fremden fest: Dies sind positive Elemente deiner gesellschaftlichen und kulturellen Traditionen. Vor allem aber hüte dich davor, deine geistlichen Werte gegen einen Materialismus zu tauschen, der das menschliche Herz nicht befriedigen und keine Grundlage für eine wahrhaft gerechte und solidarische Gesellschaft sein kann. Während ich mich von euch verabschiede, möchte ich nochmals den ständigen Einsatz der katholischen Kirche für diesen Kontinent hervorheben. In manchen Regionen reicht die Präsenz des Christentums bis auf dessen Anfänge zurück; andere hat es in neuerer Zeit erreicht. In allen Fällen hat sich die Kirche jedoch aktiv um die Erziehung der Jugend, die Betreuung der Kranken und die menschliche und geistliche Entwicklung der Völker Afrikas bemüht. Sie hat das nicht im Interesse ihrer eigenen Stellung und noch weniger in der Absicht getan, den Afrikanern eine fremde Lebensweise aufzuzwingen. Sie setzt heute ihr Apostolat und ihre guten Werke fort, um für die fundamentale Hoffnung, auf die sie baut, Zeugnis abzulegen: die Hoffnung, daß die gesamte Menschheit geeint wachse und so einer immer innigeren Ge- 342 REISEN meinschaft mit Gott entgegengehe (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Das Wesen ihrer Sendung als solcher verpflichtet sie, die Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens im Dienst der Menschheitsfamilie zu fördern. Afrika! Die Kirche, im Leben deiner Söhne und Töchter verwurzelt, ist entschlossen, die Bürde deiner Probleme und die Schwierigkeiten deines Weges in eine bessere Zukunft zu teilen. Sie wird es nicht versäumen, dich bei deinem Streben nach größerer Gerechtigkeit, nach Frieden und Versöhnung und nach einer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung zu ermutigen, die der Würde des Menschen entspricht. Ich fordere alle Glieder der Kirche auf, für die Heilsbotschaft des Evangeliums, die Botschaft der Hoffnung, ein klares Zeugnis abzulegen und den ethischen Grundsätzen treu zu bleiben, welche die Verteidigung und Förderung der Würde und der Rechte des Menschen gewährleisten. Möge Gott den Völkern Afrikas seinen reichsten Segen spenden. Möge er die Armen und Hilflosen beschützen und jung und alt sein Erbarmen erweisen. Möge sein Friede in den Herzen aller herrschen. Liebe sudanesische Freunde, während ich euch verlasse, spreche ich die Hoffnung aus, der Weg des Verstehens und des Dialogs möge bald zu einem gerechten und ehrenvollen Frieden für alle Bewohner des Landes führen. Ich bin in Freundschaft, mit Hochschätzung für das ganze sudanesische Volk nach Khartum gekommen; ich reise mit der Hoffnung auf die baldige Verwirklichung eines besseren Verhältnisses zwischen Nord und Süd und zwischen den Anhängern der verschiedenen religiösen Traditionen ab, da nur ein solches Verhältnis dem Sehnen wahrer Glaubender entspricht. Gott segne alle, die in diesem Sinn wirken! Gott segne den Sudan! Gott schenke dem Sudan Frieden! 343 REISEN 3. Fastoralbesuch in der Diözese Sabina-Poggio Mirteto (Freitag, 19. März) Wachsende Arbeitsprobleme belasten das Familienleben Predigt bei der Eucharistiefeier in Monterotondo am 19. März 1. „Er wird zu mir rufen: Mein Vater bist du” (Ps 89,27). Das Wort Gottes, das uns die Liturgie heute, am Hochfest des hl. Josef, vorlegt, ist sehr reichhaltig. Es spricht zu uns im Lukasevangelium, greift aber zugleich auf den großen Schatz des Alten Testamentes, zumal auf das zweite Buch Samuel und das Buch der Psalmen, zurück. Zwischen dem alten und dem neuen Bund besteht ja eine innere Verbindung, die vom hl. Paulus klar und eingehend in dem soeben verkündeten Abschnitt aus dem Römerbrief erläutert wird. Wer ist der Mann, der mit den Worten des Psalms ruft: „Mein Vater bist du?” Es ist Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Bevor diese Worte jedoch von Jesus von Nazaret gesprochen wurden, hatte sie der Psalmist im Zusammenhang mit dem Bund zum Ausdruck gebracht, der von Jahwe mit seinem Volk geschlossen worden war. Es sind also an den Gott des Bundes gerichtete Worte. So verkündet Jesus gerade, indem er sich an Gott, den Felsen des Heils für den Menschen, wendet: „Du bist mein Vater!” Er verwendet den Ausdruck größten Vertrauens, das ein Sohn dem Vater gegenüber haben kann: „Abba”, lieber Vater! 2. Abba, lieber Vater! So nennt Jesus den Vater, der im Himmel ist, und er macht es auch uns möglich, uns in dieser Weise an Ihn zu wenden, dessen wesensgleicher und ewiger Sohn er ist. Jesus ermächtigt uns, uns in dieser Weise auszudrücken und mit diesen Worten zum Vater zu beten. Die heutige Liturgie führt uns damit in bezeichnender Weise in das Gebet ein, das der Sohn Gottes unablässig an seinen himmlischen Vater richtet. Doch zugleich scheint bei seinem Gebet, das die Vaterschaft Gottes ins Licht rückt, irgendwie auch ein einzigartiger Heilsplan für den Mann auf, der Josef heißt und dem der himmlische Vater eine besondere Teilhabe an seiner eigenen Vaterschaft geschenkt hat. „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen” (Mk 1,20-21). Der himmlische Vater beruft mit diesen Worten Josef, den Nachkommen aus dem Geschlecht Davids, in besonderer Weise an seiner ewigen Vaterschaft teilzunehmen. Der Sohn Gottes und Sohn Mariens, empfangen durch den Heiligen Geist, 345 REISEN wird an der Seite Josefs leben. Er wird seiner väterlichen Sorge anvertraut. Er wird sich an Josef, einen Menschen, wie an einen „Vater” wenden. 3. Mußte nicht die Mutter Jesu, als dieser erst zwölf Jahre alt war, ihm im Tempel zu Jerusalem sagen: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht?” (Lk 2,48). Maria spricht von Josef und verwendet den Ausdruck: „Dein Vater.” Und war nicht in dieser einmaligen Situation die Antwort des Jesuskindes an seine Eltern: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist” (Lk 2,49), nicht außergewöhnlich? Jesus offenbart auf diese Weise die tiefe Wahrheit seiner Gottessohnschaft: die Wahrheit, die den Vater betrifft, der „die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat” (Joh 3,16). Jesus als Kind aber antwortet Maria und Joseph: „Ich muß mich mit dem beschäftigen, was meines Vaters ist.” Und wenn diese Worte auch auf den ersten Blick die Vaterschaft Josefs zu verdunkeln scheinen, so stellen sie diese doch in Wirklichkeit noch deutlicher als hebevolle Vaterschaft des Nachkommens Davids, Josefs von Nazaret, heraus. 4. Hier haben wir den Kernpunkt der heutigen Liturgiefeier vor uns: die hebevolle Vaterschaft des hl. Josef. Er ist der Garant und der Beschützer, der zusammen mit der Berufung zum Pflegevater des Erlösers von der göttlichen Vorsehung den Auftrag erhalten hat, dessen Wachstum an Weisheit, Alter und Gnade zu beschützen. In der ihm gewidmeten Litanei rufen wir ihn mit wunderbaren Namen an: Wir nennen ihn dort: „erlauchter Sproß Davids”, „du Licht der Patriarchen”, „du Bräutigam der Gottesmutter”, „du keuscher Behüter der Jungfrau”, „du Nährvater des Sohnes Gottes”, „du sorgsamer Beschirmer Christi”, „du Haupt der Heiligen Familie.” Mit einem Wort, das die bibhsche Wahrheit über ihn gut zusammenfaßt, rufen wir ihn an als „Schutzherm der heftigen Kirche”. Es geht hier um eine tief in der Offenbarung des Neuen Bundes verwurzelte Wahrheit. Die Kirche ist ja der Leib Christi. War es daher nicht logisch und notwendig, daß er, dem der ewige Vater seinen Sohn anvertraut hat, seinen Schutz auch auf jenen Leib Christi ausdehnte, der nach der Lehre des Apostels Paulus die Kirche ist? ... 7. Liebe Schwestern und Brüder, mein heutiger Besuch betrifft in besonderer Weise die Familien und die Arbeit - eure Familien und eure Arbeit: die Feldarbeit, Fabrikarbeit und das Handwerk. Das Bild der derzeitigen Lebensbedingungen der Familie ist leider auch in dieser eurer Region in vieler Hinsicht alarmierend. Die Krise der Institution Familie wird in Verbindung mit den wachsenden Problemen der Arbeit spürbar, und ihre Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft sind schwerwiegend. Vor allem ein Teil eurer Diözese, der seinen Schwerpunkt in Rom hat, spürt die Schwierigkeiten der Hauptstadt, die durch „ungeordnete Zuwanderung” zu neuen Lebensformen, zu neuen Bedürfnissen und einer neuen Lebensauffassung gedrängt wird. Die Arbeit beider El-temteile, oft sogar die zweifache Tätigkeit und die wegen des Verkehrs auf überfüll- 346 REISEN ten Straßen verlorene Zeit nagen wie ein Wurm an der Identität der Familie und tragen zur wachsenden Entgleisung der Jugendlichen bei, die immer mehr in ihren Grundentscheidungen verwirrt und in ihren innersten Erwartungen an das Leben enttäuscht werden. Und doch wacht der hl. Josef, der Hüter der Familie zu Nazaret, über den Familien dieser diözesanen Gemeinschaft! Er hilft ihnen bei der Lösung der zahlreichen und komplexen Probleme, die ihre Zukunft unsicher und wenig aussichtsreich machen. Dabei haben die Menschen ein Recht auf eine Arbeit, die den Familien eine würdige Lebensgestaltung gestattet; die Kinder müssen der vollen und ungeteilten Zuneigung ihrer Eltern sicher sein können; die jungen Ehepaare aber müssen Verhältnisse vorfinden, die einen unbeschwerten Beginn ihres Ehelebens gestatten. Der hl. Josef hilft den Familien, selbst Ziel und Träger einer neuen Evangelisierung zu werden, die, wie euer Bischof zu Beginn dieser Feier in Erinnerung gerufen hat, gestützt und begleitet wird vom Zeugnis der Liebe gerade zu den Ärmsten. Eure di-özesane Gemeinschaft wird auf diese Weise in ihrer missionarischen Öffnung und in ihrer konkreten Solidarität mit den Notleidenden wachsen. In diesem Rahmen danke ich euch für die hochherzige Gabe, die ihr mir anvertraut habt für die afrikanischen Völker, die am meisten unter Elend, Gewalt und Hunger leiden. 8. Macht aus euren Familien, wie es in der Familie von Nazaret, der Familie des hl. Josef, geschah, den bevorzugten Ort der lebendigen Begegnung mit Christus und den Mitmenschen. In der Litanei zum hl. Josef beten wir ferner: „Du Zierde des häuslichen Lebens”, „Du Vorbild der Arbeite”. Mögen Familie und Arbeit dank seines Schutzes hier und überall zum Samenkorn des ewigen Lebens werden als Ausdruck des Bundes, den Gott in Jesus Christus mit der ganzen Menschheit geschlossen hat. „Du bist mein Vater.” Getreuester Josef, wir wenden uns an dich. Laß nicht nach, für uns zu bitten; laß nicht nach, für die ganze Familie der Menschheit zu bitten! Die Politik muß die Landarbeit aufwerten Ansprache an die Landarbeiter in Vescovio am 19. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich danke dem Herrn für die mir heute gebotene Möglichkeit, mit euch das Hochfest des hl. Josef in dieser malerischen Gegend zu feiern, wo die antike Kathedrale Santa Maria della Lode, die archäologischen Reste des Forum Novum sowie die zahlreichen Landmaschinen und Traktoren, die hier zusammengeführt wurden, das Klima einer alten Kultur zu erneuern scheinen, in der Glauben und Arbeit die 347 REISEN Grundpfeiler einer Harmonie waren, die sogar den Ärmeren Hoffnung und Lebensfreude zu schenken vermochte. Ich bin heute zu euch gekommen, um diese eure kulturellen Wurzeln besser kennen-zulemen; ich bin aber vor allem gekommen, um gemeinsam mit euch die Zeichen der Gegenwart zu lesen, die Gott uns schenkt. Sie ist reich an Licht und Schatten wie im übrigen auch die verschiedenen Lebensabschnitte und geschichtlichen Epochen. Ich bin gekommen, um mit euch in die Zukunft zu blicken! Ich grüße euch alle, Männer und Frauen der Sabina, die ihr euch in unterschiedlicher Form mit der harten Feldarbeit befaßt; ihr leistet Außerordentliches in einem grundlegenden Produktionsbereich, von dem man nicht absehen kann. Ich grüße voll Hochachtung die Bürgermeister dieses Gebietes sowie die übrigen staatlichen und militärischen Obrigkeiten, die anwesend sein wollten. Die Standarten der Gemeinden, die Fahnen der Verbände der organisierten Landarbeiter, der christlichen Arbeiterbewegung Italiens (ACLI) sowie der übrigen Arbeiterorganisationen sind das Zeichen für eine tiefreichende Einheit der bürgerlichen Gesellschaft, die hier versammelt ist, um die Werte, die Traditionen, ja die ganze Zukunft dieser Bauemkultur darzustellen und zu verteidigen. Ich grüße den Bischof eurer Diözese, den lieben Msgr. Salvatore Boccaccio, dem ich für die herzliche Einladung danke, diesen Tag in den Sabiner Bergen zu verbringen. Meine Gedanken gelten in dieser Stunde zugleich Msgr. Giovanni Battista Re, meinem engen Mitarbeiter im Staatssekretariat, der Titular dieses alten Bischofssitzes ist. Ich danke dem Bürgermeister von Torri di Sabina, Herrn Alessio Bonifazi, für die höflichen Worte, die er im Namen der Kommunalverwaltung und der ganzen Bürgerschaft an mich gerichtet hat. Einen achtungsvollen Gruß richte ich ferner an Herrn Minister Claudio Vitalone vom Ministerium für Außenhandel, der mich im Namen der Regierung herzlich begrüßt hat. Liebe Landarbeiter, besonders danke ich eurem Vertreter, der mir in eurem Namen herzliche Ergebenheit ausgesprochen, aber auch die Gründe zur Sorge herausgestellt hat, die heute die Landarbeit belasten. Mein ganz besonderer Dank gilt dann der Bauemfamilie, die sich mir mit ihren Kindern vorgestellt hat, um mich hier auf dem Land willkommen zu heißen, willkommen im Namen aller Familien. Ich danke dieser Familie und allen Familien eurer Gegend. Ich möchte euch gleich herzlich ermutigen und zur Hoffnung auffordem. Dabei stütze ich mich nicht auf sozio-ökonomische Analysen und Voraussagen, sondern auf Gründe aus dem Glauben, den wir dank Gottes Gnade teilen dürfen und den wir heute bekräftigen wollen, indem wir uns vom hl. Joseph, einem Mann der Arbeit und einem Mann des Glaubens, führen und anregen lassen. 2. Der Glaube muß ebenso wie eure Getreidefelder, eure Obstgärten und eure Olivenhaine gepflegt werden. Es genügt nicht, ihn einmal empfangen zu haben, und es 348 REISEN genügt auch nicht, ihn wie einen kostbaren Gegenstand verschlossen in einem Schrein aufzubewahren. Im ersten Brief an die Korinther spricht Paulus von einem „Feld”, auf dem das Wort der Predigt ausgesät und bewässert wird, damit Gott es dann „wachsen läßt”. Zum Schluß sagt er: „Ihr seid Gottes Ackerfeld” (vgl. 1 Kor 3,5-9). Niemand vermag besser als ihr, die Landarbeiter, die Angemessenheit und Tiefe dieses Vergleichs zu erfassen. Ihr besitzt ein inzwischen selten gewordenes Glück, zumal selten für alle, die im betäubenden Lärm der Städte wohnen: Ihr könnt jeden Tag das Wunder der Natur mit Händen greifen. Euch ist es gegeben, das immerwährende Geheimnis der Schöpfung im aufbrechenden Leben zu spüren. Wenn dies für die Natur gilt, wieviel mehr ist es dann auf übernatürlicher Ebene wahr! Auf dem „Ackerfeld” der menschlichen Herzen ist das Wunder des Glaubens ein Werk der Gnade. Alles ist Gnade! Doch zugleich erfordert die Gnade als Geschenk Gottes den Einsatz des Menschen: Es gilt, das Land urbar zu machen, zu säen, zu bewässern und zu beschneiden. So ist die Kirche und unsere christliche Existenz ein „Ackerfeld”, wo der Same des Wortes Gottes wie im Gleichnis des Evangeliums vom Sämann gute und überreiche Frucht bringen muß. 3. Bei diesem geistlichen Bemühen, das jeden Bereich unseres Lebens erfassen möchte, wird uns heute der hl. Josef als Leitbild vorgestellt. Das Evangelium zeigt ihn uns in seinem Wirken als Zimmermann, und die Kirche hat ihn zum besonderen Patron für die Welt der Arbeit erwählt. Wir wollen ihn heute vor allem als eifrigen Arbeiter auf dem „Ackerfeld” des Glaubens betrachten. Er war ein „Gerechter”, treu und für das Wort Gottes aufgeschlossen. Das in seinem Herzen gesäte Wort brachte auch für ihn die Mühe und den Schweiß der Feldarbeit mit sich. Wenn wir ihm in den verschiedenen Situationen der Erzählung des Evangeliums folgen, ist es nicht schwer zu erkennen, daß ihm seine Treue Mühe gekostet hat. Da er ganz nahe mit dem Geheimnis der Menschwerdung verbunden war, wurde von ihm der Glaube an etwas verlangt, was menschlich nur schwer zu verstehen war. Er sah in Maria ein Leben heranwachsen, das göttlichen Ursprungs war, und nur der Glaube Heß ihn vor dem Geheimnis nicht fliehen. „Fürchte dich nicht, Josef’ (vgl. Mt 1,20)! Die Ermunterung des Engels öffnet für das Drama seines Herzens einen Ausweg und läßt uns seine menschhch so sehr verständlichen Ängste ermessen, wodurch er uns nahe kommt. Auf sein erstes Ja folgten weitere: Das Geheimnis, das sich unter seinen Augen entfaltete, zwang ihn immer neu zur Bekräftigung seiner Glaubensentscheidung. Das EvangeHum berichtet uns nicht seine Worte. Als Mann der Arbeit, der er war, mußte sein Stil eher ein tatbereites Schweigen sein. Er Heß sich also durch tausend Schwierigkeiten hindurch von der Woge des Geheimnisses tragen und bHeb immer der Gerechte, ein Mann, der aus dem Glauben lebt. 4. Sein Fest lädt uns also zu einer Erneuerung unseres Glaubens ein. Für euch Landmenschen ist Glauben vielleicht etwas NatürHches. Euer unmittelbarer Kontakt 349 REISEN mit den Wundem der Natur regt euch ständig dazu an, eure Gedanken auf den Schöpfer zu lenken. Und doch muß auch für euch der Glaube viel mehr als ein Instinkt der Seele oder bloße Tradition sein.. Er muß eine „Entscheidung” werden mit vertieften Beweggründen, radikalen Anforderungen und bezeugten Auswirkungen. Ein wichtiger Aspekt dieses Wachstums im Glauben ist eure Fähigkeit, ihn zu leben in einer reifen Synthese mit der Arbeit, die ihr leistet. Man kann nicht übersehen, daß das Leben des Landarbeiters heute eine schwierige Erfahrung ist. Es führt heute durch eine besonders schwierige geschichtliche Entwicklung und hat alles andere als ermutigende Aussichten vor sich. Bekannt ist ja, daß die Landwirtschaft hier wie in anderen Zonen Italiens eine harte Krise durchmacht, sei es wegen der Rückwirkungen der wirtschaftlichen Neuordnung im Hinblick auf die Einheit Europas, sei es wegen der Auswirkungen eines internationalen Marktes, der nicht selten von Kriterien reinen Gewinnstrebens geleitet wird, und beides scheint der Landwirtschaft keine Aussicht auf Entwicklung und Stabilität zu bieten. Ergreift man in einer solchen Lage nicht entsprechende Maßnahmen zur Unterstützung und Förderung, so läuft die Landarbeit trotz ihrer unbestrittenen lebenswichtigen Rolle Gefahr, immer mehr an den Rand gedrängt zu werden. 5. Angesichts derart komplexer Probleme politischer und wirtschaftlicher Art kann die Kirche keine technischen Lösungen anbieten. Es ist. Sache der zuständigen und verantwortlichen Stellen, eurer wohlverdienten Verbände wie auch der aktiven Beteiligung der Landarbeiter selbst, entsprechende Lösungen zu finden. Dennoch wirft der Glaube Licht auf die Probleme der menschlichen Arbeit, indem er grundsätzliche Überlegungen und Urteilskriterien über Natur, Bedingungen, Erfordernisse und Zielsetzungen einer echten Entwicklung anbietet. So ist die Soziallehre der Kirche entstanden, die ihr besonderes Augenmerk auf die Probleme der Bauern lenkt. Sie hilft dabei, die grundlegenden ethischen Aspekte zu erfassen, an denen die politischen und wirtschaftlichen Strategien nicht vorbeikommen. Anerkannt wird vor allem die Wichtigkeit und Würde der Landarbeit gegenüber den anderen Wirtschaftsbereichen. Neben den sogenannten „praktischen” Beweggründen hat die Kirche immer die Würde der Landarbeit auch in ihrem inneren Aspekt hervorgehoben und sie als Berufung und Sendung betrachtet. Papst Johannes XXIII. hat in seiner Enzyklika Mater et magistra geschrieben: „In der landwirtschaftlichen Arbeit findet die menschliche Person tausend Anreize für ihre Bestätigung, ihre Entwicklung und Bereicherung und ihre Ausweitung auch auf der Ebene der Werte des Geistes. Es ist also eine Arbeit, die als Berufung und Sendung zu verstehen und vorzuleben ist; als eine Antwort nämlich auf die Einladung Gottes, zur Verwirklichung des Planes seiner Vorsehung innerhalb der Geschichte beizutragen, als ein Wirken für das Gute, eine Erhebung seiner selbst und der anderen und einen Beitrag zur Zivilisierung des Menschen” (Nr. 149). 350 REISEN 6. Liebe Brüder und Schwestern, wenn ich von dieser Sicht ausgehe, erneuere ich meinen dringenden Aufruf, alsbald eine Politik der Aufwertung der Landarbeit einzuleiten, die auf ihre wirtschaftlich-soziale Funktion und vor allem auf die Würde der Landarbeiter bedacht ist. Die Achtung vor den Landarbeitern erfordert nicht nur ihren gesetzlichen Schutz und eine angemessene Entlohnung, sondern auch die Förderung eines Klimas und einer Aufgeschlossenheit ihnen gegenüber, so daß sie sich mit vollem Recht als Vorkämpfer der Produktionsprozesse und des sozialen Lebens fühlen. Unter ihren besonderen Belastungen nannte ich in Laborem exercens „die ständige körperliche Anstrengung, oft bis hin zur Erschöpfung, die geringe Achtung, die ihr in der Gesellschaft entgegengebracht wird und die in den Betroffenen den Eindruck hervorruft, an den Rand des sozialen Lebens gedrängt zu sein, und die hierdurch immer mehr provozierte Landflucht zu den Städten, die leider in noch entwürdigendere Lebensbedingungen führt” (Nr. 21). 7. Die Feldarbeit macht auch noch auf einen weiteren wichtigen Aspekt des Landlebens aufmerksam: die Rolle, die hier schon seit je die Familie spielt. Nicht zufällig sind sehr viele landwirtschaftliche Betriebe Familienuntemehmen. Diese typische Tradition des Landlebens stellt gewiß eine Tatsache von erhebüchem wirtschaftlichem Interesse dar; sie ist jedoch vor allem Ausdruck von sozialen und moralischen Werten erster Ordnung. Es scheint fast, daß ihr hier diese typische Tatsache eurer kulturellen und religiösen Tradition plastisch herausstellen wolltet. Dieses große Ölgemälde stellt nämlich die „Heilige Familie” dar, die ihre Wurzeln in die Erde senkt, während ein Chor von Engeln sie nach oben verweist. In der Landkultur bilden der Wert der Familie und die Erfahrung des Glaubens ein einziges Ganzes, und der feste Zusammenhalt in der Familie wird zur Gewähr der Festigkeit in umfassender Solidarität, die aus dem Glauben und dem Ja zu den menschlichen Grundwerten erwächst. Von hier aus ergeben sich weitere Motive zum Nachdenken. Von den für die Landwirtschaftspolitik Verantwortlichen wird nachdrücklich verlangt, nicht die kleinen Familienbetriebe zu bestrafen, die in Italien fast alle in diesem Bereich Tätigen umfassen. Zweifellos muß die Zersplitterung vermieden werden, die zu geringem Ertrag und einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit führen würde und daher auf die Wirtschaft und das ganze Lebensniveau der Landarbeiter negative Auswirkungen hätte. Doch die Überlegungen wirtschaftlicher Ordnung müssen immer in einem weisen Gleichgewicht mit sozialen und humanen Bewertungen erfolgen. Wenn eine Zersplitterung ohne wirtschaftliche Auswege keine Zukunft hat, würde eine Konzentration, die die Landwirtschaft ihrer natürlichsten Verankerung beraubt, Nachteile für die menschliche Umwelt mit sich bringen, die nicht weniger verderblich wären. Zu unterstützen und zu fördern sind vielmehr in überzeugender Weise Formen der Zusammenarbeit und des Verbandswesens, bei denen die Versuchungen zum Individualismus überwunden, statt dessen aber Entwicklungsmodelle angestrebt werden, 351 REISEN die die Vorteile der Zusammenarbeit mit denen eines gesunden persönlichen und familiären Strebens zu verbinden wissen. 8. Meine lieben Landarbeiter der Sabina, ich weiß gut, wie viele Sorgen und Fragen ihr in euren Herzen tragt. Doch wenn ihr im Glauben eurer Väter verwurzelt bleibt und in der"Solidarität wachst, gibt es keine Fragen mehr, auf die sich nicht eine angemessene Antwort finden läßt. Seid daher Männer und Frauen der Hoffnung! Der Bauersfrau, die mir zu Beginn in eurem Namen die verständlichen Sorgen angesichts der Gefahr ausgesprochen hat, mit der wirtschaftlichen Sicherheit die großen Werte eurer edlen und jahrhundertealten Tradition zu verlieren, möchte ich antworten, indem ich euch allen folgenden Rat gebe: Laßt nicht zu, daß dies jemals geschieht! Die wachsame Arbeit, die verantwortliche Initiative, die Zusammenarbeit mit den gesunden und aufgeschlossenen politischen und sozialen Kräften, die Unterstützung auch durch die Gemeinschaften der Kirche werden das sicherste Heilmittel gegen eine solche verderbliche Aussicht sein. Ich ermuntere dazu die wohlverdiente Tätigkeit, die in diesem Sinn von einigen eurer Verbände bereits geleistet wird. Während eurer täglichen Arbeit vergeßt schließlich nicht das vertrauensvolle Gebet zum Herrn und zur hl. Jungfrau, die hier in Vescovio unter dem schönen Namen „Jungfrau des Lobes” verehrt wird, zum hl. Josef und zu euren Schutzheiligen. Je mehr ihr euch das Geheimnis des Lobes Gottes zu eigen macht, desto mehr Licht und Kraft werdet ihr schöpfen für den Aufbau einer menschenwürdigen Zukunft. Dies ist mein aufrichtiger Wunsch, den ich mit einem besonderen Segen begleite. Förderung einer lebendigen und offenen Gemeinschaft Ansprache an die Bürger von Magliano Sabina am Freitag, 19. März 1. Liebe Brüder und Schwestern! Mein Dank gilt euch für diesen herzlichen, spontanen Empfang und ich grüße alle von ganzem Herzen. Hier, in Magliano Sabina, dieser alten Stadt, die, wie eben euer Bürgermeister sagte, reich mit edlen und festen religiösen und bürgerlichen Traditionen gesegnet ist, beginne ich meinen Pastoralbesuch in der Diözese Sabina-Pog-gio Mirteto. Sie nimmt hier auf diesem Platz ihren Anfang, auf dem sich auch das alte Diözesanseminar befindet, das in diesem Jahr sein vierhundertjähriges Bestehen feiert. Mit brüderlicher Zuneigung erwidere ich die Gefühle eures Hirten, Msgr. Salvatore Boccaccio, der das Programm des gesamten heutigen Tages dargelegt und mir in einer kurzen aber klaren Zusammenfassung die wesentlichen Merkmale eurer berühmten, vom Blut der Märtyrer getränkten, fruchtbaren und fleißigen Heimat geschildert hat. Sehr herzlich grüße ich auch meinen Bruder im Bischofsamt, Kardinal Angelo Rossi, Titularbischof eures suburbikarischen Bistums Sabina-Poggio Mir- 352 REISEN teto, Msgr. Marco Caliaro, emeritierter Bischof der Diözese, und alle anderen hier anwesenden Bischöfe. Ich danke dem Bürgermeister von Magliano, Dr. Paola Fra-toni, für ihre freundlichen Begrüßungsworte, die sie im Namen des Gemeinderats und der Bevölkerung an mich gerichtet hat. Ferner begrüße ich den Präfekt von Rieti, die Bürgermeister der Sabina und die Vertreter der bürgerlichen und militärischen Obrigkeiten, die dem heutigen Treffen beiwohnen. Es ist nicht das erste Mal, daß ein Papst euch besucht. Die Geschichtsquellen erwähnen verschiedene meiner Vorgänger, die diese Gegend durchquert haben. So kam beispielsweise Pius H, auf der Durchreise nach Ancona, hier auf dem Tiber bei Magliano vorbei, und die Bevölkerung, die von der Anwesenheit des Papstes erfahren hatte, beeilte sich, ihn zu begrüßen. Heute aber, hebe Brüder und Schwestern, bin ich nicht lediglich auf der Durchreise hier, sondern vielmehr zu einem regelrechten Hirtenbesuch, der mir erlauben wird, die verschiedenen Aspekte eurer menschlichen und christlichen Realität kennenzulemen. Mit euch gemeinsam danke ich dem Herrn für diese Gelegenheit, und bereits jetzt vertraue ich ihm meinen Besuch in der Sabina an. 2. Euer Volk, das Volk der Sabiner, ist allen, die sich für die Geschichte des antiken Roms interessieren, wohlbekannt. Überall auf diesen Hügeln trifft man auf lebendige und bedeutsame Spuren ihrer Kultur und Geschichte. Diese liebliche und fruchtbare Gegend ist ferner Zeuge der Liebe zur Landwirtschaft und der aufrichtigen Treue zu den ewigen von der Botschaft des Evangeliums erleuchteten menschlichen Werten, die im Laufe der Jahrhunderte eine feste Kombination im Leben und in der Tradition eures Volkes dargestellt haben. Aber heute, auf der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends, ruft die göttliche Vorsehung euch auf, geliebtes Volk der Sabina, zu lernen, die Zeichen der Zeit zu interpretieren und euch mit aufgeklärter und mutiger Entschlossenheit einzusetzen, damit die Vergangenheit Anregung für eine neue verantwortliche Beurteilung und Kenntnis eurer augenblicklichen Möglichkeiten werde, in dieser historischen Übergangszeit, in der sich inmitten von Schwierigkeiten und Unsicherheit tröstliche Aussichten einer neuen Entwicklung erkennen lassen. Bei der schwierigen Suche nach neuen und angemessenen Antworten auf die Fragen, die die Gesellschaft ständig aufwirft, unterstützt euch die Kirche, dieses alte und doch stets neue Volk Gottes, das, ohne sich mit einer Nation zu identifizieren, in allen gegenwärtig ist, und das, in jedem Zeitalter, wie ein großer Fluß die authentischen Werte der Völker, denen er auf seinem Weg begegnet, in seinem Bett sammelt. Liebe Sabiner, schöpft neues Wachstum und neue Hoffnung aus diesem ewigen Strom der Wahrheit und Heiligkeit, der eure Geschichte zutiefst gekennzeichnet hat. Dankt Gott für die Geschenke, die er euch gewährt hat, und geht gemeinsam den Weg der Treue zum Evangelium und zum edlen Gut eurer Tradition. 3. Wißt vor allem den Wert der Gemeinschaft in ihren unterschiedlichen und ergänzenden menschlichen und religiösen Aspekten zu schätzen. Gemeinschaft sein: 353 REISEN welch große Berufung für die menschliche Familie! Jede Generation ist aufgerufen, durch die Hervorhebung des geistigen Erbes ihrer Vorfahren, die ihr zur Verfügung stehenden Fähigkeiten für die begeisternde Aufgabe der Erneuerung des gesellschaftlichen Lebens zu nutzen. Nur so können mit Intelligenz und Weitblick gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen gewonnen werden-. Seid Gemeinschaft! Eine lebendige, offene und gastfreundliche Gemeinschaft. Die bürgerliche und religiöse Tradition eurer Region ist zutiefst durch ihre charakteristische geographische Lage gekennzeichnet: Die Sabina ist „Kreuzungspunkt”, Übergangszone zwischen verschiedenen Gebieten, vielleicht sogar „Welten”, wie dem ländlichen und städtischen Bereich. Daher ist es nicht leicht, die traditionelle volkstümliche Kultur zu wahren. Die Kirche, hebe Brüder und Schwestern, unterstützt eure Bemühungen, dieses, wertvolle geistige Erbe lebendig zu halten. Gemeinsam mit euch ist sie, bemüht, jener Kultur entgegenzuwirken, die auf Konsumdenken und Vergänglichem begründet ist, das oft zu Einsamkeit und Leere führt, und hingegen die Kultur der Hochherzigkeit und des Schenkens zu fördern, die fähig ist, das Beste der Vergangenheit mit den heutigen Anforderungen des Aufschwungs und neuer Zuversicht harmonisch miteinander zu verbinden. 4. Die zahlreichen kleinen Gemeinden der Sabina erinnern an die Stadt Nazaret, und die suggestive Umgebung, in der diese heutige Begegnung stattfindet, scheint ganz besonders für jene Gestalt geeignet zu sein, die die Kirche heute feiert: den hl. Josef, diesen großen und demütigen Schutzheiligen, Beispiel eines aufrichtigen und gerechten Mannes. Josef, der schweigsame Arbeiter, der treusorgende Familienvater, der Mann seines Volkes, das aktive Mitglied der Gemeinde, der weise und besonnene Vater, der geschickte und aufrichtige Tischler. Ihm möchte ich jene Sorgen für die Zukunft der Landwirtschaft und der kleinen Handwerksbetriebe anvertrauen, die ihr, die Bevölkerung der Sabina, mit vielen anderen Arbeitern in Italien teilt. ^ Die Kirche steht euch nahe, Sie nimmt Anteil an den Sorgen derer, die zutiefst unter den Folgen der schlechten Konjunktur des landwirtschaftlichen Sektors leiden, der für die nationale Wirtschaft von so grundlegender Bedeutung ist. Es handelt sich um eine Krise, die durch die derzeitige schwierige Lage des gesamten Produktionssystems noch vertieft wird, oft mit dramatischen Auswirkungen auf dem Beschäftigungssektor insbesondere für junge Arbeitnehmer. Die zweifellos schwerwiegenden gegenwärtigen Probleme dürfen jedoch in euch nicht die Hoffnung erlöschen lassen oder zu egoistischen Verhaltensweisen führen, die lediglich auf die Gewährleistung spezifischer Interessen gerichtet sind! Sie sollten vielmehr zur Erneuerung jener wahren Solidarität anregen, die der Weg zum Aufschwung ist, und jene Liebe für den Erdboden festigen, die eure Geschichte kennzeichnet. . 354 REISEN 5. Heute ebenso wie in der Vergangenheit braucht die Welt der Arbeit Männer und Frauen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, zur Zusammenarbeit bereit sind und das „Reich” der Liebe und des wahren Friedens verbreiten helfen. Liebe Brüder und Schwestern, möget ihr dieser dem Evangelium entsprechende Sauerteig der Zuversicht sein. Seid Zeugen einer Hoffnung, „die nicht zerschlagen wird” (vgl. Spr 23,18), da sie auf Christus begründet ist. Habt trotz der Schwierigkeiten und Hindernisse, den Mut zu glauben, daß der Herr für euch und. alle, die auf ihn vertrauen, eine vielversprechende Zukunft vorbereitet. Im Gegenteil, arbeitet aktiv an der baldigen Verwirklichung dieser Zukunft mit, indem ihr diejenigen unterstützt, die in prekären Situationen leben, und eure Solidarität über die Grenzen eurer Region hinaus ausdehnt. Möge die Jugend, die Hoffnung eurer Gemeinden, dort, in ihrem unmittelbaren Lebensbereich, feste Bezugspunkte und jene Werte finden, nach denen sie unweigerlich dürstet und die sie oft mit Ersatzmitteln und entfremdenden Ausflüchten zu ersetzen versucht ist. Mögen die Familien sich ihrer ursprünglichen Aufgabe stets deutlicher bewußt werden und die Flamme jener ehelichen Liebe hüten und nähren, in deren Schoß das menschliche Leben wächst und sich voll entwickelt. Mögen auch die alten Menschen weiterhin durch ihre Erfahrung einen wertvollen Beitrag für die neuen Generationen leisten, und mögen auch die Kranken ich denke hier vor allem an die Patienten eures städtischen Krankenhauses - sich nie verlassen und ausgestoßen fühlen, denn im geheimnisvollen Licht des Kreuzes Christi erhält ihr Leid universalen Heilswert. 6. Liebe Brüder und Schwestern! Nochmals möchte ich mich für eure Einladung und Gastfreundlichkeit bedanken. Von Herzen wünsche ich euch Erfolg und Fortschritt in allen Bereichen eurer mannigfaltigen produktiven Tätigkeit. Insbesondere wünsche ich euch ein brüderliches und stets verantwortlicheres Wachsen in menschlichen und christlichen Idealen. Möge euch die Muttergottes schützen, die, wie euer Bischof betonte, in vielen Sanktuarien der Sabina verehrt wird. Möge auch der hl. Josef, der Schutzpatron meines heutigen Pastoralbesuchs, euch unterstützen. Allen erteile ich von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Gebt Zeugnis flir Christus auch in in schwerer Zeit! Ansprache an die Bürger von Poggio Mirteto am 19. März Verehrter Herr Bürgermeister, liebe Brüder und Schwestern hier in Poggio Mirteto! 1. Auf dieser kurzen aber interessanten Reise durch die Sabina ist es mir eine Freude, auch mit euch zusammenzutreffen und an alle in diesem freudigen und festlichen Rahmen ein herzliches Wort der Zuneigung zu richten. 355 REISEN Ich grüße Kardinal Camillo Ruini, meinen Generalvikar in der Diözese Rom und Präsident der italienischen Bischofskonferenz, der liebenswürdigerweise bei diesem Treffen anwesend sein wollte. Ferner grüße ich euren kraftvollen Hirten, Msgr. Boccaccio, und danke von Herzen allen hier Anwesenden, die mir Glauben und Ergebenheit entgegenbringen. In ganz besonderer Weise danke ich dem Bürgermeister, Herrn Pasqualino Carconi, für die ehrerbietigen Worte, mit denen er mich im Namen der Bevölkerung dieser Stadt und der umliegenden Gemeinden begrüßt hat. Schließlich möchte ich auch dem jungen „Sprecher” der Schüler wie allen Jugendlichen der Sabina danken, der auf treffliche Art und Weise die Sorgen und Hoffnungen eines Alters zum Ausdruck gebracht hat, in dem man ins Leben hinaustritt, um eine eigene Zukunft aufzubauen. Ihr seht in der Person des Papstes denjenigen, der, dem Willen Jesu entsprechend, als „Fundament der Kirche” und zur „Garantie” der offenbarten Wahrheit eingesetzt worden ist. Das sind die wesentlichen Gründe, die unserer Begegnung Bedeutung und Wert verleihen. Meinerseits möchte ich euch meine Zuneigung und Bewunderung für den Eifer eures bürgerlichen und christlichen Engagements ausdrücken. Vor allem bringe ich euch die Botschaft vom Frieden des Herrn und seiner Freude an diesem Festtag, an dem wir seinen Pflegevater, den hl. Josef, feiern. Bei unserem heutigen Treffen in dieser alten Stadt, die, wie euer Bürgermeister eben erwähnte, mein Vorgänger Gregor XVI. als „praeclara in Romanam Cathedram fidei” bezeichnete, ist es mein innigster Wunsch, daß der heutige Pastoralbesuch zur Stärkung eures Glaubens, eurer tätigen Hoffnung und der konkreten Aufmerksamkeit für die Anforderungen vieler bedürftiger Mitbrüder beitragen möge. 2. Zweifellos stehen wir heute vor schwerwiegenden und komplexen gesellschaftlichen und politischen Problemen, die nicht einfach zu lösen sind. Sie bedrängen die Verantwortlichen des öffentlichen Lebens, Familien und Erzieher wie auch all jene, die die Aufgabe haben, eine ruhige und bessere Zukunft für die gesamte Gesellschaft aufzubauen. Auch euch, liebe Jugendliche, beunruhigen diese Probleme, denn ihr fragt euch, welcher Zukunft ihr entgegengeht. Die Lösung kann nur durch den gemeinschaftlichen wie auch individuellen Einsatz gefunden werden, bei dem wir jedoch nie die Worte Jesu vergessen dürfen, der die Wahrheit offenbart und die Menschheit erlöst hat. „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis könnte ein Mensch sein Leben zurückkaufen?” (Mk 8,36-37). Kraft seiner göttlichen Autorität warnt Jesus: „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben” {Mt 6,33). Auf ihn vertrauen: das ist die große Herausforderung, auf die wir eingehen müssen. Unsere Zeit ist in der Tat sowohl von einer tiefen religiösen Krise gezeichnet, die nicht selten zur Negation der Transzendenz führt, als auch von einem verbreiteten kulturellen und religiösen Pluralismus, der oft in einem gefährlichen ethischen Plu- 356 REISEN ralismus mündet. In einer solchen Situation zwar verworrener aber doch leidenschaftlicher Wahrheitssuche verkündet die Kirche unermüdlich den ewigen Heilsplan Christi, aus dem auch jene menschlichen Tugenden Kraft schöpfen, auf denen eine wirklich gerechte und solidarische Gesellschaft begründet ist. Christus kennt das menschliche Herz: er allein kann seinen Anforderungen voll entsprechen. Er, der den Aposteln versichert hat: „ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” (Mt 28,20), ist der Eckstein, auf dem die Kirche ruht, sie, die Stütze der familiären und gesellschaftlichen Gemeinschaft. „... in keinem anderen ist das Heil zu finden”, sagt der hl. Petrus. „Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen” (Apg 4,12). 3. Liebe Brüder und Schwestern, wieviele Dinge möchte ich euch bei diesem Treffen sagen! Doch die Zeit ist knapp, und ich muß mich darauf beschränken, euch eine wichtige Weisung für euer Leben mit auf den Weg zu geben. Seid die treuen Diener Christi, der euch zu seinen Jüngern auserwählt hat. Verkündet sein Evangelium, werdet seine Zeugen, entwickelt feste und sehr persönliche Überzeugungen, die in der beispielhaften Treue eines wahrhaft christlichen Lebens zum Ausdruck kommen. Der hl. Petrus wiederholt für uns das, was er bereits zu den ersten Christen sagte: „Aber auch wenn ihr um der Gerechtigkeit willen leiden müßt, seid ihr seligzupreisen. Fürchtet euch nicht vor ihnen, und laßt euch nicht erschrecken, sondern haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt” (1 Petr 3,14-15). Wir können dieses Treffen nicht beenden, ohne nochmals den hl. Josef zu erwähnen, dessen Namensfest wir heute feiern. An ihn und die heilige Familie von Naza-ret wenden wir uns in frommer Ergebenheit. Wir bitten ihn um seinen Schutz für den Fortbestand und die Eintracht der Familien, für die Kinder und Jugendlichen, die zahlreich und voller Lebenskraft hier versammelt sind, damit sie stets auf dem rechten Weg des Glaubens, der Gerechtigkeit und der Fürsorge für die materiell und geistig Bedürftigen gehen werden. Laßt uns für die Kirche beten, insbesondere für eure Diözese, damit sie in Lehre und Disziplin, in der Liebe Gottes und im aufmerksamen Dienst an den Armen vereint wachsen möge. Mit den besten Wünschen grüße ich nochmals alle Anwesenden und segne euch von ganzem Herzen. Gott schenkt sich jedem von euch/ Kurzes Wort an die Jugend im Anschluß an die Ansprache an die Bürger von Poggio Mirteto am 19. März Einige spontane Worte möchte ich noch hinzufügen. Seit vielen Jahren hatte ich den Wunsch, die von Legenden umwobene Diözese Sabina-Poggio Mirteto zu besuchen, 357 REISEN ein Wunsch, der heute endlich in Erfüllung geht. Mit großer Freude danke ich allen, die mich eingeladen haben, insbesondere eurem. Bischof und der gesamten Gemeinde, aber auch den Vertretern der Stadtverwaltung, die sich ihrerseits dieser Einladung angeschlossen haben. Angesichts so vieler junger Menschen möchte ich nochmals auf das Fest des hl. Josefs zurückkommen. Einer von euch hat im Namen aller eingehend über eure Probleme gesprochen. Dabei kam mir der Gedanke, daß wir den hl. Josef überwiegend als Arbeiter, als Tischler sehen, mit Jesus än seiner Seite. Josef von Nazaret und Jesus von Nazaret gemeinsam. Ein Symbol, ein symbolischer und tiefgehender Aspekt, etwas, das alle Generationen berührt. Fast eine Übertragung von geistigem Gehalt, von Werten, insbesondere menschlicher Art, zwischen Vätern und Kindern: Josef und Jesus. Dank dieser Kette können wir unser Menschsein stets bewahren, vertiefen und bereichern. Die nazarenische Realität - Josef, Maria und Jesus - ist eine zutiefst menschliche Realität: die Familie. In jeder Familie wird Tradition, gute menschliche und christliche Tradition, alles Wahre, alles Gute, alles Schöne weitergegeben, und so wuchs auch Jesus auf, als Kind, als Jugendlicher, an der Seite Josefs und natürlich seiner Mutter. Doch ist es auffallend, daß in der gesamten Heiligen Schrift kein Wort Josefs zitiert wird, nur Schweigen. Schweigen: schweigend war er Zeuge jenes großen Mysteriums, das ihm, so wie vorher bereits Maria, offenbart worden war. Dieses* große Geheimnis der Menschwerdung Gottes, der übernatürlichen Wirklichkeit, in seiner tiefsten Bedeutung. Gott, der aus Liebe zu uns Mensch wurde. Josef, der Empfänger - einer der ersten, vielmehr der erste, gemeinsam mit Maria - dieser überwältigenden göttlichen Kunde, dieses Evangeliums, der Frohbotschaft. Eine transzendente Botschaft, die alle menschlichen Erwartungen übertrifft, die dem Menschen mehr gibt, als alles andere, was dem Menschen geschenkt werden kann. Gott schenkt sich uns; das ist unsere Wirklichkeit, die Währheit unseres Lebens. Josef an der Seite Jesu, Jesus Seite an Seite mit Josef an der Werkbank. Der große Tischler und der kleinere, der jüngere. Hier haben wir die göttliche Offenbarung eines Mysteriums, vor dem man Schweigen bewahren muß, wie Josef, denn das Mysterium ist zu groß, um es in Worte fassen zu können. Andererseits haben wir die menschliche Realität, die Weitergabe der Werte, der Familien- und Volkstradition. Jesus lernte von Josef, er arbeitete als Tischler, er lernte Judäer zu sein, ein Sohn seines Volkes. Liebe Jugendliche, das Fest des hl. Josefs ist somit auch das eure. Ihr seid es, die an der Seite ihrer Eltern, ihrer Verwandten, ihrer Erzieher leben, die euch Wissen und Erziehung vermitteln, ein Übertragen alles Guten, Erhabenen und Liebenswürdigen, das unsere Menschlichkeit ausmacht und bereichert. Und im Laufe eures Lebens werdet ihr euch eurerseits darauf vorbereiten, die gleichen Werte, die gleiche Tradition, die gleiche Botschaft weiterzugeben. Eine 358 REISEN menschliche Botschaft, menschliche Werte, gleichzeitig aber auch die Botschaft Gottes: Gott hat den Menschen, jeden einzelnen von uns, durch die Menschwerdung Jesu Christi verherrlicht. Möget ihr die treuen, demütigen und edlen Überbringer dieser Botschaft sein, und auch in Zukunft, schon von heute an, jene sein, die diese göttliche und doch auch menschliche Botschaft an andere weitergeben: an eure Altersgenossen, heute und in Zukunft an eure Nachfolger, an die Jüngeren. Gelobt sei Jesus Christus! 359 REISEN 4. Pastoraireise nach Albanien (25. April) Sorge tragen für die Kraft zur Einheit! Video-Botschaft an die albanische Bevölkerung am Vorabend des Pastoralbesuchs vom 24. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Vorabend meines - so lange erwarteten - Besuchs in eurer gebebten und hochgeschätzten Nation möchte ich euch einen ersten herzbchen Gruß übermitteln, einen Gruß an alle Albanier. Von ganzem Herzen grüße ich die kathohsche Gemeinde Albaniens und in freudiger Erwartung sehe ich der Weihe ihrer neuen Hirten in der Kathedrale von Scutari entgegen. Möge sie, die lange Zeit schwerer Unterdrückung und Gewalttätigkeit ausgesetzt war, nun voll Zuversicht ihren Weg als eifrige Gemeinschaft und treues Zeugnis für den Aufbau des Reiches Gottes und zum Wohl der gesamten Gesellschaft fortsetzen. Mein achtungsvoller Groß gilt auch dem Präsidenten der Republik, Dr. Sab Berisha, und den staatbchen, pobtischen und mihtärischen Obrigkeiten des Landes. AUen möchte ich bereits jetzt für ihre bereitwilbge Mitarbeit danken, die meinen Pastoral-besuch ermöghcht hat. Ferner grüße ich auf ganz besondere Weise die albanische autokephale orthodoxe Kirche, die muselmanische Gemeinde und alle Bürger des Landes, in der Hoffnung, daß mein Besuch dazu beitragen wird, jene Bande brüderhcher Koexistenz erneut zu festigen, die stets die interkonfessionellen Beziehungen gekennzeichnet haben. Dank der einmütigen Bemühungen aber Menschen guten WUlens wird euer Land die bevorstehenden schwierigen Probleme in Angriff nehmen und meistern können. Liebe albanische Brüder und Schwestern, ich komme im Namen Gottes zu euch. Ich komme, um mit euch und für euch um Eintracht und Frieden zu bitten. Mirupafshim te neser! Zoti ju bekofte: (Auf Wiedersehen bis morgen! Gott segne euch!) 361 REISEN Die Kirche wird das albanische Volk unterstützen Ansprache bei der Ankunft auf dem Flugplatz Rinas (Tirana) am 25. April Herr Präsident, hohe Vertreter von Regiemng und Parlament, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Mitglieder des Diplomatischen Korps! Der Papst begann mit einem Gruß in Albanisch: Liebe albanische Brüder und Schwestern! Willkommen! 1. Mit tiefer Freude und Dankbarkeit gegen den Herrn besuche ich heute zum ersten Mal dieses geliebte Land Albanien. Ich wende mich vor allem mit Empfindungen dankbarer Ergebenheit an das Staatsoberhaupt, Dr. Sah Berisha, der mich gemeinsam mit den Verantwortlichen der katholischen Kirche zur heutigen Begegnung einladen wohte, und ich spreche ihm aufrichtige Wertschätzung für die an mich gerichteten Willkommensworte aus. Ich gehe gerne darauf ein und wünsche der ganzen Nation Frieden und ungestörtes Wohlergehen. Herzlich begrüße ich Erzbischof Anastas und die Gläubigen der Orthodoxen Kirche, die mit uns durch den gemeinsamen Glauben an Christus und die tatkräftige Zusammenarbeit bei der Verkündigung des Evangeliums verbunden sind. Ein herzliches Wort gilt auch dem Kaymufti Sabri Koci sowie der muslimischen Gemeinschaft im Gedanken an unsere Begegnung im vergangenen Januar in Assisi, wo wir zu Gott um das Geschenk des Friedens in Europa und in der Welt gebetet haben. Im Herrn umarme ich alle meine katholischen Brüder und wiederhole für jeden mit dem Apostel Paulus: „Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes” (Rom 15,13). Dir, du edles Volk von Albanien, gilt mein warmer und herzlicher Gruß! Allen sind die traurigen Ereignisse bekannt, die du zumal in den letzten 25 Jahren durchmachen mußtest. Es waren Jahre echten Leidens, deren Folgen die Zeit nur schwer wird beseitigen können; Europa und die ganze Welt aber dürfen sie nicht vergessen. Es waren Jahre, in denen der menschlichen Person die grundlegenden Freiheiten versagt waren, eingeschlossen die Freiheit des Ausdrucks, der Verbandsgründung und der Religion. Das hat zu schwerwiegenden Schäden in deinem sozialen Leben geführt und das Verhalten sowie die Gewissen tiefreichend geprägt. Der Hl. Stuhl hat immer mit teilnahmsvoller Aufmerksamkeit - nicht selten mit Zittern und Bangen - deinen mühseligen Weg während der langen Jahre totalitaristi-scher Unterdrückung verfolgt und ist dir nahegeblieben mit seinem Gebet und seiner pastoralen Sorge. Heute aber freue ich mich, daß ich mit dir, einem Land, reich an kulturellen und geistigen Überheferungen, die Freude der wiedergewonnenen Freiheit teilen darf. Ich bin glücklich, dich bei dem begonnenen Bemühen um den mora- 362 REISEN lischen und materiellen Wiederaufbau ermuntern zu können und dir die loyale und beständige Unterstützung der katholischen Kirche zuzusichem. 2. Während eines so strengen und leidvollen Winters der Leiden und Prüfungen hat die „heroische Kirche in Albanien, verwickelt in eine harte und lange Verfolgung, aber zugleich durch das Zeugnis ihrer Märtyrer reich geworden”, wie ich bei meinem Pastoralbesuch in der Erzdiözese Otranto in Apulien im Oktober 1980 in Erinnerung rufen durfte, bis auf den Grund die Schmerzen und Hoffnungen der Nation geteilt. Durch das persönliche Opfer zahlreicher ihrer Mitglieder hat sie die uralte christliche Überheferung lebendig gehalten in der Überzeugung, daß diese einen unverzichtbaren Wert für die echte Identität Albaniens darstellt. Wie sie aber an den jüngsten schmerzlichen Ereignissen Anteil gehabt hat, so möchte die Kirche heute auch die Freude und die Verantwortung der neu anhebenden Zeit der gerade zurückgewonnenen Freiheit teilen. Es ist ihr lebhafter Wunsch, zum integralen Fortschritt Albaniens einen bedeutsamen Beitrag zu leisten wie auch zu seiner aktiven Eingliederung in das Gefüge Europas, zu dem schon von Natur aus seine alten historischen Verwurzelungen es führen. 3. Die liturgischen und geistlichen Feiern, die den Hauptgrund für meinen kurzen Aufenthalt in eurem Vaterland bilden, unterstreichen passend das Klima der Erneuerung, das euer Land im Augenblick atmet. Mit der heutigen Weihe von vier Bischöfen in der Kathedrale von Scutari wird das Leben der Gemeinschaft der Kirche neuen Impuls und neue Kraft erhalten. Sie wird damit mit größerer Festigkeit und Sicherheit wachsen können, da ihr Irische Kräfte zugeführt werden, um der Sache des albanischen Volkes und seiner harmonischen Entwicklung in neuer Verfügbarkeit zu dienen. Ich werde ferner heute Gelegenheit haben, den ersten Stein des Heiligtums der Madonna vom Guten Rat zu segnen, die die albanische Nation als ihre besondere Schützerin anruft. Möge dieses Gotteshaus für alle ein ständiger Aufruf werden, in Gott die gediegenste Anregung zu suchen, die Zukunft der Nation in Achtung vor dem Menschen wiederaufzubauen. Die heiligste Jungfrau, zu der auch die muslimischen Gläubigen verehrungsvoll aufschauen, bewahre euch, hebe Brüder und Schwestern, vor jeder Versuchung zur Intoleranz und zu gegenseitigem Mißtrauen. Mein Besuch möchte sodann eine Ermunterung dazu sein, vereint und entschlossen den Weg weiterzugehen, der, wenn er auch schwer und nicht ohne Risiken ist, zur vollen Freiheit in Achtung vor allen führt, wenn ihr den euch vertrauten Fußstapfen des friedlichen Zusammenlebens sowie der offenen Zusammenarbeit und Absprache unter den verschiedenen völkischen, kulturellen und geistigen Gruppen folgt. Wie Katholiken, Orthodoxe und Muslime bereits früher Beweise eines fruchtbaren Verständnisses gegeben haben, so sollen auch jetzt und in Zukunft der gegenseitige Dialog und die gemeinsame Solidarität sich vertiefen und entfalten, so daß das derzeitige Bemühen um den nationalen Wiederaufbau und die Erneuerung der Nation eine gediegene Stütze erhält. 363 REISEN In dieser Stunde müssen wir unbedingt an den Nationalhelden und aufrichtigen Christen Giergi Kastriota Skenderbeu, den „Athleten Jesu Christi”, erinnern, dessen Tod gerade in diesem Jahr 525 Jahre zurückliegt. Wie in seinen recht schwierigen Zeiten, so wird es die Kirche auch heute nicht daran fehlen lassen, jeden ihr möglichen Beitrag für die integrale materielle und geistige Entwicklung des albanischen Volkes zu leisten. Mit diesen Empfindungen danke ich erneut euch allen hier Anwesenden für das mir und meinen Mitarbeitern geschenkte Willkommen. Ich rufe auf den heutigen Pasto-ralbesuch den Schutz Mariens, der Mutter vom Guten Rat, herab und vertraue ihr die Sorgen und Hoffnungen des ganzen albanischen Volkes an. Möge Gott über alle und zumal über jene, die bei der Durchführung dieses meines Aufenthaltes in Albanien mithelfen, in reichstem Maß seine Gnade und sein Wohlwollen ergießen. Der Papst schloß in Albanisch: Noch einmal grüße ich euch herzlich! Freude über die Rückkehr der Eucharistie nach Albanien Predigt bei der Bischofsweihe in Scutari am 25. April Herr Präsident der Republik, meine Herren Kardinäle, hebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder im Priesteramt! Den folgenden Gruß sprach der Papst in Albanisch: Vellezer e motra! Qofte levduar Jezu Krishti! Brüder und Schwestern! Gelobt sei Jesus Christus! 1. „Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?” (Lk 24,26). Liebe Brüder und Schwestern, Töchter und Söhne der albanischen Nation: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat!” (Ps 118,24). In der Tat hat der Herr diesen Tag für euer Land und für euer Volk gemacht, das eine besondere Todeserfahrung hinter sich hat; eine Erfahrung von vielen Jahren, die zahlreiche Opfer gefordert hat. Die Geschichte Albaniens leuchtet auch durch die Namen der Märtyrer auf, die auf besondere Weise am Kreuz und an der Auferstehung Christi Anteil hatten. Wie die beiden Jünger, von denen der eben vernommene Abschnitt des Evangeliums spricht, befinden auch wir uns heute auf dem Weg nach Emmaus. Wir sind gemeinsam auf dem Weg mit diesen beiden Jüngern, denen das Geschenk der wunderbaren Begegnung mit dem auferstandenen Christus zuteil wurde. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat.” Ein Tag der Freude, und der Bischof von Rom ist gekommen, ihn mit euch zu begehen; der Bischof von Rom, der lange 364 REISEN Jahre hindurch mit seinem Gebet, zusammen mit der ganzen betenden Kirche das Grab umgeben hat, in das hier, in diesem Land, Jesus und sein mystischer Leib, die Kirche, gelegt worden war. Es war Christus, der in seinen Bekennern: in den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und gottgeweihten Menschen, aber auch in all denen gelitten hat, die in eurem Land durch die erschütternde Erfahrung des Todes hindurchgegangen sind, die die jüngste Geschichte schmerzlich gekennzeichnet hat. 2. Doch es war nicht möglich, wie Petrus in der ersten Lesung der heutigen Feier feststellt, daß er „vom Tod festgehalten wurde” (,Apg 2,24), daß der Tod also Christus und jene, die an ihn geglaubt haben, in seiner Gewalt behielt. Petrus ergänzt die österliche Botschaft über Jesus, indem er sagt: „Gott hat ihn auferweckt und ihn von den Wehen des Todes befreit, denn es war unmöglich, daß er vom Tod festgehalten wurde” (Apg 2,24). Petrus verkündet diese Wahrheit in Jerusalem am Pfingsttag, dem Geburtstag der Kirche. Heute wiederholt der Nachfolger des Petrus diese Worte vor euch, die ihr hier versammelt seid! Vor Albanien und Europa, vor der universalen Kirche und der ganzen Welt. Eure Todes- und Auferstehungserfahrung gehört nämlich der ganzen Kirche und der ganzen Welt. Jeder Mensch muß erneut „über all das nachdenken, was Jesus von Nazaret betrifft” (Lk 24,19), der vor fast zweitausend Jahren zum Tode verurteilt und gekreuzigt wurde. Er muß ferner nachdenken über das, was euch in diesen Jahren, ja in den ganzen Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts widerfahren ist. Wir dürfen das, was gewesen ist, nicht vergessen! Es ist gewiß richtig, vorwärts zu schauen, um eine freie Zukunft nach Menschenmaß zu erbauen; doch muß dabei die gemachte Erfahrung berücksichtigt werden, um eine Wiederholung der Irrtümer einer so beklagenswerten Zeit zu vermeiden. Was in Albanien geschehen ist, ist etwas im Verlauf der Geschichte nie Dagewesenes. Wahrlich, „das Erbarmen des Herrn ist nicht zu Ende” (Klgl 3,22). Albanien war in einen Abgrund versenkt, aus dem es nur durch ein wahres Wunder ohne Blutvergießen herauskommen konnte. Und gerade als alles verloren schien, kam die Befreiung. 3. „Dies ist der Tag ...” Heute erlebt die Kirche in ihren Gliedern erneut das Geheimnis vom Pascha des Herrn. Sie befindet sich auf dem Weg nach Emmaus und begegnet dem gleichen Christus, der, wenn auch zunächst unerkannt, den Jüngern die tiefe Bedeutung des Geheimnisses seines Leidens, seines Todes und seiner Auferstehung erklärt: „Ausgehend von Mose und allen Propheten legte er ihnen - nach dem Bericht des Evangelisten - dar, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht” (Lk 24,27), daß er also leiden und sterben mußte, um so zur Herrlichkeit der Auferstehung zu gelangen. 365 REISEN Die Kirche kehrt zu dieser ursprünglichen Katechese, zu dieser von den Aposteln überlieferten Osterkatechese zurück, damit das Emmausereignis sich auch heute in eurer Mitte in seiner ganzen Fülle erneuern kann. Die Kirche kehrt nach den Jahren der brutalen Unterdrückung und schweren Verurteilungen dorthin zurück, damit ihr, vom Wort Gottes gestärkt, in voller Freiheit nachvollziehen könnt, was den Jüngern von Emmaus widerfuhr: „Er nahm das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen. Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn” (Lk 24,30-31). Sie erkannten ihn im Sakrament der Eucharistie. Sie erkannten ihn mit dem Herzen. „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinh der Schrift erschloß?” (Lk 24,32). Nun kehrt die Eucharistie in euer Land zurück. Es kehrt die Kirche zurück und steigt aus den Katakomben empor wie zu den Zeiten des alten römischen Reiches, und voll Freude über die zurückgewonnene Freiheit verkündet sie: „Der Herr ist auferstanden, Christös aneste ... Der Herr ist wahrhaft auferstanden: Christos woskres ...” 4. Nun wende ich meine herzlichen Gedanken euch zu, ehrwürdige und liebe Brüder, die ihr vor dem Empfang der Bischofs weihe steht. Die Erteilung dieses Sakramentes, das euch in besonderer Weise mit Christus, dem Guten Hirten, verbindet, weckt in uns allen tiefe Ergriffenheit. Es ist in der Tat ein ergreifender Augenblick, weil er uns natürlich an all jene denken läßt, die euch im pastöralen Dienst vorangegangen sind, an alle jene Märtyrer-Bischöfe und -Priester, die hier in Albanien für Christus und für die Kirche ihr Leben hingegeben haben. Es ist also ein sehr ergreifender Augenblick, der uns in der Tiefe berührt, auch weil mit eurer Bischofsweihe die albanische Kirche erneut in Fülle zu leben beginnt; sie bringt das ihr eigene Leben zum Ausdruck, in dem sich das apostolische Erbe in allen Aspekten zeigt. Es ist ein ergreifender Augenblick: „Wenn das Weizenkom nicht in die Erde fallt und stirbt, bleibt es allein; stirbt es aber, so bringt es viele Frucht” (Joh 12,24). Diese Wahrheit faßt das Ostergeheimnis erneut zusammen, und mit ihrem Zeugnis übermitteln es euch jene, die vor euch ihren Dienst als Hirten inmitten eures Volkes getreu vollzogen haben. 5. Indem ich im Geist an einen jeden von ihnen denke, grüße ich euch, hebe Brüder, besonders herzlich! Ich grüße dich, Msgr. Frano Ilia, Erzbischof von Scutari, der du gerade heute den Jahrestag deiner Verurteilung zum Tode vor etwa 25 Jahren begehst. Sie wurde in eine Verurteilung zur Zwangsarbeit umgewandelt, die du gut zwanzig Jahre lang geleistet hast. Ich grüße deinen Weihbischof, Msgr. Zef Simoni, der ebenfalls ein Jahr vor dir, am 25. April 1967, zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Die Vorsehung hat gewollt, daß der 25. April auch der Tag eurer Bischofsweihe sein sollte. Dann grüße ich dich, Msgr. Rrok K. Mirdita, Erzbischof von Durazzo-Tirana, der du hochherzig die Herausforderungen und Lasten eines anspruchsvollen und müh- 366 REISEN samen pastoralen Dienstes auf dich genommen hast. Endlich grüße ich dich, Msgr. Robert Ashta, Bischof von Pulati, dem ebenfalls für die in den vergangenen schweren Jahren erfahrenen Leiden die Dankbarkeit der Gläubigen dieses Landes gilt. Mit eurer Weihe, ehrwürdige Brüder, findet die Gemeinschaft der Katholiken wieder Festigkeit und Sicherheit in ihrer hierarchischen Struktur, und dank eurer Unterstützung und eurer erleuchteten pastoralen Führung kann sie mit mehr Freude und Vertrauen in die Zukunft blicken. Sie wird dann auch bereiter sein, hochherzig den eigenen Beitrag anzubieten, wie sie es ja auch in der Vergangenheit nicht unterlassen hat, den geistigen, kulturellen und sozialen Fortschritt der albanischen Nation zu fördern. „Dies ist der Tag ...” Eure Weihe findet in dieser Kathedrale von Scutari statt, einer der eindrucksvollsten Kirchen auf dem Balkan, die in den vergangenen Jahren als Sportpalast gedient, nun aber ihren ursprünglichen Glanz zurückerhalten hat und damit zum Symbol für die Auferstehung der Kirche in Albanien geworden ist. Diese Tatsache gewinnt daher eine einzigartige Bedeutung: Sie ist das beglückende Zeichen dafür, daß die Kirche ihre Freiheit nach dem schmerzlichen und langen Winter der Einsamkeit und Verfolgung zurückgewonnen hat und neu aufblühen kann. Nachdem sie Anteil am Leiden und Tod des Erlösers gehabt haben, können die Gläubigen in Albanien nun auch die geistliche Freude des Osterfestes der Auferstehung teilen, woraus sich neue apostolische und missionarische Möglichkeiten ergeben: Seht also das Werk Gottes, dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat! Euch, den neuen Hirten dieser Herde Christi, wird heute der Dienst anvertraut, sie in der Treue zu bewahren, sie in der Wahrheit zu unterweisen, sie zur Heiligkeit und vollen Gemeinschaft im Geist der Heiligung zu führen, damit sie den Reichtum ihrer Charismen zum Ausdruck bringen und überreiche Früchte der Solidarität und des Friedens tragen kann. 6. Der christliche Glaube, der dank der Predigt des hl. Paulus und seiner Jünger in dieses euer Land kam, muß nun gehütet, vertieft und den neuen Generationen von euch, hebe Brüder, weitergegeben werden, die ihr dank der Bischofsweihe Nachfolger der Apostel werdet. Wißt also, euch bei einem so wichtigen und anspruchsvollen apostolischen Dienst der Hilfe und brüderlichen Zusammenarbeit der Priester, eurer ersten und engsten Mitarbeiter, zu bedienen, der Ordensleute, der gottgeweihten Personen und der Laien, deren Ausbildung eure besten Kräfte gelten müssen. Wie sollten wir nicht gerade unter diesen Umständen all jenen Organisationen und kirchlichen Instanzen aufrichtigen Dank aussprechen, die den Aufrufen für die albanische Kirche gefolgt sind und bereitwillig ihren Beitrag angeboten haben, um ihr nicht den unerläßlichen Beitrag an Personen und Mitteln fehlen zu lassen, damit sie wieder Leben und Hoffnung haben kann? Liebe Kirche, katholische Gemeinschaft von Albanien, sei zuversichtlich und blicke optimistisch in deine Zukunft! Wie du in der Vergangenheit dem einen Herrn Jesus 367 REISEN Christus treu zu bleiben verstanden hast, auch um den Preis des höchsten Opfers, nämlich des Lebens, so sei auch jetzt bereit, das Evangelium von der göttlichen Liebe gern anzunehmen und alle seine Forderungen mutig zu bezeugen. Biete das Beispiel einer bedingungslosen Liebe, einer Liebe, die die erlittenen Beleidigungen übersteigt, ja die sie sogar vergißt und bereit ist, den Verfolgern Verzeihung anzubieten. Jesus hat am Kreuz gebetet für die, die ihn kreuzigten, und den Vater um Verzeihung für sie angefleht, „weil sie nicht wußten, was sie taten” (vgl. Lk 23,34). Er hat uns im Vaterunser gelehrt, die Bitte an Gott um Verzeihung unserer persönlichen Schuld mit der Bereitschaft zu ergänzen, auch unsererseits zu verzeihen. Habt in eurem Geist immer die Lehren des göttlichen Meisters präsent, vor allem in dieser Stunde der sozialen Wandlungen, dann könnt ihr dazu beitragen, in die Geschichte eures Landes Seiten wahrer und voller nationaler Versöhnung einzuschreiben. 7. „Herr, bleibe bei uns...” (Lk 24,29). Die von den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus gesprochenen Worte klingen heute in dieser unserer Versammlung ganz besonders intensiv nach. Damals kamen sie aus dem Herzen von Menschen, die drei Tage bitterer Erfahrung des Leidens Christi und seines Todes am Kreuze hinter sich hatten. Heute sprecht ihr sie, liebe Söhne und Töchter Albaniens, eures so schmerzlich geprüften Vaterlandes. Ihr sprecht sie nach Jahrzehnten eines echten Martyriums für die Kirche Christi, eines Todes, von den Gesetzen verordnet und durchgeführt von dem ganzen atheistischen sozialen System, das ein totalitärer Staat auferlegt hatte. „Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt” (Lk 24,29). Bleibe bei uns, Herr, jetzt da die Nacht vorüber ist - diese historische Nacht Albaniens - und der Tag erneut angebrochen ist. Bleibe bei uns, Herr! Dir weihen wir diesen Tag! „Haec dies!” Der Papst schloß in Albanisch: Brüder und Schwestern! Dies ist in Wahrheit der Tag, den der Herr gemacht hat: Laßt uns jubeln und an ihm uns freuen! Amen. Albanien der Mutter vom Guten Rat anvertraut Regina Coeli in Scutari am 25. April Qofte levduar Jezu Krishti! Gelobt sei Jesus Christus! 1. Regina caeli, laetare! Freu dich, o Himmelskönigin! Freu dich, o Mutter, denn der Sohn, den du im Schoß getragen hast, hat den Tod überwunden, und sein Leben erscheint unter uns. 368 REISEN Liebe Schwestern und Brüder, die vom albanischen Volk so sehr gebebte Mutter vom Guten Rat lächelt diesem seit langem geprüften Land zu, das endbch zusammen mit dem Geschmack der Freiheit auch die Freude am Gebet wiedergefunden zu haben scheint. Lange Jahre hindurch mußte es leider die volle und totale Mißachtung jedes Menschenrechtes erdulden. Ein niederdrückender Zustand, der das Land von der Welt isohert, seine Entwicklung verhindert und in vielen seiner Töchter und Söhne die Lebensfreude erstickt hat. Aber heute ist der Tag der Auferstehung und des Lebens, ein heibger Tag, ein Tag brüderlicher Freude! Die gesamte Kirche, die euch in diesen langen Jahren nie vergessen hat, schart sich um euch mit neuer Liebe. Tief bewegt und Gott dankend begrüße ich heute den neuen Oberhirten eurer Erzdiözese, Frano Ilha, den sichtbaren Anfang der Einheit der Diözesangemeinschaft. Vob Freude stelle ich ihn euch mit seinem Weihbischof Zef Simoni vor. Sie wurden soeben durch meine Handauflegung geweiht und ihr seht sie hier neben mir. Als treue und bereitwibige Diener des Evangeliums stehen sie hier, um die Kontinuität der Sendung der Apostel und die tiefe Gemeinschaft zu bezeugen, die die kathoh-sche Gemeinde von Scutari und ganz Albanien mit dem Nachfolger Petri und der Gesamtkirche verbindet. Ich freue mich besonders, daß dies am 25. April geschieht, an einem in mehrfachem Sinn bedeutsamen Datum im Leben eurer beiden Bischöfe und am Vortag des Festes der Mutter vom Guten Rat. Es ist schön zu denken, daß euch vom Papst euer Erzbischof und sein Weihbischof unter dem mütterbchen Bbck Marias sozusagen „übergeben” wird. In dieser eindrucksvollen Fügung zeigt sich beinahe plastisch die Einheit der beiden Prinzipien, die Christus der Kirche verleihen wollte: das petri-nisch-apostohsche Prinzip und das marianische Prinzip, zwei untrennbare, komplementäre Prinzipien, durch die der Geist jeden Tag die Gemeinschaft der Glaubenden aufbaut und sie drängt, das Wort Gottes mit dem Eifer der Apostel zu verkünden. Er leitet sie vor allem dazu an, das Wort Gottes mit dem Herzen Marias zu hören. 2. Maria, Mutter des Guten Rats, bitte für uns! Bei dem soeben beendeten feierh-chen Gottesdienst in der Kathedrale wurde der erste Baustein der neuen Kirche gesegnet, die der Mutter vom Guten Rat geweiht sein soll. Nachdem das Heihgtum bereits zweimal im Laufe der Geschichte zerstört worden war, wird es als Zeichen des unerschütterlichen Glaubens des albanischen Volkes Wiedererstehen. Die Weihe eures Erzbischofs und der erste Baustein eures Heiligtums, des Bezugspunkts für den Glauben aller Katholiken Albaniens, bilden so zwei ermutigende Zeichen einer Gemeinschaft, die ihren Weg mit neuer Kraft und mehr Verantwortungsbewußtsein fortsetzt. Können wir vergessen, daß vor einem Jahr, am 26. April 1992, hier am gleichen Ort der Apostolische Nuntius Erzbischof Ivan Dias im Beisein des Klerus, der Priester, Ordensleute und staatlichen Obrigkeiten sowie einer großen Anzahl von Gläubigen euer Vaterland der Mutter vom Guten Rat an vertraut hat? 369 REISEN Ich möchte diesen kindlichen Akt der Hingabe erneuern, damit der Weg Albaniens immer unter dem besonderen Schutz Marias weiterführt. Jungfrau vom Guten Rat! Zu dir erhebt sich das Gebet dieses Volkes, das dich seit undenklichen Zeiten liebt und verehrt. Albanien übergibt dir heute seine Hoffnungen und seine Leiden, seine Wünsche und seine Nöte, die vielen Tränen, die vergossen wurden, und die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft. Bück, o Mutter, auf dieses Volk, nimm seine hochherzigen Vorsätze an, begleite es auf seinem Weg in eine Zukunft der Gerechtigkeit, der Solidarität und des Friedens. 3. Und ihr, liebe albanische Schwestern und Brüder, vertraut auf diese Mutter. Maria kennt die Lebenswege und weiß wohl, was euer Herz ersehnt. Sie übergibt euch keine trügerischen, vergänglichen Ideologien, sondern ihren Sohn Jesus, den Weg, die Wahrheit und das Leben, in dem das Geheimnis Gottes und des Menschen aufscheint. Maria schütze euch allezeit! Sie schütze jeden Winkel eures Landes; sie erreiche die Albaner in den Balkänländem, und die Albaner, die in aller Welt zerstreut leben. Die mächtige Fürsprache Marias erlange Frieden vor allem dort, wo seit allzu langer Zeit ein sinnloser, blutiger Bruderkrieg wütet. Mutter vom Guten Rat, öffne die Geister und Herzen, erlange für Albanien und die gesamte Menschheit das Geschenk der Eintracht und des Friedens! O Zoja e Shkodres, Pajtorja e popullit shqiptar, lutu per ne! Unsere Liebe Frau von Scutari, Patronin des albanischen Volkes, bitte für uns! Dank für Mutter Teresa Nach dem „Regina Coeli” im Anschluß an die Bischofsweihe in Scutari (Albanien) würdigte der Papst die gleichfalls anwesende Albanierin Mutter Teresa von Kalkutta mit folgenden Worten: Meine Lieben! Ich kann nicht umhin, eine schlichte Frau zu begrüßen, die hier unter uns weilt. Es ist Mutter Teresa von Kalkutta. Alle wissen, woher sie stammt, welches ihr Vaterland ist. Ihr Herkunftsland ist hier. Auch während der vollständigen Isolierung Albaniens trug diese einfache Ordensfrau, diese tätige Dienerin der Armen, den Namen eures Vaterlandes in die ganze Welt. In Mutter Teresa wurde Albanien immer hochgeschätzt. Das ist ihre Sendung und die Aufgabe all jener, die wie sie wahre Jünger Christi sind, Apostel Christi, Apostel der Nächstenliebe. Heute danke ich euch im Namen der Gesamtkirche, liebe Albanier, ich danke euch für diese Tochter eures Landes, eures Volkes. Wir alle danken dem Herrn für diesen Tag. Haec est dies quam fecit Dominus! Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat! Der Herr segne euch. 370 REISEN Die Zukunft frei von aggressivem Nationalismus im Dialog gestalten Ansprache bei der Abschiedszeremonie in Tirana am 25. April Herr Präsident, sehr geehrte Vertreter der zivilen, militärischen und religiösen Behörden, liebe albanische Brüder und Schwestern! 1. Ich grüße euch herzlich! Nach einem sehr mit Feiern und Begegnungen, ausgefüllten Tag, der es mir erlaubte, nicht nur die direkte Erfahrung des lebendigen Glaubens der katholischen Gemeinde, sondern auch der herzlichen Gastfreundschaft des albanischen Volkes zu machen, ist nun der Augenblick des Abschieds gekommen und bewegten Herzen bin ich daran, euch zu verlassen. Die mir bezeugte Freundschaft ließ mich den Herzschlag tiefer Gefühle wahmehmen; in eurer Klarheit und Offenheit erblickte ich den Mut einer jungen Demokratie, die nach langen und finsteren Jahren der Diktatur und des erstickenden Atheismus entschieden den Weg der Freiheit eingeschlagen hat. Ich danke für die Aufnahme, die mir zuteil geworden ist und kehre nach Rom zurück mit der lebhaften Erinnerung an euer Land, die sich im Geist und Herrn eingeprägt hat. Danke! Tausend Dank! Liebe Albanier, hebe Brüder und Schwestern! Ich bin zu euch gekommen, um meine Sendung als Nachfolger des Petrus im Dienst der Weltkirche zu erfüllen und den so lange Zeit schwer geprüften Gläubigen die Solidarität ihrer Glaubensbrüder und -schwestem in aller Welt zu bezeugen. Ich bin zu euch gekommen, um auch den verschiedenen Religionsgemeinschaften die hier seit Jahrzehnten Zusammenleben meine brüderliche Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen: der christlichen Gemeinde der Orthodoxen und der islamischen Gemeinschaft. Ich sende ihnen einen herzlichen Gruß. Ich bin gekommen, um allen Albanern in diesem heiklen Augenblick des historischen Übergangs und der erhofften gesellschaftlichen und geistlichen Erneuerung Bewunderung und Unterstützung auszudrücken. 2. Liebe Schwestem und Brüder! Wie oft mußtet ihr in der Vergangenheit eure Identität mit ganzer Kraft verteidigen! Dabei zeichnete sich, woran uns auch dieser Platz erinnert, eine hervorragende christliche Persönlichkeit aus, Gjergj Kastriota Skenderbeu, von den römischen Päpsten hoch geschätzt und dem albanischen Volk stets in lebhafter Erinnerung. Ihr habt für eure Nation gelitten und habt daher recht, wenn ihr sie leidenschaftlich liebt. Die Tragödie eures Volkes unter der Härte der kommunistischen Unterdrük-kung war aufwühlend. Tatsächlich war ja die Vorstellung vom menschlichen Leben unter totalitären Regimen wie dem, das ihr erlebt habt, ganz entsetzlich. Der Mensch war eines seiner 371 REISEN grundlegendsten Rechte beraubt, nämlich des Rechtes auf freies Urteilen und Handeln, des Rechtes auf Gewissensfreiheit. Diese Behinderung nahm nicht selten den Charakter unbeschreiblicher Brutalität an. Wurden nicht die Kirchen aller Glaubensbekenntnisse geschlossen und die Priester, die es wagten, die Sakramente zu spenden, sogar zum Tod verurteilt? Wurden nicht die Glaubenden verfolgt, eingekerkert und in jeder Weise beeinträchtigt? In eurem von der Verfolgung mehr als andere Gebiete geplagten Land erkennt man unschwer die Zeichen der alten christlichen Katakomben und der Arenen, in welche die Zeugen Christi geworfen wurden, um von den wilden Tieren zerrissen zu werden. Was sich hier abspielte, war ein harter Kampf gegen die Religion nach den Richtlinien des unantastbaren, von der kommunistischen Ideologie vertretenen sozialen und politischen Dogmas. Es schien fast, als bestehe das notwendigste Mittel zur Verwirklichung des ersehnten und lautstark verkündeten „irdischen Paradieses” in dem gewaltsam erzwungenen Verzicht des Menschen auf die Kraft, die er aus Christus schöpft. Sie wurde als eine des Menschen unwürdige Schwäche entschieden verurteilt. Die Tatsachen bewiesen jedoch, daß diese Kraft eher unbequem als unwürdig war: Der einzelne Mensch, der seine Kraft aus dem Glauben schöpft, läßt sich nicht ohne weiteres in ein anonymes Kollektiv hineinpressen (vgl. 2 Kor 12,9). Liebe Schwestern und Brüder, was sich in Albanien abgespielt hat, hatte sich nie vorher in der Geschichte zugetragen. Freilich, auch im römischen Reich gab es grausame Christenverfolgungen; es handelte sich jedoch damals um einen Staat, der im Namen der Religion - der heidnischen - die Anhänger des Evangeliums Christi verfolgte. Hier hingegen war der Staat bestrebt, jedwede religiöse Äußerung im Namen eines radikalen Atheismus zu Unterdrücken, der zu einem universellen und totalitaristischen System erhoben worden war. All dies geschah, ohne daß irgendjemand zur Verteidigung der um alles betrogenen und selbst ihrer Menschlichkeit und Freiheit beraubten Personen hätte eingreifen können. Euer Drama, liebe Albaner, liegt im Interesse, ja es muß im Interesse des ganzen europäischen Kontinents liegen. Europa darf das nicht vergessen. Die heutige Tendenz scheint ja gerade diese zu sein: Rasch umblättem und das Vorgefallene vergessen, um vorwärts zu blicken. In gewisser Hinsicht ist diese Haltung berechtigt und sogar notwendig, vorausgesetzt jedoch, daß die in der Vergangenheit gemachte Erfahrung stets lebendig bleibt. Eben dies ist notwendig, will man nicht die gleichen bedauernswerten Fehler wiederholen, und es ist auch die Voraussetzung für einen echten Prozeß der Wiederversöhnung. 3. Ihr habt nun praktisch auf unblutige Weise die Freiheit wiedergewonnen. Ihr seid fast durch ein Wunder aus dem Abgrund der Tyrannei und des Todes aufgetaucht. Als jeder vernünftige Grund zur Hoffnung geschwunden schien, kündigte sich die Morgenröte der Befreiung an. Das Leben kehrte zurück. Der Mut zum Dasein erhob sich wieder, das Licht der Hoffnung hat sich neu entzündet. 372 REISEN Die Religionsfreiheit jedoch, deren ihr euch heute endlich erfreut, ist nicht nur ein kostbares Geschenk des Herrn für jene, die mit der Gnade des Glaubens gesegnet sind: Sie ist eine Gabe für alle, handelt es sich doch dabei um eine grundlegende Gewähr für jede andere Ausdrucksform der Freiheit. Sie berührt den Menschen in seinem Innersten, in jenem unverletzbaren Heiligtum, welches das Gewissen ist, wo der Mensch dem Schöpfer begegnet und das volle Wissen um seine Würde erlangt. Macht man von dieser Freiheit den rechten Gebrauch, dann ist von ihr keine Unordnung in der Gesellschaft zu befürchten. Der ehrliche Glaube trennt ja die Menschen nicht, sondern eint sie trotz aller Verschiedenheiten. Nichts erinnert uns so sehr wie der Glaube daran, daß, wenn wir einen einzigen Schöpfer haben, auch alle Brüder sind! Die Religionsfreiheit ist somit ein Schutzwall gegen alle Totalitarismen und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Verbrüderung unter den Menschen. Die wahre Religionsfreiheit hütet sich vor den Versuchungen zur Unduldsamkeit und zum Sektierertum; sie fördert, ganz im Gegenteil, eine achtungsvolle Bereitschaft zum konstruktiven Dialog. Das albanische Volk - daran möchte ich in diesem Augenblick erinnern - war in dieser Hinsicht immer vorbildüch. Die drei großen Religionsgemeinschaften sind durch Beziehungen gegenseitiger Achtung und herzlicher Zusammenarbeit miteinander verbunden. Pflegt diese Haltung auch weiterhin, liebe Brüder und Schwestern! Ihr werdet euch so um die Solidarität und den Frieden in eurer Heimat und im ganzen unruhigen Balkangebiet große Verdienste erwerben. Ihr seid in der Lage, eine reife und solide nationale Einheit aufzubauen. 4. Dennoch darf das Nationalbewußtsein, das ihr in diesem Augenblick lebhaft wahmehmt, nie in jenen unduldsamen und aggressiven Nationalismus ausarten, der auch heute noch Opfer fordert und in verschiedenen Teilen der Welt, auch nicht weit entfernt von hier, erneut wilden Haß schürt. Euer Zusammenleben möge, ganz im Gegenteil, immer harmonischer werden. Die Kunst des Dialogs und des Zuhörens muß auch dann erlernt werden, wenn sie Mühe erfordert. Sie ist der Preis der Freiheit, das Geheimnis des echten ethischen und bürgerlichen Fortschritts. Albanien, sei auf der Höhe dieser großen geschichtlichen Herausforderung! Der Weg, der dich erwartet, ist alles andere als leicht. Manche Wunden sind noch nicht vernarbt. Die Vergangenheit möge dir zur Lehre dienen, aber nicht Groll und Vergeltung hervorrufen. Jetzt ist es Zeit, mit Vertrauen in die Zukunft zu blicken. Freilich erwarten dich ungeheure Aufgaben, an die du schon mit lobenswerter Energie herangetreten bist. Zum Bemühen um den wirtschaftlichen Wiederaufbau - absolut notwendig, damit allen Arbeit und das für ein menschenwürdiges Leben Erforderliche gewährleistet werde - gesellt sich die Sorge um die Festigung deiner jungen Demokratie. Sie wird nur möglich sein mit rückhaltloser Anerkennung einiger grundlegender Werte, angefangen von der unantastbaren Würde der Person und des menschlichen Lebens. „Eine Demokratie ohne Werte - schrieb ich in der Enzyklika 373 REISEN Centesimus annus - verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, bald in offenen oder hinterhältigen Totalitarismus” (Nr. 46). 5. Der Aufbau einer demokratischen Gesellschaft ist nie ein für alle Male abgeschlossen: Er erfordert tägliche Wachsamkeit und aufmerksame Mitarbeit aller. Niemand darf untätig Zusehen. Die Kirche wird es nicht versäumen, zu dieser neugewonnenen Jugendlichkeit Albaniens beizutragen. Freilich vergißt sie nicht, daß ihre Sendung ganz wesentlich religiöser Natur ist, weshalb sie sich hüten wird, in rein politische Fragen einzugreifen. Aber gerade aufgrund des Evangeliums, dessen Botin in der Welt zu sein ihr von Christus aufgetragen wurde, wird sie ihren Beitrag anzubieten suchen, sei es durch die tätige Anwesenheit ihrer Institutionen wie auch vor allem durch ihr Zeugnis für einen wahren Humanismus, der die im Licht Gottes betrachtete und in all ihren Dimensionen erfaßte Person des Menschen in den Mittelpunkt aller wirtschaftlichen, sozialen und politischen Projekte stellt. Der Mensch ist keine Alternative zu Gott, ist nicht sein Konkurrent. Ganz im Gegenteil, gerade als nach Gottes Abbild erschaffenes Geschöpf verfügt er über die höchste Würde. Wenn man diesen Wert des Menschen und seine zentrale Stellung anerkennt, wird man auf wirtschaftlichem Gebiet das rechte Gleichgewicht zwischen den Beweggründen zugunsten der Effizienz und den - vordringlicheren - zugunsten der Solidarität finden und sich auf politischer Ebene verantwortungsbewußt für das Gemeinwohl einsetzen. 6. Volk Albaniens, geh mutig weiter auf dem Weg der Freiheit und der Solidarität. Es ist ein mit Schwierigkeiten besetzter, aber auch mit Hoffnung besäter Weg. Die Kraft deiner Märtyrer, dieser wachsamen Zeugen für die Freiheit in den langen Jahren der Unterdrückung durch ein totalitäres Regime begleite dich. Die Liebe zur Familie, der Geist der Geschwisterlichkeit, die Gastfreundschaft gegenüber den Fremden und die charakteristischen Tugenden deines Volkes mögen als kostbares Erbe der jahrhundertealten albanischen Tradition deine Schritte erhellen. Der Glaube derer, die sich zum einen Gott bekennen und sich gemeinsam mit allen Menschen guten Willens in den Dienst der Gerechtigkeit und des Friedens stellen, möge deinen Mut stärken. Wie könnte ich in diesem Zusammenhang nicht jener erlesenen Tochter des albanischen Volkes gedenken, Schwester Teresa von Kalkutta, der Mutter so vieler Armer unter den Ärmsten dieser Welt? Mit der Wärme des Glaubens vereint diese kleine und zugleich große Frau die hochherzige und unbeugsame Vitalität des albanischen Herzens in sich. Albanien, richte deinen Blick ohne Furcht auf die Zukunft, denn du verfügst über einen großen Reichtum an Menschlichkeit! Nütze ihn zum Wohl aller. Du wirst beim schwierigen Werk des materiellen und spirituellen Wiederaufbaues nicht allein gelassen. In deinem Namen möchte ich hier die internationale Gemeinschaft bitten, ihre tatkräftige Aufmerksamkeit den Erfordernissen deiner gesamtheitlichen Ent- 374 REISEN Wicklung zuzuwenden. Nur so wird es möglich sein, in der von unwürdigen und absurden Bruderkriegen mit Blut befleckten Balkanregion den Frieden herzustellen. 7. Der Augenbück des Abschieds ist gekommen: Mit Dankbarkeit und bewegten Herzens grüße ich alle hier Anwesenden, insbesondere grüße ich den Herrn Präsidenten der Republik, der mir einen so freundlichen Empfang bereitete; ich danke ihm, für die herzlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Ich grüße die zivilen und militärischen Autoritäten, die Vertreter der verschiedenen Religionsgemeinschaften und meine Mitbrüder im Bischofsamt, insbesondere jene, die ich heute morgen weihen durfte. Ich grüße Bischof Joakim Herbut mit den Gläubigen, die aus Skopje-Prizren gekommen sind. Ich grüße die Priester und Ordensleute, die Soldaten des Kontingents „Pelikan”, die seit vielen Monaten mit bewundernswerter Aufopferung der bedürftigen Bevölkerung humanitäre Dienste leisten. Ich grüße die über die Nachbargebiete und die ganze Welt verstreuten Albaner. Auf jeden von euch rufe ich den Schutz des Herrn und der Heiligen Jungfrau herab, die hier in Albanien als „Mutter vom Guten Rat” verehrt wird. In albanischer Sprache sagte der Papst: Liebe albanische Brüder und Schwestern! Gott schütze eure Heimat. Gott schütze das albanische Volk in aller Welt. Im Namen Gottes umarme ich euch alle und segne euch. Auf Wiedersehen! Aus ganzem Herzen wünsche ich euch alles Gute. 375 REISEN 5. Pastoralbesuch in Sizilien (8. bis 10. Mai) Die Zerstörung der ökologischen Ressourcen bringt die Gefahr eines Umwelt-Holocausts Ansprache an die Wissenschaftler im Zentrum „Ettore Maiorana” in Erice (Sizilien) am 8. Mai Geehrte Damen und Herren! 1. Gern bin ich hierher nach Erice gekommen, um Ihnen zu begegnen, den Männern und Frauen aus verschiedenen Teilen der Welt, die aber alle verbunden sind durch die gleiche große Liebe zur Wissenschaft und den Wunsch, ihre unendlichen Horizonte zum Wohl der ganzen Menschheit zu erforschen. Ich danke Herrn Professor Antonino Zichichi, dem ausgezeichneten Promotor dieses Zentrums, sowie den Herrn S.C.C. Ting, Tsung Dao Lee und Kai Siegbahn für die tiefgreifenden Überlegungen, die sie vorgetragen haben. Ich freue mich lebhaft über den Geist, der diese eure wissenschaftliche Gemeinschaft trägt, die seit Jahrzehnten Anregungen gibt zu einem fruchtbaren gegenseitigen Austausch in vielfältigen Disziplinen auf den höchsten Ebenen der wissenschaftlichen Forschung über Grenzprobleme, von deren Lösung zum großen Teil sogar die Zukunft des Menschen und unseres Planeten abhängt. Ich danke euch für die an mich gerichtete Einladung. Ich habe sie mit Freude angenommen, auch weil ich es für besonders wichtig halte, daß sich Ihr Zentrum nicht nur auf die Interessen von Spezialisten und Fachbereichen beschränkt, sondern sich vielmehr in Gebiete und Fragen von globalem Charakter vorzuwagen liebt, wo ein konstruktives Verhältnis zwischen den Ausblicken der Wissenschaft und den maßgebenden religiösen Erfahrungen notwendig ist. Schon die logistische Lage Ihres Zentrums innerhalb antiker und eindrucksvoller Strukturen, die den Söhnen des „Poverello” (Armen) von Assisi gehören und bis heute ihre „franziskanische” Einfachheit bewahrt haben, bietet das günstigste Klima für diese herzliche Begegnung der Wissenschaft mit dem Glauben und lädt gleichsam zu einem Loblied ein, mit dem Franziskus, von der Schönheit der Schöpfung berauscht sozusagen als Stimme aller Geschöpfe sein Herz zum „Allerhöchsten, allmächtigen und guten Herrn” zu erheben liebte. 2. Von Anfang meines Pontifikates an war es mir ein Anliegen, zu betonen, daß der Dialog zwischen Wissenschaft und Glauben nicht nur möglich, sondern wesentlich 377 REISEN ist, und ich habe mich dafür eingesetzt, die Hindernisse zu beseitigen, die seinem ständigen Wachsen vielleicht noch entgegenstehen. Zu diesem Zweck schien mir die volle Überwindung einiger alter Streitfragen wichtig, die leider das ungetrübte Verständnis zwischen der Kirche und der Gemeinschaft der Wissenschaftler beeinträchtigt haben. Ich denke hier besonders an die bedauerlichen Ereignisse der vergangenen Geschichte wie den „Fall Galilei”. Am 19. November 1979 habe ich in einer Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften anläßlich des Gedenkens an den 100. Geburtstag von Albert Einstein zu einer neuen, ausgewogenen Überprüfung der kopemikanisch-ptolemäischen Kontroverse des 17. Jahrhunderts aufgefordert. Ich sagte bei dieser Gelegenheit: „Ich werde diese Aufgabe, die der Wahrheit des Glaubens und der Wissenschaft zur Ehre gereicht und die Tür für künftige Zusammenarbeit öffnen kann, mit allen Kräften unterstützen”. (O.R.dtNr. 48, 1979, S. 4) Vor der gleichen Akademie habe ich anläßlich des 50. Jahrestages ihrer Neugründung von der Notwendigkeit der Förderung dieses Dialogs gesprochen, und die gleiche Dringlichkeit wollte ich in einer Botschaft zum 300. Jahrestag der Veröffentlichung von Isaac Newtons: „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica” (Die mathematischen Prinzipien der Naturphilosophie) betonen; ich habe daran erinnert, daß die Wissenschaft ebenso wie die Religion im Dienst der Gemeinschaft der Menschen stehen und mir eine gemeinsame Forschung gewünscht, die sich auf kritische Offenheit und einen Austausch gründet, der nicht nur weitergehen, sondern in seiner Qualität und Zielsetzung auch noch wachsen kann (vgl. Brief an P: G. Coyne SJ, Direktor der Vatikanischen Sternwarte, 1. Juni 1988; O.R.dt., Nr. 50, 1988, S. 9). In der gleichen Sicht habe ich gern die Schlußergebnisse der Päpstlichen Kommission aufgenommen, die ich mit der Überprüfung der erwähnten Kontroverse beauftragt hatte. Ich habe damals bemerkt: „Der Fall Galilei ist zu einer Art Mythos geworden, in dem das dargelegte Bild der Ereignisse, von der Wirklichkeit weit entfernt war ... Ein tragisches gegenseitiges Unverständnis wurde als Folge eines grundlegenden Gegensatzes von Wissenschaft und Glauben hingestellt. Die durch die jüngeren historischen Forschungen erbrachten Klärungen gestatten uns nun die Feststellung, daß dieses schmerzliche Mißverständnis inzwischen der Vergangenheit angehört” (Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, Nr. 10, 31. Oktober 1992; in: O.R.dt., Nr. 46, 1992, S. 10). 3. Doch in welche Richtung kann sich in Zukunft der Dialog zwischen Wissenschaft und Glaube entwickeln? Meine Überlegungen gehen von einer Bronzetafel aus, die heute hier enthüllt wurde: „Wissenschaft und Glaube sind beide Geschenke Gottes”. In diesem kurzen Satz wird nicht nur ausgeschlossen, daß sich Wissenschaft und Glaube mit gegenseitigem Mißtrauen betrachten müßten, es wird vielmehr der tiefste Beweggrund genannt, der sie zum Aufbau eines konstruktiven und herzlichen Verhältnisses ruft: Gott, das gemeinsame Fundament beider; Gott, der letzte Grund der Logik der Schöpfung, die die Wissenschaft erforscht, und zugleich Quelle der 378 REISEN Offenbarung, mit der er sich in Freiheit dem Menschen schenkt und ihn zum Glauben auffordert, um ihn, das Geschöpf, zu seinem Kind zu machen und ihm die Pforten seines innersten Wesens zu öffnen. Das Licht der Vernunft, das die Wissenschaft möglich macht, sowie das Licht der Offenbarung, das den Glauben ermöglicht,-kommen aus einer einzigen Quelle. Es sind zwei verschiedene und autonome Sichtweisen, die aber ihrer Natur nach nie in Konflikt geraten können. Wenn Reibungen auftauchen, so wäre das ein bedauerliches KrankheitsSymptom. Deswegen hat das Zweite Vatikanische Konzil die berechtigte Autonomie und den unermeßlichen Wert der wissenschaftlichen Erkenntnis anerkannt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 59). Die Kirche zögert auch nicht anzuerkennen, daß jeder wissenschaftliche Fortschritt und gleichfalls jede technische Errungenschaft, die wirklich dem ganzheitlichen Wohl des Menschen dient, als ein unschätzbares Geschenk Gottes zu betrachten sind. 4. In welchem Sinn ist die Wissenschaft ein „Geschenk” Gottes? Eine solche Aussage könnte zweideutig und für einen Nichtglaubenden sogar provokatorisch erscheinen, würde man sie als Schwächung der natürlichen Fähigkeit des Verstandes verstehen, durch streng logisch-forschendes Vorgehen die Wirklichkeit zu erfassen. Doch ein solcher Sinn ist derart weit vom Denken der Kirche entfernt, daß sie sogar auf dem Gebiet des Glaubens selber einen blinden „Fideismus” ablehnt (vgl. DS 3009). Erst recht ist die natürliche Fähigkeit des menschlichen Verstandes anzuerkennen, die Wahrheit aus den Erfahrungs- und Wissenschaftsbereichen der Welt zu schöpfen. Dies zu erkennen bedeutet keineswegs, das „Geschenk” Gottes auszuschließen, sondern setzt dieses sogar voraus. Es genügt ja, daran zu denken, daß der Mensch und die Welt insgesamt als Geschöpfe grundlegend ein „Geschenk” sind, das dem in Freiheit gefaßten Plan der göttlichen Liebe entspringt. Der Apostel Paulus hat die Christen in Korinth daran erinnert: „Was hast du, daß du nicht empfangen hättest” (7 Kor 4,7). Doch über dieses ursprüngliche und grundlegende Geschenk hinaus ist der ganze Weg des Menschen über die vielfältigen Pfade seiner Existenz, einschließlich des begeisternden Weges der wissenschaftlichen Erkenntnis, von der göttlichen Vorsehung begleitet, die, ohne die Aufgabe des Verstandes zu verkürzen, ihm folgt, ihn erleuchtet und führt in einem geheimnisvollen Dialog mit der menschlichen Freiheit. In Gott also finden Wissenschaft und Glaube, wenn auch auf ihren je verschiedenen Wegen, ihr Einheitsprinzip. Der gleiche Gott, der sich in der Offenbarung kundgemacht hat, ist auch der, der seine Spur im großen Buch der Natur hinterlassen hat;- er wird ferner in der Geschichte mit seiner Vorsehung geheimnisvoll präsent. Paulus sagte den Athenern: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir” (Apg 17,28). Es ist möglich, daß man zuweilen seine Hand nicht erkennt, und es gibt leider auch unter den Wissenschaftlern Menschen, die sie offen leugnen. Aber gerade die Geschichte der Wissenschaft mit ihrer ebenso unleugbaren wie unerschöpflichen Möglichkeit der Vervollkommnung schließt einen törichten wissen- 379 REISEN schaftlichen Stolz aus und legt der Wissenschaft mit Mut und Vertrauen auf die Forschung ein weise Demut nahe, wenigstens dadurch, daß sie die metaphysische Frage nach dem letzten transzendenten Grund des Daseins offenläßt. Im übrigen ist niemand mehr als der Wissenschaftler, der es täglich mit dem Geheimnis der Natur zu tun hat und gezwungen ist, sich oft mit Bruchstücken zufrieden zu geben und die ungreifbare Größe der Natur anzuerkennen, in der Lage, die Fortschritte seiner Erkenntnis als „Geschenk” zu empfinden, ein oft unerwartetes Geschenk, das mit Staunen erfüllt und auf den Lippen und im Herzen das Gefühl der „Dankbarkeit” entstehen läßt. Dieses dankbare und immer neue Staunen des Verstandes ist der natürliche Boden für die Begegnung zwischen Wissenschaft und Glauben. Albert Einstein hat bezeichnenderweise gesagt: „Was in der Welt ewig unbegreiflich bleibt, ist gerade die Tatsache, daß sie verstehbar ist” (vgl. Journal of the Franklin Institute, 1986, Bd. 221, Nr. 38). Es zeigt sich hier ein unbändiger Sinn für das Staunen, der beim Glaubenden zum Gebet wird, wenn er im Geheimnis der Welt das Echo eines noch größeren Geheimnisses erfaßt und mit dem Psalmisten ausruft: „Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!” (Ps 8,2). 5. Der Dialog zwischen Wissenschaft und Glauben ist in Achtung ihrer gegenseitigen Zuständigkeitsbereiche doppelt notwendig auf dem Gebiet der angewandten wissenschaftlichen Erkenntnis. Hier kommt nämlich zur sozusagen kontemplativen Dimension, die schon von sich aus moralische Überlegungen mit sich bringt, die Tätigkeit hinzu, die auf praktischem Gebiet die ethische Prüfung entschieden nötig macht. Mit Recht unterscheidet man hier zwischen Wissenschaft und Technik. Gerade auf dem Gebiet der angewandten Wissenschaft erfährt die Menschheit im Guten wie im Bösen die Macht der wissenschaftlichen Erkenntnis. Wenn das Leben des Menschen heute äußerst gefährdet ist, dann nicht aufgrund der durch wissenschaftliche Forschung entdeckten Wahrheit, sondern aufgrund der tödlichen Anwendungen dieser Forschung auf dem Gebiet der Technik. In einer anderen Inschrift, die hier in eurem Zentrum angebracht ist, heißt es: „Wie zur Zeit der Lanzen und Schwerter, so sind es auch heute, im Zeitalter der Raketen, nicht an erster Stelle die Waffen, die töten, sondern es ist das Herz des Menschen”. Mit Recht fügen wir freilich hinzu, daß diese in der Theorie leichte Unterscheidung in der Praxis schwieriger wird, weil es im konkreten Leben zwischen wissenschaftlicher Forschung und Technik eine natürliche Verknüpfung gibt. Beide müssen daher die klare ethische Verantwortung bei diesen Verknüpfungen und Anwendungen übernehmen. Es steht zu viel auf dem Spiel, als daß man sie auf die leichte Schulter nehmen könnte. Die derzeitige Situation der Welt scheint sich nicht viel geändert zu haben gegenüber derjenigen, die ich vor einigen Jahren in der zitierten Botschaft beschrieben habe: „Viel von unserer Welt ist anscheinend in die Brüche gegangen und zersplittert. So viel menschliches Leben verläuft in Einsamkeit oder Feindschaft. Der Abstand zwischen reichen und armen Nationen vergrößert sich weiter- 380 REISEN hin, und der Gegensatz zwischen der nördlichen und südlichen Hemisphäre unseres Planeten wird immer augenscheinlicher und auch immer unhaltbarer. Der Antagonismus zwischen Rassen und Religionen macht Länder zu Schlachtfeldern; historisch begründete Feindseligkeiten dauern ungeschwächt an. Selbst innerhalb der akademischen Gemeinschaft besteht weiterhin die Trennung zwischen Wahrheit und Werten, und der Abstand zwischen den verschiedenen Kulturen- der naturwissenschaftlichen, der humanistischen und der religiösen - macht gemeinsame Aussagen schwierig und manchmal sogar unmöglich” (Brief an P. George Coyne SJ, 1.6.88: O.R.dt.; Nr. 50, 1988, S. 9). 6. In den letzten Jahren sind wir Zeugen rascher und erstaunlicher sozialer Wandlungen geworden. Kann man hier die Überwindung der strengen Teilung der Welt in entgegengesetzte ideologische, politische und militärische Blöcke unerwähnt lassen? Dank dieses Ereignisses ist wenigstens zum großen Teil die Gefahr eines „nuklearen Holocaust” in die Feme gerückt. Im gleichen Zeitraum sind aber andere unseren Planeten betreffende Notsituationen äußerst gefährlich geworden, so daß uns die Gefahr einer Art von „Holocaust der Umwelt” droht, infolge der unvorsichtigen Zerstörung lebenswichtiger ökologischer Ressourcen und der immer häufigeren, hintergründigen Angriffe auf den Schutz und die Achtung des menschlichen Lebens. Der zügellose Wettlauf um die Anhäufung und Ausbeutung der Güter der Erde durch wenige Privilegierte schafft die Voraussetzungen für eine neue Form des kalten Krieges - diesmal zwischen dem Norden und dem Süden des Planeten, zwischen hochindustrialisierten Ländern und armen Nationen -, der alle, denen das Schicksal der Erde am Herzen liegt, nur besorgt machen kann. Am Horizont der Menschheit erheben sich erneut bedrohliche Wolken. 7. Geehrte Mitglieder und Mitarbeiter dieser wissenschaftlichen Gemeinschaft! Während ich Ihnen erneut meine aufrichtige Wertschätzung dafür ausspreche, daß Sie weitblickend und rechtzeitig die Erwartungen und Herausforderungen der Welt von heute in den Mittelpunkt Ihrer Forschung gestellt haben, fühle ich mich zugleich verpflichtet, Sie zu ermuntern, hochherzig Ihre Verpflichtung wahrzunehmen. Um dem drohenden „Holocaust der Umwelt” zu begegnen und zu lösen, brauchen wir Wissenschaftler, die wie Sie ihren Beitrag fachkundig, koordiniert und beharrlich anbieten. Ich danke Ihnen für alles, was Sie in diesem Sinne bereits tun. Ich danke Ihnen auch, daß Sie mir als willkommenes Geschenk die Ergebnisse Ihrer Tätigkeit überreicht haben, gleichsam eine Vorschau auf weitere Errungenschaften zum Wohl der Menschheit. Ich schätze besonders Ihren umfangreichen Einsatz für die jungen Studenten aus Entwicklungsländern, die der Führung herausragender Wissenschaftler anvertraut sind, welche ihre freiwillige Mitarbeit anbieten. Seien Sie gewiß: freiwillige wissenschaftliche Arbeit ist eine der edelsten Formen der Nächstenliebe. 8. Ein weiteres Wort, das auf der Bronzetafel von Umberto Mastroianni eingraviert ist, lautet: „Der Mensch kann an den Folgen der Technik zugrundegehen, die er selbst entwickelt, nicht aber an der Wahrheit, die er in seiner wissenschaftlichen 381 REISEN Forschung entdeckt”. Wenn sich die wissenschaftliche Tätigkeit positiv auf die Achtung und den Schutz der Würde des Menschen auswirkt, dann trägt sie entscheidend zum Aufbau des Friedens bei. Es ist daher notwendig, unermüdlich eine wissenschaftliche Kultur zu pflegen, die immer den „ganzen Menschen” und „alle Menschen” zu berücksichtigen weiß, weil sie im Dienst des Guten und der universalen Solidarität steht. Hier hat der Fortschritt beim Dialog zwischen Wissenschaft und Glauben große Bedeutung. Wir müssen uns gemeinsam bemühen, das Band zwischen der Wahrheit und den Werten, zwischen Wissenschaft und ethischer Verpflichtung neu zu festigen. Wir müssen alle wirklich davon überzeugt sein, daß es nur dann einen Fortschritt gibt, wenn dieser im Dienst des echten und ganzheitlichen Wohls der einzelnen und der ganzen Menschheitsfamilie steht. Ich möchte daher erneut betonen, was ich bereits mehrfach unterstrichen habe: Wenn es die Hauptaufgabe der Wisseschaft ist, in der vollen und berechtigten Freiheit, die ihr zukommt, die Wahrheit zu suchen, so ist es den Wissenschaftlern doch nicht erlaubt, von den ethischen Auswirkungen der Mittel ihrer Forschung und der Verwendung der entdeckten Wahrheiten abzusehen, (vgl. Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, Nr. 13, 31.. Okt. 1992, in: O.R.dt., Nr. 46, S. 10). Das ethisch Gute ist nur ein anderer Name für die Wahrheit, wenn sie nämlich von der praktischen Vernunft gesucht wird. Man darf also die praktische Dimension der Wahrheit nicht verdunkeln oder mißachten, ohne daß sich daraus auf lange Sicht eine Einschränkung des Verständnisses auch ihrer theoretischen Aspekte ergibt, wenigstens auf den Gebieten, die sich unmittelbar auf die Arbeit auswirken. Ihr Zentrum ist aufgeschlossen für die Sicht einer wirklich „globalen” Wissenschaft, und ich stelle gern fest, daß Sie einen Großteil Ihrer Zeit und Mühe dem Dialog über die ethischen Auswirkungen verschiedener Entdeckungen im Bereich der physischen und biologischen Wissenschaften geschenkt haben. Gestatten Sie mir daher, Ihnen erneut meine Bewunderung auszusprechen, während ich Sie zugleich lebhaft ermutigen möchte. Meine begründete Hoffnung aber ist, daß die Kirche und die Gemeinschaft der Wissenschaft in einem fruchtbaren, immer intensiveren und herzlichen Dialog die Reichtümer ihrer Erkenntnisse und Erfahrungen austauschen, damit alle Geschöpfe an der Verwirklichung des hebe vollen Planes Gottes teilhaben können. Sie werden dann die Fülle des göttlichen Segens erfahren: „Seid gesegnet vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat” (Ps 116,15), des Segens, den ich heute gern auf euer Zentrum „Ettore Maiorana” und auf die ganze Gemeinschaft der Wissenschaftler von Erice herabrufe. Der Friede ist immer Frucht der Liebe. Sie, die Wissenschaftler, die vor allem den Verstand gebrauchen, sollen auch die Liebe pflegen. 382 REISEN Die Verdunkelung des Gewissens führt zur SOZIALEN SÜNDE Ansprache an die Bevölkerung in Trapani am 8. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Herzlich grüße ich euch alle und einen jeden einzelnen im besonderen. Ich freue mich, unter euch in diesem eurem Land weilen zu dürfen, das reich ist an so viel Schönem in Kunst und Natur, aber auch gezeichnet von bedeutenden Problemen und Schwierigkeiten. Ich nehme innig Anteil und hege viel Zuneigung zu euch, Bürger von Trapani, und diesem äußersten Saum des italienischen Bodens. Meine Anwesenheit unter euch will ein Zeichen der Solidarität der Gesamtkirche mit dem Glaubensweg sein, den ihr unter der erleuchteten Führung eures Hirten des lieben Bischofs Domenico Amoroso, geht, den ich herzlich grüße und dem ich für die an mich gerichteten Worte danke. Einen brüderlichen Gruß richte ich auch an Kardinal Salvatore Pappalardo, den Erzbischof von Palermo, und an alle anderen anwesenden Bischöfe. In Hochachtung und Dankbarkeit wende ich mich sodann an den Herrn Bürgermeister und den Präsidenten der Region, die mir von euch berichten wollten, von euren Entwicklungsplänen und dem festen Willen, der euch beim Anstreben des Gemeinwohls erfüllt. 2. Diese unsere Begegnung findet im Rahmen einer liturgischen Feier statt, die uns einlädt, auf Maria als den „Beginn und das Bild der vollkommenen Kirche” zu blik-ken. Die kurz zuvor verkündeten biblischen Texte, die Gebete und die Gesänge, die wir gemeinsam zum Himmel emporsenden, das Klima tiefer Religiosität, die uns erfüllt, das alles möge unser Zusammensein zu einem inneren „Weg” der lebendigen Begegnung mit Christus und seiner Heilsbotschaft machen, die beispielhaft auf dem Antlitz der Jungfrau von Nazaret aufleuchtet. „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ” (.Lk 1,45), ruft Elisabeth aus, als sie den Glauben Mariens preist. „Die, die geglaubt hat”, wird zum Vorbild für alle, die das Wort Gottes aufnehmen und sich für seine Verbreitung einsetzen, um seinen Weg zu den Menschen aller Generationen hin sicherzustellen. Als Glaubende nimmt Maria das Bild der Kirche vorweg, die evangelisiert, sie wird ihr Vorbild und Beispiel. Auf dem Weg zum Haus der Elisabeth aber stellt Maria im voraus die Sendung derer dar, die auf den Straßen der Welt den Menschen durch das Zeugnis des Glaubens Christus bringen. Auf diesem geistlichen Weg geht die Jungfrau der Gemeinschaft der Christen voran, die das Geheimnis des Heiles verkünden und es ins tägliche Verhalten hinein übersetzen möchten. 3. „Maria eilte in eine Stadt von Judäa” (Lk 1,39). Wir müssen eilig vorangehen, weil die Botschaft des Evangeliums nicht warten kann: Seine Verkündigung ist für 383 REISEN die Kirche dringlich, eine drängende Notwendigkeit und eine Aufgabe, die zumal in dieser Zeit erheblicher sozialer Wandlungen kein Verweilen gestattet. Die Kirche weiß gut, daß die Gnade des Glaubens ein Geschenk ist, das uns nicht träge lassen darf. Die Gegenwart Christi darf nicht ins Innere derer verschlossen werden, die ihn kennengelemt haben. Es ist Jesus selbst, der die Seinen ruft und sich ihnen hinschenkt, damit sie bis an die Grenzen der Erde Zeugen der Hoffnung werden, die ihnen unverdient geschenkt wurde. Das Wort des Meisters muß notwendig durch ihren Dienst seinen Lauf nehmen und verherrlicht werden. Daher wird man „die Füße derer selig nennen, die verkündigen”, selig jene, die mit ihren Mitmenschen das Brot des Glaubens und der offenbarten Wahrheit teilen. 4. Liebe Brüder und Schwestern, selig seid ihr, wenn ihr wie Maria euren Geist dem göttlichen Wirken öffnet und unverweilt eure Existenz in den Dienst des Evangeliums stellt. Seid euch immer der sozialen und kulturellen Verhältnisse wohl bewußt, die heute zuweilen in hinterhältiger Weise die Integrität und die Reinheit des christlichen Lebens bedrohen. „Die Schlange hat mich verführt” (Gen 3,13), beklagt sich Eva in der Bibel. Wie am Anfang, so stellt auch in unseren Tagen der Teufel der Menschheit Fallen, jener Menschheit, nach der Gott unermüdlich auf der Suche ist, ja die er inständig ruft. „Gott, der Herr, rief Adam zu sich und sprach: Wo bist du?” Auch den modernen Menschen, jeden einzeln, fragt der Herr: „Wo bist du?” Wohin hat dich die listige Vorspiegelung des Betrügers geführt? Welche sozialen Folgen - abgesehen von den persönlichen -, welches Leid und welche Ungemach hat dein Hören auf den Versucher verursacht? Allzuoft zeigt uns die Erfahrung, wie der Mensch, vom Bösen verleitet, sich auf den Weg der Ungerechtigkeit, des Betrugs und des Egoismus führen läßt, die in ihm selbst und anderen die Freude am Dasein auslöschen. Aus der Sünde, die von Gott entfernt, ergibt sich eine streng und unerbittlich zwingende Logik. Aus der Verletzung des göttlichen Gebotes „kommt es zu verkehrten Neigungen, die das Gewissen verdunkeln und das konkrete Urteil über Gut und Böse beeinträchtigen” (Katechismus der Katholischen Kirche, 1865). Wenn diese schreckliche Täuschung so zunimmt, daß sie zum Ausdruck des kollektiven Lebens wird, kommt es zu jener „sozialen Sünde”, die sich der Organismen und Strukturen bemächtigt und schreckliche Mächte verborgener Unterdrückung entfesselt. Es kommt dann zu jenen Formen organisierter Kriminalität, die die Gewissen ersticken und zerbrechen, allen die Fröhlichkeit nehmen und die Hoffnung erniedrigen. Mit dem Einsatz eures Glaubens müßt ihr auf solche gewalttätigen Herausforderungen der Mafia in demütiger Festigkeit antworten. Die Gläubigen sind aufgerufen, in der Nachfolge Mariens die Gesellschaft und alle ihre Bereiche zu „besuchen” mit der Festigkeit und dem Wagemut der Prophetie des Evangeliums, um die zeitliche Ordnung, in der jedes geschaffene Wesen lebt, seine menschliche und soziale Umwelt, zu Gott zurückzuführen. 384 REISEN 5. Brüder und Schwestern von Trapani! Kräftig und gläubig haben wir gesungen: „Ich juble vor Freude über deine Gegenwart, Herr” (Kehrvers zum Antwortspsalm). „Deine Gegenwart, Herr.” Er ist unsere Kraft, und er ist zugleich die unzerstörbare Stütze unseres Vertrauens. „Ich juble vor Freude”, weil unser Gott der Gott der Freude ist, der, der die Gläubigen aus der Sklaverei des Egoismus befreit und in seiner grenzenlosen Barmherzigkeit sie von jeder Sünde erlöst. „Die Gegenwart des Herrn”, denn wenn er im Schoße Mariens Mensch wird, ist er zum Bruder des Menschen und eines jeden Menschen geworden. Von seiner Mutter wurde er uns als Emmanuel anvertraut, als Gott mit uns, damit wir in ihm nicht nur heilige Geschöpfe Gottes, sondern Kinder des Vaters im menschgewordenen Sohn werden sollten. „Ich juble vor Freude”, weil Gott auch der Kirche und allen, die in ihr berufen sind, lünger Christi zu sein, die unermeßliche und begeisternde Aufgabe anvertraut hat, die Heilsbotschaft den Menschen aller Rassen und Kulturen zu bringen. 6. Maria, Mutter des Erlösers und der Menschheit und gehorsame Magd des göttlichen Wortes, erwirke uns von Christus, deinem Sohn, die Gabe, eifrige Träger der Freude und der Versöhnung in der Liebe für alle zu sein, denen wir auf unserem Weg begegnen. Jungfrau der Verkündigung, schenke unserer Gesellschaft die Hoffnung zurück. Erfülle alle mit deiner geistlichen Freude, die hier in Trapani, in diesem an Kräften der Erneuerung so reichen Land, ihr Leben in den Dienst der Mitmenschen stellen. Jungfrau der Heimsuchung, lebendiges Bild der Kirche, sei du ihr Vorbild im Dienen und in der Evangelisierung. Trapani spricht dir heute erneut sein kindliches Vertrauen aus. Sei du der Stern und die sichere Führerin durch alle Bedrohungen hindurch, die den Frieden und die soziale Eintracht untergraben. Sei Mutter für alle, die zu dir ihre Zuflucht nehmen und dich vertrauensvoll anrufen. Gepriesen seist du, Maria! Amen. Resignation ist keine Antwort auf die zu lösenden Probleme Siziliens Ansprache in der Kathedrale von Trapani am 8. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Unser heutiges Treffen ist für mich Anlaß zu lebhafter Freude. Ich grüße euch alle, gemeinsam mit eurem Bischof, Msgr. Domenico Amoroso, und möchte von ganzem Herzen zum Ausdruck bringen, welch große Ermutigung es bedeutet, euch hier an meiner Seite versammelt zu sehen. Ferner grüße ich den Kardinal von Palermo, der uns begleitet, und alle hier anwesenden Bischöfe Siziliens. Mein Will- 385 REISEN kommensgruß gilt auch der Bevölkerung, den Gläubigen und Bürgern der Stadt Tra-pani, die ich durch die offene Tür sehen kann. Ihr, die Priester der Kirche von Tra-pani, die Ordensleute und die dem Apostolat geweihten Laien, ihr seid für die Neuevangelisierung dieser Stadt, im Mittelpunkt des mediterranen Raums, verantwortlich. Eure Aufgabe ist es, mit der eurer Hirtensorge anvertrauten Bevölkerung über die Bedeutung und den Wert der Botschaft des Evangeliums und die in ihr enthaltenen einzigartigen Möglichkeiten nachzudenken, die auch zur Förderung von wahrem menschlichem Fortschritt in einer Region wie der euren beitragen kann, die zwar zahlreichen Problemen gegenübersteht, aber auch reich ist an großen ideellen und menschlichen Fähigkeiten. Ich komme zu euch als Verkünder der vom Wort Christi ausgehenden Hoffnung: „habt Mut: ich habe die Welt besiegt” (Joh 16,33). Das ist also unsere Hoffnung. Sie ist nicht auf Geld, auf der Gunst der Mächtigen, auf der Unterstützung von Freunden und Bekannten begründet. Unsere Hoffnung stützt sich auf Christus, der die Welt besiegt hat. Nicht einfach „er wird sie besiegen”, sondern vielmehr.,;er hat sie bereits besiegt”, denn als Herr der Geschichte und als Mensch, als wahrer Gott und wahrer Mensch, ist Gott auf diesem Werdegang unser ständiger Begleiter bis zum letzten Tag. Unser Sieg über die Welt ist immer und in jeder Lage möglich, denn Christus ist stets an unserer Seite. 2. Meine Lieben, seid daher zuversichtlich und gebt eure Hoffnung an andere weiter! Beweist durch euer Zeugnis, daß die schweren Probleme des heutigen Siziliens gelöst werden können, wenn es uns gelingt, den Menschen die Gegenwart Christi unter ihnen zu verdeutlichen. Angesichts zahlreicher Verirrungen, die Armut und Konsumdenken, Arbeitslosigkeit und Überfluß in der modernen Gesellschaft verursacht haben, können wir nicht mit Resignation reagieren, sondern mit zuversichtlicher und zäher Hingabe und durch liebevollen und aufmerksamen Dienst für das wahre Wohlergehen der Bevölkerung. Liebe Brüder und Schwestern, helft den Gläubigen, ein der Botschaft des Evangeliums entsprechendes Gewissen zu formen; sorgt für eine wahre Kenntnis des Wortes Christi. Nur sein Wort, seine Wahrheit schenkt uns Freiheit und erlaubt uns, die vielfache Konditionierung und die euch wohlbekannten Formen sozialer Schwierigkeiten mutig zu überwinden. Es öffnet die Augen und bestärkt jeden Menschen guten Willens den gerechten und berechtigten Erwartungen der Bevölkerung entgegenzukommen. 3. Lehrt das Gebot christlicher Nächstenliebe! Die göttliche Liebe durchbricht frühere, aus Gefühlen herrührende Ketten des Hasses und der Rache. Möget ihr zu den ersten gehören, die sich als leuchtende Beispiele jener Solidarität und jenes Dienstes anbieten, die Christus den Jüngern als sein Erbe hinterlassen hat. Ihr selbst werdet „Form” des Lebens für eure Herde sein, wenn ihr euren Glauben nicht nur durch Worte verkündet, sondern auch jene positive Haltung annehmt, die die Menschen inspiriert und überzeugt: predigt das Wort anhand des Lebens. 386 REISEN Möge die in eurer Stadt mit ganz besonderer Hingabe verehrte heilige Jungfrau euch Trost.spenden. Möge euch die Mutter des Erlösers bei eurer täglichen Arbeit unterstützen und die Freude schenken, dem Herrn mit aller Kraft zu dienen: diese österliche Freude, sagt Christus, kann uns niemand nehmen. Meinerseits möchte ich euch meine Anerkennung und mein Vertrauen ausdrücken. Stets werde ich euch in mein tägliches Gebet einschließen. Möge euch mein Segen begleiten, den ich allen kirchlichen Gemeinden der Diözese Trapani spende, um sie zu ermutigen, auf der Verkündung des Evangeliums, der einen Quelle wahren Friedens für den Menschen heute und immer, zu beharren. Schnittpunkt christlicher und islamischer Kultur Ansprache an die Bevölkerung von Mazara del Vallo am 8. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich begrüße euch herzlich und danke für die so freundliche Aufnahme. Ich danke dem Herrn Bürgermeister für die aufmerksamen Worte, mit denen er das Empfinden aller zum Ausdruck brachte. Er hat das besonders Kennzeichnende dieser Gegend dargelegt, in der die christliche Gemeinde vor neunhundert Jahren mit der Errichtung einer Diözese zur vollen Reife kam. Mit Herzlichkeit und Achtung begrüße ich den Hirten dieser Kirche, Bischof Emanuele Catarinicchia, und mit ihm die Priester, die Ordensleute und die ganze Gemeinde der Gläubigen. Ich begrüße die anwesenden zivilen und militärischen Obrigkeiten. Es ist dem Nachfolger Petri eine Freude, heute als Pilger des Friedens und Missionar des Evangeliums in eurer Mitte zu weilen. Wie viele Ereignisse kennzeichnen seit neunhundert Jahren das Schicksal dieses Gebietes und seiner Bewohner! Mazara del Vallo ist ein Schnittpunkt europäisch-christlicher und arabisch-islamischer Kultur und erlebt ständig die Herausforderung zu Toleranz und Dialog. Die afrikanische Einwanderung ist hier so stark, daß eure Stadt und Diözese einen Primat der Ausländer im Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung darstellt, was vielschichtige soziale Probleme mit sich bringt, vor allem hinsichtlich der Arbeit. Eure wichtigste Lebensquelle ist seit jeher das Meer, ein freigebiges Meer, das aber gerade deshalb ausgebeutet wird und umstritten ist, was leider oft bis zu bedauernswerten Zusammenstößen ausartet. Die Schwierigkeiten, denen ihr begegnet, ersticken dennoch nicht in euch den Willen, für den echten Fortschritt aller zu wirken. Ihr wißt jedoch sehr gut, daß jeder wahre Fortschritt nicht nur auf den wirtschaftlichen Erfolg gegründet sein kann, da dieser, wenn absolut gesetzt, Korruption nach sich zieht. Es ist unerläßlich, daß die gesamte bürgerliche Gemeinde auf der Grundlage kraftvoller ethischer Werte wachse, und die Quelle dieser Werte ist, wie ihr wißt, geistiger Art! Nur das Licht 387 REISEN des Gewissens und des ethischen Gesetzes ermöglicht es, gerechte Lösungen für die ernsten Fragen zu finden, denen man im täglichen Leben und beim Aufbau der Gesellschaft begegnet. 2. Mein Besuch ist leider kurz. Er schließt sich ideell an den Besuch von 1982 im Belice-Tal an und möchte ein Zeichen der Ermutigung und eine Aufforderung zur Hoffnung für alle sein. Liebe Einwohner von Mazara del Vallo, der Papst ist euch nahe, schätzt euch und hat euch gerne. Er ist heute in eurer Mitte, um euch als Zeichen des Friedens im Geist zu umarmen. Im Namen Christi bringt er euch die freudige Botschaft des Evangeliums, Ferment der Neuheit und der geschwisterlichen Solidarität. Die Botschaft des Evangeliums möge die Entscheidungen erleuchten, die in eurer Stadt getroffen werden, und möge die Einheit der Familien festigen; sie möge dem Einsatz der Jugendlichen neuen Mut verleihen und die Herzen aller für die Aufnahmebereitschaft und den Dienst an den Brüdern und Schwestern öffnen. Diese meine Gefühle verbinde ich mit der Versicherung, euer ständig im Gebet zu gedenken, und so erteile ich euch allen aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Bildet mit eurem priesterlichen Dienst einen Kontrast zur Mafiamentalität Ansprache an Priester und Ordensleute in der Kathedrale von Mazara del Vallo am 8. Mai 1. Voll Zuneigung grüße ich euch alle, meine heben Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Seminaristen dieser geliebten Diözese Mazara del Vallo. Ihr habt euch in der Kathedrale eingefunden, um dem Nachfolger des Petrus zu begegnen. Ich danke euch für euren herzlichen Empfang. Besonders grüße ich euren Hirten, Bischof Emanuele Catarinicchia, dem ich für die schönen Worte danke, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Bei dieser ganz kurzen Begegnung, die dennoch ein einzigartiges kirchliches Erlebnis schafft, möchte ich jeden einzelnen mit einer herzlichen Umarmung im Herrn erreichen können. Ich möchte euch vor allem für den Dienst, den ihr der Kirche leistet, danken. Setzt ihn hochherzig in Gemeinschaft des Sinnes und des Herzens mit eurem Bischof fort, indem ihr mit voller Verfügbarkeit für die gemeinsamen Pastoralziele der Diözesan-gemeinschaft arbeitet. Euer Dienst ist freilich nicht leicht: Manchmal muß er sich einer Mafiamentalität widersetzen, die Haltungen hervorbringt, welche eure pasto-rale Tätigkeit stark herausfordem. Zur Kenntnis nehmend, was die sizilianischen Bischöfe und Priester getan haben, um die Insel von der Plage der Mafia zu befreien, ermahne ich alle, mit erneuter Zuversicht in diesem Einsatz auszuharren, der für die Zukunft der gesamten Gemeinschaft grundlegend wichtig ist. 388 REISEN Seid besonders den Jugendlichen nahe, die allzu häufig die Orientierung verlieren angesichts der vielfachen Anziehungspunkte der heutigen Gesellschaft und oft der Versuchung zu einem Erfolg ohne Anstrengung, zur Droge und zur Gewalt ausgesetzt sind. Versteht es, wirkliche Pädagogen für sie zu sein, die in der Lage sind, ihrer heranreifenden Persönlichkeit zu helfen, in sich die Wahrheit und Freiheit des Planes zu entdecken, den Gott mit ihnen hat. 2. Euch Ordensmännem und Ordensfrauen ist die große Sendung anvertraut worden, Zeugen der Radikalität des Evangeliums und des Primats der Gotteshebe zu sein. Wißt daher der heutigen Welt in voller Gemeinschaft mit der diözesanen Priesterschaft ein hochherziges Zeugnis für die Werte des Geistes anzubieten, indem ihr die Charismen eures Ordens und Instituts in den Dienst der Kirche stellt. Ich danke besonders euch Ordensfrauen für euer Beispiel der Integrierung in die gesamte Pasto-ral auf Diözesan- wie auf Pfarreiebene und ermutige euch, diese kostbare Zusammenarbeit fortzusetzen, ohne jemals den Geist eurer Weihe aus den Augen zu verlieren, sondern ihn vielmehr mit ständigem Gebet und Hören auf den Herrn zu nähren. 3. Mein liebevoller Gedanke geht nun an euch, hebe Seminaristen, die ihr der „Augapfel” der Diözesangemeinschaft seid. Ich danke dem Herrn für den trösthchen Aufschwung der Priester- und Ordensberufe, der in den letzten Jahren zu verzeichnen ist, und ermuntere euch, hebe Jugendhchen, Hoffnung dieser gehebten Kirche, zu einem stets größeren Einsatz bei eurer menschlichen und geistlichen Bildung. Die Bildung, meine heben Brüder und Schwestern, ist für alle eine ständige Anstrengung, die euch durch das ganze Dasein begleiten muß, um stets bereit zu sein, auf die zahlreichen Herausforderungen des gegebenen historischen Augenbhcks zu antworten. Eine Bildung, die im wesenthchen auf Gebet und Liebe, authentischer Liebe zum Herrn und unentgelthcher Gabe seiner selbst an die anderen, gründen möge. Diesen Wunsch wie auch alle eure pastoralen Pläne vertraue ich der heftigen Jungfrau, Königin der Apostel, an und erteile jedem von euch den Apostolischen Segen. Die Familie und die Jugend vor dem Einfluß der Mafia schützen Predigt bei der hl. Messe in Mazara del Vallo am 8. Mai 1. „Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger in Jerusalem wurde immer größer” (Apg 6,7). So, hebe Brüder und Schwestern, lesen wir in der Apostelgeschichte. Sie ist die leidenschaftliche, bewegte Erzählung der mühevollen aber unaufhaltsamen Verwirklichung dessen, was der Herr versprochen hatte: die Ausbreitung des Evangeliums bis an die Grenzen der Erde, ausgehend von Jerusa- 389 REISEN lern, dem Ort der Auferstehung Jesu und der ersten Ausgießung des Geistes über die Jünger. Sie ist nicht der stolze Bericht über einen menschlichen Erfolg und auch nicht die erfreute Feststellung der überwältigenden Aktion einer taumaturgischen Kraft, vielmehr die staunende Betrachtung der Wirksamkeit des Heilswortes, das sich ohne besondere menschliche Mittel, ohne Aufsehen und Lärm immer mehr verbreitet und die Herzen gewinnt. Gewiß leistet die menschliche Mitarbeit ihren Teil dabei: die mutige Verkündigung der ersten Augenzeugen, das Bemühen um Klärung und Aufnahme der Anforderungen, die der Glaube stellt, der Einsatz der ganzen Gemeinschaft, um die Botschaft des Evangeliums den Menschen aller Kulturen zugänglich zu machen. Über all dies liefern die Apostelgeschichte, aber auch die anderen Schriften des Neuen Testaments, einen reichen und faszinierenden Bericht. Das Wachstum der Kirche reduziert sich dennoch nicht auf eine bloß quantitative Ausdehnung. Die neuen Mitglieder, die nach und nach in die Gemeinschaft aufgenommen werden, bilden keine anonyme und formlose Masse: Es sind Menschen, die sich der Verkündigung des Heils stellen und eine Wahl treffen, die für ihr Leben verbindlich ist. Der Glaube dringt in die Tiefe ihres Herzens, verwandelt und erleuchtet es und macht es dadurch fähig, in reifer und verantwortlicher Freiheit am Aufbau des Hauses der Kirche mitzuarbeiten. 2. Das ist im ersten Petrusbrief gemeint, wenn es heißt: „Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen” (2,5). Ja, hebe Brüder und Schwestern! Die Kirche ist ein „geistiges Haus”, bestehend aus „lebendigen Steinen”: den in Christus neugeschaffenen Männern und Frauen. Jesüs ist der „Eckstein”, auserwählt und kostbar, auf dessen Fundament die Kirche unter der Wirkung des Geistes sich selbst durch die Jahrhunderte hindurch aufbaut. Sozusagen um uns vor der häufig wiederkehrenden Versuchung zur Oberflächlichkeit und zu Aufsehenerregendem, aber auch zu Enttäuschung und Ermüdung zu warnen, schärft uns der erste Petrusbrief ein, daß das wahre Fundament der Kirche in der Tiefe gründet: in Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. In ihm „sich zu verwurzeln” ist der Christ gerufen, um so die Kraft zu finden, auf die heilbringende Liebe Gottes ganz zu antworten. 3. Christus ist also die Wurzel, hebe Brüder und Schwestern, aus der auch die Kirche von Mazara del Vallo Leben bezieht und wächst. Die Worte aus der Bibel, die wir soeben gehört haben, scheinen eine Einladung zu sein, über die Größe des Geschenks nachzudenken, das jeder Gläubige empfangen hat: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat” (7 Petr 2,9). Für das Volk der Christen ist dies eine beschlossene Erwählung, eine Berufung, an der königlichen Würde des Priestertums Christi teilzuhaben. Die Größe dieser Beru- 390 REISEN fung macht die Pflicht der Verkündigung dringend. Denn die ganze Welt erwartet sehnlichst die Kunde von den „wunderbaren Werken” des Herrn. Die Menschen sehnen sich danach, ihrer Freude und ihrem Leiden einen wahren Sinn, ihrer unzerstörbaren Hoffnung einen sicheren Halt, der manchmal angstvollen Unruhe ihres Herzens eine befriedigende Antwort zu geben. Es ist Aufgabe der Kirche, auf diese Erwartungen zu antworten. 4. Während sich die Kirche daher Christus zuwendet, um aus ihm die nötige Lebenskraft zu schöpfen, wendet sie sich auch der Welt zu, um auch dieser an den ihr selbst anvertrauten Reichtümem der Wahrheit und der Liebe Anteil zu geben. Das ist mitgemeint, wenn Petrus sagt: „Es ist nicht recht, daß wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen” (Apg 6,2). Die Wahl der sieben Diakone bringt zugleich die Mittelpunktstellung des Gotteswortes, das auf keinen Fall vernachlässigt werden darf, und die Notwendigkeit seiner Verwirklichung im Dienst an den Brüdern zum Ausdruck. Gerade die gleichzeitige Anwesenheit verschiedener Erfahrungen weist in der christlichen Urgemeinde auf das Vorhandensein verschiedener Gaben des Geistes, verschiedener „Charismen” hin. Das Charisma ist durchaus keine willkürliche Initiative des Einzelnen innerhalb der Kirche. Es ist vielmehr die vom Heiligen Geist hervorgerufene Antwort auf ein konkretes Bedürfnis, eine Antwort, die in persönliche Fähigkeiten gelegt, durch die Anerkennung der Gemeinschaft bekräftigt und von der Autorität des Apolstels bestätigt wird. Das echte Charisma steht von seinem Wesen her im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft. 5. Meine lieben Brüder und Schwestern von Mazara del Vallo, wir sind gerufen, aufmerksam über die Lesung aus der Apostelgeschichte nachzudenken, um die „Zeichen der Zeit” zu erkennen und der unvergänglichen Wahrheit des Evangeliums stets treu zu bleiben. Es ist eine Einladung, die der Herr heute abend besonders an eure Diözese richtet, die anläßlich der Neunhundertjahrfeier ihrer Gründung um den Nachfolger des Petrus geschart ist, ein Ereignis, das sie vor allem durch eine gründliche geistliche Erneuerung feiern will. Als Bote der Hoffnung bin ich zu euch gekommen und grüße euch alle mit großer Zuneigung. Ich grüße euren Hirten, den heben Bischof Emanuele Catarinicchia, dem ich für die herzlichen Worte danke, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich grüße die bei dieser Messe anwesenden Bischöfe, die Priester, enge Mitarbeiter des Bischofs im pastoralen Dienst, die Ordensfrauen und Ordensmänner, die berufen sind, ein besonderes evangelisches Zeugnis im Volk der Christen zu leben. Ich grüße die aktiv in den verschiedenen Gebieten des Apostolats tätigen Laien, insbesondere die Jugendlichen, die Kranken und die Leidenden. Meine Ehrerbietung geht an die politischen und militärischen Persönlichkeiten, die bei dieser feierlichen Liturgie mit uns Zusammensein wollten. Herzlich danke ich denen, die zu der Vorbereitung meines kurzen aber intensiven Pastoralbesuchs beigetragen haben. 391 REISEN 6. In diesen neun Jahrhunderten hat der Wechsel der Ereignisse die Geschicke des Landes gezeichnet: Herrschaften und Kulturen, Menschen und Dinge sind einander gefolgt, deren Erinnerung sich im historischen Bewußtsein und in den Denkmälern der Städte erhalten hat. Vor allem aber lebt Christus unter euch! Schon seit den ersten Zeiten der neuen Ära, und besonders seitdem Graf Roger von Hauteyille vor neun Jahrhunderten der fast dreihundert Jahre währenden islamischen Präsenz ein Ende setzte und diese Kirche gründete, wird das Evangelium an dieser Küste immer wieder verkündet. Am Wegkreuz der Geschichte zwischen zwei Kulturen bildete eure Grenzkirche den natürlichen Ort der Begegnung und des Dialogs zwischen der christlichen und der muslimischen Welt und tut es weiterhin, wobei ein erheblicher Beitrag zu einer Kultur der Toleranz und des Friedens geleistet wird. Doch zeichnet sich wie anderorts, so auch hier der Einfluß des Mafia-Wesens, des Spiels dunkler Mächte, und einer Krise ab, die zunehmend die ideellen und ethischen Angelpunkte der Gesellschaft erfaßt. Tatsächlich keimt und wächst die Saat sozialer Ungerechtigkeit, eines urbanistischen und umweltmäßigen Chaos, der Zerstörung der Familie, der Droge, des administrativen und politischen Verfalls. So scheint die traditionelle Liebe zu den religiösen und moralischen Werten im Schwinden begriffen, deren sich die Stadt rühmen konnte, die die Ehre hat, Geburtsort des jugendlichen Schutzhelm, des Märtyrers Vitus, zu sein. Mazara del Vallo besitzt ein geistliches Erbe, das sich in den Jahrhunderten gefestigt und besonders in einer tiefen Verehrung Christi, des Retters, und seiner jungfräulichen Mutter, der eure Kathedrale von ihrem Entstehen an geweiht ist, ausgedrückt hat. Wohl zu schnell gewachsen, hat eure Stadt die Entwicklung mit einem progressiven Zerfall jener altüberkommenen geistlichen Werte gezahlt, auf denen das Gebäude ihres friedlichen und arbeitsamen Zusammenlebens jahrhundertelang ruhte. Die Krise betrifft unter anderem die Einheit der Familie, dieser Festung der moralischen und religiösen Werte, und die Welt der Jugendlichen, die bisweilen solider ideeller Bezugspunkte entbehren und daher den hohlen Verlockungen eines rein materiellen Fortschritts ausgesetzt sind. In einer so komplexen Lage gibt es jedoch große Zeichen der Hoffnung. Es sind die reichlichen menschlichen und geistlichen Energien, die die Woge des moralischen Verfalls eindämmen; es sind die aktiven und selbstlosen Kräfte des „Volontariato”; es ist das weitgespannte spirituelle und apostolische Erwachen der Diözese im Rahmen der Synode, einer erstrangigen Gelegenheit, auf die Herausforderungen des gegenwärtigen geschichtlichen Augenblicks zu antworten. 7. Liebe Brüder und Schwestern, der Herr geht den Weg mit euch. Ihr seid nicht allein; fühlt euch nicht allein. Mit Christus eng vereint, widmet euch ganz dem Aufbau seines heiligen Tempels. Dann werden die überreichen Früchte seines Erbarmens eure Anstrengungen belohnen, und ihr werdet in überraschendem Maß die Freude der Gemeinschaft im einzigen Glauben erfahren. Macht euch mit neuem Ei- 392 REISEN fer auf, einen pastoralen und missionarischen Weg zu gehen, den hochherzige Liebe und solidarische Geschwisterlichkeit kennzeichnen. 8. Was er zu den Aposteln gesagt hat, das sagt Christus heute abend zu euch: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6). Christus ist der Weg der Kirche. In der Kirche ist er der Weg jedes Menschen. Beten wir, daß die Kirche, die unter euch und in euch ist, auf diesem Weg geht -daß die Kirche von Mazara del Vallo jeden Gläubigen auf diesem Weg führe. Beten wir, daß diese eure Kirche, auch dank der mütterlichen Fürsprache Marias und eurer heiligen Schutzpatrone, auf diesem Weg die Wahrheit und das Leben, das Christus ist, finde - daß alle immer mehr in ihm verwurzelt seien. Mögen wir auf immer im Haus des Vaters wohnen. Amen! Kehrt um, eines Tages kommt das Gericht Gottes! Ansprache nach der Meßfeier in Agrigent am 8. Mai Meine Lieben, ich wünsche euch, wie der Diakon gesagt hat, daß ihr in Frieden geht und in eurem Land Frieden findet. Unvergeßlich ist solch eine Meßfeier in diesem Tal mit den griechischen Tempeln im Hintergrund, die Ausdruck hoher Kultur, großer Kunst und auch tiefer Frömmigkeit sind. Die Tempel waren heute Zeugen unserer Eucharistiefeier. Einer von ihnen ist nach der Eintracht benannt. Möge dies ein prophetischer Name sein. Es herrsche Eintracht in diesem eurem Land. Eine Eintracht ohne Tote, ohne Ermordete, ohne Ängste, ohne Drohungen, ohne Opfer. Es herrsche Eintracht. Es herrsche Frieden, nach dem sich jedes Volk sehnt, jeder Mensch, jede Familie. Nach soviel Leiden habt ihr das Recht, in Frieden zu leben. Die Schuldigen, die diesen Frieden stören, haben so viele Menschenopfer auf dem Gewissen. Sie müssen begreifen, daß es nicht erlaubt sein kann, unschuldige Menschen zu töten. Gott hat gesagt: „Du sollst nicht töten!” Kein Mensch, keine menschliche Vereinigung, keine Mafia darf dieses heiligste Gebot Gottes ändern und mit Füßen treten. Das sizilianische Volk ist ein Volk, welches das Leben hebt und das Leben schenkt. Dieses Volk kann nicht immer unter dem Druck einer entgegengesetzten Gesellschaft, einer Gesellschaft im Zeichen des Todes leben. Hier bedarf es einer Gesellschaft im Zeichen des Lebens. Im Namen des gekreuzigten und auferstandenen Christus, des Christus, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, wende ich mich an die Verantwortlichen: Kehrt um, eines Tages kommt das Gericht Gottes! Meine Lieben, ich danke euch für eure Teilnahme an diesem so eindrucksvollen, tiefen und teilnahmsvollen Gebet. Ich schließe mit dem Gruß: Gelobt sei Jesus Christus, der Weg, die Wahrheit und das Leben. Amen. 393 REISEN Die Herausforderungen von Kriminalität und Arbeitslosigkeit annehmen Ansprache an die Bevölkerung von Agrigent am 8. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit tiefer Freude komme ich heute abend nach dem Besuch in Trapani, Erice und Mazara del Vallo nach Agrigent, der Stadt der Tempel, die Pindar, wie der Herr Kommissar der Stadt gerade erwähnte, „die schönste Stadt der Sterblichen” genannt hat. Gern habe ich die Einladung, in diese eure Stadt zu kommen, angenommen, um mit euch einige wichtige Gedenktage zu begehen, nämlich 900 Jahre seit der Wiedererrichtung der Diözese Agrigent und ihrer neuen Evangelisierung, dann das Ger-landus-Jahrzehnt, mit dem ihr euch auf den geplanten neuen apostolischen Einsatz im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend vorbereiten wollt. Ich grüße euch alle und bin euch dankbar für euren warmen Empfang: Herzlich grüße ich den Herrn Kommissar der Stadt und danke ihm für seine höflichen Willkommensworte und dafür, daß er mir die Lage der Stadt geschildert hat, die in letzter Zeit verschiedentlich brutale Gewaltanwendung erleben mußte, aber den festen Willen zu Erneuerung und solidarischer Eintracht besitzt. Ich grüße den Vertreter der italienischen Regiemng wie auch die Autoritäten der Provinz und der Region, die Bürgermeister der Nachbargemeinden sowie alle anwesenden staatlichen und militärischen Autoritäten. Mit Hochachtung und Zuneigung grüße ich den Hirten der Diözese, den lieben Bischof Carmelo Ferraro, die Priester, Ordensleute und alle lebendigen Kräfte der kirchlichen Gemeinschaften, die sich auf dem Weg der Neuevangelisierung ernsthaft einsetzen. 2. Ich grüße dich, Agrigent, eine Stadt mit uralter Kultur, Mutter erhabener Geister und großmütiger Herzen! Wie sollten wir nicht daran denken, daß in dir berühmte Persönlichkeiten geboren wurden, vom alten Empedokles bis zum modernen Piran-dello? Wie sollten wir nicht an deine lange künstlerische und kulturelle Tradition denken, die deine tausendjährige Geschichte kennzeichnet? Und ich grüße dich, Kirche von Agrigent, furchtlos im Glauben, erbaut von den heiligen Bischöfen Libertinus, Gregor und Gerlandus und im Laufe der Jahrhunderte geehrt durch eine große Schar von Heiligen, die ich zu meiner Freude mit der Heiligsprechung von Giacinto Giordano Ansalone und Giuseppe Maria Tomasi noch vermehren durfte. Bürger von Agrigent, im Namen des Auferstandenen und unter dem Blick eurer himmlischen Patrone entbiete ich euch meinen Friedensgruß. 3. Ich komme als Pilger des Evangeliums zu euch, um Jesus, den Heiland der Welt und Erlöser des Menschen, zu verkünden. Ich bin hier, um die Liebe des Vaters zu verkünden und gemeinsam mit euch Gott für die Früchte des Guten zu danken, die der Heilige Geist mit vollen Händen in eure Herzen ausgießt. In diesem eurem edlen Land, dem Vorposten Italiens zum afrikanischen Kontinent und zum Orient hin, lebt 394 REISEN neben den Denkmälern vergangener Größe ein reiches Erbe menschlicher und religiöser Werte, die euren größten und unschätzbaren Reichtum bilden: Aufnahmebereitschaft und Gastlichkeit, Sinn für Freundschaft und Familie, für Ehre und Treue, Originalität und Geist der Anpassung, Achtung vor dem Fremden und Liebe zum Boden, und vor allem ein tiefer Sinn für das Religiöse, der besonders in der Volksfrömmigkeit zum Ausdruck kommt. Auch ich war, als ich herkam, um das herrliche „Tal der Tempel” und die wunderbaren mittelalterlichen Bauten zu bewundern, beeindruckt von der genialen Großzügigkeit der Menschen der Provinz Agrigent. Heute abend aber weile ich unter euch, um euch zu ermuntern, daß ihr unaufhörlich auf dem Weg des Glaubens und der Kultur voranschreitet, der dieses euer ideales Erbe kennzeichnet. Die Bezugspunkte eures Denkens und Handelns sollen immer Gott und sein Gesetz sein, das Evangelium soll die Seele und den Sauerteig eures bürgerlichen und geistlichen Wachstums bilden. 4. Leider wurde euer Leben durch eine Reihe von negativen historischen Ereignissen geprägt, die vor allem mit dem Wechsel der Herrschaftsformen verbunden waren, und zuletzt haben auch noch ein Erdrutsch und das Erdbeben euer Leben schmerzlich getroffen. Euer Menschsein wurde in letzter Zeit noch tief gedemütigt durch ehrlose Taten vereinzelter krimineller Minderheiten und durch übereilte Verallgemeinerungen der öffentlichen Meinung. Agrigent kennt heute die Geißel der Arbeitslosigkeit, die die Ruhe der Familien und die Aussichten der jungen Menschen beeinträchtigt. Meine Lieben, das sind enorme Herausforderungen, die an eure Fähigkeit zur Initiative appellieren und euch aufrufen, euch zu einem überzeugten solidarischen Werk der Erneuerung zusammenzutun. Niemand soll sich von dieser Verantwortung entbunden fühlen. Ich wende mich an euch, die Vertreter der Politik, an euch, Männer aus der Welt der Arbeit, der Schule und der Medien der sozialen Kommunikation. Die derzeitigen Schwierigkeiten mögen in einem jeden den entschiedenen Willen wecken, seinen eigenen Beitrag zu leisten, damit das Gemeinwohl voll ins Auge gefaßt wird und die schwächsten Kreise der Gesellschaft: die Alten, Behinderten, Randexistenzen und Eingewanderten, besondere Aufmerksamkeit finden. Brüder und Schwestern dieser Stadt, habt den Mut zum Frieden: Baut beharrlich eine Gemeinschaft nach Menschenmaß auf, und weist jede Verlockung zu Gewaltanwendung und Egoismus zurück. Der Tempel der Eintracht, das einzige, durch die Jahrhunderte hindurch vom Verfall verschont gebliebene griechische Wahrzeichen, soll für euch gleichsam ein Symbol sein. Hört seinen Aufruf zu solidarischem Einsatz, damit ihr gemeinsam einer gerechteren und froheren Zukunft entgegengeht. 5. Der Herr Jesus, der gelehrt hat, das Leben als Sendung und Dienst aufzufassen, lädt euch, die Glaubenden, ein, wachsam zu bleiben und von den empfangenen Talenten reichen Gebrauch zu machen. Auch von euch fordert er, wie von den ersten Jüngern, Licht der Welt und Salz der Erde zu sein. In seinem Namen weise auch ich 395 REISEN euch hin auf die Wege der Hoffnung und des Wagemutes, der verantwortlichen Beteiligung und des brüderlichen Einsatzes in jedem Bereich des bürgerüchen Zusammenlebens. Vor allem möchte ich euch auffordem, euren Glauben wieder aufblühen zu lassen, so daß ihr zu Herolden der neuen Evangelisierung und Bauleuten einer arbeitsamen und einträchtigen Welt werdet. Die heilige Jungfrau, die in euren Heiligtümern mit so viel Liebe verehrt wird, erleuchte euch das Gewissen; sie bewahre euch vor Gewalttaten und führe euch auf die Pfade des echten Fortschritts, der gediegenen Gerechtigkeit und des wahren Friedens. Ich segne euch alle von Herzen. All derer gedenken, die für die Gerechtigkeit ihr Leben gelassen haben Regina Coeli in Agrigent am 9. Mai Liebe Schwestern und Brüder! 1. Wenn ich die vielen Kinder hier bei diesem marianischen Gebetstreffen sehe, kommen mir unwillkürlich die Worte Jesu in den Sinn; „Laßt die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich” {Mt 19,14). Liebe Mädchen und Jungen von Agrigent, ich grüße euch voll Freude und Liebe, auch euch Mütter und Väter, die ihr sie begleitet. In der Stadt „des blühenden Mandelbaums” seid ihr, liebe Kinder, gleichsam die blühenden Blumen der Gemeinschaft, die Lieblingskinder des himmlischen Vaters, deren Engel sein Antlitz schauen. Während ich euch voll Freude betrachte und dem Herrn für jeden von euch Dank sage, gehen meine Gedanken zu euren Brüdern und Schwestern in aller Welt, besonders zu jenen, die Opfer der Verlassenheit, der Armut und Gewalt geworden sind. Insbesondere fordere ich euch auf, mit mir für die Kinder zu beten, die in so vielen Teilen der Welt unter, dem Krieg leiden. Ich denke in diesem Augenblick vor allem an die Kinder, die in den Konflikt verwickelt sind, der die Balkanländer betrifft. Der Herr schenke dieser gequälten Region in Europa, wo schon seit Jahren mit unmenschlicher Grausamkeit gekämpft wird, auch durch das Leiden der unschuldigen Kinder den Frieden. Auf euch, die ihr die Unschuld und Hoffnung seid, blicken alle und werden nicht müde, mit ganzer Kraft nach Versöhnung und Frieden zu suchen. 2. Ich wende mich jetzt an euch, hebe Eltern, die ihr durch die Weitergabe des Geschenks des Lebens an eure Kinder die vorrangige Aufgabe ihrer ganzheitlichen Bildung übernommen habt. Sorgt euch nicht nur dämm, daß sie körperlich gut heranwachsen, sondern auch darum, daß sie an Weisheit und Gnade zunehmen. Erzieht sie vor allem durch euer Zeugnis und Beispiel zum Glauben an Gott und zur Hoch- 396 REISEN herzigkeit im Dienst am Nächsten; schützt sie vor den Gefahren, führt sie hin zum Gebet und zum lebenspendenden Kontakt mit den Heilsquellen; stützt sie auf dem christlichen Lebensweg. Ich hoffe, daß eure Erziehungsarbeit von der Schule wirksam unterstützt wird. Im Hinblick darauf richte ich gern ein herzliches Grußwort an alle Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer eurer Stadt mit dem Wunsch, jede Schule möge immer eine wirklich erzieherische Gemeinschaft sein zur tatkräftigen Unterstützung und geeigneten Zusammenarbeit mit den Familien, welche das unersetzliche Recht und die Pflicht besitzen, für die menschliche und geistliche Entwicklung ihrer Kinder zu sorgen. 3. Unter den Schulen von Agrigent ist eine von besonderem Interesse und Wert: das Priesterseminar, die Herzmitte der Diözesangemeinschaft und Schmiede hochherziger lugendlicher, die von Christus berufen sind, seine Diener zu sein. Der Herr segne das Priesterseminar eurer Diözese und mache es zu einer Pflanzstätte von Aposteln für die kommende Generation von Agrigent. Er segne die Seminaristen, ihre Familien und alle, die in der Berufspastoral tätig sind. Bitten wir den „Herrn der Ernte”, daß in eurem Land an der Schwelle des neuen Jahrtausends viele Berufungen zum Priesterdienst, zum gottgeweihten Leben und für die Missionen erblühen. 4. Im Verlauf meines Besuches in Sizilien kann ich nicht umhin, mit besonderer innerer Bewegung derer zu gedenken, die ihren entschlossenen Kampf gegen die gewaltigen Mächte des Bösen mit ihrem Lebensopfer bezahlt haben, um die Ideale der Gerechtigkeit und Gesetzlichkeit zu bekräftigen. Getreu der Lehre Christi steht die Kirche allen zur Seite, die sich bemühen, ein soziales Zusammenleben aufzubauen, das von den Werten der Eintracht und des Friedens geprägt ist. Sie fühlt sich verpflichtet, mutig zu handeln, um ein wahres Zeichen der Hoffnung für die gesamte Gesellschaft zu sein, vor allem für die Jugend. Der Herr segne und beschütze das sizilianische Volk allezeit. Wir empfehlen alle unsere Erwartungen und Wünsche der Gottesmutter, die in Agrigent so sehr verehrt wird, indem wir nun den österlichen Lobpreis „Regina Caeli” an sie richten. Nach dem Regina Caeli sagte der Papst: In diesem Augenblick sind in Rom viele Mädchen und Jungen der katholischen Schulen versammelt, die zum Abschluß ihres traditionellen Frühlingslaufs an der Meßfeier teilnehmen zusammen mit vielen gleichaltrigen Jugendlichen, die aus verschiedenen Nationen gekommen sind, um das 150jährige Bestehen des Päpstlichen Kindermissionswerks zu feiern. 397 REISEN Jugendliche von Rom und der Welt, im Namen der Kirche rufe ich euch auf: Bewahrt die solidarische Hochherzigkeit und den missionarischen Eifer, die euer Treffen heute kennzeichnen. Ich grüße euch mit Liebe und segne euch von Herzen. Steht auf und nehmt die Zukunft in eure Hände! Ansprache an die sizilianische Jugend in Ägrigent am 9. Mai Die Worte, die wir eben gehört haben, sind sehr reich, sehr tief, sehr ausgereift, und mir ist klar geworden, daß diese nächtüche Wache, diese österliche Vigil in euch viele Probleme, viele Erfahrungen und vor’ allem euren Glauben hat reifen lassen. Das Ausreifen des Evangeliums bei den jungen Menschen ist heute ein Phänomen, das uns große Hoffnung gibt, denn das Evangelium muß neu durchdacht, neu vertieft und mit neuer geistiger Kraft gelebt werden. Dieses Evangelium muß wieder der Weg, die Wahrheit und das Leben werden: Christus sagt das von sich selbst, aber er ist ja das Evangelium. Dies ist eine kurze Einführung der Ansprache, die ich halten möchte. Wenn mir noch weitere Gedanken und Erwägungen einfallen, werde ich sie hinzufügen. Liebe Jugendliche aus Ägrigent und ganz Sizilien! 1. „Friede sei mit euch!” (Joh 20,19). So grüßte der auferstandene Christus am Abend des ersten Tages nach dem Sabbat Petrus und die anderen Jünger, die sich aus Furcht.vor den Juden im Abendmahlssaal versammelt hatten. Auch ich begrüße euch mit den gleichen Worten, denn es ist mir eine große Freude, euch begegnen zu können und mit dieser herzlichen Jugendveranstaltung den Tag zu eröffnen. Ich grüße euren Bischof, den heben Msgr. Carmelo Ferraro, der euch als seine „Juwelen” bezeichnet hat; Bischof Francesco Micciche, den regionalen Beauftragten für die Jugendpastoral, und die anderen hier anwesenden Bischöfe; ich heiße die Geistlichkeit willkommen, die Animatoren eurer kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen und danke ihnen für die Hingabe, mit der sie das Evangelium euch und mit euch verkündigen. Meine Anerkennung auch eurem Vertreter, der im Namen der gesamten sizilianischen Jugend die Herausforderungen, die Schwierigkeiten und die Hoffnungen verdeutlicht hat, denen ihr auf eurem Weg begegnet. Ich weiß, daß ihr seit gestern abend Wache haltet und lange und intensiv gebetet habt, um euch auf unser heutiges Treffen vorzubereiten. Ich danke euch dafür. Ihr habt euch in die richtige geistige Verfassung bringen wollen, um das zu hören, was der Heilige Geist euch Jugendlichen heute hier, in dieser eurer Heimat, zu sagen hat, und er hat euch - wie er es immer tut - an das erinnert, was Jesus gesagt hat. Der Geist der Wahrheit spricht nicht aus sich selbst heraus: zu jeder Zeit läßt er die Botschaft Christi verkünden, die die Kirche in jenem einzigartigen lebensprühenden 398 REISEN Buch, wie es das Neue Testament ist, zusammengetragen hat (vgl. Joh 16,13-15). So ist Jesus selbst heute nacht gekommen, um an euer Gewissen zu pochen, an das große Herz der hier versammelten Jugend von Agrigent und ganz Sizilien. Er hat durch seinen Geist, durch die Heilige Schrift und durch die Kirche zu euch gesprochen und, sich an jeden von euch wendend, wiederholt: „Ich sage dir: Steh auf, komm und folge mir nach.” Dann haben wir vorhin andere Worte von ihm gehört, mit denen er ohne Umschweife die Bedingungen erläutert, die er an diejenigen stellt, die ihm nachfolgen wollen - „sein Kreuz auf sich nehmen und ihm folgen” -, wofür er als Gegenleistung ein vom Joch der Sünde befreites, der Freiheit und der Freude geöffnetes Leben verspricht. Diese Botschaft entspricht in vollem Maße den Erwartungen des Menschen: Sie ist auch eine erschöpfende Antwort auf das inständige Rufen nach Leben, das sich heute morgen aus diesem Stadion erhebt, in dem die Hoffnungen der gesamten Jugend Siziliens pulsieren. Stadion der Jugend, Stadion des Evangeliums, können wir sagen. Dieses Sportstadion ist heute nacht, heute, heute morgen, am österlichen Sonntag Stadion des Evangeliums, Stadion der Auferstehung, Stadion des Lebens geworden. Des Lebens, das stets den Tod besiegen will und ihn tatsächlich besiegt. 2. Wir leben heute in einer Zeit schneller und radikaler Wandlungen. Wir fragen uns oft, wenn wir mit Besorgnis die Ereignisse verfolgen: „Wohin und mit wem sollen wir gehen?” Eben habt ihr passenderweise betont, daß viele eurer Altersgenossen Angst vor dem Ungewissen und der Zukunft haben. Man ist versucht nachzugeben, sich dem Zweifel und der Mutlosigkeit zu überlassen, beinahe zu müde, um zu leben und weiter für die Wahrheit und das Gute zu kämpfen. „Steh auf!” Das ist die erste bestimmte Aufforderung des Herrn. Junge Menschen Siziliens, „macht euch auf!”, wiederholt Jesus und weckt in seinen Zuhörern eine wunderbare geistige Kraft. Ja, liebe Jugendliche, die ihr mir zuhört, er fordert von euch, aufzustehen; er will, daß in Agrigent, auf der ganzen Insel und überall in der Welt junge Menschen ihre und unsere Zukunft in die Hand nehmen. Warum? Was bedeutet „sich aufmachen”? Es bedeutet vor allem, sich aus einer Situation zu befreien, die uns gefangen hält, und nach Gottes Plan vollwertige Männer und Frauen zu werden. Es bedeutet, gegen die Versuchung anzugehen, sich in der Logik des persönlichen Nutzens abzukapseln, die die Person immer mehr von ihrer wahren Identität entfernt, bis sie unerkennbar ist und den Namen vollkommen vergessen hat. Welchen Namen? Den Namen, den wir alle tragen, den jeder einzelne von uns trägt: Sohn Gottes; Tochter Gottes. Dieser Name ist tief in unsere Herzen eingeprägt; Jesus prägt ihn uns ein, durch sein gesamtes Evangelium, durch sein Bei-uns-Sein, seine Taten, seine Worte und vor allem durch seinen Kreuzestod und seine Auferstehung. Diesen Namen: Sohn Gottes, Söhne und Töchter Gottes. Aufbrechen bedeutet, sich auf den Weg machen, den Weg des Suchens und der Befreiung, des Kampfes gegen den persönlichen Egoismus und der Öffnung für unsere Brüder. Alle körnen diesen Gang der Umwandlung und der Erneuerung gehen. Er 399 REISEN vollzieht sich in erster Linie tief im Inneren unseres Gewissens. Der hl. Lukas erzählt in dem wunderbaren Gleichnis vom barmherzigen Vater, wie der verlorene Sohn „in sich ging und sagte ... ich will aufbrechen ...” (vgl. Lk 15,17-18). Jeder Gläubige ist aufgefordert, den gleichen Weg zu gehen: sich innerlich zu erheben, sich von der Sünde, vom Egoismus, von den Fehltritten abzuwenden und ohne Zögern auf Gott und den Nächsten zuzugehen. Liebe Jugendliche, Sizilien, Italien, die ganze Welt braucht eine erneuerte jugendliche Frische des Geistes; sie brauchen Menschen mit jungen Herzen und junger Gesinnung. Ja, ihr Jugendliche seid eine emblematische Wirklichkeit, denn dieser Aufbruch pocht in euren Herzen. Ihr müßt diese neue, vielversprechende und hoffnungsvolle Menschheit sein. 3. Ihr werdet euch fragen: Wie kann das möglich sein? Der, der zu euch sagt: „Macht euch auf!”, beschränkt sich nicht darauf, euch nur einen Befehl zu geben. Er selbst - so können wir sagen - nimmt euch bei der Hand, ist bei euch, geht gemeinsam mit euch, opfert sich für die Brüder bis zum äußersten. Er beschränkt sich nicht nur darauf, einen Befehl zu geben. Nein, nein, er nimmt euch bei der Hand. Was ist das Evangelium, was ist das Kreuz? Es ist eben dies: Jeden von uns bei der Hand nehmen. Und dann die Auferstehung: die Kraft des Heiligen Geistes. Wirksam bei der Hand nehmen, nicht nur befehlen. Die Möglichkeit geben, sich selbst hingeben. Sich aufopfem, um dem sündigen, dem schwachen Menschen, der stets Bekehrung braucht, Kraft zu geben. Ich bin sicher, daß ihr euch nach dieser langen Wache des Betens und des Nachdenkens klarer und vollkommener bewußt seid, daß derjenige, der zu euch sagt: „Brecht auf’ , der Auferstandene ist. Er, der euch hebt, ist der Auferstandene, der Herr, der tot war, der nun aber in alle Ewigkeit lebt und die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt hat - so steht es in der Offenbarung des Johannes (vgl. Offb 1,18). Er ist es, der euch sagt: „Mach dich auf’, „Macht euch auf.” Er verlangt von euch, auf die Idole dieser Welt zu verzichten und sich für ihn zu entscheiden, für ihn, die Liebe, die unserem Leben einen absoluten Sinn gibt, und er fordert euch auf, eure Jugend wie einen Frühling voller Freude zu leben, wie diesen sizilianischen Frühling heute. Diesen Frühling durch das begeisternde Erlebnis des Schenkens zu leben: seines Schenkens, der Gabe Christi, der Gabe, die jedem von uns angeboten wird, und dann Gabe unseres Selbst an ihn, Gabe unseres Selbst an die anderen, und, durch sie, auch an ihn. Das ist unsere Aussicht auf den Aufbau einer anderen Kultur, einer neuen Kultur: der Kultur der Liebe. Wir sind hier, um diesem großartigen Projekt der Kultur der Liebe einen einleitenden aber objektiven Anstoß zu seiner Verwirklichung zu geben. Dies ist die Kultur Jesu, die Kultur der Kirche, dies ist die wahre christliche Kultur, dies ist eure Kultur. Ihr strebt nach ihr, der Kultur der Liebe, nicht nach einer anderen. In meiner Botschaft an den kommenden Weltjugendtag, der am 14. und 15. August in Denver geplant ist und auf den, wie mir bekannt ist, auch ihr euch vorbereitet, habe ich geschrieben: „Im Geheimnis seines Kreuzes und seiner Auferstehung hat 400 REISEN Christus den Tod und die Sünde besiegt, er hat den unendlichen Abstand zwischen jedem Menschen und dem neuen Leben in ihm überbriickt ... Christus bewirkt all das, indem er uns seinen Geist, den Spender des Lebens, in den Sakramenten schenkt; vor allem in der Taufe ... im Sakrament der Buße ... in der Eucharistie ... Das neue Leben, die Gabe des auferstandenen Herrn, strahlt schließlich in jedem Bereich des menschlichen Lebens aus: in der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz, bei den alltäglichen Beschäftigungen und in der Freizeit” (Botschaft, Nm. 4-5). Der Herr ist aufrichtig mit euch; er sagt ganz deutlich: „Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich” (Mt 12,30); er ruft euch zu einer klaren Entscheidung auf ohne Kompromisse: entweder er oder andere „Meister”, andere „Hirten” , die dem Anschein nach überzeugend sind, die sich aber dann als heimtückisch und falsch her-ausstellen. Es sind diejenigen, die euch auf den Weg der Kriminalität, der Drogen, der illegalen und erniedrigenden Arbeiten, des leeren und oberflächlichen Vergnügens führen. Als ihr eben den Zustand des Todes und der Sündhaftigkeit geschildert habt, mit dem der junge Mensch von heute konfrontiert ist, habt ihr sehr anschaulich auf diese Versuchungen und Gefahren hingewiesen. Ich brauche nicht mehr darüber zu sagen, ihr wißt es besser als ich: Dies ist ja eure Heimat, und ihr tragt ihre schmerzliche Erfahrungen in euch. Ich sage euch nur eines: Begegnet fest und entschieden jedem, der trügerisch Selbstsucht und Gewalttätigkeit sät. Wenn sich je-• mand zufällig im Netz des Bösen verstrickt hat und sich verloren fühlt, kann er in sich gehen und den Mut finden, zum Haus des Vaters zurückzukehren, wie der verlorene Sohn im Evangelium: „Ich will mich aufmachen, ich will mich aufmachen.” Und stets wartet der Vater auf ihn, er wartet auf ihn und wünscht sich nichts sehnlicher, als ihn zu umarmen und ihm zu verzeihen. Das Wort „Mach dich auf’, „Macht euch auf’ regt uns zu dieser Besinnung an. 4. Dann sagt Jesus: „Komm und folge mir nach!” Liebe, junge Freunde, der Herr und Meister ruft alle. Ihm antworten bedeutet, über sein eigenes Schicksal entscheiden, seinem Leben einen Sinn geben. Jede Antwort bedingt eine persönliche, vollkommen freie und unabhängige Entscheidung; das ist Freiheit; sie schließt jedoch auch eine starke gemeinschaftliche und soziale Dimension ein. Ihr müßt euch darüber im klaren sein. Diejenigen, die sehen, wie ernst ihr eure Taufe nehmt, wie ihr den Wert und den Sinn des Bußsakraments neu entdeckt, wie ihr oft die Eucharistie empfangt und nach den Geboten des Evangeliums lebt, müssen sich „angesteckt” fühlen! Wenn jemand sich aufmacht, wenn jemand sich bekehrt, richtet er mit sich die Welt auf, er veranlaßt sie aufzubrechen. Welch wahrhaft erneuernden Auftrieb kann die gesamte Gesellschaft durch all das erhalten! Durch jeden von uns muß die Gesellschaft geheilt und erneuert werden; jeder hat seine Rolle bei dieser gemeinschaftlichen Bekehrung, die die wahre Verwirklichung der Kultur der Liebe ist. Ich wende mich an eine neue Generation, ich spreche zu jungen Menschen. Ich weiß, daß uns zwei Generationen trennen, aber ich fühle mich in eurer Generation, einer 401 REISEN aus eurer Generation. Ich weiß nicht, wie das möglich sein kann, aber es ist so. Ihr macht es möglich! Immerfort ladet ihr den Papst ein: „Komm, sprich zu uns!”, aber ich komme vor allem, um euch zuzuhören und zu lieben. Ich spreche zu dieser Generation, einer Generation, die fähig ist, sich von Christus erneuern zu lassen, die nicht davor zurückschreckt, all das „abzuschneiden”, was mit seinem Evangelium unvereinbar ist. Diese Generation verändert wirklich die Gesellschaft, wenn sie die Übel und die Ungerechtigkeiten, die sie verderben, mit der Wurzel ausreißt. Eine Generation, die sich aufmacht und ihre Verantwortung übernimmt, die Gott und den Nächsten um Vergebung bittet, ja, diese Gesellschaft vermittelt etwas Neues, etwas, das nicht nur eine Saison lang dauert, sondern noch in Kindern und Kindeskindefn Früchte tragen wird. Nach zweitausend Jahren ist das Evangelium noch immer neu, noch immer zu entdecken, noch immer auf die Zukunft ausgerichtet. Glaubt nicht, daß, solange ihr jung seid, es euch zusteht zu urteilen, ohne zugleich euer Leben zu ändern. Nein, meine Lieben, „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit” (Ps 111,10; Spr 1,7), und der Anfang der Erneuerung, sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene, hegt in der Buße und dem Mentalitätswandel. Man ist nicht als junger Mensch in Christus geboren, sondern man wird es. Man wird Christ sein ganzes Leben lang. Ich sage das aus eigener Erfahrung. Es ist keine Frage des Alters, sondern vielmehr des Herzens; es ist eine Frage des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe; es geht darum, „von oben her geboren”, zu werden (vgl. Joh 3,7), aus seiner Initiative, aus seiner Liebe, aus der Liebe Gottes, die wie das Feuer den alten Menschen in uns verbrennt. Ja,.auch in euch, junge Menschen, ist ein wenig von diesem alten Menschen. Die Liebe Gottes verbrennt diesen alten Menschen. Diese Arbeit, diese Gemeinschaftsarbeit mit Jesus, muß so bald wie möglich begonnen werden. Die Liebe Gottes flößt uns seine ewigwährende Jugend ein, sie erneuert uns ständig. So erkläre ich es mir, warum auch ich ein wenig jung sein kann. Es ist vor allem das Verdienst Jesu, aber auch ihr, ihr Jugendliche, tragt zur Verjüngung des Papstes bei. 5. Liebe Jugendliche in Sizilien, wenn ihr es akzeptiert, euch aufzumachen und auf ihn zuzugehen, dann wird Christus euch vorschlagen, das Kreuz zu tragen, wie er es getan hat. Unter dieser Voraussetzung wird er aus euch den Sauerteig und das Salz dieser Erde machen. Darum bietet er euch das höchste, das schwerste, aber auch das schönste aller Ziele: die Heiligkeit, wenn ihr euch Gott und dem Nächsten schenkt. Wie er alles gegeben hat, so verlangt er auch von seinen Freunden, sich gänzlich hinzugeben. „Bleibt in mir, und ich bleibe in euch.” Er trägt seine Aufforderung auf behutsame Weise an euch heran, und wenn ihr „ja” zu ihm sagt, wird sich vor euch der Weg der Heiligkeit auftun, der Sendung und Solidarität bedeutet. Wir haben gehört, wie zwei von euren Altersgenossen Zeugnis gegeben haben. Beide haben über dieses Thema gesprochen. Es waren wunderbare Zeugnisse. 402 REISEN Junge Sizilianer, bleibt in Christus! Erliegt nicht den Verlockungen des ethischen Relativismus; laßt euch nicht von falschen Propheten täuschen. Seid Jünger Christi, und folgt seinem Beispiel. Große Gebiete in Italien, in Europa und den anderen Kontinenten sind geistliches Ödland, dürr, ohne Wasser (vgl. Ps 63,2). Die Kirche ist berufen, in diesen Gebieten Kanäle lebendigen Wassers zu graben, Wege zu Gemeinschaft und Versöhnung anzubahnen, neue Straßen, die der Geist öffnet durch Blicke, Worte und Taten von Menschen, die im Herzen jung sind. Um zu einer solchen Mission beizutragen, müßt ihr als erste lebendiges Wasser in euch aufspeichem und mutige Kundschafter für die Wege des Evangeliums werden. Kann es etwas Vorzüglicheres geben als ein der Versöhnung und der Gerechtigkeit hochherzig gewidmetes Leben? Aber dafür, meine Lieben, müßt ihr „von oben her” geboren werden, aus dem Geist, aus dem Kreuz, aus der Auferstehung und schließlich aus dem Vater, der uns liebt; ihr müßt in Jesus bleiben, ihn „mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft” (.Dtn 6,5) lieben und seine Diener sein. 6. Geht den Weg der Heiligkeit und der Liebe mit Begeisterung und Einsatzbereitschaft. Hört auf Jesus, und vertraut auf ihn. „Ich habe die Welt besiegt”, sagt er. „Bleibt in meiner Liebe” und weiter: „Geht in die Welt hinaus, und verkündet das Evangelium.” Ja, der Sieg, der die Welt bezwingt, ist das Evangelium, der Tod, das Kreuz und die Auferstehung Jesu. Der Sieg, der die Welt bezwingt, ist unser ' Glaube, wie uns der erste Brief des Johannes lehrt (5,4). Jugendliche von Agrigent und ganz Sizilien, laßt euch von seinem Geist führen, und seid für alle, denen ihr begegnet, ein Zeichen des göttlichen Segens. Die Jungfrau von Nazaret, die durch das Ostergeheimnis des göttlichen Sohnes geheiligte Frau, die sich selbst mit Christus für die Erlösung der Menschheit aufgeopfert hat, geht euch auf diesem Weg voraus. Maria ist - auf wunderbare Weise - der neueste und jüngste Mensch, den die Schöpfung kennt: Wählt sie als eure Mutter, als treue Weggefährtin bei der Entdeckung und der Annahme eurer Berufung und eurer Sendung. Von ihr werdet ihr lernen, euch bedingungslos hinzugeben und euch nach Gottes Plan hochherzig einzusetzen: in der jungfräulichen oder ehelichen Weihe, in ehelicher, oder auch geistiger und pastoraler Mutter- und Vaterschaft, überall und immer durch die Gnade Christi. Die Liebe Christi ist reich, unermeßlich reich, und trägt jede dieser Möglichkeiten in sich. All diese Berufungen sind tief in das Leben Christi, in seine messianische Sendung, in sein Herz eingeschrieben. Die Liebe ist das alleinige und endgültige Ziel für jeden Gläubigen. Ich möchte euch noch viele andere Dinge sagen, aber leider vergeht die Zeit zu schnell. Ich versichere euch jedoch, daß ich euch in meinem Herzen trage, und ich bitte euch, eure Freunde, besonders diejenigen, die Licht und Trost am notwendigsten brauchen, meiner Zuneigung und meines Gebetes zu versichern: alle Jugendlichen, alle, auch die, die nicht hier sind. 403 REISEN Nun setzen wir unser Treffen mit dem „Glaubensbekenntnis der Jugendlichen Siziliens” fort. Mit Freude schließe ich mich euch an, um den einen Glauben zu bekennen, der uns vereint und zur Familie Gottes macht. Allen und jedem einzelnen von euch meinen herzlichen Dank, bekräftigt durch meinen besonderen Segen. Der Kampf gegen die Mafia muß von einer KULTUR DER Solidarität getragen werden Ansprache an die Unternehmer in Agrigent am 9. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Gnade sei mit euch und Friede in Fülle” (1 Petr 1,2). Mit diesen Worten des Apostels Petrus heiße ich euch und die gesamte Arbeitswelt, die ihr hier vertretet, herzlichst willkommen. Ich danke dem Präsidenten der Handelskammer für die freundlichen Worte, die er eben an mich gerichtet hat; ich danke den Obrigkeitsvertretem, die an diesem Treffen teilnehmen, den Unternehmern, den Arbeitnehmern, den Verantwortlichen der örtlichen Institutionen, den Leitern der öffentlichen Ämter, den Mitgliedern des Arbeitsrats dieser und anderer Diözesen der Insel. Gnade sei mit euch und Friede in Fülle! Es ist mir eine Freude, heute hier mit Nachdruck diesen Gruß zum Ausdruck zu bringen auf diesem Boden, der die Kennzeichen einer alten, ruhmreichen Vergangenheit trägt, der nun aber aufgrund der kritischen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Situation, die sie bedrängt, eine schwere Zeit durchmacht. Es handelt sich sicherlich um komplexe, schwierig zu lösende Probleme. Wir wissen jedoch, daß der Mensch, von der Gnade Gottes unterstützt, über unerwartete und unerschöpfbare Fähigkeiten verfugt, besonders dann, wenn sein Leben durch den christlichen Glauben und die christliche Hoffnung erleuchtet ist. 2. Liebe Freunde, ich danke euch für euren Empfang. Ich möchte meine große Wertschätzung zum Ausdruck bringen für alles, was ihr auf großmütige Weise zur Vorbereitung meines Besuchs geschaffen habt, nicht nur im kirchlichen Bereich, sondern auch auf dem breiteren Gebiet der sozialen Kräfte, die ihr zusammengerufen, zu einer erneuerten ideellen Spannkraft angeregt und zur besonderen Einsatzbereitschaft für die Jugend aufgerufen habt. Es freut mich, daß die Kirche in Agrigent hinsichtlich dieser Initiative große Tatkraft beweist und sich bemüht, der erhofften gesellschaftlichen Erneuerung Kraft zu verleihen und somit auch auf diesem Sektor ihre Berufung als „Sakrament” der Vereinigung (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1) ausübt. 404 REISEN Wie könnte man die Rolle der Kirche hinsichtlich eines Emeuerungsprozesses unterbewerten, in dem neben den materiellen und strukturellen Aspekten vor allem verschiedene moralische Faktoren entscheidend sind? Denn es wird nichts erreicht, wo die ausreichende Motivierung für das Ergreifen von Initiativen fehlt. Andererseits wird selbst der Unternehmungsgeist zunichte gemacht, wenn er nicht auf ein solidarisches Klima zählen kann und durch Individualismus und Mißtrauen im Keim erstickt wird. Hierin hegt die große Herausforderung, die aufzugreifen die erzieherische Einwirkung der Kirche fähig sein muß, um das Werk der territorialen Erneuerung mit dem Sauerteig des Evangeliums zu durchsetzen. 3. „Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen” {Mt 25,20). Dieser Rechenschaftsbericht des fleißigen Knechts, von dem uns das Bibelgleichnis von den Talenten berichtet, läßt sich gut auf das ganze Leben anwenden, über das Gott je nach den erhaltenen Gaben und Fähigkeiten von uns Rechenschaft verlangen wird. Dennoch enthält dieses Gleichnis auch einen Lichtstrahl, der uns hilft, den christlichen Sinn des Unternehmertums zu begreifen. Es ist dringend nötig, besonders in einem Gebiet wie dem euren mit einer starken Arbeitslosenquote, eine „Kultur der Initiative” und, genauer gesagt, eine „Untemehmenskultur” zu verwirklichen. Es ist daher eine Notwendigkeit daß, insbesondere unter den jungen Generationen, der Sinn für Kreativität auf allen Gebieten, einschließlich dem wirtschaftlichen Bereich, neu entdeckt wird. Man darf nicht alles von den anderen erwarten, ebenso wie man auch vom Staat nicht alles verlangen kann. In ihrem Dokument „Die Kirche Italiens und der Süden” erhofften sich die Bischöfe für die Lösung der Probleme des Südens eine neue „dominierende Rolle der Gesellschaft”: „Eine starke und unabhängige Organisation der bürgerlichen Gesellschaft ist ein entscheidender und unentbehrlicher Faktor für die Entwicklung des Südens” {„Sviluppo nella solidarietä”, Chiesa italiana e Mezzogiomo, 21). Sicher, ein solches Entwicklungsvorhaben verlangt entsprechende Unterstützung und angemessene strukturelle Erleichterungen. Aber es muß in einer offenen kulturellen Einstellung seine eigentliche Motivierung finden. Die christliche Sicht kann in diesem Sinne ein unersetzlicher Beitrag und ein starker Impuls sein, denn sie erinnert daran, daß das Leben Berufung bedeutet: Wir sind die Verwalter der „Talente”, die Gott uns anvertraut hat, und wir müssen sie mehren, um in der uns zur Verfügung stehenden Zeit etwas Nützliches und Gutes zu schaffen. Diese Berufung zur Initiative stellt sich gleichzeitig als ein Aufruf zur Dienstleistung heraus. Im Rahmen einer Dynamik der Liebe hilft sie denjenigen, die die Gabe des Untemehmensgeistes und die Verantwortung einer Führungsposition haben, zu verstehen, daß sie nicht nur für sich produzieren dürfen, sondern auch die Pflicht haben, sich ihrer Brüder anzunehmen. Eine gesunde Untemehmenskultur hat demnach die Aufgabe, den richtigen Mittelweg zwischen Leistungsfähigkeit und Solidarität zu finden. Ich habe in meiner En- 405 REISEN zyklika Centesimus annus geschrieben, daß der Gewinn in soweit legitim ist, als er „Indikator für den guten Zustand und Betrieb des Unternehmens” ist; aber die Vitalität eines Unternehmens hängt auch von anderen Faktoren ab, in erster Linie davon, eine „Gemeinschaft von Menschen zu sein, die auf verschiedene Weise die Erfüllung ihrer grundlegenden Bedürfnisse anstreben und zugleich eine besondere Gruppe im Dienst der Gesamtgesellschaft bilden” (Nr. 35). 4. Dieser Auffassung der Untemehmenskultur muß notwendigerweise eine neue „Arbeitskultur” folgen, die die Menschen, was auch immer ihre Aufgabe innerhalb der Produktionstätigkeit sein mag, in einen Prozeß der Mitverantwortung, der Teilnahme und der Solidarität einbezieht. Die Zeit der frontalen Gegenüberstellungen ist vorbei. In der heutigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Notlage ist es wichtig, Begegnungspunkte zu linden, um auf angemessene Weise die Probleme zu lösen, die die Ruhe und die Zukunft der Arbeiter beeinträchtigen. Eine Kultur der Arbeit bedeutet, christlich verstanden, die Würde des arbeitenden Menschen, seine grundlegenden und unveräußerlichen Rechte und die ihn vertretenden und schützenden Organisationen achten. Eine stärkere Einbeziehung der Subjektivität des Arbeiters in den Produktionsprozeß kann für den Gesundheitszustand der Unternehmen nur positive Auswirkungen haben. Außerdem muß gesagt werden, daß eine wahre Kultur der Arbeit sich nicht auf angemessene Weise entwickeln kann, wenn sie nicht von einer „Kultur der Solidarität” inspiriert und untermauert ist. Diese aber kann ihrerseits in der Welt der Arbeit keine Anwendung finden, wenn eine solche Einstellung nicht gleichzeitig in der gesamten Gesellschaft wächst. Daher fordere ich euch auf, euch auch weiterhin beharrlich für eine generelle Erneuerung der Politik einzusetzen, sie mit stets größerer Entschlossenheit am Ziel des Allgemeinwohls zu orientieren und sie von jener trüben Mentalität der Klientelenwirtschaft zu befreien, die die demokratische Praxis zutiefst verunreinigt. Der beharrliche Kampf gegen die Mentalität und die Organisation der Mafia, die, obwohl sie eine Minderheit darstellt, dieses Land entwürdigt und seine Leistungsfähigkeit abtötet, muß mit Entschlossenheit und der Teilnahme aller fortgesetzt werden. 5. Habt also Mut! Ich sage dies zu allen. Insbesondere richte ich mich an die Unternehmer und an die Arbeiter, die sich Christen nennen. Die Kirche in Sizilien bewegt sich im Zeichen einer begeisternden Sendung: „Dasein, um zu dienen.” Der Getaufte, der Anteil hat an der priesterlichen, prophetischen und königlichen Sendung Christi, hat die Aufgabe, diese Sendung im täglichen Leben zu übernehmen und insbesondere in der Arbeitswelt dieses Programm zu bezeugen. Christliche Unternehmer, dies ist die Stunde, in der ihr aufgerufen seid, euch zu eurer Rolle als Verwalter jener Talente zu bekennen, die der Herr euch gegeben hat, und sie zugunsten der Schwächeren zu mehren. 406 REISEN Arbeiter und alle lebendigen Kräfte der produzierenden Welt, seid nicht die passiven Empfänger der Initiative anderer, sondern vielmehr verantwortungsvolle Mitarbeiter in den Unternehmen und im öffentlichen Dienst. Jugendliche, dies ist eure Stunde! Auf euch lastet die erdrückende Angst vor der Arbeitslosigkeit, aber in euch ist auch die Hoffnung für die Zukunft. Möget ihr angesichts der vielen anstehenden Probleme zu einem mutigen Beweis der Liebe, zur innigen Verbundenheit mit Christus, dem Erlöser des Menschen, und zu einem zusätzlichen Einsatz fähig sein, um die augenblickliche Krise zu überwinden. Liebe Brüder und Schwestern, ich ersuche euch alle, euch mit kindlicher Hingabe der heiligen Jungfrau, der Beschützerin eurer Heimat, anzuvertrauen. Möge euch auch der Apostolische Segen ein Trost sein, den ich euch, euren Familien, insbesondere den Arbeitslosen und allen, die sich in einer besorgniserregenden wirtschaftlichen Lage befinden, von Herzen erteile. Möge der Herr euch helfen, im Herzen Lebensmut und Hoffnung zu bewahren. Wer sich dem Wort Gottes verschließt, der gefährdet das soziale Leben Predigt bei der heiligen Messe im Tal der Tempel von Agrigent am 9. Mai 1. „Herr, zeig uns den Vater” (Joh 14,8). Auf dem Höhepunkt und am Abschluß des messianischen Wirkens Jesu von Naza-ret, am Vorabend seines Leidens und Sterbens am Kreuz, bitten die im Abendmahlssaal versammelten Apostel, insbesondere Philippus, den Meister: „Herr, zeig uns den Vater.” Jesus entgegnet ihnen darauf: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen ... ich bin im Vater und der Vater ist in mir” (vgl. Joh 14,9.11). Das letzte Gespräch zwischen den Jüngern und ihrem Meister ist voll tiefer Bedeutsamkeit; in ihm konzentrieren sich, gewissermaßen darin eingeschlossen, die wichtigsten Elemente der Frohbotschaft. Während seiner Mission auf Erden hatte Jesus unablässig vom Vater gesprochen, hatte immer in Einheit mit ihm gelebt und sich in allem stets auf ihn bezogen. Er, der ganz aus Ihm und für Ihn ist, hatte die Jünger auf gefordert, zu ihm zu beten und ihn „Vater unser” zu nennen. Beim Letzten Abendmahl sagte er, auf die Frage des Philippus antwortend: „Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke ... glaubt wenigstens aufgrund der Werke!” (Joh 14,10-11). 2. Wer ist Gott? Die Antwort auf diese Frage ist für das lieben des Menschen zweifellos von erstrangiger und grundlegender Bedeutung. Die Antworten auf die Fragen: „Gibt es Gott?” und „Wer ist Gott?” sind im Überfluß in der von Christus verkündeten Frohbotschaft zu finden. „Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht” {Joh 1,18)- Er hat uns Gott in seiner unendli- 407 REISEN chen Herrlichkeit offenbart. Obwohl er für uns Menschen stets ein Geheimnis bleiben wird, erlaubt uns dieser Gott - der Vater, der Sohn und der Heilige Geist - ihn beim Namen zu nennen. Bereits im Alten Bund wurde sein Name den Menschen offenbart: Jahwe, „Der, der da ist”. In der Offenbarung des Evangeliums wird dieser Name Gottes, ohne seine ursprüngliche Identität zu verlieren, dem Menschen gewissermaßen auf noch einleuchtendere Weise verständhch gemacht: „Der, der da ist”, ist Vater, Sohn und Heihger Geist. So ist es den Gläubigen gegeben, durch ihren Glauben die unergründliche Einheit der Dreifaltigkeit zu erkennen. 3. Gleichzeitig hat sich dieser unermeßliche und geheimnisvolle Gott in seinem Eingeborenen Sohn auf unsagbare Weise dem Menschen genähert: In ihm, dem fleischgewordenen Wort, ist Gott Mensch geworden. Deshalb ist es dem Menschen nun möglich, Gott zu sehen: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen” (Joh 14,9). Aber Gott hat noch mehr getan: Christus, der Sohn Gottes, ist als „Weg zum Vater” unter die Menschen gekommen. Er, der vom Vater ausgegangen ist und durch sein Kreuz und seine Auferstehung zu ihm zurückkehrt, wird für uns alle der „Weg”. Durch ihn „gehen” auch wir zum Vater: durch Christus, im Heiligen Geist. Durch ihn können wir an der Fülle der Wahrheit und dem Leben, das Gott selbst ist, teilhaben: Jahwe, d. h. „Der, der da ist”, ist eben diese absolute göttliche Fülle, an der uns in Christus Anteil gegeben wird. „Niemand kommt zum Vater außer durch mich” (Joh 14,6), sagt Jesus. In ihm erlangt die menschliche Existenz ihr höchstes Ziel in Gott, der sich kundtut als ewige „Wohnstatt” für den Menschen, dessen Erdenleben wie eine Pilgerreise auf der Suche nach dem Absoluten ist. „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen” (Joh 14,2): demnach werden auch viele dort eine Bleibe finden. Auf die Fragen und Schwierigkeiten des nach Verständnis suchenden Menschen, der sich, mit dieser Aussage konfrontiert, fragt, wie so etwas möglich sein kann, antwortet Jesus: „Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?” (Joh 14,2). So werden wir zum Höhepunkt unseres Glaubens und unserer Hoffnung geführt: Das messianische Wirken Christi, der das Evangelium vom Reich Gottes verkündet und das Ostergeheimnis verwirklicht, ist eine einzige Vorbereitung auf die endgültige Vereinigung mit Gott. Durch diese Heilssendung bereitet uns der Sohn einen Platz im Haus des Vaters vor. Wir alle sind somit berufen, wir alle sind eingeladen, in den ewigen Wohnungen zu leben und an jener Fülle der Wahrheit und des Lebens, das Gott selbst ist, teilzuhaben und sie zu genießen. 4. Die Aufforderung, in der ewigen Wohnstatt zu leben, gilt uns allen, liebe Brüder und Schwestern, die wir hier in diesem bezaubernden Tal, Zeuge der alten und ruhmreichen Kirche des hl. Libertino, versammelt sind. Wir befinden uns vor dem größten noch erhaltenen antiken Tempelkomplex. Er spricht zu uns von dem starken 408 REISEN Verlangen nach Gott, das in jedem Zeitalter und in jeder Kultur das Herz der Menschheit erfüllte. Gerne lese und interpretiere ich mit euch dieses Johannesevangelium vom heutigen Sonntag. Es erfüllt mich mit Freude, daß diese antiken Säulen der griechischen Tempel nach Jahrtausenden die lebendige Stimme des Evangeliums, der christlichen Offenbarung, hören können. Heute abend erfahren wir zum Abschluß meines Besuchs in eurer Diözese ein besonderes Glaubens- und Gemein-schaftserlebnis. Liebe Gläubigen, aus allen Teilen der Insel kommend, habt ihr euch mit dem Nachfolger Petri versammelt, um eure Treue zu Christus, dem Eckstein, der das gesamte Bauwerk Gottes strukturiert, erneut zu bekräftigen. Ihr seid die Zeugen Jesu, der der Weg, die Wahrheit und das Leben der Menschen dieser sizilianischen Erde ist. Euer Dasein ist dazu bestimmt, mehr und mehr im Sinn des Evangeliums Zeichen der Versöhnung und der Auferstehung zu werden. 5. Wenn sich der Mensch dem Glauben öffnet, erfährt er, daß Egoismus durch Selbstlosigkeit, Haß durch Liebe, Rache durch Vergebung, Gier durch aufopfernde Dienstbereitschaft, Selbstsucht und Individualismus durch Solidarität, Zwietracht durch Eintracht - gleich dem Namen dieses antiken Tempels nahe von Agrigent -und Gewalt durch Barmherzigkeit ersetzt wird. Dies geschieht, wenn sich der Mensch dem Glauben öffnet. Wenn hingegen das Wort Gottes und seine Heilsbotschaft auf Ablehnung stoßen, kommt es zur Zerrüttung der moraüschen Werte, was sich sehr leicht negativ auf das soziale Leben auswirkt. Liegt nicht hierin der eigentliche Grund für das Scheitern einer auf Eigennützigkeit aufgebauten Kultur, die den wahren Bedürfnissen der Menschen nicht Rechnung trägt, besonders denen der ärmeren Schichten, die dazu verurteilt sind, Opfer der Ungerechtigkeiten einer mehr und mehr von reinem Konkurrenzdenken und ständig weniger von Solidarität geprägten Gesellschaft zu bleiben. Die wahre Kraft, die fähig ist, diese zerstörenden Tendenzen zu besiegen, entspringt aus dem Glauben. Dies bedingt jedoch nicht nur eine persönliche innere Zustimmung, sondern auch ein mutiges Zeugnis nach außen hin, das in der überzeugten Verurteilung des Bösen Ausdmck findet. Dieses Zeugnis verlangt hier in eurer Heimat nach einer eindeutigen Ablehnung der Kultur der Mafia, dieser Kultur des Todes, die von Grund auf unmenschlich, dem Evangelium entgegengesetzt und eine Bedrohung der menschlichen Würde und des gesellschaftlichen Zusammenlebens ist. 6. Die große Armut, die so viel Leid unter euer Volk gebracht hat und für zahlreiche Männer und Frauen der Anlaß war, sich von allem zu trennen, was ihnen lieb und teuer war, und in ferne Länder auszuwandem, hat das Aufkommen und die Ausbreitung regelrechter sozialer Krankheiten gefördert, wie das Großgrundbesitzertum und die verschiedenen Erscheinungen der Mafia. Gleichzeitig haben jedoch viele, die sich in solchen schwierigen Situationen befinden, gelernt, ihr Leid mit Würde zu tragen, mit Ausdauer zu arbeiten und niemals die Hoffnung auf Gott und den Menschen zu verlieren. 409 REISEN Wie das sizilianische Volk in der Vergangenheit fähig war, langen und schmerzlichen Prüfungen standzuhalten, so verfügt es auch heute über die notwendige Kraft, um, durch die Solidarität der ganzen italienischen Nation unterstützt, die heutigen Wunden zu heilen, für die vielfach große Rückschläge in den sozialen Verhältnissen die Verantwortung tragen. Die sizilianische Kirche ist heute ebenso wie gestern aufgerufen, den Einsatz, die Bemühungen und die Gefahren derer zu teilen, die, auch oft zu ihrem eigenen Nachteil, dafür kämpfen, die Voraussetzungen für eine Zukunft im Zeichen des Fortschritts, der Gerechtigkeit und des Friedens überall auf der Insel zu schaffen. 7. Meine Lieben, möge euch bei diesem brüderlichen und einträchtigen Streben die göttliche Gnade helfen. „Wende dich uns zu, Herr; wir hoffen auf dich” (.Antwortpsalm): Diese vertrauensvolle Bitte hat die Liturgie uns soeben wiederholen lassen. Wir hoffen auf den Herrn: Diese unerschütterliche Sicherheit stützt die Schritte derer, die sich für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen. Möge dies auch für euch alle, die ihr lebendige Steine dieses antiken Bauwerks, nämlich der Kirche Gottes auf ihrer Pilgerschaft in Sizilien, seid, eine Ermutigung sein. In diesem Sinne umarme ich mit Freude im Herrn die heben Bischöfe dieser Region, die zusammen mit dem Erzbischof von Palermo, Kardinal Salvatore Pappalardo, hier zugegen sind. Ganz besonders begrüße ich Bischof Carmelo Ferraro, den Hirten der Diözese Agrigent, in der diese festliche Eucharistiefeier stattfindet. Ich danke ihm von Herzen für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Weiter gehen meine Gedanken an die Welt- und Ordenspriester, an die Ordensfrauen und Ordensmänner, die Mitglieder der Säkularinstitute und der Gesellschaften des apostolischen Lebens wie auch an die Laien, die sich auf hochherzige Weise in verschiedenen Bereichen in ihren verschiedenen Berufungen und mit unterschiedlichen Aufgaben im christlichen Leben einsetzen. Schließlich geht noch ein besonders herzlicher Gedanke an die Kranken, an die, die hier anwesend sind, und viele ändere, die ich alle zusammen in mein Gebet und mein Anliegen einschheßen möchte. Dann bleiben noch die Jugendlichen. Sie haben die ganze Nacht gewacht. Sie müßten müde und erschöpft sein, aber davon ist nichts zu merken. Statt dessen kann man ihre Kraft sehen. Woher kommt diese Kraft? Ich glaube, sie kommt vom Geist, den der Herr denen nicht verwehrt, die ihn bitten. Diese Jugendlichen haben die ganze Nacht hindurch gebetet. Meine Lieben, ich wünsche euch diese Kraft, diese Kraft des Guten, die Kraft zur Überwindung der Schwierigkeiten und der moralischen Leiden eurer Heimat. Die Kraft für eine bessere Zukunft Siziliens. In diesen Zusammenhang passen gut die Worte des Apostels Petras: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heftiger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten Gottes verkündet” (7 Petr 2,9). 410 REISEN Seid alle Apostel dessen, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat. Dies ist meine Weisung an euch; insbesondere an euch Jugendliche und an alle Mitglieder dieser wunderbaren christlichen Gemeinde von Agrigent. 8. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6): Wie er einst zu den Aposteln sprach, so spricht Jesus heute abend auch zu uns. Er sagt weiter: „... ich werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe -den Weg dorthin kennt ihr” (Joh 14,3-4), denn „ich gehe zum Vater”. Christus, seinem Gebet und seinem Evangelium folgend, wiederholen wir alle gemeinsam heute abend „Vater unser”. Es ist das Gebet unseres Lebens. Wir bemühen uns nicht nur, uns die Anrufungen dieses Gebets zu eigen zu machen, sondern wir wollen Christus, den einzigen Weg zum Vater, von ganzem Herzen und mit unserem ganzen Leben lieben. Herr Jesus, „zeig uns den Vater; das genügt uns” {Joh 14,8). Amen. Glaube und Leben sind nicht voneinander zu trennen! Ansprache an Priester, Ordensleute und Laien in der Kathedrale von Agrigent am 9. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude richte ich diese Worte an euch, lobe Jesus Christus hier vor euch, bin ich heute hier in eurer Mitte, mit der gesamten Kirche von Agrigent. Mein Gruß gilt allen Anwesenden, allen Vertretern der dienenden Kirche von Agrigent, den Priestern, den Ordensleuten und die ihrem Apostolat in den Pfarrgemein-den der Diözese Agrigent gewidmeten Laien. Herzlichst grüße ich euren Hirten, Msgr. Carmelo Ferraro, euren Metropoliten und Erzbischof von Palermo, Kardinal Salvatore Pappalardo. Ferner begrüße ich alle anwesenden Bischöfe, die sizilianischen wie auch diejenigen, die hier zu Gast sind, alle Priester, diese wertvollen und eifrigen Mitarbeiter eures Bischofs Carmelo; ich grüße die Diakone, die kraft der Sakramente die der gesamten Kirche eigenen dienenden Dimension Ausdruck verleihen; die Ordensleute, die der Herr durch ihre totale Selbsthingabe für die Mitbrüder zu freudigen Verkündern der Radikalität des Evangeliums berufen hat. Ich grüße auch die Eheleute, die durch ihre innige Lebensgemeinschaft der bräutlichen Liebe Christi für seine Kirche Ausdruck verleihen, indem sie sich der anspruchsvollen Aufgabe der Erziehung ihrer Kinder im Geist Gottes widmen. Mein Gruß gilt auch allen, die in den verschiedensten Bereichen tätig sind, insbesondere den Laien, die sich hochherzig für das Wohl ihrer Pfarrgemeinden einset-zen, wie auch den Mitgliedern kirchlicher Vereinigungen und diözesaner Einrichtungen, deren Aufgabe die Evangelisierung und das Zeugnis der Nächstenliebe ist. 411 REISEN Es ist schön, hier alle Vertreter der Kirche von Agrigent versammelt zu sehen, in einem einzigartigen Zeugnis der Gemeinschaftlichkeit, fast ein Stück Himmel in dieser der Aufnahme Mariens in den Himmel geweihten Kathedrale. Dieses Treffen erinnert gewissermaßen an das eindrucksvolle Vorbild der ersten in der Apostelgeschichte beschriebenen christlichen Gemeinde: Männer und Frauen, wie ein Herz und eine Seele, „sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes” (vgl. Apg 2,42). An diesem beispielhaften Vorbild sollten wir uns ständig messen, vor allem in den letzten Jahren dieses Jahrhunderts, während wir uns auf die Aufgaben und Verantwortungen des dritten christlichen Jahrhunderts vorbereiten. Könnte unsere Evangelisierungsbotschaft von eingehender Wirkung sein, wenn sie nicht in erster Linie ein Zeugnis der Gemeinschaft wäre? Jesus hat diesen Aspekt klar und deutlich zum Ausdruck gebracht: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt” (Joh 13,35). 2. In der Tat erkennt die Kirche in der „Diakonie”, in dem ständigen Dienst der Liebe, das eigentliche Wesen ihrer Sendung. In ihr wird alles zum Dienst am Nächsten. Entspricht das nicht dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils? Mein verehrter Vorgänger, Paul VI., betonte dies, als er schrieb: „Die reiche Aussage dieser Lehre weist in eine einzige Richtung: Dienst am Menschen, in jeder Situation, bei allem Leid und allen Bedürfnissen. Die Kirche hat sich gewissermaßen zur Dienerin der Menschheit erklärt” (Paul VI., Insegnamenti, Bd. III. 1965, S. 730). In dieser großartigen und dramatischen Stunde unserer Geschichte, während die Keime eines neuen Frühlings des Evangeliums erkennbar sind, ist es gut, über die Gnadengaben des Herrn nachzudenken, um sie mit Offenheit und Großmut empfangen zu können. Gerne wiederhole ich heute morgen die Worte des Apostels Paulus aus seinem Brief an die Korinther: „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt” (7 Kor 12,7). An die Römer schrieb er: „Wir haben unterschiedliche Gaben, je nach der uns verliehenen Gnade” (Röm 12,6). Wir müssen also lernen, die Gaben des Herrn zu erkennen, um ihn zu loben, ihm zu danken und auf verantwortungsvolle Art und Weise unseren Platz in jener Mission einzunehmen, die die Vorsehung Gottes uns anvertraut hat. 3. Liebe Brüder und Schwestern der Kirche von Agrigent! Ihr steht vor einer bedeutenden Aufgabe. Ihr seid eine Kirche antiken Ursprungs, aus der eine ruhmvolle Schar Heiliger hervorgegangen ist. Ihr wißt, daß die Verkündigung des Evangeliums für jede Generation eine Herausforderung ist, eine schwere Herausforderung insbesondere in der heutigen Zeit des kulturellen Umbruchs, in der traditionelle Werte leicht im Namen eines beschämenden gedanklichen und ethischen Relativismus in Frage gestellt werden, der den wahren Sinn des Lebens vernichtet und Hoffnungen zu zerstören droht. 412 REISEN In der Vergangenheit konnte eure Diözese bereits eine „Neuevangelisierung” erleben, die vor ungefähr neun Jahrhunderten von dem hl. Bischof Gerlandus erfolgreich durchgeführt wurde, und die ihr nun auf angemessene Weise mit einem ihrer Erinnerung geweihten Dezennium feiert. Wir brauchen heute dringend eine ähnliche den Anforderungen der jetzigen Zeit angepaßte Initiative. Das Ziel ist stets das gleiche: es geht nach wie vor darum, Jesus, den Erlöser der Menschheit, zu verkünden, ihn als „den Weg, die Wahrheit und das Leben” (vgl. Joh 14,6) zu bekennen und als „Mittelpunkt der Menschheit, die Freude aller Herzen und die Erfüllung ihrer Sehnsüchte” (Gaudium et spes, Nr. 45) darzustellen. Euch, hebe Brüder und Schwestern, ist die Verkündigung dieser Botschaft anvertraut: möget ihr stets in zunehmendem Maße eine dienende Kirche werden, um mehr und mehr eine missionarische Kirche zu sein. 4. Eure Evangelisierungsaufgabe soll in erster Linie von einer Sorge geprägt sein: der Sauerteig des Evangeliums muß das Leben und die Kultur der Menschheit durchdringen, damit die Aufnahme des Gottes Wortes Gefühle prägen und Verhaltensweisen orientieren möge. Insbesondere in Gebieten alter christlicher Tradition wird der Glaube leicht zu einer oberflächlichen Färbung, unfähig, einen tieferen Einfluß auf das Leben zu nehmen. So erklärt sich das bedauernswerte aber verbreitete Phänomen einer wenig erhellten religiösen Praxis, die mit einer Haltung einhergeht, nur auf ungenügende Art und Weise vom Evangelium inspiriert ist. Glaube und Leben können nicht parallel nebeneinander herlaufen. Die christliche Verkündigung will „neue Menschen” schaffen. Daher macht sich diese Verkündigung die volle Lehre zu eigen, ohne Einschränkungen und Versäumnisse. Zu diesem Zweck kann eine reife Wiederentdeckung des Gotteswortes ebenso wie eine eingehende und systematische Kenntnis der kirchlichen Lehre, wie auf maßgebliche Art und Weise im neuen Katechismus der Katholischen Kirche dargelegt wurde, für eure Evangelisierungsarbeit von Nutzen sein. Aber abgesehen von der lehr amtlichen Sorge sind Katecheten, Erzieher und christliche Eltern zur Vermittlung einer vitalen und ergreifenden Botschaft aufgerufen, die durch die Erfahrung im Rahmen der Gemeinschaft zur Begegnung mit Gott führt. Hierin besteht die Aufgabe einer erneuerten Katechese, die wir heute so dringend brauchen. 5. Ich weiß, daß ihr euch bereits aktiv in diesem Sinn einsetzt, wie die Emeuerungs-bemühungen zur Vorbereitung meines Besuchs beweisen. Auch der Papst ist in gewisser Hinsicht nützlich in der Kirche. Einige sagen, er wird gebraucht, um Straßen zu reparieren. ... Ich finde diese Einstellung gar nicht schlecht, denn sie hat auch eine metaphorische Bedeutung. Wir wissen nur zu gut, wer die Straßen „repariert” hat, wer aufgerufen hat, die Straßen zu „reparieren”. Kirche von Agrigent, gehe voll Vertrauen den begonnen Weg weiter. Laß dich vom Geist Gottes führen und nicht von jenen Hindernissen behindern, denen du unweigerlich begegnen wirst. „... habt Mut: Ich habe die Welt besiegt” (Joh 16,33): das wiederholt dir der Herr des ewigen Lebens. 413 REISEN Auch ich wiederhole es euch; den Priestern, und Ordensleuten, damit ihr durch die Neuentdeckung eurer vollkommenen Zugehörigkeit zu Christus seine unerschrockenen, beharrlichen, und hochherzigen Apostel werdet. Ebenso wiederhole ich es für die Laien, damit ihr durch das intensive Erleben eures königlichen Priestertums in der aktiven Teilnahme am kirchlichen Dienstamt „stets bereit seid, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt” (vgl. 1 Petr 3,15). Sorgt vor allem dafür, daß eure Familien „kleine Kirchen” werden, Schulen der Heiligkeit, und Menschlichkeit,, Sauerteig des Evangeliums in der Gesellschaft. Möge die hl. Jungfrau euch begleiten. Ihrer Obhut vertraue ich jeden von euch an, während ich mich darauf vorbereite, ihr Bildnis im Sanktuarium von Montevago, im Belice-Tal, zu krönen. Möge die Königin des Himmels von allen als ein leuchtendes Licht im Sturm des Lebens betrachtet werden, als hebevolle Mutter, die ihre Kinder aufnimmt und behütet. Jedem von euch und allen, die euch im Herrn nahestehen, erteile ich meinen Segen. Der auf erstandene Christus siegt über das Böse Ansprache an die Bevölkerung von Caltanissetta am 9. Mai 1. „Seid gegrüßt” .{Mt.28,9). Liebe Brüder und Schwestern, es ist mir eine Freude, mit den Worten, die der auferstandene Christus an die zu seinem Grab geeilten Frauen richtete, euch alle zu begrüßen, die ihr an diesem Abend in der Viale Regina Margherita, nahe beim Haus eures Bischofs, zusammengekommen seid. Ich bin froh, endlich in eurer Mitte weilen zu können! Schon im vergangenen Jahr hätte ich kommen sohen, und ich weiß, daß ihr meinen Besuch seit langem erwartet hattet, der dann jedoch aus euch bekannten Gründen leider nicht stattfinden konnte. Ich weiß, daß ihr mich in den Tagen der Erkrankung und der Genesung treu mit eurem Gebet begleitet habt. Danke! Seid gegrüßt, „chairete”. Dieser Gruß des Herrn, den die Liturgie am Ostersonntag wiederholt, ist, seinem tiefsten Sinn entsprechend, eine Einladung zur Freude: „Freut euch!” Er verkündet eine freudige Nachricht. Er ist Licht, das vom Antlitz Christi auf die ganze Menschheit ausstrahlt. Gerne mache ich mir bei der ersten Begegnung mit euch, bei diesem ersten Zusammentreffen mit der im Herzen Siziliens gelegenen Diözese Caltanissetta diesen Wunsch des Herrn zu eigen. Euren herzlichen Willkommensgruß möchte ich mit den Worten Christi selbst erwidern. Herzlich begrüße ich alle Männer und Frauen dieser Gegend, vor allem jene, die sich für das Wohl und die Erneuerung der Gesellschaft einsetzen. Jedem einzelnen reiche ich als Bruder und Freund die Hand. Mein aufrichtiger Dank gilt dem Herrn Regionalkommissar für die freundlichen Worte, die er an mich ge- 414 REISEN richtet hat; achtungsvoll begrüße ich den Präfekten der Provinz, die zivilen und militärischen Obrigkeiten, die höflicherweise hier versammelt sind, um mich am heutigen Abend, am Beginn meines Aufenthaltes in Caltanissetta, dieser an Glaube und Geschichte reichen Stadt, zu begrüßen. Insbesondere gilt mein Gruß den Söhnen und Töchtern der Kirche in Caltanissetta, euch allen, die ihr im Papst den Nachfolger Petri seht, das sichtbare Prinzip und Fundament der Kirche Christi. Mit Achtung und Liebe begrüße ich den geliebten Bischof Alfredo Maria Garsia, euren eifrigen Hirten, der mich auch in eurem Namen eingeladen hat, euch zu besuchen. Mit ihm möchte ich die Priester, die Ordensleute und die apostolisch engagierten Laien sowie die verschiedenen Gremien eurer Diözesangemeinde begrüßen, die sich mit Sorgfalt auf diese unsere Begegnung vorbereitet haben. Mein Besuch bei euch fällt nach Abschluß der ersten Phase eurer Diözesansynode mit einem heiklen und bedeutsamen Augenblick eures kirchlichen Lebens zusammen. 2. Liebe Brüder und Schwestern, ich komme zu euch im Namen des Auferstandenen, ich komme als Pilger der Hoffnung und der Geschwisterlichkeit. Ich weiß, daß ich auf diesem Boden zahlreiche Energien und große Bereitschaft antreffe, aber auch sehr viele Probleme und begreifliche Gründe zur Besorgnis. Euch allen, jedem einzelnen von euch, hebe Bürger von Caltanissetta und der ganzen Umgebung, möchte ich die Worte Christi wiederholen: „Fürchtet euch nicht!” (Mt 28,10). In dieser mühevollen Lage, in der sich die Gesellschaft befindet, läßt das Wort des Herrn neue Hoffnung aufkommen und verleiht den Mut, der notwendig ist, um unerschrockenen eine neue Welt aufzubauen. Auf dem Berg, der diese schöne Stadt überragt, erhebt sich das Monument Christi, des Erlösers, das zu Beginn unseres Jahrhunderts errichtet wurde. Jesus streckt segnend die Arme über die Insel aus und zeigt das Kreuz, Zeichen des Heils und der Erlösung, Caltanissetta! Im Herzen Siziliens gelegen, bist du der Schnittpunkt von Straßen, die den Weg der sizilianischen Zivilisation markiert haben: Sei auch heute noch auf der Höhe dieser deiner Berufung, entdecke erneut den Glauben deiner Ahnen, wachse ohne Zaudern in treuer und williger Verwirklichung der Werte des bürgerlichen Zusammenlebens. Sei ein Ort des Willkommens und der Begegnung! Kirche von Caltanissetta! An der Schwelle des dritten Jahrtausends richtet Christus, wie einst an alle seine Jünger, an dich die Worte des Missionsauftrags: „Geht und verkündet” (Mt 28,10). Geh und verkünde, Kirche von Caltanissetta! Lebe rückhaltlos deinen Glauben, gib ihn mutig weiter, entflamme in den Herzen den apostolischen Eifer, lege Zeugnis für die Nächstenliebe ab. Sorge vor allem dafür, daß alle die zärtliche Liebe Gottes erfahren können. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Männer und Frauen guten Willens! Ich komme zu euch mit einer Botschaft der Hoffnung, die nicht auf leichtfertigem Optimismus, 415 REISEN sondern auf der Kraft des Glaubens beruht. Freilich, das Böse breitet sich leider aus und zerstört nicht nur die gesellschaftlichen Beziehungen, sondern, und sogar in erster Linie, die Gewissen. Es handelt sich hier um eine Tatsache, mit der man rechnen muß. Dennoch sind wir überzeugt, daß das Böse nicht das letzte Wort behalten wird: Der Sieg ist der des auferstandenen Christus, der uns mit dem Apostel Paulus zuruft: „Besiege das Böse durch das Gute!” (Röm 12,21). Das ist unsere Herausforderung; das ist unser persönliches und gemeinschaftliches Engagement. Möge uns bei diesem Kampf der Erzengel Michael unterstützen, der Engel des Sieges über das Böse, der himmlische Beschützer der Kirche von Caltanissetta. Ihm, der jungfräulichen Mutter Gottes, den heiligen Patronen eurer Stadt und der Dörfer, aus denen ihr kommt, vertraue ich meinen Besuch an, und allen Anwesenden sowie allen, die mit uns geistlich vereint sind, erteile ich aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Sich nicht den trügerischen Verlockungen falscher Ideale öffnen Predigt bei der heiligen Messe in Caltanissetta am 10. Mai 1. „Maria machte sich auf den Weg in eine Stadt im Bergland ... und eilte ... Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet” (Lk 1,39-40). Liebe Brüder und Schwestern, das Geheimnis der Heimsuchung der heiligsten Jungfrau wird uns vom eben gehörten Wort Gottes als Vorbild und Anregung für diesen Besuch dargeboten, mit dem ich endlich auf eure Einladung antworten kann. Ich hätte ihn schon im vergangenen September machen wollen, aber der Herr hat es anders entschieden. Ihr wart mir nahe in der Zeit meiner Krankheit, und heute bin ich froh, daß ich euch persönlich für eure Sorge und vor allem für eure Gebete danken kann. Herzlich grüße ich euch und meine Mitbrüder im Bischofsamt, denen die Diözesen Siziliens anvertraut sind, zumal Bischof Alfredo Maria Garsia, der die Empfindungen der Gemeinschaft von Caltanissetta zum Ausdruck gebracht hat. Ich grüße alle Priester, die mit ihrem Bischof im Band der pastoralen Liebe verbunden sind. Ich grüße die Ordensleute und die gottgeweihten Laien, die in dieser Ortskirche ihr Charisma leben. Ich grüße die anwesenden Autoritäten und danke ihnen dafür, daß sie an der heutigen Eucharistiefeier teilnehmen wollten, die den Höhepunkt meiner Pilgerfahrt in eurer Diözese darstellt. 2. „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Fmcht deines Leibes” (Lk 1,42). Diese von Dankbarkeit erfüllten Worte greifen die vom Engel Gabriel an Maria gerichteten Worte auf und ergänzen sie, denn er hatte ja seine Verkündigung mit den Worten begonnen: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir” (Lk 1,28). 416 REISEN Das Wort des göttlichen Boten stellt das auf den Kopf, was die Stammeitem Adam und Eva nach dem Ungehorsam der ursprünglichen Sünde vernommen hatten. Daran hat uns die heutige Lesung aus dem Buch Genesis erinnert (3,9-15.20). Der vom Engel an Maria gerichtete Gruß bei der Verkündigung bezeichnet jedoch zugleich die Erfüllung der ursprünglichen Verheißung Gottes, des Schöpfers und Retters, die man gewöhnlich als „Ur-Evangelium” bezeichnet. Darin hatte Gott von Anfang an das Kommen des Messias in die Welt als Erlöser und Sieger über den Tod, die Sünde und Satan zugesichert und ihn zugleich als „Sproß”, das heißt als Sohn der Frau, angekündigt. Das Warten auf jene Frau, die neue Eva und Mutter des Messias, hatte begonnen, seit die erste Eva „Mutter aller Lebenden” (Gen 3,20) geworden war. 3. Im Augenblick, da Elisabet, voll des Heiligen Geistes, Maria begrüßt und ihr die Pforten ihres Hauses öffnet, offenbart sich die Erfüllung dieses Wartens: „Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?” (Lk 1,43). Die alte Kusine erfährt die erleuchtende Kraft des Tröstergeistes und spricht dies mit der Seligpreisung Mariens aus: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ” (.Lk 1,45). Maria hat geglaubt. In ihr hat sich der Glaube Abrahams erneuert und seinen Gipfel erreicht. Als sie nämlich die Worte der Engelsbotschaft vernommen hatte, antwortete sie: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast” (Lk 1,38). Deswegen wird die Jungfrau von Nararet, während sie den Glanz ihrer jungfräulichen Weihe an Gott bewahrt, zugleich die Mutter des menschgewordenen Wortes. Die Mutter des dem Vater wesensgleichen Sohnes. „Und gesegnet ist die Fracht deines Leibes” (Lk 1,42). 4. Maria hat geglaubt: „Für Gott ist nichts unmöglich” (Lk 1,37). Dank ihres vollkommenen Glaubens hat sie sich in aller Demut an die Spitze einer einzigartigen und alle umfassenden Pilgerreise gestellt, die sich die Jahrhunderte und Generationen hindurch entfaltet: Die Mutter Jesu ist die Erste bei der Pilgerreise des Glaubens des Volkes des neuen und ewigen Bundes. Es geht um eine „innerliche” Pilgerreise. „Es handelt sich um eine Pilgerschaft im Glauben, in der Kraft des auferstandenen Herrn ... im Heiligen Geist, der der Kirche als unsichtbarer Beistand geschenkt ist ... Auf diesem kirchlichen Pilgerweg durch Raum und Zeit und noch mehr in der Geschichte der Seelen ist Maria zugegen als diejenige, die ,selig ist, weil sie geglaubt hat’” (Redemptoris Mater, Nr. 25). 5. Maria ist also Beginn und Bild der Kirche. In der Erfüllung ihres Glaubensweges an der Seite des Sohnes begann ein weiterer Pilgerweg in Gemeinschaft mit der Kirche. Christus selbst hat auf Golgotha seiner Mutter ihren künftigen Weg vorgezeichnet, indem er sie dem Liebesjünger anvertraute: „Siehe, dein Sohn” (Joh 19,26), und in ihm vertraute er ihr alle Menschen an. Deswegen finden wir Maria im Abendmahlssaal von Jerusalem wieder in eifrigem Gebet mit den Aposteln und mit der ersten Gemeinschaft der entstehenden Kirche, 417 REISEN die durch das Wirken des Heiligen Geistes sich der Welt am Pfingsttag offenbaren sollte. 6. Liebe Brüder und Schwestern, dieses Stadion ist heute für uns wie ein großer zum Himmel hin geöffneter Abendmahlssaal. Mein Blick erfaßt ringsum diese eure andächtige und festliche Versammlung. In Gedanken mochte ich aber auch jene umfassen, die sich mit unserem Gebet über Radio und Fernsehen verbinden. Ich denke besonders an die Alten und alle, die trotz ihres Wunsches nicht persönlich bei uns weilen können. Ich denke an die ganze Familie der Christen in diesem Land, an alle Menschen guten Wthens> die an dieser unserer Stunde des Glaubens und des kirchlichen Lebens teilnehmen. Ich sehe unter euch zahlreiche Kranke. Ich möchte mich insbesondere mit ermutigenden, Hoffnung machenden "Worten an die zahlreiche Gruppe der Thalassämiekranken wenden. Liebe Brüder Und Schwestern, bringt eure Leiden in Vereinigung mit dem euchari-stischen Opfer dar, und vertraut auf den Herrn. Er verläßt keinen, der sich ihm än-vertraut. Ich wünsche von Herzen, daß euch möglichst bald die Ergebnisse der in Gang befindlichen Forschungen über neue Heilverfahren für die Mittelmeeranämie zum Nutzen werden. In diesem Klima brüderlicher Solidarität grüße ich herzlich die Mitglieder der Bruderschaften, die Königsritter von Caltanissetta, die Arbeiter auf dem Land und in den Gruben. Es sind auch zahlreiche Jugendliche anwesend. Fast zur gleichen Stunde haben wir gestern in einem anderen Stadion, in Agrigent, gemeinsam die Anwesenheit und den Eifer der Jugendlichen erlebt, die nicht nur aus der Diözese, sondern aus ganz Sizilien gekommen waren. Was ihr heute erlebt, ist gleichsam eine Ergänzung des Erlebnisses von gestern und der gestern mit allen Jugendlichen Siziliens getroffenen Entscheidungen. Die Jugendlichen in ihrer Lebendigkeit geben diesem neuen Sportplatz eine besonders festliche Note. Erinnern wir uns immer daran, daß der hl. Paulus zwei Wettkämpfer verglichen hat: die Athleten im sportlichen Wettkampf und die Wettkämpfer im Glauben. Ich wünsche euch, daß ihr beide Formen pflegt. Ich wünsche, daß ein jeder von euch zu jener Hochherzigkeit und vollen .Reife des Geistes gelangt, damit ihr so für Kirche und Gesellschaft Frucht bringt., Liebe, junge Freunde, ihr wißt gut, daß sich die Sportler auf die Wettkämpfe in diesem Stadion lange und sorgfältig vorbereiten, nicht wenige Opfer und Entsagungen auf sich nehmen und sich auch der Anleitung anspruchsvoller Meister unterwerfen, die in den verschiedenen Sportarten erfahren sind. Bereitet auch ihr euch vor, euch dem Kampf des Lebens einsatzfreüdig zu stellen, und widersteht den Versuchungen zu leichten und illusorischen Erfolgen. Öffnet euer Herz nicht den trügerischen Verlockungen falscher Ideale. Sagt „Nein” zur Gewaltanwendung, zur Droge, zu unehrlichem Gewinn und Erfolg. Christus braucht euch. Aber nicht einseitig; ihr braucht auch Christus, ihr braucht ihn sogar sehr! Er weilt immer unter uns als „Emmanuel”, als ein Gott, der für uns da ist. Macht also Gebrauch davon! Ich freue mich, daß ihr hier in 418 REISEN Sizilien euch dieses Offensein Christi für uns zunutze macht und er. das Geschenk für eure jungen Herzen ist, für eure Lebenspläne, wie die Jugend sie hat, für eure Zukunftserwartungen, eure Sorgen und auch für eure Hoffnungen. Trainiert also, lauft täglich im Stadion des Lebens, um hochherzige und eifrige Erbauer der „Kultur der Liebe” zu sein. Seid Apostel für eure Altersgenossen. 7. Die Mutter des Erlösers, die wir als Beginn und Vorbild der Kirche auf dem Weg betrachtet haben, leuchtet heute in einem einzigartigen Licht eurer Diözesanfamilie voran, die zu ihrer ersten Synode versammelt ist. Möge Maria Fürbitte einlegen, damit der Heilige Geist Herz und Antlitz dieser kirchlichen Gemeinschaft erneuert und sie fähig macht, überall den Geist Christi zu verbreiten. Liebe Brüder und Schwestern, wenn ihr diese Stunde der Gnade als Erfahrung echter Gemeinschaft lebt, werdet ihr auch den Reichtum der göttlichen Gnade erfahren. Ihr werdet in der gegenseitigen .Liebe wachsen und in der gelebten Einheit, die aus der innersten Gemeinschaft mit Gott stammt. Ihr werdet spüren, daß ein jeder in Wahrheit den anderen und alle anderen zusammen in sich trägt auf einem Weg ständigen Wachsens in der Liebe. Dies ist der gestaltgebende Kern der Synode und muß auch ihr Hauptanliegen sein. Wir müssen uns vor Augen halten: Die Vorschläge und Entschließungen der Synode werden gewiß wichtig sein, entscheidend für das Leben eurer Kirche wird aber vor allem die menschlich-göttliche Erfahrung der gegenseitigen Kenntnis, Freundschaft und herzlichen Gemeinschaft sein, die die Synode in euch wecken wird. Synode ist ein griechisches Wort und bedeutet „gemeinsam gehen”. Die bei der Synode erlebte Gemeinschaft wird euch die Gesellschaft, in der eure Kirche lebt, mit Augen betrachten lassen, die von der Weisheit erleuchtet sind. Daher ist es auch wichtig, das kulturelle Klima kennenzulemen, das die Gesprächspartner und die Adressaten der Botschaft atmen, ihre Probleme und Fragen und die Gründe für ihre Ablehnung Gottes, des Christentums und der Kirche herauszufin-den. Die Synode wird euch dahin führen, daß ihr der Gesellschaft gegenüber eine Haltung des Dienens einnehmt, um ihre Sorgen, Erwartungen und Leiden durch das Zeugnis von Personen und Gemeinschaften zu erhellen, die an das Evangelium glauben und es leben. Doch denkt daran, meine Lieben: Eine Kirche, die der Gesellschaft, in der sie lebt, eine Haltung des Dienens entgegenbringt, muß fest in Gott verankert und gänzlich ihrem Herrn verfügbar sein. Die Antwort der Mutter Gottes, ihr bereitwilliges, hochherziges und gänzliches „siehe, da bin ich”, zeigt von der Gemeinschaft her betrachtet die Züge einer Kirche auf, die auf ihren Herrn hin lebt, um seinen Willen anzunehmen, und diesen zur unumstößlichen Norm ihres Handelns macht. Dies ist in etwa der operative Rahmen, der Plan, das pastorale Aktionsprogramm einer jeden Synode, auch für eure Synode von Caltanissetta. 8. Geht zuversichtlich diesen Weg, ja lauft, eilt ihn voran, ahmt Maria nach, die „zuinnerst in die Heilsgeschichte eingegangen ist ... die Gläubigen hin zu ihrem 419 REISEN Sohn und seinem Qpfer und zur Liebe des Vaters ruft” {Lumen Gentium, Nr. 65). Sie möge euch in dieser pastoral so wichtigen Zeit stützen. Wie ich in der Enzyklika Redemptoris Mater gesagt habe, hat ihre geistliche Präsenz „einen vielseitigen Wirkungsbereich: durch den Glauben und die Frömmigkeit der einzelnen Gläubigen, durch die Traditionen der christlichen Familien oder der ,Hauskirchen’, der Pfarr-und Missionsgemeinden, der Ordensgemeinschaften der Diözese” (Nr. 28). 9. Seid nach dem Bild der Mutter Gottes im Vollsinne Kirche und Menschheit auf dem Weg voll von Glaube, Hoffnung und Liebe, damit man auch von eurer Gemeinschaft sagen kann: „Gesegnet bist du ... und gesegnet ist die Frucht deines Leibes!” Maria, Mutter der Kirche, begleite diese Diözese, die sich dir heute in kindlicher Hingabe anvertraut. Wiederhole diesem Volk die Worte, die der Engel dir bei der ersten Verkündigung gesagt hat: „Fürchte dich nicht!” Fürchte dich nicht, Kirche von Caltanissetta! Der Herr ist mit dir! Der Herr wird „über das Haus Jakobs für immer herrschen”. „Mein Geist jubelt in meinem Gott.” Amen. Am Ende der im Stadion der Stadt gefeierten heiligen Messe richtete der Papst noch folgende Worte an die Anwesenden: Liebe Brüder und Schwestern von. Caltanissetta: „Wer singt, betet doppelt.” Das sind Worte des hl. Augustinus, Kirchenlehrer und Meister unseres Glaubens. Ich möchte bemerken, daß diesen Beifall alle verdienen, die diesen Besuch vorbereitet haben, nicht nur hier in Caltanissetta, sondern auch in Agrigent und auf den anderen Stationen meines Besuches: in Trapani und Erice und in Mazara del Vallo. Ich möchte diesem Dank, der allen gilt, die zu diesem Gottesdienst zusammengearbeitet haben, in besonderer Weise den Dank für diesen Chor hinzufügen. Ich danke auch allen anderen Chören, die auf meiner Pilgerreise in Sizilien gesungen haben. Die Sänger bei der heutigen Feier müssen meine Worte den anderen mitteilen, die auch ihre Verdienste haben. „Wer singt, betet doppelt.” Dank dieser Chöre haben wir doppelt gebetet. Auch diese Bilanz muß am Ende meines Pastoralbesuches gezogen werden, indem wir dem Herrn für dieses Geschenk danken: Dank der Gesänge haben sich unsere Gebete in Sizilien verdoppelt. Die Musik besitzt einen prophetischen Wert, denn in der Kunst der Musik und ihrer Methodik zeigt sich immer die Harmonie. Und gerade das hat einen prophetischen Wert, weil wir auf alle möglichen Harmonien hingewiesen werden, die unser menschliches Leben beherrschen und tragen müssen, die innere Harmonie des Herzens, die Harmonie in der ehelichen und der Familiengemeinschaft, die Harmonie in den verschiedenen Bereichen der Arbeit, der Schule und des gemeinsamen Lebens. Auch in den Kreisen des gottgeweihten Le- 420 REISEN bens und in der Ortskirche, der Diözese, der Pfarrei und in der Weltkirche, ja in der ganzen Gesellschaft ist Harmonie wichtig. Den prophetischen Wert der Musik und ihre prophetische Aufgabe möchte ich Sizilien als Auftrag hinterlassen, weil hier die Harmonie so notwendig ist. Sie ist notwendig, um alles das zu überwinden, was der Harmonie und Einheit und der gegenseitigen Achtung drastisch, bmtal und grausam widerstreitet, der Harmonie, der Einheit, der gegenseitigen Achtung zwischen den Personen, Kreisen und einzelnen Gemeinschaften, vor allem aber der Harmonie, die unsere Beziehungen zu Gott beherrschen muß. Es ist nicht möglich, daß in einer derart frommen, religiösen und christlichen Gemeinschaft das Gegenteil existieren, ja sogar in gewissem Sinn beherrschend werden kann. Das, was Gott beleidigt, und den anderen, unseren Nächsten, unseren Bruder, zerstört. Dies ist der letzte Auftrag, den ich euch anvertraue. Gestern habe ich es getan durch das große Erbe der griechischen Kunst, vor dem wir in Agrigent die Eucharistie gefeiert haben. Heute tue ich es durch die Musik. Möge ihre prophetische Kraft ein Antrieb sein, das Leben zu verbessern, damit das soziale Leben in Sizilien, das so zahlreiche glänzende Aspekte und Reichtümer aufweist, mit dem, was von Gott stammt und was Gott von uns erwartet, in Einklang kommt. Für uns ist der Sohn der Jungfrau Mensch geworden, unser Emmanuel, „Gott mit uns”. Er fordert von uns, daß wir diese seine ständige Gegenwart achten. Aber diese Gegenwart wird gewiß nicht respektiert, wenn man das Leben einer anderen Person nicht achtet. Zur Ausbildung der Jugend und für den Dienst am kranken Menschen Ansprache an das regionale Berufsausbildungs- und Schulungszentmm in Caltanissetta am 10. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine Freude, der Einweihung dieses großen Gebäudekomplexes beiwohnen zu können, der als berufliches Ausbildungs- und Weiterbildungszentrum für das Personal des Gesundheitsdienstes genutzt werden soll. Herzlich grüße ich den Präsidenten der Region Sizilien, Dr. Giuseppe Campione, und danke ihm für die freundlichen Willkommensworte, die er an mich gerichtet hat. Ebenfalls möchte ich Professor Antonino Gullotti begrüßen, der kurz die Zielsetzung des „Verbands für Hygiene, vorbeugende Medizin und öffentliches Gesundheitswesen” dargestellt hat, jener Organisation, die den Kongreß in diesen Tagen in die Wege geleitet hat; auch grüße ich und danke Professor Alessandro Hoffmann für seine wichtigen Erläuterungen über die Natur und die Ziele des Zentrums. Ich möchte ebenso die anwesenden Vertreter der Verwaltungs-, Zivil- und Militärobrigkeiten wie auch die Leiter 421 REISEN der örtlichen Gesundheitsbehörde willkommenheißen, die zusammen mit den kommunalen, provinzialen und regionalen Verwaltungsorganen dieses Werk gefördert hat. ■ Ein besonderer Gedanke geht an die Teilnehmer des sizilianisch-kalabrischen Treffens des italienischen Verbands für Hygiene, vorbeugende Medizin und öffentliches Gesundheitswesen, das augenblicklich hier stattfindet: Dieses Treffen unterstreicht eine bedeutende Charakteristik der neuen Gebäude, in denen wir uns befinden. Fast im Zentrum Siziliens gelegen und dank eines modernen und gut ausgebauten Straßennetzes mit den wichtigsten Städten der Insel verbunden, eignen sie sich sehr gut als Ort für Begegnung und Gedankenaustausch, in erster Linie zum Wohl eurer Region und ihrer menschlichen und kulturellen Entwicklung, und, im weiteren Sinne, zum Wohl Süditaliens. Wenn man dann die besondere Position Siziliens im Zentrum des Mittelmeerraums berücksichtigt, darf man mit Recht voraussehen, daß sich hier Menschen verschiedenster kultureller, sprachlicher und religiöser Herkunft aus den an das Mittelmeer angrenzenden Ländern treffen können.1 • Auch dank ihrer speziellen Ausbildungstätigkeit auf dem Gebiet des Gesundheitswesens wird eure Einrichtung in der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern, vor allem des mediterranen Beckens und Afrikas, eine bedeutende Funktion haben. Ich wünsche euch von Herzen, daß all das dazu beitragen wird, damit Sizilien seine Rolle als Brücke zwischen den verschiedenen Kulturen und Völkern wiederentdek-ken kann; eine Rolle, die auf seiner geographischen Lage und seiner Geschichte als Verbindungspunkt zwischen Westeuropa, Südasien und dem islamischen Afrika beruht. 2. Die wichtigste Aufgabe eures Zentrums hegt zweifellos in der Ausbildung, und zu diesem Zweck ist es mit Hörsälen und Laboratorien versehen, die mit den modernsten Apparaturen ausgestattet sind. In den Räumlichkeiten des Internats werden junge Menschen Aufnahme finden, deren Ziel es ist, im Gesundheitswesen, in der Technik und der Verwaltung lokaler Gesundheitseinrichtungen Siziliens und anderer süditalienischer Regionen tätig zu sein. Aber es werden auch Auszubildende aus den Entwicklungsländern, vor allem aus dem Mittelmeerraum und aus Afrika, angenommen. Eine Abteilung des Fachbereichs für Hygiene der medizinischen Fakultät der Universität von Palermo wird hier ihren Sitz haben, um so zahlreichen Studenten die Möglichkeit einer spezifischen Ausbildung auf dem Gebiet der Hygiene und für die Ausübung des Arztberufs zu geben. Das Zentrum wird also ein Ort der Ausbildung junger Menschen in den Bereichen der Medizin, der Krankenbetreuung, der Technik und der Verwaltung der Strukturen des Gesundheitswesens sein. Es wird gleichzeitig dem Bedarf nach größerer Beschäftigung entgegenkommen, wovon Ruhe und Freudigkeit in den Familien und bei der jungen Generation abhän-gen, die oft aufgrund mangelnder Arbeitsplätze gezwungen sind, ihre Heimat zu 422 REISEN verlassen oder mit großen Schwierigkeiten und in wirtschaftlicher Unsicherheit zu leben. Es muß anerkannt werden, daß die Verantwortlichen der öffentlichen Verwaltung mit der Verwirklichung dieses Projekts auf eine Reihe konvergierender Ziele kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Charakters, die alle von größter Wichtigkeit sind, hingearbeitet haben. 3. Insbesondere sind zwei Punkte dieses Projekts bezeichnend: die Ausbildung der Jugend und der Dienst am kranken Menschen. Es ist notwendiger denn je, daß die neuen Generationen sich nicht nur technisches Fachwissen, sondern auch eine gesunde ethische Einstehung zum Dienst an der Menschheit und am leidenden Menschen aneignen. Die Ausbildung für die Arbeit auf diesem Gebiet ist vor allem für junge Leute auf zweifache Weise formativ: nicht nur in rein beruflicher Hinsicht, sondern im erweiterten Sinn auch in ethischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Eine Gesellschaft, die ernsthaft auf dem Gesundheitssektor investiert und in hohem Maße auf die Qualität der Dienstleistungen und die Kompetenz des Personals achtet, ist eine Gesellschaft, die sich für wahre Zivilisation, für echten Wohlstand entscheidet, der nie lediglich auf das reine Trachten nach materiellem Gewinn beschränkt werden kann. Die christliche Gemeinschaft hat, dem Beispiel Christi folgend, „im Laufe der Jahrhunderte den Dienst am kranken Menschen als integrierenden Bestandteil ihrer Sendung betrachtet” (Motu proprio Dolentium hominum, Nr. 1). Daher ist sie froh über jede staatliche und private Initiative, die den Kranken zugute kommt. In meinem Apostoüschen Schreiben über die Bedeutung des menschlichen Schmerzes sagte ich, daß „Christus zugleich den Menschen gelehrt hat, durch das Leiden Gutes zu wirken und dem Gutes zu tun, der leidet” (Salvifici doloris, Nr. 30). Der kranke Mensch kann durch sein Leiden Gutes tun, indem er es im Licht des Evangeliums lebt, und alle Gläubigen sind aufgerufen, durch ihre Werke der Nächstenliebe „den Leidtragenden Gutes zu tun”. Die Ziele des Ausbildungszentrums von Caltanissetta sind deutlich von jenen menschlichen und evangelischen Idealen geprägt, die in der Kultur und der Geschichte Siziliens eine so wichtige Rolle gespielt haben und noch immer spielen können. Während ich also mit Freude diese neue Initiative von hohem sozialen Wert unterstütze, versichere ich euch erneut meine Anerkennung und wünsche euch allen, daß die großen Anstrengungen für ihre Verwirklichung immer mehr von befriedigenden und nutzbringenden Resultaten belohnt werden. Zu diesem Zweck erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. 423 REISEN Die Heilsbotschaft verhindert, den Mensch als Ware zu erniedrigen Ansprache an Arbeitnehmer in Caltanissetta am 10. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit lebhaftem Interesse habe ich die Grußadressen vernommen, die an mich gerichtet wurden und die mir die wirtschaftliche und soziale Lage sowie die Ängste und Erwartungen der Arbeitswelt und dieser eurer Insel vor Augen führten. Aus ganzem Herzen danke ich Herrn Dr. Francisco Rosario Avema und Herrn Guglielmo Ventimiglia, die sich zu Sprechern der Unternehmer, der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dieser Diözese gemacht haben. Ich begrüße euch alle sehr herzlich. Es ist mir eine Freude, hier als Vertreter der sizilianischen Diözesen zahlreiche in der Pastoral der Arbeitswelt und der Migrationen Tätige begrüßen und ihnen meine Wertschätzung für ihre Tätigkeit ausdrücken zu können. Und wie könnte ich es unterlassen, mit brüderlicher Anteilnahme jene Arbeitnehmer zu begrüßen, deren Beschäftigung gerade jetzt infrage gestellt ist? Hier wie in anderen Gebieten Süditaliens bedrängen ernste Probleme die Welt der Arbeit, verunsichern die Familien und lasten besorgniserregend auf der Zukunft der Jugend. Arbeitslosigkeit, Arbeitsmangel und Ausgrenzung sind Probleme von lebenswichtiger Bedeutung und schwieriger Lösung, und das aufgrund des sozio-kultureflen Kontextes, der - wie vorher erwähnt wurde - von einem gewissen Individualismus, von verfänglichen Formen der Illegalität und von nicht immer entsprechendem beruflichen Können gekennzeichnet ist. Heute, bei dieser Begegnung mit euch, möchte ich alle, die sich in diesem Augenblick in einer so besorgniserregenden Krise befinden, der Solidarität der Kirche versichern. Ich möchte ihnen die Gründe für die christliche Hoffnung in Erinnerung rufen, aus der sie Kraft für einen mutigen und solidarischen Einsatz schöpfen sollen. Ja, liebe Brüder und Schwestern, so groß auch die Probleme der Arbeitswelt sein mögen, man darf sich von ihnen nie entmutigen lassen: Die Hoffnung der Glaubenden ist auf Christus gegründet, auf das menschgewordene Wort, das sich zum Weggefährten aller Menschen macht und bis ins letzte das tägüche Abenteuer der einzelnen mitlebt. Blickt hoffnungsvoll auf ihn: Er selbst hat sich zum Arbeiter gemacht und den Menschen das „Evangelium der Arbeit” verkündet. Seiner Lehre kann man weise und lichtvolle Richtlinien entnehmen, die, wenn sie treu befolgt werden, die starren Mechanismen der Wirtschaft beseelen und sie in den Dienst der Einzelperson und des Gemeinwohls stellen können. 2. Wie ich in der Enzyklika Laborem exercens erläutern konnte, besteht zwischen der Arbeit und dem Menschen, der sie verrichtet, eine tiefe Beziehung und eine we- 424 REISEN senseigene Unterwerfung der Arbeit unter den Menschen, der sie ausübt (vgl. Nr. 6). Die christliche Botschaft von der Würde der menschlichen Person ist demnach ein ebenso unverzichtbarer wie erfolgversprechender Schlüssel zur korrekten Lösung der die Arbeit betreffenden Probleme. In einer Zeit wie der unseren, in welcher der kulturelle Relativismus vorherrscht und man nicht selten nur mühsam den echten Sinn des Lebens erfaßt, kann leicht auch das Wissen um die menschliche Würde in Vergessenheit geraten. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn man neben den verschiedenen Angriffen auf das Recht der Einzelperson auch eine echte Entartung der Wirtschaft wahmimmt, die dann in Erscheinung tritt, wenn der Mensch behandelt wird als wäre er eine „Sache”, dem Spiel der Interessen überlassen und den eisernen Regeln des Marktes unterworfen. Das sicherste Heilmittel gegen dieses Risiko findet der Glaubende in der Botschaft der Offenbarung, die das Geheimnis Gottes kundtut und den Menschen sich selbst enthüllt. Im Licht des Wortes, das von oben kommt, entdeckt sich der Mensch als Geschöpf nach dem Bild des Schöpfers (vgl. Gen 21,26) und vernimmt den Ruf, nicht nur mit seinesgleichen den Dialog aufzunehmen, sondern auch mit seinem ewigen Herrn, der selbst danach verlangt, den Menschen in einer tiefen Beziehung übernatürlicher Kindschaft als Partner zu haben. Wer darf sich anmaßen, ein mit so hoher und unmeßbarer Würde begabtes Geschöpf zur Ware zu erniedrigen? Wie kann man Formen der Ausbeutung und Gesellschaftsordnungen dulden, die ihm nicht das gewährleisten, was für ein seiner Berufung entsprechendes Leben erforderlich ist? 3. Die christliche Aussage über die Person beschränkt sich übrigens nicht darauf, deren Würde festzuhalten, sondern betont auch ihren wesentlichen Beziehungscharakter und weist auf die Solidarität als den Lebensraum für ihre volle Verwirklichung hin. Solidarität ist ein Wort, das mehr und mehr in das Bewußtsein unserer Zeitgenossen eindringt. Es besteht jedoch dabei die Gefahr, daß man ihren anspruchsvollen Charakter nicht voll und ganz erfaßt. Sie beschränkt sich nämlich nicht auf ein vages Mitgefühl für die anderen, sondern ist vielmehr „die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, das heißt, für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind” (iSollicitudo rei socialis, Nr. 38). Ihr Vorbild ist der gekreuzigte Christus. Sie ist also eine Haltung echten Teilens, die jedes egoistische Streben nach Vorteil beiseite läßt und den Menschen fähig macht, sich den anderen zu schenken. In einer solidarischen Gesellschaft fühlt sich der Begütertere für den minder Begüterten verantwortlich und stellt das, was er hat, in den Dienst seiner Mitmenschen. Es handelt sich dabei nicht nur um das Teilen materieller Güter, sondern auch um das Teilen von Zeit, Intelligenz, Kultur und Sensibilität. Alle haben also etwas, das sie den Mitmenschen schenken können. Die Kirche anerkennt die Rechtmäßigkeit und die Rolle des Gewinnes als Indikator für den guten Zustand des Unternehmens (vgl. Centesimus annus, Nr. 35), aber 425 REISEN wehe, wenn er zum Götzen erhoben wird: Das Unternehmen ist ja- nicht bloß ein Mechanismus zur Gütererzeugung, sondern auch und in erster Linie eine „Gemeinschaft von Menschen” (ebd.), und die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit darf nicht mit dem Maß der reinen Produktion materieller Güter gemessen werden, sondern mit dem ihrer Fähigkeit, die Lebensqualität zu verbessern. Wie notwendig ist in diesem Zusammenhang die Reifung eines gemeinschaftlichen Gewissens, das imstande ist, Arbeitnehmer und Unternehmer in einem gemeinsamen Bemühen um eine effiziente und zutiefst menschliche Wirtschaft zusammenzuführen! 4. Die große Herausforderung, die auch ihr, liebe Brüder und Schwestern, aufgreifen müßt, ist die einer neuen Kultur der Arbeit, die jenen Beziehungen der Abhängigkeit den Boden entzieht, von denen vor einigen Jahren die italienischen Bischöfe in einem unmißverständlichen Dokument sagten, daß sie Süditalien mehr zum „Objekt” als zum „Subjekt” seiner Entwicklung gemacht haben (vgl. Entwicklung in der Solidarität: Die Kirche in Italien und der Süden, 72). Ihr selbst habt mir soeben angedeutet, daß infolge einer Reihe historischer Umstände in eurer Region das System der öffentlichen Dienstleistungen stark angewachsen ist, nicht jedoch im gleichen Maß das der Produktion. Die Initiative der Unternehmer hat nur wenig zugenommen oder wurde vom Wurm der Mafia-Kultur und ihrer präpotenten Kriminalität attak-kiert, gegen die sich mit Recht das Gewissen der Bürger in steigendem Maß auflehnt. Den Mängeln auf seiten der Unternehmer entspricht eine unangebrachte Auffassung von unselbständiger Arbeit, die viel mehr von der Logik des „sicheren Postens” gekennzeichnet ist als von der der Arbeit als Recht und Pflicht, gemäß einer Ethik der Verantwortung, des beruflichen Könnens und der Solidarität. So konnten sich Klientelenwirtschaft, Protektionismus und Eiegalität entfalten. Heute sind sich alle der Notwendigkeit bewußt, diese „Kultur” umzustoßen und zu Legalität und echter Solidarität zurückzukehren. Sollen die erstickenden Fangarme der organisierten Kriminalität mit Ausdauer und Mut samt den Wurzeln ausgerissen werden, dann müssen die erforderlichen Vorbedingungen, die Anreize und der Horizont von Werten geschaffen werden, innerhalb deren sich ein gesundes und durchschaubares Unternehmertum entwickeln kann. Ich Wende mich insbesondere an die junge Generation, die Hoffnung dieser an wertvollen landwirtschaftlichen und handwerklichen Traditionen reichen Erde. Liebe junge Freunde, habt Mut zu Initiativen, in aEen Bereichen des wirtschaftlichen und geseüschaftlichen Lebens. Es fehlt euch nicht an Energien, Sensibilität und Einsatzbereitschaft: Das beweist die ermutigende Erscheinung des Volontariats. Eure Kreativität wird Nahrung finden in einer SpirituaEtät der Arbeit, die jedem Menschen zum Bewußtsein bringt, daß er als Gottes Abbüd geschaffen und berufen ist, dank der intelligenten und hebevollen Beherrschung der Erde seinem Schöpfer ähnlich zu werden (vgl. Laborem exercens, Nr. 25). 426 REISEN 5. Eine allumfassende Kultur und Politik der Arbeit darf nicht die Jugendlichen auf der Suche nach einer ersten Beschäftigung, die Arbeitslosen, die Kategorie der von der Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer und die Einwanderer aus ärmeren Ländern auf der Suche nach einer Existenzgrundlage vergessen. Ohne konkrete Aüf-merksamkeit für alle, die in Armut leben und sich unter zahllosen Schwierigkeiten um die Lösung der oft elementarsten Überlebensprobleme bemühen, kann es keine echte Erneuerung der Gesellschaft geben. Ihr, liebe Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, seid dazu berufen, eine tragende Kraft dieser Erneuerung zu sein. Wer die Gabe des Glaubens besitzt, trägt auch größere Verantwortung, obliegt es doch dem Glaubenden, die Arbeit zu evangelisieren und sie durch die Beseitigung der sündhaften Strukturen zu einem Weg der Heiligung zu machen und Raum für echte Ge-schwisterlichkeit zu bieten. Wenn der gegenwärtige Augenblick für eure Region schwierig ist infolge der nationalen Krise, die unsichere lokale Situation stark belastet, so sollt ihr doch wissen, daß euer Einsatz für die jedem einzelnen von Gott anvertraute Aufgabe und deren treue Erfüllung eine Bresche für die Zukunft auftun kann. So sei also der Glaube an Christus eure fundamentale Stütze! Die Solidarität werde zum Ausdruck der Nächstenliebe. Für eure Bemühungen, für die Erwartungen und die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft, für eure von Intelligenz und Liebe getragenen Pläne versichere ich euch meines Gebetes und segne euch aus. ganzem Herzen. Den Inhaftierten bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft helfen Ansprache im Gefängnis von Caltanissetta am 10. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Bei meinem Pastoralbesuch in Caltanissetta durfte ein Verweilen unter euch nicht fehlen, und deshalb bin ich gern der Einladung gefolgt, die ihr mir durch euren Bischof habt zukommen lassen. Ich danke euch für euren Empfang. Ich grüße den Herrn Justizminister Giovanni Conso, der bei dieser Begegnung anwesend sein wollte. Ich grüße den Direktor und die Verantwortlichen der Casa Circondariale, das Wachpersonal und das übrige Personal, das in verschiedenen Bereichen hier arbeitet. Herzlich grüße ich einen jeden von euch, die ihr hier inhaftiert seid, und bin euch dankbar für die aufrichtigen Wünsche, die euer Vertreter eben ausgesprochen hat. Er hat eure Schwierigkeiten, aber auch eure Erwartungen, Hoffnungen und Vorsätze zum Ausdruck gebracht. Ich bin hier, um euch meine herzliche Anteilnahme und tiefe Solidarität zu bezeugen. 427 REISEN Eure Lage kann man gewiß nicht als glücklich bezeichnen. Ihr seid von der Gesellschaft getrennt und lauft Gefahr, euch verlassen zu fühlen und in eine Einsamkeit versenkt, die euch viel Leid und Unruhe bringt. Ich möchte euch vor allem sagen: Gebt nie der Versuchung zur Mutlosigkeit nach, klammert euch an das Leben und an die Hoffnung. Ja, ich sage: die Hoffnung! Denn sie ist der Weg, um sich für eine Zukunft der Sühne und der echten Erlösung zu öffnen. Die Hoffnung ist wie ein Keim, ein neuer Lebensbeginn. Die Keime aber können überall aufsprießen, auch an den trockensten Stellen und in den verlassensten Ruinen. Hoffen bedeutet, der Zukunft Vertrauen entgegenbringen und sie geduldig vorbereiten, getreu den Aufgaben von heute und getragen von einem unerschütterlichen Glauben an Gott, der sogar aus dem Bösen Gutes zu schaffen vermag. Wenn man das Gefängnis sieht, erscheint es nicht als bloßer Ort der Strafe, vielmehr als Ort, sich loszukaufen. Ein Ort und eine Zeit, wo die Strafe die Reife der Person erreichen und zu einem Zurückgewinnen der Grundwerte dienen soll durch einen Weg zur Vertiefung der eigenen Identität und zur echten Befreiung. Dies erfordert offensichtlich Geduld und guten Willen; und ich bitte jeden, in jeglicher Weise je nach den eigenen Möglichkeiten zu diesem nicht leichten menschlichen und geistigen Wiederaufbau beizutragen. 2. Liebe Brüder und Schwestern, die Kirche steht euch zur Seite. Heute bin ich an diesen Ort gekommen, um einem jeden von euch die Liebe Christi und die Aufmerksamkeit der Gemeinschaft der Kirche zu bezeugen. Christus und die Apostel haben die Wirklichkeit des Kerkers kennengelemt, und Paulus war sogar mehrfach im Gefängnis. Jesus sagt im Evangelium: „Ich war im Kerker, und ihr seid zu mir gekommen” (Mt 25,36). Er schien sich mit Personen identifizieren zu wollen, die sich am Rande befanden, denen recht wenige gleichen möchten, unter denen er sich aber wohl fühlte, denen er Verständnis und ein offenes Herz entgegenbrachte. Auch sein Tod am Kreuz drückt ein höchstes Zeugnis der Liebe und Annahme aus. Gekreuzigt zwischen zwei zur gleichen Strafe wie er Verurteilten, versichert er dem guten Schächer, der Reue zeigt, das Heil: „Wahrlich ich sage dir, heute noch wirst du mit mir im Paradies sein” (Lk 23,43). Ein Akt äußerster Barmherzigkeit, äußerster Hingabe, der sogar dem Vertrauen schenken kann, der sich völlig verloren fühlt. Mit dieser seiner Geste des Verzeihens spricht der Herr zur Menschheit aller Zeiten. Er enthüllt dem Menschen seine barmherzige und hebevolle Zärtlichkeit, die keine Hindernisse kennt. Der Heilsplan gilt für jeden. Keiner darf sich ausgeschlossen fühlen. Christus kennt das Innerste der Person, und er überwindet mit seiner Gerechtigkeit jede menschliche Ungerechtigkeit, mit seiner Barmherzigkeit besiegt er das Böse und die Sünde. Diese Gewißheit läßt im menschlichen Herzen die notwendige Kraft aufsprießen, um täglich den Weg der Bekehrung neu aufzunehmen, einen Weg der ständigen Absage an das Böse und der aufrichtigen Suche des Guten. Dies ist der Weg, um die 428 REISEN Freude des Geistes zu verkosten; der unerläßliche Pfad zum Wiederaufbau der eigenen Würde als Kinder Gottes. 3. Ich weiß, daß ihr vor einigen Jahren bei Gelegenheit des Weihnachtsfestes über den Bischof eine Botschaft an die Gemeinschaft der Kirche in Caltanissetta gerichtet habt, in der sich unter anderem eure Feststellung fand: „Nur die Gewißheit, geliebt zu sein, wird uns besser machen”. Es geht im Grunde um die Erfahrung des Evangeliums: Die Liebe löst auch den härtesten Widerstand und ebnet den Weg zur Erneuerung. Wenn man die göttliche Liebe erfährt, wird echte Bekehrung möglich. Liebe Brüder und Schwestern im Gefängnis, eure Lage bildet gewiß einen Anlaß zu ständigem Nachdenken für euch selbst und für die ganze Gemeinschaft. In eurer erwähnten Botschaft spielt ihr in einigen tief bezeichnenden Abschnitten auf die notwendige Versöhnung der Gefangenen mit der Gesellschaft und der Gesellschaft mit den Gefangenen an. Aus einer an den Rand verwiesenen Person muß der Gefangene immer mehr Subjekt seines Schicksals werden. Das verlangt eine geduldige Arbeit von seiten aller. Vor allem ist Vorbeugung notwendig, besonders den Kindern und der Welt der Jugendlichen gegenüber; notwendig ist ferner eine Betreuung der Inhaftierten, eine Betreuung, die ihre Umkehr und die darauf folgende soziale Wiedereinfügung fördert, wenn sie in die Freiheit entlassen sind. Einem derart weitgespannten und anspruchsvollen Programm müssen natürlich solide Prinzipien und gültige Ideale zugrundeliegen, an denen man sich inspirieren kann. Es gilt eine Kultur der Achtung und der Brüderlichkeit zu fördern, die sich unter anderem auf Ehrenhaftigkeit, Nüchternheit und Solidarität gründet. Notwendig ist ein von konkreter Liebe geprägter Lebensstil. Der Apostel Johannes sagt: „Wir wollen nicht mit Wort und Zunge Heben, sondern in Tat und Wahrheit” (7 Joh 3,18). Möge diese Ermunterung eure guten Absichten erhellen und das Bemühen aller tragen, die sich in eurer Diözese in bewundernswerter Hochherzigkeit dem Dienst für die Gefangenen und ihre Familien widmen, wie auch das wertvoHe vorbeugende Wirken bei Kindern und Jugendhchen. Ich denke hier an die Freiwilhgen als Werkzeug tatkräftiger Nähe zum Nächsten. Ihr weitbHckender Einsatz auf diesem Gebiet wird die positive Einbeziehung der ganzen sozialen Umwelt in die mit dem Gefängnis verbundenen Probleme fördern und kann auch spürbar das Leben der Inhaftierten beeinflussen, besonders wenn ein Programm zur Aufwertung der Haft als Werkzeug für das Wachstum der Person geboten wird, das zugleich für die sogenannten Belohnungsmaßnahmen neue Anreize bietet. 4. Liebe Brüder und Schwestern, ich weiß, daß ihr euch auf die heutige Begegnung besonders sorgfältig vorbereitet habt. Ihr habt unter Anleitung eures Kaplans gemeinsam über die Enzyklika Salvifici doloris nachgedacht. Darin habe ich geschrieben, daß das niederdrückende Gefühl der Nutzlosigkeit des Leidens sich wandelt, wenn man den Heilssinn des in Vereinigung mit Christus getragenen Leids entdeckt. 429 REISEN Richtet also den Blick auf den Herrn, und ihr werdet in seinem leidenden und verherrlichten Antlitz unschwer die Zeichen der Hoffnung wiederfinden. Seine Liebe, so versichere ich euch, wird eine Quelle der Erneuerung und einer echten Neugeburt zum Leben sein. Wie mühselig auch immer der Weg des Guten erscheinen mag, er ist der einzige, der zur vollen Ruhe und zum Frieden führt. Mit diesen Gedanken vertraue ich euch dem mütterlichen Schutz Mariens an in diesem ihr gewidmeten Monat Mai, und ich erteile euch von Herzen meinen Segen, den ich gern auf eure Familien ausdehne und auf alle Menschen, die euch teuer sind. 430 REISEN 6. Pastoralbesuch in Arezzo (Sonntag, 23. Mai) Margareta von Cortona - Botschafterin des Friedens Ansprache vor dem Sanktuarium der hl. Margareta von Cortona am 23. Mai 1. Dem Herrn danke ich für die Gelegenheit, den heutigen Pastoralbesuch in der Diözese Arezzo-Cortona-Sansepolcro mit diesem Zusammentreffen mit der bürgerlichen und kirchlichen Gemeinde von Cortona zu beginnen, dieser alten und ehrwürdigen Stadt etruskischen, römischen, mittelalterlichen und auch neuzeitlichen Zeugnisses. Ich grüße euren Bischof, Msgr. Giovanni D’Ascenzi, und danke ihm für die herzlichen Willkommensworte, die er als euer Fürsprecher soeben an mich gerichtet hat. Ich grüße den Herrn Bürgermeister und danke ihm für die im Namen der gesamten Einwohnerschaft zum Ausdruck gebrachten Gedanken. Ferner wende ich mich auch an den Präfekt von Arezzo und die anderen Vertreter der Obrigkeit, die sich hier zu meiner Begrüßung eingefunden haben. Insbesondere heiße ich euch willkommen, die Bürger Cortonas und der Nachbarorte: in diesem Augenblick gelten meine Gedanken der gesamten Bevölkerung der fruchtbaren Valdichiana-Ebene wie auch ihren zähen und treuen Landsleuten in den umhegenden Bergen. Eure christliche Vergangenheit, hebe Brüder und Schwestern, geht auf die ersten Jahrhunderte des Christentums zurück, wie ethche Kirchen dieser Region durch ihren hohen künstlerischen Wert und zahlreiche in ihnen aufbewahrte Gemälde - unter anderem die Verkündigung von Beato Angehco - auf ausdrucksvolle Art und Weise verdeutlichen. Bekannt ist Cortona in der Welt aber hauptsächlich als treue und ergebene Verehrerin der hl. Margareta, deren sterbhche Überreste in diesem Sanktuarium aufbewahrt werden, das ich heute morgen besuchen konnte. 2. Die dramatische Lebensgeschichte der hl. Margareta hält uns das Gnadengeschenk der ehelichen Verbindung und der Familie vor Augen. Sie kann den Mann, den sie hebt und dessen Kind sie zur Welt bringt, nicht heiraten, weil sie aus bescheidenen bäuerlichen Verhältnissen stammt, während ihr Gebebter hingegen adeliger Herkunft ist. Als dann dieser Mann auf tragische Weise ums Leben kommt und sie mit dem Kind allein bleibt, wird Margareta aus dem Schloß verwiesen, das fast zehn Jahre lang ihr Zuhause gewesen ist. Aber in diesem Augenblick höchster Not öffnen sich ihr die Tore der Kirche. Sie findet Zuflucht bei den Minderbrüdem, und wegen ihrer tiefgehenden Religiosität wird sie bald in den Dritten Franziskanerorden aufgenommen. So beginnt für sie ein neues Leben der Buße, des Gebets und der hebevollen Fürsorge an den Armen. 431 REISEN 3. Mit dieser „zweiten Geburt”, liebe Brüder und Schwestern, bestärkt uns eure Patronin darin, über den einzigartigen Wert des durch Umkehr und brüderliche Liebe beseelten christlichen Lebens nachzudenken. Jung und von seltener Schönheit wurde sie dank jener mystischen, übernatürlichen Gaben, mit denen Christus sie ausstattete, zu einer Frau außerordentlicher innerer Ausstrahlung. Sie, das arme Bauernmädchen, entschied sich, den Spuren des hl. Franziskus und der hl. Klara folgend, für ein Leben in Armut, in vollkommener Hingabe an den gekreuzigten Christus. Die zweimal Verwaiste trat als vollberechtigtes Mitglied in die kirchliche Familie ein und war Mutter unzähliger materiell und moralisch armer Menschen. Obwohl sie Mutter war, ist es ihr nicht gelungen, auch in vollem Maße Ehefrau zu sein, was sie jedoch auf geistiger Ebene durch die Vertiefung ihrer besonderen Berufung verwirklichen konnte. Sie erkannte, daß es ihre Aufgabe war, persönlich für die mangelnde Liebe der Menschen zu Gott aufzukommen: sie bat um Verzeihung durch ihr Beten und Handeln. Sie verbrachte viele Stunden in andächtiger Betrachtung vor dem Kreuz und widmete sich den Kranken, insbesondere mittellosen werdenden Müttern. Margareta fand im Herzen Christi das wahre Schloß ihrer Zuflucht, im Namen Jesu den einzig wahren Adelstitel und in der Eucharistie tägliche geistige Nahrung. 4. Liebe Bürger Cortonas, es gibt noch einen dritten Aspekt ihrer Botschaft, den ich heute hervorheben möchte: die soziale Dimension ihres Zeugnisses. Zweifellos bewundernswert ist die außergewöhnliche Kraft moralischer, kultureller und gesellschaftlicher Erneuerung, die von dieser in den Stand der Heiligkeit erhobenen Frau des Volkes ausgeht. Margareta war eine Botschafterin des Friedens und der Eintracht in eurer geteilten Kirche; durch den für den franziskanischen Geist so charakteristischen Lobgesang gelang es ihr, der Volksfrömmigkeit neue Impulse zu geben; vor allem aber war sie durch die Gründung des heute noch existierenden Krankenhauses „Casa di Santa Maria della Misericordia” eine aktive Zeugin der Nächstenhebe. Trotz ihrer Armut und der Schwierigkeiten mit ihrer eigenen Familie zögerte Margareta nicht, ihre Umgebung herauszufordem, um, nach der Liebe zu einem Mann, der größeren Liebe Christi zu folgen. So wurde sie ein Beispiel der Umkehr zu einem völlig erneuerten Leben. Können wir angesichts einer solch aktuellen und vielsagenden Botschaft gleichgültig bleiben? Liebe Gläubige, die hl. Margareta fordert uns zur Erneuerung auf, bestärkt uns in der Treue und ermutigt uns, dem Evangelium zu folgen. Voll Vertrauen wollen wir uns ihr zuwenden, und möge ihre Fürsprache uns jeden Tag begleiten: euch, hebe Menschen hier in Cortona, und die zahlreichen Pilger, die sich aus vielen Teilen der Welt hier zum Gebet einfinden. Möge sie für alle inneren Frieden und das Geschenk der Treue zum Evangelium erwirken. 432 REISEN In diesem Sinne grüße ich euch, hebe Gläubige Cortonas, von ganzem Herzen und erteile jedem, insbesondere den Kranken, den Kindern und allen, die nicht persön-hch bei diesem Treffen anwesend sein konnten, meinen besonderen Apostolischen Segen. Nach seiner Ansprache richtete der Papst folgende Worte an die Bevölkerung Cortonas: Ich möchte noch hinzufügen, daß euer Cortona mir seit Jahren - lange bevor ich nach Italien kam und Bischof von Rom wurde - als die Stadt der hl. Margareta beschrieben worden ist. Heute befinde ich mich zum ersten Mal an diesem Ort, in dieser wunderbaren Stadt, wo alles von Gott zu uns spricht: die Natur, die Berge, die Wälder, die reiche menschliche, franziskanische und christliche Tradition. Ich weiß nicht, ob alle Italiener so reich sind. Zweifellos ist es die Bevölkerung Cortonas. Ich danke euch für diesen herzlichen Empfang; auch er ist ein Zeichen des Reichtums. Gebet des Papstes am Grab der hl. Margareta Heilige Margareta von Cortona, auch ich komme heute als Pilger zu deinem Grabmal, / und gemeinsam mit dir verweile ich im Gebet / vor jenem Bild Christi, unseres gekreuzigten und auferstandenen Herrn, / das du als Büßerin so lange betrachtet hast. Herr Jesus, der du für uns am Kreuz gestorben bist, / durch dein Opfer auf dem Kalvarienberg, / für das Heil der gesamten Menschheit, / hast du uns die Quelle des ewigen Lebens offenbart. / Möge das Geheimnis deines Leidens / unser Leben erleuchten, / uns auf dem Weg der Heiligkeit und der Liebe / zu deinen bereitwilligen Jüngern machen. Erneuere den Glauben in uns: / lehre uns, den Plan deiner göttlichen Vorsehung / im täglichen Leben zu erkennen und anzunehmen. Gib uns den Mut, unsere Schuld zu bekennen, / unsere Herzen der Buße zu öffnen, / um das Geschenk deiner Barmherzigkeit zu empfangen. / Hilf uns, unseren Brüdern zu verzeihen, / dem Beispiel deiner grenzenlosen Liebe folgend. Erfülle uns mit demütiger Hilfsbereitschaft, um das Böse, das wir getan haben, / durch den konkreten und hochherzigen Dienst an den Armen, den Kranken, den Ausgestoßenen und Hoffnungslosen wiedergutzumachen. / Schenke jedem die Freude immerwährender Treue / auf dem Weg seiner Berufung, / in voller Einheit mit der Kirche. / Zeige insbesondere den Jugendlichen / den wundervollen Plan der Liebe, / den du für sie und mit ihnen nun, / auf der Schwelle des neuen Jahrtausends, ausführen willst. 433 REISEN Hilf uns, deinen Frieden zu verwirklichen, / Tag für Tag Beziehungen brüderlicher Solidarität aufzubauen, / mach uns zu Urhebern der Wiederversöhnung, / zu Zeugen und Aposteln der Kultur der Liebe. O glorreiche hl. Margareta, / überbringe du selbst diese unsere Bitte / deinem und unserem Herrn am Kreuz. / Führe uns kraft deines Beispiels, / möge dein unablässiger Schutz uns stützen, / wir bitten dich, begleite uns bis zum Haus des Vaters. / Amen. ‘ Die christliche Botschaft in konkrete Lebensentscheidungen übersetzen Predigt in Arezzo am 23. Mai 1. „Der Vater der Herrlichkeit ... erleuchte die Augen eures Herzens” (Eph 1,17-18). So schreibt der Apostel Paulus an die Epheser. Die Kirche best diese Worte erneut in der heutigen sonntäglichen Eucharistiefeier der Osterzeit, in der sie das glorreiche Ereignis des 40. Tages nach der Auferstehung: die Himmelfahrt des Herrn, begeht. Was bedeutet der Ausdruck des hl. Paulus: „Die Augen des Herzens erleuchten”? Die „Augen”, von denen der Apostel spricht, sind ein Geschenk des Vaters, der im Menschen den Geist der Weisheit erweckt. Diese Augen, das heißt diese innere Sehfähigkeit, gestattet uns, in das Geheimnis Gottes einzudringen, der sich selbst dem Menschen offenbart. Die Fülle dieser Selbstoffenbarung Gottes ist Christus. Gott, der sich allen Menschen durch das Zeugnis der Geschöpfe offenbart, Er, der im Alten Bund durch die Propheten gesprochen hat, sprach „zuletzt durch seinen Sohn zu uns” (Hebr 1,1-2). Christus - das ewige Wort, das Mensch geworden ist -spricht zu uns in einer der Frohbotschaft eigenen Sprache. Das letzte Wort seiner Heilsbotschaft ist die Auferstehung des Gekreuzigten. Kreuz und Auferstehung: Sie sind das letzte Wort, das die göttliche Offenbarung erfüllt, ein Wort, das den neuen und ewigen Bund Gottes mit der Menschheit stiftet.' 2. „Der Herr ist wahrhaft auferstanden” (Lk 24,34). Die Osterberichte bezeugen, daß die Auferstehung vor allem als Erfahrung des „leeren Grabes” ins Bewußtsein der Jünger eingegangen ist, jenes Grabes etwas außerhalb der Mauern Jerusalems, wo wegen der Nähe des jüdischen Paschafestes der gekreuzigte Christus begraben worden war. „Der Herr ist wahrhaft auferstanden und dem Simon erschienen” (ebd.). Er erschien aber nicht nur dem Petrus, sondern auch den übrigen Aposteln, den Jüngern, den Frauen: So öffneten sich die Augen ihrer Herzen, sie erkannten ihn und wurden Zeugen der Auferstehung. Die außerordentliche Erfahrung der Apostel vollzog sich 40 Tage hindurch. Nach dieser Zeit wurde Christus „vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm 434 REISEN ihn auf und entzog ihn ihren Blicken” (Apg 1,9). Heute denken wir an eben dieses Ereignis, das „Himmelfahrt” genannt wird, und erleben es neu in der Liturgie. Die „Wolke” ist in der Erzählung der Apostelgeschichte wie in der ganzen Heiligen Schrift das Zeichen der geheimnisvollen Gegenwart Gottes. Bis zu diesem Augenblick war Jesus unter den Menschen physisch gegenwärtig, und auch nach der Auferstehung war er ihnen begegnet, doch von jenem Tag an weilt er zur Rechten des Vaters, das heißt: in der Tiefe Gottes. Als er in der Welt war, sagte er: „Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir” (Joh 14,11). Was also auf Erden in der Person des Menschensohnes sich verwirklichte, hat von nun an seinen Ort in der Ewigkeit Gottes: Gott von Gott, Licht vom Licht. 3. Nach seiner Himmelfahrt hat Christus aber nicht aufgehört, Menschensohn zu sein. Gott von Gott, ist er nun eins mit dem Vater auch als Erlöser der Welt: Er ist eins mit dem Vater als Gekreuzigter und Auferstandener. Die Himmelfahrt ist also die Zeit oder der günstige Augenblick, den der Vater sich Vorbehalten hat; „die Zeit und die Stunde”, in der - durch die Heilsmacht des Kreuzes und der Auferstehung - alles reif geworden ist, zum nun schon nahen Pfingstfest zu gelangen: „Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis an die Grenzen der Erde” (Apg 1,8). Daher hören die Apostel, den Blick auf die Wolke gerichtet, die den göttlichen Meister ihrem Blick entzogen hatte, die Worte: „Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen” (Apg 1,11). Die Himmelfahrt bildet also das Ende der Sendung, die der Sohn vom Vater empfangen hatte: In ihm hat der Vater die unermeßliche Liebe, mit der er die Welt geliebt hat, offenbart. Es geht um ein Ende, das für uns gleichzeitig ein neuer Beginn ist, denn das Kommen Christi zu uns im Heiligen Geist geht bis heute weiter und wird weitergehen bis zum Ende der Zeiten, bis zur „Parusie”, dem Tag, da Christus „ebenso wiederkommen wird, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen” 1,11). 4. Wenn wir tiefer über das Wort Gottes bei dieser großen Feier, dem Höhepunkt des heutigen Pastoralbesuches in der alten toskanischen Diözese Arezzo-Cortona-Sansepolcro, nachdenken wollen, stehen zwei eng miteinander verbundene Fragen vor uns. Im Anschluß an das im Epheserbrief des hl. Paulus Gehörte müssen wir uns vor allem fragen, ob die „vom Glauben erleuchteten Augen” (vgl. Eph 1,18) sich in unseren Herzen wirklich geöffnet haben, so daß wir bereit sind, in unserem Leben als Glaubende die Person Jesu Christi und sein Paschamysterium in Liebe tiefer zu erkennen. Die zweite Frage ergibt sich aus der Mahnung Jesu an die Apostel am Tag der Himmelfahrt: „Darum gehet hin und macht alle Völker zu meinen Jüngern” 435 REISEN (Mt 28,19). Wir fragen uns vor dem Angesicht Christi, der gesagt hat: „Ihr werdet meine Zeugen sein” (Apg 1,8): Sind wir wirklich seine Zeugen? 5. Wie in der Vergangenheit die Menschen dieser Gegend es verstanden haben, die christliche Botschaft zu vertiefen und sie in konkrete Lebensentscheidungen zu übersetzen, so spüren sie auch heute angesichts der nächsten kirchlichen Ereignisse das Bedürfnis nach neuem missionarischem Eifer. Die Kirche im Gebiet von Arezzo hat Gelegenheit gehabt, über die Konsequenz ihres Zeugnisses für das Evangelium nachzudenken; über die Notwendigkeit, daß die Pfarreien untereinander Zusammenarbeiten, um eine möglichst gute Lösung der gemeinsamen Probleme zu finden; über den Beitrag, den die Gemeinschaft der Diözese als ganzer der bürgerlichen Gemeinschaft zu bieten in der Lage ist in ständigem Dialog mit den wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kräften dieses Gebietes. 6. Liebe Brüder und Schwestern, aus einer überzeugten und reifen Treue zu Christus wird sich zugleich mit einer beharrlichen Präsenz im Pfarrleben eine entschiedenere geistliche Anregung der sozialen Kräfte eurer Region ergeben. Christus ruft euch auf, unter den Jugendlichen, in den Familien, innerhalb der staatlichen Institutionen und in der Welt der Arbeit Sauerteig im Sinn des Evangeliums zu sein. Folgt den Fußspuren der großen Heiligen, von denen euer gesegnetes Land zahlreiche und edle Zeugnisse bewahrt. Wie viele Seiten der Heiligkeit und eines Lebens nach dem Evangelium wurden an den euch gut bekannten heiligen Orten der Franziskaner, Kamaldulenser und Karmehten geschrieben! In der Vergangenheit hat die Kirche von Arezzo versucht, Christus getreu nachzufolgen. Dies ist auch heute noch eure Aufgabe, eine Aufgabe aller und eines jeden einzelnen, ermutigt durch das Beispiel und die himmlische Fürbitte eures besonderen Patrons, des heftigen Bischofs Donatus. Dies ist eure Aufgabe, Sauerteig im Sinn des Evangeliums zu sein, für Christus Zeugnis zu geben. Doch müssen diese Aufgabe und dieser Einsatz im Licht der großen Heiligen überdacht werden. Ich muß hier auch die heilige Margareta von Cor-tona erwähnen, die ich heute früh besucht habe. Doch sie müssen auch im überreichen Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils und seiner großen Dokumente überdacht werden. Diese Dokumente sind nicht verfaßt worden, um bloß Dokumente und nur für die Archive da zu sein: Sie wurden unter Führung des Heiligen Geistes erdacht, erbetet und geschaffen, um zum Leben der Kirche zu werden, zum Leben von uns allen und eines jeden von uns aufgrund unserer Berufung. Diese Dokumente wurden vom Zweiten Vatikanischen Konzil erstellt, um zum Leben der Christen am Ende des zweiten und Beginn des dritten Jahrtausends zu werden. So also müssen wir, in wenigen Worten gesagt, die Bedeutung der heutigen Feier, die Bedeutung des Hochfestes der Himmelfahrt des Herrn und aller Einzelheiten sehen. Himmelfahrt will besagen: „Ich gehe zum Vater, ich gehe zu meinem Vater”. Himmelfahrt will zugleich sagen: Ich bleibe bei euch; ich bleibe in der Kraft des Heiligen Geistes, 436 REISEN ich bleibe bei euch, wenn ihr meine Zeugen, wenn ihr dieser Sauerteig im Sinn des Evangeliums seid. Himmelfahrt ist kein Abschluß. Christus ist nicht einfach weggegangen. Christus kehrt wieder. Das letzte Wort des Festes der Himmelfahrt lautet: Er wird wiederkommen, „Parusie”, und nicht erst am Ende der Welt. Er wird jeden Tag wiederkommen, in jeder Zeit, er wird zu jedem wiederkommen. Und wenn wir ein wenig über die Eucharistie nachdenken, was ist sie anderes als die Gegenwart Christi, eine Wiederkunft Christi, er kehrt zurück, um uns zu seinen Zeugen zu machen, zum Sauerteig im Sinn des Evangeliums, zu einem Sauerteig, der die Welt umformt, der sie näher zum Vater, näher zu Gott bringt. 7. In diesem Sinn wende ich mich an eure ganze Gemeinschaft und eure ganze Diözese, die ich heute besuchen darf. Erneut grüße ich euren Bischof, den Heben Msgr. Giovanni d’Ascenzi, der im kommenden Monat Juni schon auf 50 Jahre seit seiner Priesterweihe zurückblickt. Ich spreche ihm dazu recht herzhche Glückwünsche aus und danke ihm für die Einladung zu einem Besuch der Diözese. Ich grüße die Bischöfe der Bischofskonferenz der Toskana mit Kardinal Silvano PiovanelH und entbiete ihnen einen brüderüchen Gruß des Friedens und der Gemeinschaft. In herzlicher Verbundenheit denke ich an die Priester dieser Kirche, die ersten Mitarbeiter des Bischofs in seinem pastoralen Dienst, an die Ordensleute des aktiven und des kontemplativen Lebens sowie an die Laien, die sich dem Apostolat und dem Dienst an ihren Mitmenschen widmen. Ich denke an die Jugendlichen, die Kranken, an die Familien: Jedem soll mein dankbarer Gruß gelten. Ich grüße die staatlichen und mihtärischen Autoritäten, die bei dieser unserer Hturgi-schen Feier nicht fehlen wollten. Dankbarkeit spreche ich der Baufirma und den Arbeitern aus, die alles getan haben, damit das erneuerte Stadion für die heutige Eucharistiefeier bereit wurde. Mein Wunsch ist, daß es der Heranbildung der Jugend dient und der Bürgerschaft Gelegenheit zu gesunder Entspannung bietet. Ich danke endlich allen, die in unterschiedlicher Weise zum GeHngen meines Pastoral-besuches beigetragen haben. 8. Der Herr sagt: „Seht, ich bin bei euch” (Mt 28,20). Das heutige Hturgische Fest, die Feier der Rückkehr Christi zum Vater, bekräftigt in einem gewissen Sinn und nachdrückficher seine Präsenz in unserer Mitte. Er, der nie aufgehört hat, bei uns zu sein, hat von jener Stunde an begonnen, auf neue und beständige Weise bei allen zu bleiben, die an ihn glauben. Danken wir ihm daher, denn auch wir sind nun neue Geschöpfe geworden in einer völlig erneuerten Welt. „So sehr hat Gott ja die Welt geliebt, daß er seinen Sohn hingab” (Joh 3,10) ... und er hat diesen Sohn „über alle Dinge und als Haupt der Kirche gesetzt. Sie ist ein Leib und wird von ihm erfüllt, der das All ganz und gar beherrscht” (Eph 1,22-23). Wir sind wahrlich in Christus neu geworden! 437 REISEN Durch seinen Tod, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt hat er uns zu neuen Geschöpfen gemacht! Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen. Muttergottes des Trostes ■ Weihegebet an die Muttergottes nach der Eucharistiefeier im Stadion von Arezzo am 23. Mai „Weiße Königin”, Muttergottes des Trostes / wir stehen hier zu deinen Füßen, / am Ende dieses heiligen Meßopfers, / um deinem mütterlichen Herzen / die Menschen dieser Stadt / und der Diözese Arezzo-Cortona-Sansepolcro anzuvertrauen. Heilige Jungfrau, wie oft kommen / Scharen treuergebener Menschen, / dich als ihre Hoffnung preisend, / in deine hehre Kapelle, / Stolz und Mittelpunkt der gesamten Diözesangemeinde. Du bist unsere Fürsprecherin, Maria, / süßer Frieden in der Prüfung, / kraftvolle Stütze auf unserem täglichen Weg, / deine sichere Führung bringt uns zu Christus, deinem Sohn. / Du, unsere Wiederversöhnung und unser Frieden, / heilige Jungfrau des Trostes! Nimm uns bei der Hand, gütige Mutter, / befreie uns von Haß und Schlechtigkeit, / festige unseren Glauben, / mache uns zu starken und hochherzigen Dienern Christi, / zu bereitwilligen Zeugen des Evangeliums / und zu aktiven Förderern der Kultur der Liebe. Deiner Obhut vertrauen wir den Hirten dieser Diözese an, / die Priester und Ordensleute, / die Seminaristen und all jene, die Gott als seine Diener berufen hat; / die Kinder, junge und alte Menschen, / die Familien, jene lebendigen Keimzellen / einer gerechteren und brüderlicheren Welt. Dir vertrauen wir diese unsere tätige Gesellschaft an, / ihre Einrichtungen und Unternehmen, / all ihre technischen und bürgerlichen Bereiche, / die Verantwortlichen und die gesamte Bevölkerung. / Leuchtender Stern der Erlösung, / wache über diese Menschen, die sich dir anvertrauen. Nähre in jedem einzelnen das Verlangen nach Gutem, / die Solidarität für die Armen und Kranken, I für die Inhaftierten, die Obdachlosen und Arbeitslosen, / für die Fremden, die Alleinstehenden und Ausgeschlossenen. / Trete ein in unser Leben, / bleibe an unserer Seite, Maria! Wie Johannes am Fuß des Kreuzes / empfangen wir dich heute als unsere Mutter. / An dich wenden wir uns mit neuer Zuversicht, / von dir erwarten wir das trostspendende Wort: / „Confortetur cor tuum!” / „Trost deinem Herzen, habe Mut!” Heilige „Muttergottes des Trostes”, / bitte für uns! Amen! 438 REISEN Maria schützt die Familien und den Frieden Regina Coeli in Arezzo am 23. Mai Liebe Schwestern und Brüder! 1. Diese Unterbrechung zu einem kurzen Mariengebet in der Mitte des Tages ist immer sehr eindrucksvoll. Heute trifft dies in ganz besonderer Weise zu, denn wir stehen an dem Ort, wo nach der Überheferung der Brauch entstanden ist, den „Engel des Herrn” zu beten. Man erzählt, der selige Sinigardi, einer der ersten Gefährten des hl. Franz von Assisi, habe gerade hier in Arezzo den frommen Brauch eingeführt, oft die Antiphon „Angelus locutus est Mariae” („Der Engel sprach zu Maria”) zu beten. Eine Gewohnheit, die sich bald im ganzen Franziskanerorden ausdehnte und so den Anfang zu dieser wunderbaren Verdichtung von Gebet und christlicher Lehre setzte, welches eben der „Engel des Herrn” ist. 2. In knappen Worten führt uns die schöne Antiphon zum Höhepunkt der Weltgeschichte, als das Wort Gottes im Schoß der Jungfrau Heisch wurde. Gottes Offenbarung an den Menschen hat so den Höhepunkt erreicht; auch das Heilsgeschenk Gottes an die Menschheit hat seine Krönung gefunden. All das wurde vollbracht dank dem Ja Marias. Durch ihr „fiat” wird die Gottesmutter deshalb Vorbild für alle Glaubenden. Ihr Ja wurde damals mit voller Bereitschaft gesprochen und später unzählige Male in den schwierigsten Lebenslagen bekräftigt, während sie den Weg des Glaubens Schritt für Schritt bis zur Freude der Auferstehung, bis zum „Regina Caeli”, ging. Die Mafienheiligtümer, auch in eurer Region sehr zahlreich, unterstreichen die einzelnen Etappen des geistlichen Weges von Maria und fordern die Christen auf, ihr zu folgen, sie nachzuahmen und mit ihr der Freude der glorreichen Vollendung im Reich Gottes entgegenzugehen. 3. Ein bedeutsames Zeichen kindlicher Anhänglichkeit an die Muttergottes von seiten der Bevölkerung von Arezzo in den frohen Augenbücken und in den Prüfungen ist gewiß das Heiligtum der „Mutter vom Trost”, das in der Mitte der Diözesange-meinschaft selbst steht. Vor ihrem Gnadenbild, das zu diesem Anlaß in das Sportstadion der Stadt gebracht wurde, kann ich zu meiner Freude heute abend die Weihe der gesamten Diözese an die Mutter des Herrn vornehmen. Sie, die im Jahr 1776 die Befreiung der Stadt vom Erbeben erlangte, befreie euch alle heute und immer von dem, was das Leben, den Frieden, die Unversehrtheit der Familien und des sozialen Geflechtes bedroht. Sie schütze euch vor allem, was die Gewissen bedroht. Maria, schau mit mütterlicher Sorge auf die Situationen wirtschaftlicher und moraüscher Notlage, unter denen nicht wenige Familien leiden. 439 REISEN „Dein Herz fasse Mut”, spricht Maria heute zur Diözese Arezzo-Cortona-Sanse-polcro und zu ganz Italien. „Siehe, deine Mutter!” Ja, Maria ist Mutter, das sichere Zeichen unserer Hoffnung. Liebe Schwestern und Brüder, mit diesen Empfindungen lade ich euch ein, euch mit mir unter ihrem barmherzigen Schutzmantel zu versammeln und sie vertrauensvoll anzurufen. Der Nachfolger Petri macht sich die Anliegen der Jugendlichen zu eigen Improvisierte Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen von Arezzo am 23. Mai Liebe Jugendliche dieser Kirche, dieser Stadt und dieser Region! 1. Vor zwei Wochen war ich in Agrigent unter euren Altersgenossen aus Sizilien; heute habe ich die Gelegenheit, euch, meinen jungen Freunden aus der Toskana, zu begegnen. Ich grüße euch alle herzlich. Ein besonderes Dankeswort richte ich an eure Sprecher, die mir die Verbundenheit und die Erwartungen von euch allen zum Ausdruck gebracht haben. Doch das ist nicht alles. Gewiß haben sie eure Verbundenheit und eure Erwartungen angesprochen. Es war dabei aber eine gewisse Art, die ich schon aus anderen Begegnungen mit Jugendlichen kenne, und die sich auf allen Kontinenten wiederholt, nicht nur an den verschiedenen Orten Italiens. Zunächst empfangen die Jugendlichen den Papst und legen ihm nicht so sehr ihre Probleme, sondern vielmehr eine Botschaft vor. Immer sind die Jugendlichen in der Hauptsache Überbringer einer Botschaft. Das wiederholt sich überall, und es war hier auch heute so bei euren ersten beiden Sprechern; auch sie haben eine Botschaft der Jugendlichen ausgerichtet. Ich meine, diese Botschaft, die uns die Jugendlichen bringen, ist das Kostbarste von allem. Ich denke auch, daß angesichts dieser Botschaft der Jugendlichen das, was der Papst sagt, zweitrangig ist. Davon bin ich überzeugt. Doch muß der Papst sprechen, um diese Botschaft der Jugendlichen zu bekräftigen, weil es ja zur Sendung des Petrus gehört, seine Brüder und Schwestern zu stärken. Ihr erwartet von mir diese Bestätigung. Wir haben dann nach der Hauptbotschaft der Jugendlichen auch ihre Fragen gehört. Sie waren in drei Punkten formuliert, und wir wollen versuchen, eine, wenn nicht direkte, so doch wenigstens indirekte Antwort zu finden, die für alle gestellten Fragen gmndlegend ist. Doch vor allem muß ich euch danken für die Fragen, aber gewiß mehr noch für die Botschaft, die ihr mir im Namen aller Jugendlichen von Arezzo ausgerichtet habt. 2. Wir befinden uns alle in der Basilika. Meine Lieben, richten wir alle unseren Blick auf das große Kruzifix, das diese Basilika beherrscht. Betrachten wir die Ge- 440 REISEN ste des hl. Franziskus, der die Füße Jesu umarmt, denn sie weist uns auf die Haltung hin, die wir einnehmen müssen. Franziskus vollzieht die Geste so beredt, als wollte er einem jeden sagen: „Freund, hier kannst du die Antwort auf deine tiefsten Anliegen finden; hier hegt der Schlüssel zum Schatz, der dem ganzen Leben Wert geben kann”. Wh sehen also, daß die Antwort des Papstes vor allem die Antwort Jesu auf eure Fragen und Botschaften ist. Jesus, dieser Gekreuzigte mit Franziskus zu seinen Füßen, spricht zu uns, er spricht alle Jahrhunderte hindurch zu uns. Er spricht auch in unserem Jahrhundert ebenso angemessen zu uns über den Sinn des Lebens, über die Probleme Europas und über die Berufung eines jeden von euch. Doch wenden wir uns nun den Fragen zu. Sie betreffen im wesentlichen den Sinn des Glaubens in einer Zeit der Krise wie der unseren; sie betreffen die Möglichkeit der Freude in einer Welt, die weiter von so viel Leid, vor allem in den Kriegen auf dem Balkan und anderswo, beherrscht wird; sie betreffen endlich das Finden der eigenen Berufung mitten unter vielen und gegensätzlichen Vorschlägen, die euch von allen Seiten her ansprechen. Es sind berechtigte und wichtige Fragen. In der modernen Zeit hat die Menschheit außergewöhnliche wissenschaftliche und technische Fortschritte gemacht, doch sie hat dabei oft die Antworten auf die wirklich großen Daseinsfragen verloren. Das ist ein echtes Drama. So treffen wir überall ringsum auf ein Gefühl der Unsicherheit, die den Schwung des Einsatzes abschwächt, die Begeisterung dämpft und zu Kompromißlösungen, wenn nicht gar zum Aufgeben führt. Wie soll man ein echter Christ sein in einer Welt, die zuweilen nur sehr wenig Christliches mehr an sich hat? Wie soll man den Glauben in einer Umwelt leben, die ihm feindlich gegenübersteht oder wenigstens von ihm absieht und sich gleichgültig für schon befriedigt hält? So ist die Welt. Meine Lieben, Christsein ist heute nicht leicht, das müssen wir anerkennen. Wir müssen gegen den Strom schwimmen. Der Glaube ist nicht mehr, wie vielleicht in anderen Zeiten, selbstverständlich. Er ist ein Glaube der Entscheidung, bei der von einem jeden der Einsatz seiner selbst verlangt wird, wobei man mit den eigenen Überzeugungen die Umwelt herausfordert. Der Glaube, meine Lieben, ist wie das Gold: Es wird im Feuer geläutert. Will er echt sein, muß er seinen Weg über das Kreuz Christi nehmen (vgl. 1 Petr 1,7). Der wahrhaft Glaubende ist daher aufgefordert, sich mit dem Wort vom Kreuz auseinanderzusetzen (1 Kor 1,18), wie es Franziskus, Margareta von Cortona und viele andere Männer und Frauen getan haben. Es ist das „Wort des Kreuzes”, das wir im Innersten unseres Bewußtseins hören und annehmen. 3. Ihr fragt euch, ob Freude mitten in zahlreichen Prüfungen und Leiden möglich ist. Schaut auf Franziskus: In seinem Leben änderte sich alles radikal, als er in Assisi in eine Kirche kam, betete und den Blick auf das Kreuz richtete. Er fühlte sich in diesem Augenblick geliebt, geliebt von Christus (vgl. Mk 10,21). Seine Augen öffneten sich zum ersten Mal für das Antlitz Gottes, das im gekreuzigten Jesus sichtbar 441 REISEN wurde. Nun fühlte sich Franziskus von einer nie verspürten Reue erfüllt, aber zugleich empfand er auch eine ganz neue Freude, und von diesem Tag an wurde sein ganzes Leben neu. Meine lieben Jugendlichen, wir müssen zu einer persönlichen Gotteserkenntnis hinfinden, nicht einer abstrakten, sondern einer von Du zu Du, von Person zu Person, dartn denken wir nicht einmal mehr an unsere Sünden. Die Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes, seiner Treue und seines grenzenlosen Mitleids mit uns durchdringt das menschliche Geschöpf und läßt es gleichsam eine Durchbohrung des Herzens empfinden (vgl. Apg 2,37). Das Herz berühren heißt hier durchbohren. Das Herz Jesu ist durchbohrt, und Jesus besitzt die Kraft, auch unsere Herzen zu durchbohren. Dann öffnen wir uns für die Bekehrung, wir bekehren uns zu Christus. Ich wiederhole, ihr müßt auf Christus schauen. Ihr müßt auf ihn schauen, denn in ihm könnt ihr, wie er selbst gesagt hat, den Weg, die Wahrheit und das Leben finden (vgl. Joh 14,8). Von dieser persönlichen Begegnung mit Christus her treten wir dann in die Kirche ein, nicht nur in die Kirche als Gebäude, wie diese Kirche hier: ein herrliches Bauwerk, wie viele andere Kirchen in Italien, in Europa, in Lateinamerika und in der ganzen Welt, an vielen anderen Orten. Von Christus kommt, wie aus einem ausbrechenden Vulkan, das Feuer der göttlichen Liebe zu uns, das uns in den Sakramenten, angefangen bei der Taufe, vermittelt wird. Natürlich erleben wir den Sakramen-tenempfang nicht immer in dieser Weise. Die Tauferfahrung eines kleinen Kindes kann noch keine angemessene Erfahrung sein. Doch enthält die Taufe in sich selbst sehr wohl diese Erfahrung. So muß man in den späteren Lebensjahren immer wieder auf das Bewußtsein, getauft zu sein, zurückkommen, um den Ausbruch des Vulkans der göttlichen Liebe zu erfahren, der gekreuzigten Liebe. Der hl. Paulus sagt, daß wir in der Taufe mit Christus gestorben sind, um mit Christus.aufzuerstehen. Eine staunenswerte Anteilnahme am Paschageheimnis Christi. All das wird unser Anteil: Wir werden dieser Wirklichkeit teilhaftig. Schon die Riten für sich zeigen uns diese Wirklichkeit, doch müssen wir sie mit den Augen des Glaubens vertiefen: Wir müssen wieder auf Christus schauen, diesmal durch die Sakramente. Auf Christus schauen, um die Sakramente zu verstehen, und auf die Sakramente schauen, um Christus zu erkennen. Dies lehrt uns die Heilige Schrift, das lehren uns Paulus, Johannes, und dann die ganze Tradition der Kirche, vor allem die Erfahrung der Heiligen. Wenn wir dann die Eucharistie nehmen - ich habe mit der Taufe angefangen -, dann ist das vielleicht schon eine Wirklichkeit, die wir kennen, und so können wir sagen, daß wir mehr erfahren, weil wir bei ihrem Empfang uns des Geheimnisses bewußt sind, das sich in der Eucharistie vollzieht, das sich in der Eucharistiefeier verwirklicht und in der eucharistischen Kommunion mit Gott, mit Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, Vereinigung einer Person mit einer anderen, die uns zur Vereinigung mit der göttlichen Dreifaltigkeit führt. 442 REISEN 4. Um dann wenigstens noch ein Sakrament zu erwähnen, nenne ich die Buße. Heute ist das Bewußtsein ein wenig beiseite geschoben und vergessen, und damit beraubt sich ein jeder von uns einer großen Erfahrung. Wir wissen nicht recht mehr, was „Befreiung” ist und was frei sein bedeutet. Wenn wir nur wissen: Frei sein bedeutet das tun, was ich mag, sind wir dumm, denn das ist keine Freiheit, sondern ihr Gegenteil. So wiederhole ich euch vor diesem Kreuz des hl. Franziskus: Wenn ihr wissen wollt, was wahre Befreiung bedeutet, was es bedeutet, eure eigene Freiheit zu erfahren, vergebt nicht das Beichten, die Buße, vergeßt sie nicht, oder wenn ihr sie vergessen habt, kehrt zurück. Er befreit uns. Zuweilen befreit er uns von sehr großen Lasten, zuweilen von nicht so großen Lasten, aber immer befreit er, denn er ist unser Erlöser und Befreier. Er, der einen jeden von uns von innen her kennt, weiß auch, was in einem jeden von uns lebt, und er allein kann uns helfen, die Schranke zu überwinden, die sich so oft in uns vorfindet und die Sünde heißt. Wir möchten sie nicht so nennen und tun alles, diese Angelegenheit von uns zu entfernen, diese „klerikale” Angelegenheit. Und doch geht es um etwas tief Menschliches, Reales, das zum Geschöpf gehört. Wir kennen die Wirklichkeit nicht, wir kennen die Welt nicht - zumal die Welt im Inneren, die alle Reichtümer der äußeren Schöpfung der Natur übersteigt -, wenn wir nicht wissen, was Sünde besagt. Es ist eine Verengung, eine Verengung unseres menschlichen Bewußtseins, unseres gelebten Menschseins, nicht nur des Menschseins, das wir unter verschiedenen Aspekten in den Büchern studiert haben, sondern des gelebten. Die großen Meister eines echt gelebten Lebens aber sind die Heiligen. Heute früh habe ich Cortona besucht und den Anwesenden erneut die erstaunliche Geschichte dieses Mädchens aus Cortona erzählt, das die hl. Margareta ja ist. Welch ein Reichtum! Welch ein Reichtum an Menschlichkeit! Laßt euch als junge Menschen des 20. Jahrhunderts nicht dieser großartigen menschlichen und christlichen Erfahrung berauben, die in der Bekehrung, in der Buße und in der Lossprechung hegt. 5. Nun habe ich etwas länger gesprochen. Ich sehe, daß meine Schwierigkeit wächst, mit einem schriftlich festgelegten Text zu Jugendlichen zu sprechen. Es ist schwierig, zu ihnen mit einem Papier zu sprechen, weil ich kein Professor bin. Ich bin es wohl gewesen und ich erinnere mich an diese wertvollen Zeiten, doch heute bin ich der, der ich bin, und so wird es mir schwer, zu Jugendlichen mit einem schriftlichen Text zu sprechen. Sehe ich diese Jugendlichen, diese Augen, diese Gesichter, diese großen Pläne - ein jeder von euch ist ein großer Plan, ein göttlicher Plan, ein großer Plan, den man gründlich studieren muß, um sich nicht zu verirren und zu verlieren: Wenn ich all dies sehe, werde ich sehr viel spontaner. Verzeiht mir diese Spontaneität. Ich denke, es ist gut, diesen schriftlichen Text beiseitezulassen. Ihr werdet ihn im L’Osservatore Romano und vielleicht auch noch anderswo veröffentlicht finden. 443 REISEN Ich schätze diesen Text sehr als Text; doch es ergibt sich ein anderer Text, wenn man Jugendlichen begegnet und Kontakt mit ihnen hat. Dann entsteht also ein anderer Text, er bricht herein und zerstört das Papier. Jeder Ort hat seinen Genius, in Italien aber gibt es viele Orte, die iliren Genius haben. Das regt uns an, und so wird auch diese Kirche, die sicher aus dem Mittelalter stammt, also vor vielen Jahrhunderten gebaut wurde, mit diesen Jugendlichen, die vor dem Beginn des Dritten Jahrtausends stehen, zu einem sehr eindrucksvollen Genius. Ich weiß nicht, ob es so in Denver sein wird, ich fürchte nein. Dort werden die Amerikaner die Mehrheit bilden, und ich werde einen vorbereiteten Text vorlesen müssen, aber ich bin dessen nicht ganz sicher. Am Ende muß ich euch einen Gedanken mitteilen, der mir am Anfang gekommen ist, als einige von euch gerufen haben: „Giovanni, Giovanni, Giovanni!” (Anm. d. Red.: Johannes.) Ihr sagt „Giovanni”, und Giovanni sagt: „Giovani” (die Jugendlichen). Ein letzter Gedanke: Giovanni muß scheiden, um sein Programm durchzuführen, die „giovani” aber bleiben und werden erst später gehen. Nur, um den Regeln der austeilenden Gerechtigkeit nachzukommen, gehe ich nun diesen Weg, doch zuvor wollen wir noch das „Regina Caeli” singen. Gemeinsamer Glaube macht auch in schweren Stunden Mut Ansprache an die Priester, Ordensleute, Seminaristen, Katecheten und Laien in der Kathedrale von Arezzo am 23. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude nehme ich an diesem Treffen teil, zu dem sich hier in der Kathedrale, dem geistigen Zentrum der Diözese, Priester, Ordensleute, Seminaristen, Katecheten, Mitglieder der Pastoral- und Pfarrgemeinderäte, des Diözesanrates und Vertreter der Laienbewegungen und -gruppen zusammengefunden haben. Ihr seid die Auserwählten dieser Kirche von Arezzo-Cortona-Sansepolcro, ihrer besonderen Eigenschaft entsprechend Teilkirche, wie das Zweite Vatikanum in Lumen Gentium dargelegt hat. Ihr alle seid berufen, in unterschiedlichen Funktionen und Verantwortungen, dem Aufträg der Verkündigung des Evangeliumsaus nächster Nähe zu dienen. Mein herzlicher und brüderlicher Gruß geht insbesondere an den Bischof, Msgr. Giovanni D’Ascenzi. Gerne höre ich euren Beifall, dem ich mich anschließe, wenn ich ihm auch meinerseits zu seinem bevorstehenden 50jährigen Priesterjubiläum gratuliere. Ferner grüße ich den Generalvikar, die Mitarbeiter des Bischofs und euch alle, liebe Priester und Ordensleute, Brüder und Schwestern im Laienstand. Jedem von euch möchte ich meine Hochachtung und Zuneigung ausdrücken. 444 REISEN Mehr noch, ich möchte euch die Liebe Christi, des guten Hirten, vermitteln. Er ist hier in unserer Mitte und fordert uns auf, fest an sein Versprechen zu glauben: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt” (Mt 28,20). Diese Gewißheit gibt uns jenen Trost und jene Hoffnung, die wir heute dringend brauchen, in einer Zeit, in der die apostolische Tätigkeit und selbst der Glaube in zunehmendem Maße mit Schwierigkeiten konfrontiert werden und oft auf Gleichgültigkeit oder gar offene Feindseligkeit stoßen. Sind wir denn nicht gelegentlich müde und mutlos, genau wie die Jünger Jesu am See von Gennesaret, und versucht zu verzagen? „... wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen” (Lk 5,5). Dennoch ist nichts verloren, wenn wir in der Stunde der Finsternis wiederum auf ihn vertrauen, auf Jesus, das Ziel unserer Freude und Hoffnung. Der Erfolg unseres Apostolats ist von der Kraft unseres Glaubens abhängig. Mit dem gleichen Eifer wie der hl. Paulus sollten auch wir bekennen können: „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert?” (Röm 8,35). Ja, hebe Brüder und Schwestern, es ist Zeit, von ganzem Herzen zu rufen: nichts „kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn” (vgl. ebd. 8,39). Das ist die wirklich größte, wahre, apostolische, paulinische Definition unserer Kraft, wie sie war, ist und sein wird. 2. Liebe Priester, vor allem euch möchte ich herzlichst begrüßen. Zusammen mit dem Bischof tragt ihr die tägliche Last der pastoralen Sorge für diese Kirche, der ihr euer ganzes Leben geweiht habt. Ich weiß, wie komplex und hart euer Dienstamt aus vielerlei Gründen geworden ist, insbesondere durch die stets geringere Zahl der Berufungen. Während dringende pastorale Anforderungen zunehmen, schwinden die Kräfte, oder scheinen zu schwinden, denn wenn man weltweite, die Gesamtkirche betreffende Daten berücksichtigt, schwinden sie nicht mehr, sondern nehmen bereits wieder zu. Es gibt also eine Schwierigkeit, zu der andere hinzukommen, Schwierigkeiten, die mit dem Leben des Priesters verbunden sind, insbesondere des alten, kranken, einsamen Priesters. Es darf uns nicht wundem, wenn diese Situation zu Verbitterung führt oder sogar zu Mutlosigkeit verleitet. Daher ist die Aufforderung des Herrn zu inständigem und unablässigem Beten, damit er „Arbeiter für seine Ernte aussende” (vgl. Mt 9,38) durchaus aktuell. Nicht nur in Korea, nicht nur in Indien, nicht nur in Afrika, sondern auch in Italien, in Arezzo, auch in Europa. Diese zeitgemäße Aufforderung gilt für die Priester, aber auch für die Ordensgemeinschaften, für die Klöster, für das wertvolle Apostolat der Ordensschwestern, der apostolischen Kongregationen. Es freut mich, daß ihr euch durch das den Berufungen geweihte Jahr, dessen Abschluß wir mit dem Fest der Unbefleckten Empfängnis feiern, in dieser Richtung bewegt. Mögen der Herr und die Jungfrau Maria die inständige Bitte der gesamten Diözese erhören und viele junge 445 REISEN Menschen für das mit großer Feinsinnigkeit verständliche Ideal des priesterlichen Dienstamtes begeistern. Es darf jedoch nicht vergessen werden, daß der Ruf Gottes auch über unser hochherziges und freudiges Zeugnis führt. Nur ein mit Begeisterung gelebtes Priesteramt kann das Ideal eines jungen Menschen werden, insbesondere in einer Zeit wie der unseren, die so reich an nichtigen Freuden ist. Steht den Jugendlichen zur Seite und helft ihnen, ihre Berufung in der Kirche und der Gesellschaft zu erkennen. Bietet ihnen euer persönliches Zeugnis und das Vorbild eurer priesterlichen Gemeinschaft, wachst in gegenseitiger Zuneigung, in der Zusammenarbeit mit eurem Hirten, der stets an eurer Seite ist und euch bei eurer täglichen mühevollen Arbeit unterstützt. Diese brüderliche Gemeinschaft wird eure Freude und die Stütze eurer apostolischen Arbeit sein. Diese priesterliche Brüderlichkeit eines Priesterkollegiums wie auch die brüderliche Gemeinschaft der Bischöfe, dieser „affectus qollegialis”, ist uns in Italien wie in aller Welt eine große Hilfe. Sie hilft allen, auch mir, sie hilft dem Papst, mit den Bischöfen der verschiedenen Länder, der verschiedenen Kontinente, der verschiedenen Kirchen zusammenzutreffen, mit ihnen gemeinsam ihre Probleme zu leben, mit ihnen zu sprechen, bei ihnen zu sein, mit ihnen zu feiern, mit ihnen zu essen ... Dieser letzte Aspekt darf nicht vernachlässigt, nicht als nebensächlich erachtet werden. Wir wissen, daß auch der Herr mit seinen Jüngern gegessen hat. Selbst nach seiner Auferstehung kam er und fragte: „Habt ihr nicht etwas zu essen?” 3. Liebe Ordensleute, Schwestern und Brüder der Kirche von Arezzo-Cortona-San-sepolcro wie überall in der Kirche habt ihr als geweihte Männer und Frauen eine wichtige Stellung, als gottgeweihte Personen - eine große Würde, eine große Berufung - und dann als Kongregation, als Gemeinschaft. Ich danke euch für das Zeugnis eures gottgeweihten Lebens! Ihr seid der wahre geistige Atem der Kirche, der Diözese, der Pfarrgemeinden. Zweifellos auf ganz besondere Weise sind es die dem monastischen Leben geweihten Schwestern und Brüder, die durch ihr Leben im Gebet, der Selbsthingabe, der Abgeschlossenheit die Empfänger unzähliger Gnadengaben Gottes sind und die Arbeit der Priester und anderer Pastoralarbeiter unterstützen. In der heutigen Gesellschaft, die den Gefahren einer Säkularisierung ausgesetzt ist, die das Leben auf eine rein weltliche Perspektive beschränkt, ist es eure Aufgabe, Zeugen zu sein für das Ewige, das Absolute Gottes, die Liebe, die Gott selbst ist, der sich als Liebe in Jesus Christus offenbart hat, der die Welt so sehr geliebthat... Möget ihr alle, auf den Herrn vertrauen, der euch gerufen hat. Laßt uns gemeinsam inständig um neue Berufungen beten. 4. Mein Gruß, der gewissermaßen die ganze Kirche von Arezzo einschließt, gilt auch den Brüdern im Laienstand, dem gesamten Volk Gottes. Zahlenmäßig bilden sie die absolute Mehrheit in jeder Kirche. Dank Gottes werden es auch in qualitativer Hinsicht stets mehr, die mit großem Eifer und vollem Bewußtsein ihre Berufung 446 REISEN und Aufgabe in der Kirche leben. Mein Gruß und herzlicher Dank gilt den Laien, Katecheten und Lehrern, den Vertretern der Pastoralräte, den Leitern der Säkularin-stitute und den Verantwortlichen der Katholischen Aktion, der verschiedenen kirchlichen Bewegungen, den im Volontariat und zahlreichen Organisationen tätigen Gruppen. Mit Freude erkenne ich den Dienst an, den ihr innerhalb der christlichen Gemeinschaft leistet. Ohne euren hochherzigen Beitrag könnte die Kirche ihren Geist der Gemeinschaftlichkeit und des Dienstes nicht vollends zum Ausdruck bringen. In erster Linie ist es eure Aufgabe, dort anwesend und tätig zu sein, wo der Herr euch eingesetzt hat, im Bewußtsein, daß das Laientum Ausdruck eurer auf der Taufe begründeten Berufung ist, die euch zum Sauerteig des Evangeliums in den verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens macht, in der Familie, im Beruf, im wirtschaftlichen und politischen Leben, auf kulturellem und erzieherischem Gebiet. In vielen beruflichen Bereichen, man könnte sagen, in vielen Bereichen, in denen wir unser Leben verdienen, aber auch in vielen Bereichen, in denen wir das ewige Leben verdienen, sind wir Christen, Zeugen Christi, Zeugen des Herrn. Sicher, das Klima, das wir heute atmen, das oft von christlichen Werten weit entfernt ist, wird euch dieses Zeugnis nicht leicht machen und von euch auch Mut zum Heroismus fordern. Dennoch dürft ihr nie glauben, allein zu sein. Wie zu den Aposteln sagt Jesus auch zu euch: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren” (Joh 14,1). „Ich bin bei euch!”. Wie ich den Bischöfen, den Priestern, den geweihten Personen, den Ordensleuten zur Seite stehe, so bin ich auch bei euch, den als meine Zeugen berufenen Laien, ich bin bei euch, denn ich bin an der Seite der gesamten apostolischen Kirche. Ihr seid ein wesentlicher Bestandteil dieses Apostolats der apostolischen Kirche, wie das Zweite Vatikanische Konzil betont: die christliche Berufung ist stets Berufung zum Apostolat. Liebe Priester, Ordensleute und Laien, setzt euren Weg mit Zuversicht und jener freudigen Unerschrockenheit fort, die euch der Glaube, das Gebet und eine stets erneuerte Gemeinschaft schenkt. Erleuchte euch der Geist Gottes, und möge die heilige Maria, die Mutter der Kirche, euch unterstützen. In meinem Gebet bin auch ich bei euch und spende allen von Herzen meinen Segen. 447 REISEN 7. P astoralbesuch in Spanien (12. bis 16. Juni) Die Gläubigen zur persönlichen Bekehrung führen Predigt bei der Priesterweihe in Sevilla am 12. Juni „Wenn dann der oberste Hirt erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen” (1 Petr 5,4). 1. Diese Worte der zweiten Lesung, die der Apostel Petrus an die Priester richtet, kennzeichnen unsere Feier am Vorabend des feierlichen Abschlusses des 45. Eucharistischen Weltkongresses, eine Feier, in deren Verlauf mir der Herr die Freude schenkt, dieser zahlreichen Gruppe von Diakonen das Sakrament der Priesterweihe zu spenden. Unser oberster und einziger Hirt Jesus Christus sagte zu seinen im Abendmahlssaal versammelten Jüngern: „Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen” (Lk 22,15). Diese Worte sind es, die mich euch, geliebte Söhne, so sehr nahebringen, da ihr euch nun anschickt, die Priesterweihe zu empfangen. Unsere glaubenden Blicke und unsere Herzen versammeln sich rings um das Geheimnis des Erlösungsopfers Christi, des Lichtes der Völker, das von diesem Internationalen Eucharistischen Kongreß in Sevilla aus seinen Schein über die Kirche und die Welt wirft. Eucharistie und Priestertum sind zwei zutiefst miteinander verbundene Wirklichkeiten, wie wir es den soeben verkündeten Worten Jesu entnehmen: „Tut dies zu meinem Gedächtnis” (Lk 22,19). Tatsächlich wäre dieser Auftrag vergeblich gewesen, wäre nicht „den Aposteln und seinen Nachfolgern im Priesteramt” die „Vollmacht verliehen worden, den Leib und das Blut Christi darzubringen und zu verwalten” (Konzil von Trient, Sitzung 23, Kap. 1: DS 1764.1). Christus hat also im Verlauf des letzten Abendmahls, während der Einsetzung der Eucharistie, die Apostel zu „Priestern des Neuen Bundes” (ebd., Sitzung 22, Kap. 1: DS 1740) gemacht. Deshalb fühlen wir uns heute in den Abendmahlssaal versetzt, sind doch die Feier der Eucharistie und die Priesterweihe zu einer einzigen liturgischen Handlung verschmolzen. 2. Bei dieser Zeremonie der Priesterweihe, die euch, hebe Diakone, durch Auflegung meiner Hände zu Verwaltern des eucharistischen Opfers macht, denke ich an die Ergriffenheit aller Anwesenden. Während ich jeden einzelnen von euch anblicke, gedenke ich der Gebete und Opfer so vieler Väter und Mütter, so vieler Erzieher, Gottgeweihter und einfacher Menschen, denen die Kirche größten Dank schuldet. Insbesondere möchte ich der fruchtbaren, meist verborgenen Arbeit so vieler Prie- 449 REISEN ster gedenken, die euch vorangegangen sind: Sie haben mit ihrem heiligmäßigen Leben und ihrem apostolischen Einsatz die heutige Priesterweihe möglich gemacht, die die ganze Kirche mit Freude erfüllt. Es ist mir eine Freude, heute meine Mitbrüder im Bischofsamt zu begrüßen, insbesondere den Erzbischof von Sevilla und die Kardinäle und Bischöfe, die heute zu ihrer großen Zufriedenheit der Kirche einige ihrer liebsten Söhne vorstellen können, damit sie durch die Handauflegung zu „Priestern des Neuen Bundes” im Dienst des Volkes Gottes werden. Ein besonders hebevolles Wort richte ich an die Seminaristen von ganz Andalusien die gemeinsam mit ihren Ausbildern an dieser bedeutsamen Zeremonie teilnehmen wollten. Mein herzücher Willkommensgruß gilt allen Anwesenden, die bei dieser Weihezeremonie zugegen sind, insbesondere den Eltern und den übrigen Angehörigen der Weihekandidaten. 3. Wir haben soeben die Worte vernommen, die der Herr während des Letzten Abendmahls an seine Jünger richtete: „Ich aber bin unter euch wie der, der dient” (Lk 22,27). Jesus hat ihnen aufgetragen, für sein Reich zu arbeiten, macht sie jedoch darauf aufmerksam, daß ihre Sendung nichts mit der Ausübung menschlicher Autorität gemein hat. Im ersten Petrusbrief, den wir vernommen haben (2 Petr 5,1-4), lesen wir einige Aufforderungen an die Priester, mit denen er sie daran erinnert, daß ihr Dienst in dem des obersten Hirten verankert ist, von dem sie „den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit” (2 Petr 5,4) empfangen werden. Mit den gleichen Worten des Apostels Petrus möchte ich auch euch, gebebte Söhne, im Augenbhck der Priesterweihe auffordem: „Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, nicht aus Zwang, sondern freiwillig, wie Gott es will” (2 Petr 5,2). Seid Hirten nach dem Herzen Gottes; nach dem Herzen dessen, der von sich selbst sagte: „Ich bin der gute Hirt” (Joli 10,11). In einer Welt wie der unseren, mit so vielen Versuchungen, die den Menschen vom Geheimnis Gottes wegziehen, muß der Priester - wie der gute Hirt - das erbarmende Antlitz Jesu, des einzigen Retters, widerspiegeln; er muß die Menschen lehren, daß Gott sie unendlich hebt und sie zu jeder Zeit erwartet; er muß die Gefühle Christi selbst widerspiegeln, indem er stets das Zeugnis grenzenloser Hirtensorge gibt. 4. Die Tatsache, daß ihr die Priesterweihe während dieses 45. Eucharistischen Weltkongresses empfangen dürft, erfübt euch mit besonderer Freude, da ihr nach dem Willen Gottes Verwalter der Eucharistie sein werdet. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt uns: „Diese Hirtenliebe erwächst am stärksten aus dem eucharistischen Opfer, das daher die Mitte und Wurzel des ganzen priesterlichen Lebens bildet, so daß der Priester sich bemühen muß, all das in sein Herz aufzunehmen, was auf dem Opferaltar geschieht” (Presbyterorum ordinis, Nr. 14). Deshalb werde ich euch mit den Worten des Weiheritus auffordem: „Ihr sollt von eurem Tun Rechnung ablegen und das nachahmen, dessen ihr gedenkt, und zwar so, daß ihr bei der Feier des Geheimnisses des Todes und der Auferstehung Christi bestrebt seid, das Übel in euch absterben zu lassen und den Weg zu einem neuen Leben einzuschlagen”. 450 REISEN Die Eucharistie, deren Verwalter ihr sein werdet, ist nicht ein vom Leben losgelöster Ritus. Der Priester vereinigt am Altar die Gläubigen mit dem Opfer Christi, indem er nicht nur ihre Gebete, sondern auch ihre guten Werke, ihre Freuden und Leiden, ihre Bitten und ihr Lob darbringt, so daß das Leben der Gläubigen Gott als Gabe dargeboten wird. In eure priesterlichen Hände, hebe Brüder, wird Christus den unermeßlichen Schatz der erlösenden Liebe, der Vergebung der Sünden legen. Ich möchte euch auffordem, bei der Ausübung eures Amtes, die ihr heute beginnt, nicht das Sakrament der Versöhnung zu vernachlässigen, durch das alle Christen die Verzeihung ihrer Sünden erlangen. Ihr sollt eine Pastoral fördern, welche die Gläubigen zur persönlichen Bekehrung führt, weshalb ihr dem Amt der Sündenvergebung die ganze Zeit widmen müßt, die es erfordert, mit Hochherzigkeit und mit der Geduld echter „Menschenfischer”. 5. In der ersten Lesung unserer Eucharistiefeier sehen wir den Propheten Jeremia, der den Auftrag empfängt, das Wort des Herrn zu verkünden, eine Sendung, die auch ihr, geliebte Weihekandidaten, heute als Verwalter und Diener der Frohbotschaft empfangt. Der Herr, der sein öffentliches Wirken mit dem Aufruf zur Bekehrung begann, empfahl seinen Jüngern eine besondere Art der Verkündigung. Während seines öffentlichen Lebens sandte er sie aus, um zu predigen. Auch ihr seid als Priester zur Verkündigung des lebendigen Wortes, zur Verkündigung der rettenden Frohbotschaft bemfen. Das erwarten die Gläubigen von euch und dämm bittet euch die Kirche: Daß ihr echte Verwalter des Wortes seid, wie der hl. Paulus sagt: „Als Diener Christi soll man uns betrachten und als Verwalter von Geheimnissen Gottes” (1 Kor 4,1). Eure Treue zur empfangenen Sendung fügt sich in das Geheimnis der Kirche ein, in der Jesus für das Heil der Welt gegenwärtig und am Werk ist. Darüber hinaus empfehle ich euch, eure Verkündigung möge sich immer vom Wort Gottes erleuchten lassen, wie es die Tradition überliefert und wie es das kirchliche Lehramt mit seiner Autorität darlegt. Sprecht kraftvoll, predigt aus der Tiefe eures Glaubens und verbreitet stets Hoffnung, als Zeugen des auferstandenen Christus. Betrachtet euch nicht als von Christus unabhängige Lehrer (vgl. Mt 23,8), sondern als seine Zeugen und Diener, der Aufforderung des römischen Pontifikales gemäß: „Seid bestrebt, das zu schaffen, was ihr lest, das zu lehren, was ihr glaubt und das zu leben, was ihr lehrt”. 6. Wir dürfen ein Bild nicht vergessen, das uns die Evangelien oft vor Augen führen: Jesus im Gebet. Der Herr, der Abgesandte des Vaters, betet unablässig. Sein Gebet durchdringt sein priesterliches Wirken und wir können feststellen, daß das Gebet in welchem er am inständigsten für alle betet, sein Abschiedgebet beim Abendmahl ist (vgl. Joh 17,1-26), bei der Einsetzung der Eucharistie und des Priestertums. Sollte also der Priester sich nicht zur Vertrautheit mit dem Herrn im Gebet bemfen zu fühlen? Ja, das Gebet ist ein wesentliches Element im Leben und im pastoralen Wirken des Priesters. Ein Priester dieses Landes und Schutzpatron des spanischen Diözesanklems, der hl. Johannes von Avila, legte die Notwendigkeit des Gebetes 451 REISEN für das priesterliche Amt folgendermaßen dar: „Welch erhabene Handlung ist es doch, auch Weihrauch bei der Darbringung dieses Opfers zu verwenden. Damit alles gut und würdig verrichtet sei, darf man die Dinge nicht voneinander trennen! Weihrauch bedeutet Gebet, und der, dessen Amt das Gebet ist, hat als Amt auch das Opfer, da er Mittler zwischen Gott und den Menschen ist, um Gottes Erbarmen auf sie herabzurufen, und das nicht mit leeren Händen, sondern indem er die Gabe darbringt, die den Zorn besänftigt: Christus unseren Herrn” (Pläticas espirituales, 2). 7. Die volle Angleichung an Christus erfordert im Sinn der Gesetzgebung der lateinischen Kirche und auch einiger orientalischer Riten von allen Priestern die Ehelosigkeit. „Der Wille der Kirche findet seine letzte Begründung in dem Band, das den Zölibat mit der heiligen Weihe verbindet, die den Priester Jesus Christus, dem Haupt und Bräutigam der Kirche, gleichgestaltet” (Pastores dabo vobis, Nr. 29). Erfleht also vom Herrn die Gnade, diese große Gabe, mit der er seine Kirche gesegnet hat, zutiefst zu leben. Diese Ermahnung richte ich nicht nur an die geliebten Söhne, die jetzt geweiht werden, sondern auch mit herzlicher Dankbarkeit an alle hier anwesenden Priester und an all jene, die in den verschiedenen Bereichen der Pastoral und des apostolischen Wirkens in Spanien großmütig mit den Bischöfen bei der Erfüllung einer überwältigenden Aufgabe, nämlich der Neuevangelisierung Zusammenarbeiten. Seid mit eurem heiligmäßigen und engagierten Leben allzeit Licht, das erhellt, und Salz, das allen, die uns umgeben, die christlichen Tugenden schmackhaft macht. Euer priesterliches Zeugnis muß immer evangelisierend wirken, damit alle, die des Lichts und des Glaubens bedürfen, mit Freude das Wort des Heiles aufnehmen; damit die Armen und die Unbeachteten die brüderliche Nähe und Solidarität verspüren; damit die Ausgegrenzten und Verlassenen die Liebe Christi erfahren; damit die, die keine Stimme haben, sich erhört fühlen; damit den ungerecht Behandelten Verteidigung und Hilfe zuteil werde. 8. Liebe Söhne, die ihr euch nun anschickt, aus meinen Händen die Priesterweihe zu empfangen: Wie weit sind doch die Horizonte, die Christus und seine Kirche heute vor euch auftut! Öffnet eure Seelen, um diese große Gabe Gottes zu empfangen. Ich empfehle euch der Fürbitte der seligsten Jungfrau Maria, „Mutter Jesu Christi und Mutter der Priester”, damit ihr euch rückhaltlos für die Verwirklichung des Ideals des priesterlichen Lebens einsetzt, das die Kirche euch vorlegt. Der Herr bietet euch heute „den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit” (1 Petr 5,4) an. „Die Gestalt dieser Welt vergeht” (1 Kor 7,31), doch Christus, das Licht der Völker, ist der Priester eines Bundes, der nicht vergeht und nicht verwelkt, denn er ist ewig. Nach der Weihe sagte der Papst: Mit meinen herzlichsten Wünschen gratuliere ich allen, insbesondere den neugeweihten Priestern und ihren Familien - den Familien ihrer Herkunft und den geistli- 452 REISEN chen und kirchlichen Familien: den Pfarreien und Diözesen, den Bischöfen, allen und jedem einzelnen, und auch dem Papst. In der Eucharistie feiert und verkündigt die Kirche das Mysterium Christi Ansprache an die Bischöfe, Priester und Ordensleute in der Kathedrale von Sevilla am 12. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Priester und Ordensleute. Adoremus in aetemum Sanctissimum Sacramentum! Mit den Engeln und Heiligen der himmlischen Kirche vereint verehren wir das heiligste Sakrament der Eucharistie. Niederkniend preisen wir das große Mysterium, das den neuen und endgültigen in Christus verwirklichten Bund zwischen Gott und den Menschen in sich schließt. 1. Liebe Priester und Ordensleute, liebe Brüder und Schwestern, mit großer Freude knie ich mit euch vor Jesus im Sakrament, in demütiger und inniger Anbetung, den barmherzigen Gott preisend, dem Spender aller Wohltaten dankend und ihn bittend, der „allzeit lebt, um für sie einzutreten” (vgl. Hebr 7,25). „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch” (Joh 15,4). Eben haben wir diese Stelle des Evangeliums über das Gleichnis vom Weinstock und der Rebe gehört: wie einleuchtend ist doch diese Episode im Licht der lebendigen und lebenspendenden Präsenz Christi in der Eucharistie! Christus ist der Weinstock im auserwählten Weinberg, der das Volk Gottes, die Kirche ist. Durch das Geheimnis des eucharistischen Brotes kann der Herr zu jedem von uns sagen: „Wer mein Heisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm” (Joh 6,56). Sein Leben wird an uns weitergegeben wie der Lebenssaft des Weinstocks an die Reben, damit sie leben und Früchte tragen. Ohne eine wahre Einheit mit Christus - an den wir glauben und an dem wir uns nähren - können in uns weder übernatürliches Leben noch reiche Früchte sein. 2. Die Ewige Anbetung Jesu im Sakrament war der Leitfaden aller Handlungen dieses internationalen eucharistischen Kongresses. Daher gratuliere und danke ich allen, die mit großem pastoralen Eifer und apostolischem Einsatz die Verantwortung für den Kongreß übernommen haben. Die ständige Anbetung in zahlreichen Kirchen der Stadt, in vielen sogar auch während der Nacht, war eine bereichernde und kennzeichnende Charakteristik dieses Treffens. Möge diese Form der Anbetung, die heute nacht mit einer feierüchen eucharistischen Gebetswache zu Ende gehen wird, auch in Zukunft fortgesetzt werden, damit in allen Pfarrgemeinden und christlichen 453 REISEN Gemeinschaften die Anbetung der heiligen Eucharistie in welcher Form auch immer zur Gewohnheit werde. Sevilla erinnert uns unweigerlich an denjenigen, der Priester dieser Erzdiözese, Erzpriester von Huelva und später zunächst Bischof von Malaga und anschließend von Palencia war: Manuel Gonzalez, Bischof der „vergessenen Tabernakel”. Er war stets bemüht, allen die Gegenwart Jesu im Tabernakel bewußt zu machen, dem wir oft nicht auf angemessene Art und Weise antworten. Durch sein Wort und Beispiel machte er stets darauf aufmerksam, daß im Tabernakel jeder Kirche ein Licht scheint, dessen Nähe unser Leben erleuchten und erneuern kann. 3. Ja, hebe Brüder und Schwestern, es ist wichtig, das tiefe eucharistische Mysterium zu leben und zu leben lehren: das Sakrament des Opfers, des Hochzeitsmahls und der ständigen Gegenwart Jesu Christi, des Erlösers. Ihr wißt, daß die verschiedenen Kultformen der heiligsten Eucharistie Fortsetzung und, ihrerseits, Vorbereitung auf das Opfer und die Kommunion sind. Ist es notwendig, erneut die tiefen theologischen und spirituellen Motivationen der Verehrung des heftigsten Sakraments außerhalb der Meßfeier zu betonen? Es ist währ, daß die geweihten Hostien zunächst in der Pyxis aufbewahrt werden, damit auch die Kranken und Abwesenden außerhalb der Messe die Kommunion empfangen können. Aber, wie der Katechismus der Katholischen Kirche sagt, „durch die Vertiefung des Glaubens an die wirkliche Gegenwart Christi An seiner Eucharistie wurde sich die Kirche bewußt, daß es sinnvoll ist, den unter den eucharistischen Gestalten anwesenden,Herrn anzubeten” (Nr. 1379). 4. „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” {Mt 28,20). Diese Worte spricht der auferstandene Christus unmittelbar vor seiner Himmelfahrt. Jesus Christus ist wirklich Emanuel, Gott bei uns, von seiner Menschwerdung an bis an das Ende aller Zeiten. Er ist es auf ganz besonders intensive und direkte Art und Weise in der Eucharistie, im Mysterium seiner ständigen Gegenwart. Welch eine Kraft, welch ein Trost, welch starke Hoffnung bewirkt die Kontemplation des eucharistischen Mysteriums! Er, Gott, der bei uns ist, läßt uns an seinem Leben teilhaben und schickt uns in die Welt hinaus, um sie zu evangelisieren und zu heiligen. „Eucharistie und Evangelisation” war das Thema des 45. Internationalen Eucharistischen Kongresses von Sevilla, über das ihr in diesen Tagen und während der langen Vorbereitungsphase intensiv nachgedacht habt. Die Eucharistie ist wirklich „Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation” (Presbyterorum ordinis, Nr. 5); sie ist Horizont und Ziel der Verkündigung des Evangeliums Christi. Durch das Wort der Wahrheit, durch die Verkündigung der Heilsbotschaft sind wir stets auf sie hingeordnet. Daher hat jede dem Geist und den Gesetzen der Kirche entsprechend gelebte liturgische Eucharistiefeier große Evangelisierungskraft. Tatsächlich hat die Eucharistiefeier eine bedeutende und wirksame bildende Funktion für das christliche Mysterium: die Gemeinschaft der Gläubigen wird als Familie und Gottesvolk, als Leib Christi, einberufen und versammelt; sie nährt sich an der zweifachen Tafel des 454 REISEN Wortes. Gottes und des eucharistischen Opfermahls; sie wird als Vermittler des Heils in die Welt ausgesandt. All das ist Lobpreis und Danksagung an den Vater. Gemeinsam wollen wir den Herrn Jesus Christus bitten, der für unsere Sünden gestorben und für unsere Erlösung auferstanden ist, damit die Kirche aus diesem eucharistischen Kongreß für die in aller Welt so notwendige Neuevangelisation gestärkt hervorgehen möge: neu auch in der ausdrücklichen und tiefen Beziehung zur Eucharistie, als Mittelpunkt und Grundlage des christlichen Lebens, als Stifterin und Förderin von Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und des Dienstes an allen Menschen, angefangen von den Bedürftigsten in Leib und Seele. Evangelisierung für die Eucharistie, in der Eucharistie und durch die Eucharistie: drei untrennbaren Aspekte, die verdeutlichen, wie die Kirche das Mysterium Christi lebt und ihre Sendung, es allen Menschen zu verkünden, erfüllt. 5. Gott gebe, daß durch die innige Vereinigung mit dem eucharistischen Christus zahlreiche Apostel, Missionare, berufen werden, um dieses Evangelium des Heils in alle Welt hinauszutragen. Unlängst haben wir die 500jährige Evangelisierung Amerikas gefeiert, und ich möchte die spanischen Priester und Ordensleute bitten, den Erfordernissen und Umständen der heutigen Zeit entsprechend, wie bereits in vergangenen Zeiten die Schwesterkirchen Lateinamerikas bei ihrer dringenden Evangelisierungsaufgabe brüderlich zu unterstützen, im Einklang mit dem Geist und den Reflexionen der im vergangenen Oktober in Santo Domingo abgehaltenen 4. Generalkonferenz der lateinamerikanischen Bischofskonferenz. Mit lauter Stimme fordert heute die gesamte Kirche neuen missionarischen Eifer, starken Evangelisierungsgeist, „neu in seinem Eifer, in seinen Methoden und seiner Ausdrucksweise”. 6. „Aber die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit” (Joh 4,23), sagte Jesus zur Samari-terin am Jakobsbrunnen. Die Anbetung der Eucharistie „ist die Kontemplation und Anerkennung der wahren Gegenwart Christi in den eucharistischen Gestalten außerhalb der Meßfeier (...) Sie ist ein wirklich dialogisches Treffen, das (...) uns für die Erfahrung Gottes öffnet (...) Gleichzeitig ist sie eine Geste der Solidarität gegenüber den Bedürfnissen und Nöten der ganzen Welt” (vgl. Grunddokument der Konferenz:, 25). Diese eucharistische Anbetung muß aufgrund der ihr eigenen spirituellen Dynamik zum von Liebe und Gerechtigkeit erfüllten Dienst an den Brüdern anregen. Angesichts der wahren und geheimnisvollen Gegenwart Christi in der Eucharistie - eine nur mit den Augen des Glaubens sichtbare Gegenwart - sehen wir die Worte des Apostels Johannes, der die Liebe Christi so gut kannte, in einem neuen Licht: „Denn wer seinen Bruder nicht hebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht” (1 Joh 4,20). Daher hat man diesem Kongreß eine in allen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft spürbare, eindeutig evangelisierende und zeugnisgebende Aussage geben wollen. Ich hoffe, daß der Evangelisierungseifer in der Christenheit eine wirkliche 455 REISEN Übereinstimmung zwischen Glaube und Leben wecken und zu mehr Gerechtigkeit und Nächstenliebe, zur Förderung ausgewogener Beziehungen zwischen Menschen und Völkern führen Wird. Von diesem Kongreß muß - insbesondere für die Kirche in Spanien - eine auf einer erneuerten Glaubenserziehung gegründete Stärkung des christlichen Lebens ausgehen. Wie wichtig ist doch in der zunehmend verweltlichten Gesellschaft von heute die Erneuerung der sonntäglichen Eucharistiefeier und des sonntäglichen christlichen Lebens! Das Gedächtnis der Auferstehung des Herrn und die Eucharistiefeier müssen dem Sonntag einen wahrhaft humanisierenden religiösen Inhalt geben. Die sonntägliche Arbeitspause, die dem Familienleben gewidmete Aufmerksamkeit, die Pflege geistiger Werte, die Teilnahme am Leben der christlichen Gemeinschaft werden dazu beitragen, eine bessere, sittlichere, solidarischere und weniger konsumorientierte Welt aufzubauen. 7. Möge der Herr, das Licht der Völker - der in diesen Tagen den Samen der Wahrheit mit vollen Händen in viele Herzen austeilt - kraft seiner göttlichen Fruchtbarkeit die Früchte dieses Kongresses mehren. Eine dieser Früchte, vielleicht die wichtigste Frucht von allen, ist die Wiederbelebung der Berufungen. Wir wollen den Herrn der Ernte bitten, Arbeiter für seine Ernte auszusenden (vgl. Mt 9,38): wir brauchen zahlreiche Berufungen für das Priester- und Ordensleben. Jeder von uns muß mit seinem Wort und Zeugnis des hochherzigen Schenkens zu einem „Apostel der Apostel”, zum Förderer von Berufungen werden. In der Eucharistie wendet sich Christus heute auch nachdrücklich an viele junge Menschen: „... folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischem machen” (Mt 4,19): möget ihr, die Priester und Ordensleute, freudige und überzeugende Vermittler dieses Aufrufs des Herrn sein. Möge die Jungfrau Maria, die in Sevilla und in dieser Kathedrale mit dem Namen Unsere hebe Frau der Könige verehrt wird, uns zur Begegnung mit ihrem Sohn im eucharistischen Mysterium anspomen und führen. Möge sie, wahre Arche des Neuen Bundes, lebendiger Tabernakel des fleischgewordenen Sohnes, uns lehren, ihrem im Tabernakel gegenwärtigen Sohn Jesus Christus, in aufrichtiger, demütiger und treuer Hingabe zu begegnen. Möge sie, Stern der Evangelisierung, uns auf dem Glaubens weg begleiten, damit allen Menschen, allen Völkern das Licht Christi zuteil werde. Amen. Eucharistie - Zeichen der Brüderlichkeit Ansprache zum Angelus auf dem Platz „Virgen de los Reyes” in Sevilla am 12. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Von der „Giralda” aus, diesem Symbol Sevillas, nahe dem Platz „Virgen de los Reyes” und dem der unbefleckten Empfängnis geweihten Denkmal begrüße ich euch alle von ganzem Herzen zum Angelusgebet, dieses Gebet zu Ehren Unserer 456 REISEN Lieben Frau, die in diesem Land, das ihr mit berechtigtem Stolz das Land der heiligen Maria nennt, so sehr geliebt und verehrt wird. Mit großer Freude besucht der Papst erneut diese alte und berühmte Stadt, die Heimat der beiden hll. Leander und Isidor, um gemeinsam mit euch die heilige Eucharistie anzubeten und unsere himmlische Mutter zu ehren. Bekanntlich haben die Gläubigen Sevillas von ihren Vorfahren jene zweifache Verehrung übernommen, die schon immer die christliche Spiritualität der Bevölkerung geprägt hat: die Verehrung des Heiligsten Sakraments und die tiefe Liebe zur Jungfrau Maria. Ohne sie ist die Geschichte dieser Kirche Sevillas nicht zu verstehen. 2. Auch bei dieser Gelegenheit, zum Abschluß dieser intensiven eucharistischen Tage, habt ihr diese jahrhundertealte Tradition bestätigen wollen, indem ihr heute morgen das Bild der Jungfrau der Könige, die seit über sieben Jahren eure Schutzheilige ist und die großen Ereignisse dieser Stadt lenkt, in einer feierlichen Prozession durch die Straßen getragen habt. Immer hat Sevilla die Jungfrau mit dem sakramentalen Jesus verbunden, wie das Bild der Unbefleckten Jungfrau Maria in dem herrlichen Arfe-Ziborium beweist, das an Fronleichnam durch eure Straßen getragen wird. Auch der schöne Seises-Tanz, den ich bei meinem vorherigen Besuch anläßlich der feierlichen Seligsprechung von Schwester Angela de la Cruz bewundern konnte, ist eine harmonische Verknüpfung der eucharistischen und marianischen Verehrung. 3. Nun, zur Stunde des Angelus, möchte ich alle auffordem, Maria zu bitten, in diesem ihrem Sevilla den auch in der Bevölkerung tief verwurzelten Reichtum der eucharistischen Verehrung und Barmherzigkeit stets zu wahren und zu stärken; damit all eure Ergebenheit, alle Bemühungen zur Förderung eines fruchtbaren christlichen Lebens, der Eucharistie entspringen und von ihr genährt werden; damit das eucharistische Sakrament eure Liebe zu Gott und den Brüdern stärken, euren Glauben entflammen und eure Hoffnung festigen möge. Von jetzt an möchte der Papst alle von Herzen grüßen und wie ein Freund allen Zuhörern zu Herzen gehen, um ihnen Hoffnung, Freude und Willenskraft zur Überwindung der Schwierigkeiten zu geben und weiterhin die neue Gesellschaft der großen spanischen Familie aufzubauen. Von hier aus möchte ich ganz besonders die kranken, alten, ausgestoßenen und armen Menschen grüßen, alle die an Leib und Seele leiden. Sie sollen wissen, daß die Kirche ihnen nahesteht, sie liebt, sie in ihrem Leid und bei all ihren Problemen begleitet; die Kirche möchte ihnen helfen, die Prüfungen zu überwinden, die sie bestärkt, auf die göttliche Vorsehung und den für das Opfer verheißenen Lohn zu vertrauen. Allen erteile ich meinen Segen als Zeichen von Gnade und Gemeinschaft. 4. Die Begegnung mit euch zur Stunde des Angelus auf diesem nach der Jungfrau der Könige benannten Platz läßt mein Herz schlagen wie das von Elisabet, als sie den Gruß Marias hörte. Und wie Elisabet möchte ich euch seligpreisen, weil ihr geglaubt habt, weil ihr das Wort des Lebens in eure Herzen aufgenommen habt. Jenes 457 REISEN Wort, das Heisch geworden ist, um unter uns zu wohnen, um uns zu nähren, um das Brot des Himmels zu sein, das wir in der Eucharistie erhalten und uns stets in der Stille des Tabernakels begleitet. Während der Feierlichkeiten dieser Tage wollen wir unsere Herzen auf jene tiefe Brüderlichkeit antworten lassen, die in der Eucharistie reiche und fruchtbare Wirklichkeit wird und sich an der gemeinsamen geistigen Mutterschaft der Jungfrau nährt. Im Angelusgebet wollen wir nun die Jungfrau anrufen, damit sie uns allen jene Gnade gewährt, die der Herr uns bei diesen Festlichkeiten erweist. Ein Zeichen von kirchlicher Einheit Ansprache an die nationalen Delegierten beim Eucharistischen Weltkongreß in Sevilla am 13. Juni Liebe nationale Delegierten und Teilnehmer im Namen eurer kirchlichen Gemeinschaften am 45. Eucharistischen Weltkongreß! 1. Zusammengerufen durch Christus, das Licht der Völker, sind wir als Pilger in die Stadt Sevilla gekommen, um in der Eucharistie das Geheimnis des Heiles zu feiern, das Gott allen Menschen anbietet und das die Kirche jeden Tag verkündet und erneuert. Es ist die Kirche, die die Eucharistie feiert und die, wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit” ist (Lumen Gentium, Nr. 1). In der Feier der Eucharistie zeigt sich klar die Einheit des mystischen Leibes Christi. So lehrt es auch der Katechismus der Katholischen Kirche-. „Die Eucharistie schafft die Kirche. Jene aber, die die Eucharistie empfangen, vereinigen sich inniger mit Christus. Christus wieder vereint sie alle in einem einzigen Leib: der Kirche” (Nr. 1396). Das Ostergeheimnis Christi, die Feier der Geheimnisse unserer Erlösung im Altars Sakrament, treibt uns zu gleicher Zeit an, „die unveräußerliche Würde des ganzen Menschenwesens durch Gerechtigkeit, Frieden und Eintracht zu fördern; uns selber hochherzig als Brot des Lebens für die anderen anzubieten, damit alle wirklich in der Liebe Christi eins werden” (Predigt bei der „Statio Orbis” in Seoul, Nr. 6; in: O.R. dt., Nr. 43, S. 9, 27.10.1989). 2. Dieser Eucharistische Kongreß ist nicht lediglich ein internationales Ereignis wegen der Anwesenheit und Teilnahme zahlreicher Brüder und Schwestern, die aus den fünf Kontinenten stammen und in Sevilla Station gemacht haben, er ist in besonderer Weise ein Zeichen der Katholizität, in der die Einheit der Kirche im einen Leib Christi sichtbar wird. Davon gebt auch ihr Zeugnis als nationale Delegierte für die Internationalen Eucharistischen Kongresse, die ihr an dieser Begegnung teilnehmt. 458 REISEN Verbunden mit meinem brüderlichen und herzlichen Gruß möchte ich betonen, daß eure Arbeit von der Kirche sehr geschätzt wird und daß - wie ich bei anderen Gelegenheiten betont habe - der Erfolg eines jeden Kongresses in großem Maße von denen abhängt, die unter der Leitung der Bischöfe die Programme vorbereiten und ihre Durchführung organisieren (vgl. Ansprache an das Päpstliche Komitee fiir die Eucharistischen Kongresse vom 7. November 1991, 2). Die nationalen Delegierten beleben mit der Billigung und nach den Weisungen der kirchlichen Autorität die pa-storale Vorbereitung der Gläubigen in ihren jeweiligen Einzelkirchen und engagieren sich ferner für eine entsprechende Beteihgung aher Ortskirchen am jeweiligen Kongreß. Euch kommt also in hohem Maße die Anregung der Katechese über das Geheimnis der Eucharistie zu, indem ihr in den Christen eine gesteigerte Beteihgung am liturgischen Leben fördert, die sie zur Annahme des Wortes Gottes, zur Hingabe ihrer selbst und zu brüderlichem Sinn für die Gemeinschaft hinführt. Dabei wollen wir andererseits nicht die sorgfältige Durchführung von Initiativen und sozialen Werken vergessen, die bezeugen, daß die Eucharistiefeier Solidarität und Teilen mit den Armen voraussetzt, ferner die Verkündigung einer gerechteren und brüderlicheren Welt, während wir auf die Wiederkunft des Herrn hoffen (vgl. Statuten, 19.20). 3. Meine lebhafte Dankbarkeit möchte ich Kardinal Edouard Gagnon, Präsident des Päpstlichen Komitees für die Internationalen Eucharistischen Kongresse, und allen Mitgliedern dieses Komitees aussprechen. Ebenso danke ich dem Erzbischof von Sevilla, dem örtlichen Komitee und dem Generalsekretariat von Sevilla wie auch allen, die in verschiedenen Kommissionen und Gruppen von Freiwilligen mit ihrer Hingabe und ihrem Einsatz es möglich gemacht haben, daß wir diesen 45. Internationalen Eucharistischen Kongreß so schön feiern konnten. Allen nationalen Delegierten möchte ich erneut die lebhafte Anerkennung der Kirche für das hochherzige Bemühen aussprechen, das sie in ihrer katechetischen Tätigkeit, in der pastoralen Anregung und der wertvollen Mitarbeit für das gute Gelingen des Kongresses entfaltet haben. Einen herzlichen Gruß richte ich an jene Delegierten, die zum erstenmal an einem Internationalen Eucharistischen Kongreß teilnehmen, zumal an die von Mitteleuropa. Die derzeitigen Feierlichkeiten schließen mit der „Statio orbis”, doch eure Arbeit geht in euren Einzelkirchen weiter, damit in den Gläubigen der universale und missionarische Sinn der Eucharistie immer noch mehr wach und tätig wird. Wenn ihr in eure Heimatländer zurückkehrt, teilt mit euren Mitmenschen die Gaben, mit denen der Herr uns während dieser Kongreßtage gesegnet hat. Die Liebe Christi hat uns versammelt; das Licht Christi hat uns erleuchtet; das lebendige Brot, der Leib Christi, hat uns für das ewige Leben genährt. Dieses Geheimnis der Liebe, der unergründlichen Liebe Christi, feiern wir in der Eucharistie, und dies wollten wir der Welt bei diesem Internationalen Eucharistischen Kongreß zeigen. In innigem Dank an Gott, den Vater, für die empfangenen Gaben und in dankbarem Gedenken an so viele Menschen, die sich in der universalen Kirche geistig im Gebet 459 REISEN mit unseren Feiern zur Ehre Jesu im heiligen Sakrament vereinigt haben, rufe ich auf euch alle die Segnungen des Herrn herab. Für die gemeinsame Teilnahme am eucharistischen Mahl beten Predigt bei der Messe zum Abschluß des 45. Eucharistischen Weltkongresses in Sevilla am 13. Juni 1. Gepriesen sei das allerheiligste Sakrament des Altars! Mit diesem schönen Stoßgebet, mit dem das gläubige Volk in Spanien dem Geheimnis der Eucharistie seine Verehrung bezeugt, schließe ich mich im Geist euch allen an, liebe Brüder und Schwestern, die ihr um diesen Altar versammelt seid. Er ist heute gleichsam das Herz der ganzen Kirche: Statio orbis, der Ort der christlichen Versammlung, die heute mit dieser hl. Messe zum Abschluß des 45. Eucharistischen Weltkongresses Sevilla zum bevorzugten Ort der Anbetung und Verehrung macht. Als Zeugen dieser Universalität, die den ganzen Erdkreis umfassen möchte, nehmen an unserer Feiet zahlreiche Hirten und Gläubige aus allen fünf Kontinenten teil: Kardinale, Erzbischöfe und Bischöfe. Ihnen allen gilt mein herzlicher Gruß, angefangen mit dem Ixgaten beim Kongreß, dem Kardinal-Erzbischof von Santo Domingo. Er vertritt als Präsident des Lateinamerikanischen Bischofsrates auch die Kirchen in Lateinamerika, die auf besondere Weise mit der Kirche in Spanien verbunden sind. Meine Mitbrüder im Bischofsamt begrüße und umarme ich herzlich, insbesondere die Bischöfe Andalusiens und ganz Spaniens. Ihren königlichen Majestäten, die uns mit ihrer Gegenwart und Teilnahme an dieser heiligen Feier beehren, sowie den bürgerlichen und militärischen Obrigkeiten in unserer Begleitung möchte ich meinen lebhaften Dank aussprechen. 2. Ich habe neuerlich das Glück, unter dem strahlenden Himmel Sevillas, einer Stadt, in der die eucharistische und die marianische Frömmigkeit blühen, mit euch Zusammentreffen zu können, und das gerade am Fest des Leibes und Blutes Christi, das so tief in der Volksfrömmigkeit verwurzelt ist. Vor elf Jahren, anläßlich meines ersten apostolischen Besuchs in Spanien, kam ich in diese schöne Stadt am Guadalquivir, um Schwester Angela vom Kreuz seligzusprechen, deren Leben, im Dienst der Ärmsten und Verlassensten Evangelium und Eucharistie geworden, lichtvoll erstrahlte und noch immer die Welt erleuchtet. Heute schenkt mir der Herr die Gnade, nochmals mit euch und mit zahlreichen Brüdern und Schwestern aus allen Windrichtungen vereint zu sein; wir alle bilden eine große Familie im Glauben der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. So verwirklicht sich das Geheimnis der Einheit der Kirche, dessen Mittel- und Höhepunkt die Eucharistie ist: 460 REISEN „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot” (7 Kor 10,17). Statio orbis! Hier in Sevilla möchte sich die ganze Kirche in innerer Sammlung vor dem eucha-ristischen Geheimnis verneigen. Insbesondere möchte sie mit all ihren Kräften für den Ausruf Zeugnis ablegen, den sie unablässig wiederholt: „Geheimnis des Glaubens.” Sie verkündet so die Wahrheit über die Eucharistie, in der die Weltkirche erkennbar wird, vom Osten zum Westen, vom Norden zum Süden: allen Völkern, Sprachen und Kulturen. Bei unserer heutigen Feier möchte sie allen die Frage vor Augen führen, die der hl. Paulus an die Gläubigen in Korinth richtete: „Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?” (7 Kor 10,16). Diese Fragen richtet der Völkerapostel heute durch den Mund des Bischofs von Rom an die ganze Kirche, an alle Anwesenden und an jene, die das Bekenntnis des apostolischen Glaubens vernehmen: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir; komm, Herr Jesus.” 3. Statio orbis, der Platz, auf dem sich heute der ganze Erdkreis trifft. Hier in Sevilla haben wir unseren Weg unterbrochen, um die Eucharistie zu feiern und Jesus im Sakrament anzubeten. Wir haben angehalten, weil wir Wanderer und Pilger sind, wie uns Mose in der ersten Lesung aus dem Deuteronomium in Erinnerung ruft: „Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich ... geführt hat ... der dich aus Ägypten, dem Sklavenhaus, geführt hat... der dich in der Wüste mit dem Manna speiste” (Dtn 8,2.14-16). Das Manna, mit dem der Herr das auserwählte Volk während seiner Wanderung durch die Wüste speiste, war ein Symbol jenes Brotes, das für das ewige Leben nährt. Die Wanderung des Volkes Gottes führt nach Jerusalem, zum Abendmahlssaal, zu dieser ersten Statio orbis, wo die Eucharistie eingesetzt wurde. Dort erfüllten sich die Worte, die Jesus in der Nähe von Kafamaum bei der wunderbaren Brotvermehrung ausgesprochen hatte: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch; (ich gebe es hin) für das Leben der Welt” (Joh 6,51). Diese Worte wurden bei der Einsetzung der Eucharistie während des Letzten Abendmahls Wirklichkeit. Deshalb erhalten die Fragen des hl. Paulus: „Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?” (7 Kor 10,16) ihre Antwort im Abschnitt des Evangeliums, den wir soeben vernommen haben: „Wer mein Heisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag” (Joh 6,54). 4. Statio orbis. Der Ort, an dem wir einhalten, an dem wir unsere Wanderung unterbrechen. Denken wir einen Augenblick daran, woher wir kommen und welches das Ziel unserer Erwartungen ist. „Dies ist das Brot - sagt Jesus -, das vom Himmel her- 461 REISEN abgekommen ist. Mit ihm ist es nicht wie mit dem Brot, das die Väter gegessen haben; sie sind gestorben” (Joh 6,58). Diese Feier, liebe Brüder und Schwestern, lädt uns ein, anzuhalten, um zu bedenken, daß Jesus, der für unsere Sünden auf dem Altar des Kreuzes geopfert wurde und zu unserer Erlösung auferstanden ist, den Tod besiegt hat und für immer lebt (vgl. Offb 1,18). Das ist die große Wahrheit, die alle an Christus Glaubenden beseelt. Bei dieser weihevollen Feier des Eucharistischen Kongresses denke ich ganz besonders an die vielen Brüder und Schwestern, die anderen christlichen Kirchen angehören und sich danach sehnen, die heilige Eucharistie feiern zu können. Die Kirche weiß sehr gut um alles, was uns kraft der Taufe mit diesen geliebten Brüdern und Schwestern verbindet, sie weiß jedoch auch, daß die eucharistische Gemeinschaft Zeichen der vollen kirchlichen Einheit im Glauben ist. Sie betet inständig zum Herrn, damit bald der ersehnte Tag komme, an dem alle einmütig im Glauben gemeinsam am eucharistischen Mahl teilnehmen können. 5. Das Thema des Eucharistischen Kongresses, den wir heute abschließen, führt uns die innige Verbindung zwischen Eucharistie und Evangelisierung vor Augen und verkündet das missionarische Verlangen, das der Heilige Geist in der Kirche unserer Zeit wachgemfen hat. Die Beziehung zwischen Eucharistie und Evangelisierung wird in unserer Mitte auch zum Gedenken an ein historischen Ereignis von besonderer, ja transzendenter Bedeutung für die katholische Kirche: die 500 Jahre seit der Evangelisierung Amerikas. Dabei wurde erneut der erstrangigen Rolle gedacht, welche die spanischen Missionare bei der Einpflanzung der Kirche in der Neuen Welt gespielt haben. Sie waren nicht „von persönlichen Interessen beseelt, sondern von dem nachhaltigen Wunsch, Brüder und Schwestern zu evangelisieren, die Jesus Christus noch nicht kannten” (Ansprache an die 4. Vollversammlung des lateinamerikanischen Episkopats, Santo Domingo, 12. Oktober 1992, Nr. 3). Eucharistie und Evangelisierung. Dem eucharistischen Altar, diesem Herzen, das für die Kirche schlägt, entspringt unablässig der evangelisierende Strom des Wortes und der Nächstenliebe. Der Kontakt mit der Eucharistie muß daher einen nachhaltigeren Einsatz für die Gegenwart Christi in allen menschlichen .Wirklichkeiten zur Folge haben. Die Liebe zur Eucharistie muß zur praktischen Verwirklichung der Erfordernisse der Gerechtigkeit, der Geschwisterlichkeit, der Dienstbereitschaft und der Gleichheit aller Menschen anspomen. 6. Ein Blick in unsere Umgebung lehrt uns, daß unsere Welt zwar ohne jeden Zweifel nach Einheit strebt und mehr denn, je nach Gerechtigkeit verlangt (vgl. Sollici-tudo rei socialis, Nr. 14), jedoch die Zeichen zahlreicher Ungerechtigkeiten an sich trägt und von Gegensätzen zerrüttet ist. Diese Situation widerspricht dem Ideal der Koinonia, d. h. der Gemeinschaft des Lebens und der Liebe, des Glaubens und der Güter, des eucharistischen und des materiellen Brotes, von der das Neue Testament 462 REISEN gerade im Zusammenhang mit der Eucharistie spricht. Wie der hl. Paulus mahnend zu den Gläubigen in Korinth sagte, ist das ein unannehmbarer Widerspruch, ebenso unwürdig des Leibes Christi wie Spaltungen und Parteiungen (vgl. 1 Kor 11,18-21). Das Sakrament der Eucharistie ist untrennbar mit dem Gebot der Nächstenhebe verbunden. Man kann nicht den Leib Christi empfangen und jenen fembleiben, die hungern und dürsten, ausgebeutet werden, fremd oder eingekerkert oder krank sind (vgl. Mt 25,41-44). So lesen wir im Katechismus der katholischen Kirche: „Um in Wahrheit den Leib und das Blut Christi zu empfangen, die für uns hingegeben wurden, müssen wir Christus in den Armen, in seinen Brüdern und Schwestern anerkennen” (Nr. 1397). Die eucharistische Kommunion muß in uns die Kraft des Glaubens und der Liebe wachrufen, dank derer wir den Mitmenschen zugewandt leben und mit einem Herzen voll Erbarmen ihren Nöten begegnen können, wie es auf vorbildliche Weise hier in Sevilla ein Ritter des 17. Jahrhunderts, Don Miguel de Manara, getan hat, der dem Krankenhaus der Heiligen Liebe seinen Glanz verlieh. Wie treffend beschrieb er die christliche Haltung angesichts des Armen, als er seinen Mitbrüdem von der Heiligen Liebe anordnete, sie müßten sich, wenn sie einem Armen auf der Straße begegnete, „daran erinnern, daß unter diesen Lumpen Christus, der Arme, ihr Gott und Herr, verborgen ist”! (Erneuerte Regel). 7. Statio orbis! Die Kirche hält heute auf ihrer Pilgerfahrt in Sevilla an, um der Welt zu verkünden, daß nur in Christus, im Geheimnis seines Leibes und Blutes, das ewige Leben zu finden ist. „Wer aber dieses Brot ißt, wird leben in Ewigkeit” (Joh 6,58). Die Kirche versammelt sich, um zu verkünden, daß der Weg hierher über den Abendmahlssaal von Jerusalem und über Golgota führt. „Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich ... geführt hat” CDtn 8,2), sagt uns Mose in der ersten Lesung. Er hat dich in der Wüste mit dem Manna gespeist und so jenen vorausgenommen, der in der Fülle der Zeiten ausrufen wollte: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben” (Joh 6,51). Christus, Licht der Völker. Das Wort, das Reisch geworden ist, um für uns Licht zu sein. „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen” (Joh 12,32). Am Kreuz erhöht zwischen Himmel und Erde; zur Rechten des Vaters aufgenommen, in der Geste der Hingabe an den Vater und der Anbetung durch die Hände der Priester über die Welt erhoben, ist Christus das Licht der Völker, die Leuchte, die unseren Weg erhellt, unsere Wegzehrung und das Ziel unserer Pilgerfahrt. Statio orbis. Die Welt muß einhalten, um darüber nachzudenken, daß inmitten so vieler Wege, die zum Tod führen, nur einer das Leben zum Ziel hat: Der Weg des ewigen Lebens. Dieser Weg ist Christus. Christus, das Licht der Völker, das fleischgewordene Wort, das Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist. Christus, zwischen Himmel und Erde am Kreuz erhöht und durch eure Hände, liebe priester- 463 REISEN liehe Mitbrüder, über die Erde erhoben, dem Vater in einer Geste der Anbetung dargebracht. Christus. Er ist der Weg zum ewigen Leben. Amen. Eucharistischer Weltkongreß 1997 in Breslau angekündigt Angelus in Sevilla am 13. Juni Ave verum corpus natum de Maria Virgine! 1. Zur Stunde des Angelus, wenn das Volk Gottes die Verkündigung an die Jungfrau Maria und das Geheimnis der Menschwerdung in Erinnerung ruft, konzentrieren sich Glaube und Frömmigkeit der Kirche auf Christus: Sohn der Jungfrau Maria, Licht der Völker, im Heiligsten Sakrament der Eucharistie gegenwärtig, dem Vater als Sühnopfer der Versöhnung dargebracht und uns als Brot des Lebens übergeben. Der heilige Johannes hat in seinem Evangelium die Offenbarung des eucharistischen Geheimnisses mit der Ankündigung der Menschwerdung verbinden wollen. Jesus ist „das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist ” (Joh 6,51). Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Das führt uns zur Verkündigung, als der Engel des Herrn Maria die frohe Nachricht brachte, und sie aus freier Zustimmung und Liebe in ihrem Schoß durch den Heiligen Geist das Wort empfing. 2. Zwischen der Eucharistie und der Jungfrau Maria besteht tatsächlich eine tiefe Verbindung, welche die Frömmigkeit des Mittelalters in die Worte gefaßt hat: „Caro Christi, Caro Mariae”: Das Fleisch Christi in der Eucharistie ist sakramental das von der Jungfrau Maria angenommene Fleisch. Deshalb wollte ich in der Enzyklika Re-demptoris Mater hervorheben, daß „Maria die Gläubigen zur Eucharistie führt” (Nr. 44). Sevilla, die eucharistische und marianische Stadt schlechthin, hat als Ruhmeszeichen ihres katholischen Glaubens eine große, zweifache Liebe: zur Eucharistie und zu Maria. Zwei Geheimnisse, die Ausdruck finden in der tiefen Ehrfurcht vor der wirklichen Gegenwart Jesu beim Fronleichnam in Sevilla und in der innigen Verehrung der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau. Zwei Geheimnisse, die tief in der Volksftömmigkeit, in den verschiedenen Bruderschaften und im Tanz der „Seises” verwurzelt sind, der den zwei Festen Fronleichnam und Unbefleckte Empfängnis Vorbehalten ist. Ave verum corpus natum de Maria Virgine ... Ave Maria, gratia plena ... 3. Die Eucharistie und Maria, der Leib und die Immakulata. Zwei Leuchttürme des katholischen Glaubens von Sevilla, zwei Quellen geistlicher und gesellschaftlicher Erneuerung für alle Bewohner von Sevilla. Zwei Botschaften und zwei Geschenke, die die Kirche von Spanien durch die Evangelisierung in die Länder Amerikas gebracht hat, wo der Glaube an die Eucharistie und die Verehrung der Jungfrau Maria Wurzel gefaßt haben. 464 REISEN Von dieser Statio orbis in Sevilla aus möchte ich den nächsten Internationalen Eucharistischen Kongreß ankündigen, der in Breslau (Polen) im Jahr 1997 gefeiert wird. Ich danke Gott dafür, daß ein so bedeutendes kirchliches Ereignis wieder in dem Teil Europas gefeiert werden kann, der nach einer harten Prüfung die Freiheit wiedererlangt hat. Dem mütterlichen Schutz Unserer Lieben Frau von Tschensto-chau vertraue ich die Vorbereitung und Entwicklung dieses nächsten Treffens über Jesus im Sakrament an, durch das man dem Wirken der Kirche besonders in den mitteleuropäischen Ländern neue Impulse geben will. 4. Unsere Danksagung an den Vater für alle seine Wohltaten wird auch zur kindlichen Dankbarkeit Maria gegenüber, der demütigen Magd des Herrn, die voll der Gnade ist, die Unbefleckte, die durch die Aufnahme des Wortes in ihrem Schoß das eucharistische Geheimnis ermöglicht hat. Bitten wir das Wort, das Heisch geworden ist, daß es weiter in unseren Herzen wohne und daß es gegenwärtig bleibe und uns begleite als Wegzehrung auf unserem Weg und als Licht für alle Völker. Sinnvoller Beitrag zur Festigung von Grundwerten in der Gesellschaft Ansprache bei der Einweihungsfeier der „Residencia de San Rafael” am 13. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit unserem Treffen in der „Residencia San Rafael” in Dos Hermanas kommen wir zum Ende dieses 45. internationalen eucharistischen Kongresses, der uns hier in Sevilla zusammengeführt hat, um „die grundlegende Rolle der Eucharistie im Leben der Kirche und ihrem Evangelisierungsauftrag hervorzuheben” (vgl. Statuten des päpstlichen Ausschusses für die internationalen eucharistischen Kongresse, 15). Wir haben Christus, das Licht der Völker, vor aller Welt verkündet. Wir haben über das Thema des Kongresses, Eucharistie und Evangelisation, nachgedacht. In der Tat ist die Evangelisierung die eigentliche Mission und Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität. Evangelisieren besagt, „die Frohbotschaft in alle Bereiche der Menschheit zu tragen und sie durch deren Einfluß von innen her umzuwandeln und die Menschheit selbst zu erneuern” (Evangelii nuntiandi, Nr. 18). 2. Die Eucharistie ist die große Schule der brüderlichen Liebe. Jene, die oft am eucharistischen Brot teilnehmen, können den Schwierigkeiten der Brüder nicht gleichgültig gegenüberstehen, sondern müssen sich vielmehr alle zusammen aktiv für den Aufbau der Kultur der Liebe einsetzen. Die Eucharistie macht uns zu Brüdern; ja, sie versöhnt und vereint uns; immerfort lehrt sie die Menschen das Geheimnis des gemeinschaftlichen Lebens und die Bedeutung einer auf Liebe, Großzügigkeit, Vergebung, Vertrauen und Dankbarkeit begründeten Moral. Eucharistie bedeutet Danksagung; sie macht uns bewußt, wie notwendig Dankbarkeit ist, daß 465 REISEN Geben größere Freude bereitet als Empfangen, daß Liebe vor Gerechtigkeit kommt; sie lehrt uns, stets dankbar zu sein, auch dann, wenn wir etwas erhalten, was uns rechtmäßig zusteht. 3. Als wesentlichen Bestandteil der Internationalen Eucharistischen Kongresse ist die Kirche bestrebt, ein unmittelbares Zeugnis der Liebe zu geben, indem sie Projekte zur Unterstützung der bedürftigsten Brüder realisiert. Diese Werke der Liebe sind keineswegs etwas überflüssiges oder zufälliges, sondern vielmehr eine dem Sakrament eigene Anforderung, die zum Teilen des eucharistischen wie auch des täglichen Brotes führen muß, das Gott auf den Tisch der Menschheit gebracht hat. In der Tat ist Liebe ein Kennzeichen der christlichen Identität. Liebe, die folglich in den guten Werken zum Ausdruck kommt, Zeichen und „Sakrament” der Evangelisierung, denn „wer seinen Bruder hebt, bleibt im Licht” (vgl. 1 Joh 2,10), „denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der hebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht hebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe” (2 Joh 4,7-8). Diese letzte Initiative des Internationalen Eucharistischen Kongresses von Sevilla wih deuthch hervorheben, daß „die eucharistische Liturgie und die Liturgie des Lebens zutiefst miteinander verbunden sind” (vgl. Grunddokument des Kongresses, 26). 4. „Christus, das Licht der Völker,” ist „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet” (vgl. Joh 1,9), denn „in ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen” (vgl. Joh 1,4). Es ist das Licht Christi, das in dieser heute eingeweihten „Residencia de San Rafael” wie auch in ahen anderen sozialen Einrichtungen leuchtet, die dieser soeben zu Ende gegangene Internationale Eucharistische Kongreß verwirklicht hat. Dieses Licht ist es, das von „Projekt Mensch”, zur Unterstützung von Drogensüchtigen, ausgeht; es strahlt in den Altenheimen, im Zentrum für geistig Behinderte, in den Sozialwohnungen, in den neuerrichteteri Kirchen. Für all das möchte ich im Namen der Kirche und der bedürftigen Bevölkerung meine aufrichtige Dankbarkeit ausdrücken, für die Verwirklichung dieser Werke, die beweisen, daß ihr das Licht der Liebe Christi empfangen habt, das ihr nun großzügig mit euren Brüdern teilen wollt. Angesichts der Situation zahlreicher Brüder, denen auch das Notwendigste für ein wirklich würdiges Dasein fehlt, kann unsere Gesellschaft nicht sorglos und zufrieden sein. Trotz zweifellos großer Fortschritte auf vielen Gebieten können wir die Augen nicht vor den schweren sozialen Problemen von heute verschließen, wie beispielsweise das viele Familien beängstigende Phänomen der Arbeitslosigkeit, eine Problematik, die über rein wirtschaftliche Prozesse und Mechanismen hinausgeht und eine ethische und sittliche Perspektive annimmt. 5. Daher möchte ich mich mit Ehrerbietung und Achtung an diejenigen wenden, die für das öffentliche Leben und das Wohl der Gemeinschaft verantwortlich sind und ermutige sie, sich mit neuem Eifer für Gerechtigkeit, Freiheit und Entwicklung einzusetzen. Mögen sie sich nach besten Kräften für die Festigung der grundlegenden 466 REISEN Werte des gemeinschaftlichen Lebens verwenden: für Solidarität, die Verteidigung der Wahrheit und Aufrichtigkeit, für den Dialog und die verantwortliche Mitwirkung der Bürger auf allen Ebenen. Mögen das Pflichtgebot der Ethik und Dienstbereitschaft ein stetiger Anhaltspunkt bei der Ausübung ihrer Funktionen sein. Die christlichen Grundsätze, die das Leben dieser Nation geprägt und viele ihrer Institutionen inspiriert haben, müssen ein absolut fester Anhaltspunkt für die Verwirklichung eines breiteren ganzheitlichen Fortschritts sein; sie werden dem Land lebendige Hoffnung und eine neue Dynamik verleihen und ihm helfen, den ihm gebührenden Platz in Europa und der Welt einzunehmen. Beim Aufbau einer neuen, auf reicheren menschlichen und transzendenten Werten begründeten Gesellschaft spielen die Vertreter der kulturellen Welt eine wesentliche Rolle; sie rufe ich auf, mit vereinten Kräften und neuer kreativer Arbeit auf jene Herausforderungen zu antworten, denen Spanien in diesem Moment gegenübersteht. In diesem Zusammenhang dürfen wir auch die Welt der Arbeit nicht vergessen. Daher möchte ich nicht versäumen, Arbeiter und Unternehmer - von ihren jeweiligen Verantwortungen in der Gesellschaft ausgehend - zu wahrer Solidarität aufzurufen: laßt nichts unversucht, um Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, um die Arbeitsbedingungen humaner zu gestalten und stellt die menschliche Person, ihre Würde und Rechte, stets über kollektive egoistische Zielsetzungen und Interessen. 6. Die Kirche von gestern, von heute und von morgen erneuert sich durch das Leben des Geistes, der sie beseelt und stärkt. Auf der Schwelle des dritten Jahrtausends verkündet sie eine neue Kultur; sie bietet uns das Opfergedächtnis im Zeichen der Hoffnung, bis der Herr wiederkommt. Aber während er wartet und „Gottes große Taten” (Apg 2,11) feiert, kann der Gläubige die Brüder nicht von seinem Leben, seinem Schmerz und seinen berechtigten Erwartungen ausschließen. In meiner Enzyklika Sollicitudo rei socialis schrieb ich: „Wir alle, die an der hl. Eucharistie teilnehmen, sind dazu aufgerufen, durch dieses Sakrament den tieferen Sinn unseres Handelns in der Welt für Entwicklung und Frieden zu entdecken und hier die Kräfte zu empfangen, um uns immer großherziger nach dem Beispiel Christi, der in diesem Sakrament ,stets das Leben für seine Freunde gibt’ (vgl. Joh 15,13) einzusetzen” (Nr. 48). Möge die hier in Dos Hermanas mit dem alten Titel „Nostra Signora de Valme” verehrte heilige Jungfrau Maria uns durch ihre glorreiche Fürsprache helfen, damit das Licht Christi in all unseren Werken leuchte. Dieses Haus, dieser Ort, hat einen sehr schönen Namen: San Rafael. Wir wissen, wer er ist und wer er war. Möge er auch uns ein so guter Führer sein wie dem hl. Tobias im alten Testament. Vielen Dank. 467 REISEN Marienverehrung - in der Bevölkerung Andalusiens verwurzelt Ansprache im Sanktuarium „Nuestra Senora del Rocio” am 14. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Möge die Gnade und der Frieden unseres Herrn, Jesus Christus, euch alle stets begleiten: „rocieros” und Pilger, die aus vielen verschiedenen Gebieten in das Marschland von Almonte gekommen sind, um sich mit dem Papst in diesem Heiligtum zu treffen, dem Zentrum der andalusischen Marienverehrung, in dem das heilige Bild Unserer Lieben Frau vom Rocio aufbewahrt wird. Mit großer Freude und tiefer Dankbarkeit beende ich meinen apostolischen Besuch in der Diözese Huelva mit einem Abstecher in diese Marschlandschaft, wo die Kinder Andalusiens und vieler anderen Orte Spaniens die Mutter Gottes während der Pfmgstwallfahrt und ohne Unterlaß auch das ganze Jahr über auf bewegende Art und Weise verehren. Heute habe ich mich der Vielzahl von Pilgern anschließen wollen, um vor diesem herrlichen Bild der Jungfrau unsere himmlische Mutter zu verehren. Von Herzen danke ich dem Bischof dieser Diözese, Msgr. Rafael Gonzalez Mora-lejo, für seine freundlichen Begrüßungsworte, meinen Brüdern im Bischofsamt für ihre Anwesenheit und auch den zahlreichen Priestern und Ordensleuten, die sich dieser Feier angeschlossen haben. Gleichsam möchte ich ein Wort des Dankes auch an die staatlichen Obrigkeiten richten für ihre wertvolle Mitarbeit bei der Vorbereitung dieses Treffens zu Ehren der Weißen Taube. 2. Vor vier Jahren pilgerten zahlreiche Vertreter eurer Stammbruderschaft wie auch anderer Rocfo-Bruderschaften in Begleitung eures Bischofs nach Rom, um mir den Duft dieser eurer Marschlandschaft von Almonte zu bringen und um mir das in eurer Reinheit sich widerspiegelnde wunderschöne Antlitz der Jungfrau des Rocio zu zeigen. Heute bin ich es, der als Pilger zu euch kommt, um vor diesem heiligen Bildnis, Darstellung und Erinnerung an die leibliche und geistige Himmelfahrt Marias, nie-derzuknien und für die Kirche, für euch und eure Familien, für Spanien und die ganze Menschheit zu beten. Bei dieser Gelegenheit möchte ich jene Botschaft wiederholen, die ich damals in Rom an euch gerichtet habe: „Mit Nachdruck bestärke ich euch in der wahren Verehrung Marias, dem Vorbild unserer Wallfahrt des Glaubens, wie auch in euren Vorsätzen als Kinder der Kirche und als gläubige Laien, die, in euren Bruderschaften vereint, in der andalusischen und spanischen Gesellschaft Zeugen christlicher Werte sind” (vgl. 5. März 1989). Eure Verehrung der Jungfrau ist ein wesentlicher Aspekt der Volksreligion und gleichzeitig auch eine komplexe Realität im soziokulturellen und religiösen Bereich. In ihr verbinden sich Werte historischer und folkloristischer Traditionen, natürlicher 468 REISEN und plastischer Schönheit mit tiefen menschlichen Gefühlen gegenseitiger Freundschaft, gleicher Behandlung und Bewertung alles Schönen, was das Leben im gemeinschaftlichen freudigen Feiern bieten kann. Aber die tiefen Wurzeln dieses religiösen und kulturellen Phänomens zeigen die wahren geistigen Werte des Glaubens an Gott, die Anerkennung Christi als Sohn Gottes und Erlöser der Menschheit, der Liebe und der Verehrung der Jungfrau, der christlichen Brüderlichkeit, die aus der Gewißheit hervorgeht, alle Kinder des gleichen himmlischen Vaters zu sein. 3. Eure tiefe Verehrung der Jungfrau, die in der Pfmgstwallfahrt, in euren Pilgerfahrten zum Sanktuarium und in euren Initiativen innerhalb der Bruderschaft zum Ausdruck kommt, hat viel Positives und Ermunterndes, doch sie ist auch, wie ihr sagt, mit dem „Staub der Straße” bedeckt, der entfernt werden muß. Daher ist es notwendig, daß ihr, auf die Fundamente dieser Verehrung zurückgreifend, dieser Glaubensgrundlage ihre dem Evangelium entsprechende Fülle zurückgebt; ihr müßt gewissermaßen die tiefen Beweggründe für die Gegenwart Marias in eurem Leben als Vorbild auf dem Glaubensweg entdecken und dafür sorgen, daß der wahre dem Evangelium entsprechende Ursprung der Verehrung auf individueller und kollektiver Ebene zum Ausdruck kommt. Tatsächlich wäre die Loslösung volksreligiöser Ausdrucksformen von ihren auf dem Evangelium begründeten Wurzeln des Glaubens - was sie zu einer rein folkloristi-schen Veranstaltung oder Brauchtum machen würde - Verrat an ihrem eigentlichen Wesen. Es ist der christliche Glaube, die Verehrung Marias, der Wunsch, ihr nach-zueifem, der den religiösen und marianischen Kultformen unseres Volkes Authentizität verleiht. Aber diese im Land der heiligsten Maria so stark verwurzelte mariani-sche Verehrung muß ständig durch das Hören und Vertiefen des Gottes Wortes erleuchtet und genährt werden, damit unser Verhalten in allen Bereichen des täglichen Lebens durch ihr Vorbild inspiriert werde. Daher fordere ich euch alle auf, diesen Ort zu einer wahren Schule des christlichen Lebens zu machen, in der, unter dem mütterlichen Schutz Marias, unter ihrem mütterlichen Blick, der Glaube durch das Hören des Gotteswortes, unablässiges Beten, die Teilnahme an den Sakramenten, insbesondere dem der Buße und der Eucharistie, wachsen und sich festigen möge. Das, und kein anderer, ist der Weg, durch den die Verehrung der „rocieros” jeden Tag an Authentizität gewinnen wird. Ferner sollte uns die wahre Verehrung der Jungfrau Maria veranlassen, ihren Tugenden nachzueifem. Durch sie und kraft ihrer Fürsprache werdet ihr Jesus Christus, ihren Sohn, wahrer Gott und wahrer Mensch, entdecken, ihn, den einen Mittler zwischen Gott und der Menschheit. 4. Während eines bewegenden Ad-limina-Besuchs der andalusischen Bischöfe habe ich zum Thema der Volksfrömmigkeit folgendes gesagt: „Eure tief in der alten apostolischen Tradition verwurzelten Völker waren im Laufe der Jahrhunderte zahlreichen kulturellen Einflüssen ausgesetzt, deren jeweilige Charakteristiken sie übernommen haben. Die so entstandene Volksreligion beruht auf der grundlegenden Prä- 469 REISEN senz des katholischen Glaubens, mit einer eigenen Erfahrung des Heiligen, die zuweilen die rituelle Verherrlichung der feierlichen Augenblicke des menschlichen Lebens mit sich bringt, einen Hang zur Verehrung und freudigen Frömmigkeit. Gott sei Dank!” (vgl. Ansprache an die Bischöfe der Kirchenprovinzen von Sevilla und Granada anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 30. Januar 1982, Nr. 3). Ich weiß, wie sehr eure Bruderschaften bemüht sind, der Volksreligion in Andalusien neue und echte christliche Lebenskraft zu verleihen. Andererseits ist es ein Trost festzustellen, daß sich eure Hirten mit großem Eifer dafür einsetzen, in den Bruderschaften eine intensivere christliche Erziehung und aktivere liturgische und karitative Teilnahme am kirchlichen Leben zu fördern, die sich in wahrem apostolischen Dynamismus ausdrückt. An eure tiefsten Gefühle appellierend, die ihr als Christen und „rocieros” in euren Herzen tragt, möchte ich euch ermuntern, eure Liebe und Ergebenheit für Maria, und durch sie, für Christus, neu zu beleben, und so. Zeugen eines Glaubens zu sein, der Kultur wird. Es wäre schade, wenn es zu einer durch Hemmungen und Feigheit verursachten Schwächung dieser eurer wundervollen, tief im Glauben verwurzelten christlichen Kultur käme und sie der heute verbreiteten Versuchung und Verlockung erliegen würde, die jene christlichen Werte ablehnt oder verachtet, die das Werk der Marienverehrung festigen und den Wurzeln des Rocfo neuen Lebenssaft zuführen. Vor der Jungfrau kniend wiederhole ich daher heute erneut: seid Zeugen der christlichen Werte in der andalusischen und spanischen Gesellschaft. 5. Liebe Schwestern und Brüder, ich freue mich, an diesem schönen Abend zusammen mit euch hier in der herrlichen Umgebung von Almonte vor diesem Sanktuarium zu sein, in dem ich eben für die Kirche und die Welt gebetet habe. Zu ihr, unserer himmlischen Mutter, die mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde, habe ich für euer andalusisches und spanisches Volk gebetet, dieses im Glauben seiner Vorfahren verwurzelte Volk, das lebt in der Hoffnung auf die Erhöhung des Menschen, auf Fortschritt, die Anerkennung seiner Würde, die Achtung seiner Rechte und auf Anregungen und Vorbilder zur Erfüllung seiner Pflichten. Möge Maria auch weiterhin, in der euch eigenen Lebensfreude, die Stärke eures Glaubens unterstützen und in euch jene christliche Hoffnung wecken, die in der Freude am Leben, in der Annahme von Schmerz und Leid und in der Solidarität gegenüber jeder Form von Egoismus zum Ausdruck kommt. Ich habe für alle hier Anwesenden gebetet, für eure Familien, für ganz Andalusien und die edle spanische Nation, damit ihr stets in der Lage sein werdet, die vielen Schwierigkeiten und Hindernisse auf eurem Weg zu überwinden, Hindernisse wie Armut, die schwere Plage der Arbeitslosigkeit, mangelnde Solidarität, die Laster einer konsumorientierten Gesellschaft, in der die Bedeutung Gottes und wahre Liebe vergessen wird. Möge Maria euch helfen, euer Herz Christus, dem Herrn, wirklich zu öffnen! 470 REISEN Tragt die Zuneigung und die Liebe des Papstes auf allen Straßen zu euren Angehörigen, euren Mitbürgern und Freunden, und bevor ich euch meinen Segen spende, wollen wir gemeinsam Maria loben: Es lebe die Jungfrau des Rocfo! Es lebe die Weiße Taube! Es lebe die Mutter Gottes! Jeder Form von Mutlosigkeit und Resignation widerstehen! Predigt in der Eucharistiefeier in Huelva im Sanktuarium „Madonna de la Cinta” am 14. Juni 1. „Der Heilige Geist wird über dich kommen” (Lk 1,35). Diese Worte, die der Erzengel Gabriel in Nazaret an Maria richtet, sind ein Echo derer, die wir in der ersten Lesung des Propheten Jesajas gehört haben, wenn er verkündet: „aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor” (Jes 11,1), d. h. aus dem Haus Davids. In seiner Geschichte von der Verkündigung berichtet der Evangelist Lukas, daß die Jungfrau „mit einem Mann namens Josef verlobt war, der aus dem Haus David stammte” {Lk 1,27). Maria, die kraft des Heiligen Geistes einen Sohn empfangen und gebären würde, ein Kind, das „heilig und Sohn Gottes genannt werden” sollte, „denn für Gott ist nichts unmöglich” {Lk 1,35-37), ist die „Begnadete” {Lk 1,28), die Theotokos, die Mutter Gottes, die ich gemeinsam mit euch, hebe Brüder und Schwestern der Diözese Huelva, auf dieser Pilgerreise durch die mit Kolumbus verbundenen Orte verehren möchte, in Erinnerung an jenes ruhmreiche Unternehmen, das das Licht des Evangeliums in die Neue Welt tragen sollte. 2. Mit großer Freude zelebriere ich diese hl. Eucharistiefeier, die mir Gelegenheit gibt, mit den Söhnen und Töchtern der gebebten Kirche von Huelva zusammenzukommen. Eine Kirche mit reicher geschichtlicher Vergangenheit, denn viele ihrer Männer zählten vor fünfhundert Jahren zu den Pionieren jenes großen Entdeckungsund Evangelisierungsabenteuers, das die universale - katholische - Berufung des Christentums in eine geographische und menschliche Wirklichkeit verwandeln sollte. Von Herzen danke ich eurem Bischof, Msgr. Rafael Gonzalez Moralejo, für die freundlichen Begrüßungsworte, die er auch im Namen des Koadjutors, der Priester, der Ordensleute und der Gläubigen an mich gerichtet hat. Anläßlich des fünfhundertjährigen Jubiläums der Entdeckung und Evangelisierung Amerikas feierte diese Diözese im vergangenen Jahr den 11. Internationalen Mariologischen Kongreß und den 18. Internationalen Marianischen Kongreß, mit dem bedeutsamen Titel: „Maria, Stern der Evangelisierung” (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 82). Sie war in der Tat der Stern jenes großen missionarischen Unternehmens, der das Licht Christi in die neu entdeckten Gebiete brachte. „Im Namen Gottes und der hl. Maria” - so heißt es in den damaligen Dokumenten - traten mit Kolumbus 471 REISEN jene mutigen Seeleute Andalusiens im Hafen von Palos ihre Reise an, die den Ozean zu einer Straße für die Verbreitung des Evangeliums machen sollten. Während der Überfahrt, in Momenten der Gefahr, wendeten sie sich an die Madonna und riefen sie an mit dem schönen Namen „Nostra Signora de la Cinta”, deren verehrtes Bildnis wir nun vor uns haben. Diejenigen, die von der Entdeckungsreise heimkehrten, suchten sie im Sanktuarium des „Conquero” auf und warfen sich vor ihr nieder, als Zeichen der Dankbarkeit für den mütterlichen Schutz, den sie ihnen gewährt hatte, Sie, die stets die besondere Schutzpatronin der Seeleute von Huelva gewesen ist. 3. In marianischer Pilgerschaft kommen wir also in dieses gesegnete andalusische Land, an einem Tag, der mich mit Gottes Hilfe auch an das „Bild Unserer Lieben Frau der Wunder” im Kloster von La Räbida führen wird, und zur „Bianca Paloma”, wie ihr sie mit kindlicher Liebe nennt, im Sanktuarium von El Rocfo. Somit möchte auch ich mich in diesem Moment dem tiefen Glaubensbekenntnis der letzten Kongresse, dem Mariologischen und dem Marianischen, anschließen, und gleichzeitig „Maria, dem Stern der Evangelisierung”, für ihren mütterlichen Schutz bei jenem ruhmreichen Unternehmen danken, das der Erlösungsbotschaft ihres göttlichen Sohnes neue Wege geöffnet hat. An jenen Orten, an denen das Pilgervolk des Glaubens „Gottes große Taten” (Apg 2,11) erfahren hat, möchte ich Sie verehren, die „alle Geschlechter selig preisen” (vgl. Lk 1,48). Voll Dankbarkeit und Freude haben wir das 500jährige Jubiläum dieses ruhmreichen Unternehmens der spanischen Missionare gefeiert, denen ich durch meine Anwesenheit in Huelva, Wiege der Entdeckungsreise, im Namen der gesamten Kirche meine Anerkennung entgegenbringen möchte. Aber die Kirche kann sich nicht nur auf die Erinnerung dieser ruhmreichen Vergangenheit beschränken. Das Andenken an das, was sich vor fünf Jahrhunderten ereignet hat, ist für sie ein „Aufruf zu neuem kreativen Evangelisierungseifer” {vgl. Predigt in Santo Domingo, 11.10.1984). Die Erinnerung an die Vergangenheit muß Anregung und Ermunterung sein, um mit apostolischer Entschlossenheit und Unerschrockenheit die Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen. 4. Im Bericht von der Hochzeit zu Kana, von dem im eben verlesenen Johannesevangelium die Rede war, sagt Maria sich Jesus nähernd: „Sie haben keinen Wein mehr” {Joh 2,3). Die reiche symbolische Bedeutung des Weines in der Bibelsprache verdeutlicht die Tragweite der Bitte Marias: es fehlt ein Zeichen der Macht Gottes, sie haben nicht den guten Wein des Evangeliums. Maria erscheint hier als die Fürsprecherin Israels und der ganzen Menschheit, die auf das Erlösungszeichen des Messias wartet, die nach dem Evangelium dürstet, die mit Ungeduld die Wahrheit und das Licht erwartet, das sie nur von Christus empfangen kann. Das ist der neue Wein, ein besserer Wein als der, der ausgegangen war. Das Ereignis von Kana zeigt uns somit „die Sorge Marias für die Menschen, ihre Hinwendung zu ihnen in der ganzen Breite ihrer Bedürfnisse und Nöte” (Redemptoris mater, Nr. 21). 472 REISEN „Sie haben keinen Wein mehr” (Joh 2,3). Mit genau den selben Worten wendet sich Maria heute an eine Gesellschaft wie die unsere, die trotz ihrer tiefen christlichen Wurzeln in ihrem Inneren die Verbreitung von Phänomenen wie Säkularismus und Entchristlichung erlebt hat und „dringendst eine neue Evangelisierung erfordert” 0Christifideles laici, Nr. 4). Die Kirche, die die Evangelisierung „als eigentliche Gnade und Berufung ansieht und in ihr ihren wahrsten Charakter zum Ausdruck bringt” (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 14), kann nicht zurückweichen. Sie muß die Bitte Marias, die weiterhin als Mutter für die Menschen eintritt, die, bewußt oder unbewußt, nach dem „neuen und besseren Wein des Evangeliums” dürsten, anhören und sich zu eigen machen. Die Zeichen der Entchristlichung, die wir beobachten, können kein Vorwand für konformistische Resignation oder lähmende Mutlosigkeit sein, im Gegenteil, die Kirche sieht in ihnen die Stimme Gottes, der uns ruft, um die Gewissen mit dem Licht des Evangeliums zu erleuchten. 5. Zweifellos kann der Mensch Gott aus seinem Leben verbannen. Aber das geschieht nicht ohne schwerwiegende Folgen für den Menschen selbst und seine Würde als Person. Ihr wißt sehr wohl: die Abwendung von Gott bewirkt den Verlust jener moralischen Werte, die die Grundlage und das Fundament des menschlichen Zusammenlebens bilden. Sein Fehlen verursacht eine Leere, die man mit einer Kultur - oder vielmehr einer Pseudokultur - zu füllen gedenkt, die sich auf hemmungslosen Konsumismus, auf Besitz- und Genußsucht konzentriert, und kein anderes Ideal kennt, als den Kampf für die eigenen Interessen und narzißtischen Vergnügen. Die Vernachlässigung Gottes, der Mangel an moralischen Werten, deren Fundament nur er sein kann, sind auch Grundlage jener Wirtschaftssysteme, die die Würde der menschlichen Person und des Moralgesetzes vergessen und Gewinnstreben als primäres Ziel und maßgebliches Orientierungskriterium ihrer Programme erachten. Diese grundlegende Realität ist nicht unschuldig an jenen traurigen sozialökonomischen Phänomenen, von denen unzählige Familien betroffen sind, wie das Drama der Arbeitslosigkeit - das viele von euch kennen, weil sie selbst diese schmerzliche Erfahrung machen mußten, eine Situation, die zahlreiche Männer und Frauen - beraubt von der auf ehrlicher Arbeit begründeten Möglichkeit der Selbstverwirklichung - zur Verzweiflung treibt und in eine gesellschaftliche Randstellung verdrängt. 6. Die Abwendung von Gott, die Verfinsterung der moralischen Werte, die auch zur Krise des Familienlebens beigetragen haben, das heute schwer angegriffenen ist durch die ständig wachsende Anzahl von Ehetrennungen und -Scheidungen, den systematischen Geburtenrückgang - der nicht zuletzt auch auf das verabscheuungswerte Verbrechen der Abtreibung zurückzuführen ist - durch die steigende Anzahl alleinstehender alter Menschen, die oft die Nähe ihrer Familie und die notwendige Kommunikation mit den jüngeren Generationen entbehren müssen. Diese Verfinsterung der christlichen moralischen Werte hat überaus schwerwiegende Auswirkungen auf die Jugend, die heute Gegenstand subtiler Manipulierung ist und vielfach 473 REISEN Drogen, Alkohol, Pornographie und anderen degradierenden Konsumismusformen zum Opfer fällt, die vergebens versuchen, die entstandene Leere geistiger Werte mit einem Lebensstil auszufüllen, der „auf das Haben und nicht auf das Sein ausgerichtet ist. Man will mehr haben, nicht um mehr zu sein, sondern um das Leben in Selbstgefälligkeit zu konsumieren” (Centesimus annus, Nr. 36). Auf maßloses Gewinnstreben und das zügellose konsumistische Verlangen nach Besitz und Genuß sind auch die verantwortungslose Zerstörung der Umwelt zurückzuführen, da der Menschen meint, „willkürlich über die Erde verfügen zu können, indem er sie ohne Vorbehalte seinem Willen unterwirft, als hätte sie nicht eine eigene Gestalt und eine ihr vorher von Gott verliehene Bestimmung, die der Mensch entfalten kann, aber nicht verraten darf’ (ebd., Nr. 37). 7. Es ist der Hilferuf dieser auf das Licht und die Wahrheit des Evangeliums angewiesenen Gesellschaft, der uns an die Worte Marias erinnert: „Sie haben keinen Wein mehr” (Joh 2,3). Daher sind neue kreative Initiativen für die Evangelisierung unserer Welt dringend notwendig. Die Herausfordemng ist von entscheidender Bedeutung und darf weder aufgeschoben noch verzögert werden. Doch besteht auch kein Grund zur Entmutigung, denn obwohl zahlreiche Schattenseiten das Panorama verfinstern, sind noch mehr Zeichen der Hoffnung in ihm zu erkennen: eure christlichen Wurzeln, euer Glaube an Jesus Christus, eure tiefe Verehrung der göttlichen Mutter. Hieraus müßt ihr jene Kraft schöpfen, die euch erlaubt, der Neuevangelisierung Auftrieb zu geben. Daher wiederhole ich heute vor dieser christlichen Gemeinschaft in Huelva jene Worte, die ich anläßlich meines ersten Pastoralbesuchs in Spanien von Santiago di Compostela aus an ganz Europa richtete: „Finde wieder zu dir selbst! Besinne dich auf deinen Ursprung! Beginne wieder jene edlen Werte zu leben, die deine Geschichte ruhmreich gemacht haben, und mach deine Gegenwart in den anderen Kontinenten segensreich!” {vgl. Ansprache bei der Europa-Feier 9.11.1982, Nr. 4). Für eine neue kreative Evangelisierung unserer Welt brauchen wir Priester und Ordensleute. Mir ist der Mangel an Berufungen in der Kirche von Huelva durchaus bekannt. Von hier aus möchte ich daher die Jugend von Huelva aufrufen: Seid großzügig! Verschließt euch der Stimme Christi nicht, wenn er euch ruft und auffordert, ihm im Priesteramt oder Ordensleben nachzufolgen! Die Kirche braucht Apostel, die in Gott fest verwurzelt sind, gleichzeitig aber auch das Herz der Menschen kennen, ihre Freuden und Hoffnungen, ihre Ängste und Schmerzen teilen, die als glaubhafte Verkünder und Vermittler des christlichen Lebens fähig sind, die heutige Gesellschaft neu zu inspirieren. 8. Die Neuevangelisierung braucht auch eine reife und verantwortliche Laienschaft. In diesem Evangelisierungsauftrag kommt den Laien „ein spezifischer und unersetzlicher Beitrag zu: Durch sie wird die Kirche Christi in den verschiedensten Bereichen der Welt als Zeichen und Quelle der Hoffnung und der Liebe präsent” {Christifideles laici, Nr. 7). Evangelisierung darf nicht lediglich auf die Verkündi- 474 REISEN gung einer Botschaft beschränkt sein, sondern es kommt darauf an, „durch die Macht des Evangeliums selbst Urteilskriterien, Werte, die eine größere Bedeutung haben, Denkgewohnheiten, Antriebskräfte und Lebensmodelle, die mit dem Wort und Heilsplan Gottes im Widerspruch stehen, zu erreichen und gleichsam umzustürzen” (ßvangelii nuntiandi, Nr. 19). Diesen Worten entsprechend dürfen wir nicht weiterhin eine Situation aufrechterhalten, in der sich der christliche Glaube und die christliche Moral auf einen streng intimen Bereich beschränken und auf diese Weise keinerlei Einfluß auf das gesellschaftliche und öffentliche Leben haben. Daher möchte ich von jetzt an die gläubigen Laien Spaniens auffordem, alle Hemmungen zu überwinden und mit Entschlossenheit und Mut, ihrer Mitverantwortung entsprechend, das Licht des Evangeliums im beruflichen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Bereich gegenwärtig und wirksam zu machen und der menschlichen Gesellschaft jene Werte zu bieten, die, gerade aufgrund ihrer wirklich christlichen Natur, wahrhaft und vollkommen menschlich sind. 9. Liebe Brüder und Schwestern von Huelva: wir haben uns hier versammelt, um vor dem Bild „Unserer Lieben Frau de la Cinta”, eurer Schutzpatronin, die hl. Eucharistie zu feiern. Von ihrem Heiligtum des „Conquero” aus, wendet sie sich jeden Tag an uns mit jener Bitte, die sie bei der Hochzeit von Kana an ihren Sohn richtete: „Sie haben keinen Wein mehr” (Joh 2,3). Doch sie wiederholt auch jene Worte, die sie zu den Dienern sagte und die ihr Vermächtnis sind: „Was er euch sagt, das tut” (Joh 2,5). Evangelisierung bedeutet nichts anderes als das Wort Christi im Glauben annehmen, es im täglichen Leben befolgen, es zum inspirierenden Vorbild unserer individuellen, familiären, gesellschaftlichen und öffentlichen Verhaltensweise machen. Erlaubt mir, mit den gleichen eindringlichen Worten, mit denen ich mein Dienstamt für die Weltkirche begonnen habe, daran zu erinnern: „Fürchtet euch nicht! Öffnet Christus die Tore! Öffnet seiner erlösenden Kraft die Grenzen der Staaten, die wirtschaftlichen und politischen Systeme, die weiten Bereiche der Kultur, der Zivilisation und der Entwicklung” (vgl. Ansprache 22.10.1978). Das heilige Bild Unserer Lieben Frau de la Cinta”, das wir heute vor uns haben, stammt aus der Zeit der Entdeckung Amerikas und hat tiefe historische und erlösende Bedeutung. Es war Zeuge jener begnadeten und zugleich sündigen Begebenheit - was für jede menschliche Tat gilt - wie die Entdeckung der Neuen Welt. Aber, den Worten des hl. Paulus entsprechend, sagen wir: „wo jedoch die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden” (Röm 5,20). Das Gleichnis vom Wunder zu Kana in Galiläa, wo Jesus, durch die Fürsprache seiner Mutter, Wasser in Wein verwandelte, symbolisiert gewissermaßen das unergründliche Mysterium des Menschen, der stets darauf angewiesen ist, durch die messianische Kraft Christi erneuert und in jenen neuen Wein verwandelt zu werden, den der Diener voll Erstaunen vorfand. 475 REISEN Sie, die wir als „Omnipotentia supplex” anrufen, wird - wie bei der Hochzeit zu Kana - bei ihrem göttlichen Sohn für uns eintreten, damit wir nichts entbehren. Wir wissen, daß sie auf mysteriöse Art und Weise auch dann unsere Fürsprecherin ist, wenn wir nicht den Mut haben zu fragen, wie es in der Liturgie heißt: „quod con-scientia metuit et oratio non praesumit” {Gebet, 24. Sonntag des Jahres). Sie weiß, daß „für Gott nichts unmöglich ist” (vgl. Lk 1,37), denn, in den Händen Gottes wurde sie zum gehorsamen Instmment der Heilsgeschichte. Im Bewußtsein der unendlichen Kraft der durch das Kreuz und die Auferstehung ihres Sohnes erwirkten Erlösungsgnade kann Sie, die Theotokos, allen und jedem einzelnen sagen: „Was er euch sagt, das tut” (Joh 2,5). Alles, was er euch sagt! Möge Maria, unsere Mutter, euch schützen und stets an eurer Seite stehen auf dem Weg, der euch zu Christus führen wird, denn er ist „der Weg und die Wahrheit und das Leben” {Joh 14,6). Amen. Nach der hl. Messe richtete der Papst folgende Worte an die Gläubigen in Huelva: Liebe Brüder und Schwestern von Huelva! Zusammen mit eurem Bischof Rafael möchte ich der göttlichen Vorsehung für das Zweite Vatikanische Konzil danken. Dieser Gedanke kam mir, weil wir gemeinsam an jenem großen kirchlichen Ereignis dieses Jahrhunderts teilgenommen haben, das auch Vorbereitung der Neuevangelisierung im Hinblick auf das dritte Jahrtausend war. Hier, an diesem eindrucksvollen Ort, von dem vor fünfhundert Jahren die Evangelisierung der Neuen Welt ausgegangen ist, haben wir heute unsere Stimme zum Herrn der Geschichte erhoben und für die Neuevangelisierung der ganzen Welt, aller Länder, unserer europäischen Heimat, der Neuen Welt, aller Kontinente gebetet. Vielen Dank für eure Beteiligung, eine Vorbereitung und eure Teilnahme heute an diesem großen missionarischen Gebet. Gelobt sei Jesus Christus! Maria - Stern der Evangelisierung Gebet vor dem Gnadenbild Santa Maria La Räbida am 14. Juni 1. Gott schütze dich, Santa Maria de la Räbida, Unsere Liebe Frau der Wunder und unsere Mutter. Als Pilger bin ich nach Andalusien gekommen, / wo man überall / deine Gegenwart spürt und deinen Namen hört, / zu den Stätten von Kolumbus, / die in besonderer Weise wieder / die immer noch lebhaften Erinnerungen / an die Fünfhundertjahrfeier der Evangelisierung Amerikas wachrufen. / Vor deinem Gnadenbild hat / Christoph Kolumbus gebetet, / und von dir hat er Kraft und Schutz empfangen für sein waghalsiges Unternehmen, / das Königin Isabella, die Katholische, / in den Dienst des Glaubens stellte. 476 REISEN 2. Stern der Meere und Mutter der Seeleute. Deine Söhne von Palos hatten / vor ihren Augen und in ihrem Herzen / dein gütiges und liebliches Bild, / als sie damals am 3. August 1492, / angeführt vom Admiral und von den Gebrüdern Pinzön / und gestützt von der Liebe und vom Gebet ihrer Frauen und Kinder, / im Hafen von Palos die Anker lichteten / zu dem einmaligen Abenteuer der Begegnung der beiden Welten, / das dem Evangelium neue Wege eröffnet hat. Dein Name „Santa Maria” / war der des Kapitänsschiffs. Und mit diesem Namen auf den Lippen und im Herzen / brachte eine auserwählte Schar von Missionaren / die Heilsbotschaft / in die neuen Länder Amerikas. 3. Dein Bild, Jungfrau Maria, / hat Jahrhunderte hindurch / deine mütterliche Liebe / zu allen Söhnen und Töchtern dieses Landes vergegenwärtigt: / in ihren Tätigkeiten zur See / und in ihrer Landarbeit, / in den Augenblicken der Angst, der Freude und Fröhlichkeit. Nach dem Willen meines Vorgängers Paul VI. wurdest du / deshalb zur himmlischen Patronin der Stadt Palos erklärt / und bist du gefeierte Königin dieser deiner Kinder, / die in ihrem Leben / deine hebevolle Fürsprache spüren. Dich, demütige Magd des Herrn, / hat die glorreiche Dreifaltigkeit im Himmel gekrönt. Und wir setzen heute zum Zeichen kindlicher Verehrung / deinem Bild / und dem deines Sohnes Jesus / die Krone der Liebe / und des Glaubens dieses Volkes auf, das dich verehrt. 4. Heilige Maria, Stern der Evangelisierung, / Mutter von Spanien und Amerika. Vor dir wird das fünfhundertjährige Gedächtnis / der Verkündigung Christi an die Völker der Neuen Welt erneuert. Dein Bild ist umgeben / von den Hoheitszeichen vieler Nationen, / die durch denselben katholischen Glauben / und durch dieselbe spanische Sprache verbunden sind. Nachdem ich durch die gebebten Länder Amerikas / gepilgert bin und überall / deine mütterhche Gegenwart wahrgenommen habe, / komme ich jetzt, um dir, heiligste Jungfrau, Dank zu sagen / für die fünfhundertjährige Evangehsierungstätigkeit / in der Neuen Welt. Dir vertraue ich abe mit Amerika verbundenen Nationen an, / damit sie sich immer mehr der frohen Botschaft öffnen, die befreit und rettet. 5. Mutter Gottes und unsere Mutter, / segne die Kommunität der Franziskaner, die dich verehrt. Schütze die Famihen, die Kinder und die Jugendlichen, die Alten, die Armen und die Kranken / und alle, die sich deinem Schutz anvertrauen. Führe sie auf dem Weg des Leben, / daß sie dem Herrn begegnen. Gib ihnen Licht und Kraft, damit sie seinen Spuren folgen. Sei für alle deine Kinder von Palos / der Leitstern, der sie zu Jesus, dem Licht der Welt, führt. 477 REISEN Öffne ihre Herzen für die Solidarität mit den Bedürftigsten. Erneuere in der Kirche von Huelva und in ganz Spanien / das missionarische Bewußtsein, / das eine auserwählte Schar ihrer Söhne bewog, den Glauben ihrer Väter / mit den Brüdern und Schwestern in Übersee zu teilen. 6. Königin und wundertätige Frau, / von diesem geschichtsträchtigen Ort La Räbida aus, / von der Wiege der Entdeckung und Evangelisierung Amerikas aus / zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes, / und bitte immer für uns, auf daß wir würdig werden, / die Verheißungen unseres Herrn Jesus Christus / zu erlangen und uns ihrer zu erfreuen. Amen. Am Schluß des Wortgottesdienstes dankte der Papst den Anwesenden für ihr Kommen und sagte: Vielen Dank für dieses Treffen. Tiefe innere Bewegung erweckt der Besuch eines so geschichtsträchtigen Ortes, an dem ein neues Kapitel der Geschichte der Welt, unserer Welt, der Neuen Welt, der ganzen Welt, des Erdballs begonnen hat. An dem auch die Heilsgeschichte und Evangelisierung des amerikanischen Kontinents ihren Anfang -nahm. Hier an diesem geheiligten Ort werden alle unsere Schwestern und Brüder in Spanien und in der übrigen Welt Unserer Lieben Frau der Wunder, der Mutter der Menschen, der Königin von ganz Amerika, anvertraut. Gelobt sei Jesus Christus. Es ist unannehmbar, die Religion auf den privaten Bereich zu beschränken Predigt bei der Weihe der Kathedrale Unserer Lieben Frau von Almudena in Madrid am 15. Juni „Wohnt Gott wirklich auf der Erde?” (1 Kön 8,27). 1. Die heutige Liturgie legt uns diese Worte des Königs Salomo vor, die wir in der ersten Lesung gehört haben. „Selbst die Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wieviel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe?” (ebd.). Der Mensch ist sich der Unendlichkeit und Unermeßlichkeit Gottes bewußt, der nicht auf die Grenzen von Zeit und Raum festgelegt werden kann, weil „er, der Herr über Himmel und Erde, nicht in Tempeln wohnt, die von Menschenhand gemacht sind” (Apg 17,24). Doch der Gott des Bundes, „Er, der da ist” (vgl. Ex 3,14), wollte inmitten seines Volkes wohnen. Er, der alles umfaßt und durchdringt, wohnte während der Wanderung des Volkes zum verheißenen Land im sogenannten „Bundeszelt”. Der Herr schlug seine Wohnung auf in Jerusalem auf dem heiligen Berg, weil „es seine Freude ist, unter den Menschenkindern zu wohnen” (Spr 8,31). Als aber „die Fülle der Zeiten kam” (Gal 4,4), wurde er zum Emmanuel, „Gott mit uns” (vgl. Mt 1,23). In der Person Jesu Christi steigt Gott selbst zur Begegnung mit 478 REISEN den Menschen herab. Gott wird den Sinnen zugänglich und berührbar: „Wir haben gesehen”, „wir haben gehört”, „wir haben das Wort des Lebens berührt”, „denn das Leben hat sich geoffenbart, und wir haben es gesehen”, schreibt der heilige Apostel Johannes (vgl. 1 Joh 1,1-2). Tatsächlich „wohnt die Fülle der Gottheit” so „leibhaftig” in Jesus Christus {Kol 2,9), daß sein Leib der wahre, neue und endgültige Tempel ist, wie wir in der Lesung des Evangeliums gehört haben (vgl. Joh 2,21). Das Wort Gottes „ist Heisch geworden und hat unter uns gewohnt” {Joh 1,14). Daher verkünden wir mit einem Herzen voll Freude mit dem Psalmisten: „Wie liebenswert ist deine Wohnung, Herr der Heerscharen” {Ps 84,2). 2. Ähnlich dem Tempel aus lebendigen Steinen, den alle Gläubigen dieser Erzdiözese bilden, ist die Kathedrale der heiligen Maria la Real de la Almudena, die wir zu unserer Freude heute für den Gottesdienst weihen dürfen, ein erhabener Ausdruck für das Lob Gottes. Daher ruft heute eine unermeßliche Freude das Volk von Madrid zusammen, dem ich durch Radio und Fernsehen meinen herzlichen und innigen Gruß aussprechen möchte. Eine Freude, die ich zu meiner eigenen machen wollte, als ich als Nachfolger des Petrus herkam, um diese Wohnung Gottes unter den Menschen zu weihen. Diese Kathedrale, die sich zum Himmel erhebt, ist ein echtes Symbol für die Dynamik des Volkes Gottes, das seine Kräfte, Arbeiten, Almosen und Gebete vereint hat, um Gott eine würdige Wohnstätte anzubieten, in der sein Name angerufen wird und wo wir seine Barmherzigkeit anflehen. Allen, die in der einen oder anderen Form zu ihrem Bau beigetragen haben: dem königlichen Haus, das beim Beginn des Werkes eine entscheidende Rolle gespielt und weiterhin Mut dazu gemacht hat; dem Präsidenten der Republik und den zahlreichen Firmen, die ihren Bau unterstützt haben; den Institutionen, die vereint mit dem Erzbischof das Patronat gebildet haben: dem Stadtrat von Madrid, der Autonomen Gemeinschaft, der Sparkasse von Madrid und dem Madrider Presseverband; dem Architekten und den Arbeitern, die in das Werk ihr Wissen und ihre Energie investiert haben; den Pfarreien, Ordenskongregationen und Verbänden der Gläubigen, die hier ihre Kunstwerke zu ihrem Schmuck angebracht haben; allen, die mit ihrem wirtschaftlichen Zuschuß ihren Beitrag geleistet haben; der Kirche und dem Volk von Madrid, allen möchte der Papst heute im Namen Jesu Christi und der Kirche für die Vollendung dieses erhabenen Heiligtums seinen Dank aussprechen. Ein besonderer Dank gilt dem Hirten dieser Erzdiözese, dem Kardinal Angel Suquia Goicoechea, der im Namen der ganzen Gemeinschaft der Kirche, der Weihbischöfe, der Priester, der Ordensleute und Gläubigen an mich so Hebens würdige Worte der Gemeinschaft und Verbundenheit gerichtet hat. Möge der Herr, reich an Barmherzigkeit, seinen hochherzigen und selbstlosen pastoralen Dienst für.die Kirche Gottes überreich belohnen. Ebenso danke ich Kardinal Vicente Enrique y Tarancön und den anderen Kardinälen für ihre Anwesenheit wie auch dem Heben spanischen Episkopat mit seinem Vorsitzenden Msgr. Elias Yanez, Erzbischof von Saragossa. 479 REISEN Danken wir der Heiligsten Dreifaltigkeit für diesen heiligen Ort, wo die Herrlichkeit des Herrn wohnen wird! Danken wir ihr, weil nach ihrer göttlichen Vorsehung dieser Ort ein Haus des Gebetes und der Fürbitte sein wird; ein Ort des Gottesdienstes und der Anbetung; ein Ort der Gnade und Heiligung. Es wird der Ort sein, wo das christliche Volk zur Begegnung mit dem lebendigen und wahren Gott zusammenkommt. 3. „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?” (7 Kor 3,16). Diese Worte des heiligen Paulus, die wir in der zweiten Lesung gehört haben, stellen uns auch die Frage, hebe Brüder und Schwestern: Welches ist die Grundlage dafür, daß wir Tempel Gottes sind und darum wissen? Die Antwort lautet: Jesus Christus. Daher kann der gleiche Apostel sagen: „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus” (7 Kor 3,11). Und das alles gilt, ebenso wie das, was das Alte Testament vom Tempel in Jerusalem sagt und was wir im Antwortpsalm mit so viel ergreifendem Nachdruck wiederholt haben: „Wohl denen, die wohnen in deinem Haus” (Ps 84,5). Der Eifer für das Haus Gottes wird Jesus eines Tages, wie wir wissen, in den Tempel von Jerusalem führen - in jenen Tempel, den Salomo errichtet hatte und der nach dem Exil von Babylon wiederhergestellt worden war -, um die Verkäufer hinauszutreiben mit den Worten: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle” (.Joh 2,16). Auf die Frage der Juden aber: „Welches Zeichen läßt du uns sehen als Beweis, daß du dies tun darfst?” {Joh 2,18), antwortet der Herr: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten” {Joh 2,19). Diese Worte konnten damals nicht verstanden werden, weil Jesus vom Tempel seines Leibes sprach. Erst nach der Auferstehung verstanden es seine Jünger und glaubten. Daher verkünden wir, liebe Brüder und Schwestern, daß der Tempel des Neuen und Ewigen Bundes Christus Jesus ist: der gekreuzigte und von den Toten auferstandene Herr. In Ihm „wohnt die Fülle der Gottheit leibhaftig” {Kol 2,9). Er ist zugleich der Emmanuel „die Wohnung Gottes unter den Menschen” {Offb 21,3). In Christus ist die ganze Schöpfung zu einem herrlichen Tempel geworden, der die Herrlichkeit Gottes verkündet. 4. Ähnlich wie dieses Haus aus Stein, das wir heute zur Ehre Gottes weihen und bei dessen Bau alle Steine gut gefügt zur Festigkeit, Schönheit und Einheit beitragen, seid ihr durch die Taufe Kinder Gottes geworden. „Laßt euch also als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen.” Im Fundament dieses Gebäudes bildet der Eckstein die Garantie für seine Festigkeit und bleibende Dauer, „der erwählte Eckstein” (vgl. 7 Petr 2,5.6), dessen Name ist: Jesus Christus. Fügt also diesem Tempel keinen Schaden zu! Betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr besiegelt seid (vgl. Eph 4,30), bewahrt im Gegenteil die Einheit des Glaubens und die Gemeinschaft in allem: im Denken und Tun, um euren Hirten geschart. Der Bischof ist ja in Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus „der 480 REISEN Fels”, auf den die Kirche gebaut ist (vgl. Mt 16,18) - es ist der Hirt einer jeden Ein-zelkirche, der von Christus durch die apostolische Nachfolge den Auftrag erhalten hat, die diözesane Kirche zu lehren, zu heiligen und zu leiten (vgl. Christus Dominus, Nr. 11). Nehmt ihn an, liebt ihn, und gehorcht ihm wie Christus; betet beständig für ihn, daß er seinen Dienst in voller Treue zum Herrn vollzieht. 5. Mit der Vollendung der Kathedrale von Madrid, eines Werkes, in das so viele Energien gesteckt wurden, ist ein wichtiger Schritt im Leben dieser Erzdiözese geschehen. Die Kathedralkirche ist ja das sichtbare Symbol und die sichtbare Heimat der Gemeinschaft der Diözese unter dem Vorsitz des Bischofs, der in ihr seine Lehrkanzel hat. Daher muß dieser Tag der Weihe der Kathedrale für die ganze diözesane Gemeinschaft ein dringender Aufruf zur Neuevangelisierung sein, zu der ich die Kirche aufgerufen habe. Die spanische Kirche muß getreu dem geistlichen Reichtum, der sie ihre Geschichte hindurch gekennzeichnet hat, in der heutigen Zeit ein Sauerteig des Evangeliums sein für die Anregung und Umwandlung der irdischen Wirklichkeiten mit der Dynamik und Hoffnung und der Kraft der christlichen Liebe. In einer pluralistischen Gesellschaft wie der euren ist eine größere und wirksamere kathoüsche Anwesenheit der einzelnen und der Verbände auf den verschiedenen Gebieten des öffentlichen Lebens notwendig. Unannehmbar, weil dem Evangelium zuwider, ist daher das Ansinnen, die Religion auf den streng privaten Bereich zu beschränken und so in paradoxer Weise die wesentlich öffentliche und soziale Dimension der Person des Menschen zu vergessen. Geht daher auf die Straßen, lebt euren Glauben mit Freude, und bringt den Menschen das Heil Christi, das die Familie, die Schule, die Kultur und das politische Leben durchdringen muß. Dies ist der Kult und das Zeugnis des Glaubens, zu der uns auch die jetzige Feier der Weihe der Kathedrale von Madrid einlädt. 6. Aus dieser Sicht können wir besser die tiefe Bedeutung dieses Aktes verstehen. Wir sehen die Gestalt und betrachten die Wirklichkeit: Wir sehen das Gotteshaus und betrachten die Kirche. Wir schauen das Bauwerk an und dringen in das Geheimnis ein. Denn dies Bauwerk zeigt uns mit der Schönheit seiner Symbole das Geheimnis Christi und seiner Kirche. In der Kathedrale des Bischofs entdecken wir Christus, den Lehrer, der dank der apostolischen Nachfolge uns alle Zeiten hindurch unterweist. Im Altar erblicken wir Christus selbst im höchsten Akt der Erlösung. Im Taufstein erkennen wir den Schoß der Kirche als Jungfrau und Mutter, die das Leben Gottes ins Herz ihrer Kinder bringt. Schauen wir aber auf uns selbst, so können wir mit dem heiÜgen Paulus sagen. „Ihr seid Gottes Bau ... Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr” (1 Kor 3,9.11). Dies ist das Geheimnis, das die Kathedralkirche, die der heiligen Maria la Real de la Almudena geweiht ist, im Symbol darstellt. Die Mutter des Herrn ist die Patronin der Diözese Madrid unter der Anrufung de la Almudena. Dies ist eine sehr alte Anrufung, sie geht auf die Ursprünge der Stadt zurück, und die damit verbundene Verehrung ist mit der Zeit gewachsen. Beispiele 481 REISEN dafür sind das Gelübde der Stadt; das der Stadtverband Ende des 18. Jahrhunderts gemacht hat, sowie die massive Beteiligung der Gläubigen1 an den liturgischen Feiern ihres Festes in den letzten Jahren, Die Verehrung der Jungfrau de la Almudena zeigt in Verbindung mit den anderen Marienbildern, wie dem der Madonna von Madrid, der Jungfrau, Blume von Lys, der Jungfrau von Atocha und der Jungfrau de la Paloma, die tiefe Verehrung und Zuneigung, welche die Katholiken von Madrid der Mutter Gottes entgegenbringen. Bei der Weihe dieses Gotteshauses zu Ehren der Heiligen Maria, der. Jungfrau de la Almudena, muß daher die ganze Kirche von Madrid und jeder einzelne ihrer Gläubigen zu ihr aufschauen und lernen, auch selbst ein sichtbares Zeichen der Präsenz Gottes unter den Menschen zu sein. 7. Kirche von Madrid; Wenn du in dieser Welt von heute der unermeßlichen- und zugleich herrlichen Sendung entsprechen willst, die Erlösung durch Christus voll und ganz zu leben und sie den Menschen zu vermitteln, dann mußt du deine Augen auf die Frau richten, die eines Tages die beglückende Botschaft von der Menschwerdung des Sohnes Gottes erhielt. Sie, die der Kirche „auf dem Pilgerweg des Glaubens” (Redemptoris mater,Nv. 2) vörangeht, wird dir den Weg zeigen. Schau auf sie, und sprich wie sie dein Ja zur Gnade, damit auch du, ganz von Christus erfüllt, in ihren Lobgesang einstimmen kannst (vgl. Lk 1,46-55). Amen. Dies ist der Augenblick* das innere Leben der Kirche in Spanien zu erneuern Ansprache an die Spanische Bischofskonferenz in Madrid am 15. Juni Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Vor knapp zehn Jahren, als ich diesen Sitz der Spanischen Bischofskonferenz einweihte, der eure vielen pastoralen Sorgen um die Kirche bezeugt, hatte ich die Freude, mit euch intensive Augenblicke des Gebets und der innigen kirchlichen Gemeinschaft zu erleben. Voll Liebe begrüße ich euch jetzt brüderlich mit den Worten des Apostels Paulus: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” (Röm 1,7). Der Herr schenkt uns heute die Gnade dieser neuen Begegnung, bei der eure Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri deutlich zum Ausdruck kommt und die Bande der Liebe unseres Dienstes in Weiterführung der Sendung verstärkt werden, die Christus selbst den Apostel übertragen hat. Ich danke aufrichtig für die liebevollen Worte, die Erzbischof Elias Yanes Alvarez von Saragossa, Vorsitzender der Spanischen Bischofskonferenz, im Namen aller an mich gerichtet hat. 2. Wir lesen in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche des II. Vatikanischen Konzils: „Wie nach der Verfügung des Herrn der heilige Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in ent- 482 REISEN sprechender Weise der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden” (Lumen Gentium, Nr. 22). Diese Verbundenheit, die wir heute besonders stark erleben und sichtbar zum Ausdruck bringen können, ist Quelle der Ermutigung für uns bei dem schwierigen Dienst, der uns aufgetragen wurde, und zugleich Gewähr sowie Ansporn für die Gläubigen. Sie können sehen, daß unser Pastoraldienst wirklich aus dem Geist des Herrn erwachsen ist, der seine Kirche in jedem Augenblick und in allen Situationen begleitet, die ihre Geschichte kennzeichnen. Es freut mich zu hören, daß die gemeinsame Arbeit der Konferenz und die Pasto-ralpläne eurer Diözesen sich auf die Absicht konzentrieren, entschlossen eine deutliche Evangelisierungspastoral einzuleiten. Liebe Brüder, der gegenwärtige Augenblick muß die Stunde der frohen Verkündigung des Evangeliums sein, der Augenblick der moralischen und geistlichen Wiedergeburt. Die christlichen Werte, die die Geschichte dieser edlen Nation kennzeichnen, müssen alle Töchter und Söhne der katholischen Kirche neu dazu anspomen, daß sie ein transparentes Zeugnis ihres Glaubens geben. Der Augenblick ist gekommen, um das pastorale Wirken der Kirche in seiner ganzen Fülle zu entfalten - in innerer Einheit, geistiger Festigkeit und apostolischer Kühnheit. Die Neuevangehsierung braucht neue Zeugen, Menschen, die im Kontakt mit Jesus Christus die wirkliche Wandlung ihres Lebens erfahren haben und imstande sind, den anderen diese Erfahrung zu vermitteln. Dies ist die Stunde Gottes, der Augenblick der Hoffnung, die nicht enttäuscht. Jetzt ist es an der Zeit, das innere Leben eurer kirchlichen Gemeinschaften zu erneuern und in der spanischen Gesellschaft insgesamt eine verstärkte Pastoral- und Evangelisierungstätigkeit zu beginnen. 3. Bei dieser Begegnung fühle ich mich euch durch das „Band der Einheit, der Liebe und des Friedens” (Lumen Gentium, Nr. 22) besonders nahe als „Hirt der ganzen Kirche” (ebd.). Liebe Brüder, ich möchte euch einige .Überlegungen mitteilen, die euer eifriges Bemühen um die Gemeinschaften begleiten mögen, die der Herr eurer Sorge anvertraut hat. Wichtig ist vor allem, daß wir dem Menschen von heute die machtvollen Taten Gottes und seine Verheißungen vorzustellen wissen. Der Mensch von heute, oft ganz in Anspruch genommen von der Größe und Vielfalt einer wunderbaren Welt, muß über alles hinaus die Weisheit und unendliche Güte des Schöpfergottes sehen lernen. Die Erkenntnis und Anbetung des Schöpfers geben dem Menschen die Möglichkeit, die Welt und sich selbst in absoluter Armut und höchster Größe zu sehen. Zusammen mit diesem Glauben an Gott, den Schöpfergott, ist es für den modernen Menschen notwendig, die göttliche Gnade zu erkennen und anzunehmen, die Jesus Christus anbietet, um uns von der Sünde und von der Macht des Todes zu befreien. Der beste Beitrag, den die Kirche zur Lösung der Probleme liefern kann, die eure Gesellschaft belasten, wie die Arbeitslosigkeit, die so viele Familien und Jugendliche betrifft, die Gewalttätigkeit, der Terrorismus und die Drogenabhängigkeit, ist: 483 REISEN Allen zu helfen, daß sie die Gegenwart und die Gnade Gottes in uns entdecken, um sich in der Tiefe ihres Herzens erneuern und den neuen Menschen, Christus, anzie-hen. Die Neuevangelisierung, zu der ich euch aufrufe, erfordert ein besonderes Bemühen um Läuterung und Heiligkeit. Indem ihr die besten Traditonen so vieler heiliger Bischöfe - von eurer Kirche hervorgebrachte Evangelisatoren - wiederbelebt, müßt ihr unermüdliche Verkünder des Evangeliums sein und die Wahrheit Christi, „Gottes Kraft und Gottes Weisheit” (1 Kor 1,24) predigen in der Gewißheit, daß ihr auf diese Weise der Kirche und der ganzen Gesellschaft den besten Dienst erweist. Die Verkündigung des Wortes soll unterstützt werden von einem heiligmäßigen Leben, eingebettet ins Gebet und Tag für Tag gelebt in der Liebe zum Nächsten, das heißt im schlichten Dienst der Liebe und des Erbarmens gegenüber allen Menschen in Not. 4. Ich bin mir der schweren Krise der moralischen Werte bewußt, die in verschiedenen Lebensbereichen des einzelnen und der Gesellschaft große Besorgnis erregt und vor allem die Familie und die Jugend erfaßt und auch allen wohlbekannte Auswirkungen auf die staatliche Verwaltung gezeitigt hat. Unleugbar ist ein wachsender Säkularisierungsprozeß im Gang, der unmittelbar in mehreren sozialen Kommunikationsmitteln Widerhall findet und auf diese Weise die Verbreitung der religiösen Gleichgültigkeit fördert, die sich im persönlichen und kollektiven Gewissen einni-stet, so daß für viele Gott nicht mehr Ursprung und Ziel, Sinn und letzter Grund des Lebens ist. Wie ihr bei zahlreichen Gelegenheiten wiederholt habt, liebe Brüder, ist die Kirche gerufen, durch das Evangelium alle Lebensbereiche des Menschen und der Gesellschaft zu erhellen. Und sie soll es tun, ausgehend von dem ihr gesetzten Ziel, das „ja der religiösen Ordnung angehört. Doch fließen aus eben dieser religiösen Sendung Auftrag, Licht und Kraft, um der menschlichen Gemeinschaft zu Aufbau und Festigung nach göttlichem Gesetz behilflich zu sein” (Gaudium et spes, Nr. 42). Die Kirche, zum Dienst am Menschen in allen seinen Dimensionen berufen, bemüht sich, zur Erreichung jener Ziele beizutragen, die das Gemeinwohl der Gesellschaft fördern, und will vor allem „zugleich Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person” sein {ebd., Nr. 76). Darum - so betont das Konzilsdokument -darf die Kirche „in keiner Weise hinsichtlich ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der politischen Gemeinschaft verwechselt werden noch an irgendein politisches System gebunden sein” {ebd.). Das bedeutet jedoch nicht, daß sie der politischen Gemeinschaft nichts zu sagen hat, um sie ausgehend von den Werten und Kriterien des Evangeliums zu erleuchten (vgl. ebd.). 5. Die Kirche Spaniens hat nicht wenige Male in ihrer Geschichte auf die Herausforderungen und Schwierigkeiten des Augenblicks eine Antwort gefunden, indem sie mutig unter der Führung des Geistes Gottes und in enger Verbundenheit mit dem Heftigen Stuhl für die Evangelisierung der Völker am Werk war. Schon bei meinem 484 REISEN Besuch in Saragossa 1984 und später in Santo Domingo im Oktober vergangenen Jahres hatte ich Gelegenheit, meinen und den Dank der gesamten Kirche für die gewaltige Evangelisierungsarbeit dieser Scharen von spanischen Missionaren auszusprechen, welche die Heilsbotschaft in die Neue Welt brachten. Heute wiederhole ich diesen Dank vor euch in dem Bewußtsein, daß ich euch auch die Dankbarkeit der kirchlichen Gemeinschaften von Amerika übermittle. Mir sind eure Anstrengungen der letzten Jahre bekannt, die ihr gemacht habt, um die Gemeinschaft und missionarische Zusammenarbeit mit den Schwesterkirchen zu festigen. Ich ermutige euch, diese Arbeit weiterzuführen und zu verstärken, durch die man auch die wachsende Abwerbung seitens der Sekten und der neuen religiösen Gruppen in Lateinamerika begegnen könnte. Ich lade euch ein, eure missionarische Zusammenarbeit im apostolischen Geist auf die neuen und weiten Räume auszudehnen, die sich der Verkündigung des Evangeliums in den verschiedenen Kontinenten öffnen, ohne Europa zu vergessen. Spanien, das so große, lobenswerte Fortschritte im demokratischen Bereich und als Mitglied der Europäischen Gemeinschaft gemacht hat, kann auch in erheblicher Weise zur Wiederbelebung der christlichen Wurzeln des alten Kontinents beitragen. Gebe Gott, daß das Heilige Jahr von Compostela, das jetzt gefeiert wird, dazu beitrage, die Bande zwischen den Bürgern Europas noch weiter zu verstärken und die Werte des Geistes als fruchtbare Quelle seines kulturellen und moralischen Erbes wiederzuentdecken. 6. Deshalb ermutige ich euch, mit Festigkeit und Ausdauer euer bevorzugtes Augenmerk, die Jugendseelsorge, weiterzuführen. Sucht vor allem den jungen Menschen die hohen Ideale des Lebens und die christliche Spiritualität in ihrer ganzen Authentizität und ihrem Reichtum vorzustellen. Widmet der Katechese den besten Teil eurer Zeit und eurer Bemühungen in der Absicht, die jungen Generationen zu lehren, das Evangelium kennenzulemen und demensprechend zu leben; pflegt und sorgt ferner für Berufungen zum gottgeweihten Leben und zum Priesteramt; leistet den vielfältigen und wirksamen Dienst der Nächstenhebe zugunsten aller Menschen in Not. Lebt voll Freude in Eintracht und Frieden, der die Frucht und Gewähr der Anwesenheit des Heihgen Geistes ist. Hört eifrig auf die Priester, die mit euch „in der prie-sterhchen Würde verbunden” sind (.Lumen Gentium, Nr. 28), und lebt mit ihnen in Freundschaft und Brüderlichkeit; helft ihnen, mit Freude den Auftrag getreu zu erfüllen, den sie von Christus zugunsten der Menschen empfangen haben. Belebt durch euer Wort und Beispiel alle Glieder der Christengemeinde, die Ordensleute und Laien, damit sie die Freude empfinden, dem Volk Gottes anzugehören, das Samenkorn der Einheit, der Hoffnung und des Heils für die ganze Gesellschaft ist. Habt keine Angst vor den Mächtigen dieser Welt; zieht euch nicht zurück angesichts von Kritik und Unverständnis. Der beste Dienst, den wir unserer Gesellschaft leisten können, ist, ihr ständig das Wort und die Verheißungen Gottes in Erinnerung zu ru- 485 REISEN fen und ihr seine Heilswege, anzubieten, die heute so notwendig wie in jedem anderen Augenblick der, Geschichte sind. Die Verschleierung der wahren Lehre, das Verschweigen jener Punkte der christlichen Offenbarung, die heute von der herrschenden kulturellen Sensibilität nicht gern angenommen werden, sind kein Weg zu einer authentischen Erneuerung der Kirche noch bereiten sie bessere Zeiten für die Evangelisierung.und den Glauben vor. 7. Der wahre Fortschritt der Kirche erfordert wesentlich die Aufrechterhaltung ihrer ganzen Tradition, die durch das lebendige Lehramt des Papstes und der Bischöfe in Einheit mit ihm geschützt wird. Wenn diese Reinheit der Lehre getrübt wird, tauchen bald Entmutigung und Spaltungen innerhalb der Kirche auf, die Glaubwürdigkeit schwindet, und der Heilsdienst wird schwächer und ärmer. Eine Kirche, die ihrem Herrn nicht mehr treu ist, könnte nicht mehr Licht noch Hoffnung für unsere Welt sein. Aus all diesen Gründen ist es wichtig, viel Sorge auf die Wahl und Bildung der Menschen zu verwenden, die für die Weitergabe des Glaubens unmitelbar verantwortlich sind, vor allem die Lehrer und Professoren in den Seminaren und akademischen Zentren, wo die Kandidaten für das Priestertum und das Ordensleben ausgebildet werden. Der Theologieunterricht ist ein wahrer kirchlicher Dienst, der eine genau umschriebene Verantwortung gegenüber dem Glaubensgut mit sich bringt. Unter den heutigen Umständen verdient der Morälbereich, besonders die Moral von Familie und Gesellschaft besondere Aufmerksamkeit. Es ist notwendig, daß die Priester, die Pa-storalhelfer und die Gläubigen entsprechend den moralischen Prinzipien, Kriterien und Etappen geformt werden, die dem katholischen Glauben und einer vollen kirchlichen Gemeinschaft entspringen. In diesem (konkreten) Augenblick des Lebens der Kirche besitzen wir ein wertvolles Mittel der Evangelisierung: den Katechismus der Katholischen Kirche, ein unschätzbares Gut für den Glauben und den Dienst der Einheit. 8. Meine Worte zum Abschluß dieser brüderlichen Begegnung sollen vor allem eine Botschaft lebendiger Hoffnung, Ermutigung und Antrieb sein, euch, „meine Brüder im Glauben, zu stärken” (vgl. Lk 22,32), dem Auftrag Christi gehorsam. Mit meinem ganzen Herzen möchte ich euch in dieser lobenswerten Arbeit unterstützen, die dahin zielt, das Leben eurer Kirchen zu leiten und zu erleuchten. Der Apostel Jakobus, der Patron von Spanien, erleuchte und stärke euch in diesem Jubiläumsjahr, damit der Glaube und das christliche Leben in eurem Vaterland über alle Wandlungen und Veränderungen hinaus weiter wachsen. Laßt mich in diesem Augenblick alle Glieder eurer Diözesankirchen mit viel Liebe in Erinnerung rufen: insbesondere die Priester, die hochherzigen und opferbereiten Mitarbeiter bei eurem Dienstamt; die Seminaristen und ihre Erzieher, die Katechisten und Lehrer, die christlichen Mütter und Väter, alle Gläubigen, die Zeugen des Evangeliums Jesu Christi sind - auf dem Land und in der Stadt, an den Universitäten 486 REISEN und in den Fabriken, bei Gesundheit und Krankheit, in der Kultur, in der Politik und im sozialen Leben. Allen erteile ich mit großer Liebe den Apostolischen Segen. Die christlichen Werte in einer von Orientierungslosigkeit geprägten Gesellschaft erneuern Predigt bei der Heiligsprechung von Enrique de Ossö y Cervellö in Madrid am 16. Juni 1. „Ihr seid das Salz der Erde ... Ihr seid das Licht der Welt” (Mt 5,13-14). Ein volles, starkes Echo auf diese Worte des Herrn ertönt jedesmal, wenn sich die Kirche zur Feier des Geschenkes der Heiligkeit eines ihrer Söhne versammelt. So auch heute in dieser großen Versammlung, die sich mit dem Bischof von Rom vereint hat als „auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat” (1 Petr 2,9). Hier befindet sich tatsächlich das heilige Volk Gottes, das durch Gottes Gnade berufen ist, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Zeuge für das göttliche Licht war der sei. Enrique de Ossö y Cervellö, den die Kirche heute zur Ehre der Heiligkeit erhebt und dem christlichen Volk als Vorbild hinstellt. Die universale Kirche freut sich und ist glücklich mit diesem ihrem Sohn, der, dem Ruf Gottes treu, begriffen hatte, daß „der erste und grundlegende Beitrag zum Aufbau der Kirche als Gemeinschaft der Heiligen’” (Christifideles laici, Nr. 17) seine eigene Heiligkeit war. Der Same der Heiligkeit, den er in der Taufe empfing, reifte und brachte Fmcht und wurde der Kirche zurückgeschenkt, die durch sein persönliches Charisma bereichert wurde. 2. Welches war dieses Charisma? Welches war das von Gott erhaltene Geschenk, das im Leben des neuen Heiligen Frucht brachte? Die biblischen Lesungen, die vorgetragen wurden, haben uns die richtige Antwort auf diese Fragen gegeben. Enrique de Ossö suchte und fand die Weisheit; er zog sie den Szeptern und Thronen und allem Reichtum vor (vgl. Weish 7,8). Von Jugend auf, als er sein Elternhaus verließ und sich in das Kloster von Monserrat flüchtete, spürte er, daß Gott ihn rief, um ihm seine Freundschaft zu schenken (vgl. ebd., 7,14). Gebannt durch das Licht, das keinen Untergang kennt (vgl. ebd., 7,10), fand er den „unerschöpflichen Reichtum” (ebd., 7,14) und verließ alles, um ihn zu besitzen (vgl. Mt 13,44-46). Sein Vater wollte, er solle Kaufmann werden; er aber zog wie der Kaufmann des Gleichnisses im Evangelium die unschätzbare Perle, die Jesus Christus ist, vor. Die Liebe zu Jesus Christus führte ihn zum Priestertum, und im priesterlichen Dienst fand Enrique de Ossö den Schlüssel, um seine Gleichförmigkeit mit Christus und seinen apostolischen Eifer zu leben. Als „guter Soldat Christi Jesu” (2 Tim 2,3) nahm er teil an den Arbeiten für das Evangelium und fand Kraft in der göttlichen 487 REISEN Gnade, um den anderen die Weisheit, die er empfangen hatte, mitzuteilen. Sein Leben war in jedem Augenblick inniger Kontakt mit Jesus, Selbstverleugnung und Opfer und hochherziger apostolischer Einsatz. 3. Über das Priestertum hinaus wußte er seine große Berufung zum Unterricht zu entfalten. Er ließ andere nicht nur die in Christus verborgene Weisheit entdecken, er empfand auch die Notwendigkeit, Menschen heranzubilden, die nach einem Wort des hl. Paulus an Timotheus „fähig sind, auch andere zu lehren” (2 Tim 2,2). Die von ihm gegründete Gesellschaft der hl. Teresa von Jesus hatte kein anderes Ziel, als Christus zu kennen und zu lieben und so zu bewirken, daß er auch von anderen gekannt und geliebt wurde. Das Charisma eures Gründers, liebe Schwestern, ist weiter in euch lebendig. Die heutige Feier ist eine Einladung, die der Herr an euch richtet, damit euer fruchtbarer Dienst für die Kirche weiterhin aus der Heiligkeit des Lebens und dem apostolischen Eifer hervorgehe, zumal durch Unterricht und Ausbildung der Jugend. Aus der Hand Teresas von Jesus empfing Enrique de Ossö die Einsicht, daß die Liebe zu Christus der Mittelpunkt seines Werkes sein müsse. Eine Liebe zu Christus, die die Menschen gefangennimmt und begeistert und sie für das Evangelium gewinnt. Von dieser Liebe gedrängt, sollte sich dieser in Katalonien geborene Priester beispielhaft den am meisten bedürftigen Kindern, den jungen Arbeitern und allen Menschen ohne Unterschied des Alters oder der sozialen Stellung zuwenden; ausdrücklicher richtete er seinen apostolischen Eifer auf die Frau in der Erkenntnis, daß sie die Fähigkeit habe, die Gesellschaft umzuwandeln. Er sagte: „Die Welt ist immer das gewesen, was die Frauen aus ihr gemacht haben. Gestaltet also selber diese Welt, geformt nach dem Vorbild der Jungfrau Maria und den Lehren Teresas” (Schriften, I, Barcelona 1976, 207). Dieses brennende Verlangen, Jesus Christus möge von aller Welt gekannt und geliebt werden,, führte dahin, daß Enrique de Ossö all sein apostolisches Wirken auf die Katechese konzentrierte. Auf dem Lehrstuhl des Seminars von Tortosa, aber auch bei den Kindern und den einfachen Menschen aus dem Volke zeigte dieser tugendhafte Priester das Antlitz des Lehrers Christus, der mit dem Volk Mitleid hatte und es den Weg zum Himmel lehrte. Sein Geist ist geprägt durch die zentrale Stellung der Person Jesu Christi. „Denken, empfinden und heben wie Jesus Christus; arbeiten, sich unterhalten und sprechen wie ER; mit einem Wort, unser ganzes Leben dem Leben Christi gleichgestalten; uns mit Christus Jesus bekleiden, das ist unsere wesentliche Beschäftigung” (Schriften, III, Barcelona 1976, 456). Verbunden mit Christus, pflegte er eine innige und tiefe Marienffömmigkeit, und er bewunderte den erzieherischen Wert der Gestalt und des Werkes der hl. Teresa von Jesus. 488 REISEN Der Papst fuhr im örtlichen Dialekt fort: 4. Heute ist ein großer Tag für die Kirche und die Welt, doch an erster Stelle für Spanien. Besonders gilt das für euch, die Bewohner von Tortosa. Ein Sohn des geliebten Katalonien wurde heiliggesprochen und tritt damit ein in die lange Reihe der Heiligen und Seligen, die ein beredtes Zeugnis für den geistlichen Reichtum des christlichen Volkes hier sind. Gewiß kann sich Spanien einer herrlichen Geschichte der Heiligkeit rühmen, doch ist ebenso gewiß, daß dieses Land, wenn es entschieden und hoffnungsvoll die Aufgaben der Zukunft erfüllen will, zu seinen christlichen Wurzeln zurückkehren muß. Heute spürt dieses Volk mehr denn je die Notwendigkeit Gottes. In dem Maße wie die Weltanschauung säkularisiert ist, wird die Gesellschaft immer unmenschlicher, weil sie die richtige Sicht der Beziehungen unter den Menschen aus dem Auge verliert; wenn die transzendente Dimension des Daseins sich abschwächt, schwindet auch der Sinn für die persönlichen Beziehungen und die Geschichte, und die Würde und Freiheit der Person des Menschen sind gefährdet, wenn er nicht mehr Gott, seinen Schöpfer, als Anfang und Ende betrachtet. Der Papst kam wieder auf die spanische Umgangssprache zurück: 5. Daher möchte ich bei dieser liturgischen Feier, die eine so große Zahl von Persönlichkeiten aus der Erzdiözese Madrid sowie den Diözesen Alcalä und Getafe, aus der Diözese Tortosa, Heimat des neuen Heiligen, und aus den übrigen Diözesen Kataloniens wie auch von zahlreichen weiteren Orten des heben Spaniens versammelt sieht, eine besondere Botschaft der Ermutigung und der Hoffnung an die spanischen Familien richten. Sie, die die Heiligtümer der Liebe und des Lebens sind (vgl. Centesimus annus, Nr. 39), ermuntere ich, wirkliche „Hauskirchen” zu sein, Ort der Begegnung mit Gott, Mittelpunkt der Ausstrahlung des Glaubens und Schule des christlichen Lebens. „Die Zukunft der Menschheit geht über die Familie! Es ist darum unerläßlich und dringend, daß jeder Mensch guten Willens sich dafür einsetzt, die Werte und die Aufgaben der Familie zu erhalten und zu fördern” (Familiaris consortio, Nr. 86). Die Probleme, vor denen in unseren Tagen die Ehe und das Institut Familie stehen, sind wohlbekannt; daher ist es notwendig, das Ideal der christlichen Familie richtig darzustellen. Es gründet auf der ehelichen Einheit und Treue, ist offen für die Fruchtbarkeit und von der Liebe geleitet. Wie sollte ich hier nicht lebhaft die wiederholten Aussagen des spanischen Episkopates zugunsten des Lebens und über die Unerlaubtheit der Abtreibung unterstützen? Ich ermahne alle, nicht von der Verteidigung der Würde eines jeden menschlichen Lebens abzulassen, von der Unauflöslichkeit der Ehe, der treuen Gattenliebe sowie der Hinfüh-rung der Kinder und Jugendlichen zur Befolgung der christlichen Grundsätze angesichts blinder Ideologien, die die Transzendenz leugnen und die die jüngste Geschichte disqualifiziert hat, so daß sie ihr wahres Gesicht zeigen mußten. 489 REISEN 6. Mögen die Jugendlichen, die große Kraft und Hoffnung eines Volkes, im Schoß christlicher Familien hohe und edle Ideale vorfinden, die das Verlangen ihrer Herzen befriedigen und sie vor der Versuchung einer Kultur schützen, die unheilbar ins Leere und in die Entfremdung führt: eine Kultur ohne Solidarität und ohne Horizonte. Die Erziehung der Kinder und Jugendhchen, hebe Brüder und Schwestern, bleibt weiter für die Sendung der Kirche und auch für die bürgerhche Gesellschaft grundlegend wichtig. Daher müssen die christlichen Väter und Mütter das Recht auf eine wirklich freie kathohsche Schule bekräftigen und unterstützen, in der eine echte religiöse Erziehung vermittelt wird und wo auch die Rechte der Familie angemessen berücksichtigt und geschützt werden. Das alles wird sich zum Vorteil für das Gemeinwohl auswirken, da ja der Religionsunterricht dazu beiträgt, Bürger heranzubilden, die zum Aufbau einer immer noch gerechteren, brüderlicheren und solidarischeren GeseUschaft mitzuhelfen bereit sind. Jugendhche, die ihr mich hört: Laßt mich euch wiederholen, was ich euch in Santiago de Compostela am Welttag der Jugend gesagt habe: „Habt keine Angst, heilig zu sein!” Folgt Jesus Christus nach, der die Quelle der Freiheit und des Lebens ist. Öffnet euch dem Herrn, daß er alle eure Schritte erhellt. Möge er euer größter Schatz sein; und wenn er euch zu größerer Nähe zu- ihm im Priester- oder Ordensstand beruft, verschließt euer Herz nicht. Die Gelehrigkeit gegenüber seinem Ruf wird in keiner Weise die Fülle eures Lebens beeinträchtigen; im Gegenteil wird sie diese vervielfachen und ausweiten, bis eure Liebe die ganze Welt umfaßt. Laßt euch von Christus heben und retten, laßt euch von seinem mächtigen Licht erleuchten! Dann werdet ihr Licht des Lebens und der Hoffnung inmitten dieser GeseUschaft sein. 7. Wir feiern diese Eucharistie auf dem Platz, der Kolumbus, dem Entdecker Amerikas, gewidmet ist. Die Bauwerke, die uns umgeben, erinnern an jene Begegnung der beiden Welten, bei der der kathohsche Glaube eine so entscheidende Rolle gespielt hat. Im Zeichen des Gedenkens an das 5. Jahrhundert seit der Evangelisierung Amerikas am 12. Oktober letzten Jahres in Santo Domingo und vereint mit dem ganzen lateinamerikanischen Episkopat wollte ich Gott erneut danken für die „Ankunft des Lichtes, das den Weg der Völker mit Leben und Hoffnung erfüllt hat, die seit nunmehr fünfhundert Jahren zum christlichen Glauben geboren wurden” (Nr. 3). Diese Entdeckung, welche die Geschichte der Welt geändert hat, war ein dringender Anruf des Geistes an die Kirche, und zumal die spanische Kirche, die hochherzig mit brennendem missionarischen Eifer zu antworten wußte. Auch heute ist die neue Evangelisierung dringend, um den Reichtum und die Lebenskraft der christlichen Werte in einer Gesellschaft zu erneuern, die Zeichen der Orientierungslosigkeit und Ermüdung zeigt. Es ist daher ein evangelisierendes Wirken notwendig, das den Haltungen der Christen größere persönliche und soziale Echtheit schenkt und an dem sich alle Mitglieder der kirchlichen Gemeinschaft beteiligen. Bei dieser feierlichen Zeremonie der Heiligsprechung des Priesters Enrique de Ossö ist hervor- 490 REISEN zuheben, daß die Neuevangelisierung, zu der wir aufgerufen sind, als erstes Ziel anstreben muß, das Ideal der Heiligkeit unter den Gläubigen neu zu beleben, einer Heiligkeit, die sich im Bezeugen des eigenen Glaubens und in der Liebe ohne Grenzen zeigt, der Liebe, die wir in unserem alltäglichen Tun leben. 8. Daher richte ich mit der Kraft der Liebe, die von den Heiligen ausstrahlt, und in der christlichen Hoffnung, die uns mit Freude erfüllt, meinen Aufruf an die Kirche von Spanien: Erneuere in dir die Gnade der Taufe, öffne dich erneut dem Licht. Es ist die Stunde Gottes, laß sie nicht vorübergehen. Laß nicht zu, daß das Salz geschmacklos wird, denn dann taugt es, wie der Herr sagt, „zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten” (Mt 5,13). Sei auch heute eine Kirche, die kraft des Zeugnisses ihrer Heiligen allen den Weg des Heiles zeigt! Öffnet alle euer Leben dem Licht Jesu Christi, sucht ihn dort, wo er lebt: im Glauben und im Leben der Kirche, auf dem Antlitz der Heiligen. Seid nach dem Vorbild und Beispiel des hl. Enrique de Ossö Salz der Erde und Licht der Welt, damit die Menschen „eure guten Werke sehen und euren Vaterim Himmel preisen” (Mt 5,16). Amen. Am Ende der Eucharistiefeier wandte der Papst sich noch einmal an die zahlreichen Gläubigen auf der „Plaza de Colon” mit folgenden Worten: Madrider und Spanier! Dank, großen Dank an Gott für all die Reichtümer eurer menschlichen und christlichen Geschichte! Besonderen Dank für diesen Eucharistischen Weltkongreß, der in Sevilla stattfand! Eucharistie und Evangelisierung: eine Danksagung fünfhundert Jahre nach der Evangelisierung von Amerika, eine Danksagung an Gott, an Jesus Christus, an den Heiligen Geist für eure Heiligen und Seligen, über die hl. Theresa von Jesus und den hl. Johannes vom Kreuz bis heute zum hl. Enrique de Osso. Dank für euren herzlichen Empfang des Papstes! Vielen Dank! Bis zum nächsten Mal, zum nächsten Mal auf den Wegen der neuen Evangelisierung! Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Der Zölibat - ein verpflichtendes Gnadengeschenk Ansprache bei der Laudes mit Seminaristen und Priestern im Diözesanseminar von Madrid am 16. Juni Liebe Seminaristen, liebe Priester! 1. An diesem strahlenden Morgen seid ihr hier zusammengekommen, um gemeinsam Gott Vater zu preisen, für Jesus Christus und, in der Einheit und im Frieden des Geistes, für diesen neuen Tag, für unsere Erlösung durch sein ewiges Opfer und vor 491 REISEN allem, um Ihm für das wertvolle Geschenk der Berufung zum priesterlichen und geweihten Leben zu danken. Ihr kommt aus allen Diözesen Spaniens, aus zahlreichen Ausbildungsstätten der Or-densgemeinschaften und Gesellschaften des apostolischen Lebens. Ort, Umstände und die konkrete Form der Verwirklichung eurer Berufung sind grundverschieden. Dennoch ist sie in ihrem Ursprung, in ihrer grundlegenden Bedeutung, die gleiche, denn sie entspringt für jeden von euch aus der Liebe Christi. „Die Liebe hört niemals auf’ (I Kor 13,8). Eben haben wir diese Worte aus dem Brief des Paulus gehört. Auf dieser ewigen, unermeßlichen Liebe ist die Kirche begründet, die durch die Liebe Christi erlöste Menschheit, die kraft der Gaben seines Heiligen Geistes fähig ist, in der Liebe, der Fülle der menschlichen Berufung, zu leben. 2. Unsere heutige Begegnung, hebe Seminaristen aus ganz Spanien, erfüllt mein Hirtenherz mit unendlicher Freude. Der Herr schaut auf jeden von euch mit grenzenloser innerer Verbundenheit und Liebe, um mit euch eine Heilsgeschichte zu leben und euch auf besondere Art und Weise durch das Weihesakrament mit ihm zu verbinden. Wie könnte man sich nicht freuen, angesichts der vielversprechenden Hoffnung dieser künftigen Priester, dieser großherzigen Arbeiter der Ernte, mit denen der Herr uns segnet. Von ganzem Herzen freue ich mich gemeinsam mit euch allen, mit euren Bischöfen und Erziehern, mit euren jeweiligen Diözesen und der ganzen Kirche über die Früchte, die der Ruf Gottes in euren Herzen wachsen läßt. Es ist mir daher ein Bedürfnis, den zahlreichen Erziehern und Lehrern meinen herzlichen Dank auszusprechen, die durch ihre - oft verborgene und aufopfernde - Arbeit auf dem schwierigen Gebiet der Vorbereitung zukünftiger Diener Gottes der Kirche einen wertvollen Dienst erweisen. Das Hohelied der Liebe, das wir in unserem Gotteslob verkündet haben, versetzt uns in den Stand der Gnade, den wir leben. „Die Liebe hört niemals auf’, sagt der Apostel und der Neue Bund in Christus ist der Beweis dieser ewigen Liebe Gottes, seiner unendlichen Güte gegenüber den Menschen. Bei diesem Gebetstreffen möchte ich euch Hilfe anbieten, in dieses tiefe Bundesgeheimnis einzudringen, damit ihr euch darauf vorbereitet, es eines Tages in voller Verantwortung und Hingabe zu leben. Im Hinblick auf die transzendente Natur eurer Ausbildung für das geweihte Dienstamt hat die Kirche während der letzten Bischofssynode über eine den heutigen Umständen angepaßte Priesterausbildung nachgedacht; die Ergebnisse dieser Reflexion habe ich in meinem Schreiben Pastores dabo vobis dargelegt, in der Hoffnung, daß ihr sie euch bei der Vorbereitung auf das Priestertum zu eigen machen werdet. 3. Das Geheimnis eurer gesamten Ausbildung - in menschlicher, geistlicher, intellektueller und pastoraler Hinsicht - ist auf der Ausrichtung an Christus begründet. Der Priester ist in der Tat ein anderer Christus, und nur in der Identifizierung mit ihm wird er seine eigene Identität, seine Freude, seine apostolische Fruchtbarkeit 492 REISEN finden. Daher muß die Bildung, die euch im Seminar zuteil wird, so ausgerichtet sein, um euch „in besonderer Weise darauf vorzubereiten, die Kommunikation mit der Liebe Christi, des Guten Hirten, zu verwirklichen” (Pastores dabo vobis, Nr. 57). Der Bund Christi, sein Geschenk der völligen Selbsthingabe, das Opfer seines Lebens, bringt die Liebe des Guten Hirten zum Ausdruck, der seinen Schafen das Leben in Fülle gibt. Und eben diese Liebe ist es, die somit das Leben der Kirchenhirten prägen muß. Bei diesem Prozeß der Ausrichtung an Christus muß das Seminar unersetzliche Hilfe leisten, denn die Ausbildungsphase ist für das zukünftige Amt von grundlegender Bedeutung. Ganz besondere Aufmerksamkeit verlangt das durch persönliches und gemeinschaftliches Beten erlangte Reifen in der Gotteserfahrung, die ihren Höhepunkt in der Eucharistie erreicht. Die während eurer Ausbildungszeit gemachte Gebetserfahrung wird euch ermöglichen, die verschiedenen Kommunikationsformen zu schätzen und zu beurteilen, mit denen der Herr versucht, zu den Menschen zu sprechen. So könnt ihr mit sicherer Hand diejenigen führen, die sich euch mit dem Wunsch und dem Verlangen nach Gott in ihren Herzen nähern. Daher muß das Seminar intensives Beten fördern, wie auch die notwendige Unterscheidung jener Gebetsformen, die die Kirche ganz besonders schätzt. 4. Die tägliche Eucharistie muß im Mittelpunkt des geistlichen Lebens der Priesteramtskandidaten stehen. In diesem Zusammenhang möchte ich die Worte des nachsynodalen Apostolischen Schreibens Pastores dabo vobis in Erinnerung rufen: „Es ist daher notwendig, daß die Seminaristen jeden Tag an der Eucharistiefeier teilnehmen, damit sie später in ihrem Priesterleben diese tägliche Feier zur Regel machen” (Nr. 48). Auch der Missionsgeist, die tiefe Liebe zum Menschen, wird durch das in der Eucharistie erneuerte Erlösungsgeheimnis Christi genährt. In der Eucharistie wird auch verständlich, daß jede Teilhabe am Priestertum Christi eine universale Dimension hat. In dieser Hinsicht müssen wir unsere Herzen öffnen, um die dramatische Situation jener Völker und der Vielzahl von Menschen zu leben, die Christus noch nicht kennen und stets bereit sein, ihn überall in der Welt „allen Völkern” (Mt 28,19) zu verkünden. Diese Bereitschaft - zu der ich euch in der Enzyklika Redemptoris missio nachdrücklich aufgerufen habe - ist heute - angesichts der endlosen Horizonte, die sich der kirchlichen Sendung auftun und der Herausforderungen der Neuevangelisierung - ganz besonders notwendig. 5. Die Lebensgestaltung in Christus muß das wesentliche Ziel der Ausbildung jedes Priesteramtskandidaten sein. So wie der Herr seine Jünger lehrte und auf die Verwirklichung seiner Sendung vorbereitete, muß auch die Kirche, seinem Beispiel folgend, der Priesterbildung größte Sorgfalt widmen. „Wenn die Kirche gute Diener haben will - sagte der hl. Johannes von Avila, der Schutzpatron des spanischen Klerus - muß sie sich um ihre Ausbildung kümmern” (Vollständige Werke, Bd.6, BAC Nr. 324, Madrid 1971, 40). Die Ausbildung bezieht sich, nach Auffassung der Küche, auf die gesamte Person und nicht nur auf ihren Verstand. Sie möchte den künf- 493 REISEN tigen Priester zu einer wahren ^Erscheinungsform und Transparenz des Guten Hirten” (Pastores dabo vobis, Nr. 49) werden lassen, damit er auf menschlicher, geistlicher, intellektueller und pastoraler, Ebene ein Meister der „Kunst aller Künste” werde, denn das ist nach Gregor dem Großen die Seelsorge. Daher muß das Seminar eine Schule der priesterlichen Ausbildung in ihrem tiefsten Sinn sein. 6. All das unterstreicht die Bedeutung eines nicht nur auf den Erwerb von Kenntnissen ausgerichteten Studiums, sondern vielmehr als Ergänzung der Berufung - auf menschlicher, geistlicher und priesterlicher Ebene - die die Person auf der Suche nach Wahrheit reifen läßt, die sie festigt und in ihrer Vertiefung mit Freude erfüllt. Ohne Disziplin und beständiges Studium kann der zukünftige Priester nicht der dem Evangelium entsprechende weise Mensch sein, der auf gelegene und ungelegene Art und Weise, durch das Wort Gottes ermutigt, mit der Wahrheit überzeugt und von Fehlem befreit. Der Priester ist berufen, Meister des christlichen Glaubens zu sein und muß somit die Fähigkeit haben, den von ihm verkündeten und gelehrten Glauben darlegen zu können. Das eifrige Studium muß sich vor allem in einer pastoralen Dimension vollziehen, denn es bereitet die Seminaristen auf die einzelnen Aspekte ihres Hirtenamtes vor: Predigt, Katechese und Unterweisung, geistliche Betreuung und Führung, weises Erkennen des göttlichen Ratschlusses im menschlichen Leben. Diese pastorale Dimension des Studiums erfordert zweifellos besondere Aufmerksamkeit für die Probleme der heutigen Welt. Der Priester muß empfänglich sein für das, was um ihn hemm geschieht, für die kulturellen Bewegungen seiner Zeit, für die Geistesströmungen. Nur so, im Licht der christlichen Offenbarung und kraft der auf Jesus Christus begründeten Wahrheit, können die Probleme der Menschheit Erleuchtung finden. 7. Die Ausbildung der Seminaristen - so heißt es in Optatam totius, dem Dekret über die Priesterausbildung des Zweiten Vatikanischen Konzils - muß dahin zielen, „daß sie nach dem Vorbild unseres Herrn Jesus Christus, des Lehrers, Priesters und Hirten, zu wahren Seelenhirten geformt werden” (Nr. 4). Das muß die Zielsetzung eures gesamten Bildungsprozesses sein, bis zur Verwirklichung der vollen Gemeinschaft mit der Hirtenliebe Christi (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 57). Diese Gemeinschaft wird euch ermöglichen, durch euer ganzes Verhalten die Gegenwart Jesu inmitten der Menschheit zu verdeutlichen. Daher ist es wichtig, „untereinander so gesinnt zu sein, wie es dem Leben in Christus. Jesus entspricht” (vgl. Phil 2,5). Der Priester, dessen Auftrag es ist, kraft der Sakramente die Erlösung Christi zu aktualisieren, muß stets die Sorge des Herrn um das Heil des Menschen teilen. Der priesterliche Dienst würde an Gehalt verlieren, wenn im pastoralen Kontakt mit den Menschen seine soteriologische christliche Dimension vergessen würde. Das ist leider bei den verkürzten Formen der Ausübung des Dienstes der Fall, als ob es lediglich um eine Funktion menschlicher, sozialer und psychologischer Unterstützung ginge. So wie Jesus selbst ist auch der Priester zu den Menschen gesandt worden, 494 REISEN damit sie ihre Berufung als Kinder Gottes entdecken, um in ihnen - wie Jesus bei der Samariterin - das Verlangen nach übernatürlichem Leben zu wecken. Der Priester ist ausgesandt, durch die Erziehung zu Sittlichkeit und die im Bußsakrament verwirklichte Versöhnung der Menschheit mit Gott, zu innerer Erneuerung aufzurufen. 8. Um im Dienst an der Menschheit dem Bund mit Christus voll zu entsprechen, bereichert der Herr euch mit dem Geschenk des Zölibats, das ihr um des Himmelreiches willen frei auf euch genommen habt und das die Berufung zum Priesteramt besiegelt. Der Zölibat ist die Gleichgestaltung mit dem keuschen Christus, dem Bräutigam der Kirche, der sich vollends hingibt, um sie zu heiligen und in der Liebe fruchtbar zu machen. Der Zölibat erlaubt euch, als freie Menschen, mit der Freiheit Christi, vor die Christenheit zu treten, um euch rückhaltlos der universalen Liebe, der fruchtbaren Vaterschaft des Geistes, dem bedingungslosen Dienst an den Menschen hinzugeben. Die Reifung des Gefühlslebens wird sich in jenem Maße vollziehen, in dem ihr den armen, keuschen und gehorsamen Christus Jesus aufnehmt. Schaut daher nicht auf das, was ihr zurücklaßt, sondern auf das, was euch gegeben wird. Betrachtet nichts als Verzicht, sondern vielmehr als Geschenk und Gnadengabe. Diese lebenspendende Haltung kann nicht improvisiert werden und kommt auch nicht automatisch durch das Weihesakrament. Sie erfordert einen ganz besonderen Reifungsprozeß, dessen Entfaltung sich über die gesamte Bildungserfährung des Seminars erstreckt. Hierin unterstützen euch sicherlich die Erfahrung weiser und heiliger Priester, die unverzichtbare geistliche Führung, der Kontakt mit jenen Personen, in deren Mitte ihr eure ersten pastoralen Erfahrungen sammeln werdet, und natürlich auch eure Freundschaft mit Christus, der euch als seine Freunde ruft. Diese durch das sorgfältig gepflegte Gemeinschaftsleben geförderte Freundschaft wird euch später helfen, jene priesterliche Brüderlichkeit zu leben, die dem Zweiten Vatikanischen Konzil entsprechend ein wirksames Mittel ist, um das Geschenk des Priestertums fruchtbarer zu gestalten (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 8). Die Erfahrung dieser Brüderlichkeit ist die beste Vorbereitung zur Verwirklichung der affektiven und effektiven Gemeinschaft des Diözesanklerus. 9. Dieses bewegende Treffen kann ich nicht ohne einen herzlichen Gruß an alle hier anwesenden Priester, und durch sie, an alle Geistüchen Spaniens beenden. Liebe Brüder im Priesteramt Christi, von Herzen möchte ich euch für euren stillen, hingebungsvollen Dienst danken, den ihr nicht ohne Opfergeist in den verschiedenen Pastoralbereichen verrichtet. Möget ihr jeden Tag das Charisma erneuern, das euch durch die Auflegung der Hände zuteil geworden ist (vgl. 2 Tim 1,6) und euch mit Christus Jesus in seiner dreifachen Funktion der Heiligung, des Lehrens und Wei-dens gleichgestaltet. Nachdrücklich bestärke ich euch darin, eure pastorale Arbeit im Dienst am Gottesvolk, in inniger Gemeinschaft mit euren Hirten und in treuer Einhaltung der kirchlichen Lehre mit Begeisterung fortzusetzen. 495 REISEN Die Liebe hört niemals auf! Der Ruf Christi wird nie verstummen, jeden Tag erneuert er sich. Bemüht euch demnach auch um die Erneuerung eures Lebens in inniger Verbundenheit mit ihm. Möge die enge Beziehung zu Jesus Christus eine wahre Notwendigkeit eures Lebens sein. Einst hattet ihr das unvergeßliche Erlebnis der Begegnung mit dem Herrn. Dieser erste Keim - die Verheißung der Fülle in der Liebe - muß wachsen und in euch Früchte tragen. So wird jeder Augenblick des Lebens wie jene erste Gnade sein, die sich stets erneuert. Im Laufe der Zeit wird eure Freude wachsen, und niemand wird sie euch nehmen können, denn „die Liebe hört niemals auf’ (i Kor 13,8). Schließlich bleibt mir nur, euch auf diesem Weg zu Christus zu bestärken. Er ist als erster zu euch gekommen. Laßt euch von ihm formen, und liebt seine Kirche ohne Vorbehalt. Möget ihr in der mütterlichen Liebe Marias, der Mutter Christi, des Hohenpriesters, wachsen, damit sich das wahre Bild ihres Sohnes in euch forme. Abschließend fügte der Papst folgende Worte hinzu: Vor meiner Abreise wollte ich darauf hinweisen, daß diese Begegnung auf eingehende und positive Art und Weise mit dem Internationalen Eucharistischen Kongreß verbunden ist. In unserer Mitte hier befindet sich der Erzbischof von Sevilla, ein großer Mann ... auch im Leben. Wir sind auf halbem Weg zwischen Sevilla und Madrid, zwischen der Eucharistiefeier „Statio Orbis” und dem Treffen mit den Seminaristen, mit den Seminaristen von heute. Aber wir alle sind Seminaristen. Viele von uns sind ehemalige Seminaristen, insbesondere die Bischöfe, und noch mehr die Kardinale, größere und kleinere Seminaristen. Es gibt auch einen ganz kleinen Seminaristen - den Papst. Ja, er ist auch ein ewiger Seminarist, denn er muß täglich lernen, immer. Jeden Tag ist er Seminarist, ein kleiner Seminarist, stets muß er lernen. Ich vertraue mich euren Gebeten und dem Schutz der Madonna an. Vielen Dank. Spanien - ein Integrationsfaktor für verschiedene Kulturen Ansprache vor dem Diplomatischen Korps in der Apostolischen Nuntiatur in Madrid am 16. Juni Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Es ist mir eine besondere Freude, hier in der Apostolischen Nuntiatur das Diplomatische Korps zu treffen und damit die Gelegenheit wahrzunehmen, gemeinsam mit Ihnen anläßlich dieses vierten Pastoralbesuches bei dem geschätzten spanischen Volk über einige Themen nachzudenken. Ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit und den ausgesprochen warmen Empfang, während ich Sie und gleichzeitig auch die Regierungen und Völker, die Sie vertreten, herzlich und achtungsvoll grüße. Zugleich möchte ich Seiner Exzellenz Msgr. 496 REISEN Mario Tagliaferri, Apostolischer Nuntius und Doyen des Diplomatischen Korps, für die freundlichen Grußworte danken, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Aufgrund der hohen Funktionen, die Sie ausüben und die mit wichtiger Verantwortung und Opfern verbunden sind, bringt Ihnen der Hl. Stuhl Achtung und Hochschätzung entgegen, vor allem weil es sich um einen Dienst für die überaus wichtige Sache des Friedens, der Annäherung und der Zusammenarbeit unter den Völkern und des fruchtbaren Austauschs zur Anknüpfung menschlicherer und gerechterer Beziehungen innerhalb der internationalen Gemeinschaft handelt. 2. Wie Ihre persönliche Erfahrung lehrt, befinden wir uns in einem gastfreundlichen und hilfsbereiten Land, das reich an Kultur und althergebrachten Traditionen ist und im Laufe der Geschichte mit vielen anderen Völkern der Welt Kontakte geknüpft hat. Noch ist das Echo der Gedenkfeiern anläßlich des 500jährigen Jubiläums jenes 12. Oktobers 1492 nicht verhallt, der die Grenzen der bis dahin bekannten Welt verändert und unvermutete Wege für die Begegnung von Völkern und Kulturen eröffnet hat. Wie könnte man bei dieser Gelegenheit die Rolle, die damals die Schule von Salamanca und besonders Fra Francisco de Vitoria OP bei der Schaffung des modernen internationalen Rechtes spielten, unerwähnt lassen? Auf der Grundlage der christlichen Prinzipien wurde wahrhaftig ein Codex der Menschenrechte verfaßt, der das in Spanien gereifte kritische Bewußtsein im Hinblick auf die Menschen und Völker in Übersee interpretierte und für sie die gleiche Würde forderte, die geachtet und geschützt werden sollte. Eine einmalige Idee von Francisco de Vitoria war auch die des „Totus Orbis” , das heißt des „Aufbaus einer vereinten Welt” als Frucht wahrer Koexistenz, die auf der Achtung der eigenen Identität gründete und imstande war, die gemeinsamen Elemente zu integrieren. Im übrigen findet bekanntlich in diesen Tagen in Wien die von den Vereinten Nationen einberufene Weltkonferenz über die Menschenrechte statt. Es handelt sich um einen sehr wichtigen Termin für die internationale Gemeinschaft, denn bei diesem Treffen will man neben der Bestandsaufnahme dessen, was bisher zum internationalen Schutz der Rechte und Freiheiten der menschlichen Person erreicht wurde, der Zusammenarbeit auf weltweiter Ebene zur Anerkennung und Förderung der Respektierung dieser Rechte und Freiheiten sowohl in ihrer individuellen als auch kollektiven Dimension neue Impulse geben. Im gemeinsamen Gewissen der Menschheit erkennt man immer klarer die Notwendigkeit, daß das auf festen ethischen Prinzipien gegründete internationale Recht in der Lage ist, den Grundrechten und -freiheiten der menschlichen Person einen wirklichen Schutz zu geben, ohne Einschränkungen oder einseitige Verpflichtungen, die Frucht einseitiger Interessen sind, die nichts zu tun haben mit dem Gemeinwohl der Menschheit. 3. Wenn wir im Hinblick auf die Religionsfreiheit die Vergangenheit dieses geachteten Landes in Betracht ziehen, sehen wir, daß auf der iberischen Halbinsel für einen bestimmten geschichtlichen Zeitraum das Christentum, das Judentum und der Islam 497 REISEN zusammengelebt haben. Diese Seite, die die spanische Kultur so sehr bereichert und die in Toledo ihren bedeutendsten Mittelpunkt gehabt hat, könnte auch in unseren Tagen einen deutlichen und lehrreichen Bezugspunkt darstellen mit dem Ziel, die wahren religiösen Werte zu fördern als Elemente des Zusammenhalts, des Einvernehmens und des Dialogs zwischen den Mitgliedern der Menschheitsfamilie. Allen ist die Rohe bekannt, die Spanien bei der friedlichen Lösung des Nah-Ost-Konflikts spielte und die im Treffen von Madrid im Oktober 1991 ihr höchstes Gewicht erlangt hatte. Spanien, Mitghed der Europäischen Gemeinschaftund zugleich eng mit den lateinamerikanischen Ländern verbunden, sieht sich auf Grund seiner Berufung immer wieder als integrierendes Element der Kulturen, die seine Vergangenheit bereichert haben, auf den Plan gerufen. 4. Neben anderen wichtigen Terminen und Aktivitäten für das gegenseitige Verständnis und die Einheit sollten wir unbedingt auch das christliche und islamische Dialog-Treffen erwähnen, das im März dieses Jahres von der bischöflichen Kommission für die interkonfessionellen Beziehungen der Spanischen Bischofskonferenz und vom Islamischen Kulturzentrum von Madrid im Namen des Weltbundes des Islams einberufen wurde. Der Wille zu einem besseren Einvernehmen zwischen Christen und Mushmen zeigt sich in den Resolutionen des Treffens, wie aus folgenden Worten ersichtlich ist: „Wir müssen durch einen konstruktiven Dialog zu einer tieferen gegenseitigen Kenntnis gelangen, die unsere gegenseitigen Verdächtigungen beseiügt und uns zu wechselseitiger Hochschätzung führt, die ihrerseits in einer verstärkten Zusammenarbeit in möglichst vielen Bereichen mündet” (Vgl. Gemeinsames Kommunique, 28.3.1993, Nr. 3). Angesichts einer so großen Anzahl qualifizierter diplomatischer Vertreter von Ländern, in denen die Mehrheit der Bevölkerung der muslimischen Rehgion angehört, möchte ich von Herzen wünschen, daß diese lobenswerte Initiative der Kirche in Spanien, die sich treu nach den Grundsätzen der Erklärung Nostra aetäte des Zweiten Vatikanischen Konzils richtet, der Zusammenarbeit und Begegnung neue Wege eröffnet. Meine lebhafte Hoffnung ist es, daß überah, wo Gläubige der drei Religionen Zusammenleben, die den geisthchen und menschlichen Schmelztiegel der iberischen Halbinsel bereichert haben, und insbesondere wo das Zusammenleben durch die Beziehung einer Mehrheit zur Minderheit gekennzeichnet ist, der Dialog und die Zusammenarbeit vorherrschen und Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen streng vermieden werden. Andrerseits ist es Pflicht der Staaten, sich um diese Probleme zu kümmern und zu vermeiden, daß die Rehgion als „Vorwand für Ungerechtigkeit und Gewalt” benutzt wird. Das ist „ein schrecklicher Mißbrauch, der von allen, die wahrhaft an Gott glauben, verurteilt werden muß ... Solange die Glaubenden nicht gemeinsam eine Politik des Hasses und der Diskriminierung verurteilen und nicht gemeinsam für das Recht auf religiöse und kulturelle Freiheit in allen menschlichen Gesellschaften eintreten, kann es keinen echten Frieden geben” (vgl. Ansprache an die muslimische Delegation in Assisi am 10.1.1993; O.R.dt.. 22.1.1993). Die 498 REISEN internationale Gemeinschaft ist aufgerufen, für die Minderheiten, die Einwanderer und die Rechte des einzelnen auf freie Religionsausübung einzutreten und sie durch die rechte Anwendung der Prinzipien der Zusammenarbeit und gegenseitigen Hilfe zu schützen. 5. Exzellenzen, meine Damen und Herren! Die tägliche Erfahrung lehrt uns deutlich, daß das Ideal von Francisco de Vitoria, des „Totus Orbis”, das heißt der im Pluralismus harmonisch vereinten Welt, ein noch fernes Ziel ist, wie zum Beispiel die großen Unterschiede zwischen Nord und Süd oder die kriegerischen Konflikte und besonders der so nahe gelegene, blutige Konflikt in Bosnien-Herzegowina es zeigen. Immer dringlicher und unaufschiebbarer wird deshalb die Notwendigkeit gemeinsamer Bemühungen von seiten der Nationen und internationalen Organisationen, gerechtere und solidarischere, vom internationalen Recht geschützte Beziehungen aufzubauen. Ich erlaube mir, Sie in dieser erhabenen und dringenden Aufgabe zu ermutigen und Ihnen zu versichern, daß Sie im Hl. Stuhl immer einen Gesprächspartner finden werden, der offen ist für alles, was die Förderung der Brüderlichkeit und der Solidarität unter den Völkern betrifft, ebenso für alles, was den Frieden, die Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenrechte begünstigt. Zum Abschluß dieser Begegnung möchte ich Ihnen nochmals für Ihre Anwesenheit danken und meine herzlichsten Wünsche für das Wohlergehen Ihrer Länder, für den Erfolg Ihrer Mission und für das Wohlbefinden Ihrer Angehörigen zum Ausdruck bringen. Vielen Dank. 499 REISEN 8. Pastralbesuch in den Regionen Marken, Umbrien und Abruzzen (19./20. Juni) Papst wünscht China zu besuchen Ansprache in der Kathedrale von Macerata am 19. Juni In Macerata, dem Geburtsort des China-Missionars P. Matteo Ricci wies der Papst auf das mutige Apostolat dieses „Apostels von China” hin und sagte: Sein Andenken lenkt meine Gedanken auf die edle chinesische Nation, unter der er den Großteil seines Lebens verbrachte und die er auf diese Weise kennen, schätzen und innig heben lernte: Dieses ferne China, dieses als Volk, Geschichte und Weltbedeutung so unermeßliche China. Es ist ein an alten kulturellen Traditionen reiches Volk, das für die Verkündigung des Evangeliums nicht unempfänglich war: Die von den Missionaren in den vergangenen Jahrhunderten vollbrachte Saat des Glaubens hat Früchte getragen. Ich empfehle dem Herrn diese geliebte katholische Gemeinde, die trotz vieler und großer Schwierigkeiten weiterhin ein leuchtendes Beispiel der Treue zu Christus und der Kirche gibt. Ihm vertraue ich auch den lebhaften Wunsch an, eines Tages - wie sehr wünschte ich, daß die Wartezeit kurz sei! - persönlich diesen Christen zu begegnen, um mit ihnen dem Herrn zu danken für die vielen empfangenen Gnaden und sie zu stärken auf ihrem Weg als Gläubige und hochherzige Jünger Christi und gute Bürger, die sich voll für das Wohl ihres Landes einset-zen. Ich glaube, das, was ich jetzt gesagt habe, verdanke ich der Inspiration durch eure Stadt, der Inspiration Matteo Riccis, der in Macerata geboren ist. Die Berge sprechen zu uns von Gott Angelus auf dem Gran Sasso am 20. Juni Liebe Schwestern und Brüder! 1. Heute haben wir die besondere Gelegenheit, den „Engel des Herrn” in der eindrucksvollen Umgebung des Gran Sasso zu beten, neben dieser einfachen und hübschen Kapelle, die ich soeben eingeweiht habe und die eingebettet ist in die mir liebe und wohlbekannte majestätische Landschaft. Das Schweigen der Berge und die Reinheit des Schnees sprechen uns von Gott und zeigen uns den Weg der Kontemplation nicht nur als Hauptweg, um das Geheimnis zu erfahren, sondern auch als 501 REISEN Bedingung, um unser Leben und die gegenseitigen Beziehungen menschenwürdig zu gestalten. Man empfindet heute das starke Bedürfnis, den oftmals bedrückenden Rhythmus unseres Tagesablaufs zu verlangsamen. Der Kontakt mit der Natur, ihrer Schönheit und ihrer Stille erfrischt und belebt uns. Aber während das Auge über die Wunder des Weltalls schweift, ist es notwendig, in der Tiefe unseres Herzens Einkehr zu halten, im Kern unserer Person, wo wir unserem Gewissen gegenüberstehen. Dort spricht Gott zu uns, und das Gespräch mit ihm gibt unserem Leben neuen Sinn. 2. Deshalb, liebe Alpini (Gebirgsjäger), die ich hier zahlreich versammelt sehe, habe ich eure Initiative, die Kapelle zu restaurieren, sehr geschätzt, denn sie will für alle, die hierherkommen oder beim Bergsteigen Halt machen, ein Hinweis auf das Übernatürliche, ein Zeichen von Gottes Gegenwart und eine Einladung zum Gebet sein. Das gilt für euch, liebe Freunde, die ihr hier versammelt seid. Ihr habt auch dafür gesorgt, daß bei eurer festlichen Begegnung das erfrischende Atemholen des Gebets nicht fehlt. Es verbindet sich gut mit eurer Geschichte und eurer Kultur, ja, ich möchte sagen, mit eurer „Spiritualität”. Denn ihr seid gleichsam „geformt” von den Bergen, von ihrer Schönheit und ihrer Rauheit, von ihren Geheimnissen und ihrer Anziehungskraft. Die Berge enthüllen ihre Geheimnisse nur dem, der den Mut hat, sie herauszufordem. Das verlangt Opfer und Übung. Sie zwingen den Menschen dazu, die Sicherheit der Täler hinter sich zu lassen, bietet aber dem, der den Mut zum Aufstieg hat, herrliche Ausblicke auf die Gipfel. Das Gebirge ist deshalb eine Wirklichkeit, die an den Weg des Geistes erinnert, der gerufen wird, sich von der Erde zum Himmel bis zur Begegnung mit Gott zu erheben. Ihr, hebe Alpini, versteht diese geheimnisvolle Sprache. Dadurch, daß ihr sie hört, wird euer Dienst für das Vaterland ganz natürlich zum Dienst der Solidarität und des Frieden. Erlaubt mir deshalb, daß ich zu der Sympathie, welche euer Korps in der öffentlichen Meinung genießt, heute auch den Ausdruck meiner Hochschätzung und Freundschaft hinzufüge. 3. Von diesen Bergen aus richten sich meine Gedanken auf die ganze Region Abruzzen und insbesondere auf die Diözese L’Aquila, die ich 1980 besucht habe. Ich grüße herzlich den Ortsbischof, den lieben Msgr. Peressin, der für euch die Eucharistie gefeiert hat. Ich grüße auch die mit L’Aquila benachbarten Bischöfe dieser Kirchenprovinz, und dann grüße ich die Priester, die Ordensleute sowie die ganze Gemeinde von L’Aquila. Ich weiß von eurem Einsatz, den ihr mit beispielhaftem Eifer besonders in der Familienseelsorge leistet. Dieses Unternehmen verdient starke Ermutigung in dieser schwierigen Zeit, wo über die Familie zerstörerische Kräfte hereinbrechen und ihren Zusammenhalt und ihre Sicherheit bedrohen. Deshalb ist es notwendig, daß in der bürgerlichen Gesellschaft sowie in der Kirche die besten Kräfte zur Unterstützung dieser grundlegenden Institution eingesetzt werden. Die christlichen Familien sollen wirklich Sauerteig sein in der Gesellschaft, während 502 REISEN sie ihre Berufung als „Hauskirchen” leben, tief erleuchtet vom Evangelium, bereichert durch Gebet, Zuwendung und Lebenszeugnis. 4. Liebe Schwestern und Brüder! Vertrauen wir uns Maria an, die in dieser Kapelle unter dem bezeichnenden Namen „Madonna della Neve” (Maria vom Schnee) verehrt wird, der nicht nur diesem herrlichen Landschaftsbild angemessen ist, sondern auch stark an ihr Geheimnis als Frau der Reinheit: die „tota pulchra”, die Immakulata erinnert. Sie lehre uns den Weg der Treue zu Christus. Sie vermittle uns Mut und Zuversicht. Sie segne dieses Land und besonders die Familien und die Jugend. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Ich möchte allen danken, die so zahlreich gekommen sind. Es ist bewundernswert, daß die kleinen Kinder und auch die alten Leute bis hierher zu diesem Treffen in dieser Höhe kommen konnten. Für mich ist diese Begegnung auch gleichsam eine unverdiente Auszeichnung. Man sagt, daß die Eucharistie Quelle und Gipfel des ganzen christlichen Lebens ist. Am vergangenen Sonntag war ich in Sevilla, dann in Madrid und in Huelva zum Abschluß des Eucharistischen Weltkongresses. Es besteht eine Parallele zwischen diesem eucharistischen Höhepunkt des vergangenen Sonntags und diesem Gipfel nicht nur der Natur, sondern auch des menschlichen Geistes am heutigen Sonntag. Ich denke noch einmal an Spanien, an dieses eindrucksvolle Erlebnis der Kirche, das ich während der fünf Besuchstage hatte. Ich danke Gott für diese Wunder der Natur, das so sehr der Erhebung des menschlichen Geistes dient. Noch ein Wort des Dankes, denn dieser Ort regt vor allem zur Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer an, aber auch gegenüber den einzelnen Menschen. Ich danke dem Chor, dem Alpini-Chor, der gesungen hat. Ich danke den jungen Pfadfindern und so vielen anderen: den staatlichen und militärischen Obrigkeiten. Ich möchte niemanden vergessen. Allen danke ich, besonders meinen Wohltätern, denen, die mir Geschenke gebrachten, aber auch den heimlichen Wohltätern; sie wissen, wer diese sind und um welche Wohltaten es sich handelt. 503 REISEN Frau im Geist des Evangeliums Gebet am Grab der sei. Angela von Foligno in der Kirche San Francesco am 20. Juni Selige Angela von Foligno! Große Wunder hat der Herr an dir vollbracht. Mit dankerfüllten Herzen betrachten und verehren wir / das Geheimnis der göttlichen Barmherzigkeit, / das dich auf dem Weg des Kreuzes / bis zum Gipfel des Heroismus und der Heiligkeit geführt hat. Durch die Verkündigung des Wortes erleuchtet / und vom Sakrament der Buße gereinigt / bist du ein leuchtendes Beispiel der Tugenden des Evangeliums geworden, / weise Lehrerin christlicher Erkenntnis, / sichere Führerin auf dem Weg zur Vollkommenheit. Du hast die Schlechtigkeit der Sünde erfahren, / die „vollendete Freude” des göttlichen Erbarmens erlebt. Christus wendete sich an dich mit den schönen Namen: / „Tochter des Friedens” und „Tochter der göttlichen Weisheit”! Selige Angela, im Vertrauen auf deine Fürsprache / bitten wir dich um deine Hilfe, / damit jene, die, deinem Beispiel folgend, / der Sünde entsagen und sich der Gnade Gottes öffnen, / zu aufrichtiger und beharrlicher Erneuerung fähig sein mögen. Unterstütze all jene in den Familien und den Ordensgemeinschaften / dieser Stadt und der gesamten Region, / die dir auf dem Weg der Treue zu dem gekreuzigten Christus folgen wollen. Laß die Jugendlichen deine Nähe spüren, / führe sie zur Erkenntnis ihrer Berufung, / damit sich ihr Leben der Freude und der Liebe öffnen möge. Schenke all denjenigen deinen Beistand, die, müde und ohne Hoffnung, physisches und geistiges Leid erduldend, / mühevoll ihren Weg gehen. Sei jeder Frau ein leuchtendes Beispiel der Fraulichkeit im Geist des Evangeliums: für Jungfrauen und Ehefrauen, / für Mütter und Witwen. / Möge das Licht Christi, / das in deinem schweren Leben leuchtete, / auch auf ihrem täglichen Weg strahlen. Bitte schließlich um Frieden für uns alle, / für die ganze Welt. / Erwirke für die der Neuevangelisierung gewidmeten Kirche / das Geschenk zahlreicher Apostel, / heiliger Berufungen zum priesterlichen und gottgeweihten Leben. Erflehe für die Diözesangemeinde von Foligno / die Gnade eines unbeugsamen Glaubens, / wirksamer Hoffnung und inniger Nächstenhebe, / damit sie, den Anweisungen der jüngsten Synode folgend, / erfolgreich den Weg der Heiligkeit gehen / und ohne Unterlaß Verkünderin und Zeugin / des ahzeit neuen Evangeliums sein möge. Selige Angela, bitte für uns! 504 REISEN 9. Pastoralbesuch in Jamaika, Mexiko und Denver/USA (9. bis 15. August) Im Dienst am Gemeinwohl Ansprache bei der Ankunft in Kingston (Jamaika) am 9. August Exzellenz, Herr Premierminister, meine Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde von Jamaika! 1. Ich danke Gott von Herzen, der mir die Freude eines Besuches auf eurer schönen „Sonneninsel” schenkt, nachdem ich den für letztes Jahr geplanten Besuch verschieben mußte. Euch allen, die ihr zu meinem Empfang hergekommen seid, um mir die für die Karibik kennzeichnende warme Gastfreundschaft anzubieten, danke ich von Herzen. Ich danke Eurer Exzellenz dem Generalgouvemeur Sir Howard Cooke für Ihre freundlichen Worte. Sie und Premierminister Patterson hatten die Güte, mich erneut zum Besuch nach Jamaika einzuladen. Ich bete zu Gott, er möge allen vergelten, die bei der Vorbereitung dieser Begegnung zwischen dem Nachfolger des Petrus und dem lieben Volk von Jamaika mitgeholfen haben. In brüderlicher Verbundenheit begrüße ich Erzbischof Samuel Carter und die gesamte Erzdiözese Kingston, Bischof Clarke und die Gläubigen von Montego Bay und ebenso Bischof Boyle und die Gläubigen des Apostolischen Vikariates Man-deville. Ich freue mich schon auf die Begegnung mit der Gemeinschaft der Katholiken und auf die Eucharistiefeier mit ihnen. Ich strecke die Hand der Freundschaft den Vertretern der anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften entgegen. Ihre Anwesenheit hier und unsere Begegnung morgen in der Heilig-Kreuz-Kirche sind Zeichen für die ausgezeichneten ökumenischen Beziehungen, die auf Jamaika schon seit vielen Jahren bestehen. 2. Wie Sie wissen, wird meine Reise mich zum Weltjugendtag führen, der dieses Jahr in Denver in den Vereinigten Staaten stattfindet. Doch meine Besuche in Jamaika und später in Merida auf der Halbinsel Yucatan besitzen ihre ganz eigene Bedeutung. Sie passen in den weiten Rahmen des Jahres, das dem Gedenken an die fünf Jahrhunderte seit der Ankunft des Columbus in der Neuen Welt gewidmet ist. Letztes Jahr war ich in Santo Domingo, um den Vertretern des lateinamerikanischen Episkopates und anderen Bischöfen des Kontinents zu begegnen und der fünf Jahrhunderte Evangeüsierung zu gedenken. Die Kirche durfte diese Begegnung nicht versäumen. Sie ist verpflichtet, Gott, der den Lauf der Geschichte lenkt, aus allen 505 REISEN Kräften für das wunderbare Ereignis der ersten Evangelisierung beider Amerikas zu preisen. Dies war der Beginn der Anwesenheit der Kirche in diesem Teil der Welt. Bei vielen wurde sie offenkundig durch die Heiligkeit des Lebens und das Zeugnis der christlichen Liebe, bei vielen anderen aber auch durch Fehler und Sünden. Im letzten Jahr hat es die göttliche Vorsehung gefügt, daß ich Goree in Senegal besuchen konnte, wo sich ein erschütterndes Denkmal der tragischen Versklavung von Millionen von Afrikanern befindet, von Männern, Frauen und Kindern, die ihrer Heimat entrissen, von ihren Lieben getrennt und als Ware verkauft wurden. Die Un-ermeßlichkeit ihrer Leiden entspricht der Ungeheuerlichkeit des Verbrechens, das an ihnen begangen wurde: die Verweigerung ihrer Menschenwürde. Goree war der geeignete Ort, um im Namen der Menschheit das .Verzeihen des Himmels zu erflehen und zu beten, daß die Menschen lernen, einander als Bild Gottes anzusehen und zu achten, um sich gegenseitig als Söhne und Töchter des gemeinsamen Vaters im Himmel zu heben (vgl. Ansprache auf der Insel Goree, 22.2.1992,Nr. 3; in: O.R. dt., 28,2.92). Hier in Jamaika möchte ich nun der Urbevölkerung der Arawak und eurer Vorfahren gedenken, die von Afrika hierher gebracht wurden. Beten wir, daß die Wunden vergangener Erfahrungen endlich geheilt werden und daß jeder in voller Achtung vor der Würde jedes Menschen für eine Zukunft arbeitet, wo Gerechtigkeit, Frieden und Solidarität für Haß und Diskriminierung keinen Raum mehr lassen. 3. Die unmittelbare Zukunft Jamaikas ist eng verbunden mit den Bemühungen in der ganzen Karibik, die regionale Einheit zu fördern. Ich bete, daß die größere Integration den Menschen dieser Inselnationen helfen möge, mit den zahlreichen vor ihnen hegenden Aufgaben fertig zu werden. Die Kirche blickt ihrerseits wohlwollend auf alles, was die Verständigung und Zusammenarbeit unter den Ländern fördert. Sie steht besonders den Entwicklungsvölkem der Welt nahe. Indem sie ihre religiöse Sendung erfüllt, regt sie jene Bürger an und bildet sie, denen das Wohl der ganzen Gesellschaft am Herzen hegt. Durch ihre Soziallehre „sucht sie die Menschen dahin zu führen, daß sie ... ihrer Berufung als verantwortliche Gestalter des gesellschaftlichen Lebens auf dieser Erde entsprechen” (Sollicitudo rei socialis, Nr. 1). Durch ihre Institutionen für das Bildungs- und Gesundheitswesen sowie ihre sozialen Werke trägt sie zum Wohlergehen der ganzen nationalen Gemeinschaft bei. Ich weiß, daß hier in Jamaika eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche auf diesen Gebieten herrscht. Ich danke der Regierung dafür und ermuntere die Mitglieder der Kirche in ihrem Dienst für das Gemeinwohl. Die Schönheit dieser Inseln, wo die überschäumenden Farben der Natur laut die Herrlichkeit Gottes verkünden, paßt zur Freundlichkeit und Güte der Einwohner. Gern würde ich jedem einzelnen Jamaikaner in einem Geist des Verständnisses und der Freundschaft persönlich begegnen. Ich versichere euch in diesem Sinn meines Gebetes und meiner Hochachtung. Möge der allmächtige Gott das Volk von Ja- 506 REISEN maika und alle Völker der Karibik überreich segnen. Der Friede Gottes sei mit euch allen! Berufen zum Aufbau einer Gesellschaft in Gerechtigkeit Ansprache beim Morgengebet mit den Priestern und Ordensleuten, Diakonen und Seminaristen in der Kathedrale von Kingston (Jamaika) am 10. August Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Lange schon habe ich mich danach gesehnt, hier mit euch allen zusammenzutreffen: mit den Bischöfen, Priestern, Diakonen und Seminaristen von Kingston, Montego Bay und Mandeville; mit den Ordensmännem und Ordensfrauen, die in diesen Ortskirchen Dienst tun und mit den führenden Laien der katholischen Gemeinschaften dieser Nation. Mein brüderlicher Gruß gilt auch den anderen Bischöfen und Gläubigen, die nach Jamaika gekommen sind, um an dieser Zusammenkunft in der Kathedrale der Heiligsten Dreifaltigkeit teilzunehmen. Meine Freude ist heute umso größer, als mein Besuch laut Plan bereits letztes Jahr stattfmden sollte, dann jedoch verschoben wurde. In der Zwischenzeit wart ihr in meinen Gedanken stets gegenwärtig, und - um mit den Worten des hl. Paulus zu sprechen: „Ich danke meinem Gott jedesmal, wenn ich an euch denke; immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude und danke Gott dafür, daß ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt” (Phil 1,3-5). 2. Zeugnis ablegen für das Evangelium ist genau die „Erfüllung des Dienstes”, die laut dem Apostel den Leib Christi aufbaut (vgl. Eph 4,12). Als Zeuge des Evangeliums ist man auch Erbe der großen missionarischen Tradition der Kirche, einer Tradition, die auf den ersten Pfingstmorgen in Jerusalem zurückgeht und die auf dieser Insel bis zur Ankunft von Christoph Kolumbus zurückverfolgt werden kann. In diesem Sinne möchte ich all jenen meine aufrichtige Ehre erweisen, die ihre Heimat verlassen haben, um hier in Jamaika Verkünder der Frohbotschaft zu sein. Denn die Missionare können sich fürwahr rühmen, als Werkzeuge der göttlichen Vorsehung die Völker zu Ihm geführt zu haben, der „Worte des ewigen Lebens” hat (Joh 6,68). Deshalb stehen die Gläubigen der Ortskirchen immer in ihrer Schuld und sollten sich voller Hochachtung an sie erinnern. Ihr seid die Krönung der Arbeit jener Männer und Frauen, die den Glauben auf dieser schönen Insel eingepflanzt und genährt haben. Seit der Ankunft der ersten zehn Franziskaner im Jahre 1512 bis in unsere Tage hat die göttliche Vorsehung - durch alle Prüfungen und wechselnden Ereignisse der Geschichte Jamaikas hindurch - in diesem Lande immer für Arbeiter für die Ernte Gottes gesorgt: die von der spanischen Krone ausgesandten Äbte und Priester, den betagten Pater Thomas Churchill, der im Auftrag eines Königs aus dem Hause Stuart ausgesandt wurde, weitere Priester, die vor Verfolgungen aus der Alten und Neuen Welt geflohen waren; britische 507 REISEN und amerikanische Jesuiten, Franziskanerinnen aus Schottland und Barmherzige Schwestern aus England - um nur einige von ihnen zu nennen. Für euch alle, die ihr heute aufgerufen seid, der Neuevangelisierung zu dienen und eine gerechte, mitfühlende und einträchtige Gesellschaft aufzubauen, betet die Kirche mit unermüdlichem Eifer. Sie vertraut darauf, daß Gott euch dabei helfen wird, diese Aufgaben hochherzig und beharrlich zu erfüllen und daß er eure Zahl vergrößern wird, damit niemand von denen, die zu einem Leben in Christus berufen sind, nur deshalb verloren gehe, weil er noch nie von ihm gehört hat, und damit auch nicht der geringste Teil des Gemeinwohls vernachlässigt wird. 3. Die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils schreiben den Priestern beim Verkündigungswerk des Wortes Gottes eine ganz besondere Rolle zu: Es sei „die erste Aufgabe der Priester als Mitarbeiter der Bischöfe, allen die frohe Botschaft Gottes zu verkünden” (Presbyterorum ordinis, Nr. 4). Euch, meinen Brüdern im Priesteramt, ist diese heilige Pflicht übertragen worden als Teil des Dienstes, mit dem der Heiland die Zwölf und ihre Nachfolger beauftragt hat. Wie ich im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis betont habe, soll das Herz der Priester dem Herz des guten Flirten nachgebildet und - geformt sein, damit sie die ihnen anvertrauten Aufgaben ausführen können (vgl. ebd., Nm. 21-23). Das ist es, was der Bischof von Rom euch in Jamaika sagen will: Öffnet eure Herzen weit für Christus, unseren Hirten und Hohenpriester! Räumt alle Schranken weg! Laßt das Feuer der Liebe zu seiner Herde in euch entflammen. Behaltet - nach seinem Beispiel - nichts für euch selbst zurück: weder Besitztümer noch Vorrechte, weder Bequemlichkeiten, nicht einmal euren eigenen Willen oder euer Leben selbst. Widmet euch eurem Sendungsauftrag mit allem, was ihr habt, und allem, was ihr seid. Ein hervorragendes Zeichen dieser ganzheitlichen Weihe ist euer Zölibat, der ein „kostbares Geschenk Gottes an seine Kirche” ist und ein „Zeichen des Reiches, das nicht von dieser Welt ist, Zeichen der Liebe Gottes zu dieser Welt sowie der ungeteilten Liebe des Priesters zu Gott und zum Volk Gottes” (Pastores dabo vobis, Nr. 29). Dieser großen Gabe des Geistes freudig treu zu sein, verlangt inständiges und unablässiges Gebet, unterstützt von der täglichen Meßfeier, häufigem Beichten und einem lieben der Enthaltsamkeit. Für uns Menschen wäre das unmöglich, aber wenn wir auf den bauen, der unendlich größer ist als wir, dann können wir voll Vertrauen sagen: „... für Gott ist nichts unmöglich” (Lk 1,37). Das geistige Wachstum im priesterlichen, ehelosen lieben geht Hand in Hand mit „einem allgemeinen und ganzheitlichen beständigen Reifungsvorgang”, bei dem „alle Dimensionen der Ausbildung (menschlich, geistlich, intellektuell und pastoral) vertieft werden” (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 71). Während der Bischof und das ganze Presbyterium die grundsätzliche Verantwortung für die Unterstützung dieses Wachstums tragen, „ist ... der einzelne Priester ... der Erstverantwortliche” {ebd., Nr. 79). In der innersten Tiefe des Gewissens macht Gott dem Priester die Fehler 508 REISEN klar, die er bereuen soll, die Mängel, die er beheben muß, und den Weg, den er gehen soll, um einen noch größeren Dienst an seinem Volk zu leisten. Liebe Priester, mögt ihr aus Liebe zu den Gläubigen, die eurer Fürsorge anvertraut sind, nie die Stimme des Geistes verstummen lassen, die euch auffordert, „die Gnade Gottes wieder zu entfachen, die euch ... zuteil geworden ist” (vgl. 2 Tim 1,6). 4. Liebe Seminaristen, erfüllt immer froh und rückhaltlos die Forderungen, die zu eurem sittlichen und geistigen Wohl an euch selbst gestellt werden. Ich möchte ganz besonders zwei Eigenschaften hervorheben, die ihr während eurer Ausbildungszeit pflegen solltet: Erstens, werdet Männer des Gebets. Eine tiefere Verbundenheit des Geistes und Herzens mit Christus ist wesentlich, wenn ihr ein wahres Ebenbild des guten Hirten und nicht nur bezahlte Knechte sein wollt (vgl. Joh 10,12). Zweitens, lernt fleißig; studiert die Lehre der Kirche in all ihrem Reichtum; macht euch gründlich vertraut mit der Heiligen Schrift und mit den anderen Quellen des katholischen Lehramts; wenn ihr eine tiefe Einsicht in das Geheimnis Christi und seiner Kirche gewinnt, werdet ihr in der Lage sein, ihr Licht im Leben des Gottesvolkes leuchten zu lassen. Liebe Diakone, ihr seid „durch die Handauflegung, die von den Aposteln zu uns gelangt ist” (Homilie, Ritus zur Diakonenweihe), zur „Dienstleistung” geweiht (Lumen Gentium, Nr. 29). Für euch gelten die Worte, die Jesus über sich selbst sagt, in ganz besonderer Weise: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen” {Mt 20,28). In euch sollten die Gläubigen von Jamaika immer deutlicher ein Zeugnis für den Dienst Christi sehen. Für diejenigen von euch, die verheiratet sind, bete ich, daß euer Amt stets eine Quelle des Segens für eure Familien sein möge, und daß alle Mitglieder eurer Haushalte, insbesondere eure Frauen, euch in eurem Dienst an den Ortskichen, zu dem ihr bestimmt worden seid, eine Stütze sein mögen. 5. Indem ich meine Grüße voll besonderer Zuneigung an die Ordensleute von Kingston, Montego Bay und Mandeville richte, möchte ich zunächst an die außerordentliche Rolle erinnern, die die gottgeweihten Männer und Frauen durch die evangelischen Räte in der Geschichte der Kirche auf dieser Insel gespielt haben. Wenn ich von Bruder Juan Jacinto Rodriguez de Araujo und Pater James Dupeyron oder Schwester Paula Charlet, Mutter Winifred Aloysius Furlong und Schwester Mary Humiliana spreche, so soll damit nicht die Breite unserer Ehrerbietung beschränkt, sondern vielmehr all jener gedacht werden - viele ihrer Namen kennt der Herr allein -, die durch das Zeugnis der evangelischen Räte das Leben des Volkes Gottes hier bereichert haben. Ich hoffe, daß euch die Erwähnung ihres Werks neues Vertrauen in die Bedeutung eurer religiösen Weihe schenke, denn nur euer ganzer Einsatz für unseren Heiland durch eure Gelübde kann die Wirksamkeit eures Dienstes am Nächsten gewährleisten. Grundsätzlich besteht euer apostolisches Werk in der Kirche darin, stets so zu sein, wie ihr seid. Und weil euer Leben „mit Christus in Gott verborgen ist” (vgl. Kol 3,3), seid ihr das Licht, das den anderen den Weg zum 509 REISEN Gottesreich weist (vgl. Redemptionis donum, Nr. 15). Ich bitte euch, eng mit den Bischöfen eurer Teilkirchen zusammenzuarbeiten, damit die euch zuteil gewordenen Gaben und Charismen die Mitglieder der ausgedehnten Kirchengemeinschaften, denen ihr angehört, noch effektiver bereichern. 6. Euch, den führenden Laien der katholischen Gemeinschaften von Jamaika, möchte ich ein ganz besonderes Wort der Anerkennung aussprechen für die vielfachen Beiträge, die ihr zum Wachstum der Kirche leistet. Eure Gebete für ihr Wohl und eure guten Taten, die ihr für ihre Glieder vollbracht habt, sind die Früchte der Gnade, die bei der Taufe in eure Herzen gegossen wurde. In meiner Ansprache an die Gruppe, die in der St. George’s School auf mich.wartet, werde ich die Gelegenheit haben, über die besondere Berufung der gläubigen Laien zu sprechen. Jetzt möchte ich euch in eurem Leben als Christen und zu all den Werken ermutigen, die ihr angesichts der dringenden Bedürfnisse der Herde Christi zur Stärkung der christlichen Gemeinschaft unternehmt. Vor allem möchte ich darauf hinweisen,. wie wichtig es für die Laien ist, vermehrt in die Katechese und die Religionserziehung einbezogen zu werden. Wie in vielen anderen Teilen der Welt, begegnet auch die Kirche in Jamaika Formen von Aberglauben und sektiererischem Fundamentalismus, den Kräften, die dem Glauben und der Frömmigkeit der Katholiken widersprechen. Angesichts einer solchen Herausforderung wird euer Zeugnis geduldiger Ausdauer und unerschütterlicher Nächstenhebe viele Menschen für den wahren Glauben an Gott gewinnen. Die Gläubigen Christi müssen eine solide Ausbildung im christlichen Lehramt erhalten, damit sie nicht irgendeiner Verwirrung oder Irrlehre anheimfallen oder von der Kirche weggelockt werden. Ich fordere euch deshalb nachdrücklich auf, diesem Bereich des katholischen Lebens besondere Aufmerksamkeit zu schenken. 7. In wenigen Tagen wird die Kirche das Fest der himmlischen Schutzherrin von Jamaika, Unserer Lieben Frau der Himmelfahrt, feiern. Zusammen mit euch und allen Katholiken von Jamaika bitte ich sie, für euch das Geschenk neuer Kraft zu erwirken, damit ihr Zeugnis ablegt für ihren göttlichen Sohn und das Leben eurer Gesellschaft gemäß seiner Heilsbotschaft gestaltet. Möge Maria, voll der Gnade, die katholische Kirche in Jamaika und der ganzen Karibik leiten und beschützen. Leiht Christus eure Hände! Ansprache bei der Begegnung mit den Laien in Kingston (Jamaika) am 10. August Liebe Schwestern und Brüder in Christus! 1. Es bereitet mir große. Freude, daß ich endlich auch unter euch wehen darf auf dieser schönen Insel, die von Columbus mit Recht als „Santa Gloria” beschrieben 510 REISEN wurde. In herzlicher Verbundenheit grüße ich euch, die Katecheten, Lehrkräfte und Mitglieder der Pfarrorganisationen sowie die übrigen Laienvertreter wie auch die hier anwesenden Jugendlichen - alle gläubige Söhne und Töchter der Kirche in der Erzdiözese Kingston, der Diözese Montego Bay und dem Apostolischen Vikariat Mandeville. „Meine Liebe gehört euch in Christus Jesus” (1 Kor 16,24). Der Bischof von Rom ist gerade deswegen nach Jamaika gekommen, um zu euch von Christus und seiner Liebe zu sprechen hier im Auditorium des St.-Georgs-Köl-legs. Das ist in der Tat ein angemessener Ort, um die Natur der christlichen Liebe und der Taten zu bedenken, worin sie notwendig zum Ausdruck kommt. Wenige Wochen nach jenem Septembertag 1850, als dieses Kolleg zum erstenmal seine Tore öffnete, haben Mitglieder der Jesuitengemeinschaft mit dem Eifer, der aus echter Liebe entspringt, sich der Opfer der schrecklichen Choleraepidemie angenommen. Ja, das ist die Liebe, die ich meine, selbstlose Hingabe, die sogar bereit macht, das Leben für andere zu lassen. 2. Wir haben in der Lesung aus dem Brief des hl. Paulus an die Kolosser gehört, daß wir diese Liebe „anziehen” müssen (Kol 3,14) - wir wollen uns mit ihr bekleiden und vollständig bedecken. Wir haben sie zum erstenmal angezogen, als wir in der Taufe „Christus angezogen” haben (Röm 13,14). Christi Liebe wurde in unsere Herzen ausgegossen, so daß wir nun Gott über alles lieben können, unsere Nächsten aber wie uns selbst aus Liebe zu ihm. In der Kraft dieser Liebe vermögen Christen alles, was sie haben und sind, dem Vater aufzuopfem, um in Wort und Tat die Frohbotschaft zu verkünden und überall Gottes Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe zu verbreiten (vgl. Christifideles laici, Nr. 14). Die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils betonen, daß die Laien besonders aufgerufen sind, diese erhabene Berufung im Bereich der Welt durch ihr Einbezogensein in die irdischen Dinge zu leben (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31). Die Bilder des Evangeliums von Salz, Licht und Sauerteig (vgl. Mt 5,13-16; 13,33) helfen uns verstehen, daß die gläubigen Laien durch ihre volle Beteiligung an den Aufgaben dieser Zeit Werkzeuge sein sollen, mit denen die göttliche Gnade den ewigen Plan Gottes mit der Schöpfung durchführen kann. 3. Wesentlich bleibt freilich, daß die Laien für diese Aufgabe gut vorbereitet werden. Bei dieser Heranbildung der Laien spielt die Pfarrei eine zentrale Rolle. Eine aktive Pfarrei kann sehr wirksam Gottes Wort verkünden, den liturgischen und persönlichen Dialog mit Gott pflegen und in brüderlicher Liebe leben. Durch Beteiligung am Leben der Pfarrei erfahren die Gläubigen die Wirklichkeit der Gemeinschaft der Kirche und erfassen voller ihre Mitverantwortung für die Heilssendung der Kirche (vgl. Christifideles laici, Nr. 61). In den Pfarrgemeinschaften von Kingston, Montego Bay und Madeville sind Programme für die Vorbereitung auf den Sakramentenempfang, andere Formen der Katechese sowie die pastorale Betreuung der Jugendlichen unerläßliche Tätigkeiten. Jeder von euch heute hier Anwesenden hat einen lebenswichtigen Anteil an diesem 511 REISEN Apostolat. Ich möchte euch ermuntern, eng mit euren Priestern verbunden zu bleiben und mit ihnen beim Aufbau der Kirche auf dieser Insel zusammenzuarbeiten. Wenn ihr selbst gute Katholiken seid, helft ihr euren Priestern, immer bessere Diener Jesu Christi, des obersten Hohenpriesters, zu sein. Ich nehme diese Gelegenheit wahr, um den Katecheten meine Wertschätzung auszusprechen für die wichtige Aufgabe, die ihr erfüllt, wenn ihr den katholischen Glauben weitergebt. Eure Aufgabe besteht darin, euren Schülern die Lehre der Kirche in ihrem ganzen Reichtum und unverkürzt zu vermitteln. Unterweist sie besonders über die Sakramente und darüber, wie das Heilsgeheimnis Christi in diesen sichtbaren Zeichen der unsichtbaren Gnade Gottes gegenwärtig wird. Durch die andächtige Feier dieser heiligen Riten findet die ganze Gemeinschaft die Kraft, die sie braucht, um ihr Leben in der Welt zu heiligen und alle Formen der materiellen und geistigen Armut zu überwinden, von der unsere Brüder und Schwestern heimgesucht werden. Jene unter euch, die Lehrkräfte sind, tragen eine besondere Verantwortung für die Unterweisung anderer in den Tugenden, die das Herz der christlichen Bildung ausmachen. Zu den wichtigsten Haltungen, die dabei in den Jugendlichen und Erwachsenen zu pflegen sind, gehören Solidarität und Sinn für Mitverantwortung für das Gemeinwohl. Im letzten Jahrhundert hat dieses Bemühen um das Wohl der Person des Menschen zur Emanzipation derer geführt, die in den Häusern, Fabriken und Pflanzungen dieses Landes versklavt waren. Aber noch nicht alle Jamaikaner haben bis heute ein Niveau der Beteiligung in der Gesellschaft erreicht, das freier Männer und Frauen würdig ist, und so braucht es heute weiter das Bemühen um Solidarität und Mitmachen. Für eure hochherzige Hingabe an die Aufgabe der Erziehung der Jugend ist nicht nur die Gemeinschaft der Katholiken in Jamaika, sondern ebenso die bürgerliche Gesellschaft zu Dank verpflichtet. Ich fordere die Katholiken Jamaikas auf, bei dieser Gelegenheit ihren Einsatz für die Sendung der Kirche zu erneuern. Strebt weiter danach, die Armen und Vergessenen zu einem besonderen Objekt eurer Liebe zu machen. Entschließt euch, eure Gruppen und Organisationen zu wirksamen Mitteln der Hilfe für eure Brüder und Schwestern in Not zu entfalten. So werdet ihr die würdigen Erben eines Geistes und einer Überlieferung, für die Jessie Ripoll, Josephine Ximenes, Louise Dugiol und all jene ein Beispiel sind, die für die volle Entwicklung ihrer Landsleute auf Jamaika gearbeitet haben. 4. Nun ein Wort an die zahlreichen Jugendlichen, die heute hier anwesend sind. Junge Jamaikaner, seid ihr bereit, um Christi willen stark und hochherzig zu sein? Lehnt den leichten Weg ab: den Weg des Nachgebens gegenüber den Leidenschaften, den Weg des Verbrechens, des Zynismus und des Ausweichens vor der Verantwortung. In eurem Leben soll kein Platz sein für Alkohol- und Drogenmißbrauch und sexuelles Fehlverhalten. „Tretet ein durch die enge Pforte” (Mt 7,13). Wählt den Weg, der zum ewigen Leben und zum Glück bei Gott führt. Wenn Gottes Weg für euch zum Priestertum oder zum Ordensleben als Schwester oder Bmder zu füh- 512 REISEN ren scheint, seid hochherzig. Die Kirche braucht euch. Geht dorthin, wohin Christus euch führt. Wenn er euch zur Ehe beruft, macht Maria und Joseph zu euren Vorbildern. Laßt in allem die Worte Jesu in euch leben, und ihr werdet erfahren, welche Freude es ist, ihm zu gehören. 5. In diesem Jahr denken wir an die fünf Jahrhunderte seit dem Beginn der Evangelisierung in der Karibik und in beiden Amerikas. Diese Feier bietet eine ideale Gelegenheit für die Katholiken von Jamaika, gleichsam mit neuem Herzen und neuem Geist Christi Mahnung zu hören: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium” (Mk 1,15). Ja, liebe Brüder und Schwestern, antwortet auf diesen Aufruf. Bringt euch selbst erneut dem Erlöser dar als Helfer für die Befreiung der Schöpfung von den Auswirkungen der Sünde, um alle Dinge wieder nach dem ursprünglichen Plan des Vaters für die Welt zu ordnen (vgl. Christifideles laici, Nr. 15). Leiht Christus eure Hände, so daß ihr mit seiner Gnade eine Gesellschaft gestalten könnt, die gerecht ist und in der alle Mitglieder in Frieden leben. Schenkt Christus eure Herzen, so daß durch sie seine Liebe weiter leuchtet als Unterpfand des Lichtes und der Hoffnung für alle Bewohner von Jamaika. Möge Gott euch bei dieser wunderbaren Aufgabe helfen. Möge er „dieses Land, das wir lieben”, segnen. Und möge Maria, die Königin des Weltalls, ihre heben Jamaikaner beschützen. Gott sei mit euch allen! Eines Sinnes werden Ansprache beim Ökumenischen Gebetstreffen in Kingston (Jamaika) am 10. August „Macht meine Freude dadurch vollkommen, daß ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig und einträchtig” (Phil 2,2). Liebe Schwestern und Brüder, hebe Freunde! 1. Diese Worte des heihgen Paulus bringen sein tiefes Sehnen nach Einheit unter den Jüngern des Herrn zum Ausdruck und sind wie ein Schrei, der aus der Tiefe seines Herzens kommt. Er war so eins geworden mit unserem Erlöser, daß nicht mehr er lebte, vielmehr Christus in ihm lebte (vgl. Gal 2,20), und so war sein Wunsch der gleiche wie der Wunsch Christi: „Alle sollen eins sein” (Joh 17,21). Dieser Aufruf des Apostels, der zuerst an die Phihpper gerichtet war, hat nichts von seiner Dringlichkeit verloren. Er findet heute ein Echo im Herzen eines jeden von uns hier. Das ist der Grund, wamm wir zum Gebet für die Versöhnung aller Christen versammelt sind. Mit dem Vertrauen von Söhnen und Töchtern wenden wir uns an den Vater und bitten ihn, unsere Spaltungen zu heilen. Zugleich danken wir ihm für die bereits vorhandene - wenn auch unvollkommene - Gemeinschaft, die uns miteinander verbindet 513 REISEN (vgl. Unitätis redintegratio, Nr. 3), sowie für das Klima der Offenheit und-der gegenseitigen Achtung als deren logische Folgen (vgl. Direktorium für die Anwendung von Prinzipien und Normen zur Ökumene, 1993, Nr. 36). Dies ist in Wahrheit eine Stunde der Gnade, ein Geschenk der grenzenlosen Liebe unseres Erlösers. Im Frieden und in der Liebe Jesu Christi begrüße ich Sie alle, die Vertreter der christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften auf Jamaika und in der Karibik. Ich freue mich, daß ich unter Ihnen weilen und Christi heilbringendes Wort hören kann, daß ich meine Stimme mit der Ihren zu herzlichem Lob und inniger Bitte erheben darf. 2. Die Christen auf Jamaika dürfen mit Recht Gott danken für alles, was im Dienst der Ziele der ökumenischen Bewegung erreicht worden ist. Ich möchte zumal auf die Ergebnisse von über zwei Jahrzehnten gemeinsamen Zeugnisses und Wirkens für Gerechtigkeit und Frieden durch den Rat der Kirchen von Jamaika hinweisen. Die katholischen Bischöfe dieser Nation haben diese Initiativen zusammen mit dem Klerus, den Ordensleuten und gläubigen Laien aktiv mitgetragen. Sie wollen auch in den kommenden Jahren mit all ihren christlichen Brüdern und Schwestern in einem Geist der Solidarität Zusammenarbeiten,’ damit das umwandelnde Licht der Frohbotschaft über dieser Insel immer heller erstrahlt. Ihre ökumenischen Initiativen erfolgen im weiteren Rahmen der karibischen Konferenz der Kirchen. Durch diese Konferenz wollen Sie die Würde der Person des Menschen schützen und fördern und Ihre Stimme erheben gegen das, was diese Würde untergräbt: Armut, Zusammenbruch des Familienlebens, Mißbrauch von Drogen und Alkohol und alles, was die volle Entfaltung der einzelnen und der Gesellschaft als ganzer behindern kann. Ich bete dafür, daß Ihre Zusammenarbeit angesichts solcher Aufgaben immer wirksamer gelingt, so daß „das Antlitz Christi, des Gottesknechtes, in hellerem Lichte zutage tritt ... und Zeugnis für unsere gemeinsame Hoffnung gegeben wird” (Unitätis redintegratio, Nr. 12). 3. Da es für Christen wichtig ist, ihre Kräfte beim Aufbau des Gemeinwohls der menschlichen Gesellschaft zu vereinen, sollten wir die Notwendigkeit einsehen, jeder Versuchung zu einseitigem Aktivismus zu widerstehen. Andernfalls könnte es sein, daß die ökumenischen Bemühungen bald nur noch von politischen Motiven geleitet und Schranken statt Hilfen für die Einheit würden (vgl. Direktorium, 211-212). Wir sind nicht nur zu gemeinsamem Tun aufgerufen, sondern sollen, wie der heilige Paulus sagt, „eines Sinnes” sein (FM 2,2);. eins zu sein also nicht nur im Dienst, sondern in der „Überzeugung” und Liebe (vgl. ebd.). Und wir müssen beten, schließlich auch in der einen Eucharistiefeier eins zu werden, in der Christus sich selbst in Liebe für seine Kirche hingibt. Nein, wir können nie mit unvollkommenen Formen der Gemeinschaft im Glauben und im sakramentalen Leben zufrieden sein, weil dies nicht der Wille unseres Herrn ist. Er hat gebetet, daß seine Jünger in der gleichen Einheit verbunden seien, in der er mit dem Vater eins ist: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns eins sein” (Job 17,21). 514 REISEN Wie ich in einer Botschaft an die Teilnehmer der Fünften Weltkonferenz über Glaube und Verfassung, die derzeit in Santiago de Compostela tagt, betont habe, ist das Thema dieser Versammlung, nämlich die Natur der koinonia-communio ein besonders geeigneter Weg, das Ziel der christlichen Einheit zu erreichen (vgl. Brief vom 21. Juli 1993). Eine tiefere Wertschätzung des Geheimnisses der kirchlichen Gemeinschaft als Teilhabe am Leben des dreieinigen Gottes selbst bildet die eigentliche Grundlage für den fruchtbaren Dialog über Themen wie „Die Beziehung zwischen der universalen Kirche in ihrer Sichtbarkeit und den Einzelkirchen”, „Der Reichtum der Verschiedenheit innerhalb der Gemeinschaft”, „Die eucharistische Natur der Kirche” und „Das Amt - zumal der Dienst des Bischofs von Rom - im Dienst an der Gemeinschaft”. Jenen Christen, die nicht das Eigenverständnis der katholischen Kirche über die Eucharistie als sichtbarer Ausdruck der Einheit im Glauben und im kirchlichen Leben teilen, wird ein offener und aufrichtiger Dialog helfen, die festen Überzeugungen der Kirche und ihre strikte Disziplin hinsichtlich der Interkommunion zu schätzen und zu achten. In diesen Dingen und in all dem, was unseren brüderlichen Dialog betrifft, sollten wir nicht die Mahnung des Zweiten Vatikanischen Konzils übersehen, daß „nichts dem ökumenischen Geist so fern (ist) wie falscher Irenismus” (Unitatis redintegra-tio, Nr. 11). Wir müssen in einem Geist gegenseitiger Achtung immer sagen, was unseres Wissens zur Wahrheit über uns selbst und unsere Glaubensauffassungen gehört. Dies ist für Brüder und Schwestern der Weg, sich miteinander auszutauschen, und solche Aufrichtigkeit über das eigene Selbstverständnis, verbunden mit Vertrauen zu dem, was andere von sich selbst sagen, wird zu seiner Zeit zum erwünschten Ergebnis führen (vgl. Direktorium, 172). 4. Ich möchte bei dieser Gelegenheit die Vertreter anderer religiöser Traditionen begrüßen, die heute anwesend sind. Wir, die wir den Namen Jesu bekennen, fühlen uns durch Ihre Anwesenheit geehrt. Ich versichere Sie meiner herzlichen Wertschätzung und Verbundenheit, meiner guten Wünsche und meines Gebetes. Die Mitglieder der Gemeinschaft der Katholiken in Jamaika wie auch die Mitglieder anderer Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften möchten gern mit Ihnen im Dienst an der Sache der Menschlichkeit Zusammenarbeiten. Den geistlichen Führern und Mitgliedern der Delegation der Juden entbiete ich ein besonderes Wort des Willkommens. Man hat mir von dem engen Verhältnis zwischen Ihnen und den Katholiken von Jamaika berichtet. Solche Achtung und Freundschaft, die in unserem gemeinsamen Erbe (vgl. Nostra aetate, Nr. 4) wurzelt, sind Quellen großer Freude und Genugtuung. Ich bete, daß in Jamaika alle Glaubenden vom allmächtigen Gott in dem Bemühen gestärkt werden, miteinander und mit allen Männern und Frauen guten Willens eine Gesellschaft aufzubauen, die frei ist von Diskriminierung und Vorurteilen, eine Nation, die sich für den Schutz der Rechte einer jeden Person einsetzt, eingeschlossen das Recht auf Religionsfreiheit. 515 REISEN 5. Meine Damen und Herren! Der heilige Paulus hat den Christen in Philippi den Weg vorgezeichnet, wie sie eines Geistes und Willens werden können, und damit die Richtung gewiesen, die zum letzten Ziel der ökumenischen Bewegung führt. Er sagt: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht” {Phil 2,5). Wenn alle Christen völlig Christus gleichgestaltet sind, werden sie auch vollkommen eins sein. Dies ist die Aufgabe des Tröstergeistes, des am Pfingstfest ausgegossenen und in der Taufe mitgeteilten Geistes. Vertrauensvoll bitten wir'diesen Heiligen Geist, mit großer Macht in unserer Mitte zu wirken, so daß sich in uns das Gebet Christi erfüllt: „Alle sollen eins sein ... damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin” {Joh 17,21.26). Ich spreche Ihnen allen, werte Freunde, meine warme Unterstützung aus und danke Ihnen erneut für Ihr Leben, Ihr Wirken und Ihre Gebete hier in Jamaika und über die ganzen Antillen hin. Möge Gott, der Herr, Sie allezeit segnen und stärken! Durch euren Glauben das Leben der Gesellschaft bereichern Predigt bei der hl. Messe mit den Gläubigen von Jamaika im Nationalstadion in Kingston am 10. August „Jesus ist der Herr” (Rom 10,9). „Aus seinem Reichtum beschenkt er alle, die ihn anrufen” (Rom 10,12). Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Die heutige Liturgie wiederholt diese Worte des Völkerapostels Paulus. Jesus ist der Herr! Er ist unser Erlöser, der Retter aller Völker. „Es gibt keinen anderen Namen in der ganzen Welt, durch den wir gerettet werden sollen” (vgl. Apg 4,12). Diese Gute Nachricht des Heils kommt von Gott selbst zu uns. „Der Herr hat sein Heil bekannt gemacht und sein gerechtes Wirken enthüllt vor den Augen der Völker. ... Alle Enden der Erde sahen das Heil unseres Gottes” (Ps 98,2-3). Die Botschaft des Heils ist das Evangelium Jesu Christi, des ewigen Sohnes, der eins mit dem Vater ist. Nach der Auferstehung sandte Christus seine Apostel aus, dieses Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden. Durch die Predigt der Kirche werden alle Menschen gerufen, die Heilsbotschaft anzunehmen, Jünger Christi zu werden und sich in seinem Namen taufen zu lassen (vgl. Mk 16,15-16). 2. In der Fülle der Zeit kam das Evangelium Jesu Christi auch nach Jamaika! Der Same des Gotteswortes wurde auf dieser Insel durch das Verkünden der Missionare gepflanzt, die vor fünfhundert Jahren die Arawak-Bevölkerung erstmals den Namen des Retters lehrten. Wenn das Vordringen des Gotteswortes zeitweise auch durch Sünde und menschliches Versagen behindert wurde, so war es doch eine sichere Quelle des Lichtes und der Hoffnung für Generationen von Jamaikanern. Auch 516 REISEN heute bildet die Wahrheit des Evangeliums eine sichere Grundlage für das Wachstum und die Erneuerung der jamaikanischen Gesellschaft. Da Jamaika sich anschickt, das Fünfhundert-Jahr-Jubiläum der Ankunft von Kolumbus und des Beginns der Evangelisierung zu feiern, wurde dem Nachfolger Petri die Gnade zuteil, zu kommen, um euch in eurem Glauben an Jesus Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, zu stärken (vgl. Lk 22,32; Mt 16,16). Laßt uns miteinander Gott für die vielen Wohltaten danken, die er Jamaika und seinem Volk erwiesen hat. Mit der Liebe im Herrn grüße ich euch alle. Mein brüderlicher Gruß geht an Erzbischof Carter, Bischof Clarke und Bischof Boyle sowie an den Klerus, die Ordensleute und die Laien der Erzdiözese Kingston, der Diözese Montego Bay und des Apostolischen Vikariats Mandeville. Ehrerbietige Grüße gehen sodann an den Generalgouvemeur, an den Premierminister, an die anwesenden Regierungs- und Behördenvertreter. Ich begrüße auch die Repräsentanten der verschiedenen Kirchen und christlichen Gemeinschaften der Insel. 3. Im Alten Testament wurde die Hoffnung Israels auf Heil durch den Berg des Tempels des Herrn in Jerusalem versinnbildlicht. In der ersten Lesung lädt der Prophet Jesaja Israel ein, sich dem Tempel Gottes zu nähern und in Heiligkeit zu leben: „Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen” (Jes 2,3). Heute führt der Weg zum Heil nicht mehr zum Berg des Tempels, sondern zu Jesus Christus selbst, zum Sohn Gottes, dem fleischgewordenen Wort, das unter uns wohnt (vgl. Joh 1,14). Jesus hat gesagt: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder äufrichten” {Joh 2,19). Der Evangelist Johannes teilt uns mit, daß Jesus von sich selbst sprach: „Er aber meinte den Tempel seines Leibes” {Joh 2,21). Jesus’ eigener Leib, vom Tod auferstanden und erfüllt mit dem Geist des Lebens, ist zum lebendigen Tempel geworden. Der hl. Paulus erinnert uns daran, daß auch unser Leib so wie unsere Seele dazu bestimmt ist, Gott zu verherrlichen; daß wir gerufen sind, nach dem Geist zu leben und uns nicht den Begierden des Fleisches zu ergeben (vgl. Gal 5,16). „Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt ...? Ihr gehört nicht euch selbst ... Verherrlicht also Gott in eurem Leib” {1 Kor 6,19-20). Als wir in Christus hineingetauft wurden, wurde uns Anteil an seinem göttlichen Leben gegeben; unser Leib wurde Tempel der Gegenwart Gottes, Wohnstatt des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist ist es, der in unseren Herzen die Verheißung des Propheten Jesaja Wirklichkeit werden läßt: Er zeigt uns die Wege Gottes, damit wir auf seinen Pfaden gehen (vgl. Jes 2,3). 4. Wir haben die Worte des hl. Paulus gehört, der uns versichert: „Wenn du mit deinem Mund bekennst: Jesus ist der Herr’ und in deinem Herzen glaubst: ,Gott hat ihn von den Toten auferweckt’, so wirst du gerettet werden” {Röm 9,10). Doch der Glaube, der das Heil bringt, muß in jedem Aspekt unseres Lebens sichtbar werden: 517 REISEN in unserer Art zu denken, in unserer Art zii handeln, in der Art, wie wir mit anderen umgehen. Jedem, der ihmmachfolgen will, stellt Jesus die Frage: „Glaubst du (Joh 9,35). Indem ich heute abend hier in Kingston die Worte des Herrn wiederhole, ermutige ich euch, Christen von Jamaika: „Habt keine Angst! Reißt die Türen weit auf für Christus!” Habt Vertrauen, daß euer Glaube an die Gute Nachricht die Macht hat, euer Leben zu verwandeln und das Leben eurer Gesellschaft zu läutern und zu adeln. Jamaika bedarf der Wahrheit des Evangeliums! Da das Evangelium die volle Wahrheit über den Menschen und seine edle Berufung offenbart, gibt es die nötige Sicht und die Kraft, um den vielen Herausforderungen- zu begegnen, vor die eure Gesellschaft sich gestellt sieht. Das Evangelium hat die Macht, jedes Herz zu einem selbstlosen Einsatz für das Gemeinwohl zu begeistern und all das abzulehnen, was dem Aufbau einer erneuerten Gesellschaft, einer Gesellschaft der Gerechtigkeit, des Friedens und der Solidarität, entgegensteht. Der Zeitpunkt ist gekommen, daß die Christen der Insel ihren Einsatz leisten, um sicherzustellen, daß die Grundsätze, die das politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben leiten, mit dem Gesetz Gottes und dem Evangelium übereinstimmen. Der Zeitpunkt ist gekommen, miteinander zu arbeiten, um die Folgen von Unrecht und Ausbeutung zu überwinden, dem Mangel an Sorge für die Bedürfnisse der Armen und Benachteiligten, dem Mangel an Achtung vor der Würde und dem Wert jedes Menschen, speziell der Frauen und Kinder, entgegenzuwirken. Für die Christen ist der Zeitpunkt gekommen, der Versuchung zur Trägheit und Hoffnungslosigkeit zu widerstehen, der Versuchung, sich auf Rechtfertigungen der Vergangenheit zu berufen und in nutzlosen Streitereien Zuflucht zu nehmen. Für jeden ist der Zeitpunkt gekommen, angeleitet vom Evangelium gemeinsam ein Volk, eine geeinigte Gesellschaft, eine bessere Zukunft zu bauen. 5. Jesus Christus sagt allen Männern und Frauen: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen” (Mt 11,28). Christus lädt uns jedoch nicht ein, um irgend eines leeren Trostes willen zu ihm zu kommen. Er erneuert und stärkt uns, damit wir hinausgehen und mit anderen das Heil teilen, das er gebracht hat. Er trägt seinen Aposteln auf: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen” (Mk 16,15). Christus - der, der vom Vater gesandt wurde - sendet nun andere aus: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 20,21). Diese Worte erinnern uns daran, daß das Werk der Evangelisierung im Mittelpunkt der Sendung der Kirche in der Welt steht. Die Kirche hat durch die Evangelisierung begonnen - und durch die Evangelisierung wird sie unaufhörlich erneuert. Zu jeder Zeit und an jedem Ort muß die Verkündigung des Evangeliums die erste Pflicht der Kirche, ihre zentrale Priorität sein. Es muß die Pflicht jedes Bischofs und Priesters sein, jedes Ordensangehörigen, jedes Mannes und jeder Frau im Laienstand. In Ja- 518 REISEN maika wie anderswo besteht heute die dringende Notwendigkeit einer „neuen Evangelisierung”, einer neuen Verkündigung Jesu Christi, inmitten der Herausforderungen unserer Zeit. Und jeder Glaubende, jedes Mitglied der Kirche, ist gerufen, an dieser großen Aufgabe teilzunehmen. In besonderer Weise ist die neue Evangelisierung den Laien anvertraut, denn gerade durch sie wird die Kirche Christi in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft als Zeichen und Quelle der Hoffnung und der Liebe gegenwärtig (vgl. Christifideles laici, Nr. 7). Euch alle ermutige ich, das Licht und die Freude eures Glaubens mit anderen zu teilen. Euer Zeugnis für die Gute Nachricht wird im Leben der Kirche auf dieser Insel ein Ferment der Erneuerung sein. Denn „der Glaube wird stark durch Weitergabe” (Redemptoris missio, Nr. 2). 6. Diesbezüglich möchte ich an die christlichen Ehepaare ein besonderes Wort richten. Nach Gottes Plan für das Menschengeschlecht „verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Heisch” (Gen 2,24; vgl. Mt 19,5). Die aus der treuen Liebe von Mann und Frau entstandene Familie ist die Grundeinheit der Gesellschaft, die Wiege des Lebens und der Liebe, wo das Gottesgeschenk neuen Lebens freudig empfangen, genährt und mit allem zu seiner Entfaltung Nötigem bedacht wird. Die Zukunft der Gesellschaft hängt wesentlich mit der Stärke ihrer Familien zusammen (vgl. Familiaris consortio, Nr. 86). Christliche Ehepaare! Das Zeugnis eures Lebens soll immer deutlicher werden! Eure treue Liebe soll ausstrahlen und einen Kontrast bilden zu den Lebensweisen, die nicht mit dem Evangelium in Einklang stehen. Eure Familien sollen Heiligtümer der Liebe inmitten der vielen schwierigen Situationen sein, die durch den Mißbrauch der von Gott geschenkten Sexualität hervorgerufen werden. Die Jamaikaner haben als Volk die Übel der Sklaverei kennengelemt, eines Systems, das Menschen ihrer Würde als Abbilder Gottes beraubte, den geistigen Wert der Menschen leugnete und sie zu bloßen Objekten des Gebrauchs und der Ausbeutung reduzierte. Doch abgesehen von der Ausbeutung der Individuen, war eines der größten Übel der Sklaverei, daß sie die Familienbande zerstörte. Die Sklaverei trennte die Männer von ihren Frauen, ließ Frauen allein mit der Last, Kinder aufzuziehen; Kinder wurden der Anwesenheit des Vaters verlustig. Die tragischen Folgen dieses üblen Systems finden sich immer noch in Haltungen sexueller Verantwortungslosigkeit. Sie sind schmerzhaft ersichtlich im Leben allzu vieler Kinder, die Liebe und Unterstützung der Eltern und ein gesundes Familienleben vermissen, und bei allzu vielen Frauen, die sich oftmals allein abmühen, um für ihre Kinder aufzukommen. Die vollständige Befreiung von der Vergangenheit der Sklaverei muß auch das Bemühen zur Heilung der tiefen Narben im Leben der Gesellschaft zur Folge haben. Und bei der Sanierung und Wiederherstellung des Familienlebens haben christliche Ehepaare ein grundlegendes Zeugnis zu leisten. Als Lehrer des Glaubens und der 519 REISEN Tugend für ihre Kinder zeichnen christliche Eltern den Weg, den die nächste Generation gehen wird. Durch ihr Leben des Glaubens, der Treue, der Offenheit für das Leben und der versöhnenden Liebe werden christliche Familien zu primären Evangelisierem für andere Familien. 7. Der hl. Paulus schreibt: „Der Glaube (gründet) in der Botschaft, die Botschaft im Wort Christi” (Röm 10,17). Das Heil gründet im Hören des Gotteswortes und in der Antwort im Glauben: „Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden” (Röm 10,13). Doch der Apostel fragt weiter: „Wie sollen sie nun den anrufen ..., von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie soll aber jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist?” (Röm 10,14-15). Dieselben Fragen, die der hl. Paulus im Römerbrief stellt, müssen heute neuerlich gefragt werden. Wer wird die Gute Nachricht bringen? Wie soll es eine Evangelisierung geben ohne Evangelisierer? Jamaika hat das Evangelium empfangen. Es hat die Predigt derer vernommen, die vor so langer Zeit als erste die Gute Nachricht auf diese Insel gebracht haben. Sie waren als Antwort auf den Ruf Christi gekommen, seinem Auftrag gehorsam: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen” (Mk 16,15). Und in der Tat hörte man auf diese Verkündiger: „Ihre Stimme war in der ganzen Welt zu hören und ihr Wort bis an die Enden der Erde” (Röm 10,18). Aber es ist auch wahr, daß die Gute Nachricht immer wieder von neuem verkündet werden muß: jeder Generation, jedem Volk, bis an alle Enden der Erde und zu allen Inseln! Auf dieser schönen Insel Jamaika möge Gott würdige Verkündiger seines Wortes, begeisterte Zeugen für die Macht seines Heils berufen! Maria, die Jamaika unter dem Titel „Königin, in den Himmel aufgenommen” verehrt, möge für die Völker der Karibik Fürsprache einlegen, damit sie immer treuere Hörer des Wortes werden und den Glauben an unseren Herrn und Rettet Jesus Christus mutig verkünden. Jesus ist der Herr! Amen. 520 REISEN Eine Botschaft der Hoffnung, der Solidarität und der Liebe Ansprache an die Vertreter der eingeborenen Bevölkerung Amerikas in Izamal am 11. August Liebe Brüder und Schwestern, Vertreter der eingeborenen Bevölkerung Amerikas! 1. Es ist mir eine große Freude, heute hier in Yucatan unter euch, den hervorragenden Vertretern der Maya-Zivilisation, weilen zu können. Diese Begegnung mit euch war mein dringender Wunsch, weil ich auf diese Weise den eingeborenen Völkern Amerikas Ehre erweisen wollte. Ich hatte den Wunsch diese Pilgerfahrt zu einer der repräsentativsten Stätten der ruhmreichen Maya-Kultur schon im Oktober des Voijahres zu unternehmen: als Höhepunkt der Fünfhundert-Jahr-Feier der Ankunft des Evangeliums in der Neuen Welt. Heute wird dieser große Wunsch Wirklichkeit, und ich danke zutiefst dem barmherzigen Gott, der es mir erlaubt hat, diesen Tag mit den Nachkommen jener Männer und Frauen zu verbringen, die diesen Kontinent bevölkerten, als das Kreuz Christi hier am 12. Oktober 1492 aufgerichtet wurde. 2. Euch, hebe Brüder und Schwestern, die ihr in dieser Stadt Izamal zusammengekommen seid, gelten mein herzlicher Gruß und meine Ermutigung. Meine heutige Botschaft richtet sich jedoch nicht nur an die Anwesenden, sondern geht weit über die geographischen Grenzen Yucatans hinaus, um alle eingeborenen Gemeinschaften und Volksgruppen Amerikas zu erreichen: von der Halbinsel Alaska bis zum Feuerland. In euch nehme ich mit den Augen des Glaubens die Generationen von Männern und Frauen wahr, die euch im Lauf der Geschichte vorangegangen sind, und ich möchte euch erneut der großen Liebe versichern, welche die Kirche euch entgegenbringt. Ihr seid die Nachkommen der Tupi-Guarani, Aymara, Maya, Quechua, Chibcha, Nahualt, Mixteco, Araucano, Yanomani, Guajiro, Inuit und zahlreicher anderer Völker, die großartige Kulturen schufen, wie etwa die Azteken, Maya und Inka. Eure von den Vorfahren übernommenen Werte und eure Lebensauffassung, welche das Heilige im Menschen und in der Welt anerkennt, haben euch dank des Evangeliums veranlaßt, euer Herz Jesus aufzutun, der „der Weg und die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,16) ist. Einen besonders herzlichen Gruß richte ich an die eingeborenen Priester, Ordensleute und Seminaristen, deren Anwesenheit in Izamal uns mit Freude und die ganze Kirche mit Hoffnung erfüllt, sind sie doch Träger jener dringenden Aufgabe, welche die Neuevangelisierung ihrer Gemeinschaften und Völker ist. 3. Ich komme in dieses gesegnete Maya-Land im Namen Jesu Christi, des Armen und Demütigen, der uns die Verkündigung der Frohbotschaft an die Armen (vgl. Mt 11,6) als Zeichen seiner messianischen Sendung hinterlassen hat; im Namen 521 REISEN Jesu, der mit der Menge, die von überall hergekommen war, um seine Worte zu hören, Mitleid hatte, „denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben” (Mt 11,6). Ich komme, um die Sendung zu erfüllen, die ich vom Herrn empfangen habe: meine Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32). Ich komme, um euch eine Botschaft der Hoffnung, der Solidarität und der Liebe zu überbringen. Wenn ich euch, hebe Brüder und Schwestern, vor mir sehe, steigt aus meinem Herzen ein Dankgebet zu Gott für das Geschenk des Glaubens empor, das eure Ahnen wie einen großen Schatz gehütet haben und das ihr bestrebt seid, euren Kindern weiterzugeben. Die Worte Jesu drängen sich auf meine Lippen: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast” (Mt 11,25). Dieses Gebet Jesu hallt heute ganz besonders in Izamal wider, da Gott denen die Schätze seines Reiches mitteilen wollte, die demütigen Herzens sind. 4. Seit den Anlangen der Evangelisierung war die katholische Kirche, dem Geist Christi treu, die unermüdliche Verteidigerin der Indianer, die Beschützerin der ihren Kulturen innewohnenden Werte und die Förderin der Menschlichkeit angesichts der Mißbräuche der manchmal skrupellosen Kolonisatoren, die nicht imstande waren, in den Eingeborenen Brüder und Söhne des allen gleichen göttlichen Vaters zu sehen. Die Anklage, die Bartolome de Las Casas, Antonio de Montesinos, Vasco de Qui-roga, Jose de Anchieta, Manuel de NÖbrega, Pedro de Cordoba, Bartolome de 01-medo, Juan de Valle und zahlreiche andere gegen Ungerechtigkeit und Gewalttätigkeiten erhoben, war geradezu ein Aufschrei: Er beschwor eine den unantastbaren Wert der Person achtende Gesetzgebung herauf und stellte gleichzeitig ein prophetisches Zeugnis gegen die zur Zeit der Kolonisierung begangenen Mißbräuche dar. Diese Missionäre, die das Dokument von Puebla als „unerschrockene Kämpfer für die Gerechtigkeit und Verkünder des Evangeliums des Friedens” (Nr. 8) bezeichnet, waren nicht von irdischem Ehrgeiz oder von persönlichen Interessen beseelt, sondern folgten dem dringenden Ruf, Brüder zu evangelisieren, die Jesus Christus noch nicht kannten. „Die Kirche” - lesen wir im Dokument von Santo Domingo -„bemühte sich seit den ersten Begegnungen mit Gruppen von Eingeborenen, diesen im Überlebenskampf zur Seite zu stehen, und lehrte sie, von ihrer ungerechten Lage als besiegte, überwältigte und als Sklaven behandelte Völker ausgehend, den Weg Christi, des Retters” (Nr. 245). 5. Mit dieser apostolischen Reise möchte ich vor allem euren Glauben feiern, eure menschliche Entfaltung unterstützen und eure kulturelle und christliche Identität hervorheben. Meine Anwesenheit in eurer Mitte möchte auch eine entschiedene Befürwortung eures Rechtes auf kulturellen und gesellschaftlichen Lebensraum sein, sowohl als Einzelpersonen als auch als ethnische Gruppen. Liebe eingeborene Brüder und Schwestern, ihr tragt ein reiches Erbe menschlicher Weisheit in euch und seid gleichzeitig die Hüter der Zukunftserwartungen eurer 522 REISEN Völker: Die Kirche betont offen das Anrecht jedes Christen auf sein kulturelles Besitztum, Teil seiner Würde als Mensch und Kind Gottes. Dieser Reichtum muß aufgmnd seiner Werte wie Wahrheit, Güte und Schönheit anerkannt und geachtet werden. Leider muß man feststellen, daß der Reichtum eurer Kulturen nicht immer gebührend anerkannt und euer Recht als Personen und Völker nicht immer respektiert wurde. Die Sünde warf ihre Schatten auch über Amerika, und es kam zur Zerstörung zahlreicher künstlerischer und kultureller Werke seiner Völker und zur Gewaltanwendung, deren Opfer ihr nur allzuoft wart. Die Kirche läßt nicht davon ab, all ihren Söhnen und Töchtern die Liebe zur kulturellen Verschiedenheit einzuschärfen, die Ausdruck ihrer katholischen - universalen - Identität ist. Dieser Tatsache eingedenk, haben sich die anläßlich der 4. Generalkonferenz des Lateinamerikanischen Episkopats in Santo Domingo versammelten Bischöfe verpflichtet, „wirksam dazu beizutragen, daß jeder Politik Einhalt geboten werde, die mittels gewaltsamer Eingliederung auf das Verschwinden der eingeborenen Kulturen abzielt oder die im Gegenteil die Eingeborenen ausgrenzen und von der Wirklichkeit der Nation absondem möchte” (Nr. 251). 6. Wenn ich eure konkrete Wirklichkeit betrachte, möchte ich euch sagen, daß die Kirche mit Liebe und Hoffnung auf eure authentischen Werte blickt. In der Botschaft, die ich zum fünfhundertsten Jahrestag des Anfangs der Evangelisierung Amerikas an die eingeborenen Völker richtete, betonte ich, daß „Einfachheit, Demut, Freiheitsliebe, Gastfreundschaft, Solidarität, Familiensinn, Natumähe und kontemplative Haltung Werte sind, welche im Bewußtsein der eingeborenen Bevölkerung Amerikas bis zu unseren Tagen lebendig gebheben sind und ein spürbares Element der lateinamerikanischen Seele darstellen” (Santo Domingo, 12. Oktober 1992, Nr. 1). Deshalb ermutigt der Papst die eingeborenen Völker Amerikas, mit gesundem Stolz die Kultur ihrer Ahnen zu pflegen. Ihr sollt um die althergebrachten Reichtümer eurer Völker wissen und sie Frucht tragen lassen. Vor allem sollt ihr um den großen Schatz des Glaubens wissen, den ihr dank der Gnade Gottes empfangen habt: den katholischen Glauben. Im Licht des Glaubens an Christus werdet ihr erreichen, daß eure Völker, ihren berechtigten Traditionen treu, sowohl in materieller als auch in spiritueller Hinsicht wachsen und Fortschritte machen und so die Gaben verbreiten, mit denen Gott sie bereichert hat. 7. Ich weiß auch um die Schwierigkeiten eurer derzeitigen Lage und möchte euch versichern, daß die Kirche, eure besorgte Mutter, euch begleitet und eure berechtigten Bestrebungen und Forderungen unterstützt. Ich weiß von nicht wenigen eingeborenen Brüdern und Schwestern, die aus ihrem Heimatort vertrieben und auch des Bodens beraubt wurden, auf dem sie lebten. Auch gibt es, über den amerikanischen Kontinent verstreut, zahlreiche Gemeinden von Eingeborenen, die unter ärgster Armut leiden. Deshalb „kann die Welt angesichts der chaotischen und erschütternden Situation, die sich vor unseren Augen enthüllt, nicht ruhig und zufrieden bleiben: Einige Nationen, Bevölkerungsschichten, Familien und einzelne werden immer rei- 523 REISEN eher und privilegierter gegenüber Völkern, Familien und vielen Personen, die Armut leiden müssen, Opfer von Hunger und Krankheiten werden, keine würdigen Lebensverhältnisse, Gesundheitsdienste und keinen Zutritt zur Kultur besitzen” (Eröffnungsansprache bei der 4. Vollversammlung des lateinamerikanischen Episkopats, Santo Domingo, 12. Oktober 1992, Nr. 15; in: O.R.dt., 23.10.92, Nr. 43, S. 9). Als Christen können wir der gegenwärtigen Lage, wo zahlreiche Brüder und Schwestern des Rechtes auf ehrliche Arbeit beraubt werden und so viele Familien verelenden, nicht gleichgültig gegenüberstehen. Man kann nicht verneinen, daß in einigen Ländern Lateinamerikas dank des gemeinsamen Bemühens öffentlicher und privater Stellen gute Ergebnisse erzielt wurden. Diese dürfen jedoch kein Vorwand für ein Flinwegsehen über die Mängel eines Wirtschaftssystems sein, dessen wichtigster Zweck der Gewinn ist, weshalb der Mensch dem Kapital untergeordnet und zu einem Rädchen in einer gigantischen Produktionsmaschine wird, während seine Arbeit zur Ware degradiert und dem Auf und Ab des Gesetzes von Angebot und Nachfrage ausgeliefert ist. 8. Es sind das sehr ernste, wohlbekannte Situationen, die mutige, der Gerechtigkeit entsprechende Lösungen fordern. Die Soziallehre der Kirche hat stets betont, daß Gott die Güter der Schöpfung zum Dienst und Nutzen all seiner Kinder bestimmte. Deshalb darf niemand, die vordringlichen Erfordernisse des Gemeinwohls mißachtend, sich ihrer bemächtigen oder sie auf unvernünftige Weise zerstören. Aus allen diesen Gründen möchte ich mich an die für die soziale Förderung verantwortlichen Stellen des ganzen Kontinents wenden und sie auffordem, sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für die Verbesserung der Lage der Eingeborenen zu verwenden, damit die Mitglieder dieser Gemeinschaften als Arbeiter, Staatsbürger und Kinder Gottes ein menschenwürdigeres Leben fuhren können. Von Izamal, dem Symbol der ruhmreichen Maya-Kultur aus, möchte ich auch an die entwickelten Gesellschaften einen Aufruf richten: Mögen sie in Überwindung von ausschließlich gewinnorientierten Wirtschaftsordnungen echte und wirksame Lösungen für die schwerwiegenden Probleme finden, die große Teile der Bevölkerung des Kontinents bedrücken. Liebe, eingeborene Brüder und Schwestern: Wenn ich euch hier so zahlreich versammelt sehe, vom gemeinsamen christlichen Glauben zur Begegnung mit dem Nachfolger des Apostels Petrus zusammengerufen, fühle ich mich verpflichtet, einen Appell zur Solidarität, zu einer alle Grenzen überschreitenden Verbrüderung an euch zu richten. Das Wissen um die Tatsache, daß ihr Kinder des gleichen Gottes und vom Blut Jesu Christi erlöst seid, muß euch vom Glauben her dazu bewegen, solidarisch alle jene Voraussetzungen zu fördern, welche die Gesellschaften, worin ihr lebt, für alle gerechter und geschwisterlicher machen. Diese Solidarität, zu der euch der Hirte der Weltkirche auffordert, ist nicht in fragwürdigen und kurzlebigen 524 REISEN Ideologien verwurzelt, sondern in der unvergänglichen Wahrheit der Frohbotschaft, die Jesus uns hinterlassen hat. 9. Angesichts nicht weniger negativer Tatsachen, die manchmal Pessimismus und Mutlosigkeit hervorrufen, verkündet die Kirche unermüdlich und kraftvoll die Hoffnung auf eine bessere Welt, da Jesus das Böse und die Sünde besiegt hat. Die Kirche darf sich auf keine Weise von irgendeiner Ideologie oder politischen Strömung die Fahne der Gerechtigkeit entreißen lassen, die eine der ersten Forderungen des Evangeliums und gleichzeitig Frucht des Kommens des Reiches Gottes ist. Das ist Teil der vorzüglichen Liebe zu den Armen und kann nicht von den großen Prinzipien und Forderungen der Soziallehre der Kirche losgelöst werden, deren „erster Gegenstand die Personenwürde des Menschen - des Abbildes Gottes - und der Schutz seiner unveräußerlichen Rechte sind” (Puebla, Nr. 475). Die Bischöfe Lateinamerikas haben sich diesbezüglich im Schlußdokument der Konferenz von Santo Domingo verpflichtet, „neuerlich die dem Evangelium entsprechende Entscheidung zugunsten der Armen zu treffen und, dem Beispiel und den Worten des Herrn Jesus Christus folgend, mit vollem Vertrauen auf Gott ein karges Leben zu führen und sie an ihren Gütern teilhaben zu lassen” (Nr. 180). Was den Heiligen Stuhl betrifft so hat er als Zeichen der Solidarität die Stiftung „Populorum Progressio” ins Leben gerufen, die über einen Hilfsfonds zugunsten der Bauern, der Indianer und der übrigen Menschengruppen der Landgebiete verfügt, die in Lateinamerika besonders schutzlos sind. 10. Ihr, hebe eingeborene Brüder und Schwestern, sollt - immer vom Glauben an Gott unterstützt und mit Hilfe entsprechender Vereinigungen zur Verteidigung der euch zustehenden Rechte - die unermüdlichen Träger eurer ganzheitlichen, christlichen und menschlichen Entwicklung sein. Dabei sollt ihr euch jedoch auch durch den edlen Kampf für die Gerechtigkeit nicht zu gewaltsamen Auseinandersetzungen verleiten lassen; folgt vielmehr immer den evangelischen Grundsätzen der Zusammenarbeit und des Dialogs, da Gewalt und Haß gefährliche Samen sind, unfähig, etwas anderes als Haß und Gewalt hervorzubringen. Laßt euch nicht von den Schwierigkeiten entmutigen oder einschüchtem! Seid der Tatsache eingedenk, daß Gegenwart und Zukunft eures Landes auch in euren Händen liegen und von euren Bemühungen abhängen. Eure Arbeit ist eine erhabene und erhebende Aufgabe, da sie euch zu Mitarbeitern des Schöpfergottes macht und es euch erlaubt, den Mitmenschen, unseren Brüdern und Schwestern, zu dienen. Bevor ich schließe, möchte ich mich an die Priester, die Ordensleute, die Katecheten und die zahlreichen Träger der Pastoral wenden, die in den Gemeinden der Eingeborenen auf dem ganzen Erdteil selbstlose Arbeit leisten. Ich ermutige sie, weiterhin ihren apostolischen Aufgaben in voller Gemeinschaft mit ihren Hirten und gemäß der Lehre der Kirche nachzukommen als Werkzeuge der Heiligung durch ihr Wort und durch die Sakramente. Im Amt, das sie ausüben, sind sie in erster Linie dazu berufen, Zeugnis von Heiligkeit und Einsatzbereitschaft zu geben, wohl wissend, 525 REISEN daß es sich um eine Arbeit religiösen Charakters handelt. Es ist daher unzulässig, daß dem Evangelium fremde Interessen die Reinheit der Sendung trüben, die ihnen die Kirche anvertraut hat. ll.Zum Abschluß dieser Begegnung mit euch, liebe eingeborene Brüder und Schwestern Amerikas, richte ich im Glauben und in der Liebe, die uns einen, mein inniges Gebet zu Unserer Lieben Frau von Guadalupe. Sie möge euch zu allen Zeiten schützen und das Versprechen Wirklichkeit werden lassen, das sie einst auf dem Hügel Tepeyac dem Indianer Juan Diego gegeben hat, diesem edlen Sohn eures Blutes, den ich zur Ehre der Altäre erheben durfte: „Höre und verstehe, mein kleiner Sohn: Nichts soll dich schrecken, nichts dich betrüben; dein Herz verwirre sich nicht; weder diese noch irgendeine andere Krankheit soll dich ängstigen. Bin ich, deine Mutter, nicht hier? Stehst du nicht in meinem Schatten? Bin ich nicht dein Heil? Bist du nicht glücklich in meinem Schoß?” (Nican Mopohua) Von Izamal auf der Halbinsel Yucatan aus rufe ich reiche göttliche Gnaden auf alle gebebten eingeborenen Brüder und Schwestern des amerikanischen Kontinents herab, und ich segne euch aus ganzem Herzen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Wertsystem für junge Menschen Ansprache bei der Ankunft auf dem internationalen Flughafen von Denver am 12. August Herr Präsident, hebe Freunde, liebes Volk Amerikas, liebe Jugendliche! 1. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre vornehmen Willkommensworte. Der Weltjugendtag, der dieses Jahr in Denver stattfindet, gibt mir die Gelegenheit, Ihnen zu begegnen und durch Sie dem amerikanischen Volk erneut die Gefühle meiner großen Wertschätzung und Freundschaft auszudrücken. Ich danke Ihnen und Ihrer Gattin für die freundliche Geste, persönlich mit Ihrer Tochter hierherzukommen, um mich zu begrüßen. Ich nehme die Gelegenheit wahr, die weiteren Vertreter der Bundesregierung, des Staates Colorado und der Stadt Denver zu grüßen, die hier anwesend sind, und allen zu danken, die in irgendeiner Weise beigetragen haben, diesen Besuch vorzubereiten. Ich danke den Bischöfen der Vereinigten Staaten für ihren Anteil an der Organisation des achten Weltjugendtags und vor allem Erzbischof Stafford von Denver und der katholischen Kirche in Colorado, daß sie als Gastgeber für dieses wichtige internationale Ereignis zur Verfügung stehen. 526 REISEN Ich weiß, daß die Vereinigten Staaten sehr an den Folgen der kürzlichen Flutkatastrophe im Mittelwesten leiden. Ich habe mich den Amerikanern in ihrem Leiden sehr nahe gefühlt und für die Opfer gebetet. Auf alle, die von dieser Katastrophe getroffen wurden, flehe ich die Kraft und den Trost des allmächtigen Gottes herab. 2. Zur Feier dieses Weltjugendtags nach Amerika zu kommen, bereitet eine besondere Freude. Eine Nation, die an geschichtlichen Maßstäben gemessen, selbst noch jung ist, empfängt junge Leute aus der ganzen Welt zu einem ernsthaften Nachdenken über das Thema „Leben”: das Menschenleben, das wunderbare Geschenk Gottes an einen jeden von uns, und das transzendente Leben, das unser Retter Jesus Christus denen anbietet, die an seinen Namen glauben. Ich komme nach Denver, um den hier versammelten jungen Menschen zuzuhören, ihre unermüdiche Suche nach dem Leben zu erfahren. Jeder der voraus gegangenen Weltjugendtage hat bestätigt, daß die Jugendlichen offen dafür sind, das Leben als ein empfangenes Geschenk zu verstehen, ein Geschenk, auf das sie nur allzu bereitwillig antworten, indem sie sich für eine bessere Welt für sich selbst .und ihre Mitmenschen einsetzen. Ich glaube, daß wir ihr tiefstes Verlangen richtig deuten, wenn wir sagen: Sie möchten, daß die Gesellschaft - besonders die Verantwortlichen der Nationen und alle, die auf das Geschick der Völker Einfluß nehmen - sie als echte Partner beim Aufbau einer menschlicheren, gerechteren und mitfühlenderen Welt annehmen. Sie möchten die Gelegenheit haben, ihre spezifischen Ideen und Energien bei dieser Aufgabe einzubringen. 3. Das Wohl der Kinder und Jugendlichen der Welt muß allen, die öffentliche Verantwortung tragen, ein vordringliches Anliegen sein. Bei meinen Pastoralbesuchen der Kirche in allen Teilen der Welt war ich immer wieder tief bewegt von den fast überall schwierigen Bedingungen, unter denen Jugendliche aufwachsen und leben. Zuviel Leid haben Naturkatastrophen, Hungersnöte, Epidemien, wirtschaftliche und politische Krisen, die Greuel des Krieges über Heranwachsende gebracht; und dort, wo die materiellen Bedingungen wenigstens ausreichend sind, machen sich andere Schwierigkeiten breit, nicht zuletzt der Zusammenbruch von Stabiütät und Wert der Familie. In den entwickelten Ländern beeinträchtigt eine ernste moralische Krise bereits das Ixben vieler junger Leute, so daß sie ziel- und hoffnungslos dahintreiben und nur noch nach unmittelbarer Befriedigung Ausschau halten. Doch überall gibt es junge Männer und Frauen, denen die Welt um sie herum ein ernsthaftes Anliegen ist, die bereit sind, im Dienst an anderen ihr Bestes zu geben, und die eine besondere Sensibilität für die transzendente Bedeutung des Lebens besitzen. Doch wie helfen wir ihnen? Entscheidend ist die Grundlage einer hohen moralischen Sicht. Nur so kann eine Gesellschaft gewährleisten, daß der jungen Generation die Möglichkeit offensteht, als freie und intelligente Menschen zu reifen, die mit einem starken Empfinden für die Verantwortung am Gemeinwohl ausgestattet und fähig sind, mit anderen für den Aufbau einer Gemeinschaft und einer Nation mit morali- 527 REISEN schem Rückgrat zu arbeiten. Amerika wurde auf einer solchen Sicht aufgebaut; und die Amerikaner besitzen die Intelligenz und den Willen, die Herausforderung anzunehmen und sich mit neuer Energie für die Förderung der Wahrheiten einzusetzen, worauf ihr Land errichtet ist und wodurch es groß wurde. Diese Wahrheiten sind in der Unabhängigkeitserklärung, der Verfassung und der Bill of Rights bewahrt. Sie erfreuen sich heute noch breiter Zustimmung unter den Amerikanern. Die Werte, die sich auf diese Wahrheiten stützen, haben dazu geführt, daß Leute in aller Welt mit Hoffnung und Respekt auf Amerika blicken. 4. An alle Amerikaner ohne Ausnahme richte ich die Einladung: Laßt uns innehalten und miteinander überlegen (vgl. Jes 1,18). Ohne ein auf Wahrheit gegründetes Wertsystem erziehen heißt, junge Menschen moralischer Verwirrung, persönlicher Unsicherheit und leichter Manipulation preisgeben. Kein Land, auch nicht das mächtigste, kann Bestand haben, wenn es seine Kinder dieses wesentlichen Gutes beraubt. Achtung vor der Würde und dem Wert des Menschen, Rechtschaffenheit und Verantwortlichkeit sowie Verständnis, Mitgefühl und Solidarität gegenüber anderen bleiben nur dann erhalten, wenn sie in den Familien, den Schulen und durch die Medien weitergegeben werden. Amerika hat eine starke Tradition der Achtung des Individuums, der Menschenwürde und der Menschenrechte. Gerne habe ich das bei meinem letzten Besuch in den Vereinigten Staaten 1987 anerkannt, und die Zuversicht, die ich damals geäußert habe, möchte ich heute wiederholen: „Amerika, du bist schön und in vielfacher Weise gesegnet... Deine größte Schönheit und dein reichster Segen liegt aber in der menschlichen Person: in jedem Mann, jeder Frau und jedem .Kind, in jedem Einwanderer, in jedem Sohn und jeder Tochter, die im Land geboren sind ... Der entscheidende Test deiner Größe ist die Art, wie du jeden Menschen behandelst, besonders die Schwächsten und Schutzlosesten. Die bedeutendsten Überlieferungen deines Landes setzen Achtung vor jenen voraus, die sich nicht selbst verteidigen können. Wenn du gleiche Gerechtigkeit für alle willst, wahre Freiheit und dauernden Frieden, dann, Amerika, schütze das Leben! All die großen Dinge, die du heute besitzt, haben nur in dem Maße Wert, wie du das Recht auf Leben garantierst und die menschliche Person schützt” (Abschiedswort in Detroit, 19.9.87, in: O.R.dt. 13.11.87). 5. Herr Präsident, meine Berufung auf die ethischen Wahrheiten, die das Leben der Nation tragen, ist nicht ohne Bedeutung für die Vorzugsstellung, die die Vereinigten Staaten in der internationalen Gemeinschaft innehaben. Angesichts der Spannungen und Konflikte, die zu viele Völker schon so lange durchmachen - ich denke insbesondere an die Nah-Ost-Region und einige afrikanische Länder - und in der neuen, aus den Ereignissen von 1989 entstandenen Lage - vor allem hinsichtlich der nun im Balkan und im Kaukasus stattfindenden tragischen Konflikte - sollte die internationale Gemeinschaft wirksamere Strukturen zur Erhaltung und Förderung der Gerech- 528 REISEN tigkeit und des Frieden schaffen. Das setzt voraus, daß ein Konzept von strategischer Bedeutung auf der Grundlage der vollständigen Entwicklung der Völker entwickelt wird: heraus aus der Armut zu einer würdigeren Existenz, heraus aus Ungerechtigkeit und Ausbeutung zu einer vermehrten Achtung der menschlichen Person und dem Schutz der allgemeinen Menschenrechte. Wenn es den Vereinten Nationen und anderen internationalen Behörden durch die weise und aufrichtige Zusammenarbeit ihrer Mitgliedstaaten gelingt, betroffene Bevölkerungen wirksam zu schützen, seien es Opfer der Unterentwicklung oder von Konflikten oder massiven Menschenrechtsverletzungen, dann besteht tatsächlich Hoffnung für die Zukunft: Denn Friede ist das Werk der Gerechtigkeit. 6. Die Großzügigkeit und Vorsehung Gottes hat eine riesige Verantwortung auf das Volk und die Regiemng der Vereinigten Staaten gelegt. Diese Bürde ist jedoch auch die Chance zu wahrer Größe. Mit Millionen Menschen auf der ganzen Welt teile ich die tiefe Hoffnung, daß die Vereinigten Staaten in der gegenwärtigen internationalen Lage keine Anstrengungen scheuen werden, um die wahre Freiheit voranzubringen und Menschenrechte und Solidarität zu fördern. Möge Gott diese Nation leiten und in ihr für ungezählte Generationen die Flamme der Freiheit und Gerechtigkeit für alle lebendig erhalten. Gott segne euch alle! Gott segne Amerika! Amerika, ich danke dir, daß du mich mit Regen empfängst. Pilger, die ein Ziel anstreben Begrüßungsansprache an die Jugend in Denver am 12. August Liebe, junge Menschen, Pilger auf dem Pfad des Lebens! Liebe Jugendliche, ich grüße euch im Namen Christi. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. 1. Der Geist Gottes hat uns zu diesem achten Weltjugendtag geführt. Bei acht aufeinanderfolgenden Gelegenheiten sind junge Menschen aus allen Teilen der Welt dem Aufruf der Kirche gefolgt und haben sich auf den Weg gemacht, um sich mit ihren Bischöfen und dem Papst zu treffen: den Reisegefährten auf dem Pfad des Lebens, auf der Suche nach Christus. Es ist Jesus Christus, das wahre Leben, der unserer Existenz auf Erden Hoffnung und Sinn gibt, der unsere Gedanken und Herzen für das Gute und das Schöne in der Welt um uns, für Solidarität und Freundschaft zu unseren Mitmenschen, zur innigen Vereinigung mit Gott selbst öffnet in jener Liebe, die über alle zeitlichen und räumlichen Grenzen hinaus zu ewiger, unanfechtbarer Glückseligkeit führt. Dieser Weltjugendtag hat uns nach Denver gebracht, eine herrliche Stadt im Herzen der Vereinigten Staaten von Amerika. 529 REISEN Ihr wißt, wir sind in Denver, in Colorado; und ihr wißt auch, daß dieser Herr hier der Erzbischof von Denver ist. Er ist unser Gastgeber. Mit ihm heiße ich jeden einzelnen von euch willkommen: „Eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen” (Ojfb 7,9). Ich begrüße eure Bischöfe, eure Priester, eure geistigen Führer, eure Familien. Ich danke euch, daß ihr hier seid. Ich danke allen: Erzbischof Stafford von Denver und seinen Mitarbeitern; Erzbischof Keeler, dem Präsidenten der Bischofskonferenz und allen Bischöfen; der bischöflichen Kommission, die diesen Weltjugendtag organisiert hat; Kardinal Pironio und dem Päpstlichen Rat für die Laien; den staatlichen Behörden; den Menschen von Denver und Colorado, unseren freundlichen Gastgebern; den Freiwilligen, die dafür sorgen, daß alles reibungslos abläuft: Ich danke euch allen für eure Liebenswürdigkeit, eure Gastfreundschaft und euren guten Willen. Die meisten unter euch sind Mitglieder der katholischen Kirche, aber viele gehören auch anderen christlichen Kirchen und Vereinigungen an, und ich grüße sie alle mit aufrichtiger Freundschaft. Trotz der Spaltungen unter den Christen sind alle „durch den Glauben in der Taufe gerechtfertigt und in Christus eirigegliedert, ... als Brüder im Herrn anerkannt” (Unitatis redintegratio, Nr. 3). Jedes Zusammentreffen zwischen jungen Katholiken und anderen jungen Christen muß dazu führen, gemeinsam den Reichtum jener Evangeliumsbotschaft des Lebens und der Liebe eingehender zu entdecken. Ich heiße euch alle willkommen, die ihr euch von überall aus den Vereinigten Staaten, aus jeder Diözese dieses weiten Landes, hier eingefunden habt. In eurer Mitte ist eine Gruppe, die ich mit ganz besonderer Hochachtung erwähnen möchte: die eingeborenen Völker Amerikas. Ich danke euch, daß ihr den Reichtum und die Farben eurer Tradition zum Weltjugendtag mitgebracht habt. Möge Christus wahrlich der Weg, die Wahrheit und das Leben eurer Völker sein! Die meisten von euch kommen aus den Vereinigten Staaten. Viele stammen auch aus den beiden anderen Staaten Nordamerikas: aus Kanada und Mexiko. Einige kommen aus der Karibik, den Bahamas, Kuba, Haiti, Puerto Rico, der Dominikanischen Republik, den Jungfem-Inseln. Andere wiederum kommen aus Zentralamerika, vor allem aus Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama. Wieder andere kommen aus Zentralamerika und allen Ländern Südamerikas: aus Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Ekuador, Paraguay, Peru, Uruguay und Venezuela. Andere stammen aus Afrika: aus Algerien, Angola, Benin, Burundi, den Kapverdischen Inseln, Kamerun, Ägypten, Äthiopien, Gambia, Ghana, Kenia, Madagaskar, Malawi, Mali, den Mauritius Inseln, Mozambique, Nigerien, Ruanda, Senegal, Sierra Leone, Südafrika, Sudan, Swasiland, Tansania, Uganda, Zaire, Sambia und Simbabwe. 530 REISEN Aus den Ländern Asiens: aus Bangladesch, China, Hongkong, Indien, Indonesien, Japan, Tazakistan, Korea, Makao, Malaysia, Myanmar, Pakistan, den Philippinen, Singapur, Taiwan, Thailand und Vietnam. Es sind auch Jugendliche aus Ozeanien und den Pazifikinseln unter uns: aus Australien, Neuseeland, Guam, den Solomon-Inseln und Westsamoa. Aus dem Nahen Osten: Israel, Jordanien und dem Libanon. Aus Europa: Albanien, Österreich, Belgien, Belarus, Bulgarien, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, Böhmen (Tschechische Republik), Slowakische Republik, Dänemark, England, Schottland, Wales, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, den Niederlanden, Ungarn, Irland, Italien, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Rußland, Serbien, Montenegro, Spanien, Schweden, der Schweiz und der Ukraine. Möge Jesus Christus, der Herr unserer Geschichte und das Licht der Nationen, jedem von euch und allen Völkern, die ihr vertretet, im Osten wie im Westen, im Norden wie im Süden, Frieden schenken. Gott segne die Jugendlichen des Weltjugendtags. Zusammen mit den jungen Leuten möchte ich meine Brüder im Bischofsamt und die Priester begrüßen, die die verschiedenen Gruppen aus den vielen Ländern begleiten, die sich auch wieder jung fühlen und mit den Jugendlichen hergekommen sind, um wieder jung zu werden, um jung zu sein, und das gilt auch für den Papst. 2. Nun möchte ich einige der anwesenden Gruppen besonders begrüßen. Auf spanisch sagte der Papst: Von ganzem Herzen begrüße ich die hier so zahlreich vertretenen Jugendlichen spanischer Sprache, die aus vielen Städten dieser Nation kommen wie auch aus den meisten Ländern Lateinamerikas und aus Spanien. Möge dieser Tag, der mit der Fünfhundertjahrfeier der Ankunft des Evangeliums in der Neuen Welt so eng im Zusammenhang steht, eine günstige Gelegenheit sein, um die Bande der Brüderlichkeit und der Hoffnung unter den jungen Menschen Amerikas und aller Kontinente zu festigen und um das Bewußtsein eurer Sendung als Gläubige neu zu beleben: ein kraftvolles Zeugnis des neuen Lebens, das Christus uns für das Heil der Welt gegeben hat. Auf französisch fühl der Papst fort: Junge Menschen französischer Sprache, ich hoffe, daß diese Wallfahrt des Glaubens euren Entschluß stärke, auf stets intensivere Weise die Apostel der jungen Welt zu sein. Ich grüße diejenigen unter euch, die aus Frankreich und aus Kanada wie auch aus anderen französischsprachigen Nationen kommen. Ein besonderes Wort der Ermunterung richte ich an die jungen Leute aus Haiti, und ich bete für den Frieden und die harmonische Entwicklung ihres Landes. 531 REISEN Weiter sagte der Papst auf italienisch: Jugendliche aus Italien: Ich danke euch, daß ihr so zahlreich der Einladung nach Denver gefolgt seid. Ich weiß, daß ihr euch geistig sehr ernsthaft auf diese Pilgerreise vorbereitet habt, und ich bin sicher, daß ihr reiche Früchte für euer Leben und euer christliches Zeugnis ernten werdet. In deutscher Sprache sagte der Papst: ; . Herzlich begrüße ich euch, hebe deutschsprachige junge Menschen, die ihr gekommen seid, um Zeugnis abzulegen von eurem Glauben an Jesus Christus, der uns das Leben in Fülle schenkt (vgl. Joh 10,10). Mögen diese Tage des Gebetes und der Besinnung, der Begegnung und des fröhlichen Zusammenseins mit den Jugendlichen aus aller Welt euch im Dienst an der Kirche und an der Welt bestärken. Auf portugiesisch fuhr der Papst fort: Liebe Freunde aus Portugal, aus Brasilien, Angola, Mosambique, Sao Tome und Principe: Jesus Christus ist die Hoffnung der Welt. Möget ihr in diesen Tagen in Denver auf stets intensivere Weise seine Freundschaft und seine Nähe erfahren. Weiter sagte er in polnischer Sprache: Herzlichst grüße ich die Jugendlichen und ihre Hirten aus Polen ebenso wie die jungen Menschen polnischer Abstammung, die in Amerika und anderen Ländern leben. Nach dem unvergeßlichen Erlebnis des Weltjugendtreffens von 1991 im Heiligtum von Jasna Göra in Tschenstochau, wo die polnische Jugend Gastgeber war, sind wir heute hier in Denver, in den Vereinigten Staaten. Das ist ein weiterer Abschnitt der Wallfahrt der Jugendlichen, die den Weg der neuen Evangelisierung gehen. Junge Landsleute, möge das Glaubenszeugnis tausender Jungen und Mädchen, die aus aller Welt hier zusammengekommen sind, euch eine Hilfe sein, Christus, die Quelle des Lebens, neu zu entdecken. Er - gekreuzigt und auferstanden - ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14,8). Er ist der Weg, der uns den Reichtum des Lebens erschließt. Anschließend sagte der Papst auf russisch: Junge Menschen der russischen Sprache, seid stets offen für das Licht des Lebens, um seine treuen Zeugen zu werden. Darauf fuhr er in litauischer Sprache fort: Junge Menschen aus Litauen: Ich freue mich sehr auf den Besuch in eurem Heimatland im September. Möge das Leben und das Licht Christi eure Herzen erleuchten und euch Mut geben! 532 REISEN In kroatischer Sprache sagte der Papst: Liebe, junge Menschen aus Kroatien, wir alle, die wir hier zum Weltjugendtag versammelt sind, stehen euch in dieser schweren Konfliktsituation bei, die so viel Leid in der Balkanregion hervorgerufen hat. Möge Gott die Verantwortlichen der betroffenen Gebiete und der internationalen Gemeinschaft erleuchten, um eine rasche und gerechte Friedenslösung herbeizuführen, damit weiteres Blutvergießen und weitere Zerstörung verhindert werden. Auf arabisch fuhr er fort: Der Friede Christi sei mit allen hier anwesenden jungen Menschen arabischer Sprache. In Tagalog sprach der Papst weiter: Herzlichst begrüße ich alle aus den Philippinen kommenden und aus den Philippinen stammenden jungen Menschen. Möge Christus stets das Licht eures Lebens sein, und möge er euch für die Herausforderungen stärken, denen ihr als seine Zeugen für andere junge Menschen gegenübersteht. Auf swahili sagte der Papst: Möge Gott euch alle mit Glaube, Hoffnung und Liebe segnen. In koreanischer Sprache fuhr er fort: Möget ihr würdige Erben des hl. Andrew Kim und seiner Märtyrergefährten sein. Sie liebten Christus bis zum Äußersten. Möget auch ihr seine treuen Jünger werden. Schließlich sagte der Papst in vietnamesischer Sprache: Junge Menschen aus Vietnam, möget ihr stark und mutig sein in eurem lieben als Christen. 3. Wir sind als Pilger nach Denver gekommen. Wir setzen jene Reise fort, die Milhonen junger Menschen im Verlauf der vergangenen Weltjugendtage begonnen haben: in Rom, in Buenos Aires, in Santiago de Compostela und in Tschenstochau. Pilger, die ein Ziel anstreben. In unserem Fall handelt es sich nicht so sehr um einen Ort oder ein Heiligtum, das wir verehren wollen. Unsere Pilgerschaft ist vielmehr eine Wallfahrt in eine moderne Stadt, ein symbolisches Ziel: Die „Metropole” ist jener Ort, der - am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts - den Lebensstil und die Entwicklung eines großen Teils der Menschenfamilie bestimmt. Diese moderne Stadt Denver befindet sich in der herrlichen Naturkulisse der Rocky Mountains: Es ist, als ob das Werk menschlicher Hände mit dem Werk des Schöpfers verbunden wäre. Wir suchen demnach nicht nur in der Schönheit der Natur nach der Einwirkung Gottes, sondern auch in den Leistungen der Menschheit und jedes einzelnen. 533 REISEN Auf dieser Wallfahrt lenkt Jesus Christus unsere Schritte mit den folgenden Worten: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Ich möchte euch während dieses ersten Treffens auffordem, tief in das Innere eurer Herzen einzudringen und die kommenden Tage als authentische Begegnung mit Jesus Christus zu leben. Natürlich sind wir hier, um einander zuzuhören: ich euch und ihr dem Papst. Aber vor allem sind wir in Denver, um das eine wahre Wort des Lebens zu hören - das ewige Wort, das zu Anfang bei Gott war; durch das alles geworden ist und ohne das nichts wurde, was geworden ist (vgl. Joh 1,2-3). Junge Menschen in Amerika und der ganzen Welt, hört auf das, was Christus, der Erlöser, euch zu sagen hat! „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben” (Joh 1,12). Der Weltjugendtag fordert euch heraus, voll zu erkennen, wer ihr seid, nämlich die innig gebebten Söhne und Töchter Gottes. Auf spanisch fuhr der Papst fort: 4. Eure Wallfahrt nach Denver wird euch auf den verschiedenen Abschnitten des Wegs veranlassen, über das Versprechen Christi von der Fülle des Lebens nachzudenken. In der Kirche der hl. Isabella wird euch das Kreuz des Heihgen Jahres daran erinnern, wo ihr das wahre Leben, das Jesus euch anbietet, suchen könnt. Jesus sagt: „Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig” {Mt 10,38). Er sagt das nicht, web er euch nicht genug hebt, sondern weil er euch auf das wahre Leben und zu wirkhcher Liebe hinführen will. Das Leben, das Jesus gibt, kann nur durch hingabevobe Liebe erfahren werden, und solche Liebe verlangt immer irgendeine Art von Opfer: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht” {Joh 12,24). Das ist es, was das Kreuz uns lehrt. Dann sagte der Papst in französischer Sprache: In der Heilig-Geist-Kirche führt euch eure Wallfahrt direkt zu Christus, der in der heiligen Eucharistie zugegen ist. Im Gebet vor dem heiligen Sakrament könnt ihr ihm eure Herzen öffnen, aber ihr müßt vor allem hinhören, was er jedem von euch sagen möchte. Mit Vorbebe richtet Christus folgende Worte an junge Leute: „Fürchtet euch also nicht!” {Mt 10,31) und „komm und folge mir nach” {Mt 19,21). Wer weiß, was der Herr von euch, den jungen Menschen in Amerika, den jungen Söhnen und Töchtern Europas, Afrikas, Asiens und Ozeaniens, verlangen wird? Schließlich sagte der Papst auf italienisch: In der Kathedrale von der Unbefleckten Empfängnis führt euch eure Wabfahrt zum Bildnis der „Mutter des neuen Lebens”. Maria, die Mutter des Erlösers, war .die erste und beste Gefährtin ihres Sohnes. Sie wird in jedem Stadium eurer Pilgerreise 534 REISEN zugegen sein. Sie ist die beste Führerin, die wir haben können, denn sie bringt uns zu Christus, indem sie uns sagt: „Was er euch sagt, das tut” (Joh 2,5). 5. Morgen, Freitag, ist der Tag der Solidarität und der Buße. Als Geste der Liebe für unsere ärmeren Brüder und Schwestern sind wir alle aufgefordert, beim morgigen Mittagessen ein Opfer zu bringen, und das, was wir erübrigen können, für das St.-Josef-Krankenhaus in Kitovu in Uganda zu spenden, wo vielen AIDS-Kranken hebevolle und aufmerksame Pflege zuteil wird. Dieses Gebiet ist von der gefürchteten Krankheit schwer betroffen, und Tausende von Kindern sind infolgedessen elternlos geworden. Unsere Geste ist ein kleines Zeichen unserer Liebe, eine Aufforderung an die Gesellschaft, die Leidtragenden nicht zu vernachlässigen, vor allem wenn jenes Leid, das Jesus selbst auf sich nimmt (vgl. Mt 25,36), nur durch die unablässige, persönliche und liebevolle Gegenwart anderer gelindert werden kann. Jesus hat euch alle zu einem bestimmten Zweck nach Denver gerufen. Ihr soht diese Tage so leben, daß, wenn es Zeit ist, nach Hause zurückzukehren, jeder einzelne von euch eine klarere Vorstellung von dem hat, was Christus von euch erwartet. Jeder sollte den Mut haben, sich aufzumachen und die Frohbotschaft unter den Menschen dieses letzten Abschnitts des zwanzigsten Jahrhunderts zu verbreiten, insbesondere unter den jungen Menschen, euren Altersgenossen, die die Kirche und die Gesellschaft in das kommende Jahrhundert tragen werden. Auf spanisch sagte der Papst weiter: Was verlangt Christus von euch, junge Lateinamerikaner? Er sucht nach neuen Mitarbeitern für die Evangelisierung. Er sucht Überbringer und Überbringerinnen seines Wortes unter allen Völkern dieses Kontinents der Hoffnung. Er sucht nach Erbauern einer neuen Gesellschaft, die gerechter, brüderlicher und aufnahmebereiter den „Kleinen” und Bedürftigen gegenüber ist. Christus braucht jeden und jede von euch. 6. Herr Jesus Christus! Laß deinen Heiligen Geist den jungen Menschen zuteil werden, die ausgezogen sind, dich, insbesondere während der Katechese dieser Tage, im Herzen einer modernen Metropole zu finden. Sei bei uns allen an diesem großen Treffen der Pilger auf dem Pfad des Lebens, wenn am Vortag des Mariä-Himmelfahrts-Festes und bei der Messe an diesem Tag die jungen Menschen der Vereinigten Staaten, der beiden amerikanischen Subkontinente, der ganzen Welt, ihren Glauben an dich, der allein die Worte kennt, die die Tiefen des Geheimnisses um das wahre Leben erschließen, verkünden und feiern werden. O Maria, neue Mutter des Lebens, die du alles, was geschehen war, in deinem Herzen bewahrt und darüber nachgedacht hast (vgl. Lk 2,19), lehre diese jungen Menschen, deinem Sohn, dem Wort des Lebens, gut zuzuhören. Bete für sie, damit keine Schranken sie daran hindern werden, das neue Leben zu entdecken, das dein Sohn in die Welt gebracht hat. 535 REISEN Jungfräuliche Tochter Zion, lenke jeden unserer Schritte auf dem Pfad, der zum Leben führt! Junge Menschen dieses achten Weltjugendtags, möget ihr der Herausforderung, die in Denver an euch gestellt wird, gewachsen sein: - Folgt dem Pilgerkreuz; - geht und sucht Gott, denn man kann ihn auch im Herzen einer modernen Stadt finden; - erkennt ihn an so vielen hoffnungsvollen und edelmütigen jungen Menschen; - spürt den Hauch des Heiligen Geistes unter so vielen verschiedenen Rassen und Kulturen, die alle versammelt sind, um Christus als den Weg, die Wahrheit und das Leben jedes Menschen anzuerkennen (vgl. Angelus, 5. April 1993). Liebe, junge Freunde, im Namen Christi grüße ich euch alle gemeinsam und jeden einzelnen, die verschiedenen Sprachgruppen und alle zusammen. Ihr stellt hier die Weltkirche dar, und ich bete, daß Jesus mit euch sein und diesen Welttag der Jugend, jeden einzelnen und euch alle zusammen segnen möge. Meine Rede war sehr lang, zu lang, aber nun bin ich fertig. Mit großer Freude erwarte ich unser nächstes Treffen. Auf Wiedersehen! Auftrag und Herausforderung an die Zukunft Predigt bei der Messe mit den Delegierten des Internationalen Jugendforums in Denver am 12. August „Geht hinaus in die ganze Welt!” (Mk 16,15) 1. Die letzten Worte Christi an seine Apostel lauten im Markusevangelium: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Völkern.” Das ist die missionarische Sendung. Das ist der Auftrag, mit dem die umfassende Ausbreitung der Kirche, von der ersten Gruppe der Jünger in Jerusalem ausgehend, ihren Anfang nahm, bis sie zur großen, über die ganze Welt verstreuten christlichen Familie wurde. Die Kirche lebt unter allen Völkern und Nationen: Das beweist eure Anwesenheit, die Anwesenheit junger Vertreter des Internationalen Jugendforums aus fast allen Teilen der Welt. Christus richtete diesen Aufruf an die Apostel, an die gleichen, zu denen er bereits einige Zeit vorher gesagt hatte: „Folgt mir nach!” {Mk 1,17). Zu jedem einzelnen Apostel hatte er auf persönliche Weise gesagt: „Folge mir!” Und zwischen diesem ersten Ruf und der endgültigen Aussendung „in alle Welt” machte jeder dieser Jünger seine Erfahrungen, hatte einen Wachstumsprozeß durchzustehen, der ihn innerlich auf jene enorme und herausfordernde Aufgabe vorbereitete, welche ihm in der Abschiedsrede Christi anvertraut wurde. 536 REISEN Christus lädt zuerst ein, dann offenbart er sich selbst vollständiger, und zuletzt sendet er aus. Er lädt ein, um sich denen, die er aussenden will, zu erkennen zu geben. Er sendet jene aus, die um das Geheimnis seiner Person und seines Reiches wissen; denn das Evangelium muß durch die Kraft ihres Zeugnisses verkündet werden, und diese hängt von der Kenntnis und Liebe Christi selbst ab. Jeder Apostel muß sich mit den Worten des ersten Johannesbriefes identifizieren können: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen haben, was wir geschaut und was unsere Hände angefaßt haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens” <7 Joh 1,1). 2. Eben diese Erfahrung mit dem Evangelium durchdringt den ganzen Welttag der Jugend. Die Jugendlichen, die aus allen Teilen der Welt hier zusammengekommen sind, und ganz besonders ihr, die Teilnehmer am Internationalen Jugendforum, ihr alle seid an einen solchen Prozeß angeschlossen: In einem bestimmten Augenblick ist Christus in euer Leben eingetreten und hat euch eingeladen, der in der Taufe empfangenen Weihe nachhaltiger bewußt zu werden. Mit der Gnade Gottes und der Hilfe einer gläubigen Gemeinschaft ist in euch das Verständnis für eure christliche Identität und für eure Rolle in Kirche und Gesellschaft gewachsen. Als reife Katholiken habt ihr begonnen, aktiv am Apostolat teilzunehmen. Denver ist die Zusammenfassung zahlreicher Erfahrungen dieser Art. In euren Familien, Pfarreien, Schulen, katholischen Vereinigungen und Bewegungen wurde der Same eines echten Glaubens in euch eingepflanzt und wuchs empor, bis ihr in euren Herzen das Echo dieser einmaligen Worte vernommen habt: „Komm, und folge mir nach!” (Lk 18,22). Jeder von euch hat einen anderen Weg eingeschlagen, doch habt ihr ihn nicht allein beschritten. Die Kirche war euch dank ihrer Amtsträger, Ordensleute und aktiven Laien auf jedem Abschnitt dieses Weges nahe und hat euch ermutigt. Der letzte Schritt führte zum Internationalen Forum der Jugend. Und jetzt, hier in Denver, besteht die Herausforderung in der Erkenntnis all dessen, was die Herrenworte „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium” (Mk 16,15) beinhalten. Ja, Christus, der Herr, ist das eigentliche Herz des Welttages der Jugend, und er lädt weiterhin zahlreiche junge Menschen ein, bei der erhabenen Aufgabe der Ausbreitung des Reiches Gottes mitzuwirken. Er ist hier, weil die Kirche hier ist. Er ist hier in der Eucharistie und dank des Amtes seiner Priester und Bischöfe, in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri. Christus ist hier dank des Glaubens und der Liebe so vieler junger Menschen, die sich spirituell auf dieses Treffen vorbereitet, hart gearbeitet und Opfer gebracht haben, um die Pilgerfahrt der Hoffnung und des Engagements verwirklichen zu können. 3. Das Internationale Jugendforum ist in gewisser Hinsicht der innerste Kern des Welttages der Jugend. Ihr beschränkt euch nicht darauf, zu beten und Reflexionen zum Thema des Lebens in Fülle anzustellen, das Christus uns mit seinem Kommen geschenkt hat (vgl. Joh 10,10), sondern ihr vergleicht die in verschiedenen Teilen 537 REISEN der Welt gemachten apostolischen Erfahrungen, um voneinander zu lernen und in eurer Funktion als christliche Verantwortliche gestärkt zu werden, die ihr unter euren Zeitgenossen zu erfüllen habt. Nur eine große Liebe zu Christus und zur Kirche wird euch zur Ausübung des Apostolats, das euch bei eurer Heimkehr erwartet, Kraft verleihen. Als Verantwortliche im Bereich des Jugendapostolats wird es eure Aufgabe sein, euren Pfarreien, Diözesen, Vereinigungen und Bewegungen zu helfen, den persönlichen, sozialen und spirituellen Nöten der Jugendlichen gegenüber wahrhaft offen zu sein. Ihr werdet immer Mittel und Wege finden müssen, um ihr Interesse für die Mitarbeit an Planungen und Aktivitäten in den Bereichen der Bildung, der Spiritualität und der Dienstleistungen zu wecken durch Übertragung von Verantwortung für sie selbst und ihre Arbeit. Auch sollt ihr darauf bedacht sein, sie und ihr Apostolat nicht von der übrigen kirchlichen Gemeinschaft zu isolieren. Die jungen Menschen sollten in die Lage versetzt werden, die praktische Bedeutung ihrer Bemühungen zu erkennen und den eigentlichen Nöten der Menschen, vor allem der Armen und Ausgestoßenen, entgegenzukommen. Auch sollten sie imstande sein, zu begreifen, daß ihr Apostolat voll und ganz in die Sendung der Kirche in der Welt eingebunden ist. Fürchtet euch nicht! Denver ist ebenso wie die vorhergegangenen Welttage der Jugend ein Zeitabschnitt der Gnade, ist eine große Versammlung junger Menschen, die verschiedene Sprachen sprechen, aber alle gemeinsam das Geheimnis Christi und des neuen Lebens verkünden, das er schenkt. Das ist besonders aus der Katechese ersichtlich, die jeden Tag in verschiedenen Sprachen erteilt wird. Das Lob Gottes erschallt in Gebet und Gesang in vielen verschiedenen Sprachen. All das macht Denver zum Widerschein dessen, was sich in Jerusalem am Pfingsttag ereignete (vgl. Apg 2,1-4). Der Geist der Wahrheit wird aus aller Verschiedenheit der hier versammelten Jugendlichen - Verschiedenheit der Herkunft, Rasse und Sprache - eine tiefe und dauernde Einheit schaffen im Einsatz für die neue Evangelisierung, in deren Rahmen die Verteidigung des menschlichen Lebens, die Förderung der Menschenrechte und der Zivilisation der Liebe dringende Aufgaben sind. 4. Sich für die Evangelisierung einsetzen heißt davon überzeugt sein, daß wir der Menschheitsfamilie am Ende dieses Jahrtausends etwas Wertvolles zu bieten: haben. Wir alle, die wir hier zusammengekommen sind - die Jugendlichen und ihre Hirten, die Bischöfe und der Papst -, müssen der Tatsache eingedenk sein, daß es nicht genügt, „eine rein menschliche Weisheit ... gleichsam eine Lehre des guten Lebens” (Redemptoris missio, Nr. 11), anzubieten. Wir wollen vielmehr der Überzeugung sein, daß wir „eine kostbare Perle” (vgl. Mt 13,46), einen wertvollen „Schatz” (vgl. Mt 13,44), besitzen, der für die Existenz hier auf Erden und für das ewige Heü aller Angehörigen des Menschengeschlechts grundlegend ist. Der Ruf des Propheten Jesaja, den wir in der ersten Lesung der Messe vernommen haben, kann für uns ein erster Schritt zur Enthüllung des Geheimnisses sein. Immer wenn Gott sich einem Menschen mitteilt, ist das Wesentliche dieser Mitteilung eine 538 REISEN Offenbarung seiner eigenen Heiligkeit. „Meine Augen haben den König, den Herrn der Heere, gesehen ... Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere” (Jes 6,5.3). Unsere Antwort kann nur ein freudiges Sich-Öffhen für diese göttliche Herrlichkeit und die Annahme all dessen sein, was sie für den Sinn und die Bestimmung unseres Lebens bedeutet. Die unaussprechliche Erfahrung der Heiligkeit Gottes lebt in der Kirche weiter. Jeden Tag wiederholen wir im Kern der Eucharistiefeier die Worte: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott der Mächte und Gewalten. Himmel und Erde sind erfüllt von seiner Herrlichkeit” (vgl. Jes 6,3). Dieser Schatz lebt in der Kirche weiter, da die Heiligkeit Gottes in ihrer Fülle durch Jesus Christus geoffenbart wurde: „Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!, ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttüchen Glanzes auf dem Antlitz Christi” (2 Kor 4,6). Die Heiligkeit Gottes leuchtet weiter in Christus, dem Emanuel, Gott mit uns. Bedenkt, „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater” (.Joh 1,14) - und wir haben ihn gesehen, ihn gehört und ihn berührt: auf dem Meer von Galiläa, dem Berg der Seligpreisungen und dem Berg Tabor; auf Golgota, auf der Straße nach Emmaus, in der Eucharistie, im Gebet, in der spürbaren Erfahrung jeder Berufung, insbesondere dann, wenn der Herr einzelne zur seiner engeren Nachfolge auf den Weg des gottgeweihten Lebens oder des priesterlichen Amtes beruft. Wir wissen, daß Christus seine Kirche nie verläßt. In einer Zeit wie der unseren, in der viele hinsichtlich der fundamentalen Wahrheiten und Werte, die ihr Leben gestalten und sie zum ewigen Heil führen sollen, keine klare Vorstellung haben; in einer Zeit, in der viele Katholiken Gefahr laufen, ihren Glauben zu verlieren - diese kostbare Perle -, weil nicht genügend Priester, Ordensschwestern und -brüder vorhanden sind, um sie zu stützen und ihnen zu helfen und auch nicht genügend Ordensleute des beschaulichen Lebens, die den Menschen den absoluten Primat Gottes vor Augen führen, sind wir davon überzeugt, daß Christus an viele Herzen klopft und junge Menschen sucht, die er in seinen Weinberg senden kann, wo sie eine reiche Ernte erwartet. 5. Wir jedoch, wir Menschen, tragen „diesen Schatz ... in zerbrechlichen Gefäßen” (2 Kor 4,7). Deshalb haben wir oft vor den Forderungen der Liebe des Erlösers Angst. Wir können versuchen, unser Gewissen zu beruhigen, indem wir uns ihm auf beschränkte Weise oder auf eine Art schenken, die uns zusagt, aber nicht immer auf die, die der Herr uns nahelegt. Doch die Tatsache, daß wir den Schatz in zerbrechlichen Gefäßen tragen, läßt uns verstehen, „daß das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt” (ebd.). Wo immer junge Männer und Frauen der Gnade Christi erlauben, in ihnen am Werk zu sein und neues Leben hervorzubringen, hat die außerordentliche Macht der göttlichen Liebe ihr Herz und das der Gemeinschaft 539 REISEN durchdrangen. Sie verwandelt ihre Haltung und ihr Handeln und lockt sicher auch andere an, ihnen auf diesem abenteuerlichen Weg zu folgen. Diese Macht kommt von Gott und nicht von uns. Der Eine, der euch nach Denver eingeladen hat und euch in jedem Augenblick eurer irdischen Pilgerfahrt rufen kann, wünscht, daß ihr den Schatz der besseren Kenntnis seiner Person besitzt. Er möchte im Mittelpunkt eures Herzens wohnen und läutert deshalb eure Liebe und erprobt euren Mut. Die Verwirklichung dieser verborgenen, aber sicheren Gegenwart wirkt wie eine glühende Kohle, die eure Lippen berührt (vgl. Jes 6,7) und euch fähig macht, das ewige „Ja” des Sohnes zu wiederholen, von dem es im Brief an die Hebräer heißt: „Da sagte ich: Ja, ich komme - so steht es über mich in der Schriftrolle -, um deinen Willen, Gott, zu tun” (Hebr 10,7). Dieses „Ja” leitete jeden Schritt des Menschensohnes: „Amen, amen, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht” (Joh 5,19). Und Maria sagte das gleiche „Ja” zum Plan Gottes für ihr Leben: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast” (Lk 1,38). 6. Christus fragt die jungen Teilnehmer am Welttag der Jugend: „Wen soll ich senden?” (Jes 6,8). Mögen doch alle antworten: „Hier bin ich, sende mich!” (Jes 6,8). Vergebt nicht die Not eurer Heimatländer! Hört den Schrei der Armen und Unterdrückten in den Ländern und Erdteilen, aus denen ihr kommt! Seid von der Tatsache überzeugt, daß das Evangelium der einzige Weg zur echten Befreiung und Rettung der Völker der Welt ist: „Dein Heil, o Herr, ist für alle Völker” (vgl. Antwortpsalm, Ps 96). Alle, die, der Einladung Christi folgend, nach Denver gekommen sind, um am Welttag der Jugend teilzunehmen, sollen seine Worte vernehmen: „Geht... und verkündet das Evangelium!” (.Mk 16,15). Laßt uns ernsthaft zum Herrn der Ernte beten, damit die Jugend in aller Welt ohne Zaudern antworte: „Hier bin ich! Sende mich!” „Sende uns!” Amen. Die Kirche - Gemeinschaft mit der Dreifaltigkeit Predigt bei der Bischofsmesse in Denver am 13. August „Auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen” (Mt 16,18) Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Diese Worte, die Christus in der Nähe von Cäsarea Philippi gesprochen hat, klingen heute in der Kathedrale von Denver wider. Hier in Colorado, zu Füßen der Rocky Mountains, gewinnen sie besondere Bedeutung. Was ist das für ein Felsen, auf den Christus seine Kirche baut? Oder besser: Wer ist dieser Felsen? Das ist die richtige Ordnung der Fragen, die Christi Worte nahelegen. 540 REISEN Erleuchtet durch die Gnade der Offenbarung sagt Simon, wer Jesus ist: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes” (Mt 16,16). Der Vater selbst offenbart Petrus die Wahrheit über Jesus, und in Petrus wird diese Wahrheit durch seinen Glaubensgehorsam lebendig (vgl. Rom 16,26). „Selig bist du, Simon, Sohn des Jonas, denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel” (Mt 16,17). Erst empfängt Petrus die innere Offenbarung der Wahrheit in seinem Herzen, dann bekennt er diese Wahrheit mit seinen Lippen. In seiner Antwort sagt Jesus, wer Simon ist - „Du bist Petrus” (Mt 16,18); das heißt, du bist ein Felsen. Die Person des Petrus, insofern er den apostolischen Glauben bekennt, ist also der lebendige Stein, der, in Angleichung an Christus, Fundament der Kirche ist (vgl. Eph 2,20). Das ist der Felsen, auf den Christus seine Kirche von Anfang an gebaut hat. 2. Vom Altar der Kathedrale von Denver aus grüße ich herzlich einen jeden von euch, die ihr am Weltjugendtag teilnehmt. Ihr seid hier, genauso wie ich, aus Treue zu unserem besonderen Dienstamt in der Kirche. Wir sind hier, um den jugendlichen Pilgern in diesen Tagen nahe zu sein, wo wir Zeugen der Gnade des Heiligen Geistes sein dürfen, die in so manchen hochherzigen jungen Menschen am Werk ist. In einem gewissen Sinn sind wir, die Hirten, von den Jugendlichen selbst hierhergerufen worden. Ihre Antwort auf den Weltjugendtag zeigt klar, daß sie etwas von dem erfaßt haben, was der ewige Vater den „Kleinen” (vgl. Mt 11,25) offenbart. Sie dürsten danach, mehr zu wissen, tiefer in das Geheimnis Christi und der Kirche ein-zudringen. Sie wissen, daß der Vater ihnen die Tür dazu öffnen kann, so wie er das Herz des Geheimnisses dem Petrus bei Cäsarea Philippi offenbart hat. Bei diesem inneren Voranschreiten in der Gnade haben wir Bischöfe und Priester eine große Verantwortung. Sind wir stets bereit, den jungen Menschen bei der Entdeckung der transzendenten Elemente des christlichen Lebens zu helfen? Können sie aus unseren Worten und Taten schließen, daß die Kirche wirklich ein Geheimnis der Gemeinschaft mit der allerheiligsten Dreifaltigkeit ist und nicht nur eine menschliche Institution mit rein irdischen Zielen? Durch euren Dienst sollten die hier anwesenden Jugendlichen befähigt werden, vor allem zu entdecken, daß sie Tempel Gottes sind und der Geist Gottes in ihnen wohnt (vgl. 1 Kor 3,16). Dies sind Tage, wo das Licht des Evangeliums besonders hell vor ihnen erstrahlen muß. Sie sind nämlich die Kirche von heute und morgen - die Kirche, die sich auf dem Felsen der göttlichen Wahrheit erhebt, auf dem Felsen des apostolischen Glaubens. Die Kirche des Dritten Jahrtausends muß fest im Herzen der neuen Generationen von Söhnen und Töchtern des lebendigen Gottes verwurzelt sein. 3. Ehrwürdige und liebe Brüder! Wir wollen diese Tage Maria, dem Sitz der Weisheit, anvertrauen. Ihr wollen wir alle jungen Menschen anempfehlen, die hergekommen sind. Ihr legen wir die Kirche der Jugendlichen in aller Welt, in jedem Land und in jedem Kontinent ans Herz. 541 REISEN Ihrem Gebet vertrauen wir auch uns selbst und unsere Brüder, die Priester, an, alle jene, die ein gottgeweihtes Leben führen, alle unsere Brüder und Schwestern im Glauben. Möge sie unseren Dienst hier in Denver leiten, und möge das ganze Erlebnis des Weltjugendtages in uns neues Vertrauen auf die „Schlüssel des Himmelreiches” wecken, die Christus der Kirche in der Person des Petrus anvertraut hat (vgl. Mt 16,19). Amen. Dem Leben auf der Spur Ansprache an die zum Weltjugendtag versammelten Jugendlichen in Denver am 14. August Erster Teil Liebe, junge Freunde, jugendliche Pilger auf dem Pfad des Lebens! „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). 1. An diesem Abend sind diese Worte Christi an euch gerichtet, hebe, zum Weltjugendtag versammelte Jugendliche. Jesus spricht diese Worte im Gleichnis vom Guten Hirt. Der Gute Hirt: Welch schönes Bild von Gott! Es vermittelt etwas Tiefes und Persönliches über die Art, wie sich Gott um alles kümmert, was er gemacht hat. In einer modernen Großstadt werdet ihr kaum einen Schäfer finden, der seine Herde betreut. Doch wir können auf die Überlieferungen des Alten Testamentes zurückgreifen, wo das Gleichnis tiefe Wurzeln hat, um zu verstehen, wie liebevoll der Hirt für seine Schafe sorgt. Der Psalm sagt: „Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen” (Ps 23,1). Der Herr, der Hirt, ist Gott-Jahwe. Er, der sein Volk aus der Knechtschaft im Land seiner Verbannung befreit hat. Er, der sich am Berg Sinai als Gott des Bundes offenbart hat: „Wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde” (Ex 19,5). Gott ist der Schöpfer von allem, was da ist. Die Erde, die er schuf, gab er dem Mann und der Frau: „Als Mann und Frau schuf er sie” (Gen 1,27). „Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch und herrscht über ... alle Lebewesen, die sich auf der Erde regen” (ebd., 1,28). 2. Der besondere Erfüllungsort der Menschen von allem, was Gott geschaffen hat, hegt in ihrer Anteilhabe an Gottes eigener Sorge und Vorsehung für die ganze Schöpfung. Der Schöpfer hat uns die Welt anvertraut als Gabe und Verantwortung. Er, der die ewige Vorsehung ist, Er, der das ganze Universum auf sein endgültiges Geschick hin lenkt, hat uns nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen, so daß auch 542 REISEN wir zur „Vorsehung” werden - eine weise und intelligente Vorsehung, die die Entwicklung des Menschen und der Welt auf den Weg der Übereinstimmung mit dem Willen des Schöpfers führt zum Wohlergehen der Menschheitsfamilie und zur Erfüllung der einem jeden geschenkten transzendenten Berufung. Der Papst fuhr in Spanisch fort: 3. Tatsächlich leben Milhonen von Männern und Frauen, ohne sich Rechenschaft zu geben über das, was sie tun, noch über das, was ihnen widerfährt. Heute stellt ihr an diesem Abend im Cherry Creek State Park von Denver die Jugend der Welt dar mit allen Fragen, die die Jugendlichen sich zum Ende des 20. Jahrhunderts mit Recht stellen. Unser Thema ist das Leben. Das Leben ist aber voller Geheimnisse. Wissenschaft und Technik haben in der Entdeckung der Geheimnisse unseres natürlichen Lebens gewaltige Fortschritte gemacht, doch zeigt schon eine oberflächliche Prüfung unserer Einzelerfahrung, daß es für unsere Einzel- und Gemeinschaftsexistenz auf diesem Planeten noch viele weitere Dimensionen gibt. Unser unruhiges Herz sucht weit über unsere Grenzen hinaus mit dem Elan unserer Fähigkeit, zu denken und zu lieben: das Unmeßbare zu denken und zu lieben, das Unendliche, die absolute Form und das höchste Sein. Unser innerer Blick gilt dem unbegrenzten Horizont unserer Hoffnungen und Wünsche. Und inmitten aller Widersprüche im Leben suchen wir nach dem wirklichen Sinn des Lebens. Wir wundem uns und fragen warum? Warum bin ich hier? Warum bin ich überhaupt da? Was muß ich tun? Wir alle stellen uns diese Fragen. Auch die Menschheit als Ganzes spürt die dringende Notwendigkeit, einer Welt Sinn und Ziel zu geben, wo alles komplizierter wird und die Schwierigkeit, glücklich zu sein, zunimmt. Alle Bischöfe der Welt, die zum Zweiten Vatikanischen Konzil versammelt Waren, haben sich in diesem Sinn ausgesprochen: „Angesichts der heutigen Weltentwicklung wächst die Zahl derer, die die Grandfragen stellen ... Was ist der Mensch? Was ist der Sinn des Leidens, des Bösen, des Todes - alles Dinge, die trotz solchen Fortschritts noch immer weiterbestehen? ... Was kann der Mensch der Gesellschaft geben, was von ihr erwarten? Was kommt nach diesem irdischen Leben?” (Gaudium et spes, Nr. 10). Sich diesen Grundfragen widersetzen ist ein Verzicht auf das große Abenteuer: die Suche nach der Wahrheit über das Leben. Der Papst fuhr in Englisch fort: 4. Ihr wißt, wie leicht es ist, den grundlegenden Fragen auszuweichen. Doch eure Anwesenheit hier zeigt, daß ihr der Wirklichkeit und eurer Verantwortung nicht ausweichen wollt. Ihr denkt an das Geschenk des Lebens, das Gott euch gemacht hat. Ihr vertraut Christus, wenn er sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). 543 REISEN Unsere Vigil beginnt mit einem Akt des Vertrauens auf die Worte des Guten Hirten. In Jesus Christus hat der Vater die ganze Wahrheit über die Schöpfung ausgesprochen. Wir glauben, daß im Leben, Tod und in der Auferstehung Jesu, der Vater seine ganze Liebe zur Menschheit offenbart. Daher nennt sich Christus selbst „die Tür” (Joh 10,7). Er steht also an der Tür und wacht über die ihm anvertrauten Geschöpfe. Er führt sie auf gute Weide: „Ich bin die Tür. Wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden. Er wird ein- und ausgehen und Weide finden” (Joh 10,9). Jesus Christus ist in Wahrheit der Hirt der Welt. Unsere Herzen müssen daher für seine Worte offen sein. Dazu sind wir zu diesem Weltjugendtreffen gekommen: aus allen Staaten und Diözesen in den Vereinigten Staaten, aus beiden Amerikas und jedem Kontinent: Alle sind hier vertreten durch die Fahnen, die eure Delegierten aufgestellt haben, um zu zeigen, daß niemand an diesem Abend ein Fremder ist. Wir sind alle eins in Christus. Der Herr leitet uns, so wie er die Herde leitet: „Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen. Er läßt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen. Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir. Du gibst mir Zuversicht” (vgl. Ps 23). Wenn wir gemeinsam über das Leben, das Jesus gibt, nachdenken, fordere ich euch auf: Habt den Mut, euch der Wahrheit anzuvertrauen. Habt den Mut, der Frohbotschaft vom Leben zu glauben, die Jesus im Evangelium vorträgt. Öffnet Geist und Herz für die Schönheit alles dessen, was Gott gemacht hat, und für seine besondere persönliche Liebe zu einem jeden von euch. Jugend der Welt, höre auf seine Stimme! Höre seine Stimme und folge ihm! Einzig der Gute Hirt wird euch zur vollen Wahrheit über das Leben hinführen. Zweiter Teil I. 1. Hier könnten die in Denver versammelten Jugendlichen fragen: Was hat der Papst über das Leben zu sagen? Meine Worte wollen ein Bekenntnis des Glaubens des Petrus, des ersten Papstes, sein. Meine Botschaft kann keine andere sein als die von Anfang an überlieferte, weil es nicht meine, sondern die Frohbotschaft Jesu Christi selbst ist. Das Neue Testament stellt Simon, den Jesus Petrus, den Felsen, nannte, als einen entschlossenen, leidenschaftlichen Jünger Christi dar. Doch er zweifelte auch, und im entscheidenden Augenblick leugnete er sogar, ein Nachfolger Jesu zu sein. Und doch war Petrus trotz dieser menschlichen Schwächen der erste Jünger, der ein vol- 544 REISEN les, öffentliches Bekenntnis zum Meister ablegte. Eines Tages fragte Jesus: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?” Petrus antwortete: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes” (Mt 16,16). Beginnend mit Petrus, dem ersten apostolischen Zeugen, hat eine große Anzahl von Zeugen, Männer und Frauen, jung und alt, aus jeder Nation auf der Erde ihren Glauben an Jesus Christus als wahren Gott und wahren Menschen, den Erlöser des Menschen, den Herrn der Geschichte und den Fürsten des Friedens, bekannt. Wie Petrus haben sie gefragt: „Zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens” (Joh 6,68). An diesem Abend bekennen wir den gleichen Glauben wie Petrus. Wir glauben, daß Jesus Christus Worte des Lebens hat und daß er diese Worte an die Kirche und alle richtet, die ihm Geist und Herz in Glaube und Vertrauen öffnen. 2. „Ich bin der Gute Hirt. Der Gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe” (Joh 10,11). Unser erster Gedanke schließt sich an diese Worte Jesu im Johannesevangelium an. Der Gute Hirt gibt sein Leben hin. Der Tod greift das Leben an. Auf der Ebene unserer menschlichen Erfahrung ist der Tod der Feind des Lebens. Er ist ein Einbrecher, der unser natürliches Verlangen nach Leben vereitelt. Dies gilt vor allem im Fall eines zu frühen oder gewaltsamen Todes und vor allem im Fall des Todes eines Unschuldigen. Es überrascht nicht, daß unter den Zehn Geboten der Herr des Lebens, der Gott des Bundes am Berg Sinai, verfügt hat: „Du sollst nicht töten” (Ex 20,13; vgl. Mt 5,21). Die Worte „Du sollst nicht töten” waren in die Tafeln des Bundes eingemeißelt - in die steinernen Tafeln des Gesetzes. Doch schon zuvor war dieses Gesetz in das Herz des Menschen eingeprägt, in das Heiligtum des Gewissens eines jeden. In der Bibel erfuhr Kain, der seinen Bruder Abel umgebracht hatte, als erster die Kraft dieses Gesetzes. Unmittelbar nach seinem schrecklichen Verbrechen wurde ihm die ganze Last, das Gebot, nicht zu töten, gebrochen zu haben, bewußt. Obwohl er der Wahrheit zu entrinnen suchte mit den Worten: „Bin ich denn der Hüter meines Bruders?” (Gen 4,9), sagte ihm die innere Stimme immer wieder: „Du bist ein Mörder.” Diese Stimme war sein Gewissen, und es ließ sich nicht zum Schweigen bringen. Der Papst fuhr in Französisch fort: 3. Die Bedrohungen des Lebens nahmen im Laufe der Zeit nicht ab, sondern ganz im Gegenteil, sie vergrößerten sich. Es waren nicht nur Bedrohungen des Lebens von außen, von den Kräften der Natur her oder von weiteren „Kains”, die ihren jeweiligen Abel töteten; nein, es kam zu wissenschaftlich und systematisch programmierten Bedrohungen. Das 20. Jahrhundert ist ein Zeitalter massiver Angriffe auf das Leben, eine Serie von Kriegen ohne Ende und eine massive Vernichtung von unschuldigem, menschlichem Leben. Die falschen Propheten und Lehrer erfreuen sich größten Erfolgs. 545 REISEN Ebenso haben falsche Entwicklungsmodelle dahin geführt, das ökologische Gleichgewicht der Erde zu gefährden. Der nach dem Bild und Gleichnis des Schöpfers geschaffene Mensch sollte der Gute Hirt der Umwelt, Werkmeister seines Existenz-und Lebensraumes sein. Er hat diese Aufgabe seit langem, und die Menschheitsfamilie hat sie nicht ohne Erfolg im Verlauf ihrer Geschichte bis in unsere Zeit hinein wahrgenommen, aber heute ist der Mensch selbst zum Zerstörer seiner natürlichen Umwelt geworden. An bestimmten Stätten ist es schon so weit, an anderen wird es bald dazu kommen. Doch da ist noch mehr. Wir erleben auch die Verbreitung einer Mentalität des Kampfes gegen das Leben - eine Haltung der Feindschaft gegenüber dem Leben im Mutterschoß und in seinen letzten Abschnitten. Und es geschieht gerade zu dem Zeitpunkt, da Wissenschaft und Medizin eine größere Möglichkeit gewonnen haben, über Gesundheit und Leben zu wachen, daß die Bedrohungen des Lebens hinterhältiger werden. Abtreibung und Euthanasie - Tötung eines wirklichen menschlichen Wesens - werden als Rechte beansprucht und als Lösungen für Probleme der einzelnen und der Gesellschaft gefordert. Doch der Mord, an Unschuldigen ist nicht weniger sündhaft oder weniger zerstörerisch, wenn er legal und wissenschaftlich durchgeführt wird. In den modernen Großstädten ist das Leben - das erste Geschenk Gottes und grundlegende Recht eines jeden einzelnen und Grundlage aller anderen Rechte - oft lediglich eine Ware, die man nach eigenem Gutdünken organisiert, vermarktet und manipuliert. Der Papst fuhr in Italienisch fort: All das geschieht, während Christus, der Gute Hirt, will, daß wir das Leben haben. Er kennt das, was das Leben bedroht; er weiß den Wolf zu erkennen, der kommt, um die Schafe zu rauben und zu zerstreuen. Er vermag auch alle zu erkennen, die in die Herde eindringen möchten, doch nur Mietlinge und Räuber sind (vgl. Joh 10,1.13). Er weiß, wie viele Jugendliche ihr Leben verschwenden, indem sie in die Verantwortungslosigkeit und Unwahrheit flüchten. Drogen, der Mißbrauch alkoholischer Substanzen, Pornographie und sexuelle Verwirrung, dazu Gewaltanwendung: Das sind einige schwere Probleme, die von der gesamten Gesellschaft eine ernsthafte Antwort verlangen: in jedem Land und auf internationaler Ebene. Doch sie sind zugleich persönliche Tragödien, die mit zwischenpersönlichen Akten der Liebe und Solidarität aufgefangen werden müssen dank einer umfassenden Erneuerung des eigenen persönlichen Verantwortungsbewußtseins vor Gott, den anderen und unserem eigenen Gewissen. Wir sind Hüter unserer Brüder! (vgl. Gen 4,9). II. Der Papst fuhr in Englisch fort: 4. Warum rebelliert das Gewissen der jungen Menschen nicht gegen diese Situation, zumal gegen das moralische Übel, das sich aus persönlichen Entscheidungen ergibt? 546 REISEN Warum beruhigen sich so viele mit Einstellungen und Verhaltensweisen, die die Würde des Menschen beleidigen und das Bild Gottes in uns entstellen? Für das Gewissen sollte es die Norm sein, die tödliche Gefahr für den einzelnen und die Menschheit zu erkennen, die in der leichtfertigen Hinnahme von Übel und Sünde vorhegt. Und doch ist es nicht immer so. Verliert das Gewissen selbst die Fähigkeit der Unterscheidung von Gut und Böse? In einer technologischen Kultur, wo die Menschen gewohnt sind, die Dinge zu beherrschen, indem sie ihre Gesetze und Mechanismen entdecken, um sie ihren Wünschen entsprechend umzugestalten, ergibt sich zugleich die Gefahr, das Gewissen und seine Ansprüche manipulieren zu wollen: in einer Kultur, die die Auffassung vertritt, es gäbe keine universal gültigen Wahrheiten und nichts gelte absolut. Daher sagt man dann am Ende, objektiv Gutes und Böses sei gleichgültig. Gut sei das, was in einem bestimmten Augenblick gefällt oder nützt. Böses dagegen alles, was sich unseren subjektiven Wünschen widersetzt. Jeder Mensch baut sich ein privates Wertsystem auf. 5. Junge Menschen, ergebt euch nicht dieser weit verbreiteten falschen Moral. Erstickt nicht euer Gewissen! Das Gewissen ist das eigentliche Herz und Heiligtum einer Person, wo wir mit Gott allein sind (vgl. Gaudium et spes, Nr. 16). „Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß” (ebd.). Dieses Gesetz ist nicht ein äußeres menschliches Gesetz, sondern die Stimme Gottes, die uns aufruft, uns freizumachen von der Gewalt böser Wünsche und der Sünde, und uns zugleich anregt, zu suchen, was gut und wahr ist. Nur durch Hören auf die Stimme Gottes in eurem innersten Sein und durch Handeln in Übereinstimmung mit seinen Weisungen erreicht ihr die Freiheit, nach der ihr verlangt. Jesus hat gesagt, nur die Wahrheit wird euch frei machen (vgl. Joh 8,32). Die Wahrheit ist aber nicht die Fracht der Vorstellungskraft eines jeden einzelnen. Gott hat euch Verstand zur Erkenntnis der Wahrheit gegeben und einen Willen, um das zu tun, was moralisch gut ist. Er hat euch das Licht des Gewissens geschenkt, um eure moralischen Entscheidungen zu leiten, um das Gute zu heben und das Böse zu vermeiden. Moralische Wahrheit ist etwas Objektives, und ein richtig gebildetes Gewissen kann sie erfassen. Doch wenn das Gewissen selbst verdorben ist, wie kann es wiederhergestellt werden? Wenn das Gewissen, das Licht ist, nicht weiter leuchtet, wie können wir die moralische Finsternis überwinden? Jesus sagt: „Das Auge gibt dem Körper Licht. Wenn dein Auge gesund ist, dann wird dein ganzer Körper hell sein. Wenn aber dein Auge krank ist, dann wird dein ganzer Körper finster sein. Wenn nun das Licht in dir Finsternis ist, wie groß muß dann die Finsternis sein?” {Mt 6,22-23). Jesus hat auch gesagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wandelt nicht in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben” {Joh 8,12). Wenn ihr Christus nachfolgt, werdet ihr eurem Gewissen wieder den rechten Platz und seine 547 REISEN eigentliche Rohe einräumen, und dann werdet ihr das Licht der Welt und das Salz der Erde sein (vgl. Mt 5,13). Eine Wiedergeburt des Gewissens hat den Ursprung in zwei Quellen: zunächst im Bemühen, die objektive Wahrheit mit Gewißheit kennenzulemen, eingeschlossen die Wahrheit über Gott; zweitens im Licht des Glaubens an Jesus Christus, der allein Worte des Lebens hat. Der Papst fuhr in Spanisch fort: 6. Angesichts des herrlichen Ausbhcks auf die Gebirge des Colorado mit ihrer reinen Luft, die der Natur Frieden und Unbeschwertheit verleiht, erhebt sich unsere Seele spontan, um das Lob des Schöpfers zu singen: „Herr, unser Herr, wie wunderbar ist dein Name auf der ganzen Erde!” (Ps 8,2). Junge Pilger: Die sichtbare Welt ist wie eine Karte, die auf den Himmel, die ewige Wohnung des lebendigen Gottes, hinweist. Wenn wir die Schönheit seiner Geschöpfe betrachten, lernen wir den Schöpfer zu erblicken. Diese Welt ist ein Widerschein der Güte, Weisheit und Allmacht Gottes. Der Verstand des Menschen vermag sogar nach der Ursünde - wenn er nicht durch Irrtum oder Leidenschaft verblendet ist - die Handfertigkeit des Künstlers an den Wunderwerken, die er vollbracht hat, zu erkennen. Auch die Vernunft kann Gott mit Hilfe des Buches der Natur erkennen: einen persönlichen, unendlich guten, weisen, mächtigen und ewigen Gott, der über der Welt steht, aber zugleich im Innersten seiner Geschöpfe präsent ist. Der hl. Paulus schreibt: „Seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit” (Rom 1,20). Jesus hat uns gelehrt, in der Schönheit der Lilien des Feldes, der Vögel des Himmels, der sternklaren Nacht, der zur Ernte reifen Felder, auf dem Antlitz der Kinder und in den Bedürfnissen des Armen und Demütigen die Hand des Vaters zu erkennen. Wenn ihr das Weltall mit reinem Herzen betrachtet, erblickt auch ihr das Antlitz Gottes (vgl. Mt 5,8), weil es das Geheimnis der vorsorglichen Liebe des Vaters offenbart. Junge Menschen sind besonders für die Schönheit der Natur aufgeschlossen, und sie zu betrachten regt sie geistig an. Doch es muß eine authentische Betrachtung sein. Eine Betrachtung, die nicht das Antlitz eines persönlichen, intelligenten, freien und hebevollen Vaters offenbart, sondern nur heranreicht an das unbekannte Bild einer unpersönlichen Gottheit oder kosmischen Kraft, genügt nicht. Wir dürfen den Schöpfer nicht mit seiner Schöpfung verwechseln. Die Schöpfung besitzt kein Leben aus sich selbst, sondern nur von Gott. Im Erkennen der Größe Gottes entdeckt der Mensch die einzigartige Stellung, die er in der sichtbaren Welt einnimmt: „Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt” (Ps 8,6-7). Ja, die Betrachtung der Natur offenbart nicht nur den Schöpfer, sondern auch die Aufgabe des Men- 548 REISEN schenwesens in der Welt, die er geschaffen hat. Ln Glauben offenbart sie die Erhabenheit unserer Würde als nach seinem Bild geschaffene Wesen. Um Leben zu haben und um es in Fülle zu haben, um die ursprüngliche Harmonie der Schöpfung wiederherzustellen, wollen wir dieses göttliche Abbild in der ganzen Schöpfung und zumal im Leben des Menschen achten. Der Papst fuhr in Englisch fort: 7. Wenn das Licht des Glaubens dieses natürliche Bewußtsein durchdringt, erfahren wir eine neue Gewißheit, und die Worte Christi erklingen mit ihrem ganzen Nachdruck: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.” Gegen alle Mächte des Todes und trotz aller falschen Lehrer bietet Christus der Menschheit weiter die einzig wahre und realistische Hoffnung an. Er ist der wahre Hirte der Welt, weil er und der Vater eins sind (vgl. Joh 17,22). In seiner Gottheit ist er eins mit dem Vater; in seiner Menschheit ist er eins mit uns. Weil er unsere Menschennatur auf sich genommen hat, kann Jesus allen, die mit ihm in der Taufe geeint sind, das Leben übertragen, das er in sich selbst besitzt. Und weil in der Dreifaltigkeit Leben Liebe ist, wurde die ganze Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben wurde (vgl. Röm 5,5). Liebe und Leben sind untrennbar voneinander: die Liebe Gottes zu uns und die Liebe, die wir erwidern - die Liebe zu Gott und die Liebe zu jedem unserer Brüder und Schwestern. Das soll das Thema des letzten Teils unserer Gedanken später an diesem Abend sein. Dritter Teil Liebe, junge Pilger! 1. Der Geist hat euch nach Denver geführt, um euch mit neuem Leben zu erfüllen: um euren Glauben, eure Hoffnung und eure Liebe zu stärken. Alles in euch - Geist und Herz, Wille und Freiheit, Gaben und Talente -, alles wird vom Heiligen Geist ergriffen, um euch zu „lebendigen Steinen” des „geistigen Bauwerks” zu machen, das die Kirche ist (vgl. 1 Petr 2,5). Diese Kirche ist von Jesus untrennbar; er Hebt sie, wie der Bräutigam seine Braut Hebt. Diese Kirche bedarf in dieser Zeit - in den Vereinigten Staaten und in allen anderen Ländern, von denen ihr herkommt - der Zuneigung und Mitarbeit ihrer jungen Menschen, der Hoffnung für ihre Zukunft. In der Kirche hat jeder eine Aufgabe zu erfüHen, und wir alle gemeinsam erbauen den einen Leib Christi, das eine Volk Gottes. Beim Herannahen des Dritten Jahrtausends weiß die Kirche, daß der Gute Hirte wie immer die sichere Hoffnung der Menschheit ist. Jesus Christus hört niemals auf, die „Tür zu den Schafen” zu sein. Und trotz der Vergangenheit der sündigen Menschheit gegen das Leben läßt er nie ab, mit dem gleichen Nachdruck und der gleichen Liebe zu wiederholen: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” {Joh 10,10). 549 REISEN 2. Wie ist das möglich? Wie kann Christus uns Leben geben, wenn der Tod ein Teil unseres irdischen Daseins ist? Wie ist das möglich, wenn „es dem Menschen bestimmtist, ein einziges Mal zu sterben, worauf dann das Gericht folgt” (Hebr 9,21)1 Jesus selbst gibt die Antwort - und diese Antwort ist ein höchster Ausdruck göttlicher Liebe, ein Höhepunkt der Offenbarung des Evangeliums über die Liebe Gottes, des Vaters, zu seiner ganzen Schöpfung. Die Antwort hegt bereits vor im Gleichnis vom Guten Hirten, denn Christus sagt: „Der Gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe” (Joh 10,11). Christus, der Gute Hirte, ist unter .uns, den Völkern, Nationen, Generationen und Rassen, gegenwärtig als deijenige, der „sein Leben für seine Schafe hingibt”. Ist dies nicht der größte Liebbserweis? Dabei war es der Tod des Unschuldigen: „Der Menschensohn muß zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird” (Mt 26,24). Christus ist am Kreuz das Zeichen des Widerspruchs jeden Verbrechens gegen das Gebot, nicht zu töten. Er hat sein eigenes Leben dargebracht als Opfer für das Heil der Welt. Niemand nimmt ihm das menschliche Leben, er gibt es vielmehr hin aus eigenem Entschluß. Er hat die Macht, es hinzugeben, und die Macht, es zurückzunehmen (vgl. Joh 10,18). Es war wirkliche Selbsthingabe, ein höchster Akt der Freiheit. Ja, der Gute Hirt gibt sein Leben hin. Doch nur, um es wieder zu gewinnen (vgl. Joh 10,17). Im neuen Leben der Auferstehung aber wurde er nach den Worten des hl. Paulus „zum lebendigmachenden Geist” (1 Kor 15,45), der nun allen, die an ihn glauben, die Gabe des Lebens schenken kann. Hingegebenes Leben - wiedergewonnenes Leben - geschenktes Leben. In ihm haben wir das Leben, das er in der Einheit des Vaters und des Heiligen Geistes besitzt. Wenn wir an ihn glauben. Wenn wir eins mit ihm sind durch die Liebe und in Erinnerung behalten: „Wer Gott hebt, muß auch seinen Bruder heben” (1 Joh 4,21). Der Papst fuhr in Spanisch fort: 3. Guter Hirt! Der Vater hebt dich, weil du dein Leben hingibst. Der Vater hebt dich als seinen gekreuzigten Sohn, weil du den Tod auf dich nimmst und dein Leben für uns hingibst. Der Vater hebt dich, wenn du den Tod in deiner Auferstehung überwindest und damit ein unzerstörbares Leben offenbarst. Du bist das Leben und deswegen der Weg und die Wahrheit unseres Lebens (vgl. Joh 14,6). Du hast gesagt: „Ich bin der Gute Hirt;: ich kenne meine Schafe, und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne” (Joh 10,14-15). Du kennst den Vater (vgl. Joh 10,15) - den alleinigen und gemeinsamen Vater aller - und weißt daher, warum dich der Vater hebt (vgl. Joh 10,17). Er hebt dich, weil du für einen jeden das Leben hingibst. Wenn du sagst: „Ich gebe das Leben für meine Schafe”, schließt du niemanden aus. Du bist in die Welt gekommen, um alle Menschen an dich zu ziehen und die Kinder der ganzen Menschheitsfamihe, die verstreut waren, wieder zu vereinen (vgl. Joh 11,52). Doch es gibt noch viele, die 550 REISEN dich nicht kennen: „Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Schafstall sind; auch sie muß ich herbeiführen” (Joh 10,16). Der Papst fuhr in Englisch fort: 4. Guter Hirt! Lehre die hier versammelten jungen Menschen, lehre die Jugendlichen der ganzen Welt, was es bedeutet, ihr „Leben hinzugeben” innerhalb ihrer Berufung und Sendung. So wie du die Apostel zur Verkündigung des Evangeliums bis an die Enden der Erde ausgesandt hast, so rufe nun die Jugend der Kirche auf, die gewaltige Sendung zu übernehmen, dich all jenen bekanntzumachen, die noch nicht von dir gehört haben! Gib diesen jungen Menschen den Mut und die Hochherzigkeit der großen Missionare der Vergangenheit, so daß durch das Zeugnis ihres Glaubens und ihre Solidarität mit allen hilfsbedürftigen Brüdern und Schwestern die Welt die Wahrheit, Güte und Schönheit des Lebens erkenne, das du allein zu geben vermagst. Lehre die in Denver versammelten jungen Menschen, deine Botschaft des Lebens und der Wahrheit, der Liebe und Solidarität in den Kem der modernen Großstädte hineinzutragen - in die Mitte aller Probleme, die die Menschheitsfamilie am Ende des 20. Jahrhunderts bedrängen. Lehre diese jungen Menschen den rechten Gebrauch ihrer Freiheit. Lehre sie, daß die größte Freiheit in der vollsten Hingabe ihrer selbst besteht. Lehre sie, die Bedeutung des Wortes des Evangeliums zu erkennen: „Wer sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es finden” (Mt 10,39). 5. Für all dies, Guter Hirt, lieben wir dich. Die in Denver versammelten Jugendlichen lieben dich, weil sie das Leben lieben, das Geschenk des Schöpfers. Sie lieben ihr menschliches Leben als Weg durch diese geschaffene Welt. Sie lieben das Leben als Aufgabe und Berufung. Sie lieben auch das andere Leben, das uns der ewige Vater durch dich geschenkt hat: das Leben Gottes in uns, deine größte Gabe für uns. Du bist in Wahrheit der Gute Hirt! Und es gibt keinen anderen. Du bist gekommen, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben. Leben nicht nur auf der menschlichen Ebene, sondern nach dem Maß des Sohnes - des Sohnes, an dem der Vater für immer sein Wohlgefallen hat. Herr Jesus Christus, wir danken dir für dein Wort: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Die jungen Menschen des achten Weltjugendtages danken dir von Herzen. Maranatha! Von dieser Zusammenkunft von Jugendlichen aus aller Welt, hier, im Cherry Creek State Park in Denver,, rufen wir aus: „Maranatha!” „Komm, Herr Jesus!” (Of/b 22.20). 551 REISEN Verantwortung der Christen für die Achtung des Lebens in Familie und Gesellschaft Predigt beim Wortgottesdienst in Denver/USA am 14. August „Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge” (/es 2,2) Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Lieber Erzbischof und Hirte dieser geliebten Kirche von Denver! 1. Bei meiner Ankunft in Denver erhob ich meinen Bück zu den herrlichen Rocky Mountains, deren Erhabenheit und Majestät daran erinnern, daß unsere Hilfe vom Herrn kommt, der Himmel und Erde erschallen hat (vgl. Ps 121,1-2). Er allein ist der Fels unseres Heils (vgl. Ps 89,27). Gott hat mir die Gnade geschenkt, zusammen mit euch dem himmlischen Vater für die „großen Taten” (Apg 2,11), die er seit der ersten Verkündung des Evangeliums in dieser Gegend vollbracht hat, zu danken und ihn zu preisen. Heute begrüße ich all jene, die Christus - der „pescador de hombres”, der göttliche Fischer - im Netz seiner Kirche gesammelt hat. „Mit der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat” (Phil 1,8), danke ich Msgr. Stafford, Erzbischof von Denver, Msgr. Hanifen, Bischof von Colorado Springs, Msgr. Tafoya, Bischof von Pueblo, Msgr. Hart, Bischof von Cheyenne, und den anderen anwesenden Kardinälen und Bischöfen, den Priestern, Ordensleuten und euch allen dafür, daß ihr „stark im Glauben, in der Liebe, in der Ausdauer” (Tit 2,2) seid. Herzlich grüße ich den Gouverneur von Colorado, den Bürgermeister von Denver und die Vertreter der anderen Kirchen, kirchlichen Gemeinschaften und religiösen Verbänden. Eure Anwesenheit ermutigt uns, nach einem immer größeren Einverständnis unter allen Menschen guten Willens zu streben und gemeinsam für eine neue „Zivilisation der Liebe” tätig zu werden. 2. Der Weltjugendtag ist eine große Huldigung an das Leben: das Leben als Geschenk Gottes und als ehrfürchtgebietendes Geheimnis. Jugendliche aus aller Welt versammeln sich, um den Glauben der Kirche zu bekennen, wonach Wir in Jesus Christus zur vollen Wahrheit über unseren Zustand als Menschen und unsere ewige Bestimmung gelangen. Nur in Christus können Männer wie Frauen Antworten auf die eigentlichen Fragen finden, die sie bedrücken. Nur in Christus können sie vollends ihre Würde als Personen verstehen, von Gott erschaffen und geliebt. Jesus Christus ist „der einzige Sohn vom Vater... voll Gnade und Wahrheit” (vgl. Joh 1,14). Indem sie sich die Menschwerdung des Ewigen Wortes vor Augen hält, wird der Kirche ihre zweifache - menschüche und göttliche - Natur besser bewußt. Sie ist der mystische Leib des fleischgewordenen Wortes. Als solcher ist sie untrennbar mit 552 REISEN dem Herrn verbunden und auf unfehlbare Weise heilig (vgl. Lumen Gentium, Nr. 39). Die Kirche ist auch das sichtbare Mittel, durch das Gott die sündige Menschheit wieder mit sich versöhnt. Sie ist das Volk Gottes, das zum Haus des Vaters pilgert. In diesem Sinne bedarf sie stets der Umkehr und Erneuerung, und ihre Glieder sind immer zur „Läuterung und Erneuerung aufgerufen, damit das Zeichen Christi auf dem Antlitz der Kirche klarer erstrahle” (ebd., Nr. 15). Nur wenn die Kirche Werke wahrer Heiligkeit und demütigen Dienens hervorbringt, gehen die Worte des Propheten Jesaja in Erfüllung: „Zu ihr strömen alle Völker” (vgl. Jes 2,2). Die Kirche, die als sichtbare Personengemeinschaft mit Christus vereint ist, muß sich die erste Christengemeinde in Jerusalem zum Vorbild nehmen, die an „der Lehre der Apostel... und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten” festhielt (Apg 2,42). Wenn die Kirche vor der Welt das glaubwürdige Zeichen der Versöhnung sein soll, dann müssen alle Gläubigen, wo immer sie auch sind, „ein Herz und eine Seele” sein (Apg 4,32). Durch eure brüderliche Gemeinschaft wird die Welt erkennen, daß ihr Jünger Christi seid! 3. Die Mitglieder der katholischen Kirche sollten sich die Wortes des hl. Paulus zu Herzen nehmen und stets bemüht sein, „die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der sie zusammenhält” (vgl. Eph 4,3). Ehrt die Kirche mit Freundlichkeit und Geduld als gebebte Braut Christi, die stets kraftvoll und jung bleibt. Denn es treten viele Probleme auf, wenn die Menschen die Kirche als ihr Eigentum betrachten, obwohl sie ja in Wirklichkeit Christus gehört. Christus und die Kirche sind untrennbar als „ein Fleisch” (vgl. Eph 5,29) miteinander verbunden. Unsere Liebe zu Christus findet ihren lebendigen Ausdruck in unserer Liebe zur Kirche. Gegensätzlichkeit und zerstörerische Kritik haben keinen Platz bei denen, „die im Glauben verbunden sind” (vgl. Gal 6,10). Die Kirche in den Vereinigten Staaten ist vital, dynamisch und reich an „Glauben, Liebe, Heiligkeit” (vgl. 1 Tim 2,15). Ohne Zweifel sind die allermeisten ihrer Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien engagierte Anhänger Christi und stellen sich großzügig in den Dienst der Liebesbotschaft des Evangeliums. Und doch ist auch die Kirche, zu einer Zeit, wo alle Institutionen in Verruf geraten sind, nicht frei von Vorwürfen gebüeben. Ich habe bereits an die Bischöfe der Vereinigten Staaten über das schmerzliche Leid und die Schande geschrieben, die durch die Sünde einiger Geistlicher verursacht wurden. Ich habe ihnen gesagt, daß ich ihre Sorgen teile, vor allem ihre Sorge um die Opfer dieser Schandtaten. Solch traurige Begebenheiten fordern uns erneut auf, mit den Augen des Glaubens auf das Geheimnis der Kirche zu blicken. Es müssen alle menschlichen Mittel eingesetzt werden, um diesem Übel abzuhelfen, aber wir dürfen dabei nicht vergessen, daß das erste und wichtigste Mittel das Gebet ist: das inständige, demütige und vertrauensvolle Gebet. Amerika braucht viele Gebete, sonst verliert es seine Seele (vgl. Brief an die Bischöfe der Vereinigten Staaten vom 11. Juni 1993). 553 REISEN 4. In vielen Fällen und insbesondere bei Fragen sittlicher Art trifft „die Lehre der Kirche heute auf eine gesellschaftliche und kulturelle Situation, die sie schwerer verständlich und gleichzeitig dringender und unersetzlicher macht für die Förderung des wahren Wohls von Mann und Frau” (Familiaris consortio, Nr. 30). Nirgendwo wird dies offensichtlicher als in bezug auf die Fragen, die die Weitergabe des menschlichen Lebens und das unveräußerliche Recht des Ungeborenen auf sein Leben betreffen. Vor fünfundzwanzig Jahren hat Papst Paul VI. die Enzyklika Humanae vitae veröffentlicht. Eure Bischöfe haben vor kurzem eine Stellungnahme abgegeben, die an diesen Jahrestag erinnern soll. Sie rufen alle auf, die Weisheit von Humanae vitae zu vernehmen und die Lehre der Kirche zur Grundlage eines neuen Verständnisses der Ehe und des Familienlebens zu machen (vgl. Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten, Die menschliche Sexualität aus der Sicht Gottes: 25 Jahre nach „Humanae vitae”, Schlußwort). Die Kirche fordert die Eheleute zu verantwortlicher Elternschaft auf, indem sie als „Diener” und nicht als „Schiedsrichter” des göttlichen Heilsplans handeln. Seit der Veröffentlichung von Humanae vitae ist Bedeutendes geleistet worden zur Verbreitung der Methoden natürlicher Familienplanung bei jenen Menschen, die ihre eheliche Liebe gemäß der Fülle dieser Wahrheit leben wollen. Trotzdem muß noch mehr getan werden, um das Gewissen der Eheleute in jener Form der eheüchen Enthaltsamkeit zu bilden, die auf dem „Dialog, der gegenseitigen Achtung, der gemeinsamen Verantwortung und der Selbstbeherrschung” gründet (vgl. Familiaris consortio, Nr. 32). Ich rufe besonders die jungen Menschen auf, den Reichtum an Weisheit, die Reinheit des Gewissens und die tiefe innere Freude wiederzuentdecken, die aus dem Respekt der menschlichen Sexualität hervorgehen, wenn sie als großes Geschenk Gottes verstanden und entsprechend der Wahrheit der hochzeitlichen Bedeutung des Körpers gelebt wird. 5. Ebenso muß die Errichtung einer wahren Zivilisation der Liebe mit dem ernsthaften Bemühen einhergehen, die Gewissen in den sittlichen Wahrheiten zu erziehen, die die Achtung vor dem Leben angesichts jeder Bedrohung unterstützen. In ihrer tatkräftigen Sorge üm die Menschenrechte und die Gerechtigkeit setzt sich die Kirche dezidiert für den Schutz und die Pflege eines jeden Menschenlebens - einschließlich des ungeborenen Lebens - ein. Da sie von Christus gesandt ist, den Schwachen, Unterdrückten und Schutzlosen zu dienen, muß die Kirche ihre Stimme für all jene erheben, die am schutzbedürftigsten sind. Es ist tröstlich, daß diese Einstellung von den Anhängern vieler Religionsgemeinschaften geteilt wird. Wer das Leben achtet, muß seine Lehren über den Wert jedes Menschenlebens durch konkrete und wirksame Werke der Solidarität zugunsten der Menschen in Not bezeugen. Ohne Nächstenhebe würde dem Kampf zum Schutz des Lebens der wichtigste Bestandteil christlicher Ethik fehlen. Der hl. Paulus schreibt: „Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!” (Röm 12,21). 554 REISEN Erzbischof Stafford hat mir über die tiefe Sorge vieler Amerikaner angesichts der Gewalt in den Großstädten als negatives „Zeichen der Zeit” berichtet, das im Licht des Evangeliums gelesen werden muß. Gewalt bedeutet immer, unseren Nächsten - jeden Menschen ohne Unterschied - nicht als Abbild und Gleichnis Gottes (vgl. Gen 1,26-27) zu achten. Gewalt - in welcher Form auch immer - ist eine Leugnung der Menschenwürde. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Wer ist dafür verantwortlich? Die Einzelpersonen sind für das verantwortlich, was sich gegenwärtig abspielt. Die Familien tragen ihren Teil an Verantwortung. Die Gesellschaft trägt eine große Verantwortung. Jeder muß seinen Teil an Verantwortung übernehmen können, einschließlich der Medien! Der Papst spricht also gegen das Fernsehen, das ihn gerade überträgt! Ich wiederhole noch einmal: einschließlich der Medien, die sich wenigstens teilweise der Auswirkungen bewußt werden, die sie auf das Publikum haben können. Ich kann auch fragen: Wer ist für die Medien verantwortlich? Wer ist verantwortlich? Und wenn diese Frage erst einmal gestellt ist, was muß getan werden? Jeder muß sich bemühen, einen tiefen Sinn für den Wert des Lebens und der Menschenwürde zu fördern. Die ganze Gesellschaft muß tätig werden, um die Strukturen und Umstände zu verändern, die die Menschen und vor allem die jungen Leute zu einem Mangel an Tiefe und Achtung führen, sowohl zu sich selbst als auch gegenüber den anderen, der sie dann zur Gewalt verleitet. Da aber die Wurzel der Gewalt im Herzen des Menschen sitzt, ist die Gesellschaft dazu verurteilt, auch in Zukunft Gewalt zu verursachen, in die Tat umzusetzen und gewissermaßen sogar zu verherrlichen, es sei denn sie beruft sich auf die sittlichen und religiösen Wahrheiten, die allein eine wirksame Barriere gegen Illegalität und Gewalt sind, denn nur diese Wahrheiten sind in der Lage, das Gewissen zu erleuchten und zu stärken. Das ist unsere Verantwortung. Im Endeffekt ist es der Sieg der Gnade über die Sünde, der zu brüderlicher Eintracht und Versöhnung führt. 6. Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Ich fordere euch nachdrücklich auf, euer Vertrauen in das reiche Erbarmen des Vaters (vgl. Eph 2,4) und in die von seinem geliebten Sohn vollbrachte Menschwerdung und Erlösung durch die lebenspendende Präsenz des Heiligen Geistes in euren Herzen zu erneuern. Dieses unermeßliche Geheimnis der Liebe wird uns vergegenwärtigt durch die Sakramente, die Lehre und die Solidarität der Heiligen Kirche mit der pilgernden Menschheit. Durch eure Bischöfe und Priester, in den Gemeinden, Verbänden und Bewegungen braucht die Kirche eure Liebe und aktive Unterstützung bei der Verteidigung des unveräußerlichen Rechtes auf Leben und der Unversehrtheit der Familie durch die Förderung der christlichen Prinzipien im privaten und öffentlichen Leben, durch den Dienst an den Armen und Schwachen und durch die Überwindung alles Bösen durch das Gute. Möge Maria, „voll der Gnade”, die Fürsprecherin der katholischen Gemeinschaft von Colorado und den Vereinigten Staaten sein. Möge ihr Vorbild der Jüngerschaft 555 REISEN jeden von euch zu einer persönlicheren Liebe zu ihrem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus, anregen. Möge sie, die Mutter der Kirche, euch lehren, die Kirche zu lieben und ihr zu dienen, so wie sie die erste Gemeinschaft der Jünger Christi geliebt und ihr gedient hat (vgl. Apg 1,14). Mögt ihr durch die Kirche in Christus bleiben, dem Friedensfiirst und Herrn über unser Leben. Die Worte des Papstes richteten sich nicht gegen die Freiheit, vor allem nicht gegen die amerikanische Freiheit. Der Papst hat im Gegenteil für die Freiheit gesprochen, für einen richtigen Gebrauch der Freiheit. Nur eine korrekte Ausübung der Freiheit ist wahre Freiheit. Die Worte des Papstes waren auch nicht gegen die amerikanische Zivilisation oder das amerikanische Fernsehen gerichtet. Der Papst hat sich vielmehr für eine wahrhafte Förderung der Zivilisation, der Kultur und der Menschenwürde ausgesprochen. Amen. Auf dem Pilgerweg des Glaubens Nächster Weltjugendtag 1995 in Manila Angelus in Denver am 15. August Nun lade ich alle, die an dieser abschließenden Liturgiefeier des Weltjugendtages teilnehmen, und alle, die durch Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind, ein, im Geist auf Maria, die Mutter des Erlösers, zu bücken und sich unserem Angelusgebet anzuschüeßen. Dieses traditionelle Gebet fordert uns auf, über Marias eigenen Pilgerweg des Glaubens nachzudenken. Voll Vertrauen rufen wir zu ihr: Maria, du bist „der Typus der Kirche unter der Rücksicht des Glaubens, der Liebe und der vollkommenen Einheit mit Christus” (Lumen Gentium, Nr. 63). Du hast in freier Entscheidung Gottes Willen angenommen, als er dir bei der Verkündigung kundgetan wurde. Du hast das menschgewordene Wort, da als dein Sohn unter uns wohnte, in deinem Leib getragen. Du sahst ihn im Haus Nazaret zunehmen „an Weisheit und Alter und Gnade” (Lk 2,52). Dein Weg der Jüngerschaft führte dich bis unter das Kreuz, wo Jesus dich zur Mutter aü derer machte, die ihm nachfolgen (vgl. Joh 19,27). Maria, Mutter, der Herr des Lebens ist dein Sohn, und du standest unter dem Baum des Lebens. Beim Kreuz wurdest du unsere geistüche Mutter, und im Himmel trittst du weiter ein für uns, die wir noch unterwegs sind zum Haus des Vaters (vgl. Lumen Gentium, Nr. 62). Maria, Mutter der Kirche, mit dir vereint danken wir der Heiligsten Dreifaltigkeit für aües, was dieser Weltjugendtag im Leben der jungen Menschen bewirkt hat, die dem Kreuz des Heiligen Jahres nach Denver gefolgt sind. 556 REISEN Maria, Unbefleckte Jungfrau, bitte für diese jungen Menschen, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Begleite sie, wenn sie hinausgehen, um Boten jenes göttlichen Lebens zu sein, das allein den Hunger des Menschenherzens zu stillen vermag! Mögen sie, wie du, im Kreuze Christi den Anruf der göttlichen Liebe erkennen, die den Tod in Leben, Verzweiflung in Hoffnung und Traurigkeit in nicht endende Freude verwandelt. Heilige Mutter, hilf all den jungen Menschen, die noch darum zu kämpfen haben, um auf den Ruf des Herrn zum Priestertum, zum Ordensleben oder zu einer anderen Form geweihten Lebens in der Kirche mit einem endgültigen und verantwortungsbewußten „Ja” zu antworten. Schenke ihnen den Mut und die Hoffnung, die sie brauchen, um alle Hindernisse zu überwinden und deinem Sohn enger nachzufolgen. Wir bitten dich, wache über uns alle, die wir hier versammelt sind, wenn wir unseren Pilgerweg zu den wahren Quellen des Lebens fortsetzen. Ja, diese Pilgerschaft muß weitergehen! Sie muß weitergehen in unserem Leben. Sie muß weitergehen im Leben der Kirche, die dem dritten christlichen Jahrtausend entgegenblickt. Sie soll weitergehen als „ein neuer Advent”, eine Zeit der Hoffnung und der Erwartung, bis der Herr in Herrlichkeit wiederkommt. Unsere Feier des Weltjugendtages war ein Einhalten auf dem Weg, ein Augenblick des Gebetes und des Kraftschöpfens; aber unsere Reise soll uns weiterführen. Heute möchte ich ankündigen, daß der nächste Weltjugendtag Anfang 1995 in Manila, Philippinen, stattfinden wird. So wird unser Pilgerweg uns zu dem gewaltigen und von Leben pulsierenden Kontinent Asien bringen. Das Kreuz des Heiligen Jahres wird uns zu einer Begegnung „mit dem treuen, edelmütigen Volk der Philippinen führen. Maria des neuen Advents, wir rufen deine Schirmherrschaft herab auf die Vorbereitungen, die nun für dieses nächste Treffen beginnen. Maria, „voll der Gnade”, wir vertrauen dir den nächsten Weltjugendtag an! Maria, in den Himmel aufgenommen, wir vertrauen dir die Jugend der Welt an! Verherrlichung des Lebens Predigt an die Jugendlichen während der Abschlußmesse des Weltjugendtages in Denver am 15. August „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan” (Lk 1,49). Liebe Jugendliche, liebe Freunde in Christus! 1. Heute steht die Kirche gemeinsam mit Maria auf der Schwelle von Zacharias Haus in Ain-Karim. Sofort nach dem „fiat” der Verheißung eilte die Jungfrau von Nazaret mit dem in ihr erwachenden neuen Leben dorthin, um ihrer Cousine Elisabeth beizustehen. Als erste erkannte Elisabeth das „Große”, das Gott an Maria ge- 557 REISEN tan hatte. Vom Heiligen Geist erfüllt, wunderte sich Elisabeth, daß die Mutter ihres Herrn zu ihr gekommen war (vgl. Lk 1,43). Mit tiefer Einsicht in das Geheimnis verkündete sie: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ” (Lk 1,45). Voller Demut und Dankbarkeit Gott gegenüber antwortete Maria mit einem Loblied: „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig” (Lk 1,49). Mit diesem Fest feiert die Kirche den Höhepunkt des „Großen”, das Gott an Maria getan hat: ihre glorreiche Aufnahme in den Himmel. Und überall in der Kirche hallt der gleiche Lobgesang der Danksagung das „Magnificat” wider, wie damals zum erstenmal in Ain-Karim: Alle Geschlechter preisen dich selig (vgl. Lk 1,48). Wir sind hier, am Fuße der Rocky Mountains, versammelt - was uns daran erinnert, daß auch Jerusalem von Bergen umgeben war (vgl. Ps 125,2) und daß Maria in dieses Bergland hinaufging (vgl. Lk 1,39) -, um den „Aufstieg” Marias in das himmlische Jerusalem, zur Schwelle des ewigen Tempels der Heiligen Dreifaltigkeit, zu feiern. Beim Weltjugendtag hier in Denver schließen sich die katholischen Söhne und Töchter Amerikas gemeinsam mit anderen „aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern” {Ojfb 5,9) all den Generationen an, die seit langem ausriefen: Gott hat „Großes” an dir getan, Maria, wie an uns allen, die wir seinem Pilgervolk angehören! (vgl. Lk 1,49). Indem ich die Königin des Himmels, Symbol der Hoffnung und trostspendende Quelle auf unserer Wallfahrt des Glaubens zum „himmlischen Jerusalem” (Hebr 12,22), von ganzem Herzen preise, begrüße ich alle bei dieser heiligen Liturgiefeier Anwesenden. Es freut mich, so viele Geistliche, Ordensleute und gläubige Laien aus Denver, aus Colorado, aus allen Teilen der Vereinigten Staaten und aus so vielen Ländern der ganzen Welt zu sehen, die sich den jungen Menschen des Weltjugendtags angeschlossen haben, um in Maria, der Mutter des Erlösers, den endgültigen Sieg der Gnade zu feiern. 2. Der achte Weltjugendtag ist eine Verherrlichung des Lebens. Dieses Treffen war eine Gelegenheit, ernstlich über die Worte Christi: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10) nachzudenken. Jugendliche aus allen Teilen der Welt, im innigen Gebet habt ihr eure Herzen für die Wahrheit des Versprechens Christi vom neuen Leben geöffnet. Mit Hilfe der Sakramente, insbesondere der Buße und der Eucharistie, und durch die Einheit und Freundschaft, die vielfach entstanden sind, habt ihr die wirkliche und umwandelnde Erfahrung des neuen Lebens gemacht, wie sie einzig und allein Christus geben kann. Junge Pilger, ihr habt auch dafür Verständnis gezeigt, daß das Leben, dieses Geschenk Christi, nicht nur für euch allein bestimmt ist. Ihr seid euch nun eurer Berufung und Sendung in Kirche und Welt in stärkerem Maße bewußt. Für mich war unsere Begegnung ein tiefgreifendes und bewegendes Erlebnis eures Glaubens an Christus, und mit den Worten des hl. Paulus sage ich: „Ich habe großes Vertrauen zu euch; ich bin sehr 558 REISEN stolz auf euch, trotz all unserer Not bin ich von Trost erfüllt und ströme über von Freude” (2 Kor 7,4). Dies sind keine leeren Worte des Lobes. Ich bin sicher, daß ihr das Ausmaß der vor euch liegenden Herausforderung erfaßt habt und die Klugheit und den Mut haben werdet, auf diese Herausforderung zu antworten. So viel hängt von euch ab. 3. Diese herrliche Welt - die der Vater so sehr liebte, daß er seinen Sohn aussandte, sie zu retten (vgl. Joh 3,17) - ist der Schauplatz eines endlosen Kampfes für unsere Würde und Identität als freie, vergeistigte Menschen. Dieses Ringen entspricht jenem apokalyptischen Kampf, der in der ersten Lesung dieser Messe beschrieben wird. Der Tod kämpft gegen das Leben: Eine „Kultur des Todes” versucht, unser Verlangen nach Leben, nach der Fülle des Lebens, zu unterdrücken. Es gibt jene, die das Licht des Lebens zurückweisen, und die „Werke der Finsternis, die keine Frucht bringen” (Eph 5,11), vorziehen. Sie ernten Ungerechtigkeit, Diskriminierung, Ausbeutung, Hinterlist und Gewalt. In jedem Zeitalter kann ihr vermeintlicher Erfolg am Tod der Unschuldigen gemessen werden. In unserem Jahrhundert hat die „Kultur des Todes” - wie zu keiner anderen Zeit in der Geschichte - eine soziale und institutionelle Form der Legalität angenommen, um die entsetzlichsten Verbrechen an der Menschheit zu rechtfertigen: Völkermord, „Endlösungen”, „ethnische Säuberungen” und die weitverbreitete Sitte, „den menschlichen Wesen, noch bevor sie geboren werden oder zur natürlichen Grenze des Todes gelangt sind, das Leben zu nehmen” (vgl. Dominum et vivi-ficantem, Nr. 57). Die heutige Lesung aus dem Buch der Offenbarung beschreibt die Frau, umgeben von feindlichen Kräften. Die wahre Natur ihres Angriffs verdeutlicht sich im Objekt ihrer schlechten Absichten: dem Kind, dem Symbol des neuen Lebens. Der „Drache” (Offb 12,3), der „Herrscher dieser Welt” (Joh 12,31) und der „Vater der Lüge” (Joh 8,44), versucht unermüdlich, das Gefühl der Dankbarkeit und die Achtung für das ursprüngliche, außerordentliche und grundlegende Geschenk Gottes - das menschliche Leben selbst - aus den Herzen der Menschen zu verdrängen. In diesem Zeitalter ist dieser Kampf zunehmend direkter geworden. 4. Liebe Freunde, dieses Zusammentreffen in Denver zum Thema des Lebens sollte uns jene inneren Widersprüche vertieft ins Bewußtsein rufen, die teilweise in der Kultur der modernen „Metropole” enthalten sind. Als die Gründer dieser großen Nation gewisse unveräußerliche Rechte in die Konstitution einfügten - ähnliches gilt für viele Länder und zahlreiche internationale Erklärungen -, geschah dies in Erkenntnis eines bestehenden „Gebotes” - eine Reihe von Rechten und Pflichten -, die der Schöpfer in das Herz und Gewissen eines jeden Menschen eingeprägt hatte. In unserer heutigen Denkweise fehlt vielfach jede Bezugnahme auf ein von unserem Schöpfer gewährleistetes „Gesetz”. Es bleibt lediglich die Entscheidung des einzelnen Menschen, dieses oder jenes Ziel unter den jeweiligen Umständen als angemes- 559 REISEN sen oder nützlich zu erachten. Nichts wird mehr als wirklich „gut” und als „allgemein verpflichtend” angesehen. Rechte werden zwar bekräftigt, aber, da jede Bindung an eine konkrete Wahrheit fehlt, entbehren sie jeder festen Grundlage (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Gefahren für das menschliche Leben, I). In einem großen Teil der Gesellschaft herrscht Verwirrung über das, was recht und was falsch ist, und viele sind denen ausgehefert, die die Macht haben, Meinung zu „machen” und sie anderen aufzuzwingen. Insbesondere wird die Familie angegriffen. Der heihge Charakter des menschlichen Lebens wird oft ignoriert. Natürhch sind vor allem die schwächeren Schichten der Gesellschaft in Gefahr: die Ungeborenen, die Kinder, die Kranken, die Behinderten, die Alten, die Armen und Arbeitslosen, Immigranten und Flüchtlinge, der südliche Teil der Welt! 5. Junge Pilger, Christus braucht euch, um die Welt zu erleuchten und um ihr den „Pfad zum Leben” (Ps 16,11) zu weisen. Die Herausforderung hegt darin, das „Ja” der Kirche zum Leben konkret und wirkungsvoll in die Tat umzusetzen. Es wird ein langer Kampf sein, der den Einsatz eines jeden von euch erfordert. Steht eure Intelligenz, eure Talente, eure Begeisterung, euer Erbarmen und eure Kraft in den Dienst des Lebens! Fürchtet euch nicht! Der Ausgang dieses Ringens um das Leben ist bereits beschlossen, auch wenn der Kampf gegen eine große Übermacht und mit viel Leid weitergeht. Diese Gewißheit wird in der zweiten Lesung deutlich: „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen ... So werden in Christus alle lebendig gemacht werden” (I Kor 15,20-22). Das Widersinnige der christlichen Botschaft hegt darin: Christus - das Oberhaupt - hat bereits die Sünde und den Tod bezwungen. In seinem Leib - dem Pilgervolk Gottes - erleidet Christus fortwährend den Angriff des Bösen und jede Art von Schlechtigkeit, zu der die sündhafte Menschheit fähig ist. 6. In diesem Abschnitt unserer Geschichte wird die erlösende Botschaft des lebenspendenden Evangehums in eure Hände gelegt. Der Auftrag, es überall in der Welt zu verkünden, geht nun auf eure Generation über. Wie der große Apostel Paulus so müßt auch ihr euch der ganzen Dringlichkeit dieser Aufgabe bewußt sein: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde” (7 Kor 9,16). Wehe euch, wenn ihr in der Verteidigung des Lebens scheitert. Die Kirche braucht eure Kraft, eure Begeisterungsfähigkeit, eure jugendlichen Ideale, damit das Evangelium des Lebens in die soziale Struktur eindringen kann, um die Herzen der Menschen und die Gesellschaft zu wandeln, so daß eine Kultur wahrer Gerechtigkeit und Liebe entstehen kann. In einer Welt, die, heute 'mehr denn je, oft ohne Licht und ohne den Mut edler Vorbilder ist, brauchen die Menschen die frische, kraftvolle Geistigkeit des Evangeliums. Habt keine Angst, auf die Straßen und in die Öffentlichkeit zu gehen wie die ersten Apostel, die Christus und die Frohbotschaft des Heils auf den Plätzen der Städte und 560 REISEN Dörfer verkündeten. Das ist nicht die Zeit, sich des Evangeliums zu schämen (vgl. Rom 1,16). Es ist vielmehr an der Zeit, es von den Dächern zu predigen (vgl. Mt 10,27). Fürchtet euch nicht, aus eurer bequemen und gewohnten Lebensweise auszubrechen, und antwortet auf die Herausforderung, Christus in der modernen „Metropole” bekanntzumachen. Ihr seid es, die auf die Straßen hinausgehen sollt (vgl. Mt 22,9), um alle, denen ihr begegnet, zum Festmahl, das Gott für sein Volk bereitet hat, einzuladen. Das Evangelium darf nicht aus Angst oder Gleichgültigkeit verborgen bleiben. Es war nie dazu bestimmt, auf den privaten Bereich eingeschränkt zu sein. Es muß auf einen Leuchter gestellt werden, damit sein Licht vor den Menschen leuchte und diese unseren Vater im Himmel preisen (vgl. Mt 5,15-16). Jesus machte sich auf die Suche nach den Männern und Frauen seiner Zeit. Er sprach mit ihnen auf offene und ehrliche Weise, was immer auch ihre Stellung war. Als barmherziger Samariter der Menschenfamilie näherte er sich den Leuten, um sie von ihren Sünden zu befreien und die Wunden zu heilen, die ihnen das Leben zugefügt hatte, und um sie zum Haus des Vaters zurückzubringen. Jugendliche dieses Weltjugendtags, die Kirche ruft euch auf, erfüllt von der Kraft des Heiligen Geistes, zu denen, die nah sind, und jenen, die fern sind, zu gehen. Teilt mit ihnen die in Christus gefundene Freiheit! Die Menschen dürsten nach wahrer, innerer Freiheit. Sie sehnen sich nach dem Leben, das Christus in Fülle gebracht hat. Auf der Schwelle eines neuen Jahrtausends, auf das sich die gesamte Kirche vorbereitet, gleicht die Welt einem Acker, der auf die Ernte wartet. Christus braucht Arbeiter, die bereit sind, in seinen Weingarten zu gehen. Junge Katholiken dieser Welt, enttäuscht ihn nicht! Möget ihr das Kreuz Christi in euren Händen, die Worte des Lebens auf euren Lippen und die erlösende Gnade des Herrn in euren Herzen tragen. 7. Durch ihre Himmelfahrt wurde Maria - mit Leib und Seele - zum „Leben erhöht”. Sie ist bereits Teil der „ersten Früchte” (vgl. 1 Kor 15,20), die uns durch den Erlösungstod und die Auferstehung unseres Heilands zuteil werden. Sie gab ihm sein menschliches Leben; dafür gab er ihr die Fülle der Gemeinschaft des himmlischen Lebens. Sie ist das einzige andere Wesen, in dem sich das Mysterium schon gänzlich erfüllt hat. Der endgültige Sieg des Lebens über den Tod ist in Maria bereits Wirklichkeit; das II. Vatikanische Konzil lehrt uns: „In der seligsten Jungfrau ist die Kirche schon zur Vollkommenheit gelangt, in der sie ohne Makel und Runzel ist” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 65). Auch wir haben innerhalb und durch die Kirche die Hoffnung auf „das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe, das im Himmel für uns aufbewahrt ist” (vgl. 1 Petr 1,4). Du bist gesegnet, o Maria! Mutter des ewigen Sohnes, der aus deinem jungfräulichen Leib geboren wurde, du bist „voll der Gnade” (vgl. Lk 1,28). Du hast die Fülle des Lebens (vgl. Joh 10,10) erhalten wie kein anderer unter den Nachkommen Adams und Evas. Als die treueste Befolgerin des Gotteswortes (vgl. Lk 11,28) hast du nicht nur das Geheimnis in deinem Herzen bewahrt und darüber nachgedacht 561 REISEN (vgl. Lk 2,19.51), sondern es auch leiblich erfüllt und durch jene aufopfernde Liebe genährt, mit der du Jesus während seines irdischen Lebens umgeben hast. Als Mutter der Kirche führst du uns noch immer - von deinem Platz im Himmel aus - und bittest für uns. Du geleitest uns zu Christus, „der Weg und die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6) ist, und hilfst uns, „die Sünde zu besiegen und in der Heiligkeit zu wachsen” (Lumen Gentium, Nr. 65). 8. Die Liturgie spricht von dir, Maria, als von der mit der Sonne bekleideten Frau (vgl. Offb 12,1), aber du bist sogar noch herrlicher gekleidet mit diesem göttlichen Licht, das all denen das Leben geben kann, die nach Gottes Ebenbild geschaffen sind: „Und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt” {Joh 1,4-5). O Frau, mit der Sonne bekleidet, die Jugendlichen in aller Welt grüßen dich voller Liebe; sie kommen zu dir mit all dem Mut ihrer jungen Herzen. Denver hat sie befähigt, sich des Lebens, das dein göttlicher Sohn ihnen geschenkt hat, in stärkerem Maße bewußt zu sein. Wir alle sind Zeugen dafür. Diese jungen Menschen wissen nun, daß das Leben stärker ist als die Kräfte des Todes; sie wissen, daß die Wahrheit über die Finsternis triumphiert und daß die Liebe stärker ist als der Tod (vgl. Lied 6,8). In Gott jubelt dein Geist, o Maria, und unser Geist jubelt mit dir; denn Großes hat der Gewaltige an dir und uns getan, an all diesen jungen Menschen, die hier in Denver versammelt sind, geheiligt sei sein Name! Sein Erbarmen währt von Geschlecht zu Geschlecht. Wir jubeln, Maria. Wir jubeln mit dir, Jungfrau, die du in den Himmel aufgenommen bist. Der Herr hat Großes an dir getan! Der Herr hat Großes an uns getan! Halleluja. Amen. Grußwort an die Kroaten zum Abschluß des 8. Weltjugendtages Das Thema des Weltjugendtages - „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10) - ist für euch und für die Bevölkerung auf dem Balkan von ganz besonderer Bedeutung. Wir flehen um den Segen Gottes, damit sich der Friede über die ganze Region ausbreite. Der Schlachtenlärm und der Anblick von Tod und Leid müssen der Freude des Friedens und der Eintracht unter den Völkern ihren Platz räumen. Ihr müßt euch mit bedeutsamen Herausforderungen auseinandersetzen. Der Gebete des Papstes und der Kirche dürft ihr gewiß sein. 562 REISEN Vergeßt die Kirche in Vietnam nicht! Ansprache bei der Begegnung mit der vietnamesischen Gemeinde in Denver am 15. August Liebe vietnamesische Freunde! Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich nach meiner Wahl im Jahr 1978 den Römern vorgestellt wurde. Ich wandte mich in italienischer Sprache an sie und sagte: „Wenn ich Fehler mache, dann korrigiert mich!” Das gleiche sage ich auch zu euch und zu eurer vietnamesischen Gemeinde. Mein guter vietnamesischer Sekretär, Msgr. Vincent Thu, hat sich bemüht, mich im Vietnamesischen zu unterweisen. Ich bin aber nicht sicher, es wirklich zu beherrschen, vor allem nach so vielen Reden in verschiedenen Sprachen. Also habe ich nur die Möglichkeit, zu wiederholen, was ich am Abend meiner Wahl zum Papst den Römern sagte: „Wenn ich Fehler mache, dann korrigiert mich”, und ich nehme an, daß an meiner Aussprache vieles zu verbessern ist. So wende ich mich also noch einmal an euch mit den Worten: Liebe vietnamesische Freunde! 1. Mein Besuch in Denver anläßlich des Weltjugendtages erlaubt mir dieses Zusammentreffen mit euch, den Mitgliedern der vietnamesischen Gemeinde in den Vereinigten Staaten, wobei ich erneut meine Hirtensorge und meine Liebe für das vietnamesische Volk betone: Ich begrüße jeden einzelnen von euch. Ich grüße die Exilgemeinde und richte ein besonderes Wort der Achtung und Freundschaft an eure Brüder und Schwestern in der Heimat, wo viele mich dank des Radios hören. Ich möchte euch alle meines ständigen Gebets für die Kirche der 117 Märtyrer und für die Armen, die Kranken und die Flüchtlinge in den Lagern von Hongkong, Thailand, Indonesien und den Philippinen versichern. Während der letzten zwei Jahrzehnte haben viele von euch das Land ihrer Ahnen verlassen und Leiden und Prüfungen aller Art auf sich genommen, bevor sie endlich in Sicherheit waren und eine Unterkunft gefunden haben. In all diesen Schwierigkeiten gab euch auch euer Glaube an Jesus Christus Mut. Da sich nun die Lebensbedingungen gebessert haben, steht ihr vor der Herausforderung, eure katholische Identität unversehrt und lebendig zu bewahren und niemals in Mutlosigkeit oder Trauer zu fallen oder Verhaltensweisen anzunehmen, die mit eurer Liebe zu Gott unvereinbar sind. Ich weiß, daß ihr euch um die Erhaltung eurer nationalen Sitten bemüht. Ihr habt eingangs eure Anhänglichkeit an eure vietnamesischen Traditionen zum Ausdruck gebracht, an eure Heimat, eure Tracht und an die Schönheit eurer Traditionen. Habt Dank für eure Aufführung! Ich weiß, wie sehr ihr euch um die Erhaltung der vietnamesischen Sprache unter euren Kindern und Jugendlichen bemüht. Dadurch beweist ihr eure Liebe zu eurer Heimat, zur Kultur und zur Geschichte eures Volkes, und auch die Nation wird bereichert, in der ihr eine neue Heimat gefunden habt. 563 REISEN 2. Es wurde mir gesagt, daß der vietnamesischen Gemeinde viele Vereinigungen, Organisationen und Bewegungen angehören, die kulturelle und soziale Aktivitäten und auch spirituelle und apostolische Werke ins Leben rufen. Ich möchte euch auf-fordem, eine tiefe spirituelle Verbindung untereinander aufrechtzuerhalten und den Geist der Zusammenarbeit unter all diesen verschiedenen Gruppen zu fördern. Die Einheit macht stark; Spaltung und Konflikt rufen nur Leid und Skandal hervor. An die Priester richte ich ein brüderliches Wort der Ermutigung. Bewahrt euer Engagement und die Hingabe an euer priesterliches Amt! Seid den eurer Sorge anvertrauten Gläubigen gute Hirten. Ermutigt insbesondere die zum Priestertum oder zum gottgeweihten Leben berufenen Vietnamesen. Seid in euren Pfarreien, Organisationen, bei euren Zusammenkünften und Exerzitien Förderer des katholischen Lebens der Gemeinde. Seid stets auf die Erhaltung und Stärkung der christlichen Liebe und Solidarität mit allen bedacht, die sich in materieller oder spiritueller Not befinden. Den Ordensleuten möchte ich die Dankbarkeit der Kirche für das Zeugnis ihrer Weihe an Gott und für all das Gute zum Ausdruck bringen, das sie an so vielen wirken. Seid freudige Zeugen für die Gerechtigkeit und Heiligkeit der Kirche, der ihr aus ganzem Herzen und mit allen Kräften dienen sollt. 3. An euch alle richte ich diesen Aufruf: Vergebt die Kirche in Vietnam nicht! Eure Brüder und Schwestern im Glauben geben euch das Beispiel ihrer Treue zu Christus, da sie das Evangelium unter schwierigen Umständen in ihrem Land leben und bereit sind, um Christi willen zu leiden (vgl. Phil 1,29). Ihr wiedemm könnt ihnen bei der moralischen und materiellen Wiederherstellung der apostolischen und karitativen Werke der Kirche helfen. Sie bedürfen eurer Unterstützung für die Instandsetzung und den Wiederaufbau der Kirchen, Seminare, Klöster, Schulen, Krankenhäuser und anderer Einrichtungen, die nur ein Ziel anstreben, die Nöte des vietnamesischen Volkes zu lindem. Das ganze vietnamesische Volk versichere ich meiner herzlichen Liebe. Ich bewundere-den Mut und die Ausdauer, mit der es die großen Schwierigkeiten zu überwinden sucht: Auswirkung der tragischen Erfahrungen der Vergangenheit. Die größte Herausforderung der Gegenwart ist vielleicht die Überwindung aller Mißverständnisse und Spaltungen, die unter Bürgern eines gleichen Landes entstanden sind. Allzu große Leiden haben tiefe Wunden hinterlassen. Ein Wiederaufbau ist nur dank der Mitarbeit aller möglich, und diese wieder erfordert gegenseitige Achtung, Vergebung und Einheit im Interesse eines gemeinsamen Ziels. Allen Vietnamesen wird es möglich sein, ihren Beitrag zum Aufbau einer neuen und besseren Gesellschaft zu leisten, wenn die bürgerlichen und politischen Strukturen dem tiefen Verlangen des ganzen Volkes nach Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit entsprechen. Möge es den Vietnamesen, die in der Vergangenheit so viele schwierige Zeiten überstanden haben, jetzt gelingen, ihrer Nation Frieden, Fortschritt und Einheit zu geben, wonach sie sich sehnen und worauf sie Anspruch haben. 564 REISEN 4. Ich empfehle die ganze vietnamesische katholische Gemeinde der Fürbitte Unserer Lieben Frau von La-Vang. Sie ist die liebende Mutter, die 1798 den von Van-Than verfolgten Christen erschien, um sie zu trösten. Die ihrem unbefleckten Herzen geweihte Kirche in Vietnam wird bald die Zweihundert-Jahr-Feier dieses Ereignisses begehen. Möge die Zeit der Vorbereitung auf diese Feierlichkeiten neuen Eifer im christlichen Glauben und Leben wecken und eine Zeit der Solidarität mit der katholischen Gemeinde der Heimat sein, eine Zeit der Erinnerung an die Vergangenheit, aber auch der Vorbereitung einer besseren Zukunft für die kommenden Generationen von Vietnamesen. Mögen sie in gesundem Stolz auf ihre nationale Herkunft, den Reichtum ihrer Kultur und die spirituelle Größe ihrer Vorfahren heranwachsen, die unerschrocken Prüfungen aller Art gemeistert haben. Möge unser Herr Jesus Christus euch alle im Glauben, in der Hoffnung und Liebe stärken. Möge er eure Familien mit Treue bereichern, ihnen Harmonie und Freude schenken. Gott segne das vietnamesische Volk! Ich gedenke ganz besonders eures Besuches anläßlich der Heiligsprechung der vietnamesischen Märtyrer im Juni 1988. Viele Vietnamesen kamen damals nach Rom, aber nicht von Vietnam aus, sondern aus Europa, Amerika und verschiedenen anderen Ländern und Erdteilen. Ich erinnere mich auch unserer Begegnung am Nachmittag. Besondere Freude bereitet mir der Besuch eurer Brüder und Schwestern aus Vietnam. Manchmal kommen sie zur Messe in meine römische Privatkapelle und singen ein liturgisches Lied in vietnamesischer Sprache. So bin ich stets in spiritueller Verbindung mit eurer Nation, mit eurer Heimat und eurer Kirche, dank auch der Anwesenheit von Msgr. Vincent Thu als Privatsekretär des Papstes. ln der Sorge um das Kind Grußwort im Berg-Vinzenz-Heim in Denver am 15. August Liebe Kinder und hebe Freunde! 1. Diesen Besuch bei euch, den Kindern des Berg-Vinzenz-Heimes, die ihr von Familien, Freunden und den Barmherzigen Schwestern von Leavenworth sowie dem Personal dieses schönen Heimes umgeben seid, habe ich sehr gewünscht. Ich danke euch dafür, daß ihr dem Papst diese Freude bereitet habt. Vor mehr als hundert Jahren gründete Bischof Joseph P. Machebeuf, der erste Bischof von Denver, dieses Heim. Seither hat das Berg-Vinzenz-Heim dem Charisma des Evangeliums der Liebe, welches das gottgeweihte Leben der Barmherzigen Schwestern von Leavenworth kennzeichnet, Ausdruck verliehen. Ich empfehle dem Herrn die Schwestern, die hier in der Vergangenheit gedient haben, und danke den heutigen Schwestern für ihre unermüdliche Aufopferung. Ein Wort herzlicher Ermutigung gilt dem Personal, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen: Dient auch wei- 565 REISEN terhin diesen besonderen Kindern, und seht in ihnen jene Kinder, die Jesus selbst damals zu sich rief und segnete, da ihr unschuldiges Vertrauen zum Ausdruck brachte, was es heißt, zu seinem Reich zu gehören. Jesus sieht ja sogar sich selbst in ihnen: „Wer ein solches Kind in meinem Namen aufhimmt, der nimmt mich auf’ (Mt 18,5). Liebe, junge Freunde, um gesund zu werden, müßt ihr besondere Behandlungen und Übungen auf euch nehmen. Wir ermuntern und ermutigen euch dazu. Der Papst wird für euch beten und erwartet Nachricht über eure Fortschritte. 2. Der Weltjugendtag erinnert uns an die Worte des Guten Hirten: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Wenn wir Jesus erlauben, mit uns den Lebensweg zu beschreiten, sind wir nie allein. Dann besteht immer Hoffnung, da er sein Leben für all die Menschen hingegeben hat, die zu ihm gehören (vgl. Joh 10,17). Er heilt unsere Seelen, weil er uns mit Gott, dem Vater, mit uns selbst und mit den Menschen unserer Umgebung versöhnt. Er ist der Freund, der uns liebt und versteht, so wie wir sind mit all unseren Hofftiungen und Schwierigkeiten. Die Sorge um das Kind sogar schon vor seiner Geburt, vom ersten Augenblick der Empfängnis an und dann während der Jahre der Kindheit und Jugend, ist der vorrangige und grundlegende Test für die zwischenmenschlichen Beziehungen (vgl. Ansprache an die Versammlung der Vereinten Nationen, 2. Oktober 1979, Nr. 1). Das Kind ist der empfindsame Mittelpunkt, in dessen Umkreis das moralische Ethos der Familien und daher ganzer Nationen aufgebaut oder zerstört wird. In Rom und auf meinen Besuchen bei den Teilkirchen in den Ländern der Welt begegne ich sehr vielen Kindern. Auf ihren lächelnden Gesichtem lese ich die jeder Gesellschaft und jeder Generation angebotene Möglichkeit, zu ihnen zu sagen: Ihr seid unsere Liebe und unsere Freude, und euch gilt unsere größte Sorge! Euch zuhebe wohen wir ehrlich und hart arbeiten, um eine bessere Welt, eine echte Zivilisation der Liebe aufzubauen! Bei diesen Gelegenheiten habe ich jedoch auch andere Kindergesichter gesehen: in Krankenhäusern, in Zentren für Kinder, die von AIDS und anderen tragischen Krankheiten befallen sind, in Flüchtlingslagern. Bewegten Herzens wende ich mich erneut zu ihren Gunsten an die Menschen guten Willens, an die Verantwortlichen der Nationen, die Regierungen und die internationalen Organisationen. Es gibt eine Konvention der Rechte des Kindes, die von den Vereinten Nationen im Jahr 1989 angenommen und schon von vielen Staaten einschließlich des Heiligen Stuhls unterzeichnet wurde. Ich hoffe, daß immer mehr Staaten die rechtliche und praktische Kraft der Konvention anerkennen werden, damit kein Kind auf Erden ohne gesetzliche Gewähr seiner grundlegenden Rechte sei. 3. Möge Gott unsere Herzen weit öffnen, damit wir alle Kinder überall darin aufnehmen können, und unsere Arme stärken, um sie zu beschützen , und zu unterstützen. 566 REISEN Liebe, junge Freunde, wenn ich nach Rom zurückkehre, werde ich mich dieser besonderen Begegnung erinnern. Möge der allmächtige Gott jeden und jede von euch beschützen! Vielen Dank dafür, daß ich euch besuchen durfte. Es war mir eine Freude, bei euch zu sein. Es tut gut, inmitten von euch Kindern zu weilen in eurer hoffnungsvollen Einfachheit. Euch, euren Familien, euren Eltern und den Schwestern wünsche ich alles Gute: für euch alle, für eure Bildung und Reifung, die menschliche und christliche Reifung. Vor allem aber wünsche ich euch, daß Christus immer mit euch und in euren Herzen sei. Er weilt gerne in den Herzen der Kinder. Nochmals vielen Dank. 567 REISEN 10. Pastoralbesuch in Litauen, Lettland und Estland (4. bis 10. September) Ermutigung zum Neuaufbau von Gesellschaft und Staat Ansprache auf dem internationalen Flughafen von Vilnius am 4. September Gelobt sei Jesus Christus! [In Ewigkeit. Amen.] Herr Staatspräsident, meine Herren Kardinale und Mitbrüder des litauischen Episkopats, geehrte Vertreter der nationalen und lokalen Obrigkeiten, meine Damen und Herren, liebe Brüder und Schwestern! 1. Zutiefst bewegt habe ich soeben den litauischen Boden geküßt und danke Gott für das Geschenk, in Ihrer Mitte sein zu dürfen. Wie sehr habe ich mir gewünscht, diese Ihre mir ganz besonders teure Heimat besuchen zu können! Unmittelbar nachdem ich, dem unerforschlichen Plan Gottes entsprechend, zum Nachfolger Petri gewählt worden war, habe ich mich in die Litauische Kapelle der Mutter der Barmherzigkeit in den Grotten der Vatikanbasilika begeben, um dort, zu Füßen der Jungfrau, für Sie zu beten. Das gesamte auf allen fünf Kontinenten verbreitete christliche Volk verehrt diese Ihre litauische Heimat, die stille Zeugin jener leidenschaftlichen Liebe für religiöse Freiheit, die, wie ich oft wiederholt habe, die Grundlage aller anderen menschlichen und gesellschaftlichen Freiheiten verkörpert. Im mühevollen Zeugnis ihrer Zugehörigkeit zur katholischen Kirche, auf ihrem langen und schmerzlichen Weg in die Freiheit, offenbarte sie sich als ein Land der Glaubensbekenner und Märtyrer. 2. Dieser heutige Tag ist von historischer Bedeutung. Zum ersten Mal besucht ein Papst Litauen und die baltischen Staaten. Unweigerlich erwachen im Herzen die Erinnerungen an die Ereignisse einer jahrhundertelangen Evangelisierung. Es ist ein Weg voll überraschender Geschehnisse, gekennzeichnet von der Bekräftigung der christlichen Botschaft, die sich mit der Geschichte Ihres Landes verschmolzen hat. In unser aller Erinnerung tauchen Namen verehrter Persönlichkeiten auf. Mindaugas, der Feldherr, der „zusammen mit vielen anderen” die Taufe empfing und Innozenz IV. bat, das litauische Reich „dem hl. Petrus zu unterstellen”, damit ihm „Schutz und Anerkennung des Heiligen Apostolischen Stuhles” zuteil würde. Vytautas der Große, der die Unabhängigkeit des Landes festigte; Jagello, der Hedwig, die Königin Polens, heiratete und gemeinsam mit dem litauischen Adel 569 REISEN 1387 getauft wurde, dem Jahr, das für Sie den Übertritt Ihres Landes zum Glauben bedeutet. Der heilige Kasimir, ein Mann des Mutes und der Vergebung, der erste Heilige Litauens, der Litauern und Polen ein leuchtendes Beispiel der Nächstenliebe und Aufrichtigkeit hinterließ. Diese Gestalten haben zum Aufbau der menschlichen und christlichen Größe Litauens beigetragen. Sie haben einen Weg, eine Lebensweise vorgezeichnet; sie haben ein wichtiges Ziel gesetzt für das Erlangen oder Suchen nach innerem Frieden. Sie haben die litauische Seele geformt. 3. Liebe Brüder und Schwestern, ich bin mir durchaus bewußt, Ihr Land zu einem Zeitpunkt zu besuchen, in dem die gesamte litauische Gemeinschaft, in ihrer ruhmreichen und frommen Vergangenheit nach Erleuchtung suchend,, nun, nach einer langen Zeit der Not, der Prüfung und des Martyriums, wieder vollen Mutes den Weg im Licht des Evangeliums aufnehmen möchte. Fast im Herzen Europas gelegen, zwischen dem Osten und dem Westen des alten Kontinents, und auf seine langjährige christliche Tradition vertrauend, wird Litauen erneut fähig sein, in Übereinstimmung mit den anderen europäischen Nationen, den Weg zur Wiederherstellung der Einheit zu gehen und sich den Horizonten der Neuevangelisierung zu öffnen. Liebe Brüder und Schwestern, mögen Sie diesen Weg weitergehen. Heute komme ich vor allem als Hirte mit dem Wunsch, Sie beim Wiederaufbau des neuen Litauens zu ermutigen, das, als nun endlich freies Land, seine Leistungsfähigkeit voll zum Ausdruck bringen möchte. Herr Präsident, als Sie mich auf litauischem Boden empfangen haben, brachten Sie mir im Namen der ganzen Bevölkerung Gastlichkeit und Freundschaft entgegen. Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft und Liebenswürdigkeit. Gerne nehme ich diese großzügige Geste entgegen, die ich von Herzen erwidere, und bitte Gott um seinen Beistand für jeden von Ihnen und diesen Pastoralbesuch, der hier, auf dem Flughafen der Hauptstadt, beginnt. Allen spende ich von Herzen meinen Segen. Echter Friede kommt aus Barmherzigkeit und Liebe Ansprache an den Klerus, die Ordensleute und die Seminaristen, in Vilnius am 4. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich danke dem Herrn für das Geschenk dieser Begegnung, die ich ganz besonders erwartet und herbeigewünscht habe. Voll Freude begrüße ich einen jeden von euch, wie auch die Priester, die Ordensfrauen und -männer, die Alter oder Krankheit daheim festgehalten haben. Geistlich sehr gegenwärtig sind für mich auch die Verstor- 570 REISEN benen, die vom Himmel aus den Weg der Kirche begleiten, für die sie ihre Kräfte eingesetzt und manche auch ihr Leben hingegeben haben. Besonders freut es mich, daß diese unsere erste Begegnung in der Kathedrale von Vilnius stattfmden kann, die 1950 geschlossen und erst 1989 wieder für den Gottesdienst freigegeben wurde. In diesem Gotteshaus, in dem gleichsam die Seele der litauischen Nation atmet, werden die sterblichen Überreste des heiligen Kasimir sorgsam aufbewahrt, die am 4. März 1989 in die ihm geweihte Kapelle zurückgebracht wurden. Eben weilte ich betend vor seinen Gebeinen und habe eurem Patron gedankt, daß er mir die Freude, unter euch zu weilen, beschert hat. Wie sollten wir in dieser so familienhaften Stunde nicht an die zahlreiche Schar der Bischöfe und Priester denken, die in heroischer Treue ihr Leben dem Evangelium geweiht haben? Vor allem der selige Georg Mutulaitis, von 1918 bis 1925 Ordinarius von Vilnius, den ich selber 1987 zur Ehre der Altäre erheben durfte. Dann Erzbischof Julijonas Stepanovicius, der von 1961 bis 1988 in seiner Sendung behindert war, und erst dann wieder die pastorale Führung der Erzdiözese übernehmen konnte. Er starb 1991 und ist in dieser Kathedrale begraben. Ich denke ferner an Erzbischof Mecislovas Reinys, der 1940 zum Koadjutor von Vilnius ernannt, aber 1947 verhaftet wurde und 1953 im Gefängnis von Vladmir in Rußland als Märtyrer gestorben ist. Ihr Zeugnis bildet eine Ermutigung und Stütze für den Weg, den die Kirche Litauens zu gehen hat. 2. Liebe Brüder und Schwestern, hinter euch hegt eine lange Zeit, in der der Glaube wie Gold im Feuerofen auf eine harte Probe gestellt wurde. Doch auf die Zeit des erzwungenen Schweigens über Gott folgt jetzt die Zeit der mutigen Verkündigung des Evangeliums und des Aufbaus des Reiches Gottes durch euer persönliches Zeugnis. Leiden und Kreuz verschwinden freilich nicht: Auf die Prüfungen von gestern werden heute und morgen gewiß andere folgen. Das Mühen um die Evangelisierung wird andere Formen annehmen, aber immer Ausdruck des einen Kreuzes Christi bleiben, jenes Kreuzes, das auf den Gotteshäusern angebracht ist und im Herzen eines jeden Gläubigen herrschen soll. Ihr müßt euch nun auseinandersetzen mit dem Unverständnis derer, die infolge einer atheistischen Erziehung vielleicht - wenigstens für den Augenblick - das religiöse Empfinden verloren haben. Ihr habt mit Gleichgültigkeit, Unverständnis, säkularistischen Tendenzen und psychologischer Isolierung in einer Gesellschaft zu rechnen, die tiefreichenden Wandlungen unterliegt. Ihr müßt euch vor allem mit dem Besorgnis erregenden Phänomen der Sekten zu messen, deren Hochkommen durch die verbreitete religiöse Fehlinformation begünstigt wird. Nachdem wir vor wenigen Jahren das sechste Jahrhundert seiner Taufe begangen haben, macht Litauen jetzt eine heikle Stunde in seiner langen und edlen Geschichte durch. Es ist als „Land der Kreuze” bekannt, weil seine Felder und Wege von ihnen voll waren, wurde aber leider für zahlreiche seiner Kinder zum Kalvarienberg. 571 REISEN Nun aber, am Morgen einer Zeit neuer Hoffnung, ist es wichtig, daß zumal der Priester von seinen Landsleuten als Bruder des Erlösers betrachtet wird, der am Kreuze gestorben und auferstanden ist. Dem gekreuzigten Christus gleichgestaltet, ist er dazu berufen, ein Mann des Verzeihens und der Versöhnung zu sein. 3. Liebe Priester, seid die guten Samaritane eurer Mitmenschen, die die Last einer von Verdächtigung und Denunziation gekennzeichneten Vergangenheit tragen und lange Jahre des Schweigens über Gott und sogar des hinterhältigen Wirkens gegen Gott hinter sich haben. Von euch ist gefordert, zum Wiederaufbau des sozialen und menschlichen Rahmens eures Landes mit geduldiger Liebe und beharrlicher apostolischer Leidenschaft beizutragen. Für euch darf es weder Sieger noch Besiegte geben, sondern nur Männer und Frauen, denen beim Herauskommen aus dem Irrtum geholfen werden muß; Menschen, die Stütze beim Bemühen brauchen, die auch psychologischen Wirkungen der Gewaltanwendung, Schikane und der Verletzung der Menschenrechte zu überwinden. Für die „Besiegten” ist der Gedanke wichtig, daß eine Anpassung an die gewandelten sozialen Verhältnisse nicht genügt: Notwendig ist vielmehr eine aufrichtige Bekehrung und wenn nötig, Wiedergutmachung. Den „Siegern” aber gilt erneut die Mahnung zur Vergebung, damit ein echter Friede zustandekommt, der sich aus der Befolgung des Evangeliums der Barmherzigkeit und Liebe ergibt. Es ist also die Stunde gekommen, euch der theologalen Wurzeln eures priesterlichen Amtes ernsthafter bewußt zu werden. Damit die Welt glaubt, müssen die Priester mehr denn je „Männer der Dreifaltigkeit” sein. Der Priester ist als Sohn des himmlischen Vaters berufen, im Alltag die Väterlichkeit Gottes widerzuspiegeln. Nicht zufällig lautet der Name, den der „Sinn der Gläubigen” euch häufig beilegt, gerade „Vater”. Als Söhne des Vaters, „der in der Höhe thront und sich herabneigt, um Himmel und Erde zu betrachten” (vgl. Ps 113,5-6), steht ihr beim Dienst an euren Mitmenschen in der ersten Reihe, wenn ihr mit ihnen die Probleme und Schwierigkeiten des wiederaufstehenden Litauens teilt. Macht euch die Gesinnungen Christi, des Lehrers und Heilands, zu eigen, der nicht gekommen ist, sich dienen zu lassen, sondern zu dienen (Mk 10,45). Gebt Zeugnis von eurer Loslösung und Hochherzigkeit. Die dem Evangelium gemäße Armut, die der Herr von allen fordert, die ihm in größerer Nähe nachfolgen wollen (Mt 19,29), ist eine Quelle apostolischer Fruchtbarkeit und persönlichen Glücks. Seid großherzig, und die Weite eures Herzens soll ein Beispiel und Samen der Brüderlichkeit sein. In der Väterlichkeit Gottes verwurzelt, verkündet der Welt, daß nur die Liebe, jene Liebe, die der Heilige Geist in die Herzen der Glaubenden ausgießt (vgl. Rom 5,5), solide Grundlagen für den Aufbau der irdischen Stadt bieten kann, weil sie auch Entsagungen und Prüfungen sinnvoll und fruchtbar macht. 4. Nehmt wie der Gute Hirte jede Person an und geht ihr entgegen. Alle, besonders aber die Jugendlichen suchen „geistliche Väter”, erleuchtete Führer und Lehrer der 572 REISEN konsequenten Befolgung des Evangeliums. Eure Sendung besteht darin, zu hören, zu ermuntern, zu stützen und das Volk Gottes sicher auf die Pfade der Wahrheit und Heiligkeit zu fuhren. Das verlangt natürlich von euch ein ständiges Bemühen um Treue und Liebe zu Christus, dem Erlöser des Menschen. Habt immer das Beispiel Jesu vor Augen und pflegt mit dem göttlichen Meister das tägliche Gespräch des Hörens und der gelehrigen Nachfolge, so daß ihr Werkzeuge des Heiligen Geistes seid, den er gesandt hat. Die außerordentliche Synode 20 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich wie folgt ausgedrückt: „Da die Kirche in Christus Geheimnis ist, muß man sie als Zeichen und Werkzeug der Heiligkeit betrachten. Deshalb lehrte das Konzil die Berufung aller Gläubigen zur Heiligkeit (vgl. Lumen Gentium, Kap. 5). Die Berufung zur Heiligkeit ist die Einladung zur inneren Umkehr des Herzens und zur Teilhabe am Leben des dreieinigen Gottes ... In für die ganze Kirchengeschichte überaus schwierigen Situationen waren heilige Männer und Frauen stets Quelle und Ursprung für eine Erneuerung. Heute brauchen wir dringend Heilige, um die wir Gott eifrig bitten müssen” (Schlußdokument der Außerordentlichen Bischofssynode 1985 II, A, 4). Meine Lieben, euer Dienstamt ist ein Geschenk Gottes im Dienst an der Heiligkeit seines Volkes. Wie könnt ihr es aber zur christlichen Vollkommenheit hinführen, wenn ihr euch nicht als Erste vom Heiligen Geist formen laßt? Erbittet daher demütig und beharrlich vom Geist die Gnade der Heiligkeit. Und laßt auch andere darum bitten, zumal die besonders aufgeschlossenen und leidenden Menschen, die wie Simon von Cyrene Jesus das Kreuz nachtragen. Die vom Priester geforderte Heiligkeit ist nicht eine formale Heiligkeit, beschränkt auf den sakralen Charakter der Gesten seines Dienstamtes. Sie besteht in der fortschreitenden Identifizierung mit Christus und dem Willen des Vaters in den Plänen seiner Vorsehung. Heilig ist der Priester, der gelehrig den Willen Gottes erfüllt. Die Verhältnisse von Raum und Zeiten bedeuten wenig. Die Identifizierung mit Christus kann in den Stadtpfarreien wie in denen auf dem Land angestrebt werden. Überall und immer ist der Priester dazu aufgerufen, von sich selbst leer zu werden, um sich immer mehr von Gott ausfüllen zu lassen. Vom einen Geist Christi erfüllt, vermag das Volk Gottes in der geistlichen Vaterschaft des Priesters das tiefere Motiv für seinen Zölibat zu erfassen, den die lateinische Kirche von ihren eigenen Dienern fordert. Mit dem Blick des Glaubens vermögen die Christen ferner in der jungfräulichen Weihe an Gott bei allen, die zum prie-sterlichen Dienst oder zum Ordensleben berufen sind, eine Flamme zu erblicken, die der Welt Wärme und Licht schenkt. Der Zölibat ist daher kein bloßer Verzicht; er ist auch seinerseits eine Bekräftigung der bräutlichen Liebe, die als solche gänzliche Hingabe fordert. Und gerade aus einer solchen frei und hochherzig gewählten Liebe entspringt neue geistliche Kraft für euren apostolischen Dienst. 573 REISEN 5. Liebe Priester! Die Seelsorge erfordert iir dieser geschichtlichen Stunde, daß ihr auf die sozialen Bedürfnisse eures Volkes achtet. Der Herr fordert euch heute wie einst die Zwölf auf (Mt 14,17), ihm zu helfen, „die Menge zu sättigen” durch Verteilen der Brote und Fische, die zuweilen dramatisch wenige sind, die Er aber vermehren kann. Unterlaßt daher nicht, euch in die Soziallehre der Kirche zu vertiefen, in der eure Gläubigen brauchbare Elemente und ermunternde Anregungen zur Lösung der heutigen dringlichsten Fragen des Landes nach einer so langen Zeit erzwungenen sozialen Schweigens finden können. Die Kirche erhebt nicht den Anspruch, konkrete Wege für die Gesellschaft vorzuzeichnen. Ihre Lehre enthält aber heilsame Grundsätze und Kriterien, die die programmatischen Entscheidungen und die operativen Maßnahmen leiten können. Sie bietet Litauen den Beitrag eines sehr reichen Erbes an Werten an, die letztlich auf die Heilsverkündigung zurückgehen, wie sie im durch Jesus Christus geoffenbarten Wort Gottes enthalten ist. 6. Es kann freilich geschehen, daß sich gerade aus diesem Wunsch, dem Menschen über seine private Sphäre hinaus auch in seiner sozialen Dimension zu helfen, Reibungen oder Verdachtsmomente zwischen der Kirche und den Vertretern der politischen Macht ergeben. Auch ihr, Priester von Litauen, habt vor nicht langer Zeit diese bittere Erfahrung gemacht. Während der Besatzungszeit war es verboten, das Evangelium zu predigen und sich sozial für die Armen zu engagieren. Mit der Rückkehr der Demokratie dürfen wir wünschen, daß die Beziehungen zwischen Kirche und Staat sich nach den Grundsätzen gegenseitiger Achtung entwickeln und den Versuchungen sowohl zum Laizismus wie zum Klerikalismus widerstanden wird. Freilich darf auch der Staat nicht in den Raum eindringen, den die Verfassung und die internationalen Abmachungen der Religion zugestehen, noch dürfen die Priester in der Ausübung ihrer Sendung zur Evangelisierung in die Politik der Parteien oder die direkte Führung der Nation eingreifen. Ebenso wie viele andere Staaten in Europa und in der Welt kann auch euer Vaterland große Vorteile aus einem aufrichtigen Dialog zwischen Kirche und Staat ziehen, wenn die legitimen Vertreter des litauischen Volkes auf der einen Seite loyal die Freiheit der Gemeinschaft der Kirche und ihre Diener achten und sich andererseits jeder Form ungebührlicher Einmischung in den Eigenbereich der öffentlichen Institutionen enthalten. 7. Noch einen weiteren Aspekt eurer Aufgabe als Seelenhirten in Litauen möchte ich hier betonen. Es geht um den Erwerb und die Festigung der sogenannten menschlichen Tugenden, die der Priester vor allem im eigenen Leben pflegen muß, um dann auch das seiner Sorge anvertraute Volk zu ihnen hinzuführen. Nach jeder sozialen Umwälzung von größerer Tragweite erscheint der Mensch in seinen Verhaltensweisen und auch in seiner Seele verwundet. In solchen Stunden ist es mehr denn je wichtig, daß die gottgeweihten Personen ein lebendiges Zeugnis für die enge gegenseitige Abhängigkeit von theologalen und menschlichen Tugenden geben, denn erst aus ihrer Synthese entsteht eine neue Menschheit, die mit sich sel- 574 REISEN ber versöhnt ist. Loyalität, Ehrenhaftigkeit, Arbeitsamkeit, Ordnung, Vertrauen zu den anderen, Geist der Dienstwilligkeit, Herzlichkeit, Achtung, Loslösung, Hochherzigkeit, Sinn für Gerechtigkeit und Verantwortung, Gleichgewicht, Gelöstheit und Aufrichtigkeit: Das sind einige kennzeichnende Züge des „neuen Menschen”. Liebe Brüder, pflegt diese und andere ähnliche Tugenden beim aszetischen Bemühen auf eurem Weg zur Heiligkeit. Ihre Praxis ist der erste Beitrag zur Förderung des neuen Menschen, den euer Vaterland braucht, wenn es auf Wohlstand und Frieden hinarbeiten möchte. 8. Liebe Ordensschwestern, nun möchte ich euch einige besondere Gedanken widmen, begleitet von tiefer Dankbarkeit für euer Wirken in den schwierigen Jahren der jüngsten Vergangenheit. Ich kenne euer verborgenes Leben, euer schweigendes Opfern und euer Leid. Wie viel habt ihr leiden müssen! Und mit welcher Treue habt ihr dennoch eure Sendung weitergeführt! Während der harten Unterdrückung seid ihr wirklich „das Salz der Erde” gewesen, das Mut gemacht und die Gläubigen gestützt hat, so daß Glaube, Hoffnung und Liebe lebendig blieben. Liebe Schwestern, der Papst versteht eure derzeitigen Schwierigkeiten und betet für euch, daß euch nicht die Kräfte und der Starkmut fehlen, euch zu erneuern und euren Lebensstil, aber auch den Stil eures Apostolates den gewandelten Verhältnissen der Kirche und der Gesellschaft anzupassen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in Erinnerung gerufen, daß das gottgeweihte Leben ein großes Geschenk für die Sendung der Kirche in der Welt ist. Heute wird von den Instituten, die sich den verschiedenen Apostolatsaufgaben widmen, echte Heiligkeit gefordert, wirksames gemeinschaftliches Teilen, apostolisches Wirken und das Zeugnis der Liebe (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 8). Der Herr möge euch in dieser Zeit tiefgreifender sozialer Wandlungen leiten und jeder Ordensfamilie den Weg zeigen, den sie gehen muß, um besser dem Plan Gottes zu entsprechen. Wir brauchen heute gottgeweihte Personen, die mit dem ihnen eigenen Beten, Opfern und Tun wirksam zur gewünschten geistüchen Wiedergeburt Litauens beitragen. Dazu ist eine Ausbildung der Aspiranten für das Ordensleben unerläßlich, die den heutigen Verhältnissen entspricht, die glücklicherweise sehr verschieden von denen des vergangenen totalitären Regimes sind. 9. Nun auch ein Wort für euch, liebe Kandidaten für das Priestertum. Auch ihr braucht eine gediegene und hochstehende Ausbildung, die freilich vom ständigen Suchen nach Gott getragen sein muß. Von euch wird die gleiche Heiligkeit verlangt, wie sie der Priester notwendig braucht, dazu eine ebenso große Verfügbarkeit und Hochherzigkeit. Brennende Fackeln der Liebe und Heiligkeit sein: Das soll euer Lebensziel werden. Schaut auf Maria, den Tempel der heiligen Dreifaltigkeit, die ihr hier in Litauen besonders in den Heiligtümern von Auros Vartu und Siluva verehrt, deren Besuch das Programm meiner Pilgerreise ebenfalls vorsieht! Schaut alle auf sie, Priester und 575 REISEN Kandidaten für das Priestertum, ihr männlichen und weiblichen Ordensleute und alle, die Gott zur Arbeit in seinem Weinberg beruft. Als Tochter des Vaters und Mutter Christi ist Maria Mutter der Kirche und Königin der Apostel. Auf Kalvaria wurde sie von Christus selbst uns allen, vertreten in Johannes, zur Mutter gegeben. Mit Maria beteten die Apostel, als der Heilige Geist am Pfingsttag auf sie herabkam. Ich vertraue euch alle Maria an, damit euer Dienst der Liebe überreiche Früchte eines Lebens nach dem Evangelium bringt. Davon werden die Kirche und euer Vaterland Vorteil haben. Stärkung und Stütze für euch soll auch mein Segen sein. Im Vertrauen auf den Sieg des Guten über das Böse Vor dem Rosenkranzgebet in Vilnius am 4. September Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt und im Priestertum, liebe Brüder und Schwestern! 1. Dieses Heiligtum am „Tor der Morgenröte” ist seit vielen Jahrhunderten Tag für Tag das Ziel zahlreicher Pilger, die herkommen, um der Mutter der Barmherzigkeit die Freuden und Sorgen ihres Lebens anzuvertrauen. Dieses Gotteshaus ist damit ein bevorzugter Ort der Begegnung mit der Mutter Christi und Mutter der Kirche geworden, zugleich ein Ort der Gemeinschaft unter den Glaubenden des ganzen Gebietes. Christen aus Litauen, aus Polen, Weißrußland, der Ukraine und aus anderen Nationen versammeln sich hier, um als Brüder und Schwestern unter den Augen der Madonna den gleichen Glauben, die gleiche Hoffnung und die eine Liebe miteinander auszutauschen. Aus dem Vatikan, wo es eine Kapelle der Litauer mit einem Bild gibt, wie es in diesem Heiligtum verehrt wird, vereint sich der Nachfolger des Petrus oft im Geiste mit dem Gebet, das von hier aus zu Gott emporsteigt. Heute, zu Beginn meines Pasto-ralbesuches im Baltikum, habe ich die große Freude, nicht nur geistig hier anwesend zu sein, sondern auch körperlich. Als Hirte der universalen Kirche komme ich, um in die mütterlichen Hände Mariens mit der Unterstützung eures Gebetes meinen Dank und meine Bitten zu legen. 2. Ich danke der Mutter des Herrn, weil ich nach so vielen Jahren des Leidens und der Prüfung von Litauen und den übrigen Nachbarländern die dunklen Wolken der Besetzung und Verfolgung, des erzwungenen Schweigens über Gott und der lähmenden Verweigerung der grundlegenden menschlichen Freiheiten entfernt sehe. Der mütterlichen Fürbitte der heiligen Jungfrau vertraue ich mit euch gemeinsam die Hoffnung an, Litauen und die Nachbarländer, angefangen mit dem, in dem ich selbst zur Welt gekommen und getauft worden bin, erneut ihre feste Anhänglichkeit an das Evangelium bekräftigen zu sehen, dazu den entschiedenen Willen, Christus - den 576 REISEN menschgewordenen Gott, der aus Liebe zum Menschen gestorben und auferstanden ist - als Weg, Wahrheit und Leben anzunehmen (Joh 14,6). Nach dem Rosenkranzgebet sagte der Papst 1. Zum Abschluß meines ersten Tages auf litauischem Boden und im Baltikum möchte ich von Herzen euch allen danken, die ihr am Gebet des Rosenkranzes mit den glorreichen Geheimnissen vor dem Bild der Mutter der Barmherzigkeit teilgenommen habt. Es war für alle ein großer Trost, in ihrer mütterlichen Gegenwart zu weilen und die Auferstehung Christi, seine Himmelfahrt, die Herabkunft des Heiligen Geistes am Pfingstfest im Abendmahlssaal, endlich die Aufnahme Mariens und die Herrlichkeit zu betrachten, der sich die Mutter Jesu an der Seite ihres Sohnes erfreut, dessen erste Gefährtin sie ja zugleich gewesen ist. 2. Ich fordere euch alle, liebe Brüder und Schwestern, auf, in eure Häuser zurückzukehren mit einem Herzen voll Vertrauen auf den Sieg des Lebens über den Tod, des Guten über das Böse, des Lichtes über die Finsternisse, der Freiheit über die Sklaverei. Es begleite euch die Zuneigung des Papstes, des Nachfolgers jenes Petrus, der, zum Zeugen der Auferstehung geworden, von Christus den Auftrag erhielt, seine Brüder im Glauben zu stärken (Lk 22,32). O heiligste Jungfrau, die du in Ostra Brama erstrahlst / Und in Tschenstochau das leuchtende Heiligtum verteidigst, / Du, die du in Nowogrödek den Ort beschützt, / Wie hast du mich kleines Kind vor dem Tod bewahrt {Adam Mickiewicz, Pan Ta-deusz). Sagt allen, die beim Gebet dieses Abends nicht anwesend sein konnten - euren Kindern, den Alten sowie denen, die leiden und hoffen daß der Papst auch an sie gedacht und für sie gebetet hat. Versichert ihnen, daß ihre Hoffnung, in Frieden leben zu können und nach langen Jahren des Wartens die Unbeschwertheit des Lebens verkosten zu dürfen, nach Leid und Prüfung endlich von Gott gesegnet zu werden, zugleich die Hoffnung des Papstes ist. Es begleite euch mein Segen, in den ich alle eure Lieben einschließe. Auf die Fürbitte der Mutter der Barmherzigkeit möge Gott euer Leben fruchtbar machen und eure Herzen für das bereitwillige Hören seines Wortes öffnen. Nachdrückliche Warnung vor neuen finsteren Abenteuern Gebet beim Besuch der Gräber der Märtyrer der Unabhängigkeit (1991) in Vilnius am 5. September 1. Herr des Lebens und des Todes, du wolltest Mensch werden, um den Menschen zu erlösen durch den Tod am Kreuz. 577 REISEN Christus, du bist gestorben und auferstanden, du hast dich dem Unverständnis ausgesetzt, der Verfolgung und Verurteilung durch die Mächtigen; nachdem du unter uns geweilt hast, in Wort und Tat allen Gutes getan, die Kranken geheilt und die Hungernden gesättigt, hast du dich ans Kreuz nageln lassen: Wende aus dem Reich deiner Herrlichkeit deinen Blick auf diese Kreuze, die an die Kinder Litauens erinnern, die letzten Opfer der schmerzlichen Erfahrung ihrer jüngsten Vergangenheit. Diese Erfahrung bestand aus Leiden, Schikanen und Unterdrückung, war aber zugleich reich an nie versiegender Hoffnung, und der Wunsch nach Freiheit ist nie entschwunden. Der tief verwurzelte christliche Glaube blieb erhalten und hat die Unterwerfung unter die dunklen und immer neuen Wellen einer Gewalt verweigert, die Gott nicht gekannt und den Menschen gedemütigt hat. 2. Herr, das Holz dieser Kreuze ist noch frisch, denn sie wurden erst kürzlich errichtet, nach dem 13. Januar 1991. Sie erinnern an dein Kreuz, in der Zeit, die unmittelbar auf deine Auferstehung folgte. Sie rufen Kalvaria, aber auch das leere Grab in Erinnerung. Herr, diese Kreuze sind von weiteren Kreuzen umgeben, die hier im Glauben errichtet und mit Tränen benetzt wurden. Viele erinnern an liebe Menschen, die in deinem Frieden entschlafen sind, nachdem ihr Leben der Familie und der Arbeit gehört hatte, wobei sie einen aufrichtigen und tatkräftigen Glauben praktizierten. Wieder andere Kreuze erinnern an das Opfer der Soldaten, die auf den Schlachtfeldern gefallen sind und mit ihrem Blut das Erdreich getränkt haben, wo nur Getreide wachsen sollte, überstrahlt von der Sonne und der Hoffnung. Auf diesem Friedhof gibt es ferner Grabmäler ohne ein Kreuz. 3. Als Pilger des Friedens und der Hoffnung komme ich, Herr, um den Glauben an deine und unsere Auferstehung zu verkünden vor den Gräbern der letzten Märtyrer Litauens. Ich möchte beten und verzeihen und den Glauben an die Kraft der Liebe erneuern, die Versuchung zur Rache aber zurückweisen, die ja hur in unfruchtbare Irrwege des Hasses führt. 4. Gib, Herr, daß diese Kreuze, die an erst kurz zurückliegende Stunden brutaler Gewalt und äußerster Gegensätze erinnern, eine schweigende, aber-nachdrückliche Warnung vor neuen finsteren Abenteuern bilden, die unter dem blinden Drang von Ideologien, Nationalstolz und der schuldhaften Mißachtung der Würde des Menschen begonnen werden. Mögen die auf den Gräbern der in brudermörderischen Kriegen gefallenen Soldaten errichteten Kreuze zu ebenso vielen dringenden Aufforderungen zur Eintracht und Brüderlichkeit werden. Möge es nie wieder geschehen, daß Brüder im Glauben zu Gegnern werden, weil Interessen, Sprache, Nationalflaggen, Traditionen und gewalttätige Leidenschaften sie auf entgegengesetzte Ufer stellen. Mögen die Gräber ohne Kreuze für jene, die diesen Friedhof besuchen, eine Erinnerung und Bitte sein, die letzte Erinnerung an eine geschichtliche Stunde, da man sich 578 REISEN angemaßt hat, dich, Herr, zu mißachten und einen neuen Menschen zu schaffen, der weil fern von dir, sich als so verwundbar, gebrechlich und traurig erwiesen hat. 5. Die Kreuze, die eine fromme Erinnerung an liebe Menschen sind - und es sind hier die meisten und gediegensten mögen zur Anregung für einen neu gekräftigten christlichen Glauben bei ihren Verwandten und Freunden werden! Mögen über diesen Kreuzen Entschlüsse wachsen, die Liebe, Hoffnung und Verzeihung im Sinn haben. Möge das Licht deines Kreuzes, o Herr, alle diese anderen Kreuze erhellen und ihnen Sinn geben. Beim Blick auf sie soll jeder Sohn Litauens bedenken, daß die Würde des Menschen - die eigene Würde und die der Mitmenschen - ihren ersten und letzten Grund in dir, Christus, hat, der du gestorben und auferstanden bist, Herr der Zeit und der Geschichte, Anfang und Ende einer jeden menschlichen Existenz. Amen! Nach dem Gebet sprach der Papst die folgenden Worte: Wir haben gebetet und alle Gräber gesegnet: katholische und nichtkatholische, christliche, litauische, polnische, russische, alle. Denn vor Gott, in diesem großen Geheimnis des Todes, sind wir alle eins, sind wir sein Volk, sind wir Gemeinschaft der Heiligen. Möge das Licht dieser Gemeinschaft der Heiligen das Erdenleben von uns allen erleuchten, die wir uns noch auf der Pilgerreise befinden, die uns zum Himmelreich führt. Das Geschenk des christlichen Glaubens weitergeben Predigt in Vilnius am 5. September 1. „Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist” (Joh 3,6). Das sagte Jesus zu Nikodemus, dem Gesetzeslehrer, der gut das Alte Testament kannte, das heißt jene heiligen Bücher, wo vom Bund Gottes mit Israel die Rede ist. Nikodemus kannte den von Jahwe mit dem auserwählten Volk geschlossenen Bund, nachdem er es unter Führung des Mose aus dem Land Ägypten herausgeführt hatte. Damals gab Gott den Israeliten das Gesetz der Zehn Gebote, die auf zwei steinernen Tafeln eingemeißelt waren. Nikodemus wußte ferner, daß Jahwe im Verlauf der Jahrhunderte durch die Propheten einen neuen Bund angekündigt hatte. „Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz” (Jer 31,33). 2. Der Mensch ist nicht nur Leib, sondern auch Seele. Und gerade die Seele - in der Sprache der Bibel das „Herz” - bildet die Tiefe des Menschenwesens (vgl. Jer 31,33). Auf dieses Herz beziehen sich die Worte Jesu an Nikodemus. 579 REISEN Liebe Brüder und Schwestern, lange Zeit hat man versucht, die Grundsätze des Materialismus in das Bewußtsein der Söhne und Töchter eures Vaterlandes einzuprägen. Heute sollen zugleich mit der zurückgewonnenen Freiheit mit neuem Nachdruck die Worte Christi über das „Herz” des Menschen oder seine Seele verkündet werden: „Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist.” 3. Wie zu Nikodemus, so sagt Christus euch allen, Brüder und Schwestern: „Amen, Amen, ich sage dir, wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen” (Joh 3,3). Der Mensch wird als leibliches und geistiges Wesen aus dem Mutterschoß geboren, doch müssen diese „Erstlinge des Geistes” durch die Heilsmacht des Heiligen Geistes erst reif werden. Im Gespräch mit Nikodemus betont Jesus: „Amen, Amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen” (Joh 3,5). Die Geburt aus dem Heiligen Geist bildet ein Geheimnis, das zum tiefsten Inneren des Menschen gehört. Christus, der Erlöser der Welt, hat diese Geburt mit dem Sakrament der Taufe verbunden, die wie jedes andere Sakrament damit sichtbares Zeichen des unsichtbaren Geheimnisses ist, in dem der Mensch nach dem Bild Christi zum Adoptivsohn Gottes wird und in das verheißene Reich, das ewige Leben Gottes, eintritt. 4. Ich hätte Litauen gerne im Jahre 1987 besucht. In dieses Jahr fiel der 600. Jahrestag der Taufe eurer Vorfahren. Auch eure Bischöfe und die ganze Kirche in Litauen haben sich diesen Besuch sehr gewünscht. Da er aber damals nicht möglich war - und ihr kennt gut die Gründe dafür -, danke ich Gott, daß ich heute in dieser Stadt, in eurer Hauptstadt, unter euch weilen kann. Mit diesen Gefühlen begrüße ich Kardinal Vicentas Sladevicius, den Präsidenten der Bischofskonferenz, euren Bischof Msgr. Audry Juozas Backis und die übrigen anwesenden Bischöfe. Ich begrüße die Priester, die männlichen und weiblichen Ordensleute und das ganze Volk Gottes, das sich heute betend um den Altar des Herrn schart. Einen ergebenen Gruß richte ich an die staatlichen Autoritäten, die zur heutigen Feier gekommen sind, und an alle jene, die zur Vorbereitung dieses meines Pa-storalbesuches mitgewirkt haben. Begrüßen möchte ich. auch unsere Gäste, die Kardinale von verschiedenen europäischen Städten und Bischofssitzen: Paris, Berlin. Ich möchte alle europäischen Bischöfe begrüßen, die zu diesem feierlichen Anlaß .aus Europa, aus den Vereinigten Staaten, aus Amerika hierhergekommen sind. Ich möchte alle Vertreter unserer orthodoxen Schwesterkirche mit Erzbischof Chrisostomos begrüßen. Ich begrüße die Mitbischöfe aus der Ukraine. Ich begrüße den Kardinalprimas von Polen und alle Bischöfe des Landes, die zu dieser Feier nach Vilnius gekommen sind, und auch alle Pilger. Gemeinsam mit euch, liebe Brüder und Schwestern, danke ich der Heiligsten Dreifaltigkeit für das Geschenk des Bundes mit Gott, der den Glaubenden im Sakrament 580 REISEN der Taufe geschenkt worden ist. Dieses Geschenk macht uns alle eins und bringt uns in reale Gemeinschaft mit dem Leben des gekreuzigten und auferstandenen Christus. Das Geschenk der heiligen Taufe macht uns tatsächlich des Lebens teilhaftig, das sich in der Auferstehung Christi offenbart hat. Der selige Georg Matulaitis war in unserem Jahrhundert ein besonderer Zeuge für dieses Leben. Ich durfte in der Petersbasilika in Rom diesen Bischof von Vilnius, der die Marianer erneuert hat, zur Ehre der Seügen erheben, und die Feier fand gerade im Jahre 1987 statt, bei Gelegenheit des Jubiläums der 600 Jahre seit der Taufe Litauens. Auch wenn es mir damals nicht beschieden war, diese wichtige Jubiläumsfeier in Litauen mitzumachen, fühlten wir uns an jenem Tag doch alle tief eins im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Der Papst fuhr in Polnisch fort: 5. Heute greife ich daher die Worte des heiligen Apostels Petrus wieder auf und sage euch: „Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde” (1 Petr 2,9). Gott hat euch „in sein wunderbares Licht” gerufen in Jesus Christus, damit ihr seine „großen Taten” verkündet (7 Petr 2,9). Diese Macht - die Macht des lebendigen Gottes - hat sich auch in eurer Geschichte geoffenbart. Sie hat sich in den schweren Zeiten der Prüfung offenbart, die Litauen durchmachen mußte; in den Leiden, in den Verschleppungen, in den Kerkern, bei den Zwangsarbeiten und im Martyrium so vieler Söhne und Töchter eures Landes. 6. Heute sind alle diese eure Landsleute bei uns gegenwärtig. Sie sind mit uns vereint in der Kraft des Geistes Gottes. Und sie rufen mit dem Psalmisten aus: „Gott unserer Väter ... mach mich wieder froh mit deinem Heil; mit einem willigen Geist rüste mich aus” (Ps 51,14). So rufen sie gemeinsam mit uns aus, jetzt, da die Zeiten der Qual vorbei sind und euer Vaterland auf die Wege der Freiheit zurückgekehrt ist. Gerade jetzt braucht es diesen „willigen Geist”. Es braucht eine geistliche Wiedergeburt. Der Same, den die Taufe - vor Jahrhunderten - in euch niedergelegt hat, muß zum lebenskräftigen Sproß werden für die geistliche Wiedergeburt eines jeden und aller gemeinsam. Der Papst fuhr in Weißrussisch fort: 7. Ich rufe daher mit den Worten des Psalmisten zum Herrn: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist” (Ps 51,12). Ein reines Herz ist das Gewissen, das in jener Taufe „im Heiligen Geist und in Feuer” (Mt 3,11) rein geworden ist, die Christus, der Herr, der Menschheit geschenkt hat. Bleibt der Gnade eurer Taufe treu. Bekräftigt sie in der Firmung, und nährt sie in der Eucharistie und im Bußsakrament. 581 REISEN Ein beständiger Geist: Das Erbe der Generationen, die in den vergangenen Jahrhunderten aufeinandergefolgt sind, möge zum Reichtum für die heute in diesem Land lebende Generation werden. Jede Tochter und jeder Sohn des litauischen Vaterlandes festige sich erneut auf dem Fundament des Kreuzes Christi. Er möge beim Herzen der Mutter Gottes neu geboren werden; ein jeder möge diesen Geist „in der Tiefe seines Seins” wiederfinden, um ihn den neuen Generationen weiterzugeben. Der Papst schloß in Litauisch: 8. Brüder und Schwestern, bald werden wir gemeinsam mit denen, die sich auf den Empfang des Sakramentes der Taufe vorbereiten, die Taufversprechen erneuern, die ein jeder von uns persönlich oder durch seine männlichen und weiblichen Paten abgelegt hat, als er dieses Sakrament empfing. Der Ritus der Geburt zum Glauben und der Einfügung in die Kirche erfolgt in diesem herrlichen Park unter dem Himmel des freien Litauen, wie um den Unterschied zwischen gestern und heute zu symbolisieren. Gestern wurde die Taufe häufig im geheimen gespendet, manchmal auch ohne die Möglichkeit einer entsprechenden Vorbereitung. Heute, in der Zeit der wiedergewonnenen religiösen Freiheit, stellt sie ein öffentliches Zeugnis des Lobes der Heiligsten Dreifaltigkeit dar in dem Willen, die Wurzeln des christlichen Glaubens in diesem Land immer stärker zu machen. Dies verlangt ein wachsendes Verantwortungsbewußtsein bei allen, zumal bei den Eltern und Paten, die aufgerufen sind, lebendig und eifrig das Geschenk des christlichen Lebens weiterzugeben. Wie wichtig ist dann im Hinblick auf die Taufe die Katechese! Wie dringend wird es, gemeinsam in der Vertiefung der christlichen Lehre und in der Praxis der Tugenden des Evangeliums zu wachsen! Allen, die das Sakrament der Taufe empfangen werden, und allen, die dessen Zeugen sind, wünsche ich, daß diese Stunde der Gnade zum Antrieb wird, den Glauben als tägliches Zeugnis vorzuleben. Die Taufe bildet nämlich ein Samenkorn der Gnade, das jeden Tag gepflegt werden muß, bis es zum Baum wird, überreich an Früchten des Geistes und des Apostolates. Liebe Jugendliche, wißt eurer Taufe nachzuleben! Verbergt das Licht Christi nicht; haltet es vielmehr hoch, damit alle den göttlichen Meister der Wahrheit und der Liebe sehen und suchen können! 9. Mit der Taufe kommen wir Christus nahe, dem Eckstein des Bauwerkes Gottes in der Geschichte der Menschen und der Nationen. Erbauen wir auf Ihm unsere Zukunft als lebendige Steine jenes Bundes, den eure Ahnen mit Gott geschlossen haben. Amen! 582 REISEN In Verantwortungsbewußtsein und gegenseitiger Achtung Vor dem Angelus in Vilnius am 5. September Liebe Schwestern und Brüder! 1. Heute richtet der Bischof von Rom erstmals die gewohnte Einladung zum Gebet des „Engel des Herrn” aus einer Stadt der baltischen Länder, aus Wilna, der Hauptstadt von Litauen, während des Pastoralbesuchs bei edlen und althergebrachten Nationen, die gerade einen schwierigen Abschnitt ihrer Geschichte überwinden. Nach rund einem halben Jahrhundert politischer und kultureller Unterdrückung, wo auch das Grundrecht der Menschen, Gott zu kennen und den Glauben öffentlich zu bekehnen, schwer verletzt wurde, haben Litauen, Lettland und Estland einen neuen Weg eingeschlagen: den Weg der Freiheit. Es ist kein leichter Weg, denn die Freiheit erfordert von jedem lebendiges Verantwortungsbewußtsein und die Pflicht gegenseitiger Achtung. Gerade die Religionsfreiheit garantiert, näher besehen, den Erfolg dieses Unternehmens: Denn wo die Glaubenden und die Menschen guten Willens es annehmen, sich mit der Wahrheit und ihren ethischen Anforderungen zu messen, verläßt die Hoffnung den Hafen der Utopie und steuert auf eine authentische Entwicklung zu. Der Papst hatte seine Ansprache in Litauisch begonnen und fuhr in Polnisch fort: 2. Meine Lieben, lenken wir Geist und Herz auf Maria, die im Heiligtum „Tor der Morgenröte” als Mutter der Barmherzigkeit verehrt wird. Zusammen mit den Bischöfen und vielen Gläubigen hatte ich gestern abend die Freude, in diesem Gotteshaus den Rosenkranz zu beten, der von Radio Vatikan in die ganze Welt ausgestrahlt wurde. Heute erneuere ich meine Einladung zum Gebet für die Bedürfnisse der zivilen und kirchlichen Gemeinschaften des Baltikums, insbesondere daß in ihnen Eintracht und Brüderlichkeit herrschen und daß den zwar legitimen Interessen der Beteiligten immer das Wohl der gesamten Bevölkerung, angefangen von den Schwächsten und Bedürftigsten, vorangestellt werde. Bitten wir vertrauensvoll die Königin aller Völker, daß sie Litauen, Lettland und Estland auf Wegen des Friedens führe. Sie, die die Gläubigen hier auch als „Stella Orientis” (Stern des Ostens) anrufen, bewirke, daß sich die Beziehungen der baltischen Völker zu den angrenzenden Nationen immer freier und solidarischer gestalten. Sie erlange durch ihre Fürbitte, daß in diesem Teil Europas der Glauben wachse und mit ihm Gerechtigkeit und Frieden gefestigt werden. Der Papst sprach dann in Russisch: 3. Von diesen Ländern aus, die gleichsam eine natürliche Brücke zwischen Mittel-, Nord- und Osteuropa bilden, richte ich einen besonderen Gruß an das benachbarte Rußland und vor allem an die christlichen Gemeinschaften, unter denen die orthodoxe Kirche, wo der verehrungswürdige Patriarch von Moskau den Vorsitz in der 583 REISEN Liebe führt, wegen ihrer geschichtlichen Bedeutung und reichen, ruhmvollen Tradition herausragt. Wir alle kennen die Ereignisse, die ihre Geschichte in den vergangenen hundert Jahren gekennzeichnet haben, mit tiefen und oft schmerzlichen Auswirkungen auf die Nachbamationen und die gesamte Welt. Wir alle verfolgen mit teilnahmsvollem Interesse die Anstrengungen, die Rußland macht, um in eine Phase immer stärker sicherer Freiheit und Solidarität im eigenen Land und im internationalen Bereich einzutreten. Die Mitglieder der katholischen Gemeinschaften - dessen bin ich gewiß -werden es nicht versäumen, zusammen mit anderen christlichen Kirchen zur Erreichung der Ziele des Wohlergehens und Friedens beizutragen, die alle für Rußland in dieser so bedeutenden Stunde seiner Geschichte wünschen. Ich möchte der Mutter Gottes, die vom russischen Volk mit tiefer Innigkeit verehrt wird, diesen schwierigen, aber, von der Vorsehung gewollten Weg anvertrauen. Die Mutter des Friedensfürsten helfe Rußland, den Frieden innerhalb und außerhalb seiner Grenzen zu finden. Mögen alle Russen in den Werten des Geistes das Licht und die Kraft finden, um eine menschenwürdige Zukunft zu bauen, die den Plänen des himmlischen Vaters entspricht. Zum Schluß sagte der Papst auf litauisch: An die seligste Jungfrau Maria richten wir jetzt unser Angelusgebet. Keine neue Weltordnung ohne Achtung von Gerechtigkeit, Frieden und Menschenwürde Ansprache an die Mitglieder des Diplomatischen Korps in Vilnius am 5. September Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Ich bin glücklich, daß ich euch am Sitz der Apostolischen Nuntiatur in Litauen empfangen darf. Ich danke eurem Dekan, Herrn Justo Mullor Garcia, für die Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Er hat eure Sorge ausgesprochen, einem Volk Hilfe zu bringen, das seit kurzem wieder in zurückgewonnener Freiheit leben kann, und euren gemeinsamen Wunsch, der Sache des internationalen Dialogs zu dienen. Es geht am Ende um den Frieden in der Welt und zumal im Baltikum. Wie ich bei meiner Ankunft schon feststellen durfte, bedeutet es für mich eine große Freude, mich in diesem Land zu befinden. Die Tatsache, daß ich während dieses Pastoralbesuches den Autoritäten und dem litauischen Volk begegnen kann, ist ein deutliches Zeichen dafür, daß eine Seite der dramatischen Geschichte dieses Gebietes umgeschlagen wurde. Nun ist Europa nicht mehr radikal durch sich widerstreitende Ideologien geteilt; nun hat es den Weg der Zusammenarbeit unter den Völkern beschritten; ein langwieriges Unternehmen, das Geduld erfordert und auf die Betei- 584 REISEN ligung aller Einwohner der interessierten Nationen notwendig angewiesen ist, unter denen erneut Bande der Brüderlichkeit und Solidarität zu knüpfen sind, um die in den zurückliegenden Zeitabschnitten aufgehäuften feindlichen Gefühle zu überwinden. 2. Ich bin mir bewußt, daß ich vor einer Gruppe von Diplomaten spreche, die in einem gewissen Sinn als Pioniere zu betrachten sind. In der Hauptstadt Vilnius gehört ihr zu den ersten Zeugen der Wiedergeburt Litauens und der baltischen Völker. Ihr seid besonders qualifizierte Beobachter der neuen Lage, die sich in diesem Gebiet, reich an Geschichte und Kultur ergeben und die schrittweise Einführung der Demokratie gestattet hat. In Litauen akkreditiert, habt ihr an erster Stelle die tiefere Bedeutung dieser Ereignisse wie auch ihrer menschlichen und sozialen Auswirkungen zu bewerten. 3. Ein halbes Jahrhundert lang hat es wie die anderen beiden baltischen Länder und zahlreiche andere unter marxistischer Herrschaft gestanden. Litauen wurde also die eigene nationale Identität und die eigene politische Autonomie verweigert. Eine zentralistisch ausgerichtete Macht hat starken Druck und unerträglichen Zwang auf Personen und ganze Völker ausgeübt. Die Welt war tatsächlich kaum im Jahre 1918 aus einer ersten blutigen und zerstörerischen Explosion hervorgegangen, als viele europäische Politiker schon wieder einzig von nationalen Interessen und Kriegen, von ideologischer Macht und sozialer Gewaltanwendung her dachten, statt sich dem Aufbau des Friedens zu widmen. Dies hat zu „geheimen Abmachungen” und zu schändlichen Bündnissen und endlich auch zu einem neuen bewaffneten Konflikt geführt, der ganze Nationen von der geographischen Karte hat verschwinden lassen. Ein echtes Unwetter hat sich damals über die westliche Welt ergossen, die fünf lange Jahrzehnte davon gekennzeichnet blieb. Durch die Lektionen der Geschichte gestärkt, muß sich die Diplomatie nun dafür einsetzen, dem Dialog zwischen den politischen Kräften, die ihre Einheit und legitime Autonomie zurückgewinnen möchten, ihre Unterstützung anzubieten. Sie kann und muß viel tun, um die Keime der Unordnung, die jeden Augenblick aufbrechen können, radikal zu unterdrücken. Ich weiß wohl, daß das Gewicht der Einzelinteressen noch groß ist, und daß die Versuchung zur Gewaltanwendung stark bleibt. Dennoch kann der Diplomat bei seinem Einsatz für die Entwicklung der Völker und in Achtung vor der Würde der Personen Initiativen ermuntern und fördern, die für Litauen und die beiden anderen baltischen Länder in der derzeitigen Konjunktur kostbare Beiträge bedeuten. Die internationale Gemeinschaft hat andrerseits die Pflicht, in den Nationen, die ein totalitäres Regime hinter sich haben, das demokratische Leben zu fördern, wie es den berechtigten Erwartungen der Menschen und Völker, die sich selber regieren wollen, entspricht. Die Praxis der Demokratie erfordert freilich ein langes und geduldiges Lernen und einen Reifungsprozeß, die aber mit der unerläßlichen Unterstützung jener Länder 585 REISEN Wirklichkeit werden können, die seit langer Zeit mit dieser Regierungsform vertraut sind,- bei der alle Bürger am öffentlichen Leben beteiligt werden. Für eine Nation müssen die negativen Auswirkungen bestimmter diplomatischer Bündnisse der Vergangenheit im Gedächtnis aller präsent bleiben. Die Interessen der Großmächte dürfen nie einen kleinen Staat zwingen, lediglich ein Satellit zum Vorteil einer auswärtigen Macht zu werden, oder ihn als freie Nation unterdrücken, die das kollektive Geschick der Menschen, die ihr angehören, selber bestimmt; noch dürfen sie die Bürger dem schweren Joch einer auswärtigen Macht unterwerfen. Jede Regierung, die den Willen zur Verteidigung der eigenen Autonomie hat, muß auch besorgt sein, die Unabhängigkeit der anderen Nationen zu verteidigen. Der ganze Kontinent aber wird so zweifellos seine politische Stabilität und die der Demokratie gestärkt sehen, was für den Frieden zwischen den Menschen und Völkern unerläßlich ist. 4. Angesichts der vielfältigen Wirren der vergangenen Jahre wird Litauen zu einem sinnbildlichen Land, das die Suche nach Lösungen auf dem Verhandlungsweg bei allen auf dem Kontinent noch weiter schwelenden Konflikten nur ermuntern kann. Im uns heute bekannten Rahmen sollte die Diplomatie neue Formen annehmen; sie erhält neue Aufgaben, von denen die Völker, die ihre Freiheit zurückgewonnen haben, viel erwarten. Die diplomatischen Missionen sind heute vor allem von dem Willen, beherrscht, Raum für Verhandlungen zu schaffen, damit die Risiken von Konflikten unter kulturellen, völkischen oder religiösen Gemeinschaften seltener werden, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten dagegen enger, die Würde des Menschen mehr geachtet und der Friede gefestigt wird. Angesichts der Vergangenheit, die die Menschen, die Völker und die Institutionen stark geprägt hat, die wir aber allmählich verstehen und überwinden müssen, gilt es kreativ zu sein. Was immer das gegenseitige Vertrauen unter den Menschen und die Hoffnung fördert, die nach langen Jahren des Dunkels wieder auftaucht, bildet den verheißungsvollen Sauerteig konstruktiver Beziehungen zwischen den Völkern. Eine Nation und ein Kontinent lassen sich nämlich nicht entfalten, wenn nicht alle dort anwesenden Menschen aufgerufen werden, sich am Dienst für die menschliche, nationale und internationale Gemeinschaft zu beteiligen. 5. Die Lösung zahlreicher Schwierigkeiten erfordert mit Recht eine Hilfe, die die internationale Gemeinschaft sich zu bieten bereit machen sollte. Auf regionaler und örtlicher Ebene bildet der Wert der Solidarität nämlich ein wesentliches Mittel zum Aufbau einer menschlichen Gemeinschaft nach dem Maß eines Landes und zwischen verschiedenen Ländern. Westeuropa hat auf dem Weg zu seiner Einheit nach dem letzten tödlichen Konflikt, den es erlebt hat, schon weithin davon Vorteil gehabt. Massive Hilfe von außen hat zu seinem jetzigen Wohlstand beigetragen. Hilfen aller Art - wie die Bereitschaft, Fachleute, technische Zusammenarbeit und mutige finanzielle Hilfen anzubieten - sollten zuerst den Litauern dienen und ihnen helfen wollen, ihre Probleme zu lösen. Die Diplomatie darf sich nicht auf die Förde- 586 REISEN rung der jeweiligen nationalen Interessen beschränken. In Vilnius muß wie überall in der Welt eine gemeinsame Auffassung vom Menschen verteidigt werden, eine Auffassung, ohne die bilaterale oder multilaterale Verhandlungen sinnlos werden können. Mit Recht legen unsere .Zeitgenossen auf die Definition und den Schutz der Menschenrechte größeren Wert. Das wahre Interesse der Nationen darf nämlich nicht nur strategisch oder als wirtschaftliche Entwicklung aufgefaßt werden. Die neue Weltordnung, die jenseits vielfältiger politischer und wirtschaftlicher Modelle den sozialen Zusammenhalt voraussetzt, kann nicht ohne die Achtung vor den übergeordneten Werten der Gerechtigkeit, des Friedens und der Würde der menschlichen Person verwirklicht werden. Der unerläßliche nationale Wiederaufbau darf auch nicht zum Nachteil der menschlichen Grundwerte erfolgen. Nie mehr sollen sich die Menschen und Völker gegeneinander erheben! Jedesmal, wenn ein Konflikt ausbricht, leidet die ganze Welt und wird entstellt. Denn die Länder sind vor allem Gemeinschaften von Menschen, von Männern und Frauen, die gemeinsam nach frei übernommenen Gesetzen leben, denken, beten und arbeiten und die unveräußerliche Rechte und Pflichten besitzen, die sie natürlicherweise in sich tragen. Dem internationalen Leben liegen die Menschenrechte zugrunde, unter denen die wichtigsten das Recht auf Leben und auf eine würdige Existenz, das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit wie auch das Recht auf eine Familie sind, die erstrangige Zelle der Gesellschaft und der Motor des öffentlichen Lebens. Nur wenn diese Freiheiten geachtet werden, gewinnen die übrigen Aspekte des internationalen Lebens ihre volle Bedeutung; die Weltpolitik, der wirtschaftliche und finanzielle Austausch sowie der Dialog zwischen den Kulturen würden sich nämlich ohne die menschlichen Dimensionen auf eine reine Logik der Interessen beschränken, die nie weit von der Logik der Gewalt entfernt sind. Ich bin mir bewußt, hier eine an Werte gebundene moralische Forderung auszusprechen, die ständig eurem Wirken und den spezifischen Beiträgen eurer jeweiligen Länder für Litauen zugrunde hegen, doch wird es zuweilen schwierig, sie so durchzuführen, daß sie den interessierten Bevölkerungskreisen unmittelbar verständüch sind. 6. Der Papst, der zu euch spricht, ist Zeuge der Wirklichkeit der Welt von heute, denn er hatte Gelegenheit - und auch die Freude - sie als Pilger des Friedens zu durcheilen; , ich suche den christlichen Glauben zu verkünden, der unserem Dasein vollen Sinn gibt und zugleich fordert, daß alle sich für den Aufbau einer Gesellschaft einsetzen, in der jeder seinen Platz finden kann. Im Verlauf meiner Reisen durch die Welt und durch meine Kontakte mit Personen, die unterschiedlichen Klassen angehören und verschiedene Verantwortung wahmehmen, habe ich immer die vielfältigen Bestrebungen der Menschen und zumal der europäischen Jugendlichen feststellen können. Da die Abstände immer Meiner werden, wird die Welt - oder sie möchte es werden - zu einer Welt, in der die Bande immer stärker werden. Trotz der 587 REISEN Aktivitäten bestimmter Minderheitsgruppen möchten die neuen Generationen in einer Gesellschaft leben, wo alle Menschen solidarisch sind und ein soziales Geflecht bilden, das über die Fronten und Grenzen der Sprache, Kultur und Religion hinaus -reicht. In diesem Zusammenhang können der kulturelle Austausch und der Tourismus das gegenseitige Kennenlemen nur fördern und Gelegenheit für menschliche Kontakte und Bereicherung bieten. 7. Doch weil leider ideologische Konflikte weitergehen oder auch umgekehrt einige Länder nun den Frieden kennen, hat das Phänomen der Auswanderung inzwischen bisher nie gekannte Ausmaße erreicht. Der internationale Dialog wird daher besonders notwendig, damit jeder einen Platz findet, wo er sich niederlassen kann, um für den eigenen Unterhalt zu sorgen und in der Lage zu sein, die eigenen Lieben zu ernähren. Wenn wir die komplizierten Elemente der gegenseitigen Abhängigkeit in der heutigen Welt näher untersuchen, muß eins für dieses Gebiet hier besonders betont werden: Die alten imperialistischen Formen der Politik und der alte Fanatismus völkischer, ideologischer oder religiöser Art werden immer mehr unzeitgemäß. In einer Zeit, da von allen Seiten der Krieg verurteilt wird, auch der wirtschaftliche und Handelskrieg, bleiben einzig Dialog und Verhandlung des Menschen würdige Verhaltensweisen zur Lösung der grundlegenden Fragen beim Übergang von einem Zustand der Besatzung durch eine auswärtige Macht zu einem Zustand voller nationaler Unabhängigkeit und der gegenseitigen Anerkennung, oder auch, wenn es um die Verteilung der Reichtümer einer Gegend, die freie Bewegung der Menschen und Güter, endlich um eine gerechte Lösung für die Probleme der völkischen, kulturellen und religiösen Minderheiten geht. Die baltischen Länder bilden einen Mikrokosmos, in dem sich deutlich schwere Probleme zeigen, in dem man aber auch Lösungen voraussehen kann- Neben den Gemeinschaften der Litauer, Letten und Esten - die mit Recht Frieden und nationale Unabhängigkeit wünschen, die ihnen bisher fehlten - befinden sich hier auch menschliche Gemeinschaften, die aus den Nachbarländern stammen. Ihre Präsenz bezeugt eine lange Geschichte, die man, auch wenn die Leiden, Wunden und Unverständnisse zu beklagen sind, untersuchen muß, um Brüderlichkeit und Freundschaft aufzubauen. Unabhängig vom zuweilen vorliegenden Zwang können die Ströme der Migrationen einen gegenseitigen Austausch fördern, der früher oder später sich für alle betroffenen Gemeinschaften als vorteilhaft erweist. In den drei baltischen Ländern gibt es ferner die Probleme, die auf die alte Verwurzelung von Einwohnern russischen Ursprungs zurückgehen, welche unter den ehemaligen Besatzungstruppen lebten. Andererseits erkennt die internationale Gemeinschaft - und mit ihr der Heilige Stuhl - das Bestreben der Bürger russischen Ursprungs an, sich im Land ihrer Residenz aller Menschenrechte erfreuen zu dürfen. Wiederholt hat der Heilige Stuhl den Wunsch ausgesprochen, es möchten möglichst bald Wege für ein freundschaftliches Zusammenleben aller Menschen gefunden werden, die auf dem gleichen Territorium leben. Notwendig bleibt freilich, daß alle 588 REISEN nur vernünftige Forderungen stellen und sich auch die Forderungen der anderen Gruppen anhören, daß sie sich vom Geist der Rache ebenso freimachen wie von der Versuchung, mit Gewalt das zu erreichen, was auf die Dauer nur mit gesundem Menschenverstand und durch Verhandlungen zu erreichen ist. Es wäre daher recht nützlich, wenn in den internationalen Organen, die wie der Europarat oder die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa kontinentalen Zuschnitt besitzen, die verschiedenen Staaten Mittel- und Osteuropas vertreten wären. Im Kontakt mit den übrigen europäischen Ländern und mit ihrer eventuellen Zusammenarbeit lassen sich engere und dauerhaftere Beziehungen guter Nachbarschaft erreichen, wenn einmal die volle Anerkennung der nationalen Unabhängigkeiten durch alle vorhegt. 8. Bei der ihm eigenen spezifischen Sendung ist für den Heiligen Stuhl vor allem der Friede sowie die Förderung der Menschen und Völker in Achtung vor der Unabhängigkeit der legitimen Autoritäten ein Anliegen. Er möchte immer wieder, sei es gelegen oder ungelegen, daran erinnern, daß die politischen Kräfte geistige Werte berücksichtigen müssen, deren Träger die christliche Botschaft ist. Die katholische Kirche am Ort hat mit Unterstützung der universalen Kirche die Pflicht, das Evangelium zu verkünden und die Werte herauszustellen, die sie von ihrem Herrn empfangen hat. Die Christen sind sich auch der sozialen Rolle bewußt, die sie beim geduldigen Wiederaufbau der verschiedenen nationalen Institutionen zu spielen haben. Dies führt die katholischen Litauer dahin, sich immer mehr mit ihren Menschenbrü-dem dafür einzusetzen, aufmerksam ihrem Vaterland in seinen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Institutionen zu dienen in aktiver Mitverantwortung und hochherziger Mitarbeit zugunsten des Gemeinwohls (vgl. Christifideles laici, Nr. 42). In diesem Sinn und mit dieser Hoffnung rufe ich von Herzen auf euch alle, eure Familienangehörigen und eure Arbeit den Segen Gottes herab. Echter Glaube setzt die Vernunft voraus Ansprache an die Welt der Kultur in Vilnius am 5. September Herr Kultusminister, Herr Rector magnificus, meine Herren Professoren und Vertreter der Welt der Kultur und der Kunst! 1. Als erster römischer Papst, der die Länder des Baltikum besucht, bin ich wirklich erfreut darüber, daß ich euch in der eindrucksvollen Umgebung dieses Athenäums begegnen darf, das seit Jahrhunderten das pulsierende Herz eurer Stadt bildet. Mit ihrer vielfältigen Geistestätigkeit gibt es seiner einzigartigen Berufung als Kreuzungspunkt der Völker und Kulturen Ausdruck: eine Berufung, die der Rektor dieser berühmten Alma Mater eben mit ebenso ausdrucksvollen wie der Person des Pap- 589 REISEN stes gegenüber ergebenen Worten angesprochen hat. Er hat den Papst auch im Namen von euch allen empfangen, und ich bin ihm von Herzen dankbar. Der herzüche Empfang, den ihr mir Vorbehalten habt, überrascht mich nicht: nicht nur weil er dem Adel eurer Empfindungen entspricht, sondern auch weil ihm eine lange Geschichte freundschaftlicher und fruchtbarer Beziehungen zwischen eurem Land und der katholischen Kirche zugrundeliegt. Davon zeugen auch die Schicksale dieser Universität. Bekanntlich wurde sie von Bischof Valerianus Protasevicius (Protaszwicz-Szuszkowski) gegründet, denn auch Vilnius sollte von dem kulturellen und apostolischen Aufschwung Vorteil haben, den die Gesellschaft Jesu in Europa und in der Welt gefördert hat. Im Jahre 1579 wurde euer Athenäum ferner von meinem Vorgänger Gregor XIII. und Stephan Batory, dem König von Polen und Großherzog von Litauen mit Rechten und Privilegien ausgezeichnet. Die katholische Kirche hat damit bei den Ursprüngen und der Entwicklung eurer Universität mehr als eine Rolle am Rande gespielt. Leider ist im Verlauf der Geschichte das freundschaftliche Verhältnis der Ursprünge nicht immer gewahrt worden, und zumal in neuerer Zeit hat man in diesen Mauern kritische, Verdacht äußernde und sogar ausdrücklich feindliche Stimmen gegen die Kirche und ihre Lehre vernommen. All das macht meinen heutigen Dialog mit euch besonders bedeutsam. Er öffnet eine neue Seite im kulturellen Leben eures Landes. 2. Hinter uns liegt eine lange und leidvolle Geschichte, und wir spüren gebieterisch das Bedürfnis, in die Zukunft zu blicken. Doch das Andenken an die Geschichte muß uns begleiten, damit wir aus der Erfahrung dieser nicht enden wollenden Jahrzehnte lernen können, in denen auch euer Land die Last einer eisernen. Diktatur gespürt hat, die im Namen der Gerechtigkeit und der Gleichheit die Freiheit und Würde der einzelnen und der bürgerlichen Gesellschaft verletzt hat. Wie konnte all dies geschehen? Die Untersuchung wäre kompliziert. Doch ich glaube wohl sagen zu können, daß unter den Gründen nicht zuletzt der militante Atheismus, an dem sich der Marxismus inspirierte, zu nennen ist: ein Atheismus, der auch den Menschen beleidigt hat, weil er seiner Würde die Grundlage und die festeste Garantie entzog. Zu diesem Irrtum kamen andere hinzu, wie die materialistische Auffassung der Geschichte, die hart konfliktbetonte Sicht der Gesellschaft, die „messianische” Rolle, die man der einen den Staat beherrschenden Partei zuschrieb. Alles trug dazu bei, daß dieses System, das mit dem Anspruch begann, den Mensch zu befreien, ihn am Ende zum Sklaven machte. 3. Der Marxismus war freilich nicht die einzige Tragödie unseres Jahrhunderts. Als nicht weniger schwerwiegend muß jene gelten, die sich auf der Gegenseite bei den „rechtsgerichteten” Regimen vollzog, die im Namen der Nation oder der Tradition diese Würde ebenso verachtet haben, die unabhängig von Rasse, Überzeugungen und individuellen Begabungen jedem Menschenwesen eigen ist. Wie sollten wir hier nicht an die ungeheuerliche Gewaltanwendung denken, zu der der Nazismus, zumal 590 REISEN dem jüdischen Volk gegenüber, fähig war, das im Namen eines angemaßten rassischen Primats und eines wahnsinnigen Herrschaftsanspruchs dem Untergang geweiht wurde? Auf der anderen Seite weisen auch die in der Form des Rechtsstaates organisierten Demokratien heute wie gestern offenkundige Widersprüche auf zwischen der formalen Anerkennung der Freiheit und der- Menschenrechte und den zahlreichen Ungerechtigkeiten und sozialen Diskriminierungen, die sie im eigenen Inneren dulden. Es geht nämlich um soziale Modelle, bei denen sich die Forderung nach Freiheit nicht immer mit der geforderten ethischen Verantwortung verbindet. Die Gefahr besteht bei den demokratischen Regierungsformen darin, daß sie sich in ein System von Regeln auflösen, die nicht genügend in den unverzichtbaren Werten verwurzelt sind, unverzichtbar deswegen, weil sie imWesen des Menschen gründen und daher die Grundlage jedes Zusammenlebens bilden müssen, die keine Mehrheit verweigern kann, ohne für den Menschen und die Gesellschaft schlimme Folgen hervorzurufen. Gegen eine solche Verfälschung der Freiheit auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet hat die Kirche mit Nachdruck ihre Stimme erhoben. In diesem Sinn hat sie seit der Enzyklika Rerum novarum von Leo XIII. gemeinsam mit dem Sozialismus auch den wirtschaftlichen Liberalismus verurteilt, der keine Grenzen kennt und die Forderungen der Solidarität mißachtet. Auf der gleichen Linie widersetzt sich die Kirche auch heute weiter jenen Gesellschaftsformen, die im Namen angemaßter Freiheitsrechte das menschliche Leben der Ungeborenen sowie die Würde der schwächsten sozialen Klassen nicht genügend schützen. 4. Gegensätzliche Totalitarismen und kranke Demokratien haben die Geschichte unseres Jahrhunderts geprägt. Die sich abwechselnden und entgegengesetzten Systeme tragen zwar jeweils ihr eigenes unverwechselbares Gesicht, doch ich glaube, es ist kein Irrtum, sie alle als Abkömmlinge jener Kultur der Immanenz zu betrachten, die sich im Europa der letzten Jahrhunderte weit verbreitet hat und zu Formen des persönlichen und kollektiven Lebens führte, die Gott nicht kennen und seinen Plan für den Menschen mißachten. Aber kann der Mensch leben und „widerstehen” ohne Gott? Das II. Ökumenische Vatikanische Konzil hat passend daran erinnert, daß „das Geschöpf ohne den Schöpfer ins Nichts” sinkt (Gaudium et spes, Nr. 36). Wehe uns, wenn wir diese Grundwahrheit vergessen! Glücklicherweise wird jener Gott, den die atheistische Kultur vergeblich am Horizont des Menschen zu entfernen versucht hat, immer wieder neu sichtbar und öffnet sich durch die großen Fragen, die die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften nicht kennen und nicht lösen können, eine Bresche. Das Konzil bemerkt weiter. „Angesichts der heutigen Weltentwicklung wächst die Zahl derer, die die Grundfragen stellen oder mit neuer Schärfe spüren: Was .ist der Mensch? Was ist der Sinn des Schmerzes, des Bösen, des Todes?: alles Dinge, die trotz solchen Fortschritts noch immer weiterbestehen? Wozu diese Siege, wenn sie 591 REISEN so teuer erkauft werden mußten? Was kann der Mensch der Gesellschaft geben, was von ihr erwarten? Was kommt nach diesem irdischen Leben?” (Gaudium et spes, Nr. 10). Auf der Woge solcher unausweichlicher Fragen zeigt sich Gott, der wahre und eine Gott, das Geheimnis, aus dem sich alles herleitet und seinen Sinn bekommt, ständig am Horizont des menschlichen Herzens und weckt dort ein innerstes und heilsames Sehnen: „Du hast uns für dich geschaffen, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir”, hat der große Augustinus gesagt (Bekenntnisse 1,1,1). Auf Gott hinstreben, ist ein Gesetz des Daseins, das kein System je unterdrücken kann. 5. Auf euch als Männern der Kultur und der Wissenschaft lastet daher mehr als auf anderen die Verantwortung, die Räume des Denkens nicht dem Horizont des Geheimnisses zu verschließen. Es ist eine Pflicht, die nicht von außen an euch herantritt, um gleichsam das Forschen zu behindern und seine Freiheit zu manipulieren. Sie ergibt sich in Wirklichkeit aus der inneren Logik des Denkens selbst. Wenn der Mensch denkt, erfährt er seine Endlichkeit und wird sich bewußt, daß er nicht die Wahrheit ist, daß er diese vielmehr suchen und ertasten muß. Zugleich spürt er, daß sein Forschen nicht bei kleinen und begrenzten Zielen verweilen darf und kann, da es ja mit Macht immer höher auf das Unendliche hin getrieben wird. Das erhebende Abenteuer des Denkens hegt in dieser wesentlichen Dynamik, die den Menschen zwischen das Bewußtsein seiner Grenzen und das Bedürfnis nach dem Absoluten stellt. Wenn daher der Mensch tiefer nächdenkt, mit der Strenge seiner Intelligenz und aufrichtigen Herzens, begibt er sich auf den Weg zu einer möglichen Begegnung mit Gott. Aber warum - so könnte man sich vernünftigerweise fragen - sind dann gerade von zahlreichen Denkern die am meisten systematischen und radikalsten Leugnungen Gottes vertreten worden? Auf diese verwirrende Frage besitzt die Kirche die Antwort: Wenn auch wahr bleibt, daß die Existenz Gottes mit der bloßen Vernunft erkannt werden kann, so ist diese doch in der heutigen Situation des Menschengeschlechtes, auf dem die Sünde lastet, durch große Schwäche gekennzeichnet (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 37). Der Weg des Denkens vollzieht sich nicht als ein einsames Arbeiten des Gehirns, er ist vielmehr tief gebunden an den existentiellen Weg der Person. Will man also; daß das Denken seine reifsten Früchte, zumal auf der Suche nach den metaphysischen Wahrheiten erntet, muß man eine Ethik des Denkens pflegen, die sich nicht auf das Bemühen um logische Exaktheit beschränkt, sondern die Arbeit des Geistes in einem geistigen Klima vollzieht, das reich ist an Demut, Aufrichtigkeit, Mut, Ehrenhaftigkeit, Vertrauen, Aufmerksamkeit für die anderen und Offenheit für das Geheimnis. Diese umfassende Ethik des Denkens entbindet nicht von der Mühe der Forschung, erleichtert sie vielmehr und trägt sie, und was die mit dem Geheimnis verbundenen Dinge betrifft, gibt sie ihm sogar die Ausrichtung, weil das 592 REISEN Wahre und das Gute, die in Gott mit seinem Dasein zusammenfallen, innerlich verbunden sind. 6. Geehrte Herren, die großen Ereignisse der Jahre, in denen wir leben, lassen uns vernünftigerweise vermuten, daß wir an einer epochalen Wende der Weltgeschichte stehen. Bei diesem mühseligen Übergang auf eine Zukunft hin, deren Umrisse heute niemand vorhersehen oder entwerfen kann, spielt der Einsatz der Intellektuellen zweifellos eine entscheidende Rolle, und diese muß daher erneut nachdrücklich betont werden in einer Zeit, da der Zusammenbruch der Ideologien Gefahr läuft, lähmendes Mißtrauen hervorzurufen, und das Denken geneigt zu machen, sich mit Skeptizismus und einem gefährlichen Pragmatismus zufriedenzugeben. Das soll keineswegs den Gedanken nahelegen, die Krise des Denkens könne den Glaubenden verleiten zu meinen, der Glaube müsse die vom Weichen der Vernunft freigelassenen Räume besetzen. Wie das Lehramt der Kirche mehrfach betont hat, setzt echter Glaube die Vernunft voraus, wertet sie auf, festigt sie und regt sie an (vgl. DS 3015-3019; Gaudium et spes, Nr. 15). Im neuen noch vollständig aufzubauenden kulturellen Klima bleibt weiter Raum offen für den Dialog zwischen Glaube und Kultur. Dieser wird sich sogar nicht allein auf die spezifisch religiösen Probleme beschränken, sondern auch die großen ethischen und anthropologischen Themen berühren, die mit ihm innerlich verbunden sind. Eine neue Allianz zwischen der Kirche und der Welt der Kultur scheint bei aller Achtung vor der Verschiedenheit innerhalb eines vom Dialog bestimmten Horizontes notwendig und dringend, um diese unsere so komplexe Zeit zu entziffern und die notwendige Marschrichtung zu erkennen. 7. Tatsächlich stehen wir vor einer hell-dunklen Welt, reich an Licht und Schatten. Dies erfordert die Geduld und Weisheit der Unterscheidung. Die Menschheit wird immer noch durch Gewaltanwendung und Intoleranz aller Art gedemütigt, vom Hunger und Elend von Millionen von Menschen zerrissen und von einer Umweltkatastrophe bedroht, deren Größenordnung ein „Umwelt-Holocaust” befürchten läßt, das nicht weniger Sorgen macht als das „Atom-Holocaust”. All das macht traurig und ängstigt uns. Aber wie sollten wir unser Herz nicht der Hoffnung öffnen, wenn wir in so zahlreichen sozialen Kreisen und zumal bei den jungen Generationen das Bedürfnis nach neuer Solidarität, nach einem stärkeren Bewußtsein von den Menschenrechten, nach einer Kultur der Gewaltlosigkeit erblicken oder den tätigen Einsatz der Freiwilligen für die Armen und Randexistenzen, endlich ein aktives Umweltempfinden vor Augen haben? Licht und Schatten also. Die wünschenswerte neue Allianz zwischen Kirche und Kultur muß bemüht sein, die Schatten zu zerstreuen, dagegen die Tore dem Licht zu öffnen. Hier ist als ein bedeutsames Zeichen der Zeit auch das verheißungsvolle ökumenische Wirken unter den Christen, dazu der interreligiöse Dialog zu betrachten, der die Menschen verschiedener Glaubensauffassungen aufruft, zum Wohl der 593 REISEN Menschheit zusammenzuarbeiten. Über der traurigen Erinnerung an die Religionskriege, einer echten Nacht des Glaubens, geht das Morgenrot eines wünschenswerten religiösen Friedens auf, der auch in unserer bürgerlichen Gesellschaft das harmonische Zusammenleben fördert. 8. In dieser Hinsicht bildet eure Universität, geehrte Damen und Herren, ein einzigartiges Symbol, da sie im geographischen Herzen eines Europas errichtet wurde, das zu immer größerer Einheit aufgerufen ist, um der Welt den Dienst des Friedens anzubieten, der zu seiner mehrere Jahrtausende alten Kulturüberlieferung paßt. Dieser Rolle ist keineswegs das alte und tiefreichende Verhältnis fremd, das sie mit dem Christentum verbindet. Die Kirche hat ihrerseits mehr denn je die Absicht, für den neuen Weg Europas ihren ebenso alten wie immer neuen Beitrag zu leisten. Es ist ihr Zeugnis von Christus, dem „Gott mit uns”, dem „Gott auf der Seite des Menschen”. Sie predigt einen Gott, der sich voll im Kreuz seines menschgewordenen Sohnes offenbart. Sie verkündet einen Gott, der die Liebe ist. Von dieser Liebe gedrängt, bin ich zu euch gekommen. Ergriffen betrachte ich eure Augen, die viele Tränen vergossen haben. Ich umarme in euch Brüder, die lange gelitten haben, doch ich möchte vor allem gemeinsam mit euch den Blick in die Zukunft richten, auf Fortschritt und Frieden, die als Aufgaben vor uns liegen. Habt keine Angst, Freunde, Christus die Türen zu öffnen! Er kennt das Herz des Menschen und vermag, tiefe Antworten auf seine Sorgen anzubieten. Er fordert uns auf zum gemeinsamen Ringen für eine wahrhaft freie und solidarisch eingestellte Menschheit. Mit diesen Gefühlen grüße ich euch, danke euch für euer achtungsvolles und herzliches Zuhören und rufe auf euch, auf eure Arbeit und alle Menschen, die euch nahestehen, den Segen Gottes herab. Gemeinschaft im Glauben - Litauer und Polen Ansprache an die polnische Gemeinde in Vilnius in der Heilig-Geist-Kirche am 5. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine ganz besondere Freude, auf meiner Pilgerreise durch Litauen diese Heilig-Geist-Kirche hier in Vilnius aufsuchen zu können, die regelmäßig von den aus Polen stammenden Bürgern Litauens besucht wird. Dieses Gotteshaus ist ein vielsagendes Symbol, fast eine Gedächtnisstätte jener Ereignisse, die die christliche und weltliche Geschichte dieser beiden seit der Hochzeit zwischen Jagello, dem Größherzog von Litauen, und Hedwig, der Throherbin Polens, durch intensive nachbarliche, freundschaftliche und brüderliche Beziehungen miteinander verbundenen Länder Unauslöschlich gekennzeichnet haben. Die leuchtende Gestalt des hl. Kasimir allein ist ausreichend, um die Tiefe und Fruchtbarkeit 594 REISEN dieser Beziehung zu verdeutlichen, die auch in schweren Zeiten aulrechterhalten wurde, als vorübergehende Gegensätze drohten, ihre Beweggründe zu trüben, ohne jedoch jemals ihren Sinn und ihre Gültigkeit schwächen zu können. Es freut mich sehr, heute in eurer Mitte sein zu können, hebe Brüder und Schwestern. Von ganzem Herzen grüße ich euch alle, insbesondere den Primas von Polen und die aus der Heimat angereisten Bischöfe. Mein Gruß gilt auch Msgr. Kondru-siewicz aus Moskau und Msgr. Swatek aus Mohilev. Die Begegnung mit euch, hebe Brüder im Bischofsamt, an diesem Ort reicher historischer, weltlicher und geistlicher Erinnerungen, ist ein wahres Geschenk des Herrn, das mich mit tiefer Freude erfüllt. Ferner grüße ich die Vertreter der staatlichen Obrigkeiten: den stellvertretenden Ministerpräsidenten Herrn Goryszewski, z. Zt. auf einer Reise durch Litauen, und den Botschafter, Herrn Widacki, den ich bereits kennengelemt habe. Gemeinsam mit euch möchte ich auch dem Erzbischof von Vilnius danken, der uns hier eine Einführung gab. Ich muß gestehen, daß ich seinen Eifer bewundere: er, der als Litauer viele Sprachen kennt, hat sich große Mühe gegeben, auch unsere polnische Sprache zu lernen. 2. Es ist nicht meine Absicht, heute näher auf die mehr oder weniger entfernte Vergangenheit einzugehen. Wir alle, auch ich, tragen diese Vergangenheit, die nunmehr der Geschichte angehört, in unserem Herzen. Wir wollen dafür Ihm, dem Herrn der Geschichte, danken, und sowohl in den glücklichen, feierlichen als auch in den dunklen und schwierigen Augenblicken das Wirken seiner göttlichen Vorsehung erkennen. Als Bischof von Rom bin ich vor allem hier, um den Glauben meiner Brüder zu festigen und alle zu bestärken, den Herausforderungen der Gegenwart mit Hoffnung und Zuversicht für die Zukunft zu begegnen. Der Gegenwart gehört vor allem jene gemeinsame Erfahrung an, die die Gläubigen dieser europäischen Region erst jetzt hinter sich lassen. Auf die Stunde der Finsternis und der Prüfung folgt nun die Stunde des Lichts und eines neuen christlichen Anfangs. Nach den in fünfzig langen Jahren erlebten zahllosen Schwierigkeiten in der Glaubenspraxis, ist nun - so hoffen wir - endlich der Moment gekommen, allen - Polen und Litauern - das Evangelium offen zu verkünden, in der Überzeugung, daß es für jeden Menschen, ja für die ganze gesellschaftliche Gemeinschaft, der festeste Anhaltspunkt ist, der uns erlaubt, gegenwärtige Schwierigkeiten zu überwinden, Ängste und drohende Mutlosigkeit zu besiegen und, im Hinblick auf das Wohl aller und die Zukunft, in jedem die Bereitschaft zu solidarischem Handeln weckt. Liebe Brüder und Schwestern, eure Stadt ist offensichtlich für die Koexistenz verschiedener Personen, Sprachen, Kulturen und Religionen berufen. So war es in der Vergangenheit, und so ist es auch heute noch. Es handelt sich insbesondere um das brüderliche Zusammenleben der Christen, die in unterschiedlichen Sprachen beten und sich als Erben unterschiedlicher aber auch teilweise - manchmal sogar weitgehend- gemeinsamer geschichtlicher Vergangenheiten fühlen. In diesem Gotteshaus wie auch in zahllosen anderen, in denen die Eucharistie und die Sakramente in zwei 595 REISEN verschiedenen Sprachen gefeiert werden, sind Polen .und Litauer zur gegenseitigen Unterstützung aufgerufen. Vor allem sollen sie fähig sein, einander zuzuhören, um den gleichen Glauben, die gleiche Hoffnung und die gleiche Liebe zu nähren, die alle vereint. Im Hinblick auf den gesamten europäischen Kontinent werden wir uns der Notwendigkeit deutlich bewußt, daß sich die verschiedenen Nationen, gefährlichen nationalistischen Tendenzen widerstehend, auf verantwortungsvolle Art und Weise, durchaus ihren eigenen Anforderungen entsprechend, in den gemeinschaftlichen Prozeß einer neuen Integrierung unseres Kontinents eingliedem. Ihrerseits ist sich die Kirche ihrer Aufgabe in dieser historischen Phase sehr wohl bewußt und wird sicherlich nicht versäumen,; den Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils und ihren Möglichkeiten entsprechend, alles zur Förderung dieses Prozesses zu tun. Meine Lieben, für diese Entwicklung, die sich auf unserem Kontinent vollziehen muß, erwartet Europa die aktive Mitwirkung unserer polnischen Gemeinschaft wie auch jenes in Litauen lebenden Teils dieser Gemeinschaft. Auch die europäische Kirche wartet darauf, so bald wie möglich wieder mit zwei Lungen voll atmen zu können: mit der des Westens und der des Ostens, die die zweitausendjährige Geschichte geprägt hat. Die Kirche und Europa brauchen demnach auch euren Beitrag, um sich mit Hilfe des Heiligen Geistes zu erneuern. In unserem Jahrhundert hat der Heilige Geist auf ganz besondere Weise durch das Zweite Vatikanische Konzil gewirkt. Von der Botschaft des Konzils ausgehend müssen wir uns für den Aufbau einer Zukunft der Hoffnung und tiefer geistiger Erneuerung einsetzen, im Frieden, im Geist der Wiederversöhnung und der menschlichen Solidarität im weitesten Sinne. 3. Liebe Brüder und Schwestern, das heutige Treffen gibt mir Gelegenheit, gemeinsam mit euch einen kurzen Blick auf diese erhoffte Zukunft zu werfen, die im Zeichen der Treue zu Gott und den Menschen verwirklicht werden soll. Möge der Heilige Geist in allen die notwendige Bereitschaft und Weisheit wecken, um in diesem gepeinigten Teil Europas eine kirchliche und weltliche, nationale und internationale Gemeinschaft aufzubauen, die Gott wirklich ergeben und auf der Suche nach seinem Reich ist und gleichzeitig - aufgrund dieser Treue zu Gott - auch dem Menschen und seiner besonderen Würde zugetan ist. Der Glaube ist auch im Hinbück auf seinen sozialen Wert von Bedeutung. „Ihr seid das Licht der Welt”, sagte Christus zu seinen Jüngern; „Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man steht es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus” (Mt 5,14-15). Die harmonische Entwicklung des zukünftigen Litauens wie auch des zukünftigen Polens wird von euch, den Töchtern und Söhnen der Kirche, von eurer Fähigkeit abhängen, die erleuchtende Weisheit des Evangeüums auf individuelle und gemeinschaftliche Art und Weise zu leben: von eurer Fähigkeit, stets mutige und eifrige 596 REISEN Verkünder und Nachfolger Christi zu sein. Er ist - seinen eigenen Worten zufolge -„der Weg, die Wahrheit und das Leben” (vgl. Joh 14,6). Christus ist auch der sicherste Weg für eine des Menschen und seiner höchsten Berufung zur Liebe würdigen Zukunft; er ist die Wahrheit, die der Zukunft eine wahre Grundlage geben kann; schließlich ist er für diejenigen die Fülle des Lebens, die sich in dieser Welt zum Dienst an den Mitmenschen verpflichten, ohne aber je die ewigen Güter aus den Augen zu verlieren. Die Tatsache, daß Christus gekommen ist, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben”, war das Thema des großen Weltjugendtags auf einem anderen Kontinent, auf dem amerikanischen Kontinent, in Denver. Ich hoffe, daß das Echo dieser Botschaft der Jugendlichen auch zu euch gelangt, insbesondere zu eurer Jugend, und daß es euch helfen wird, Ihn zu suchen, der gekommen ist, das Leben zu geben, das Leben in Fülle. 4. Das sind die Reflexionen und Wünsche, die ich vor allem der sei. Schwester Fau-stina Kowalska anvertrauen möchte, deren Seligsprechung ich mit großer Freude vor einigen Monaten in Rom, in Anwesenheit des polnischen Primas und des Erzbischofs von Vilnius, feiern konnte. Jahrelang war Schwester Faustina „eine von uns”, und in dieser Kirche wird mit großer Sorgfalt das von ihr verehrte und verbreitete heilige Bild vom Barmherzigen Jesus aufbewahrt. Meine Lieben, versucht, ihrer kindlichen Liebe zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit nachzueifem. Lernt von Schwester Faustina, dieser demütigen und treuen Zeugin Gottes, in jeder Situation Söhne und Töchter des fleischgewordenen Wortes und treue Werkzeuge des belebenden und trostspendenden Geistes zu sein. Möge die sei. Faustina die Fürsprecherin jedes einzelnen von uns sein und uns helfen, das himmlische Reich nie aus den Augen zu verlieren und wie sie, Gott in unserem Leben stets an erste Stelle zu setzen. So wird unser Zeugnis des Evangeliums und unser Einsatz für die Mitbrüder sicherlich tiefe Wirkungskraft haben. Ich bitte nun alle meine Brüder im Bischofsamt, insbesondere den Erzbischof von Vilnius, gemeinsam mit mir allen hier anwesenden Gläubigen wie auch all denjenigen, die außerhalb dieser Kirche dem Treffen beigewohnt haben, den Schlußsegen zu erteilen. Abschließend richtete der Papst noch folgende Grußworte an seine Landsleute: Ich möchte noch etwas hinzufügen. Wenn man in seiner Muttersprache reden kann, wird man leicht gesprächig, was ich aber vermeiden möchte. Nie zuvor bin ich in Vilnius gewesen; es ist heute das erste Mal. Gleichzeitig kann man aber auch sagen, daß ich mein ganzes Leben lang, mindestens seit dem Verstandesalter, in Vilnius gewesen bin. Sowohl mit dem Geist als auch mit dem Herzen war ich in Vilnius, sozusagen mit meinem ganzen Wesen, zumindest in einigen gewissen Dimensionen. So war es später auch in Rom, vielleicht sogar in noch intensiverer Form. Doch ich möchte der göttlichen Vorsehung von Herzen danken, mich endlich hergeführt zu 597 REISEN haben. Hier wird mir eine ganz besondere Gnade zuteil, die Gnade dieser Pilgerreise, der Begegnungen mit den Menschen und vor allem der heute morgen gemeinsam gefeierten Eucharistie, die mir die Bedeutung des göttlichen Mysteriums in der Geschichte der Menschheit verständlich gemacht hat; Gott schreibt seine Wahrheiten, seinen providentiellen Heilsplan, er prägt so das Leben des einzelnen Menschen, die Geschichte der Völker, was nicht schwer zu erkennen ist. Sein Werk wird ganz besonders offensichtlich, er spricht zu uns durch alles Vergangene und Gegenwärtige. All das, was seit vielen Jahren, seit Jahrzehnten, in mir war, habe ich erkannt. Noch etwas. Gestern haben wir im Sanktuarium von Ostra Brama gebetet, wo ich einen an die Muttergottes gerichteten Vers aus Pan Tadeusz, einem Gedicht von Adam Mickiewicz, zitiert habe: „O, Allerheiligste Jungfrau, die du in Ostra Brama glänzt und in Tschenstochau das leuchtende Heiligtum schützt”. Am Ende dieses Treffens möchte ich euch sagen, daß diese Worte prophetische Bedeutung haben. Auch Dichter nehmen auf ganz besondere Art und Weise an der prophetischen Sendung teil. Diese Weissagung spricht von dem, das trotz aller Schwierigkeiten, denen wir oder unsere litauischen Freunde begegnen können, bleiben wird. Das, was bleiben, was nicht besiegt werden wird. Es handelt sich um Sie, ein und dieselbe in Ewigkeit. Auf vielerlei Arten habe ich sie bereits kennengelemt, in Kalwaria Zebrzydowska, Jasna Göra und Fatima, in Ostra Brama. Ich weiß, sie besiegt jedes Unheil, auch das größte, endgültige. Sie hat der Schlange den Kopf zertreten. Ich hoffe, daß wir mit ihrer Hilfe auch jene Übel überwinden werden, die den Weg in die Zukunft versperren. Ich wünsche meinen Landsleuten und meinen litauischen Brüdern in Polen und Litauen, daß sie diesen Weg in die Zukunft unter dem Schutzmantel der Muttergottes von Jasna Göra und Ostra Brama gehen werden. Neue Impulse für das Laienapostolat erforderlich Ansprache an die litauischen Bischöfe in Kaunas am 6. September Geehrte Mitbrüder im Bischofsamt! 1. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” (Rom 1,7). In diesen Tagen erlebe ich die Freude, endlich meinen Wunsch verwirklicht zu sehen, den ich schon vom Anfang meines Pontifikats an hatte: Euch und den Gläubigen Litauens, der Nation, die dem Stuhl Petri „semper fidelis”, immer treu war, ei- 598 REISEN nen Besuch abzustatten, wenn einmal die Religionsfreiheit und die Achtung der Menschenrechte wiederhergestellt sein würde. Vor wenigen Monaten habe ich euch während des Ad-limina-Besuches meine Hoffnung und das lebhafte Interesse zum Ausdruck gebracht, mit dem ich das Wiedererwachen des religiösen Lebens in eurem lieben Land verfolge. Jetzt, auf ütauischen Boden, wiederhole ich das, was ich damals Gelegenheit hatte zu sagen: Ich möchte euch vor allem in der Absicht bestärken, der Evangelisierung in euren Gemeinden den Vorrang zu geben durch eine immer angemessenere und weitverzweigte Katechese. Nach einem halben Jahrhundert des Schweigens über Gott und der Begrenzung des kirchlichen Lebens auf den kulturellen Bereich innerhalb der Kirchen, wollen die litauischen Gläubigen gewiß ihren Glauben vertiefen. Zu diesem Zweck wird die Verbreitung des kürzlich veröffentlichten neuen Katechismus der Katholischen Kirche von großem Nutzen sein, denn er ist ein maßgebendes Werkzeug für die ausführliche Darstellung der christlichen Lehre nach den Leitlinien des H. V atikanischen Konzils. Diese neue Verkündigung des Evangeliums wird sich als besonders heilsam erweisen in diesem schwierigen geschichtlichem Augenblick, wo das litauische Volk nach den schädlichen Einflüssen der marxistischen Ideologie jetzt dem Druck einer anderen Art von Kultur begegnet, die scheinbar weniger aggressiv, aber in Wirklichkeit nicht weniger gefährlich ist, weil sie weitgehend von einem praktischen Materialismus geprägt ist, der die Wurzeln der religiösen Erfahrung selbst angreift. 2. Ehrwürdige Mitbrüder im Bischofsamt, für den guten Ausgang der Neuevangelisierung werden deshalb zwei Pastoralaufgaben entscheidend sein, die glücklicherweise in Litauen bereits in Angriff genommen werden: die Fortbildung des Klerus und die Ausbildung der Laien. Was die Priester betrifft, wie kann man vergessen, daß eines der größten Übel, unter denen sie während der Jahre der Besetzung und der Verfolgung zu leiden hatten, die Isolierung war, die sie lange hindurch der normalen Bildungsmittel beraubt hat? Die aus einer solchen Lage entstandenen Lücken müssen sicher gefüllt werden. Geistliche Übungen und Einkehrtage, Treffen zur ständigen Weiterbildung, Teilnahme an bedeutenden pastoralen, auch internationalen Begegnungen und der Kontakt mit den neuen kirchlichen Bewegungen werden brauchbare Mittel für ein angemessenes Aggiomamento sein, das sich gewiß als besonders nützlich für das persönliche Leben und für die Pastoralarbeit des Klerus erweisen wird. Nicht weniger wichtig ist dann die Vorbereitung der zukünftigen Priester, die von einer entsprechenden Reform der Priesterseminare begleitet werden soll, entsprechend den Richtlinien, die vom Konzil und den nachfolgenden Weisungen der Kirche gegeben wurden. Die mehr denn je dringende Aufgabe der Neuevangelisierang erfordert außerdem neue Impulse für das Laienapostolat, das während der Zeit der wohlbekannten Frei- 599 REISEN heitsbeschränkungen stark verkürzt war, gerade als man in der Gesamtkirche eine vielversprechende Periode des Laieneinsatzes verzeichnen konnte. Die Verantwortung der Laien, die zu einer aktiven Teilnahme am kirchlichen Leben und zu einem besonderen und unersetzlichen Zeugnis in der Gesellschaft berufen sind, wurzelt in der Taufe und wächst in dem Maß, in dem die katholische Laienschaft das volle Bewußtsein der evangelischen Anforderungen erlangen wird. Zweifellos wird es für die' katholischen Gemeinschaften in Litauen nützüch sein, mit jenen Laienbewegungen Kontakt aufzunehmen, die von der .Kirchenleitung bereits anerkannt und in aller Welt verbreitet sind. Sie haben durch ihre Lebenskraft und ihren Einsatz in den Jahren vor und nach dem Konzil einen entscheidenden Beitrag zur Erneuerung des christlichen Lebens geleistet. Nutzen ziehen daraus die Jugendlichen auf der Suche nach ihrer Berufung; die Erwachsenen, die berufen sind, glaubwürdige Zeugen in der Gesellschaft zu sein; die Familien, die immer mehr zu „Hauskirchen” werden sollen; das ganze litauische Volk, das den Lebensstrom der christlichen Werte fließen sieht, die mit neuer Kraft am Arbeitsplatz, in der Schule und an der Universität sowie in den sozialen und politischen Dienstbereichen verkündet werden. 3. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, ich empfehle dem Herrn durch die Fürsprache der seligsten Jungfrau, der vom litauischen Volk besonders verehrten Königin von Litauen, diese Wünsche, die, wie ich weiß, von euch voll geteilt werden. Ich tue es aus ganzem Herzen, während ich von neuem meine Anerkennung ausspreche sowohl für die Einladung, die ich von euch und besonders von Kardinal Sladkevicius wiederholt erhalten habe, als auch für den herzlichen Empfang, den ihr mir während meines Pastoralbesuchs bereitet habt. Ich begleite diese Wünsche mit der Versicherung meines ständigen Gebetsgedenkens beim Herrn. Jedem von euch und allen Gläubigen des geliebten Landes Litauen erteile ich von Herzen meinen Segen. Öffnet die Tore für Christus! Ansprache an die Jugendlichen in Kaunas am 6. September Liebe Jugendliche aus Litauen! 1. Lebhaft habe ich diese Begegnung herbeigewünscht. Nun bin ich also endlich bei euch als Pilger des Evangeliums. Wie Petrus komme ich, um euch Christus zu verkünden und euch zu ermuntern, seinen Spuren zu folgen, der unsere einzige wahre Hoffnung ist. Ich komme, um gemeinsam mit euch zu bekennen: „Herr, du allein hast Worte des ewigen Lebens” (Job, 6,68). Christus will, daß ihr glücklich seid; daher wünscht auch der Papst, daß ihr glücklich seid. Er kommt, um euch im Namen Christi den Weg zur wahren Freude zu zeigen. 600 REISEN Schaut vertrauensvoll in die Zukunft! Zu Ende sind die langen Jahre, da ihr der grundlegenden Freiheiten beraubt wart. Nun geht euer Land, wenn auch nicht ohne Mühe, schöneren Zielen entgegen. Wo einmal Autoritarismus herrschte, ist nun Raum für eine verantwortliche Freiheit geöffnet; wo einmal das Mißtrauen gegenüber dem anderen gepflegt wurde, entwickeln sich nun Verständnis und Toleranz; wo man versucht hat, den Glauben durch den Materialismus zu ersticken, setzt sich nun wieder die Religionsfreiheit durch, die nicht nur die Achtung vor Gott, sondern auch die vor dem Menschen mit sich bringt. Jugendliche von Litauen, „öffnet die Tore für Christus!” Gehört zu den Ersten, die den Anstoß zur neuen Evangelisierung übernehmen, die euer Vaterland, Europa und die Welt so dringend brauchen! Christus kennt das Flerz des Menschen, das Flerz eines jeden von euch. Christus kennt und liebt euch, und nur Jesus kann die innersten und lebenswichtigsten Bedürfnisse und Bestrebungen des menschlichen Geistes voll befriedigen. Das Evangelium gilt als Botschaft der Hoffnung und echter Erneuerung für jede Zeit und für jeden Menschen. Nehmt es als Geschenk des Heiles an; laßt es zur Norm eures täglichen Lebens werden. Verkündigt und bezeugt es. Seid Zeugen Christi! 2. Vergeblich sucht jemand das Glück, wenn er den Bück nur auf sich selbst richtet und auf die Rufe falscher Propheten hört, den Weg des Konsumdenkens, der mora-üschen Permissivität, des als Lebensstil gepflegten Egoismus und der reügiösen Gleichgültigkeit beschreitet. Vergebüch suchen alle das Glück und setzen sich sogar schweren Enttäuschungen aus, die es in den Sekten zu finden hoffen, weil diese den Menschen manipuüeren und Formen des Esoterismus und der Magie Vorschlägen. Unbedingt muß ich ferner vor unfruchtbarem Synkretismus warnen, der aus dem Evangeüum nur einige Seiten annimmt, aber die anderen mißachtet, dazu vor totaü-tären Ideologien, die umfassende Sichten des Lebens zu bieten behaupten, zu denen aber nicht der gebührende und heilbringende Bezug auf Gott und seinen ewigen Willen gehören. Die Früchte dieser Bäume, die am Rande solcher Abwege wachsen, erweisen sich sofort als recht bitter. Hinter einigen Phänomen bei modernen Jugendüchen - wie die Verteilung und der Konsum von Drogen, das Suchen nach künstüch hergestellten Paradiesen, die Vermarktung der Sexuaütät und der Pornographie, die Gewaltanwendung und Straffälligkeit Mindeijähriger, rassistische Phantasien und Selbstmord - verbirgt sich eine tiefe und entfremdende Leere, eine Wertekrise, die unaus-weichüch in schwere moralische Verirrung mündet. Wer kann dem Leben Sinn geben, wenn nicht Der, der allein Worte des ewigen Lebens hat (vgl. Jöh 6,68)? Wer kann dem Menschen besser als Jesus, der für den Menschen sein Leben hingegeben hat, sagen, welches der echte Weg zum Glück ist? 601 REISEN 3. In allen Kulturen stellt die Jugend Hoffnung dar, Zukunft, Herausforderung, Einsatzfreude, Forschen und Bildungsbemühen. In Litauen und in den anderen Ländern, die die lange Prüfung der atheistischen und entmenschlichenden vor einigen Jahren zu Ende gegangenen Utopie durchmachen mußten, ist „Jugend” ein Ausdmck, der einen besonderen Sinn für Verantwortung meint. Daher liegt vor euch, Jugendliche von Litauen, die nicht leichte, aber auch begeisternde Aufgabe, die Zukunft eures Landes aufzubauen. Die Kirche steht an eurer Seite, denn ihr Anliegen ist es, die Prüfungen und Hoffnungen eures mühsamen Su-chens zu teilen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 1). Sie legt euch vor allem das Evangelium vor, das ewige Wort des Heiles. Habt keine Angst, von den Priestern das Brot der christlichen Wahrheit zu erbitten, diese geistige Nahrung, die ihr braucht, und die sie euch gerne anbieten werden. Habt keine Angst, Hunger nach Gott und seiner Wahrheit zu empfinden. Schon Augustinus - der vor seiner Bekehrung die Wirklichkeit der Sünde und den Hunger nach Gott erfahren hatte - wußte, daß das Herz des Menschen unruhig ist, bis es in Gott seine Ruhe findet (vgl. Bekenntnisse I, 1,1). Die Lektüre der Bibel - zumal die des Neuen Testamentes - und des Katechismus der Katholischen Kirche, der kürzlich veröffentlicht wurde, können euch Licht schenken und eurem ganzen Leben Richtung geben. 4. Jugendliche aus Litauen und dem Baltikum, stellt in die Mitte eures Lebens das Wort Gottes. Denkt immer daran, wie es der Katechismus der Katholischen Kirche gut betont: „Der christliche Glaube ist keine ,Buchreligion’: Das Christentum ist die Religion des ,Wortes’ Gottes, ,nicht eines schriftlichen, stummen Wortes, sondern des menschgewordenen lebendigen Wortes’” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 108). Euer vorrangiges Bemühen soll die Vertiefung des persönlichen Kontaktes mit Christus in der Lektüre des Evangeliums, in der Betrachtung der Heilsgeheimnisse und im Gebet sein. Wenn wir Christus begegnen, auf ihn hören und mit ihm sprechen, kommt unser Leben Gott nahe und macht uns zu Nächsten für unsere Mitmenschen. Liebe, Freundschaft, Brüderlichkeit, Dienstbereitschaft, Mann, Frau, Ehe, Arbeit, Brot und Freude sind Worte, die, in christlichem Geist verstanden und gesprochen, neue Kraft und Tiefe gewinnen. Eine Gesellschaft aber - wie ihr sie haben möchtet -kann wirklich neu werden, wenn sie diese und andere Ausdrücke der täglichen Umgangssprache mit Werten bekleidet, die innerlich von der Botschaft des Evangeliums geprägt sind. 5. Ein weiterer Dienst, den die Kirche euch bereitwillig leistet, besteht darin, daß sie euch Raum für den Dialog und die Ausbildung anbietet. Nach schwierigen und sogar gefährlichen Jahren bemühen sich nun die Pfarreien und die übrigen kirchlichen Institutionen - was oft recht ermüdend ist -, Gelegenheiten zur Begegnung und zum Wachsen, persönüch und in der Gruppe, zu verschaffen. 602 REISEN Ans Licht kommen auch wieder in Litauen verschiedene Bewegungen der Spiritualität, die zuweilen dem Zweiten Vatikanischen Konzil vorausgingen und zuweilen seine Frucht bilden. Unter der aufmerksamen und eifrigen Anleitung durch die Hirten können solche Bewegungen und Verbandsstrukturen eine echte Förderung der menschlichen und geistigen Reife der litauischen Jugend bewirken. Betrachtet solche providentiehen Möglichkeiten mit Vertrauen und nehmt sie bereitwillig an, denn sie wollen Menschen heranbilden, die menschlich gediegen und überzeugte Christen sind und die Sendung der Kirche klarer herausstellen können. Ihr werdet so angeregt, zu jener Art von Männern und Frauen zu werden, die ihr so oft von anderen verlangt habt: ehrenhaft, loyal, gerecht, brüderlich, dienstwillig, mutig, auf die anderen mehr bedacht als auf sich selbst, Liebhaber der Freiheit als Gelegenheit zur Betätigung des Gewissens, aber nicht als Gelegenheit zum Egoismus, arbeitsam und gern bereit, die eigene Verantwortung zu übernehmen. 6. In der Kirche findet ihr ferner die Sakramente vor, die Quellen des neuen uns von Christus angebotenen Lebens. Ihr findet in ihr vor allem die Sakramente der christlichen Initiation - Taufe, Firmung und Eucharistie -, doch auch die Sakramente der Versöhnung und der Ehe können euch auf eurem geistlichen Weg Hilfe bieten. Wohlbekannte Schwierigkeiten, die nun glücklicherweise vorbei sind, haben viele von euch verhindert, durch das Sakrament der Firmung im in der Taufe bekannten Glauben gestärkt zu werden. Nun ist daher die Stunde gekommen, diesen anspruchsvollen und wichtigen Schritt zu tun. Eine große Hilfe auf eurem Weg des Wachstums könnt ihr im Sakrament der Versöhnung finden. Viele schauen heute mit Mißtrauen auf dieses Sakrament und bleiben ihm fern. Sie betrachten die Sünde als eine Schöpfung der Kleriker und wollen sich überzeugen, es handle sich um eine heute überholte Auffassung. Tatsächlich ist die Sünde etwas tief Anthropologisches, und der Mensch kennt sich in Wahrheit selber nicht, wenn er nicht die Sünde anerkennt, die in ihm ist. Der hl. Johannes ist hier sehr deutlich: „Wenn wir sagen, wir wären ohne Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns” (1 Joh 1,8). Im Sakrament der Versöhnung kommt uns Christus entgegen, um uns von der Sünde, die in uns ist, zu befreien. Im Verzeihen, das er durch das Sakrament anbietet, kann jeder die Erfahrung echter Befreiung machen. Jugendliche, wenn ihr wissen wollt, was innere Befreiung und echte Freude meint, dann vergeht nicht das Sakrament der Versöhnung. In ihm liegt das Geheimnis einer ständigen geistlichen Jugend verborgen. 7. Liebe Jugendliche, ist könnt mit der Kirche rechnen. Die Kirche freilich rechnet auch mit euch. Ohne eure Begeisterung und Lebendigkeit würden die Freude und Lebenskraft auf dem Antlitz der Braut Christi weniger hell leuchten. 603 REISEN Ihr bildet die kräftigen und farbigen Fäden im immer unvollendeten nur Gott bekannten Teppich der Geschichte der Kirche und des sozialen Geflechts. Seid daher aktiv in der Kirche präsent! Seid selbst Kirche! Bildet in ihr aktive, starke Elemente voll heiligen Strebens. Kraft der Taufe seid ihr aufgerufen, in der Gemeinschaft der Christen mit eurer apostolischen Tätigkeit, eurer Liebestätigkeit und eurem Streben nach Heiligkeit in vorderster Front zu stehen. Hört die Stimme des Herrn, der weiter Arbeiter in seinen Weinberg ruft, und ich bin gewiß, daß einige von euch sich auf seinen Ruf hin entscheiden, der Kirche als geweihte Diener der Eucharistie und der Sakramente, oder als im Ordensstand gottgeweihte Menschen zu dienen. Andere werden einem ebenfalls anspruchsvollen und wichtigen Weg des christlichen Lebens folgen und versuchen, aus ihrer Familie durch das Sakrament der Ehe eine echte „Hauskirche” zu machen. Wißt alle, daß ihr Kirche seid im hochherzigen Dienst für die Menschen und in der Verkündigung, die durch das praktische Verhalten noch vor den Worten von der Frohbotschaft Jesu überzeugt. Maria, die erste Glaubende, weil sie als Erste das fleischgewordene Wort aufnahm und über die Mutterschaft hinaus seine Jüngerin wurde, helfe euch, Jesus in jedem Augenblick eures Lebens zu folgen, euch als Kirche zu empfinden und wirklich lebendige Glieder der Kirche zu sein! So werdet ihr zum Licht der Welt und zum Salz der Erde: leuchtendes Licht und Salz, das den Geschmack Christi hat für euer Vaterland in einer Stunde, da dieses sich neuen Horizonten des Friedens und der Hoffnung öffnet. Bei diesem großen und anspruchsvollen Lebensprogramm helfe euch meine herzliche Ermunterung, verbunden mit meinem ständigen Gebet. Gott segne und begleite euch, er segne und begleite die ganze Jugend Litauens! Am Ende der Begegnung mit den Jugendlichen von Litauen ergriff der Papst in Italienisch das Wort und sagte zu den Anwesenden: Ich möchte noch ein Wort in Italienisch und in Litauisch an euch richten. Ich spreche Italienisch, Msgr. Backis, der Erzbischof von Vilnius, wird es ins Litauische übersetzen. Ihr habt ein herrliches Programm vorbereitet, in dem eure ganze Seele lag und euer litauischer Geist. Ihr habt auch eure Sorgen und euer Leid zum Ausdruck gebracht. Alles, was euer Volk in den letzten Jahrzehnten gelitten hat, um seine Freiheit und Unabhängigkeit wiederzugewinnen. Ihr habt damit dem Papst und allen hier anwesenden Bischöfen ein großes Geschenk gemacht, und dieses Geschenk soll nun zu euch zurückkehren, weil jedes Geschenk auch den Geber reicher macht. Ihr habt ferner eure Fragen gestellt, doch ich glaube, daß das, was ich in meiner Ansprache vorgelegt habe, bereits eine Antwort auf eure Fragen enthält. Trotzdem möchte ich mit einer Zusammenfassung schließen, weil eure Fragen wirklich Schlüsselfragen waren. 604 REISEN Es sind Fragen nach den wesentlichen Problemen eines jeden von uns, eines jeden Menschen, ob alt oder jung, eines jeden Mannes und jeder Frau, jedes Jungen und jedes Mädchens. Die Jugendlichen empfinden diese Fragen freilich als besonders existentiell. Um eine Antwort zu finden, genügt es, an das Buch Genesis zu denken, wo gesagt wird, daß der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen wurde. Diese Antwort aber findet sich in der Tiefe von Jesus Christus bestätigt. Wenn Gott den Mann und die Frau nach seinem Bild geschaffen hat, so hat er das bekräftigt, indem er uns seinen Sohn schenkte als einen von uns. In Christus findet sich die umfasssendste Antwort auf die Frage der Entscheidung zwischen Freiheit oder Verantwortung. Verantwortung ist das, was unserer Freiheit ihre Fülle schenkt. Ohne sie könnte unsere menschliche Freiheit auch zur großen Gefahr werden oder zu einer ernsten Bedrohung für einen jeden von uns und die anderen. Es gibt keine volle Freiheit ohne Verantwortung, es gibt auch keine Liebe ohne Verantwortung. Ich sage euch das, indem ich den Titel des Buches wiederhole, das ich vor vielen Jahren geschrieben habe. Wenn der Mensch nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist, und wenn dieses Bild oder dieses Gleichnis in der Menschwerdung Jesu Christi bekräftigt wurde, so besitzen wir auch in den schmerzlichsten Stunden menschlichen Leids, das wir gemeinsam mit diesem Mädchen und allen anderen leidenden Jugendlichen und Alten hinter uns haben, die endgültige Antwort: Wenn dieser Sohn Gottes das Kreuz angenommen hat, gibt es auch in unseren menschlichen Kreuzen in Litauen, bei den Jugendlichen und Alten, ein Heilsgeheimnis, dessen Bedeutung und Sinn uns Jesus Christus selber geoffenbart hat. Das ist das lebenspendende Erbe eures Glaubens, des Glaubens all der Jahrhunderte christlichen Glaubens der Litauer. Ich möchte den Alten und den Erwachsenen wünschen, daß sie diesen Glauben den Jugendlichen zu übermitteln vermögen. Ich möchte aber zugleich den Jugendlichen wünschen, daß sie diesen neuen Glauben wiederfinden und ihn den Alten anbieten können. So wird dieser heilbringende Austausch des Glaubens zwischen den Generationen das Leben eures Vaterlandes, des christlichen Litauens aufbauen. Dies wollen auch die in den Händen der jungen Litauer aus allen Diözesen heute abend angezündeten Kerzen symbolisch ausdrücken. Wir kommen zum Ende, und auch ich muß euch eine Frage stellen. Ihr habt eine sehr schöne Begegnung mit dem Papst und mit euren Bischöfen geplant und vorbereitet, doch ich weiß nicht, ob ihr im Programm dieser Begegnung auch den Regen vorgesehen habt. Ich glaube wohl, weil ihr alle mit Schirmen gekommen seid, nicht nur die Herren Bischöfe, die immer etwas vorsichtiger sind, sondern auch ihr Jugendlichen habt den Regen vorgesehen, weil ihr eure Schirme mitgebracht habt. 605 REISEN Ich danke euch erneut und wünsche euch den Segen des Herrn. Ich wünsche euch eine immer bessere, reifere und fruchtbarere Zukunft für euch selber, für eure Familien und für euer Vaterland. Gelobt sei Jesus Christus. Im gelebten Glauben zur Erneuerung der Gesellschaft beitragen! Predigt in der Eucharistiefeier vor dem Priesterseminar in Kaunas am 6. September 1. „Sende deinen Geist, Herr, und erneuere das Angesicht der Erde”. Der Antwortpsalm der heutigen Liturgie verkündet die Herrlichkeit des Schöpfers. Die sichtbare und unsichtbare Welt sind Zeugen Gottes. Auf ganz besondere Weise bezeugt ihn „das Angesicht der Erde”, die sich stets dem Rhythmus der Zeit entsprechend erneuert. Die Jahreszeiten machen sie bebaubar, damit alles heranreift, was die Menschheit zum Leben braucht. Auf diese Weise bleibt der Mensch von Generation zu Generation mit der Erde verbunden. Durch diesen den Heiligen Geist preisenden Psalmengesang wollen wir eurem Land danken, denn es hat viele aufeinanderfolgende Generationen beheimatet. Die Erde ist die Heimat der Menschheit! 2. Dank der Menschen erneuert sich das Angesicht der Erde. Gott hat sie nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen und ihnen die Erde anvertraut. Als Erbe der von Gott erschaffenen Werke hat er sie sich kraft seines Verstandes und seines Willens untertan gemacht und zieht ständig neuen Nutzen aus ihr. So nimmt er am Emeue-rungswerk der Erde teil. Er ist aber - leider - auch fähig, dieses Angesicht zu entstellen und zu zerstören, was Kriege und Umweltkatastrophen beweisen, die dem Menschen und dem notwendigen Lebensraum auf der Erde viele und schwere Schäden zufügen. Hat denn nicht der Schöpfer diese Erde den Menschen und Nationen geschenkt, damit sie ihre wachsamen und treusorgenden Hüter sein mögen? Durch die Menschen wandelt sich das Angesicht der Erde. Es erneuert sich entsprechend der Fähigkeit des Menschen, dem Geist Gottes, dem Geist der Wahrheit und der Liebe, gehorsam nachzufolgen. 3. Heute, auf dieser Station meiner Pilgerreise in eurer Mitte, möchte ich mich gemeinsam mit euch, liebe Brüder und Schwestern, in jenen Abendmahlskreis zurückversetzen, in dem Christus, als Trostspender, den Aposteln das Kommen des Heiligen Geistes verspricht. Er sagt: „Der Beistand, ... den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe” (Joh 14,26). Christus hat der Menschheit die volle Wahrheit gebracht. Aber - in der Heilsökonomie - ist die Salbung des Heiligen Geistes notwendig, damit diese Wahrheit im 606 REISEN Verstand und im Herzen des Menschen wirken kann und ihm ermöglicht, das Angesicht der Erde zu erneuern. Salbung bedeutet Stärkung und.Kraft. Durch sein Sterben und seine Auferstehung hat Christus den Aposteln, der Kirche und uns für alle Zeiten Kraft verliehen - die Kraft der Wahrheit. In dieser Kraft bleibt Christus stets bei uns. Er ist in uns und bleibt in uns dank des Heiligen Geistes. Er ist in uns und bleibt in uns in der Einheit des Vaters: seines Vaters, der auch der unsere ist. Daher können wir stets „Vater unser” beten. 4. „Sende uns deinen Heiligen Geist - und erneuere das Angesicht der Erde!” Dieser Ruf ist von großer Aktualität in diesem Augenblick, an dem die Söhne und Töchter eurer Heimat, wie auch eurer Nachbarvölker, mit denen ihr in brüderlicher Solidarität verbunden seid, die dringende Notwendigkeit einer völligen Erneuerung ihres gesellschaftlichen, familiären, persönlichen und nationalen Lebens verspüren. Daher erhält der Ruf der heiligen Liturgie noch größeren Nachdruck: „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entfache in ihnen das Feuer deiner Liebe”. Ja, erfülle die Herzen! Erfülle dieses menschliche „Herz”, das Heiligtum der göttlichen Heimsuchung des Heiligen Geistes. Nur durch das von der Kraft der Wahrheit und der Liebe erfüllte „Herz” des Menschen kann die Erneuerung der Welt verwirklicht werden. 5. „Komm, Heiliger Geist...” Mit diesen Worten beten wir im Ritus des Sakraments der Firmung. Das gleiche sagen wir bei der Eheschließung und rufen es bei der Priesterweihe: „Veni, Creator Spiritus”. . ' Vorhin haben wir die Worte des Apostels Paulus gehört, der uns aufgerufen hat, des an uns ergangenen Rufes würdig zu sein (vgl. Eph 4,1). Jeder Christ ist berufen, Zeit seines Lebens ein Zeuge Christi zu sein, insbesondere im persönlichen Leben, durch die aufrichtige Zustimmung zum Wort Gottes, durch die folgsame Einhaltung aller göttlichen Gebote, und das Befolgen der Lehren des Herrn in allen Situationen. Diese Berufung richtet sich an jeden Getauften, aber vor allem an die Eheleute, denn die Familie ist die erste „Hauskirche”, in der das Evangelisierungswerk der neuen Generationen beginnt. Auf noch, spezifischere Art und Weise gilt sie für die durch ihr sakramentales Bündnis mit Christus, dem Guten Hirten, vereinten Priester in ihrer Eigenschaft als Hirten des Gottes Volkes. 6. In der gegenwärtigen Phase der litauischen Geschichte ist es von wesentlicher Bedeutung, daß sich die gesamte christliche Gemeinschaft ihrer vom Licht des Heiligen Geistes erleuchteten Sendung und Berufung bewußt werde. Die Aufforderung, Zeuge Christi zu sein ist an jeden einzelnen persönlich, aber auch an das ganze Volk Gottes gerichtet, damit wir sagen können, daß die Verantwortung der Gläubigen auch sozialer Natur ist. 607 REISEN Ich grüße euch alle von ganzem Herzen: euren Erzbischof, Kardinal Vincentas Sladkevicius, die anwesenden Bischöfe, Priester und Ordensleute. Gleichsam grüße ich die im Apostolat tätigen Christgläubigen, die Vertreter der staatlichen Behörden und alle, die heute hier dabei sind. Liebe Brüder und Schwestern, der Herr erwartet von euch gemeinschaftliche missionarische Initiativen, die allen die Neuheit des Evangeliums beweist. Es ist daher notwendig, durch die Vertiefung der Heiligen Schriften und intensives beständiges Beten, im persönlichen und liturgischen Bereich, den Glauben zu stärken. Bei der Verwirklichung eurer Aufgabe werden die Unterstützung und Hilfe der Gebetsgruppen und der apostolischen Bewegungen und Vereinigungen von großem Nutzen sein. Insbesondere euch, hebe Christgläubigen, möchte ich auffordem, mit Mut und großem Vertrauen auf Gott eure besonderen apostolischen Verantwortungen in der Kirche und den verschiedenen Bereichen des bürgerlichen Lebens wahrzunehmen. Der Geist des Herrn wird eure Bemühungen im Dienst am Reich Gottes unterstützen. 7. Jesus sagt: „Wenn jemand mich hebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn heben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen” (.Joh 14,23). Meine Brüder und Schwestern! Lasset uns beten, damit die allerheiligste Dreifaltigkeit in unseren Herzen wohne. Die Lippen sprechen aus der Fülle des Herzens. Aus der Fülle des Herzens entstehen auch die dem Evangehum Christi entsprechenden Werke. Wie notwendig ist doch diese göttliche Fülle in den Herzen, damit auch in eurer Mitte die Wahrheit des Evangeliums wieder lebendig werden kann! Mögen die Worte und Werke aller Töchter und Söhne Litauens eine „Neuevangelisierung” werden. Neu nicht in ihrem Inhalt, der stets die gleiche Botschaft des für die Erlösung der Menschheit gestorbenen und auferstandenen Christus bleibt, sondern in ihren Methoden und Formen, deren Ziel es ist, auf die Herausforderungen unseres heutigen Zeitalters zu antworten. Für die Erneuerung des „Angesichts” eurer Heimat rufen wir in tiefer Gläubigkeit: „Komm Heiliger Geist, komm und erneuere das Angesicht der Welt!” Amen. Am Ende der hl. Messe fügte der Heilige Vater in italienischer Sprache folgende Worte hinzu: Ich möchte der heiligen Vorsehung Gottes für den heutigen Tag, für dieses euchari-stische Treffen, für dieses heilige Meßopfer in Kaunas danken. Als ich für das Amt des Nachfolgers Petri berufen wurde, habe ich an die Heilige Jungfrau und Muttergottes „Ausros Vartai” gedacht, und heute möchte ich dieser unserer Mutter danken, die mich geführt und mir den Weg nach Kaunas gezeigt hat. Vor dieser unserer Mutter möchte ich Gott Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist für euren Glauben danken, den ihr in den schweren Zeiten bewahrt und verteidigt habt. 608 REISEN Ich danke ihm für diesen Glauben des litauischen Volkes, eurer Priester, eurer Bischöfe, eures Kardinals, dieses großen Zeugen des Glaubens und der Liebe Christi, der Liebe des Gottes Volkes. Für all das möchte ich danksagen, hier in eurer Mitte, nach der gemeinsamen Feier des heiligen Meßopfers. Ich danke euch für eure Anwesenheit, eure Teilnahme, euer Gebet, euren herzlichen Empfang hier auf diesem schönen Platz der Eucharistiefeier und überall in der Stadt, wo viele mich erwartet und begrüßt haben. Ich danke euch für all das, denn es ist Ausdruck dieses siegreichen Glaubens, des Triumphs dieses Glaubens, der in euch zum Ausdruck kommt. Möge dieser Glaube stets eure Kraft bleiben, und möge eben diese Kraft euch den geistigen und materiellen Wiederaufbau eurer Heimat, eures Lebens, eurer lituani-schen und christlichen Identität ermöglichen, für das Wohl der heiligen Kirche, unserer Mutter, und das Wohl Europas und der Menschheit. Das Kreuz offenbart die Kraft der Erlösung Predigt während der Eucharistiefeier beim Hügel der Kreuze in Siaulai/Schaulen (Litauen) am 7. September 1. Das Geheimnis der Kreuzerhöhung ist das zentrale Geheimnis in der Heilsgeschichte! An diesem Ort, den wir auf dem Pilgerweg durch Litauen erreicht haben, sind wir aufgerufen, über das Geheimnis des Kreuzes nachzudenken. Der Ort selbst lädt uns dazu ein: Er heißt Hügel der Kreuze. Die liturgischen Lesungen von heute, die wir gehört haben, berichten uns von den Aposteln Johannes und Paulus. Beide führen uns in das Geheimnis des Kreuzes ein, so wie Christus selbst es offenbart hat: „Der Menschensohn muß erhöht werden” (Joh 3,14). Ja, der Menschensohn ist auf dem Kreuz von Golgota erhöht worden - und das war ein Zeichen der Schande. Die Menschen haben ihn mit Schmach bedeckt, als sie ihn zum Tod am Kreuz verurteilten. Als Mensch „erniedrigte er sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz” (Phil 2,8). Er war den Menschen gehorsam: denen, die sein Urteil erließen, und denen, die es vollstreckten. 2. Liebe Schwestern und Brüder! Ich freue mich, heute unter euch zu sein. Voll Hochachtung und Liebe begrüße ich Kardinal Vincentas Sladkevicius, den Oberhirten dieser Diözese, und mit ihm die anderen anwesenden Würdenträger. Ich grüße herzlich die Priester, die Ordensffauen und -männer, die Jugend, die Familien und alle Menschen, die sich hochherzig dem Apostolat widmen. Mit besonderer Zuneigung denke ich an die Vertreter der Behindertenverbände, an die behinderten Kinder und Jugendlichen, und ich möchte ihnen und allen, die mit dem Kreuz Christi in geheimnisvollerer und sichtbarerer Weise verbunden sind, sa- 609 REISEN gen, sie mögen ihr Leiden Gott darbringen für die Kirche, für diese teure Nation und für die Welt. Voll Hochachtung begrüße ich die Obrigkeiten, die zu unserer liturgischen Begegnung gekommen sind, und diejenigen, die zur Verwirklichung meines Pastoralbe-suches beigetragen haben. Wir kommen hierher auf den Hügel der Kreuze, um aller Töchter und Söhne eures Landes zu gedenken, die ebenfalls verurteilt würden, die inhaftiert, in Konzentrationslager geschickt, nach Siberien oder nach Koluma deportiert und zum Tod verurteilt wurden. Unter ihnen möchte ich besonders an drei geistliche Würdenträger erinnern: an den Bischof von Telsia, Vincentas Borsisevicius, der 1946 nach langen Verhören und schweren Folterungen hingerichtet wurde; an den Erzbischof von Kaisiadorys, Te-ofilius Matulionis, dessen Leben ein mühevoller Kreuzweg von Entbehrungen und Leiden bis zum Tod im Jahr 1962 war; an den Erzbischof von Wilna, Mecislovas Reinys, der 1947 inhaftiert und 1953 im Gefängnis von Wladimir gestorben ist. Unschuldige wurden verurteilt. In eurem Vaterland wütete damals ein schreckliches, von totalitärer Gewalt geprägtes System. Ein System, das den Menschen unterdrückte und seiner Würde beraubte. Die Überlebenden, denen solche Schrecken der Gewalt und des Todes erspart blieben, wußten, daß sich vor ihren Augen, unter ihren Landsleuten und in ihren Familien das wiederholte und vervollständigte, was bereits auf Golgota vollbracht worden war, wo der Sohn Gottes „sich entäußerte und wie ein Sklave und den Menschen gleich” wurde. „Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod” (Phil 2,7-8). 3. So wurde das Drama des Kreuzes von vielen eurer Landsleute gelebt. Für sie war Christus, der Gekreuzigte, eine unschätzbare Quelle der Seelenkraft im Augenblick der Deportation und des Todesurteils. Das Kreuz war für die gesamte Nation und für die Kirche eine von der Vorsehung gewollte Quelle des Segens, ein Zeichen der Versöhnung unter den Menschen. Es gab den Leiden, der Krankheit, dem Schmerz Sinn und Wert. Und heute begleitet das Kreuz wie in der Vergangenheit das Leben des Menschen. Aber das Kreuz ist zugleich auch eine „Erhöhung”. Als er seinen Tod auf Golgota, das heißt den Kreuzestod ankündigte, sagte Christus: „Der Menschensohn muß: erhöht werden” (Joh 3,14). Ja, gewiß, er ist erhöht worden. Diese Erhöhung am Kreuz eröffnete vor ihm einen einzigartigen Horizont. Der Horizont des Kreuzesopfers umfaßte nicht nur Jerusalem, sondern die gesamte Welt: „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen” (Joh 12,32). Das, was für die Menschen tödliche Vernichtung bedeutet, wird vor dem Horizont des Opfertodes Christi eine Offenbarung göttlicher Kraft: der Kraft der Erlösung, 610 REISEN der Heilskraft. „So muß der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat” (Joh 3,14-15). 4. Christus selbst versichert uns, daß sich in seinem Kreuz, auf Golgota, der Horizont des ewigen Lebens für die Welt und für den Menschen öffnet, der, weil er auf dieser Erde lebt, dem unausweichlichen Gesetz des Todes unterworfen ist. Das versichert uns Jesus, wenn er bekräftigt: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat” (Joh 3,16). Die Töchter und Söhne eures Landes trugen auf diesen Hügel Kreuze, die dem von Golgota ähnlich waren, auf welchem der Erlöser gestorben ist. Sie verkündeten so die Gewißheit ihres Glaubens, das heißt, daß diejenigen unter ihren Schwestern und Brüdern, die gestorben - oder vielmehr auf unterschiedliche Weise ermordet worden waren-„das ewige Leben haben”. Die Liebe übersteigt den tödlichen Haß, der sich auch auf unserem europäischen Erdteil ausgebreitet hat. Es ist die Liebe, mit der Gott die Welt in Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, geliebt hat. Das Kreuz ist das Zeichen dieser Liebe. Das Kreuz ist das Zeichen des ewigen Lebens in Gott. 5. „Mein Volk, vernimm meine Weisung! Wendet euer Ohr zu den Worten meines Mundes!” (Ps 78,1). Weil ich den Ruf des Psalmisten gehört habe, bin ich hierher zum Hügel der Kreuze gepilgert. Lange habe ich auf diesen Tag gewartet. Liebe Schwestern und Brüder, herbeigesehnt habe ich diesen Tag. Und jetzt danke ich Gott dafür, daß ich hier bei euch sein kann, um über das Geheimnis des Kreuzes Christi Und den Schatz der Wahrheit und des Lichtes nachzudenken, den es enthält. Die Lehre vom Kreuz ist „Gottes Kraft und Gottes Weisheit” (7 Kor 1,24). Es ist der Höhepunkt der Frohbotschaft; es führt zur Fülle der Wahrheit über Gott und über den Menschen. „So mußte der Menschensohn erhöht werden”. Und Gott hat ihn erhöht und ihm einen Namen gegeben, der alle Namen übersteigt. Jesus Christus ist der Herr in der Herrlichkeit Gottes, des Vaters. Die Welt ist durch ihn gerettet worden. Der Mensch, auch der am meisten erniedrigte und unterdrückte, ist in ihm erhöht worden. In ihm sind die Töchter und Söhne des Märtyrerlandes Litauen erhöht worden; sein Andenken ist lebendig und wird auf diesem Hügel der Kreuze geehrt. Gelobt sei das Kreuz Christi! Ave Crux! 611 REISEN Am Schluß der Messe dankte der Papst in freier Rede in Italienisch und in Polnisch: Wir danken dem allmächtigen Gott, dem Vater, dem Sohn und Heiligen Geist, für dieses Gebet, für diese Eucharistiefeier hier neben dem Hügel der Kreuze. Wir danken euch, Litauer, für diesen Hügel der Kreuze, für dieses gewaltige Zeugnis vor Gott und den Menschen, ein Zeugnis, das durch das Geheimnis Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen, gegeben wurde; ein Zeugnis, das vor eurer Geschichte und vor allen Völkern Europas und der Welt abgelegt wurde. Von diesem Kreuz, diesem Hügel der Kreuze aus möchte ich alle Generationen eures Volkes grüßen, die vergangenen und die gegenwärtigen sowie die zukünftigen; alle Bewohner von Litauen, die Litauer, die Bürger polnischer, weißrussischer, russischer und anderer Herkunft, und ich möchte auch alle Völker unseres christlichen Europas grüßen. Dieser Hügel bleibe ein Zeugnis am Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus und gleichsam als Ankündigung des neuen, des dritten Jahrtausends der Erlösung und des Heils, das nirgends sonst zu finden ist, nur im Kreuz und in der Auferstehung unseres Erlösers. Ich möchte allen sagen: Der Mensch ist schwach, wenn er Opfer ist; und vielleicht ist er noch schwächer, wenn er Unterdrücker ist. Der Mensch ist schwach, aber dieser schwache Mensch kann stark sein im Kreuz Christi, in seinem Tod und seiner Auferstehung. Das ist die Botschaft, die ich allen hinterlasse von diesem mystischen Ort der litauischen Geschichte aus. Ich hinterlasse sie allen und wünsche euch, daß sie immer betrachtet und gelebt wird. Ich möchte nochmals danken, daß ihr auch das Kreuz des Papstes hierhergebracht habt, vor allem nach dem Attentat von 1981. Dafür danke ich allen meinen litauischen Brüdern und Schwestern und auch meinen polnischen Brüdern und Schwestern, die in Litauen leben. Allen. Vergelt’s Gott euch allen. Dieses Kreuz bleibe hier, und mit ihm bleibe auch euer Gebet für den Papst, der heute die große Freude hatte, eure Wallfahrtsstätte zu besuchen. Stern dieser Nation bitte für uns! Ansprache beim Wortgottesdienst in Siluva am 7. September 1. „Der Friede Christi herrsche in eurem Herzen” (Kol 3,15). Liebe Brüder und Schwestern, diesen Wunsch des hl. Paulus für die Christen in Kolossä wollen wir heute von den Lippen Mariens in der eindrucksvollen Szenerie dieses ihr geweihten und allen Litauern teuren Heiligtums entgegennehmen. Der Friede Christi: Wir verstehen leicht, wie groß das Verlangen nach echtem Frieden in einem Volk ist, das lange Jahre demütigender Unterdrückung erlitten hat, seiner nationalen Identität beraubt und in die strengen Fesseln einer unmenschlichen Ideologie gezwungen wurde. 612 REISEN Dem äußeren Frieden vor einem erstickendem Regime folgt endlich der Friede eines freien und geordneten Zusammenlebens, wobei alle Menschen und ihre Rechte geachtet werden. Doch das, was uns das Wort Gottes heute nahelegt, geht weit über die einfache Ruhe der sozialen Ordnung hinaus. Es ist sogar etwas, von dem auch der soziale Friede abhängt und seinen Lebenssaft empfängt: der Friede Christi! „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch” (Joh 14,27). Das ist das große Geschenk des Auferstandenen für seine Jünger und die Menschheit. Der Friede, den Christus uns schenkt, ist identisch mit ihm, mit seiner Person und seinem Geheimnis. Er nämlich „ist unser Friede” (Eph 2,14). In ihm ist die durch die Sünde gezeugte Feindschaft aufgehoben. In seiner Menschwerdung begegnen sich Gott und Mensch zu einer endgültigen Allianz des Friedens. Aus seinem Erlösertod entspringt das Geschenk des Geistes, der kommt, um die verstreuten Kinder Gottes zu vereinen und sie in der Kirche zu einer neuen Familie zu machen und damit unter den Menschen eine tiefreichende und dauerhafte Gemeinschaft zu schaffen. 2. Der Friede Christi herrsche in euren Herzen! Liebe Brüder und Schwestern, dies ist der Friede, nach dem der Mensch verlangt. Ihn braucht besonders das neue Litauen. Ich weiß gut, wieviel ihr gelitten und in den nicht zu Ende gehen wollenden Jahrzehnten des eisernen Regimes gehofft habt, das erst kürzlich wunderbarer Weise entmachtet wurde. Ich bin hierher nach Siluva gekommen, um Gott zu danken, der euch die Überwindung der schrecklichen Prüfung gewährt hat. Ich begrüße einen jeden von euch, an erster Stelle euren Hirten, den lieben Kardinal Vincentas Sladkevicius mit den anwesenden Bischöfen. Ich grüße die Priester sowie die männlichen und weiblichen Ordensleute, die Laien und alle, die sich dem Dienst am Evangelium widmen. Gemeinsam mit euch möchte ich auch jenen zahlreichen Christen Ehre erweisen, die für den Glauben Zeugnis abgelegt und die Gefahren einer harten Verfolgung auf sich genommen haben. Sie sind in die Fußstapfen Mariens getreten und ihr bis zu den Füßen des Kreuzes gefolgt. Sie haben der materialistischen Ideologie widerstanden, und ihr Bück blieb fest auf die Überwelt gerichtet; sie haben in Jesus von Nazaret den vom Vater gesandten Messias anerkannt, das fleischgewordene ewige Wort, den Heiland und Erlöser des Menschen. Wir danken ihnen für ihre Treue. Das freie Litauen von heute verdankt ihnen, ihrer Beharrlichkeit und ihrem Mut viel. 3. Der Friede Christi herrsche in euren Herzen! Doch wie sieht der Friede aus, den ihr eurem Land sichern wollt? Darf man sich etwa mit einem oberflächlichen Frieden begnügen, der sich darauf beschränkt, Freiheit und demokratische Beteiligung zu garantieren - gewiß wertvolle Güter - aber sich nicht mit dem großen Problem der Werte, der Ethik und des Sinns des Lebens mißt? Die Erfahrung der demokratischen Gesellschaften alter Überheferung erinnert 613 REISEN uns an die Gefahren eines zweideutigen Friedens, der sich mit einem ethischen Minimalismus oder Relativismus als Grundlage begnügt. Hier eröffnet sich ein begeisterndes Kapitel für die Verantwortung der Katholiken. Sie müssen „Rechenschaft von der Hoffnung geben, die in ihnen ist” {1 Petr 3,15), indem sie mit ihrem Leben noch vor allen Worten zeigen, daß der Friede in dem Maße gediegen ist, wie er in der Höhe verwurzelt ist, in der sicheren Stütze der moralischen Norm und der Offenheit für die Transzendenz. Er schwankt dagegen unheilbar, wenn er im Sumpf der religiösen Gleichgültigkeit und des Pragmatismus gründet. - - Das Evangelium, das wir in dieser Liturgiefeier vernommen haben, erinnert uns klar daran: „Wer diese meine Worte hört und befolgt, gleicht einem weisen Menschen, der sein Haus auf Felsen baute” {Mt 7,24). Ja, Christus soll der Fels eures Lebens, eurer Demokratie und eurer Zukunft sein. 4. Liebe Brüder und Schwestern! Maria, die Königin des Friedens, die über euch in den langen Jahren der Prüfung gewacht hat, wird es nicht daran fehlen lassen, auf dem Weg, der vor euch liegt, an eurer Seite zu bleiben. Möge die Verehrung, die euch mit ihr verbindet, und die in diesem Heiligtum eine ihrer wärmsten und gemeinsamen Ausdrucksformen findet, euch zur Nachahmung ihres Glaubens und ihres Lebens hindrängen. „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt” {Mt 7,21). Auf diese Mahnung des Herrn hat Maria mit absoluter Bereitschaft geantwortet. Maria ist die Frau des „fiat”, die Frau des Glaubens ohne Abstriche: „Selig, die geglaubt hat” {Lk 1,45), selig, weil sie „das Wort Gottes gehört und befolgt” hat {Lk 11,28). Folgen wir ihr, der Pilgerin des Glaubens also in ihrem Leben nach, das ganz auf Christus ausgerichtet war. Sie hat ihn in den Jahren ihrer Jugend erwartet als wahre „Tochter Sion”, indem sie sich den messianischen Glauben ihres Volkes zu eigen machte. Sie empfing ihn mit unaussprechlicher Liebe in ihrem Schoß bei der Verkündigung. Sie hörte auf ihn „und bewahrte seine Worte in ihrem Herzen” (vgl. Lk 2,51) während des verborgenen Lebens in Nazaret und folgte ihm dann in mütterlicher Besorgnis, wenn auch von ferne, nach in den Jahren seines Dienstes. Sie opferte sich endlich mit ihm auf Kalvaria in einem herzzerreißenden Akt des'Glaubens. Auf Maria schaut die Kirche und erkennt sie als ihre Mutter und ihr Vorbild an. Auch Litauen kann in dieser entscheidenden Stunde seiner Geschichte vertrauensvoll auf Maria schauen. Die Jungfrau kennt die wirklichen und tiefen Bedürfnisse dieser zu neuem Leben erwachten Nation. Wie sie es einst bei der Hochzeit zu Kana tat, ist ihr Auftrag immer noch Christus: „Was er euch sagt, das tut” {Joh 2,5). 614 REISEN 5. Heilige Maria von Siluva, „Heil der Kranken”, dir trage ich heute mit dem Zittern des universalen Hirten meine Bitte vor. In den Jahren harter Leiden und andauernder Prüfung hast du nicht aufgehört, auf Litauen, das Land der Kreuze, zu schauen. Ich komme heute, um dir im Namen der Gläubigen dieses Volkes zu danken: Durch deine Fürbitte ist die Stunde der Auferstehung und der Hoffnung auch in diesem dir geweihten Lande angebrochen. Du hast bei Kana von deinem Sohn die Verwandlung von Wasser in Wein erwirkt, hilf dem Volk Litauens, die leidvolle vergangene Erfahrung in eine lichtvolle Zukunft zu verwandeln: Wo Verfolgung und Diskriminierung der Glaubenden herrschte, soll nun der religiöse und bürgerliche Friede herrschen; wo der Haß gepflegt wurde, soll nun das Verzeihen herrschen; wo Intoleranz herrschte, soll nun Dialog und gegenseitiges Verständnis zur Geltung kommen. Die über fünf Kontinente verstreute Kirche preist dich selig und lobt heute mit mir den providentiellen und barmherzigen Plan Gottes. Mutter, schaue weiter auf dieses Volk und segne es. Befestige in den Litauern die Anhänglichkeit an das Wort deines Sohnes Jesus, das Wort des Lebens, das seit fernen Zeiten in diesem Gebiet ausgesät wurde. Königin des Friedens, verehrt in diesem Heiligtum von Siluva, hilf diesen deinen Kindern, die vertrauensvoll zu dir ihre Zuflucht nehmen, um ihre Zukunft auf den Felsen des Evangeliums zu gründen, nicht aber auf den Sand der Ideologien; um soziale und politische Entscheidungen zu treffen, die sich von den Idealen der Liebe und Solidarität, nicht aber von persönlichem oder kollektivem Egoismus inspirieren lassen. Du hörst in diesem Heiligtum, das ins Grün der Felder gleichsam versenkt ist, was die Litauer dir anvertrauen und greifst ihre Hoffnungen auf. Gib ihnen Begeisterung und Mut zur Überwindung der materiellen und geistigen Schwierigkeiten; mach die Arbeit ihrer Hände und Geister fruchtbar; schenke ihren Familien Freude, Solidarität im sozialen Leben und tatkräftige Hoffnung beim Aufbau der Zukunft. Dir vertraue ich vor allem die Jugendlichen an: Mögen sie in Christus den Sinn ihres Lebens finden und ihre Hoffnung hoch halten. Dir vertraue ich die Bischöfe, die Priester, die gottgeweihten Personen und alle Christen an: Erlange einem jeden die Gnade, in beharrlicher Hochherzigkeit der Sache des Reiches Gottes zu dienen, so daß sie unter ihren Mitmenschen Hefe und Sauerteig der neuen Evangelisierung werden. Maria, Mutter eines jeden Litauers, „Stern” dieser Nation, die zu dir ruft und dich hebt, bitte für uns! 615 REISEN Wo Glaube und Hoffnung Gesang werden Ansprache bei der Ankunft in Riga (Lettland) am 8. September Herr Präsident, ehrwürdige Mitbrüder im Bischofsamt, zivile und kirchliche Obrigkeiten, liebe Schwestern und Brüder! 1. Mein erstes Gefühl bei der Ankunft in eurem Vaterland ist die Dankbarkeit an Gott für das Geschenk, das er mir gewährt hat: lettischen Boden zu küssen und das edle Volk zu treffen, das ihn bewohnt. Seit langem schon habe ich um die Gnade gefleht, das Baltikum zu besuchen, und heute ist der Tag gekommen, da ich eurem Land, das im Herzen dieses europäischen Gebietes liegt, Ehre erweisen und all seinen Bewohnern einen Friedensgruß bringen kann. Die Grußworte, die soeben an mich gerichtet wurden, verstärken noch meine Dankbarkeit. Ich weiß, daß ich mich in einem Land befinde, das nach langen Prüfungen nunmehr um jeden Preis den Frieden sucht, jenen Frieden, zu dem insbesondere seine geographische Lage einlädt. Wie alle Küstenländer ist auch Lettland dank seiner Meereslage ein Land der Begegnung und des Durchgangs, und zahlreiche Seiten seiner Geschichte sprechen von der Ankunft und Abfahrt der Schiffe, die neben dem Warenaustausch auch Menschen verschiedenartriger Ideen und Erfahrungen herbrachten, die den Weg zum Dialog, zur Toleranz und zur Freundschaft bereitete. 2. Tief und unauslöschlich ist das Zeichen, womit das Christentum diese Nation geprägt und die Kultur der Ortsbevölkerung gereinigt und erhöht hat. Unwillkürlich richtet sich unser Gedanke hierbei auf den Mönch Meinhard, der im 13. Jahrhundert in diesem Land das Evangelium verkündete und hier einen Keim neuen Lebens säte, der immer noch besteht. Trotz der Fehler und Spaltungen der Christen bleibt die vom ersten Apostel Lettlands gebrachte gute Nachricht stets unangetastet und aktuell. Seine Botschaft war eine Botschaft der Liebe - der Liebe Gottes zu den Menschen, der Liebe der Menschen zu Gott und untereinander -, deren Kraft nie untergehen kann. Auf Einladung der Ortskirche und der staatlichen Obrigkeiten kommt der Bischof von Rom, der Nachfolger des Petrus, auf den Spuren Meinhards zu euch mit demselben Geist des Friedens und der Brüderlichkeit. Ja, ich wünschte, daß meine Reise zu euch im Zeichen jener Werte verläuft, die da wachsen und reifen können, wo die menschliche Gesellschaft das Evangelium annimmt und in die Tat umsetzt. Und vielleicht hat sich noch nie so sehr wie heute gezeigt, daß Lettland das Evangelium braucht. Nach einer schmerzvollen menschlichen, politischen und sozialen Prüfung, die mehr als ein halbes Jahrhundert gedauert hat, werden die Bewohner dieses mutigen Landes mit einer komplexen und dramatischen Realität konfrontiert. Geschichtliche Erfahrungen wie die, die im Laufe dieses Jahrhunderts gemacht wor- 616 REISEN den sind, hinterlassen als Erbe schwerwiegende und dringliche Probleme. Jeder einzelne und die gesamte Gesellschaft sind aufgerufen, sich bei der Suche nach angemessenen Antworten zu beteiligten. 3. Als Pilger des Friedens komme ich, um euch und vor allem die Christen im Glauben und in der Hoffnung zu stärken, indem ich an die Unentbehrlichkeit des Evangeliums gerade in der von Umwälzungen geprägten heutigen Zeit erinnere. Das menschgewordene Wort Gottes ist imstande, Licht zu spenden und die Richtung zu weisen, um schwierige Situationen, deren Ausgang ungewiß und gefährlich ist, Schritt für Schritt zu Lösungen zu führen: Hierbei können wir zum Beispiel das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen auf ein- und demselben Boden, die einschneidenden demographischen Wandlungen, den Übergang von einem politischen und wirtschaftlichen System zum anderen nennen wie auch die Öffnung zu anderen Völkern hin, zu denen der Kontakt lange Zeit erschwert worden war. Dazu gehört auch der Einsatz dafür, die bislang von Mißtrauen und Rache geprägten Beziehungen zu denen, die in der Vergangenheit glaubten, das Recht zu haben, über andere zu bestimmen, in freundschaftliche Beziehungen umzuwandeln. Ich bin bei euch, um euer aller Bemühen auf diesen Ebenen des menschlichen Zusammenlebens zu ermutigen. Ich möchte mich insbesondere dem Gebet und den Überlegungen der christlichen Gemeinschaft anschließen, die hier für das Evangelium lebt und arbeitet. Bei unseren Begegnungen mit den gläubigen Katholiken, Lutheranern und Orthodoxen versammeln wir uns gemeinsam um den einen Herrn. Als Christen glauben wir, daß er allein Worte des ewigen Lebens hat (vgl. Joh 6,68), und - wie auch viele Männer und Frauen, die guten Willens sind - wissen, daß er der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6) ist. Der Papst kommt hierher, um gemeinsam mit den Schwestern und Brüdern im Glauben allen zu verkünden, daß Christus der Weg ist zur Lösung ihrer Probleme, die Wahrheit, die in Momenten des Zweifels Licht spendet, und das Leben, das nach den großen Prüfungen neu entsteht. 4. Ich weiß, daß in diesem Land der Wunsch nach der vollen Einheit unter den Kirchen wach ist: Der Herr wird es nicht versäumen, ein solches Streben zu segnen, das dem Wohl einer wachsenden Eintracht und einer Zukunft des Fortschritts und des Friedens der ganzen Nation dient. Herr Präsident, indem ich Ihnen erneut für die Gefühle danke, die mir soeben zum Ausdruck gebracht wurden, grüße ich in Ihrer Person alle Bürger dieser Nation. Mein Gruß gilt vor allem den Bewohnern von Riga, der Stadt, die Anfang des 14. Jahrhunderts von Bischof Albert, dem zweiten Nachfolger Meinhards, gegründet wurde. Sie sind für mich der Ausdruck von ganz Lettland, dem Land der „dainas”, dem Land, das singt. Voller Freude beginnt für mich der Besuch bei diesem Volk, das Freude und Schmerz, Glaube und Hoffnung in Gesang verwandeln kann und das jeden Gesang zu einem Gebet zu machen vermag. Gott segne Litauen! 617 REISEN Einheit im Hören und Aufnehmen des Wortes Christi Ansprache während des ökumenischen Gebetstreffens in Riga (Lettland) am 8. September „Alle sollen eins sein” (Joh 17,21). 1, So betet Jesus für seine Jünger und damit auch für uns. Sein Gebet ist feierlich und wird zur Verpflichtung für alle Christen. Es sind Worte, die von den Lippen des Gott-Menschen unmittelbar vor seinem Leiden kommen, wo er verhöhnt, zum Tod verurteilt und gekreuzigt wird. Es sind Worte, die einerseits Gottes Plan enthüllen, der ein Plan der Einheit ist, und andrerseits an die Verantwortung des Menschen gerichtet sind: Gott will die Einheit, aber die Freiheit des Menschen bringt die Gefahr der Spaltung mit sich: Gott will die Liebe, aber die Sünde des Menschen erzeugt Mißtrauen und Gegnerschaft. Der Evangelist Johannes hörte mit seinem jungen Herzen diese Worte Jesu und hielt sie in seinem Evangelium fest, der Überlieferung nach am Ende eines langen Lebens, das er der Verbreitung der von seinem Meister empfangen Botschaft und dem Dienst an den Brüdern und Schwestern widmete. Er war zusammen mit Petrus und den anderen Aposteln Zeuge dieses Gebetes, das der Meister an dem Abend sprach, als er die Eucharistie einsetzte. Jesus hatte damals den Höhepunkt der vom Vater empfangen Sendung erreicht: Er hatte das Sakrament der Einheit und der Liebe eingesetzt und schickte sich an, den bitteren Kelch des Verrats zu trinken. Alles war im Begriff, vollbracht zu werden. 2. Der Bischof von Rom, Zeuge des Glaubens Petri, freut sich, bei der eindrucksvollen Feier heute über diese Worte des Evangeliums nachdenken zu können zusammen mit allen Brüdern in Christus, die ihn in Riga herzlich aufgenommen haben. Er teilt die Freude der Reformierten, Orthodoxen, Baptisten und Katholiken, die in diesem geliebten Landesteil in Frieden Zusammenleben. Liebe Brüder, nachdem ihr mitten im 20. Jahrhundert zusammen die Erfahrung der Katakomben gemacht habe, wollt ihr jetzt weiter miteinander beten. Die gemeinsame Erfahrung des Kreuzes hat entscheidend dazu beigetragen, die beiderseitige Suche nach Werten und unter ihnen erstens nach dem wichtigen Wert der Einheit der Christen zu bekräftigen. Neben nicht wenigen Widersprüchen kann die derzeitige Epoche viele positive Aspekte verzeichnen. Unter ihnen ragt der ökumenische Geist heraus, der sich über althergebrachte Spaltungen erhebt, die oft auf eine Frömmigkeitsform zurückgeht, die mehr mit zeitlichen als mit religiösen Anliegen verknüpft war. Die Einheit, von Christus im Abendmahlssaal erbeten und so oft von seinen Jünger im Laufe der Geschichte gebrochen, wird Tag für Tag mehr das gemeinsame Bestreben und das brüderlich geteilte Bemühen so vieler Christen. 618 REISEN Euer herzliches Willkommen betrachte ich als ein hoffnungsvolles Zeichen. Es lädt zu verstärktem Gebet ein. 3. Bezeichnend ist, daß das heutige Gebetstreffen unmittelbar auf den kurzen Besuch folgt, den ich soeben in der katholischen Bischofskirche abstattete, wo ich vom lieben Erzbischof von Riga, Janis Pujats, empfangen wurde, der mich dann in diese lutherische Kirche begleitet hat, die das Grab des heiligen Meinhard, des ersten Apostels des Landes, birgt. Die gemeinsame Vergangenheit verpflichtet die Glaubenden dazu, brüderlich zusammenzuarbeiten für eine Zukunft, die gleichermaßen gemeinsam ist. An einem für die Christen Lettlands so bedeutsamen Ort kommt unser Gebet spontan in verschiedenen Tönen, stimmt jedoch überein. Wie in einer Symphonie, einem von den Kirchenvätern oft verwandten Bild, wird unser Gebet deshalb Danksagung, Lob und Bitte sein. 4. Wir danken zusammen an erster Stelle Gott, daß er uns zu diesem brüderlichen Treffen gerufen hat. Wenn wir heute hier sind, dann deshalb, weil sein Geist uns geführt hat, weil der Ruf Jesu zur Einheit stärker wird als die Versuchung zur Trennung und Spaltung, die in anderen geschichtlichen Abläufen entstanden sind, als die zeitlichen Interessen leider oft die Oberhand hatten über den Evangelisierungsauftrag. Aber das Wort Gottes ist stärker als die Worte der Menschen, und die Hoffnung, die uns vereint, ist tiefer verwurzelt als das Erbe, das uns trennt. Wir danken zusammen dem Herrn der Zeit und der Geschichte, daß er uns die Gnade geschenkt hat, in einer Zeit zu leben, die den Frieden und die kirchliche Gemeinschaft sucht, und daß er uns gerufen hat, einen Weg der Brüderlichkeit zu bauen, der die Feindschaft unter Brüdern zu besiegen weiß. Danken wir ihm, daß er in den Christen die Sehnsucht nach der ursprünglichen Einheit des Abendmahlssaals geweckt hat. Die Liebe zum eigenen Land selbst, zum Lettland von heute, zum Livland von gestern, „Marienland” genannt, drängt die Glaubenden, sich um die Einheit zu bemühen. Maria, die ihr Leben zu einem ständigen Dankgebet an Gott zu machen wußte, lehre auch uns zu danken, wie wir es jetzt in dieser Stunde der Brüderlichkeit und des Miteinander-Teilens von Glauben und Hoffnung tun. 5. Nach dem Beispiel der Magd und Mutter des Herrn wird unser Dankgebet Anbetung und Lobpreis. Die Anbetung und der Lobpreis sind die erste gemeinsame Pflicht der Christen, die notwendigen Voraussetzungen des Ökumenismus, den wir fördern wollen. Indem sie sich demütig in Gottes Gegenwart stellen, können die Jünger Christi die Anforderungen der Einheit besser vertiefen, die letztlich dem Geheimnis der trinitarischen Einheit entspringen. Ohne die Anbetung der göttlichen Majestät fehlte der kirchlichen Einheit die notwendige Festigkeit und dem Dienst am Nächsten jener übernatürliche Beweggrund, der, weil er in jedem Menschen das lebendige Bild Gottes sieht, dem Glaubenden die Kraft gibt, „gegen alle Hoffnung voll Hoffnung zu glauben” (vgl. Röm 4,18). 619 REISEN In der Anbetung entdecken wir, daß der Wille Gottes die oberste Regel unserer brüderlichen Beziehungen bleibt: Berufen, einfache und wirksame Werkzeuge Gottes zu sein für die Verwirklichung seines Heilsplans, sollen wir alle uns dafür einsetzen, daß Christus in uns Tag für Tag mehr zunimmt. In dem Maß, in dem dieses Wachstum Wirklichkeit wird, werden sich die Abhängigkeiten verringern, die aus den geschichtlichen Gründen der Spaltungen erwachsen sind. Je mehr die ständigen Bausteine des Glaubens Raum gewinnen gegenüber den zweitrangigen geschichtlichen Elementen, um so erhellender und anziehender wird er auch für den Menschen von heute. 6. Unser gemeinsames Gebet drängt uns, zu bitten. Der Ökumenismus ist eine Gnade, die vom Herrn erbeten werden soll, indem man sich ihm ganz zur Verfügung stellt, damit er die Hände, die Blicke und vor allem die Herzen reinige. Lange Zeit hindurch, jahrhundertelang, weigerten sich die Christengruppen anderen christlichen Gruppen die Hand zu reichen, indem sie ihre Blicke in unterschiedliche und oft auseinanderlaufende Richtungen lenkten und sich nicht lieben wollten, wie Christus uns geliebt hat und liebt. An der Schwelle des dritten Jahrtausends christlicher Zeitrechnung danken wir Gott für den neuen ökumenischen Frühling, der uns alle auf den Plan ruft. In einer Zeit wachsender weltweiter gegenseitiger Abhängigkeit sind die Christen gerufen, einander brüderlich die Hand zu reichen, den Blick auf die gleichen Ziele zu richten und das Band der Liebe zu vertiefen, das sie alle mit Christus vereint. So verstehen sie in neuer und vertiefter Weise das, was Christus sagte, als er von seinen Jüngern auf Erden Abschied nahm: „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen” (Joh 15,5). Die Welt wird heute immer empfänglicher für die Werte der Einheit und der Interdependenz, der Solidarität und des Friedens. Gegenüber den zweifelhaften und künstlichen Gemeinsamkeiten, erzeugt durch weltliche Idole, die den Menschen zu versklaven suchen - wie Geld, Vergnügen, Gewalt und Macht -sind die Kirchen aufgerufen, der Welt an der Schwelle des dritten Jahrtausend die einzige Einheit anzubieten, die wahrhaft rettet: die Einheit, die aus dem Hören und der Aufnahme des Wortes Christi kommt. Denn sie allein ist imstande, die übernatürliche Bedeutung der menschlichen Beziehungen, des Fortschritts, der Kreativität, des Lebens und des Todes zu enthüllen. Aus unserem Herzen steige deshalb die Bitte um die göttliche Gnade empor, damit sich in allen Christen eine authentische ökumenische Berufüng entfalte. Das ist letztendlich der Zweck unseres heutigen Gebets. 7. Als Vollchristen unserer Zeit, einer Zeit zunehmender Gemeinsamkeiten, bitten wir mit Demut und Vertrauen um die Gnade, heute fügsame Werkzeuge für die Einheit der Kirche sein zu können. Wenn die Treue gegenüber geschichtlichen Anforderungen anderer Zeiten, nach auseinanderlaufenden Maßstäben gemessen und verstanden, eine der Ursachen der Spaltungen ist, die zwischen den Christen entstanden sind, und wenn die Abstände und kulturellen Gegensätze in der Vergangenheit den 620 REISEN Dialog hart und den Austausch schwierig gestalteten, haben sich die Zeiten heute tiefgehend geändert. Jetzt kann der Papst nach Riga kommen, und die Brüder von Riga sind herzlich willkommen in Rom. Jetzt ist es weniger schwierig, die gleiche Sprache zu sprechen, denn wir wissen, daß wir vom Herrn denselben Auftrag und die eine Berufung empfangen: Ihn anzubeten und Ihm in den Mitmenschen zu dienen, die noch auf sein Wort der Hoffnung und des Heils warten. Der Geist leite uns alle auf den Weg des Friedens! Nachdem er uns als einzelne und als Gemeinschaften zu einer vertieften Erfahrung Christi geführt hat, möge er uns einander begegnen lassen in einem neuen Pfingsten, an dem alle teilhaben. Nach langen Jahren des Leidens wächst wieder Hoffnung Predigt bei der Eucharistiefeier in Riga (Lettland) am 8. September 1. „Er hat mich gesalbt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe (Lk 4,18; vgl. Jes 61,1). Heute ertönen in Riga, in der Hauptstadt Lettlands, an den Ufern der Ostsee die Worte, die Jesus Christus in Nazaret gesprochen hat: Es sind Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja, Worte über den Messias. Der Messias ist der, „auf dem der Geist des Herrn ruht” (vgl. Jes 61,1; 4,18), die Fülle des Heiligen Geistes. Der Messias ist ein Gesalbter, ein Gesandter: Sohn des Vaters, der dank des Wirkens des Heiligen Geistes Mensch geworden und aus der Jungfrau Maria geboren ist. Die in Nazaret verkündeten Worte ertönen auch heute hier in Riga an den Ufern der Ostsee. Sie ertönen überall da, wohin in der Vergangenheit und auch heute noch die messianische Sendung Christi gelangt ist. 2. Es sind bereits mehr als acht Jahrhunderte vergangen seit dem Moment, da diese Mission euer Land erreicht hat, als nämlich ein Bischof mit Namen Meinhard zu euch kam, der ähnlich wie Christus für die apostolische Sendung gesalbt war. Vor einigen Jahren haben wir in tiefer Dankbarkeit zum Herrn das Jubiläum vom Anfang seines Bischofsdienstes begangen. Wir haben Gott gleichzeitig in Lettland und in Rom gedankt. Der Bischof von Rom, Nachfolger des Apostels Petrus, freut sich, heute diese Danksagung gemeinsam mit dem Gottesvolk eures Vaterlandes in der Stadt zu erneuern, die die Hauptstadt und auch der Mittelpunkt eurer Geschichte ist. Jesus hat in Nazaret, nachdem er die Worte aus dem Buch Jesaja gesprochen hatte, vor der Versammlung in der Synagoge ausgerufen: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt” (Lk 4,21). Wir danken Dir, Jesus Christus, Erlöser und Hirt des Menschen aller Zeiten, dafür, daß die Wahrheit über den Messias sich erfüllt hat und auch heute noch Wirklichkeit wird: Diese Wahrheit ist auch hier gläubig angenommen worden und hat sich mit dem Leben der Kirche bekleidet, die in Christus „das Sakrament ... für die in- 621 REISEN nigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit” (Lumen Gentium, Nr. 1) ist. 3. Die Kirche ist aus dem Abendmahlssaal hervorgetreten, wo sie am Pfingsttag vom „Hauch des Geistes” belebt worden war, von dem bereits der Prophet Ezechiel gesagt hatte: „Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, daß ihr meinen Gesetzen folgt” (Ez 36,27). Der Heilige Geist läßt das Gebot Gottes zur deutlichen Stimme im Herzen des Menschen werden. Deshalb fügt der Prophet hinzu: „Ich schenke euch ein neues Herz, und lege einen neuen Geist in euch” (Ez 36,26). Es ist der Hauch des Heiligen Geistes, der den Anfang zur „neuen Schöpfung” setzt: den in der Wahrheit und Liebe erneuerten Menschen. Braucht denn das Volk dieses Landes nach der langen Zeit des Leidens und der schmerzhaften Prüfungen nicht dringend eine solche innere Erneuerung? 4. Die Kirche von Lettland erlebt jetzt eine ganz besondere Zeit der Gnade, ja geradezu einer „neuen Schöpfung”. Nach den langen Jahren des Leidens, der Schmerzen und der Not wächst wieder Hoffnung. Auf den langen und harten Winter des erzwungenen Schweigens über Gott folgt ein neuer Frühling im Zeichen des Evangeliums, bei dem alle Glaubenden mitwirken. Bei dieser kirchlichen und apostolischen Erneuerung erinnert man sich unwillkürlich an die Ursprünge, die wahren alten christlichen Traditionen, derer sich dieses Land rühmen kann. Das Christentum wurde vom missionarischen Eifer und von der Hirtenliebe des großen Glaubensboten Sankt Meinhard, des ersten Bischofs von Livland-Lettland, hierhergebracht. Er fürchtete sich nicht, noch im betagten Alter seine Heimat, Norddeutschland, zu verlassen, um hierherzukommen, wohin der Herr ihn rief, und das Evangelium zu verkünden. Er zeichnete sich aus durch ein vorbildliches Leben, durch apostolischen Eifer und die besondere Sorge, eine lebendige und tiefe Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri aufrechtzuerhalten, was starken Einfluß auf die Bewohner dieses Gebietes ausübte und sie dazu führte, freudig die Botschaft des Evangeliums anzunehmen. Die Stadt, in der wir heute die Eucharistie feiern, hält die sterbüchen Überreste des hl. Bischofs in Ehren und ruft in allen die Erinnerung an seine ruhmreiche Tätigkeit als Apostel und Hirte wach. Die Liturgie zeigt ihn uns als Vorbild und Fürsprecher im dringenden Werk der Evangelisierung. 5. Liebe Schwestern und Brüder, wir sind gerufen, Christus und die Anforderungen seines Evangeliums zu verkünden. Wir alle wollen das mit unermüdlichem Eifer tun. Auf diese Weise wird die Sehnsucht all derer nach Einheit spürbarer, die an Jesus Christus, den einzigen Erlöser des Menschen, glauben. Die Einheit seiner Jünger, die in der Vergangenheit aufgrund verschiedener geschichtlicher Ereignisse, die sich weit vom Evangelium entfernt hatten, verletzt worden ist, wird nunmehr erneut von all denen ersehnt, die gemeinsam aufgrund ihres Glaubens gelitten haben. Und so führt die gemeinsame Erfahrung der Kata- 622 REISEN komben auf ganz natürliche Weise zur Suche nach der gemeinsamen Erfahrung des Abendmahlssaals. Wir wollen heute miteinander dem Herrn für den Starkmut danken, mit dem die Christen von Lettland das Kreuz der Verfolgung, des Exils, des Martyriums in Gemeinschaft mit dem Kreuz Christi auf sich genommen und so in jüngster Vergangenheit die Leiden der Passion des Herrn erneuert haben. Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen dafür, das nach dem geheimnisvollen Ratschluß des göttlichen Heilsplans die Auferstehung auf das Kreuz, die Gnade auf die Sünde und die Freude auf den Schmerz gefolgt sind. Ihr, die ihr es vermocht habt, in der Stunde des Kreuzes zu hoffen und auf die Stunde der Auferstehung zu warten, seid nun berufen, euren Starkmut durch das hochherzige und vollständige Angebot der brüderlichen Vergebung zu bekräftigen. Diese mutige und weitsichtige Geste der Versöhnung wird auf diese Weise zu einer dringenden Einladung zur Reue und zur Lebensumkehr, auch für jene, die die Ursache eurer Leiden gewesen sind. Mit diesen Empfindungen grüße ich euch alle, und ich denke ganz besonders an euren Erzbischof Janis Pujats, an den Bischof von Liepaja, Janis Bulis, und an die anderen hier anwesenden Bischöfe. Ich grüße die Priester, Ordensleute und alle, die unermüdlich im Weinberg des Herrn arbeiten. 6. „Ich hole euch heraus aus den Völkern, ich sammle euch aus allen Ländern und bringe euch in euer Land” (Ez 36,24). Das sind die Worte, die der Prophet zur Zeit der Verbannung nach Babylonien den Verschleppten verkündet hat. Sind sie nicht auch für viele von euch, die ihr hier versammelt seid, ein Zeugnis für die von euch erlittenen Prüfungen. „Ich hole euch heraus aus den Völkern.” Dieses „Herausholen und Sammeln” steht für die Kirche. Heute, hebe Schwestern und Brüder, danke ich dem Herrn für die Kirche, die an den Ufern der Ostsee lebt, für die Kirche in Riga und in ganz Lettland. Sie ist eine Versammlung und eine Gemeinschaft der Herzen, geführt vom Heiligen Geist mit demselben Sturmwind, der sich am Pfingsttag im Abendmahlssaal von lerusalem gezeigt hat. Die Kirche von Lettland ist eine Ortskirche und zugleich ist sie voll in die Gemeinschaft der Gesamtkirche eingegliedert, die sich durch den Willen Christi auf der ganzen Welt ausbreitet. Sie breitet sich aus nach dem Willen Christi und in der Kraft seines Kreuzes und seiner Auferstehung: „Darum geht hin zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern” (Mt 28,19). 7. Christus, guter Hirt des Menschen und der Menschheitsgeschichte, gib, daß das durch dein Blut erlöste Volk ins neue vom Heiligen Geist gesalbte Jahrtausend eingehe. Gib, daß es die Frohbotschaft, das Evangelium der Wahrheit, der Gnade und der Hoffnung auf das ewige Leben im Vater, im Sohn und im Heiligen Geist in sich trage. Amen. 623 REISEN Am Schluß der Messe begrüßte der Papst seine polnischen Landsleute mit folgenden Worten: Liebe Schwestern und Brüder! Ich danke der göttlichen Vorsehung für die Gnade unserer heutigen Begegnung und für die Eucharistiefeier, die wir in Riga, in Lettland, im Baltikum, gemeinsam erlebt haben. Ich danke besonders allen hier anwesenden Bischöfen, die aus verschiedenen Nachbarländern und sogar aus dem fernen Amerika angereist sind. Ich grüße die Priester und insbesondere die, die im Seminar von Riga ausgebildet worden sind und nun an den einzelnen Orten des weiten europäischen und asiatischen Rußlands tätig sind. Ich grüße die hier anwesenden Bewohner von Riga und ganz Lettland. Danken wir Gott für das schöne Wetter, das er uns geschenkt hat. Danken wir Gott auch für die wundervolle Vorbereitung dieser Eucharistiefeier, vor allem für die schönen lateinischen und lettischen Gesänge. Außerdem danke ich für die Aufnahme, die mir heute in Riga sowohl von seiten der Bevölkerung als auch von seiten der Obrigkeiten und besonders von dieser Ortskirche zuteil wurde. Liebe Schwestern und Brüder! Wir nähern uns dem Jahre 2000. Das Jahr 2000 nach der Geburt Christi wird es uns in einigen Jahren ermöglichen, sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft zu blicken, denn „Jesus Christus ist derselbe heute, gestern und in Ewigkeit” (Hebr 13,8). Dieser Umstand verpflichtet uns heute nochmals dazu, für die mehr als acht Jahrhunderte zu danken, die seit den Anfängen des Christentums in Riga und in Lettland vergangen sind, und für alle hiermit verknüpften Gnaden, für die Erfahrungen der Kirche und des Christentums, wie auch für die schmerzvollen Ereignisse der letzten Jahrzehnte. Zugleich verpflichtet uns das nahende Jahre 2000 dazu, in die Zukunft zu blicken, an die Aufgabe der Evangelisierung, der Neuevangelisierung, zu denken, die auf alle Christen der Welt, auf die Kirche, wartet. Ich danke Gott dafür, daß wir heute gemeinsam für diese Neuevangelisierung Lettlands und ganz Europas haben beten können. Heute habe ich in der lutherischen Kathedrale gemeinsam mit unseren lutherischen, orthodoxen und den Brüdern anderer christlicher Gemeinschaften beten können. Diese Herausforderung der Ökumene hegt mir ganz besonders am Herzen. Christus sagt: „Alle sollen eins sein”, und er betet seinerseits dafür, damit „die Welt glaubt” (vgl. Joh 17,21). Wenn unser Dienst am Evangelium zum Ende des zweiten und zu Beginn des dritten Jahrtausends wirksam sein soll, so müssen wir eins sein. Für diese Einheit der Christen wollen wir unaufhörlich beten: Wir wollen ihr hier in Lettland, in ganz Europa und der ganzen Welt den Weg bereiten. Warum aber gerade diese Herausforderung? Und warum diese innere Pflicht? Warum diese neue, ewige und zukünftige Evangelisierung? Weil es keinen anderen Namen unter dem Himmel gibt, in dem wir Menschen gerettet werden können. Der einzige Name ist: Jesus Christus. 624 REISEN Liebe Schwestern und Brüder! Gott segne euch alle, jeden und jede von euch, alle Familien, Gemeinschaften und Pfarrgemeinden, die Diözesen von Lettland, eure Bischöfe und alles, was euch täglich am Herzen liegt. Mag das alles unter dem gütigen Schutz der Muttergottes von Aglona stehen, die ich morgen die Freude habe, mit euch gemeinsam zu besuchen. Gelobt sei Jesus Christus. Der göttliche Plan für die Berufung des Menschen Predigt bei der Eucharistiefeier in Aglona (Lettland) am 9. September 1. „Damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei” (Röm 8,29). Wir sind heute zum Marienheiligtum in Lettland gepilgert, um dem ewigen Gottesplan Ehre zu erweisen. Der Apostel Paulus veranschaulicht uns diesen Plan im Brief an die Römer, den wir soeben gehört haben. Gott, der die Ewigkeit ist, „hat im voraus all das erkannt” (vgl. Röm 8,29), was sich in der Zeit verwirklichen sollte. Von Anfang der Zeiten an erkennt er in seinem Sohn, der eines Wesens mit ihm ist, die gesamte Menschheit und jeden einzelnen Menschen. Aus dieser Erkenntnis heraus, die Gott in seinem Ewigen Wort hat, entsteht der göttliche Plan für die Berufung des Menschen. Und Gott hat in seiner väterlichen Liebe - wie der Apostel schreibt - „alle, die er im voraus erkannt hat, auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei” (Röm 8,29). 2. Wir sind heute zum Heiligtum von Aglona gekommen, um im Gebet diesen wunderbaren Plan anzunehmen. Der Sohn, das Ewige Wort, eins Wesens mit dem Vater, sollte der „Erstgeborene von vielen Brüdern” werden. Und um der Erstgeborene der Söhne und Töchter des Menschengeschlechtes zu sein, ist er selbst Mensch geworden: „Das Wort ist Fleisch geworden” (Joh 1,14). Das ist der Sohn Gottes, der „Fleisch angenommen hat durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und Mensch geworden ist”. Die Kirche feiert heute die Geburt der seligsten Jungfrau, die der ewige Plan Gottes dazu bestimmt hatte, Mutter des eingeborenen Sohnes des himmlischen Vaters zu sein. Ja, wir feiern heute das Fest der Geburt der seligsten Jungfrau Maria. 3. Die Worte des Evangeliums nach Matthäus, die im Laufe unserer Begegnung hier verkündet worden sind, erläutern, wie dieses Gottesgeheimnis in und durch Menschen verwirklicht worden ist. Das Geheimnis der göttlichen Menschwerdung! Es war so schwer zu begreifen, daß es zunächst vom Geist und den Herzen der Menschen angenommen werden mußte. Es geschah zuallererst im Herzen Marias bei der Verkündung in Nazaret und dann im Herzen Josefs, ihres Bräutigams. 625 REISEN Das sind die Worte, mit denen der Bote Gottes Josef das Geheimnis erläuterte: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen” (Mt 1,20-21). Der Name Jesus bedeutet Heiland, Gott, der rettet. 4. An den Namen Jesus ist ganz eng der Name Maria gebunden. Denn die Jungfrau und Mutter gehört zum Geheimnis des Sohnes, und die Kirche glaubt, daß sie unbefleckt, ohne Erbsünde, auf die Welt gekommen ist. In ihr hat das von Gott gewirkte Heil begonnen und ist zur Vollendung gebracht worden.- Aus diesem Grund heben die Menschen und die Nationen Maria, wenden sich vertrauensvoll an sie und pilgern zu ihren Heiligtümern, um auf dem Heils weg fortzuschreiten. Sie unternehmen diesen geistlichen Weg, um hier den wahren Sinn ihres Lebens zu finden, um sich vom Bösen abzuwenden und mit Hilfe der Jungfrau, der „Begnadeten” (Lk 28), die Gnade Gottes wiederzuerlangen. Euer wunderschönes Heiligtum hier in Aglona, liebe Gläubige, ist eine der Wallfahrtsstätten von Lettland. 5. „Herrliches sagt man von dir, du Stadt unseres Gottes ... Der Herr schreibt, wenn er die Völker verzeichnet: Er ist dort geboren” (.Antwortpsalm). Weil nun nach all den langen Jahren des Schweigens über Gott die Religionsfreiheit wiedererlangt wurde, wird auch die vielversprechende Frömmigkeitsform der öffentlichen Wallfahrten erneut auf genommen, die von den entlegensten Orten Lettlands ausgehen und dann das ganze Land durchqueren, bis sie nach Aglona kommen. So werden die wenigen hundert Pilger, die von Riga, Liepaja, Ventspils, Kolka, Jurmala, Limbarzi, Valmiera und Aluksne ausziehen, zu Tausenden und Abertausenden. Ein wahrer Strom von Glaubenden, die auf dem Weg durch das ganze Lettland ihren Glauben feiern und ihre Freude verkünden. Es sind meist junge Menschen, die die Wallfahrt als Anlaß zum wahren Gebet, zum solidarischen Zeugnis und zur Anstrengung im echten Bußgeist.nehmen wollen. Viele, Kinder und alte Menschen nicht ausgenommen, schließen sich der Katholischen Jugend Lettlands mit dem Wunsch an, gemeinsam zu gehen, gleichsam als lebendiges Bild des Volkes Gottes, das unter dem Schutz Marias, der Mutter und des Urbilds der Kirche, in der Welt zu Gott pilgert. 6. Seid somit willkommen, liebe Gläubige, aus ganz Lettland und vor allem aus der Umgebung von Latgale, die bekannt ist für den Stolz, mit dem sie ihren alten Glauben pflegt. Wie jedes Jahr habt ihr euch um dieses Heiligtum versammelt in der Hoffnung von der Muttergottes gehört zu werden. Ihr wollt der Muttergottes eure Liebe als ihre Kinder, euren Dank für die durch ihre Fürsprache erhaltenen Gnaden sowie die sichere Hoffnung bekunden, daß eure Gebete erhört werden. 626 REISEN Seid herzlich willkommen, ihr, die ihr dieses Glaubenszeugnis ablegt, das auch mich heute tröstet, der ich mit euch und unter euch Pilger und vor euren Augen Zeuge des Glaubens der ganzen Kirche und des unaufhörlichen Bemühens bin, mit dem sie die Evangelisierung der Welt vorantreibt. Seid willkommen, seid gesegnet. Möge euch die Gnade Trost spenden; möge der Blick der Jungfrau von Aglona - der Jungfrau, die des Lobes würdig ist, denn aus ihr ging hervor die Sonne der Gerechtigkeit, Christus, unser Gott - euch stützen und ermutigen (vgl. Ruf vor dem Evangelium). 7. Ganz besonders wichtig ist heute für mich und für das ganze christliche Volk Lettlands hier in Aglona die Anwesenheit der Mitchristen, die anderen Konfessionen angehören, der Orthodoxen und Lutheraner, die eine so bedeutsame Initiative zum gemeinsamen Gebet miteinander teilen wollen. Auch euch, liebe Schwestern und Brüder im Herrn, gilt mein Gruß. Auch ihr erkennt in Maria die erste Jüngerin des Herrn, denn ihr wißt aus dem Evangelium, das in euren liturgischen Versammlungen stets verkündet wird, daß „das Kind, das sie erwartet, vom Heiligen Geist ist” (Mt 1,20), und ihr erkennt an, daß Jesus, der Gottessohn, das im Schoße Mariens fleischgewordene ewige Wort, derjenige ist, der „sein Volk von seinen Sünden erlösen” (Mt 1,21) wird. Eure Anwesenheit ist für die ökumenische Bewegung ein Grund zur Hoffnung. Ich wünsche von Herzen, daß die Christen nie nachlassen mögen in diesem Streben nach Einheit und daß nie der Wunsch verlöschen möge, die Bitte Christi: „Alle sollen eins sein”, zu erfüllen. 8. Jesus, der Sohn Marias. Jesus, der Erlöser, der Gott, der rettet. Der hl. Paulus bringt diese Wahrheit im Brief an die Römer auf wundervolle Weise zum Ausdruck: „Gott rettet” heißt, daß er „bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt” (vgl. Röm 8,28). Gott verwirklicht seinen Plan in Christus, der als „Erstgeborener von vielen Brüdern” Mensch geworden ist, um durch den Opfertod am Kreuz den Menschen zu rechtfertigen. Wie kann man es unterlassen, auf diese Liebe des Gottessohnes zu antworten? 9. Wir bitten um das Geschenk der Liebe der Mutter, die unter dem Kreuze steht. Sie ist die Mutter unseres Retters, die Mutter des Erlösers. Der ewige Vater hat sie im voraus dazu bestimmt, daß sie sich als Mutter um das Heil aller Menschen sorgt. Und wir sind Zeugen ihrer steten Sorge. Deshalb sind wir hierher gekommen. Deshalb pilgert das Volk Gottes von Lettland nach Aglona. Wir sind uns der Fürsorge der Mutter bewußt, die das heilige Bild des ewigen Gottesplanes ist. In Maria können wir stets aufs neue das Geheimnis der Liebe - das Geheimnis Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes - bewundern. 627 REISEN Gibt nicht sie, die Muttergottes, in besonderer Weise Zeugnis, von der Herrlichkeit, die in ihrem erstgeborenen Sohn all denen Zuteil wird, die Gott durch das Geheimnis der Gotteskindschaft zu seinen Söhnen und Töchtern gemacht hat? 10. Du bist fürwahr „mehr als alle anderen Frauen gesegnet, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes” (Lk 1,42). Der Herr hat an dir, Maria, Großes getan. Möge der Herr auch an uns Großes tun, durch dich, Mutter Gottes, durch dich, Mutter deines Volkes. Liebe Schwestern und Brüder! Es ist mir eine Freude, euch hier in diesem Marienheiligtum zu treffen, das euch so lieb ist. Wir ehren die Muttergottes anläßlich des Festes ihrer Geburt, indem wir zugleich mit tiefem Glaubensgeist über ihre Mutterrolle nachdenken, die sie ausgeübt hat und auch weiterhin im Heilsplan ausübt. Gott, unser Vater, hebt alle seine Söhne und Töchter im einzigen Sohn, der dem Leib nach von der seligsten Jungfrau geboren ist. Maria begleitet und führt jeden Menschen und auch ganze Nationen, die das Licht des Evangeliums annehmen und zum Himmelreich unterwegs sind. Auch heute wacht sie über die, die sich ihrem Schutz anvertrauen. Sie verharrt im Gebet mit den Jüngern und ruft den Heiligen Geist an, damit sich alle Sprachen der Welt im Heilsdialog der Liebe vereinen. Meine Lieben, haltet eure Marienverehrung aufrecht. Bezeugt durch Wort und Tat euren christlichen Glauben. Wir alle sind Kinder Gottes und nach seinem Bild geschaffen. In der Taufe sind wir durch das Blut Christi, des Sohnes der Jungfrau von Nazaret, erlöst worden. Sie ist unsere Mutter und Königin. Wir hören auf das, was sie uns sagen möchte. Maria weist auf Christus hin und erinnert an jenes grundlegende Gebot, das er uns ins einem Testament hinterlassen hat: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe” (Joh 15,12). Wir bitten Maria auf den Knien, sie möge uns die nötige Kraft geben, damit wir dieses wichtige Gebot des Ewigen Gottessohns, der zu unserem Heil gestorben und auferstanden ist, im Leben verwirklichen. Der Papst sprach in russisch weiter: Liebe russischsprachige Schwestern und Brüder! Ich möchte an euch ein besonders Grußwort richten. Das Heiligtum, wo wir uns befinden, ist das Ziel der Pilger aus der ganzen Umgebung. Verschiedene Sprachen treffen hier zusammen, um gemeinsam die Muttergottes zu lobpreisen. Ihr kennt sehr wohl die Aufgabe, mit der die Muttergottes in der Heilsgeschichte betraut wurde und auch ihre Rolle in den jüngsten Ereignissen im Leben der Kirche. Während wir mit ihr Gott danken, richten wir unseren Blick nach vom. 628 REISEN Der Glaube war die Kraft, die euch von der Unterdrückung in der Vergangenheit befreit hat; um so mehr soll er heute auch all denen die Kraft zur Versöhnung geben, die dieselben Probleme und Lösungsmöglichkeiten haben. Wie im Evangelium, so weist Maria alle weiter auf Jesus hin, in dessen Name allein das Heil ist. In ihm „rettet Gott” alle, die ihn heben, welcher Sprache, welchem Volk und welcher Nation auch immer sie angehören. Er schaut nicht auf das Aussehen, sondern auf das Herz des Menschen, denn dort liegt das wahre Wesen eines jeden Menschen. Laßt euch, hebe Schwestern und Brüder, von dieser Mutter leiten, die vom russischen Volk so sehr verehrt wird. Sie wird euch helfen, brüderlicher, bereitwilhger zum Gespräch und offener für gegenseitige Hilfe zu sein. Gemeinsam mit ihr ruft ihr den Heiligen Geist an; denn so wie am Pfingsttag können sich unterschiedliche Sprachen in der einzigen Sprache der Liebe begegnen. Der Papst begrüßte zum Schluß seine polnischen Landsleute mit den Worten: Heute ist das Geburtsfest der Gottesmutter. Die Kirche dankt Maria dafür, daß sie das Licht des Volkes Gottes ist. Sie ist das Licht, in dem sich das Licht des Ewigen Wortes, das Licht Christi, widerspiegelt. Sie spiegelt dieses Licht in aber Füße und Treue wider und vermittelt es dem Volk Gottes in allen Kirchen der Welt. Bei der heutigen Feier im Heiligtum der Muttergottes von Aglona danken wir dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist für das Licht, das Christus - durch seine Mutter, durch die Muttergottes - für das Volk Gottes von ganz Lettland besonders in den ernsten und schwierigen Zeiten dargestellt hat. Zugleich bitten wir den Herrn, das Licht seiner Mutter möge stets euer Land, euer Vaterland, die Kirche, das ganze Volk Gottes und ganz Lettland erhellen. Dies wünschen und erbitten wir für das ganze Volk Gottes in den beiden lettischen Diözesen: in der Erzdiözese Riga und in der Diözese Liepaja. Wir erbitten das für diesen besonderen „Kirchenbezirk”, den ich heute anläßhch meiner apostohschen Reise besuchen darf. Wir erbitten das für ahe Gemeinschaften, für alle Pfarrgemeinden, für alle Familien und alle anderen Gemeinschaften des Volkes Gottes, die in diesem Land leben. Doch die Teilnehmer an unserer heutigen Zusammenkunft zeigen, daß nicht nur die Söhne und Töchter Lettlands, sondern auch die der Nachbarländer hierher kommen und hier anwesend sind. Dafür sind auch die Spruchbänder, die von Gruppen aus Moskau, Vitebsk und anderen Orten außerhalb Lettlands berichten, sowie die Anwesenheit von Kardinälen und Bischöfen aus mehreren Ländern und vor allem aus diesem Teil Europas ein beredter Beweis. Wir danken dir auch, Mutter von Aglona, für deine Gastfreundschaft; und wir danken auch dir, Lettland, für deine Gastfreundschaft und für die deiner Mutter. Zugleich vertrauen wir dir ahe an, ahe, die durch das geschichtliche Erbe dieses Landes und über seine Grenzen hinaus in anderen Sprachen und Nachbarvöl- 629 REISEN kern miteinander vereint sind. Möge dein Licht alle Kirchen, alle Gemeinschaften des Gottesvolkes überall vereinen. Möge dein Licht, das Licht deiner Geburt, alle Christen, die gespalten sind, erhellen und ihnen den Weg weisen, der zur Einheit führt, die Christus ist; zur Einheit in Christus, zu jener Einheit, um die Christus inständig gebeten hat: damit wir, während wir all unsere Unterschiede beibehalten, eins sind. So wie er gebeten hat: „Alle sollen eins sein, wie du, Vater, in mir bist, und ich in dir” (Joh 17,21). Unsere Mutter und Herrin, laß nicht ab davon, die Wege des Volkes Gottes hier und auf der ganzen Erde zu erhellen, damit wir nicht die Richtung verlieren, die Gott uns mit dem Evangelium, dem Kreuz und der Auferstehung gewiesen hat, damit wir weiter mit ihm und in seiner Nachfolge in diese Richtung gehen. Darum bittet dich der Bischof von Rom, der Nachfolger des Petrus, gemeinsam mit allen anderen hier anwesenden Bischöfen und dem ganzen Volk Gottes. O gütige, o milde, so süße Jungfrau Maria. Amen. Liebe Jugendliche! Ihr habt gemeinsam mit euren Altersgenossen über die Worte Christi nachgedacht: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Öffnet euch immer mehr diesem Geschenk Christi, teilt es mit den anderen. Seid Apostel des Lebens, das Christus gebracht hat. Polen, Böhmen und die Slowakei, die eine Zeit des geschichtlichen Wandels erleben, brauchen dringend solche Apostel des Lebens. Die Kirche dient der Kultur Kurze Worte bei der Überreichung des Textes der Ansprache in Riga (Lettland) am 9. September Sehr geehrte Damen und Herren! Gleichsam zum Abschluß meines Besuches in Lettland habe ich die Freude der Begegnung mit euch, den Vertretern der akademischen und kulturellen Welt; diese Welt ist mir besonders teuer wegen der vielfältigen Beziehungen, die ich mit ihr gehabt habe und weiter habe. Hier, an der Alma Mater Rigensis fühle ich mich daher auch dank eures so ergebenen und herzlichen Empfangs wie zu Hause. Jedem einzelnen gilt mein herzlicher Dank. Ich begrüße den Erzbischof von Riga und die anwesenden Bischöfe; ich begrüße den Rektor der Universität und danke ihm für die freundlichen Worte, die er eben an mich gerichtet hat. Ich begrüße die Dozenten dieser Hochschule, die reich ist durch eine lange wissenschaftliche und kulturelle Überheferung, ferner alle Professoren und die Studenten, die an dieser Begegnung teilnehmen. Wenn in jeder Nation die Bande zwischen der Kultur und der Kirche intensiv sind, so wollen sie in Lettland noch enger sein, wo die Aufgabe des Wiederaufbaus des Landes den Beitrag aher sozialen und religiösen Gruppen verlangt. In der Vergangenheit haben die an Christus Glaubenden hier bedeutsam zum Fort- 630 REISEN schritt der Reflexion und der Forschung auf den verschiedenen Gebieten des menschlich Wißbaren beigetragen. Und ich bin sicher, daß die Glaubenden von heute dahinter nicht zurückstehen werden. Aus der achtungsvollen Begegnung der Welt der Kultur mit der Wahrheit und dem Licht des Evangeliums wird gewiß wertvolle Hilfe kommen für die Verwirklichung einer nationalen Gemeinschaft, die für die Werte des Geistes offen ist. Das ist mein herzhcher Wunsch. Wenn ich Ihnen, Herr Rektor, den Text der Ansprache überreiche, die ich für diese Begegnung vorbereitet habe, rufe ich zugleich die Hilfe Gottes auf alle herab, die in Lettland aktiv auf dem Gebiet von Wissenschaft und Kultur arbeiten, zumal auf alle, die zu dieser alten und wohlverdienten Universität gehören. In polnischer Sprache sagte der Papst: Meine Damen und Herren! Ich hatte einmal die Ehre, vor der Versammlung der UNESCO in Paris zu sprechen. Es war im Jahre 1980 und ich noch ein junger Papst. Gerade dort habe ich ein Thema berührt, das vielleicht auch für euch, für Lettland und die Zukunft eurer Nation grundlegende Bedeutung hat. Das Thema betraf die Kultur, verstanden als alles das, was den Menschen und die Gesellschaft formt, in der er lebt, vor allem die nationale Gemeinschaft und Gesellschaft. Die Nationen leben durch ihre Kultur. Kultur ist das, was die alten Generationen den jungen übergeben. Erster Ausdruck der Kultur ist die Sprache. Ich möchte denen, die hier an der Universität von Riga die lettische Kultur vertreten und für sie besonders verantwortlich sind, wünschen, daß dieser Auftrag der Formung der lettischen Kultur für sie zu einer immer bewußteren Beteiligung und Sendung wird. Ich schlage euch keinerlei kulturellen Egoismus vor, denn eine jede Kultur wird von einzelnen Nationen gestaltet, aber zugleich ist jede Kultur für andere Nationen und Gesellschaften offen, und sie stellt sich in den Dienst des großen Austausches unter allen Menschen. Es erfolgt der Austausch der geistigen Güter. Dieser Austausch geistiger Güter ist aber nicht weniger wichtig, sondern vielleicht sogar wichtiger als der Austausch wirtschaftlicher Güter. Am Ende sind beide wichtig. Die Kirche steht im Dienst des Evangeliums, und indem sie dem Evangelium dient, dient sie zugleich der Kultur. Sie dient der Kultur sowohl in jeder einzelnen Nation und Gesellschaft, als auch beim Austausch der Güter unter den verschiedenen Nationen. Ich möchte daher allen, hier anwesenden Vertretern der lettischen Kultur wünschen, daß sie an diesen beiden Sendungen teilhaben können, und daß ihre Beteiligung fruchtbar wird, sowohl für ihre eigene Nation, für Lettland nämlich, als auch für die ganze Menschheit. Wenn ich diesen Wunsch ausspreche, so möchte ich zugleich auch eurer Nation eine gerechte Zukunft wünschen. Im Verlauf der Jahrhunderte habt ihr unterschiedliche Verhältnisse mitgemacht, und doch diese eure lettische kulturelle Identität hier im Baltikum nur tiefer verwurzelt und der Zukunft weitergegeben. Gott helfe euch nun, diese Aufgabe auch heute und in den kommenden Jahren zu erfüllen. Meine Damen und Herren, noch einige Worte über die „Alma Mater”. Auch bin der Sohn einer „Alma Mater” und bleibe ihr mein ganzes Leben lang verbunden. Ich 631 REISEN denke an die Jagellonen-Universität von Krakau. Es ist eine sehr beredte Tatsache, daß die Universität „Mutter” genannt wird. So wünsche ich euch an der Universität von Riga eine mütterliche, edle und fruchtbare Beziehung zu allen Letten, freilich auch zu allen jenen, die hierher kommen, um vom Reichtum dieser geistigen Mutterschaft zu gewinnen. Endlich möchte ich eine mir aufgetragene Aufgabe erfüllen. Ich habe von euch den Band „Analecta Husserliana” erhalten, der der Phänomenologie im Baltikum, also in den baltischen Ländern gewidmet ist. Der Titel lautet „Phenomenology in the Baltic Countries”. Ich nehme an,.daß einige Verfasser dieses Bandes hier in dieser Aula anwesend sind. Ich bitte daher den Herrn Rector ma-gnificus, zugleich mit dem Text meiner Ausführungen auch diesen Band der „Analecta Husserliana” anzunehmen. Vielen Dank! Ein akademisches Zentrum als Schmiede des kulturellen Ökumenismus Ansprache bei der Begegnung mit der Welt der Kultur in Riga (Lettland) am 9. September Geehrte Damen und Herren! 1. Wie gestern im Meca-Park, so habe ich auch heute früh im Heiligtum von Ag-lona, von wo ich gerade zurückkomme, zahlreiche Vertreter des lettischen Volkes getroffen: Jugendliche, Arbeiter, Familien, Vertreter jeden Standes und Alters. In ihren Stimmen und zumal in ihren Gebeten habe ich das Pulsieren eines Volkes gespürt, das gelitten und gehofft hat, sich heute aber endlich auf dem Weg eines freien und unbeschwerten Zusammenlebens befindet. Gleichsam als Abschluß meines Besuches habe ich die Freude der Begegnung mit euch, den Vertretern der akademischen und kulturellen Welt; diese Welt ist mir besonders teuer, weil ich selber viele Jahre lang Universitätslehrer war und - wie ihr -die erhebende Erfahrung der wissenschaftlichen Forschung gemacht habe, dazu die nicht weniger ansprechende der kulturellen Ausbildung der Jugendlichen. Hier, an der Alma Mater Rigensis, fühle ich mich daher zu Hause und hoffe, daß auch ihr mich so seht, da ihr bereits so nett wart, mir eure Freundschaft anzubieten und mich ebenso ergeben wie herzlich zu empfangen. Dafür danke ich euch. Wenige Dinge sind im Leben der Menschheit so entscheidend wie der Dienst des Denkens. Ich spreche vom Dienst im höchsten Sinn dieses Wortes, und ich bin mir bewußt, wie sehr in der Geschichte die Versuchung der Macht groß gewesen ist, die Intellektuellen sich dienstbar zu machen, und wie gefährlich für diese die Versuchung bleibt, Formen eines bequemen Servilismus nachzugeben. Der Dienst des Denkens, den ich meine, ist wesentlich Dienst an der Wahrheit. Kraft dieses hohen und anspruchsvollen Ideals ist der echte Intellektuelle als wirkli- 632 REISEN eher Pilger der Wahrheit aufgerufen, die Funktion des kritischen Bewußtseins gegenüber jedem Totalitarismus und Konformismus auszuüben. Dieser seiner Berufung zur Kritik steht natürlich nicht seine herzliche Offenheit für die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse entgegen. Diese Offenheit ist sogar unerläßlich, wenn man eine Selbstbespiegelung des Denkens vermeiden will, aus der sich leicht ideologische Verschließung und Intoleranz ergäben. Wieviele Kriege sind ausgebrochen und wieviel Blut wurde vergossen im Namen von am grünen Tisch erdachten Ideologien, die nicht genügend durch den lebendigen Kontakt mit den Menschen, mit ihren Dramen und wirklichen Bedürfnissen vermenschlicht waren. Das Denken ist der größte Schatz, doch zugleich die größte Gefahr der Menschheit. Es muß in einer Haltung gepflegt werden, die ich ohne weiteres als „religiös” bezeichnen möchte: Die Erforschung der Wahrheit verweist nämlich immer, auch wenn sie sich auf begrenzte Bereiche der Welt richtet, auf ein „Mehr”, das ins Transzendente mündet und daher wie der Vorhof des Zugangs zum Geheimnis ist. 2. Ich begrüße euch mit besonderer Hochachtung und Ergebenheit, werte Professoren und Forscher dieser Universität. Im Wunsch, mit euch einen Dialog über ein gemeinsam interessierendes Thema zu führen, sei es mir gestattet, heute abend eure Aufmerksamkeit auf jenen Bereich des christlichen Denkens zu richten, der direkt die Gesellschaft betrifft, und der daher den Namen „Soziallehre” trägt. Ich wage anzunehmen, daß dieses Thema in euch eine berechtigte wissenschaftliche Neugier weckt in einer Zeit, da es im neuen Lettland an dieser Universität frei behandelt werden kann. Ich möchte vor allem das klarstellen, was die Soziallehre der Kirche nicht ist und nicht sein will. Sie ist vor allem keine politische Lehre und erst recht keine wirtschaftliche Lehre. In der Sicht der Kirche besitzen der religiöse und der politisch-wirtschaftliche Bereich, obwohl sie Kontaktpunkte aufweisen, eine innerliche Selbständigkeit, die es zu achten und zu fördern gilt. Der Hinweis des Evangeliums dazu ist kategorisch: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört” (Mt 22,21). Im sozialen Bereich fühlt sich die Kirche daher nicht aufgerufen, „technische” Optionen vorzulegen, wie sie in die Zuständigkeit des Staates oder der rechtmäßigen Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft gehören. Aber der Staat sollte ebenso die spezifische Sendung der Kirche bei der Verbreitung des Evangeliums und der Bildung der Gewissen anerkennen. Kirche und Staat sind also, insofern sie im Dienst der gleichen Menschen stehen, moralisch zum Dialog und zur Zusammenarbeit verpflichtet. Die Soziallehre der Kirche ist ferner kein Surrogat des Kapitalismus. Tatsächlich hat sich die Kirche trotz ihrer entschiedenen Verurteilung des „Sozialismus” seit der Enzyklika Rerum novarum von Leo XIII. auch immer von der kapitalistischen Ideologie distanziert und sie für schwere soziale Ungerechtigkeiten verantwortlich gemacht (vgl. Rerum novarum, Nr. 2). In der Enzyklika Quadragesimo anno ver- 633 REISEN wendete Pius XI. seinerseits klare und starke Worte, um den internationalen Imperialismus des Geldes anzuprangem (Quadragesimo anno, Nr. 109). Diese Linie wurde auch weiter vom Lehramt bekräftigt und ich selber habe nach dem historischen Scheitern des Kommunismus nicht gezögert, ernste Zweifel an der Gültigkeit des Kapitalismus anzumelden, wenn damit nicht die schlichte „Marktwirtschaft”, sondern „ein System (gemeint ist), wo die wirtschaftliche Freiheit nicht in eine feste Rechtsordnung eingebunden ist, die sie in den Dienst der vollen menschlichen Freiheit stellt” (Centesimus annus, Nr. 42). Die Soziallehre der Kirche ist endlich kein dritter Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Sie ist nämlich wesentlich „Theologie” (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 41), oder eine Sache, die den Plan Gottes mit dem Menschen betrifft, und sie beschäftigt sich daher mit Wirtschaft und Politik nicht, um deren technische und organisatorische Aspekte zu bewerten, sondern um die unvermeidlichen ethischen Auswirkungen aufzuzeigen. Ihre Aufgabe ist nicht der Entwurf eines „Systems”, sondern das Aufzeigen der unüberschreitbaren Grenzen und die Empfehlung von möglichen Wegen, wenn die verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Projekte, die in der konkreten Geschichte der Völker angesichts unendlich vieler Varianten formuliert werden, des Menschen würdig bleiben und dem Moralgesetz entsprechen. 3. Welches sind also die Grundlinien dieser Botschaft? Es sei mir gestattet, kurz die Hinweise vorzulegen, die ich in Centesimus annus angeboten habe, einer Enzyklika, in der ich die Jahrhundertfeier von Rerum novarum würdigen wollte, und die provi-dentiell in die Zeit kurz nach der völlig überraschenden Auflösung eines granitenen Machtsystems fiel, das vom realen Sozialismus errichtet worden war. Wer hätte auch nur wenige Jahre zuvor ein solches Ereignis voraussehen können? Es ging um eine Wende, die etwas Wunderbares an sich hatte, bei dem man schwer die Hand Gottes übersehen kann, des Herrn der Geschichte und des weisen Lenkers der menschlichen Dinge, in ständigem geheimnisvollem Dialog mit der Freiheit des Menschen. Tatsächlich waren die Forderungen, von denen sich dieses System historisch herleitete, real und schwerwiegend. Die Situation der Ausbeutung, der ein unmenschlicher Kapitalismus das Proletariat seit den Anfängen der Industriegesellschaft unterworfen hatte, stellte tatsächlich eine Gemeinheit dar, die auch die Soziallehre der Kirche offen verurteilte. Dies war am Ende das Körnchen Wahrheit am Marxismus, dank dessen er sich auch den westlichen Gesellschaftern als anziehend darbieten konnte. Doch die vorgeschlagene Lösung war zum Scheitern verurteilt. Wenn man den Menschen seines Bezugs zur Transzendenz beraubt, wird er zu wenig mehr als ein Tropfen im Ozean, und seine Würde verliert, auch wenn sie noch so aufrichtig anerkannt und verkündet wird, ihre festeste Garantie. Und so konnte es kommen, daß im Namen der „Klasse” oder eines angeb liehen Gutes der Gesellschaft, die einzelnen Menschen unterdrückt oder sogar erdrückt wurden. Diese tragische Erfahrung hat 634 REISEN unser Jahrhundert mehrfach gemacht, und es sollte sie in Zukunft nicht vergessen! „Die Leugnung Gottes beraubt die Person ihres tragenden Grundes und führt damit zu einer Gesellschaftsordnung ohne Anerkennung der Würde und Verantwortung der menschlichen Person” (Centesimus annus, Nr. 13). 4. Daher ergibt sich der erste Festpunkt der Soziallehre der Kirche, von dem sich alle anderen herleiten: Die Sozialordnung hat den Menschen zum Mittelpunkt, der in seiner unveräußerlichen Würde als nach dem Bild Gottes entworfenes Geschöpf gesehen wird. Vom Wert des Menschen her ergibt sich der Wert der Gesellschaft, und nicht umgekehrt. Diese Feststellung darf freilich nicht so verstanden werden, als ob der einzelne und die Gesellschaft sich entgegenstünden. Im Gegenteil ist der Mensch seiner Struktur nach ein Beziehungswesen. Wenn seine erste und grundlegende Beziehung die zu Gott ist, dann bleibt unverzichtbar und lebenswichtig auch die Beziehung des Menschen zu seinesgleichen. Diese objektive gegenseitige Abhängigkeit gewinnt die Würde einer Berufung und wird zum Aufruf zu Solidarität und Liebe, nach dem Vorbild jener erhabenen und unaussprechlichen Beziehungen, die nach der christlichen Offenbarung das innere Leben des dreieinigen Gottes kennzeichnen. Aus dieser Sicht des Menschen ergibt sich auch die richtige Sicht der Gesellschaft. Mit dem Beziehungscharakter der menschlichen Person als Mittelpunkt kann sie nicht als unförmige Masse angesehen werden, die am Ende vom Staat aufgesogen wird; sie ist vielmehr anzuerkennen als geordneter Organismus und „verwirklicht sich in verschiedenen Zwischengruppen, angefangen von der Familie bis hin zu den wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Gruppen, die in derselben menschlichen Natur ihren Ursprung haben und daher - immer innerhalb des Gemeinwohls - ihre eigene Autonomie besitzen” (Centesimus annus, Nr. 13). 5. Auf der Grundlage dieses Prinzips verstehen sich die von der Soziallehre der Kirche als unverzichtbare Ansprüche erklärten Dinge, wie immer der Staat, die Wirtschaft und die Gesellschaft gestaltet sein mögen: - die Bestimmung der Güter für alle als Ausdruck des für alle gedachten Geschenkes Gottes und der Solidarität, die die Beziehungen unter den Menschen kennzeichnen muß; - die Berechtigung des Privateigentums, auch in seiner sozialen Funktion betrachtet als Voraussetzung der unerläßlichen Autonomie der Person und der Familie; - die Anerkennung der Bedeutung der Arbeit, ausgehend von der Würde des menschlichen Subjektes, das sie tut, und dieses darf nie auf eine Ware und einen bloßen Ring im Produktionsgetriebe reduziert werden; - die Förderung einer menschlichen Umwelt, zu der die Achtung vor jedem menschlichen Wesen gehört, von seiner Empfängnis an bis zu seinem natürlichen Ende, als Grundlage einer echten „kosmischen Ökologie”; - eine ausgewogene Sicht des Staates, die seinen Wert und seine Notwendigkeit betont, aber ohne jeden totalitären Anspruch; ein Staat also, der als Dienst der 635 REISEN Synthese, des Schutzes, der Ausrichtung der bürgerlichen Gesellschaft gesehen wird, in Achtung vor ihr, ihrer Initiative und ihren Werten; ein Rechtsstaat und zugleich Sozialstaat, der allen die rechtlichen Garantien eines geordneten Zusammenlebens bietet und den Schwächeren die Unterstützung sichert, die sie brauchen, wenn sie nicht der Übermacht oder der Gleichgültigkeit der Starken erliegen sollen; - der Wert der Demokratie, als Führung des Staates unter Beteiligung durch spezifische Organe der Vertretung oder Kontrolle im Dienst des Gemeinwohls verstanden; eine Demokratie, die über ihre Regeln hinaus vor allem eine Seele hat, gebildet aus den grundlegenden Werten, ohne die sie sich „leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus” verwandeln würde (Centesimus annus, Nr. 46). 6. Werte Herren, schon aus diesen zusammenfassenden Hinweisen ist leicht zu erkennen, daß die Soziallehre der Kirche nicht so sehr die konkreten organisatorischen Ausdrucksformen der Gesellschaft betrifft, sondern vielmehr die zugrundeliegenden Prinzipien, die ihm Richtung geben müssen, damit er des Menschen würdig ist. Die Rolle, die die Kirche für sich gegenüber Staat und Gesellschaft beansprucht, wo sie sich befindet, ist daher keine Rolle der Macht und erst keine der Privilegien, wohl aber des Zeugnisses vor allem im Bereich der Hinführung des Menschen zu den höchsten Werten seines Daseins. Was ihr am meisten am Herzen hegt, ist die Verkündigung des Reiches Gottes, das gewiß eine eschatologische Dimension besitzt, aber auch zum Aufbau der Welt nach dem Plan Gottes aufruft (vgl. Gaudium et spes, Nr. 39). Und gerade in diesem Bereich spürt die Kirche tief die Dringlichkeit des Dialogs mit euch, den Männern der Kultur. Dieser Dialog muß natürlich vor allem die Christen auszeichnen, die die gleiche Hoffnung teilen und Träger der einzigartigen Botschaft Christi sind. Leider haben schmerzliche historische Verhältnisse auch unter ihnen Spaltungen verursacht, die das ökumenische Bemühen zu überwinden sucht. Möge euer akademisches Zentrum eine Schmiede des kulturellen Ökumenismus sein, so daß es den Dialog zwischen den Glaubenden und ihre Begegnung mit den Menschen guten Willens fördert. Dieser Wunsch scheint mir vor allem durch die Tatsache bekräftigt, daß die Universität, an der bereits eine angesehene Fakultät für lutherische Theologie vorhanden ist, sich anschickt, auch eine Fakultät für katholische Theologie einzurichten. Welch außergewöhnliche Gelegenheit für Kontakt und Dialog! Wie sollten wir nicht reiche Früchte der Reifung des Denkens erwarten, nicht nur zum Vorteil einer immer tieferen kirchlichen Gemeinschaft, sondern auch für den Dienst an der integralen Förderung der Menschen und der Gesellschaft. Geehrte Herren, zweifellos stehen wir vor einer epochalen Wende. Hinter uns hegen blutige und unerhörte Tragödien, aus denen wir wunderbarerweise herausgekommen 636 REISEN sind, ohne allerdings auch schon für die Welt des Friedens, die wir uns alle wünschen, vorbereitet zu sein. Wir erleben vielmehr einen sehr heiklen Übergang der Geschichte Europas und der Welt, der durch absurde Konflikte gestört wird und auf einer weltumspannenden Szene mit tausend Widersprüchen. Niemand von uns ist in der Lage, die Zukunft vorherzusehen. Wir wissen freilich, daß die Welt so sein wird, wie wir sie wollen. Zu dieser gemeinsam übernommenen Verantwortung wollen wir Christen den Beitrag unserer gediegenen Hoffnung leisten, die sich auf die Gewißheit gründet, daß der Mensch nicht allein ist, denn Gott „hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingegeben hat” (Joh 3,16). Er ist ein Gott, der Vater und Freund ist, der trotz seines scheinbaren Schweigens zum Weggefährten des Menschen geworden ist. Ich danke euch daher, werte Freunde, für euren herzlichen Empfang. Möge heute für Lettland ein großer Weg des Dialogs zwischen Kirche und Kultur beginnen, so daß euer Vaterland darin Grund zu Hoffnung und Vertrauen für den Aufbau einer Zukunft in Freiheit und Frieden findet. Das ist der Wunsch, der in meinem Herzen zugleich zu innigem Gebet wird. Das Gute ist nicht immer bequem Ansprache bei der Abschiedszeremonie in Riga (Lettland) am 10. September Herr Präsident der Republik, verehrte Brüder im Bischofsamt, Herr Premierminister und Mitglieder der Regierung, meine Damen und Herren! 1. In Kürze werde ich Lettland verlassen, das mich mit so viel Freundschaft aufgenommen hat. In meinem Gedächtnis - und mehr noch in meinem Herzen - werde ich alles bewahren, was ich in diesen beiden Tagen gemeinsam mit euch erlebt habe: das Glaubenszeugnis der Eucharistiefeiem im Meca-Park und beim Heiligtum von Aglona; die Atmosphäre der Brüderlichkeit bei den Gebetsstunden mit den Vertretern der anderen christlichen Kirchen, zugleich Ausdruck einer großen gemeinsamen Hoffnung; die Begegnung mit der Welt der Kultur gestern abend in der Universität von Riga; dann die Begegnungen mit den Bischöfen und Priestern, den männlichen und weiblichen Ordensleuten und den Seminaristen. Ich werde in meinem Geist auch die Sorgen bewahren, mit denen euer Land zu tun hat, und ich versichere euch, daß ich für euch von Gott den notwendigen Weitblick, die Weisheit und den Mut erflehen werde, um mit ihnen fertig zu werden. 2. Dieser Pastoralbesuch hat mich weiter überzeugt, daß die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Probleme im Evangelium, wie es durch die Soziallehre der Kirche vermittelt wird, zwar keine technischen Lösungen, aber klare Grundsätze, die 637 REISEN sie leiten sollten, finden können, Grundsätze, die auch von denen geteilt werden können, die sich nicht als Christen oder Gläubige betrachten. Bevor ich euch verlasse, möchte ich allen meine Dankbarkeit aussprechen, die die verschiedenen Begegnungen vorbereitet, die mir Gedanken, Hoffnungen und Erwartungen vorgetragen haben, und allen Letten, die herbeigekommen sind, um den Papst zu begrüßen und anzuhören. Herr Präsident der Republik, Ihnen soll ein besonderer Ausdruck meiner Dankbarkeit gelten. Die staatliche und städtische Verwaltung hat keine Mühe gescheut, um dieses historische Ereignis unvergeßlich zu machen. Und unvergeßlich wird es gewiß für mich bleiben, weil ich so gut aufgenommen wurde, aber ich glaube auch für das lettische Volk, das sich hochherzig und einhellig beteiligt hat. Lettland hat die Tore seiner Institutionen und seines täglichen Lebens dem Bischof von Rom geöffnet, der als Pilger des Friedens und als Zeuge der Sorge der katholischen Kirche für alle Völker gekommen ist. Eure Nation hat viel gelitten und erwartet daher mit Recht viel von der nun voll erreichten Unabhängigkeit. 3. Ich konnte aus der Nähe die wichtigsten Aspekte des religiösen und bürgerlichen Lebens beobachten und das lebhafte Interesse feststellen, die schmerzliche Erfahrung der Vergangenheit - die voll von Widersprüchen war - in einen hoffnungsreichen Entwurf der Zukunft einzubringen. Es würde ja auch nicht weit führen, wollte man sich auf eine Verewigung der Erinnerungen an die Zeit beschränken, wo das Licht fehlte. Da nun endlich mit dem Licht der wiedergewonnenen Freiheit die Stunde des materiellen und moralischen Wiederaufbaus gekommen ist, gilt es auch für alle, gemeinsam Wege der Brüderlichkeit und des echt menschlichen Fortschritts einzuschlagen. Die gewünschten Ziele lassen sich erreichen, wenn alle Bewohner dieses Landes, das sich nach Frieden sehnt, konstruktiv mitwirken. Keiner kann sich verantwortlicherweise einer derart edlen Aufgabe entziehen. „Vince in bono malum”, „besiege das Böse durch das Gute” (Rom 12,21), war der Rat, den der Apostel Paulus, von oben inspiriert, den ersten Christen in Rom gab. Er ist immer aktuell und gilt heute voll und ganz für die Kinder Litauens, die aufgerufen sind, sich von drückenden negativen Erfahrungen ffeizumachen - der militärischen und politischen Besatzung, den Deportationen, dem erzwungenen Schweigen über Gott und den entsprechenden Folgen - durch eine alles überwindende Woge des Guten. Im Bereich des persönlichen Lebens muß die überzeugte Praxis der Tugenden zu einer neuen Aufgeschlossenheit für die Werte des Geistes und die Aüsübung der echten Freiheit hinzukommen, die sich auf positive Entscheidungen hin ausrichtet. Im Bereich der Familie, die ihre Würde als erste soziale Zelle zurückgewonnen hat, wird der einmütige Wille zum Dienen und zur gegenseitigen Achtung bei all ihren Mitgliedern eine sichere Garantie dafür sein, daß in ihr Liebe und Leben wachsen. In der bürgerlichen Gesellschaft und in den Institutionen des Staates aber wird das aufrichtige Anstreben des Gemeinwohls die Förderung und den Schutz der grundle- 638 REISEN genden Freiheiten sowohl von seiten der Regierenden wie von seiten der Bürger sicherstellen, wie immer ihr religiöser Glaube, ihr Ursprung und ihre Kultur sein mag. 4. Das Gute ist nicht immer bequem. Seine Praxis erfordert Mut, Hochherzigkeit, auch Entsagungen, bringt aber als Fracht ein friedliches und sicheres Zusammenleben. Pflegt daher das Gute, und strebt immer nach dem Besseren - und ihr werdet es in persönlichen und kollektiven Entscheidungen, die frei sind von jedem Egoismus, finden. Diesen Wunsch möchte ich aussprechen, wenn ich mich von Lettland verabschiede. Ich bete zu Gott, er möge ihn zugleich mit dem anderen annehmen: Das Streben der Letten nach Frieden möge ein einmütiges Echo in der internationalen Gemeinschaft finden und vor allem bei den aufgrund ihrer Geschichte und geographischen Lage am nächsten gelegenen Völkern. In einer Zeit der weltweiten Kommunikationen und der gegenseitigen Abhängigkeit aller ist euer Land aufgerafen, den eigenen besonderen Beitrag zu Frieden und Entwicklung zu leisten. Und es kann dies auch, wenn es sein reiches Erbe an religiösen und sozialen Werten einbringt, die durch das Opfer von zahlreichen Männern und Frauen, die für sie in eigener Person bezahlt haben, bekräftigt werden. Erweist ihnen Ehre. Auf euch alle aber möge in Fülle der Segen Gottes herabkommen. Eine Zukunft in Brüderlichkeit und Solidarität in internationaler Gemeinschaft gestalten Ansprache bei der Begrüßung in Tallinn am 10. September Herr Präsident der Republik, Herr Premierminister und meine Herren Minister, Herr Bürgermeister von Tallinn, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Vertreter der christlichen Kirchen, meine Freunde und Brüder! 1. Estland nimmt mich heute zum ersten Mal auf, und ich erweise dieser Nation meine Hochachtung. Mit meinem Besuch möchte ich ihre religiöse und bürgerliche Geschichte ehren, die oft von stürmischen und schmerzlichen Ereignissen, aber auch von ruhmvollen Taten und erhebenden Erinnerungen gekennzeichnet war. Bei meinem Pastoralbesuch in Finnland vor vier Jahren habe ich mich kurz auch mit einer beachtlichen Gruppe von Esten, in der Mehrzahl Katholiken, unterhalten, die sich in Helsinki versammelt hatten, um dem Papst zu begegnen und ihn einzuladen, auch zu ihnen zu kommen. Ich war davon freudig überrascht und tief ergriffen. Damals habe ich den Herrn gebeten, er möge mir eines Tages die Möglichkeit gewäh- 639 REISEN ren, nach Estland zu reisen, um für jene Einladung zu danken und das ganze Land zu grüßen. Heute hat Gott ihr und mein Gebet erhört: Er sei gelobt! 2. Seit jenem Tag im Jahre 1989, als die Begegnung stattfand, ist viel geschehen. Die Geschichte hat Ereignisse gebracht, die damals derart unerwartet waren, daß man wenigstens in einigen von ihnen die Spur eines Planes der göttlichen Vorsehung erblicken darf. Unter diesen Ereignissen ist für Estland und die übrigen baltischen Länder die Wiedererlangung ihrer rechtmäßigen Unabhängigkeit zu nennen. Nach schwierigen Jahren ist endlich das Licht der Freiheit wieder entzündet, angefangen mit der Religionsfreiheit; es wurde eine demokratische Verfassung verabschiedet; das bürgerliche Leben hat Wege des Friedens und der Brüderlichkeit eingeschlagen. Wie oft hat der Papst in seinem Herzen Gott für dieses „Wunder” gedankt! Vom Präsidenten der Republik und von der nicht zahlreichen, aber eifrigen Gemeinschaft der Katholiken eingeladen, ist er heute gekommen, um öffentlich und gerade hier in Estland dem Herrn seinen Dank für eine so große Gnade auszusprechen, und er tut es in der Gewißheit, damit auch die Gefühle freudiger Dankbarkeit all derer zum Ausdruck zu bringen, die hier geboren wurden oder leben. Bekanntlich hat der Hl. Stuhl von den ersten Tagen an, da die Unabhängigkeit Estlands verletzt wurde, sein Bedauern darüber ausgesprochen und später immer die Wiederherstellung der verletzten Freiheiten gewünscht und gefordert. Heute freut sich der Papst, persönlich das Glück der vollen Wiedererlangung der nationalen Unabhängigkeit teilen zu dürfen. 3. Mein Aufenthalt wird kurz, aber intensiv sein. Gerade hier in Tallinn nämlich werde ich nach der Begegnung mit den Vertretern der lutherischen, orthodoxen, Baptisten-, Methodisten- und anderer Kirchen die letzte Messe auf baltischem Gebiet feiern, bevor ich nach Rom zurückkehre. Bei all diesen Begegnungen religiösen Charakters, wie auch bei der mit dem Obersten Richter der Republik und mit anderen Vertretern dieses Landes wird mein Anliegen immer die Zukunft dieser edlen Nation sein, der ich glückliche und frohe Tage wünsche in einem Klima der Verständigung und der tatkräftigen Zusammenarbeit. Der Nachfolger Petri und alle Mitglieder der Gemeinschaft der Katholiken möchten dazu beitragen, daß Estland eine Zukunft in Eintracht, Frieden und Fortschritt be-schieden ist; eine Zukunft in Brüderlichkeit und Solidarität inmitten einer internationalen Gesellschaft, die immer mehr auf Achtung und gegenseitige Abhängigkeit in Freiheit hinstrebt. Gott segne Estland und jeden seiner Bewohner! 640 REISEN Gefordert sind Freiheit und Solidarität, Identität und Dialog Botschaft an die Welt der Kultur in Tallinn (Estland) am 10. September Männer der Kultur und der Wissenschaft in Estland! 1. Bei Gelegenheit dieses meines kurzen Aufenthaltes in Tallinn richte ich gern an jeden von euch einen herzlichen Gruß und spreche euch zugleich meine große Hochachtung für den qualifizierten Dienst aus, den ihr leistet. Ferner lege ich euch einige Gedanken vor, die ihr, wie ich hoffe, als Zeichen der Freundschaft annehmen werdet und als Einladung zu erneuter Zusammenarbeit zwischen der Kirche und der Welt der Kultur in eurer Nation. Wir haben in diesen letzten Jahren Wandlungen von epochaler Tragweite erlebt, die auch euer Vaterland direkt betroffen haben. Gefallen ist ein politisch-ideologisches Regime, das sich angemaßt hat, die entscheidende und endgültige Antwort auf die Bedürfnisse der Menschheit zu geben. Statt dessen hat es sich als ein verschlossenes und totalitäres System erwiesen, das nicht gezögert hat, die grundlegenden Rechte des Menschen mit Füßen zu treten, darunter an erster Stelle die Freiheit des Denkens. Viele von euch haben unsagbar gelitten, weil sie diese Freiheit beansprucht haben, die ein unveräußerliches Recht eines jeden Menschen ist, dazu für einen Intellektuellen die erste und lebenswichtige Voraussetzung für sein leidenschaftliches und unerschöpfliches Suchen nach der Wahrheit. Heute öffnet sich eine neue Seite. Ich kann mich nur lebhaft mit euch freuen. 2. Die langen Jahre der Diktatur haben eure nationale Identität zwar demütigen, aber nicht ersticken können. Eine Nation lebt ja von Werten und Überlieferungen, die derart tief in der Seele des Volkes verwurzelt sind, daß sie auch der politischen Unterdrückung widerstehen. Solcher „Widerstand” wurde in Estland gewiß auch durch das Werk jener Männer der Kultur begünstigt, die seit der ersten Rückgewinnung der Freiheit zu Beginn unseres Jahrhunderts sich dem aufmerksamen Studium der estländischen Sprache gewidmet haben, worin die Überlieferungen, die Kultur und das historische Erinnerungsvermögen eures Volkes ein spezifisches Echo finden. Die Sprache bildet nämlich gleichsam einen Ort der Ablagerung, wo - wie in einem jahrhundertealten Lager - das reiche und vielgestaltige kulturelle Erbe der Nation bewahrt bleibt. Wie sollten wir hier nicht an die Verdienste der berühmten Universität von Tartu und die interessanten an ihr durchgeführten Forschungen denken, die den Weg eurer Sprache dokumentiert haben? Auf der gleichen Linie nationaler Schätze sind die Studien über die Volkskultur und die Archäologie zu erwähnen. Zweifellos muß diese Erforschung der estländischen Kultur als ein erstrangiges Element für die Entwicklung eures Nationalbewußtseins gelten. Die Sprache ist ja Träger der bürgerlichen Erfahrungen und Errungenschaften eines Volkes. In einem gewissen Sinn ist sie die Offenbarung seiner Seele, trägt sie das Zeichen ihres Genius an sich, seiner Gefühle, Kämpfe und Bestrebungen. Auch das mehrteilige Bild 641 REISEN ihrer Dialektformen dokumentiert oft das Bemühen um Zusammenleben und Dialog, die die Verschiedenheiten in einem gemeinsamen Horizont vereinen und die Einheit einer Nation prägen. 3. Es darf daher nicht verwundern, daß gerade in diesem Zusammenhang einer reifen wissenschaftlichen Aufgeschlossenheit, die sich dem Studium der Sprache widmet, sich hier in Estland eine auch in internationalen Kreisen berühmte Schule der Semiotik gebildet hat. Der historisch-philologische Zugang, der die Besonderheiten einer bestimmten Sprache auswertet, und der strukturelle Zugang, der die. Zusammenhänge und die Konstanten des Sprachphänömens heraussteilen möchte, erweisen sich als zwei sich ergänzende Zugänge, wenn sie nicht ideologischen Radikalisierungen verfallen, um die vielfältigen semantischen Bedeutungen der Sprache abzuschatten, sei es als Werkzeug der Identifizierung, sei es als Mittel der Kommunikation: beides grundlegende Werte, die in einem ausgewogenen Gleichgewicht gepflegt werden müssen. Heute, hebe Freunde, kann Estland endlich wieder es selber sein. Es kehrt zu seiner Sprache, seinem Genius und zu seinen Institutionen zurück. Doch es tut das vor einer internationalen Szene mit großen Spannungen, bei denen zum Sinn für Freiheit und Identität mehr denn je notwendig die Offenheit für Dialog und Solidarität hinzukommen muß. Von den Intellektuellen ist der heikle Dienst einer Förderung dieser unerläßlichen Synthese gefordert. Es geht um die Pflege dessen, was die Menschen unterscheidet/ohne zu vergessen, was sie eint. Zumal die Sprache sollte ein Werkzeug der Identität sein, nicht eine Schranke, die trennt. Dies gilt erst recht dort, wo mehrere Völker Zusammenleben, für die die Annahme der Sprache und die Achtung vor ihr sowie vor der Kultur der verschiedenen sozialen Gruppen für ein geordnetes und friedliches Zusammenleben wesentliche Voraussetzung ist. Geschichte und Kultur unserer Zeit scheinen in der Aufforderung übereinzukommen, daß wir unsere Sprachen sprechen, doch zu den Sprachen der anderen Brük-ken bauen, und vor allem aufmerksame Hörer und Leser jener großen Sprache des Universums werden, die die Völker im ständigen und unerschöpflichen Bemühen vereint, ihr Geheimnis zu entziffern. 4. Gefordert sind also Freiheit und Solidarität, Identität, und Dialog. Die katholische Kirche möchte gemeinsam mit den anderen Christen verschiedener Bekenntnisse, die auch auf eurem Territorium anwesend sind, diese großen und unverzichtbaren Werte bezeugen. Sie besitzt große Hochachtung vor dem Wert der Freiheit und hält ihn sogar für notwendig, nicht nur für das Wachstum der Person und die Entfaltung eines geordneten sozialen Zusammenlebens, sondern auch zur Ausbildung eines echten religiösen Lebens. Zum Glauben gehört nämlich seiner Natur nach die freie Antwort des Menschen, und diese kann nie die Frucht eines Zwanges sein. Auf der anderen Seite entzieht uns unsere Anhänglichkeit an Christus, den wir als „Weg, Wahrheit und Leben” (Joh 14,6) anerkennen, nicht dem grenzenlosen Hori- 642 REISEN zont des menschlichen Forschens, weil ja das Geheimnis, an das wir geglaubt haben, größer als unser Verstehen ist und uns zu immer weiterem Nachdenken verpflichtet, innerhalb der Koordinaten des Glaubens freilich und in fruchtbarem Dialog mit der Kultur unserer Zeit. Der Glaube läßt uns allerdings auch den Sinn und die Grenzen der menschlichen Freiheit erkennen, deren Fundament in Gott hegt und deren echteste Ausdrucksform die Liebe ist. Die christlich verstandene Freiheit vollzieht sich daher in einem Strom, der von der Liebe zur Wahrheit und dem Eintreten für Solidarität gekennzeichnet ist. 5. In dieser komplexen Stunde der Geschichte, wo es so schwierig ist, die Umrisse der Zukunft vorherzusehen, und wo am Horizont der Menschheit auch die Wolken nicht fehlen, scheint alles zu einer neuen Freundschaft zwischen Kirche und Kultur einzuladen. Ihr Konvergenzpunkt ist der Dienst am Menschen, am konkreten Menschen mit seiner Größe und seinem Elend, zum Guten und zum Bösen fähig, sich selbst ein Geheimnis und strukturell offen für das größere Geheimnis, in dem seine unveräußerliche Würde ihre Grundlage hat. In ihrer zweitausendjährigen Geschichte hat die Kirche eine breite Erfahrung mit dem Menschen angesammelt. Sie ist ja Menschen sämtlicher Kontinente und Altersstufen begegnet, die unter sich äußerst verschieden sind. Sie bietet ihnen schon immer das Evangelium als Antwort auf die tiefsten Sehnsüchte des Herzens an. In dieser Verkündigung bietet die Kirche aber nicht eine Ideologie an, sondern eine Person, die Person Jesu, in der der unsichtbare und unzugängliche Gott in der Welt als Mensch unter Menschen präsent wird. In ihm ist nicht nur Gott offenbar geworden, sondern auch der Mensch sich selber. 6. Weit also davon entfernt, sich den großen Aufgaben der Geschichte zu entziehen, ist die christliche Verkündigung äußerst aufmerksam auf den Menschen, sein Leben und sein Geschick. Trifft sich nun diese Sicht etwa nicht mit der grundlegenden Frage unserer Zeit, eben dem Problem des Menschen? Es steht zu viel auf dem Spiel, als daß man nicht wünschen müßte, die heutige Kultur möchte sich mutig diese Frage stellen und sie mit den Kräften der Vernunft aufgreifen, doch sich zugleich für das Zeugnis des Glaubens öffnen, das nur ein engherziges und fatales Vorurteil einer gewissen Kultur in den letzten Jahrhunderten zu den Forderungen der Vernunft und den tiefen Interessen des Menschen in Gegensatz bringen konnte. 7. Es muß also ein neuer Dialog beginnen, zu dem die Kirche gern ihren Beitrag leistet. Keiner soll vermuten, hinter diesem Wunsch stände der Keim eines neuen Klerikalismus oder der Plan, im geheimen Machtpositionen zu sichern. Die Kirche wünscht nichts anderes als ein Klima des achtungsvollen und unbeschwerten Dialogs, so daß ein jeder seine Gründe Vorbringen kann und die Wahrheit sich Bahn bricht. Es sollte heute für immer die Zeit der Religionskriege und der ideologischen Gewalttätigkeiten vorbei sein. 643 REISEN An diesem entscheidenden Dialog über den Menschen beteiligt sich die Kirche, indem sie erneut die Verkündigung des Evangeliums einbringt, die am Ursprung ihres Lebens steht, und indem sie diese vor allem in der Synthese vorlegt, die das Zweite Vatikanische Konzil erarbeitet hat, und was die Probleme der Gesellschaft angeht, in ihrer spezifischen Soziallehre. In dieser letzteren spricht sie jene wesentlichen und unverzichtbaren Werte an, die gewahrt werden müssen, wenn man eine Gesellschaft nach Menschenmaß will. 8. Ich wünsche mir also, hebe Intellektuelle von Estland, daß auch in eurem Vaterland dieser Dialog vertieft wird, denn von ihm darf man sich zahlreiche positive Erfolge für Kultur und Gesellschaft erwarten. Im Evangelium heißt es: „Die Wahrheit wird euch frei machen” (Joh 8,32). Während Estland zügig den neuen Weg der politischen Freiheit beschreitet, wäre es gut, wenn alle, denen das Schicksal der Freiheit am Herzen hegt, sich bewußt wären, daß, wenn diese in den rechtlichen Strukturen und in der sozialen Praxis geachtet werden soll, der persönliche Einsatz und das verantwortliche Wirken eines jeden die Voraussetzung bilden. Auf diesem Weg der Freiheit steht die Kirche voll Freude dem neuen Estland zur Seite, dem ich von Herzen eine Zukunft des Fortschritts und des Friedens wünsche. Euch aber, Männer des Denkens, gilt mein Dank und meine Freundschaft, während ich auf alle den Segen Gottes herabrufe. Die Menschheit steht heute an einem Scheideweg der Zivilisation Ansprache beim ökumenischen Gebetstreffen in Tallinn (Estland) am 10. September „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes” {Mt 28,19). 1. Das ist der letzte Auftrag Christi an die Jünger, und Matthäus hat ihn im letzten Abschnitt seines Evangeliums wiedergegeben. Die letzten Worte eines lieben Menschen sind gewöhnlich die bedeutsamsten, über die man am meisten nachdenkt. Oft sind sie auch die bewegendsten, die im Herzen der Empfänger die meisten Erinnerungen weckt. Worte, die dazu anspomen, dem Menschen, der sie gesprochen hat, und seinem Lebensprogramm treu zu bleiben. Es sind Worte, die auch an uns, Jünger Christi des 20. Jahrhunderts, persönlich und gemeinschaftlich gerichtet sind, während wir uns hier in seinem Namen in Talinn in diesem Gotteshaus versammelt haben, das in allen estnischen Christen und in der gesamten Landesbevölkerung so viele Erinnerungen weckt. Es sind gewaltige Worte, die, während sie uns nach unseren Beziehungen zu ihm und den Beziehungen unter uns befragen, Rechenschaft fordern über unsere Gemeinsamkeiten und 644 REISEN unsere Meinungsverschiedenheiten und uns den Weg der brüderlichen Liebe und des Dienstes weisen, derer die Welt so dringend bedarf und auf welche sie wartet. 2. Der Apostel Matthäus berichtet, daß „die elf Jünger nach Galiläa auf den Berg gingen, den Jesus ihnen genannt hatte” (Mt 28,16). In einem Satz, der zu denken gibt, sagt der Evangelist, daß die elf Apostel, „als sie Jesus sahen, vor ihm niederfielen”, und er fügt hinzu: „Einige aber hatten Zweifel” (Mt 28,17). Diese Zweifel, die er in seiner Erzählung sorgfältig aufgezeichnet hat, hielten jedoch in den Herzen der Jünger nicht lange an. Denn ein anderer Evangelist, Markus, schließt seinen Bericht mit den Worten: „Sie aber zogen aus und predigten überall” (Mk 16,20). Außerdem gibt Lukas an, daß „sie dann in großer Freude nach Jerusalem zurückkehrten” (Lk 24,52). Die Zweifel waren also in kurzer Zeit dem neuen frohen Bekenntnis des Glaubens an die Gottheit ihres Herrn und Meisters gewichen. Mit der Kraft seiner Gnade gingen die Jünger rasch vom Zweifel über zu einer noch überzeugteren Verkündigung der Heilsbotschaft. Wie im Augenblick, als der Sturm gebändigt wurde (Mt 8,26-27), konnte die göttliche Gnade wiederum die innere Leere füllen, die durch den „geringen Glauben” derer entstanden war, die Jesus unmittelbar folgten. Obwohl sie mehrmals erfahren hatten, daß ihr Meister „Worte des ewigen Ixbens” hatte (Joh 6,68), hörten sie seine Lehren und beurteilten sie aber oft noch nach menschlichen Maßstäben, die sich häufig auf die Erfahrung der mit den Sinnen wahrnehmbaren Wirklichkeiten beschränkten und deshalb für die weiten Horizonte des göttlichen Handelns völlig ungeeignet waren. Die tiefen Worte des Meisters - das menschgewordene Wort - paßten nicht in den engen Rahmen ihrer Vorstellungen und Erfahrungen. 3. Bei unserem brüderlichen Gebetstreffen ist es mir lieb zu denken, daß auch die Spaltungen zwischen den Christen wie die Zweifel der ersten Jünger unter dem Antrieb der Liebe zu Jesus, dem Retter und Erlöser, die wir alle teilen, Schritt für Schritt der einheitlichen Verkündigung der Wahrheit des Evangeliums über Gott, über Jesus und über die Kirche weichen. Im Augenblick der Himmelfahrt handelte es sich um Zweifel, welche die Jünger vor der geheimnisvollen Wirklichkeit des verherrlichten Imbes des Auferstandenen spalteten. Die Zweifel, die heute die verschiedenen christlichen Bekenntnisse trennen, betreffen vielmehr jene andere, nicht weniger geheimnisvolle Wirklichkeit, die der Apostel Paulus mit dem dichten und eindrucksvollen Wort „Leib Christi” bezeichnet (1 Kor 12,27). Wie in den Anfängen der Christengemeinde ist auch heute die Wiederherstellung der Einheit der Jünger von Grund auf Frucht einer besonderen Gnade Christi, die wir verpflichtet sind, als Geschenk seiner heilbringenden Liebe anzunehmen. Eine außerordentliche Gnade, bemessen nach der ständigen Fragwürdigkeit der persönlichen und gemeinsamen Haltungen der Christen, die durch nicht immer ausgewogene Entscheidungen gespalten sind, welche in einer jetzt von allen beklagten Vergangenheit getroffen wurden. Denn wir wissen wohl, daß in der göttlichen 645 REISEN Heilsökonomie die Gnade dort besonders reichlich fließt, wo die Sünde und alles, was zur Sünde fuhrt, überwiegen. Immer ist es Gott, der mit unendlicher Geduld das von seiner Liebe gewobene Netz der menschlichen Geschichte in Ordnung bringt, wenn es vom Menschen durch die Sünde zerrissen wurde. „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde” (Mt 28,18). Das ist die grundlegende Bekräftigung, die den letzten Worten des Herrn vorausgeht. Worte, die, weil sie die letzten sind, zum Anfang des Lebens der Kirche werden und deshalb wie Feuer und Licht im Herzen jedes Christen brennen. , Im letzten Augenblick des Abschieds von denen, die ihm nahe gewesen waren,, erinnert Christus die Elf daran, daß die Kirche, der er gerade den Auftrag geben will, das Evangelium in der Welt zu verkünden, auf seiner göttlichen Vollmacht gründet. Die Kirche lebt, weil sie von Christus als Zeichen seiner Liebe und der von ihm gewirkten Erlösung gewollt wurde. Deshalb soll die Kirche so sein, wie er sie gewollt hat: eine, weil Christus einer ist. Die Kirche ist eine einzige gemeinschaftliche und gesellschaftliche Wirklichkeit, vom Wort Christi zusammengerufen, denn er allein hat „Worte des ewigen Lebens” (Joh 6,68), er, der „das Alpha und das Omega” (Offb 1,8) unseres Lebens als Einzelmenschen und als Gemeinschaft ist. Damit diese Wirklichkeit jeden Tag deutlicher ins Bewußtsein aller Christen rückt, haben wir uns heute hier versammelt, um die Gnade der Einheit der Christen zu erbitten und zu eiflehen. Gemeinsam beten scheint tatsächlich die grundlegende Voraussetzung zu sein, auch für weitere Schritte zu dem so sehr erwünschten und notwendigen Ziel. Beten wir gemeinsam Christus an und erkennen wir die Macht, die ihm im Himmel und auf Erden gegeben ist. 5. Weil Jesus „alle Macht” gegeben ist, wird der Auftrag besonders wichtig, den er den Elf erteilt hat: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern” (Mt 28,19). Verweilen wir einen Augenblick, um darüber nachzudenken, was für Petrus, Jakobus, Johannes und die anderen Apostel dieser „allumfassende Auftrag” bedeutet, der ihnen, vom Meister hinterlassen wird, als er von ihnen Abschied nimmt. „Alle Völker” - das heißt alle Menschen der damaligen Zeit und aller Zeiten, jenes Landes und aller Länder - sind ein außerordentliches Ziel, das auf den ersten Blick zu weit ist im Verhältnis zu ihren Kräften und ihren intellektuellen und moralischen Fähigkeiten. „Alle Völker” schließt die Tatsache mit ein, daß sich die Sendung der Apostel an alle Völker richtet, um sie anzuleiten, die Lehre Christi in die Tat umzusetzen. Diese Worte von so weiter und tiefer Bedeutung weisen darauf hin, daß von jenem Augenblick an kein Unterschied mehr gemacht wird zwischen dem „Volk des Bundes” und den anderen Völkern. Mit einer fast übermäßigen Deutlichkeit macht der Alte Bund dem Neuen Bund Platz. Es naht bald der von den Propheten angekündigte Tag, an dem sich das eine „Volk Gottes” offenbart, in dem.alle Völker der Erde Platz finden werden. Eine gewaltige Aufgabe! Im ersten Augenblick dachten diejenigen der Jüngergruppe, die vielleicht gezweifelt hatten, daß es sich um eine 646 REISEN Utopie handle. Denn der Unterschied zwischen dem erhaltenen Auftrag und ihnen, begrenzten und unerfahrenen Menschen, erschien zu groß. Der Pfingstgeist sollte es sein, der sie die Tiefe und die Weite jener Worte verstehen ließ, die Ausdruck der göttlichen Macht sind, die Jesus Christus im Himmel und auf Erden besaß und besitzt. Auch nach Pfingsten sollen die neuen Generationen der Jünger weiter über sie nachdenken mit viel Demut, Tag für Tag und Jahrhundert um Jahrhundert bis zum Ende der Zeiten. 6. Auch wir wollen heute über sie gemeinsam mit größerer und vertiefter Demut nachdenken. Denn wir sind Erben einer- Vergangenheit, deren ermutigenden Großtaten - vielleicht, um zu betonen, daß allein dem Herrn Ehre und Herrlichkeit gebühren - nicht selten, mit Schwächen, Torheiten und Fehlem verbunden waren. Daraus folgte, daß man den Willen Christi nicht beachtete, der dafür gebetet hatte, daß seine Jünger, eingegliedert in seine Gemeinschaft mit dem Vater, „eins” seien (.Joh 17,22). Gmndlegende Voraussetzung für die Evangelisierung „aller Völker” ist, daß wir, die wir Christus als unseren einen Herrn anbeten, voll „seine Jünger” werden. Das heißt, daß sich die Christen einzeln und gemeinsam der ganzheitlichen Erfahrung des Evangeliums und seiner Lehren verpflichtet fühlen sollen. Wahre Jünger des Herrn sein, heißt wie für Johannes den Täufer, daß Er wächst und wir kleiner werden (vgl. Joh 3,30). Es erfordert, daß der Leerraum, entstanden durch den Verzicht auf unsere Egoismen, von den Lehren und den Gefühlen Christi ausgefüllt wird. Es ist notwendig, daß das Leben der Christen immer gleichförmiger wird mit dem Leben Christi. Die überzeugte Suche nach persönlicher und gemeinschaftlicher Heftigkeit erweist sich dann als vorrangiges Prinzip und Hauptantrieb des Ökumenismus. 7. Am Schluß der kurzen, aber einschneidenden Abschiedsrede, die im Matthäusevangelium wiedergegeben wird, richtet Jesus seinen Blick in eine zweifache Richtung. Einerseits denkt er an alle Menschen der Welt ohne Ausnahme: Alle sind berufen, seine Jünger zu werden durch die Taufe und den fügsamen Gehorsam gegenüber all dem, was er geboten hat. Andrerseits denkt er an die Elf, an die kleine Gruppe der Apostel, denen er die Verkündigung der Frohbotschaft aufgetragen hat. „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt”, lauten die letzten Worte des menschgewordenen göttlichen Wortes (Mt 28,20). Die Erfahrung christlicher Brüderlichkeit, die wir heute zusammen in dieser gast-freundschaftlichen Stadt Tallinn gemacht haben, läßt in unserem Geist diese Worte Christi stark widerhallen, sowohl in ihrer Bedeutung, die alle Menschen betrifft, als auch im Hinblick auf die Elf. Diese Worte tragen das Echo von zwanzig Jahrhunderten der Heiligkeit und der Sünde, hochherziger Zeugenschaft für die Worte des Herrn und dramatischer Überlagerung durch die Worte der Menschen mit sich. In den Augenblicken, wo die Heiügkeit und das Wort des Herrn vorherrschen gegenüber dem Elend des Menschen, hat die Welt Gnadenzeiten erlebt: Das Licht der Offenbarung erstrahlte über der Welt und den Menschen, die Jünger Christi geworden 647 REISEN sind und das Wohl und die Freude, die von Gott kommen, haben verkosten können. Krisen und Augenblicke des Zweifels sind hingegen entstanden, wenn die Untreue der Christen die Wahrhaftigkeit gegenüber dem Evangelium verdunkelt hat, welche die kostbarste Wirklichkeit der Kirche ist. 8. Liebe Schwestern und Brüder, die menschliche Geschichte hat in unseren Tagen überraschende und hohe Ziele, aber auch traurige Rekorde des Elends erreicht. Hier ist nicht der Ort, die einen und die anderen aufzuzählen. Man kann jedenfalls sagen, daß die Menschheit heute zur selben Zeit über Mittel verfügt, die das Leben der menschlichen Gemeinschaft immer angenehmer oder immer unerträglicher machen. Der Mensch steht heute an einem wirklichen Scheideweg der Zivilisation, von wo Wege ausgehen, die zum Fortschritt oder zum sozialen, kulturellen und geistigen Rückschritt führen können. Diese Situation zeigt sich auch in den starken ökumenischen Strömungen, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind. Mehr denn je ist die Einheit der Christen notwendig, daß die Menschen „das Leben haben und es in Fülle haben” {loh 10,10). Die Suche nach der Einheit ist deshalb ein echter Dienst an der Welt von heute. Das Erreichen der gewünschten Einheit unter allen an Christus Glaubenden, kann und wird gewiß eines der wichtigsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte sein. Sie wird ein außerordentliches Zeichen der Liebe Gottes zur Menschheit sein, zu der durch die Menschwerdung der Sohn Gottes selbst gehört. Sie wird auch ein Ausdruck unseres aktiven Gehorsams sein gegenüber allem, was der Immanuel, der Gott mit uns, geboten hat in Ausübung „aller Macht”, die ihm im Himmel und auf Erden gegeben ist. Sein Wort befolgen und sein Wort leben: Das ist die Voraussetzung dafür, die Welt zu verändern und vor allem die Heiligkeit der Kirche zu bezeugen. Sein Wort befolgen: Das ist der Schlüssel, um endgültig den Weg zu öffnen, der zur Einheit der Christen führt als Ausdruck des evangelischen Dienstes, den die Kirche der gesamten Welt anbietet. Sich selbst in der vollen Wahrheit seines Seins verwirklichen Predigt bei der heiligen Messe in Tallinn (Estland) am 10. September 1. „Darum nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat” (Röm 15,7). Die heutige Liturgie, die ich in Tallinn, der Hauptstadt von Estland, feiern darf, greift die Worte auf, die damals vom Apostel Paulus an die Römer gerichtet waren. Christus hat uns angenommen, und die Eucharistie, die wir nun feiern, ist das Sakrament dieser Annahme durch Gott als höchster Ausdruck der Liebe. Denn die Liebe nimmt an. 648 REISEN Christus ist als Emanuel in die Welt gekommen, damit Gott mit uns sei. Er hat die Menschen durch alles das angenommen, was er getan und gelehrt hat, durch das Evangelium der Wahrheit und der Liebe. Er hat durch sein Pascha-Mysterium die ganze Menschheit endgültig angenommen, das heißt durch seinen Tod am Kreuze und seine Auferstehung. Hat er nicht gesagt: „Wenn ich von der Erde erhöht sein werde, werde ich alle an mich ziehen” (Joh 12,32)? Nach der Auferstehung aber, als er sich zur Herrlichkeit des Vaters aufzusteigen anschickte, waren seine letzten Worte auf Erden: „Seht, ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt” (Mt 28,20). Liebe Brüder und Schwestern, das Ziel dieser unserer Begegnung, die in der Eucharistiefeier ihren Mittelpunkt hat, ist gerade die Erneuerung und Vertiefung des Bewußtseins der Liebe, mit der Christus einen jeden von uns annimmt. 2. „Der Gott der Hoffnung und des Trostes schenke euch die Einmütigkeit, die Christus Jesus entspricht” (Röm 15,5), damit ihr bereit seid, einander anzunehmen, wie Christus euch angenommen hat (vgl. Röm 15,7). Die Lesungen aus der Bibel, die eben in unserer Versammlung vorgetragen wurden, sagen uns, welches die verschiedenen Weisen der gegenseitigen Annahme oder der gegenseitigen Liebe nach dem Beispiel Christi sind. Ein Becher Wasser, in seinem Namen angeboten! Das ist ein Symbol für alle jene Werke, in denen man echte Liebe zu den Mitmenschen zeigt. Die Liebe kann also einer einzigen Person gelten, die in Not ist, aber auch ganzen Gruppen und Gesellschaftskreisen, die vor besonderen Problemen und Bedürfnissen verschiedener Art stehen. Es gibt auch noch eine weitere Form, Christus nachzuahmen: Sie besteht im gegenseitigen Sich-Ertragen: „Wir müssen die Schwäche derer tragen, die schwach sind, und dürfen nicht für uns selbst leben” (Röm 15,1). Ertragen meint auch, geduldig sein; es meint, „lebendige Hoffnung haben” und den Unterdrückten Trost bringen (vgl. Röm 15,4). Von der Liebe zu jedem Menschenwesen geleitet, hat Jesus sehr strenge Worte für jene, die anderen Ärgernis geben. Er sagt: „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde” (Mt 18,6). Nach dem Beispiel Christi den anderen Gutes tun meint daher, sie nicht auf die Wege des Bösen abgleiten lassen. Das Ärgernis ist einem Mord vergleichbar, denn man kann ja nicht nur physisch töten, sondern auch im geistigen und moralischen Sinn. 3. Liebe Brüder und Schwestern, die Gemeinschaft, die ihr in eurem Land bildet, sollte gründlich über die Worte nachdenken, die uns die heutige Liturgiefeier anbietet. Sie muß betrachten, was die Tatsache bedeutet, von Christus angenommen zu sein, und welche Pflicht sich daraus ergibt, einander anzunehmen. Ihr habt mit Liebe und Begeisterung, so wie man einen Jünger des Herrn und Nachfolger seiner Apostel annimmt, euren Apostolischen Administrator, Msgr. Justo 649 REISEN Mullor Garcia, angenommen. Er vertritt mich in den drei baltischen Ländern und ist für euch auf diesem Territorium Zeuge und Leiter der Gemeinschaft der Katholiken auf den Wegen Christi. Ihm gilt mein herzlicher Gruß wie auch allen anwesenden Bischöfen. Ich grüße ferner herzlich die Priester, die männlichen und weiblichen Ordensleute und alle, die aktiv an der Verbreitung des Evangeliums mitarbeiten. Viele von diesen Aposteln des Reiches Gottes kommen'aus verschiedenen Nationen und sind hierher gekommen, um beim Werk der neuen Evangelisierung mitzuarbeiten. Sie sind zu euch gekommen „aus Liebe zu Christus und in seinem Namen” {3 Johl). Liebe Brüder und Schwestern, nehmt sie offenen und bereitwilligen Geistes an, nehmt hochherzig auch die Schwestern von Mutter Teresa sowie die Mitglieder jener katholischen Bewegungen und Verbände an, die dank ihrer pastoralen Erfahrung euch helfen können, die Horizonte kennen- und schätzen zu lernen, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil für den Weg der Kirche in unserer Zeit eröffnet worden sind. Eure Gemeinschaft nimmt heute ferner zahlreiche Katholiken an als eure Brüder und Schwestern, die aus anderen Gegenden kommen: Russen, Weißrussen und Polen, Litauer und Letten und solche, die aus noch weiter entfernten Ländern wie Amerika stammen. Versucht immer, diese Menschen zu verstehen und „aufzunehmen, damit auch ihr zu Mitarbeitern für die Verbreitung des Evangeliums werdet” (3 Joh 8). 4. Doch es gibt auch Formen der gegenseitigen Annahme, die zu den konkreten Berufungen und sozialen Strukturen gehören, worin die Vorsehung euch hineinversetzt hat. Vor allem die Annahme in der Familie zwischen den Ehegatten, die in treuer und unverbrüchlicher Liebe verbunden sind, einer Liebe, die geheiligt ist und ihrerseits heiligt und die von Christus kraft eines besonderen Geschenkes der Gnade und Liebe zum Sakrament der Ehe erhoben wurde. Die Annahme des Lebens in Ehe und Gesellschaft. Wir wissen gut, wie sehr eine dem Wert des menschlichen Lebens feindlich gesinnte Mentalität, die sich in unserem Jahrhundert entwickelt hat, die bittere Frucht' der Abwesenheit Gottes in den Herzen der Menschen ist. Die Kirche folgt treu der Lehre Christi und will, daß man das werdende Leben als ein Geschenk hochschätzt und daß man das Leben der Leidenden schützt. Der Egoismus sowie der Pessimismus sollen überwunden werden, und man soll immer dem Leben in Liebe dienen im Namen Gottes: „Wie Christus euch geliebt hat.” ; Meine Lieben, bei euch soll eine echte Annahme eurer Brüder und Schwestern in den Pfarrgemeinschaften stattfinden. In ihnen kommt es zu den Initiativen der gemeinsamen missionarischen Berufung der Priester und Laien „als augenscheinliches Beispiel für das gemeinschaftliche Apostolat” (Äpostolicam actuositatem, Nr. 10). In den Pfarreien findet die Verschiedenheit der Charismen ihre Einheit und wird die Solidarität sämtlicher Arbeiten und Sendungen deutlich, die der Geist eurem Gewissen nahelegt. 650 REISEN Seid annahmebereit auch der bürgerlichen Gemeinschaft gegenüber, in sie wie ein Sauerteig eingefügt, der Initiativen der Entwicklung und des Fortschritts weckt. Befähigt euch, die irdischen Tätigkeiten mit hochherzigem Eifer zu vollziehen, und bewahrt zugleich die rechte Ordnung des Handelns, indem ihr Christus und seinem Evangelium treu bleibt. So wird euer persönliches und soziales Leben Tag für Tag vom Gesetz und den Forderungen der Gerechtigkeit und Liebe bestimmt. 5. „Seht, ich bin bei euch” (Mt 28,20). Möge jeder Mensch diese lebendige Präsenz Christi erkennen, wenn er von euch angenommen wird, und sich klar werden, wieviel ihr im Namen Christi und seinem Beispiel folgend als ihm geeinte lebendige Glieder vollbringt. Sie mögen in euren Werken sehen, daß Christus in euch präsent ist. Das mögen auch die Brüder im Glauben erkennen, die anderen christlichen Bekenntnissen angehören. Es mögen endlich alle anerkennen, die anderen religiösen Glaubensauffassungen anhängen oder sagen, sie wären keine Gläubigen. Seid allen gegenüber Zeugen der Liebe, die annimmt, und tragt zur Förderung der Gleichheit und Wahrheit bei, zur Eintracht und Zusammenarbeit, zur brüderlichen Liebe und zur Einheit. Seid ihr die ersten, den Weg des Verständnisses und der Kenntnis anderer zu beschreiten, so daß allmählich die etwa vorhandenen Hindernisse des Mißtrauens und der Vorurteile überwunden werden und es möglich wird, immer mehr zu jener Einheit hinzufinden, die Christus von Anfang an geschenkt und die er für seine Kirche und die ganze Welt gewünscht hat. 6. „Die Weisung des Herrn ist vollkommen; sie erquickt den Menschen; das Gesetz des Herrn ist verläßlich, den Unwissenden macht es weise” (Ps 19,8). Das Gesetz Gottes gewinnt dank des uns von Christus hinterlassenen Zeugnisses seine volle Bedeutung. Möge dieses Zeugnis unser Leben und unser Verhalten immer begleiten. Nie soll uns der Stolz blind machen, jener Stolz, vor dem uns der Antwortpsalm warnt. Nur wenn er den Blick auf Christus, den Emanuel und das höchste Lebensvorbild, richtet, kann der Mensch sich selber in der vollen Wahrheit seines Seins verwirklichen, weil gerade Christus „den Menschen sich selber olfenbart hat”, indem er ihm seine echte Würde aufzeigte (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). 7. Was soll ich also eurer Gemeinschaft anderes wünschen als das, was mit dem „Salz” im Evangelium gemeint ist? Das Salz ist ein Gewürz, das die persönliche und soziale Existenz des Menschen vor dem Verderben bewahrt. Wie das natürliche Salz die vom Menschen verzehrte Speise bewahrt, so sichert das Salz des Evangeliums die geistige Gesundheit der einzelnen und der Gesellschaften. „Habt Salz in euch, und haltet Frieden untereinander” (Mk 9,50). Christus hat uns angenommen - zur Ehre Gottes. Nehmt daher einander an. Amen! 651 REISEN Am Ende der heiligen Messe in Tallinn - nach zwei kurzen Grußworten in Finnisch und Polnisch - sprach der Papst Italienisch weiter und richtete an die anwesenden Gläubigen folgende Worte: Ich möchte diesen Pastoralbesuch, den ich nach Fügung der Vorsehung in diesen Tagen in Litauen; Lettland und Estland machen durfte, abschließen. Ich bin ergriffen, daß ich in diesem Land und in dieser Stadt weilen darf, daß ich die Eucharistie im Zentrum von Tallinn, der Hauptstadt von Estland, feiern durfte. Wir wollen dem allmächtigen Gott danken, daß er eine solche Reise und einen solchen Besuch des Papstes uns allen gestattet hat. Noch vor wenigen Jahren wäre er nicht möglich gewesen. Heute aber wurde er Wirklichkeit. Wir wollen auf die Vorsehung schauen, die uns gestattet hat, in Europa diese Wandlungen zu erleben, die auch zur Unabhängigkeit der Baltischen Staaten geführt haben: zur Unabhängigkeit Litauens, Lettlands und Estlands. Wir wollen von diesem geographischen und historischen Punkt aus auf unseren ganzen Kontinent blicken. Zusammengebrochen ist die in Yalta entschiedene Logik der zwei großen Blöcke, und daher sind die Länder, Völker und Staaten frei und unabhängig geworden und haben ihre Souveränität zurückgewonnen. Ich beglückwünsche euch zur wiedergewonnenen Souveränität, die in der Person eures Präsidenten zum Ausdruck kommt, im Parlament und in der öffentlichen Ordnung, wie sie einem demokratischen Land eigen ist. Schauen wir von diesem Ort Europas auf das Ganze der europäischen Länder von West nach Ost, vom Atlantik bis zum Ural, dann sollten wir die grundlegenden Rechte bekräftigen, die den Menschen, Gemeinschaften und Völkern ein Leben in Frieden und in gegenseitiger Achtung vor ihren Rechten gestatten. Fundament der menschlichen, christlichen, demokratischen europäischen Kultur sind die Rechte der Person des Menschen und auch die Rechte der Völker. Sehr angemessen erscheinen die Worte der heutigen Liturgiefeier, die wir bereits in der Homilie bedacht und betrachtet haben. Wir wollen einander annehmen, weil Christus uns alle angenommen hat. Wir wollen uns in den Beziehungen von Mensch zu Mensch annehmen. Irgendwie laufen sie alle auf die Achtung vor den Rechten der Person des Menschen hinaus. Die gegenseitige Achtung bei den Beziehungen zwischen Völkern und Staaten kommt auch in der Achtung der gegenseitigen Rechte dieser Völker und Staaten zum Ausdruck. So geht die gesamte Ordnung des menschlichen Zusammenlebens auf zwei Ordnungen von Rechten zurück: auf die Rechte der Menschen und auf die Rechte der Völker. Einander annehmen will sagen, unter den verschiedenen Völkern die Rechte der jeweils anderen annehmen. Die großen und kleinen Völker sollen sich der gleichen Achtung vor ihren Rechten erfreuen dürfen. Wenn diese gegenseitige Achtung fehlt, könnten wir erneut zu dem zurückkehren, von dem wir uns gerade entfernt haben, weil unser Jahrhundert ja genügend bewiesen hat, wie sehr die Rechte der Menschen und der Völker mit Füßen getreten werden können. Wenn wir uns zum Eintritt in ein neues Europa vorbereiten, das gerecht und würdig seiner auch christlichen Überheferung und Wurzeln ist, müssen wir erneut in der 652 REISEN Tiefe diese beiden Ordnungen bedenken: die Rechte der Personen und die Rechte der Völker. Wir erinnern uns gut an die tragische Zeit der europäischen Geschichte dieses Jahrhunderts, als alle sich bereitmachten, die Freiheit und die Rechte der anderen unter Anwendung von Gewalt mit Füßen zu treten. Es war die Zeit der Angst und der Einschüchterung, die Zeit, wo der Grundsatz des Übergewichts der Macht herrschte. Nun wollen wir in eine andere Epoche eintreten. Nach der Erfahrung dieses Jahrhunderts mit so vielen Jahrzehnten menschlicher Leiden der einzelnen und der Nationen wollen wir in die Epoche der gegenseitigen Achtung eintreten, wo die Großen auch die Kleinen achten. Alle sollen geachtet werden, und zumal die Kleinsten brauchen die Achtung vor ihren souveränen Rechten. Es darf nicht Angst und Einschüchterung herrschen, wenn andere stärker und größer sind. Die Letzteren dürfen nicht bei den Kleinsten und Schwächsten nur Einschüchterung und Furcht hervorrufen, sondern müssen selber die Garanten der vollen Achtung der Rechte der anderen sein. Dies sind meine Gedanken nach dem Besuch der drei baltischen Länder, angefangen in Litauen, dann in Lettland und heute hier in Estland. Ich möchte der göttlichen Vorsehung für eure Unabhängigkeit, eure Souveränität und eure zurückgewonnene Freiheit danken, zugleich aber alle Brüder und Schwestern der großen europäischen Familie bitten, die international wirksamen Mittel zu finden, um auf unserem Kontinent eine gerechte Ordnung zu sichern. Das erbitte ich vom allmächtigen Gott, das erbitte ich über seine Mutter von Christus, ich erbitte es aber auch von den menschlichen Instanzen, von den europäischen Institutionen und zumal von den Europäern selber, von den Völkern und den Regierungen. Es geht hier um ein Gemeingut unseres Kontinents, das wir nicht zerstören dürfen. Bei der heiligen Messe haben wir gebetet und vor allem das Wort Christi gehört: „Meinen Frieden gebe ich euch.” Zum Abschluß meines Besuches und dieser Feier in Tallinn möchte ich euch allen, Brüder und Schwestern in Litauen, Lettland und Estland, diesen Frieden wünschen, der von Christus kommt. Die Kirche möchte Dienerin des Menschen, der Person, der Gemeinschaften und Nationen und der ganzen Menschheit sein. Der Papst selber nennt sich Diener der Diener Gottes. Wir wollen diesen Dienst weiterfiihren, auch durch den Dienst des Petrus und aller Christen für unseren Kontinent und die gesamte Welt. Liebe Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter, Bürger dieser Hauptstadt Tallinn und aller anderen Städte, ich empfehle mich auch eurem Gebet. Um das Programm dieses Friedens auf unserem Kontinent zu verwirklichen, braucht es vor allem viel Gebet, weil das wahrhaft Gute nicht nur durch menschliches Bemühen zustandekommt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.” Es braucht auf unserem Kontinent und in der ganzen Welt viel Gebet. Es bleibt notwendig, weil der Friede in Europa bedroht ist. Wir sehen das vor allem auf der bal-kanischen Halbinsel. Möge doch dieser Krieg sich in Frieden verwandeln! 653 REISEN Ich wünsche euch, meine Lieben, alles Gute von Gott, dem allmächtigen Vater, durch seinen Sohn Jesus Christus, unseren Erlöser, und in der Kraft des Heiligen Geistes. Amen. Eine bedeutsame Stunde auf dem ökumenischen Weg Ansprache bei der Abschiedszeremonie in Tallinn (Estland) am 10. September Herr Präsident der Republik, Herr Premierminister und Vertreter der Regierung, verehrte Brüder im Bischofsamt, meine Damen und Herren! 1. Wenn ich diese pastorale Reise in die Baltischen Länder in Tallinn abschließe, möchte ich die letzten Augenblicke vor meiner Abreise nach Rom dem Gebet und dem Dank widmen; dem Gebet zu Gott gemeinsam mit euch; dem Dank an euch in der Gegenwart Gottes. Ich danke dem Herrn für den Besuch, den ich in diesem geliebten Gebiet machen durfte, und für die so intensiven und bedeutungsvollen Stunden, die ich in Estland verbracht habe. 2. Ich konnte feststellen, daß in den drei baltischen Nationen ein Klima der von allen geteilten Hoffnung herrscht. Nach dem gemeinsamen Leid aufgrund der Verweigerung der Unabhängigkeit und der Erstickung der grundlegenden Freiheiten schreiten die Bürger Estlands, wie auch die von Lettland und Litauen, hochherzig auf dem Weg der Demokratie im Rahmen des wieder hergestellten Rechtsstaates voran. Unter den Freiheiten, deren Genuß die Demokratie sicherstellt, ist die Religionsfreiheit grundlegend. Mit ihr wird nicht nur die Gott als Schöpfer und Herrn des Universums gebührende Achtung gesichert, sondern auch die dem Menschen geschuldete Achtung, der das Recht hat, seine religiöse Überzeugung öffentlich und privat zum Ausdruck zu bringen. 3. Der tatkräftige Wille zu nationaler Unabhängigkeit und der feste Wunsch, den Wert der echten Freiheit zu erfahren, beginnen nun im Leben der einzelnen und in der gesamten bürgerlichen Gemeinschaft eures Landes ihre Früchte zu tragen. Auch aus diesem Grund sei Gott gedankt. Möge er allen Bürgern des Baltikums eine Weiterführung der derzeitigen positiven Erfahrung gewähren und schneller die Stunde herbeiführen, wo die mitgemachten Ereignisse nur noch in den Geschichtsbüchern zur wirksamen Belehrung der künftigen Generationen bewahrt werden, die dann besser die Güter zu schätzen wissen, die um den Preis von manchmal großen Leiden gewonnen wurden. 4. Ein besonderer Grund des Dankes an den Herrn ergibt sich dann aus den Stunden intensiver ökumenischer Ergriffenheit, die ich unter euch erleben durfte. Gerade 654 REISEN weil die Katholiken in diesem Land eine Minderheit bilden, weiß ich als Bischof von Rom die brüderlichen Beziehungen zu schätzen, die die anderen christlichen Bekenntnisse zu ihnen unterhalten. Bei der Betrachtung des Wortes Gottes und im Gebet, das wir heute früh gemeinsam mit den lutherischen, orthodoxen, Baptisten-, Methodisten- und anderen Brüdern erhoben haben, sehe ich einen Keim jenes echten Ökumenismus, der in den Mittelpunkt die Anbetung Gottes und das Suchen nach der Wahrheit stellt: So verläuft der sichere Weg, um zur erwünschten Einheit der Christen zu gelangen. Tallinn wird für den Papst eine bedeutsame Stunde auf dem ökumenischen Weg bleiben und ein Grund, mit vertrauensvoller Hoffnung in die Zukunft zu blicken. 5. Herr Präsident der Republik, in Ihrer Person erblicke ich alle Esten, deren höchster Vertreter Sie sind. Durch Sie gilt ihnen mein Dank. Seit ich in Tallinn ankam, waren Sie eifrig bemüht, mir eine Aufnahme anzubieten,, die voll Achtung und Freundschaft war. In Ihrer Höflichkeit habe ich ein Zeichen des edlen Geistes aller Esten erbückt. In Ihren Sorgen aber angesichts der aktuellen Probleme des Landes und der Region habe ich die Sorgen Ihrer Mitbürger widerklingen gehört. Doch vor allem in Ihrer Hoffnung auf die Zukunft sowie in Ihren Vorschlägen für die Vorbereitung eines des Menschen würdigeren Morgen habe ich den gemeinsamen Willen erkannt, Estland endgültig in die Zahl der Nationen einzuführen, die fest in der Achtung vor jenen unveräußerlichen Rechten verwurzelt sind, die ihre Grundlage in der Natur des Menschen selber besitzen. 6. Im Mittelalter, als - mehr aus Eigeninteresse als aus Liebe zum Evangelium - aus fernen Ländern Soldaten herkamen und hier den Glauben mit dem Schwert aufzwingen wollten, hat sich der Bischof von Rom überzeugt ihrem Ansinnen widersetzt. Der Papst hörte die Gesandten Livlands an, die sein Eingreifen zur Wiederherstellung des Friedens und zur Verteidigung der Rechte des Volkes forderten, das in Gefahr schwebte, das heilige Geschenk der Freiheit zu verlieren. Der Papst hat auch die religiöse Freiheit der Völker Livlands geschützt, zu denen das estländische Volk gehörte. Es war zur Zeit meines Vorgängers Innozenz III., der dieses Land „Maaijamaa”, „Land Mariens”, genannt hat. Es waren gewiß andere Zeiten, doch die Menschen von damals waren am Ende die gleichen wie heute, und sie standen vor den gleichen Herausforderungen, den gleichen Freuden und den gleichen Leiden. Die Geste des Papstes war zwar an eine bestimmte geschichtliche Periode gebunden, aber sie bleibt bis heute im kollektiven Gedächtnis als ein besonderer Erweis der Freundschaft des Sitzes des Petrus gegenüber den Völkern Livlands erhalten, die die ersten Schritte im Glauben taten. 7. Dieser historische Eingriff liegt zeitlich weit zurück, Heß sich aber von den gleichen Grundsätzen leiten, die den Heiligen Stuhl in jüngster Zeit veranlaßt haben, aktiv und unzweideutig die Unabhängigkeit der baltischen Länder zu verteidigen. Im Falle Estlands war diese Haltung ferner irgendwie noch bedeutsamer. Wenn er vor der internationalen öffentlichen Meinung das Recht dieses Landes auf Unab- 655 REISEN hängigkeit in Schutz genommen hat, dann dachte der Heilige Stuhl nicht so sehr an die kleine Gemeinschaft der Katholiken, sondern an die gesamte Bevölkerung. Er verteidigte den estländischen Menschen als solchen: die in diesem Land geborenen Menschen oder auch jene, die hergekommen waren, um in der Gesellschaft Estlands zu leben und zu arbeiten. 8. Auch in Zukunft kann es nicht anders sein. Glücklicherweise lassen die heutige Lage und der neue internationale Zusammenhang darauf hoffen, daß ähnliche Verhältnisse, wie die baltischen Nationen sie mitgemacht haben, sich nicht wiederholen werden. Diese Hoffnung stützt sich sowohl auf den ständigen Fortschritt der sogenannten „Kultur der Menschenrechte” auch in dieser Gegend Europas als auch auf die Wachsamkeit der internationalen Gemeinschaft. Der Heilige Stuhl wird es seinerseits nicht daran fehlen lassen, sich für die beiden vielversprechenden Elemente der Eintracht und des Friedens einzusetzen. Ich spreche meine aufrichtigen Gefühle herzlicher Achtung und lebhafter Freundschaft für euer Estland aus und für das gesamte geliebte baltische Land. Gott segne die Völker des Baltikums! Gott segne Estland und alle seine Söhne und Töchter! 656 REISEN 11. Pastoralbesuch in La Verna und Camaldoli (17. September) Der hl. Franziskus - ein Vorbild für die Einheit von Glaube und Leben Predigt in der Eucharistiefeier im Sanktuarium von La Verna am 17. September 1. Seht diesen Mann, „zu seiner Zeit wurde das Gotteshaus ausgebessert, in seinen Tagen der Tempel befestigt” (Sir 50,1). Dieser Mann heißt Franziskus, der „neue Mensch, den der Himmel den Menschen geschenkt hatte” (vgl. hl. Bonaventura, Legenda maior, XII,8; Hier und im folgenden zitiert nach: Franziskus. Engel des sechsten Siegels. Sein Leben nach den Schriften des heiligen Bonaventura. Einführung, Übersetzung und Anmerkungen von Sophronius Clasen OFM, Werl 1962, [Franziskanische Quellenschriften, Bd. 7]). Hier befinden wir uns auf seinen Spuren. Hier ist der Poverello von Assisi gewesen. Hier hat er jene große Liebe verkündet, die sein Herz erfüllte. Diese Liebe machte ihn dem Gebebten, dem Gekreuzigten, gleich: „...ich trage die Zeichen lesu an meinem Leib” (Gal 6,17). Die Worte des hl. Paulus haben sich in ihm auf wunderbare Art und Weise erfüllt, und Umbrien war Zeuge dieses Wunders, wie auch dieser Ort in den Bergen, den ich heute besuchen kann: La Verna! 2. Liebe Brüder und Schwestern! Eigentlich hatte ich bereits im vergangenen Jahr die Absicht, euch zu besuchen; aber ihr wißt, daß es mir damals leider nicht mögüch war. Daher freut es mich sehr, heute in eurer Mitte zu sein. Ich grüße alle von ganzem Herzen, insbesondere den Erzbischof von Florenz, Kardinal Silvano Piovanelli, den Bischof dieser Diözese, Msgr. Giovanni D’Ascenzi, die anderen hier anwesenden Bischöfe, die Priester und Ordensleute wie auch die Vertreter der verschiedenen apostolischen Vereinigungen und Bewegungen. Ferner grüße ich den Bürgermeister von Florenz, jener Stadt, die seit Jahrhunderten aus vielen Gründen mit La Verna verbunden ist, ebenso wie die Vertreter der Gemeindeverwaltung dieses alten Bergdorfs, dem der Name Chiusi della Verna ungewöhnliche Wertschätzung verleiht. Mit ganz besonderer Freude wende ich mich an den Orden der Minderbrüder in den Personen ihres Generalministers und des für die Toskana zuständigen Provinzial-ministers. Ich grüße und danke dem Guardian dieses hl. Klosters, Pater Eugenio Barelli, wie auch den anderen Ordensleuten, die alle „jederzeit Gastfreundschaft gewähren” (vgl. Röm 12,13). Liebe Brüder von La Vema, es ist eure Aufgabe, die Gegenwart des hl. Franziskus an diesem Ort zu wahren, damit jene, die hier hinaufsteigen, in seiner Wirklichkeit jenes Mysterium der leibhaftigen Gleichgestaltung mit dem ge- 657 REISEN kreuzigten Christus nachempfmden können, das sich im September 1224 durch das Empfangen der Wundmale hier vollzogen hat. 3. Die Wundmale, die am Leib des hl. Franziskus erkennbaren Narben des Martyriums Christi waren das außergewöhnliche Zeichen, durch das sich jenes Kreuz offenbarte, das er - im wahrsten Sinn des Wortes - jeden Tag auf sich nahm. Hat Jesus etwa nicht gesagt: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach ... wer sein Leben um meinetwegen verliert, der wird es retten” (vgl. Lk 9,23-24). Franziskus, hat sich die volle Wahrheit dieses Paradoxons zu eigen gemacht. Für ihn war das Evangelium das tägliche Brot. Er las nicht nur die Worte, sondern suchte anhand der in der Schrift enthaltenen Aussage nach demjenigen, der das Evangelium verkörpert. In Christus kommt die göttliche Heilsökonomie voll zum Ausdruck: „verlieren” und „gewinnen” im definitiven und absoluten Sinn. Durch sein Leben verkündete Franz von Assisi gestern wie auch heute die Heilsbotschaft des Evangeliums. Es wird wohl kaum einen anderen Heiligen geben, dessen Botschaft so weit über „die Prüfung der Zeit” hinausgeht. Der hl. Franziskus ist in gewisser Hinsicht ein universaler Heftiger; durch ihn hat Christus das Evangelium nicht nur seiner Zeit vermitteln wollen, sondern allen Zeiten, auch der unseren, Kulturen und Zivilisationen, die untereinander grundverschieden sind. Jener, der sein Leben für Christus „verloren hat”, „hat es gerettet” - auf wunderbare Art und Weise gerettet. 4. Die Wundmale, die Franziskus in La Verna empfangen hat, sind ein Zeichen ganz besonderer Bedeutung. Sie sind ein eingehendes Zeugnis seiner Wahrheit. Der Poverello zeigt sich uns als derjenige, der sich auf wahrhaftige und innige Art und Weise des „Kreuzes Christi rühmte”, nicht anderer Dinge, allein „des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn” (vgl. Gal 6,14). Ein Zeichen der auf Liebe begründeten Gleichförmigkeit. Franz von Assisi greift die Worte des Apostels Paulus auf: durch das Kreuz Christi und kraft der Liebe „ist mir die Welt gekreuzigt und ich der Welt” (vgl. Gal 6,14). Die Welt will nicht gekreuzigt werden: sie flieht vor dem Kreuz. Der Mensch schreckt davor zurück, „der Welt gekreuzigt zu werden”. So war es zur Zeit des hl. Franziskus, und so ist es auch heute. Der ewige Kampf zwischen der „Welt” und dem Kreuz geht weiter: es ist der Kampf mit dem Kreuz des Heils! Es sieht demnach fast so aus, als sei Franz von Assisi kein zeitgemäßer Zeuge mehr, als habe er keine Bedeutung. Derjenige, der zu Christus sagt: „Du bist mein Herr; mein ganzes Glück bist du allein” (Ps 16,2), scheint die heutige Mentalität zu irritieren. Oft erkennt der Mensch den Herrn über ihm nicht an; er will Herr seiner selbst und der Welt sein. Daher wird die Botschaft des hl. Franziskus umso mehr ein Zeichen des Widerspruchs. Eine solche Botschaft müßte auf Ablehnung stoßen, und doch wird mehr und mehr nach ihr gesucht. 658 REISEN 5. Diese Botschaft ist ein dringender Aufruf zu Christus zurückzukehren, um in seinem Kreuz „den Weg und das Licht der Wahrheit” (vgl. hl. Bonaventura, De triplici via III,5) wiederzufmden: jene Wahrheit, die uns freimacht, denn durch sie werden wir zu Jüngern des göttlichen Meisters. Der geistliche Weg des hl. Franziskus war von dieser Treue zum menschgewordenen Gottessohn gekennzeichnet, dessen Selbstverleugnung und totale Entäußerung er bedingungslos nachzufolgen versuchte (vgl. Phil 2,7). Das machte ihn, wie der hl. Bonaventura schreibt, im wahrsten Sinn des Wortes zum „christlichsten unter den Armen” (Legenda maior VIII,5). Dieser Weg der leibhaftigen Nachfolge erreichte in La Vema mit dem Empfangen der Wundmale seinen Höhepunkt. Jener Augenblick war, trotz körperlicher Qualen, die Verkündigung seines Sieges, vergleichbar mit dem des hl. Paulus, von dem die zweite Lesung berichtet, die wir soeben gehört haben: „Denn ich trage die Zeichen Jesu an meinem Leib” (Gal 6,17). Somit stellt die Stigmatisation von La Vema jene sichtbare Gleichförmigkeit mit Christus dar, die Franz von Assisi zu jenem Beispiel macht, an dem sich jeder Christ auf seinem Weg der progressiven Annäherung an Gott, den Schöpfer und Erlöser, inspirieren kann. In dieser Hinsicht sind jene Worte des hl. Franziskus von Bedeutung, als er am Ende seines Lebens sagte: „Was ich tun konnte, habe ich getan; möge nun Christus euch lehren, was ihr tun sollt” (vgl. Bonaventura, Legenda maior, XIV,3). 6. Mit diesen Worten ist kein selbstzufriedenes Insichzurückziehen gemeint, sondern sie sind vielmehr eine demütige Danksagung für das, was der Herr an ihm vollbracht hatte. Sie bedeuten nichts anderes als: möge Christus auch euch lehren, seine Jünger zu sein, so wie er mich gelehrt hat. Mit absoluter Treue folgte der hl. Franziskus vor allem zwei Lehren des göttlichen Meisters: Gehorsam gegenüber dem Papst, dem Stellvertreter Christi auf Erden, und Verehrung und Nacheiferung seiner heiligen Mutter Maria. Die Legitimierung seines Wirkens in der Kirche wie auch die Gründung einer neuen Ordensgemeinschaft ist voll und ganz auf den Worten des ersten Kapitels der Ordensregel begründet: „Bruder Franziskus verspricht Gehorsam und Ehrerbietung dem Herrn Papst”. In diesem Sinne empfahl er seinen Gefährten kurz vor seinem Tod, den „Glauben der Heiligen Römischen Kirche” (vgl. Bonaventura, Legenda maior, XIV,5). Auch umfing Franziskus „die Mutter unseres Herrn Jesus (...) mit unsagbarer Liebe, weil sie uns den Herrn der Herrlichkeit zum Bruder gegeben hat, (...) Nächst Christus setzte er sein Vertrauen vor allem auf sie” (vgl. Bonaventura, Legenda maior, IX,3). Er eiferte Maria nach in seinem meditativen Schweigen, vor allem nachdem er von Christus auf diesem Berg die Zeichen Seines Leidens empfangen hatte. Damit wollte er sagen: je größer die von Gott geschenkten Gnadengaben, umso mehr sind ihre Empfänger verpflichtet, sie zu verbergen. Der hl. Bonaventura schreibt: „Der 659 REISEN engelgleiche Mann Franziskus (stieg) vom Berge herab. Er trug dabei das Bild des Gekreuzigten an sich , das (...) der Finger des lebendigen Gottes den Gliedern seines Leibes eingeprägt hatte. (...) (Er) verbarg (...) wie ein Mann, dem der König sein Geheimnis anvertraut hat, jene heiligen Wundmale, so gut er konnte” (vgl. Legenda maior, XIII,5). 7. „Er hat sein Volk gegen Plünderung gesichert, seine Stadt gegen den Feind befestigt” (Sir 50,4). Liebe Brüder und Schwestern! Diese Stelle aus dem Buch Sirach, die wir zu Beginn der Messe gehört haben, bezieht sich auf Christus selbst: immer ist er um sein Volk bemüht. Durch das Kreuz ist er mit der Geschichte der Menschheit - in den menschlichen Herzen - verwurzelt. „Die gekreuzigte Welt” offenbart sich in Christus stets von neuem als die „geliebte Welt”: „Denn Gott hat die Welt so sehr gebebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab” (Joh 3,16). Franz von Assisi war und ist auch heute noch Zeuge dieser grenzenlosen Liebe. Liebe allein kann die Menschheit und die Welt vor dem Scheitern retten; diese Welt, die den Menschen bedrängt und auf vielerlei Art und Weise bedroht. 8. An diesem dir so teuren Ort woben wir uns nun dir zuwenden, heibger Franziskus. Wir kommen zu dir, um erneut unsere Überzeugung zu stärken, daß Liebe größer ist als jede negative Kraft. Wir grüßen dich am Ende dieses zweiten christlichen Jahrtausends! Es grüßt dich die Kirche und die gesamte Menschenfamibe. Wir bitten dich, den Armen von Assisi, „stärke das Heibgtum” auch in unserer heutigen Zeit! Stärke die Kirche! Amen. Das Leben lieben, die Ewigkeit vor Augen Angelus in La Verna am 17. September Liebe Jugendliche! Liebe Schwestern und Brüder! 1. Was hat euch so besonders hingezogen zu diesem Ort, der vor acht Jahrhunderten Schauplatz der mystischen Vereinigung des gekreuzigten Christus mit seinem außerordentlichen Nachahmer, Franz von Assisi, war? Angezogen hat euch die charismatische Figur des „Poverello”. Jahrhunderte sind vergangen, und der Heilige von Assisi spricht zu uns, als lebte er heute noch. Die von ihm ausgegangene geistbche Bewegung ist wie ein Frühbng der Jugend, der 660 REISEN pünktlich in jeder Generation von neuem erblüht. Und doch gibt es im Lebensstil dieses Menschen des 13. Jahrhunderts einige so ursprüngliche Züge, die ihn für uns unnachahmlich und in weiter Feme erscheinen lassen. Trotz allem oder vielleicht auch deshalb besitzt er weiterhin eine unglaubliche Anziehungskraft. Die Wahrheit ist, daß unsere Zeit, die zwischen Errungenschaften und Niederlagen schwankt, zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin und hergerissen ist, den Weg einer neuen Authentizität sucht. Der hl. Franziskus bietet ganz klar das Bild eines authentischen Menschen, eines verwirklichten Menschen, der es verstanden hat, den Frieden mit Gott, mit sich selbst, mit den anderen und mit dem Kosmos zu finden. 2. Aber was ist der tiefe Kern dieser Persönlichkeit, das wahre Geheimnis seiner Anziehungskraft? Es ist zweifellos seine Entscheidung für Christus. Vom Gespräch des jungen Franz mit dem Gekreuzigten von San Damiano bis zur Identifizierung mit Christus, dem Gekreuzigten, plastisch ausgedrückt in den Wundmalen, die er hier in La Vema empfängt, geht der ganze Weg der Bekehrung. In seinem Testament beschreibt er selbst den entscheidenden Wendepunkt in seinem Leben. Es lohnt sich, die einfachen und bewegenden Worte seiner Erzählung wieder zu hören: „Der Herr gewährte mir, Bruder Franz, also anzufangen und Buße zu tun, denn weil ich in Sünden war, schien es mir zu bitter, die Aussätzigen zu sehen; und der Herr selbst führte mich unter sie und erwies ihnen Erbarmen. Und als ich von ihnen wegging, wurde mir das, was mir bitter erschienen war, in süßen Trost für Seele und Leib umgewandelt” (Testament, FF 110). Seht: Christus, den er in San Damiano gehört und im aussätzigen Menschenbruder umarmt hat, ist das neue Licht von Franziskus. Ist das vielleicht ein Verzicht auf Leben? Im Gegenteil, er wird jetzt noch fähiger, es zu kosten und zu besingen. Sein „Sonnengesang”, entstanden in einer Stunde heftigen Leidens, sollte nicht nur ein wunderbares Gebet, sondern auch ein Hymnus an das Leben, an die Freude, an die im Licht Gottes gesehene Welt sein. Liebe Jugendliche, hebt das Leben! Liebt es mit der Tiefe und Leidenschaft des Franz von Assisi. Liebt es in der Schönheit der Natur, in der Freude der Freundschaft, in den wissenschaftlichen Errungenschaften und im hochherzigen Kampf für den Aufbau einer besseren Welt. Vergeudet es nicht in vergänglichen Freuden, in ausweglosen Abenteuern oder in einem leeren Konformismus. Schaut nach oben! Zielt auf die Ewigkeit! 3. Auf dem Weg der wahren Freude, nach dem sich euer Herz sehnt, führe euch Maria, die Mutter Jesu, die Mutter von Franziskus und aller Heiligen. Maria wird ständig von der Bevölkerung dieser Gegend angerufen, die reich an Wallfahrtskirchen und Kapellen ist, die ihr geweiht sind. Ich denke besonders gern an das alte und malerische Heiligtum „Santa Maria del Sasso”, das wenige Kilometer von hier entfernt liegt und ein wichtiger Treffpunkt für die Marienverehrung in der gesamten Umgebung ist. 661 REISEN Mein herzlicher Gruß und besonderer Segen gilt allen Domini kanerpatres, die diese Kirche betreuen; den Klausumonnen des gleichen Ordens, die im Schatten des Heiligtums schweigend und betend gegenwärtig sind, wie auch allen, die die heilige Jungfrau verehren unter dem Namen „Madonna del Sasso” und „Madonna del Buio”. Maria, „in tenebris lux” (Licht in der Finsternis), erleuchte Geist und Herz der Menschen mit dem Licht der Wahrheit und der Liebe, Sie erleuchte vor allem euch, hebe Jugendliche, die ihr wie Franziskus die seligste Jungfrau, die Mutter der Kirche und das Urbild ihrer immerwährenden Jugend, vertrauensvoll anruft. Offen für Gott und die Menschen Gebet in der Franziskus-Kapelle in La Verna am 17. September . Heiliger Franziskus, du hast in La Verna die Wundmale empfangen. Die Welt ruft nach dir als dem Bild des gekreuzigten Jesus. Sie braucht dein Herz, das Gott und dem Menschen gegenüber offen ist; deine nackten und verwundeten Füße, deine durchbohrten und betenden Hände. Sie sehnt sich nach deiner schwachen, aber in der Kraft des Evangeliums starken Stimme. : Franziskus, hilf den Menschen von heute, das Übel der Sünde zu erkennen und sich von ihr durch die Buße zu reinigen. Hilf ihnen, sich von den Strukturen der Sünde selbst zu befreien, die die heutige Gesellschaft unter Druck setzen. Wecke in den Regierenden das Bewußtsein für die Dringlichkeit des Friedens in den Nationen und unter den Völkern. Vermittle den jungen Menschen deine Lebensfrische, die imstande ist, die Gefahren der vielfältigen Kultur des Todes zu widerstehen. Franziskus, schenk allen,, die durch Niedertracht aller Art beleidigt wurden, deine Freude des Vergebenkönnens. Öffne allen vom Leiden, von Hunger und Krieg gekreuzigten Menschen die Pforten der Hoffnung. Amen. Zufluchtsort für Freunde der Meditation Ansprache an die Franziskanischen Gemeinschaften in La Verna am 17. September Liebe Schwestern und Brüder! 1. Diese Begegnung mit euch, den Söhnen und Töchtern des hl. Franziskus, an einem so beeindruckenden Ort erfüllt mich tiefer Freude. Ich danke P. Hermann Schalück, dem Generalminister des Franziskanerordens, für die freundlichen Worte, die er - auch im Namen der Generalsuperiöre der anderen Orden, die ich herzlich begrüße, und aller Anwesenden - soeben an mich gerichtet hat. 662 REISEN Zahlreiche historische Quellen beschreiben das Verlangen nach Beschaulichkeit, die das ganze Leben des Franziskus begleitete. So hest man in der Legenda maiör des hl. Bonaventura: „Er verließ die Menge und ihren Lärm und suchte die Einsamkeit mit ihrem Geheimnis und ihrem Frieden: Dort, wo er sich ungestört Gott hingeben konnte, befreite er seine Seele von ahen, auch den kleinsten Staubkörnern” {Fonti Francescane, Nr. 1222). Die langen Aufenthalte des Povereho auf diesem Berg legen ein beredtes Zeugnis für sein Verlangen nach Einsamkeit ab. In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, daß Franziskus trotz seiner unbeirrbaren Entscheidung für die Armut, es nicht ablehnte, den Alvemerberg anzunehmen, der ihm, wie bekannt, vom Grafen Orlando von Chiusi für seine langen Bußzeiten in vollständiger Hingabe an Gebet und Bußübungen angeboten worden war. Die von Natur aus charakteristische Form dieses Berges und die Rauheit des Ortes machten ihn, wie die Fioretti berichten, „nun allzu gut für jemanden geeignet, der weitab von den Menschen Buße tun wollte oder sich nach einem einsamen Ort sehnte” (Fonti Francescane, Nr. 1897). Die Einsiedelei des Alvemerberges wurde so für Franziskus zu einem seiner hebsten Zufluchtsorte und ist der franziskanischen Tradition besonders teuer. Hier empfing der Povereho von Assisi die Wundmale, gleichsam als Siegel seiner unablässigen und leidenschaftlichen Gottsuche. 2. Das nüchterne und zugleich wunderbare Heiligtum, in dem wir uns befinden, ist noch heute eines der geradezu greifbaren Merkmale der kontemplativen Seele des hl. Franziskus und der Lehre, die er dem ganzen Franziskanertum hinterlassen hat. Es erinnert die zahlreichen Pilger und Besucher auch in unseren Zeiten daran, daß, wie es treffend in der Legenda maior heißt, „die wahre Liebe Christi den hebenden in das vollkommene Abbild des Geliebten” verwandelte {Fonti Francescane, Nr. 1377). Franziskus betrachtete den gekreuzigten Christus so nachhaltig und mit solcher Liebe, daß er sich geradezu mit ihm identifizierte. In der Armut, der Demut und den Leiden des Gekreuzigten entdeckt er die götthche Weisheit, die den Menschen im Evangelium geoffenbart wird, eine Weisheit, die jedes welthche Wissen übersteigt und besiegt. Der Fruchtbarkeit dieser Intuition des Franziskus sind in der Kirche zahlreiche Früchte der Heiligkeit entsprungen. Er faszinierte in ahen Jahrhunderten und fasziniert auch heute noch auf einzigartige Weise zahllose Menschen in ahen möglichen Lebenssituationen, die sich gedrängt fühlen, den gleichen geisthchen und gottgeweihten Weg zu gehen. 3. In der heutigen Gesellschaft zeichnet sich inmitten so vieler verschiedener Erscheinungen immer klarer ein echtes Bedürfnis nach Wahrheit ab, nach Wesentlichem, nach echter Gotteserfahrung. Euch, hebe Brüder und Schwestern, ist er aufgrund der besonderen Berufung, welche die Abgeschiedenheit der Einsiedelei und das apostohschen Engagement harmonisch in sich vereint, die Aufgabe gestellt, 663 REISEN auch unseren Zeitgenossen in einer Haltung weltumspannender Geschwisterlichkeit die befriedigende Antwort auf diese Erwartungen vor Augen zu führen. Sie besteht in der vertrauenden Hingabe an die rettende, wenn auch kreuzigende Liebe Jesu, unseres Herrn. Mögen eure Gemeinschaften, liebe Brüder und Schwestern, mehr und mehr, einer nunmehr schon jahrhundertealten Tradition folgend, zu Zentren werden, welche diese lebensvolle Spiritualitität ausstrahlen; mögen sie unablässig die christlichen Werte und die mutige Entscheidung der totalen Hingabe an Gott in Erinnerung rufen, welcher der ehrliche Dienst an jedem Menschen und der aktive Einsatz für den Aufbau des Friedens entspringt. 4. Die himmlische Vorsehung hat Franziskus Klara an die Seite gestellt, ein Mädchen aus Assisi, das ihn besser als alle anderen zu verstehen und seinen Geist in sich aufzunehmen wußte. Wir feiern jetzt das achthundertste Jahr ihrer Geburt. Wie ich anläßlich der Eröffnung dieses Jubiläums in meinen Brief an die Klausumonnen in Erinnerung rief, beginnt „der kontemplative Weg Klaras, der mit der Schau des ,Königs der Herrlichkeit’ (Prozeßakte IV, Nr. 19; Fonti Francescane, Nr. 3017) endet, gerade mit ihrer Ganzhingabe an den Geist des Herrn, auf die gleiche Weise wie Maria bei der Verkündigung” (Nr. 2). Die Gestalt Klaras, des „ersten Pflänzchens” des hl. Franziskus (Legenda maior, IV, 6, Fonti Francescane, Nr. 1074), möge das Vorbild für jedes franziskanische Leben sein, das voll und ganz darauf ausgerichtet ist, „das Evangelium unseres Herrn Jesu Christi zu beobachten” (Bestätigte Regel, II, Fonti Francescane, Nr. 75). Aus ganzem Herzen wünsche ich, daß dieses Jubiläum in den Klarissen die Frische der ursprünglichen Begeisterung wieder aufleben lasse und daß alle, die den Spuren des Poverello folgen, die wesentliche Bedeutung der Kontemplation so neu entdek-ken mögen, wie sie die echte Tradition überliefert. In diesem Sinn vertraue ich dem Herrn die gesamte franziskanische Familie an und ermutige euch alle, treu eurem heiligen Vater Franziskus zu folgen. Dabei begleite euch der ihm so teure Wunsch „Friede und Heil”, gemeinsam mit dem Segen, den ich euch aus ganzem Herzen erteile und der auch all euren über die ganze Welt verstreuten Gemeinschaften gilt. Danken wir dem Herrn für das Geschenk des Alvemerberges. Danken wir ihm dafür, daß er uns ihn all die Jahrhunderte hindurch und bis ins 20. Jahrhundert bewahrt hat, und hoffen wir, daß er mit der Gnade des Herrn in das dritte Jahrtausend hinübergehen wird. Nochmals empfehlen wir euren heftigen Gründern Franziskus und Klara dieses verflossene Jahrtausend mit all dem wahrhaft Evangelischen, Missionarischen und Apostolischen, das er der Kirche geschenkt hat, aber auch mit allem, was wir hinter uns lassen, was das Gewissen bedrückt und auf der Vergangenheit des Christentums und der Kirche lastet. 664 REISEN Wir wollen stets hoffen, daß es mit der Hilfe des Herrn und dank der Fürbitte seiner Mutter und aller Heiligen, zu denen die so ökumenischen Gestalten Franziskus und Klara zählen, möglich werde, die Spaltungen der Vergangenheit zu überwinden, welche die Geschichte des Christentums belasten, um dem Herrn in größerer Demut und Bereitschaft zur Erfüllung seines Willens entgegenzugehen: immer mehr entschlossen, die Heilsbotschaft in alle Welt hinauszutragen. Gelobt sei Jesus Christus! Haus der Gemeinschaft und der Gastfreundschaft Ansprache an die Franziskanischen Gemeinschaften in Camaldoli am 17. September 1. Ich danke dem Herrn dafür, daß er mir heute die Möglichkeit gegeben hat, das franziskanische Heiligtum auf dem Alvemerberg und jetzt euch, die Mönche in Camaldoli, in dieser wunderbaren, vom hl. Romuald gegründeten Einsiedelei an der Schwelle des zweiten Jahrtausends zu besuchen. Der Alvemerberg und Camaldoli sind durch historische und spirituelle Bande aneinandergeknüpft, wohnte doch in einer eurer Zellen für einige Zeit der hl. Franziskus von Assisi. Liebe Brüder und Schwestern, ich begrüße euch alle sehr herzlich. Ich begrüße den Generalprior Don Emanuele Bargellini für die seinerzeit an mich gerichtete Einladung und danke euch allen für die gastfreundliche Aufnahme; das zeichnet ja seit jeher diese Ordensfamilie aus. Ich begrüße die Camaldolenser-Nonnen und auch die Benediktiner-Oblaten, die mit ihrer Präsenz die tiefe Gemeinsamkeit sichtbar zum Ausdruck bringen, welche allen, die der benediktinischen Regel folgen, eigen ist. 2. In weniger als drei Wochen beginnt das Generalkapitel eurer Kongregation, dessen Thema eindrucksvoll und herausfordernd ist: „Die Hoffnung wählen, die Zukunft wählen.” Die Hoffnung und die Zukunft wählen heißt letzten Endes, sich für Gott, für die Zukunft der Geschichte und des Kosmos entscheiden, den Blick auf seine Ewigkeit geheftet und von seiner Vorsehung geleitet; heißt, sich für Christus, die Hoffnung aller Menschen, entscheiden. Wie könnte man es in diesem Augenblick des geistlichen Gesprächs unterlassen, an die tragende Struktur eures Lebens zu denken, nämlich an das gemeinschaftliche liturgische Gebet, von dem der hl. Benedikt in der Regel sagt: „Nichts darf dem Werk Gottes vorgezogen werden” (Kap. XX)? Tatsächlich wird ja vielfach bezeugt, daß in Camaldoli das nicht leichte Gleichgewicht zwischen der Vielfalt der heiligen Texte und der Melodien und der Schlichtheit und Wesenhaftigkeit der Liturgie gepflegt wird. Liebe Brüder und Schwestern, leistet weiterhin diesen Dienst des Lobes in der Überzeugung, daß er die erste Liebestat darstellt, die ihr denen erweisen könnt, welche die Vorsehung auf ihren geheimnisvollen Wegen zum Beten mit euch führt. 665 REISEN Die Bekehrung - das wißt ihr aus Erfahrung - erfolgt viel eher dank des zum Gebet gewordenen Wortes Gottes als aufgrund vieler menschlicher Reden. Sich für Gott entscheiden heißt darüber hinaus, sich täglich der Betrachtung seines Wortes widmen, was ihr, der unvergleichlichen monastischen Tradition folgend, tut, indem ihr die „Lectio divina” pflegt, die heute dank einer Gabe der göttlichen Weisheit in reichem Maß dem ganzen Volk Gottes mitgeteilt wird. Die Hirten wissen sehr wohl, wieviel in dieser Hinsicht die ganze kirchliche Gemeinschaft euch Mönchen verdankt! Sich für Gott entscheiden heißt auch, in Demut und Geduld den ökumenischen und interreligiösen Dialog pflegen und dabei eben den von Gott vorgegebenen Rhythmus einhalten. Die Gemeinschaften eures Ordens, vor allem die in Kalifornien und in Indien entstandenen, folgen seit Jahren dem Weg dieses geistlichen Suchens, des Gebetes und des achtungsvollen Dialogs mit buddhistischen und hinduistischen Mönchen. Darüber hinaus finden in eurem Kloster oft fruchtbare jüdisch-christliche Begegnungen statt, deren Grundlagen Freundschaft und Achtung, die wachsende Kenntnis und die herzliche gegenseitige Annahme sind. 3. „Nichts der Liebe Christi vorziehen’’, lesen wir weiter in der Regel des hl. Benedikt (Kap. IV). Das, hebe Brüder, ist ein weiterer grundlegender Aspekt eurer Sendung in der Kirche, der Aspekt des „Coenobiums” (Haus der Gemeinschaft) und der Gastfreundschaft, offen für Christus, der sich in allen Brüdern kundtut, insbesondere in den kleinsten, den schwächsten und den leidgeprüften. Ich möchte diesbezüglich auf die einzigartige ekklesiale Dimension des mönchischen Lebens hinweisen, eine Dimension, die ihm auch dann erhalten bleibt, wenn es, einem besonderen göttlichen Ruf folgend, in größter Abgeschiedenheit, in der sogenannten „Reklusion”, gelebt wird. Die Lehre der Kirchenväter wird gut in einem Abschnitt des an den Eremiten Leone di Fonte Avellana gerichteten Bändchens Dominus, vobiscum des hl. Pier Damiani dargelegt, der „aus Liebe und in voller Freiheit abgeschieden” lebte. Dort schreibt der hl. Kirchenlehrer: „Wenn wir alle in Christus eins sind, so besitzt jeder von uns alles, was sein ist; wenn wir also infolge der leiblichen Einsamkeit anscheinend fern der Kirche leben, sind wir dennoch aufgrund des undurchdringlichen Geheimnisses der Einheit stets voll und ganz in ihr gegenwärtig” (Kap. 10, PL 145, 239 B). 4. Liebe Brüder und Schwestern, die Hoffnung und die Zukunft wählen, heißt sich für den Geist Gottes in Christus entscheiden. Das geschieht insbesondere in jener Lebensform, die Gott selbst in der Kirche geweckt hat, indenr er den hl. Romuald veranlaßte, die benediktinische Familie von Camaldoli zu gründen, die ein zusätzliches Kennzeichen aufweist: das Nebeneinander von Einsiedelei und Kloster, von zwei aufeinander abgestimmten Lebensformen, der eremitischen und der gemeinschaftlichen. Betrachtet also das kommende Generalkapitel als einen wichtigen Augenblick der Vertiefung dieses ursprünglichen Charismas, das dank einer tausendjährigen, viel- 666 REISEN gestaltigen Tradition bis zu euch gelangt ist, einer Tradition, die bestrebt war, die verschiedenen Aspekte der außergewöhnlichen Intuition eures Gründers als Einheit zu bewahren. Ihr könnt auf diese Weise das Mönchsleben der Camaldolenser im heutigen Kontext der Kirche und in der internationalen Dimension der Kongregation noch einsichtiger und bedeutsamer gestalten. Auch euch, hebe Nonnen, Töchter des hl. Romuald, begrüße ich und danke gleichzeitig für die kostbaren Dienste, die ihr der Kirche leistet: Dient weiterhin der Kongregation auf eure spezifische und asketische Weise, mit Reflexion und menschlicher und geistlicher Erfahrung. 5. Die Anwesenheit der Benediktiner-Oblaten bei dieser unserer kurzen, aber vielsagenden Begegnung bezeugt, daß die monastische Erfahrung für das Glaubensleben zahlreicher Laien, die inmitten der Welt in das Leben der Kirche eingegliedert sind, richtungweisend ist. Während ich einen herzlichen Gruß an die Teilnehmer an dem Treffen richte, fordere ich sie auf, als Laien Zeugen jenes Primates Gottes und Christi zu sein, den die Mönche mit ihrem Leben in Einsiedelei und Kloster sichtbar machen wollen. Von diesen Gefühlen beseelt, erteile ich aus ganzem Herzen euch allen und der ganzen Kongregation den Apostolischen Segen, indem ich euch Maria, der Mutter Christi und der Kirche, anvertraue, die in Treue und schweigend in ihrem Herzen das Wort Gottes bewahrte. Setzt euren Weg mit erneuertem Eifer fort! 667 REISEN 12. Fastoralbesuch in Asti (25.Z26. September) Raum für eine verantwortungsbewußte Mitarbeit der Laien Ansprache an die Priester, Ordensleute und Mitglieder der Säkularinstitute in der Kirche S. Secondo in Asti am 25. September 1. Im Lauf meines Besuch in der Diözese Asti - der es zur Ehre gereicht, zu ihren Söhnen meinen engsten Mitarbeiter, Kardinal Angelo Sodano, zu zählen - ist es mir eine Freude, auch euch, den Priestern und Ordensleuten, zu begegnen: Ihr seid der auserwählte Teil dieser geliebten Ortskirche. Ich begrüße euch alle sehr herzlich: insbesondere den gebebten Bischof Severino Poletto, euren eifrigen Hirten, dem ich für die freundlichen Worte danke, die er im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Dieser Aufenthalt in eurer Mitte ist gekennzeichnet von der lebhaften Erinnerung an Bischof Giuseppe Marello, einen Priester eurer Diözese, der später Bischof von Acqui wurde und mit der Gründung der Kongregation der Oblaten des hl. Josef erfolgreich die Ordensberufe förderte. Seine Gestalt stellt auch heute noch einen nachhaltigen Aufruf zur Heiligkeit dar, besonders bedeutsam für euch, die ihr, wie er, die Einladung empfangen habt, aus eurer Existenz eine Totalhingabe an den Herrn und an die Mitmenschen zu machen. Alle seid ihr zur Heiligkeit berufen! 2. Die Aufgabe der Neuevangelisierung, die dazu verpflichtet, das ewige Heilswort in die Ausdrucksweise und die Erfahrung der heutigen Menschen zu übertragen, darf nie die Tatsache in den Schatten stellen, daß die Heiligkeit die allen Glaubenden gemeinsame Bemfung ist. Wenn das für alle Getauften gilt, so in ganz besonderer Weise für die Priester, die Diakone, die Ordensleute und die Mitglieder der Säkularinstitute, die aktiv auf dem Weg der Erneuerung der Diözese eingesetzt sind. Zu allen Zeiten hat sich die Antwort auf neue Probleme und neue Herausforderungen in ein neues Verlangen nach Heiligkeit verwandelt. Inmitten der raschen gesellschaftlichen Umgestaltungen der beiden letzten Jahrhunderte haben die piemonte-sischen Heiligen, von denen viele in Verbindung mit dem Gebiet und der Diözese von Asti standen, mutige Antworten gegeben und apostolische Initiativen ins Leben gerufen, die den wichtigsten Erfordernissen der Gesellschaft gerecht wurden. Unerläßliche Voraussetzung für die Erfüllung dieser prophetischen Sendung war die Bereitschaft dem Heiligen Geist gegenüber, der die Kirche in ihrem Innersten stützt und der Evangelisierung neue Bereiche auftut. Das gilt heute auch für euch. 669 REISEN Was die Evangelisierung betrifft so weiß ich, daß auf Wunsch und unter der Leitung eures eifrigen Bischofs auf dem Gebiet der Diözese „Pastoraleinheiten” zur Koordinierung der pastoralen Richtlinien der Nachbarpfarreien und -gemeinden errichtet werden. Das kirchliche Leben wird auf diese Weise gleichförmiger gestaltet und läßt auch Raum für eine verantwortungsbewußte Mitarbeit der Laien. Ein weiterer fundamentaler Einsatz der Diözese im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend kommt in der Diözesanmission zum Ausdruck, die in den beiden ersten Jahren als Jugendmission gestaltet wurde und jetzt in die dritte Phase, in die der Diözesanmission für Eheleute eingetreten ist. 3. Liebe Brüder und Schwestern, nehmt diese vom Heiligen Geist ins Leben gerufene Initiativen bereitwillig an! Es ist möglich, daß ihr, liebe Priester, manchmal den Kontrast zwischen dem Schwinden der Energien und dem Wachsen der pastoralen Verpflichtungen wahrnehmt und gleichzeitig die Erfahrung einer gewissen Schwierigkeit im Kontakt mit den jungen Generationen macht. Euch, liebe Ordensleute, könnte es geschehen, daß ihr nicht nur unter einem Übermaß karitativer und pastoraler Verpflichtungen leidet, sondern euch sogar gezwungen seht, die bisher unter großen Opfern und mit positiven Ergebnissen durchgeführten Aktivitäten einzuschränken. Laßt euch nie von der Entmutigung übermannen. Der Herr wird euch nicht verlassen: Er ist treu, und seine Treue ist Unterpfand geistlichen Erfolges. Habt Vertrauen in ihn! Die Aufgabe der Evangelisierung erfordert diese ständige Treue zum Heiligen Geist; sie erfordert darüber hinaus auch die Mitwirkung neuer Kräfte, die Mitwirkung junger Menschen, die sich rückhaltlos der Liebe Christi hingeben, um Apostel und Träger der Evangelisierung zu sein. An diesen Kräften mangelt es heute. 4. Wir berühren damit das Problem der Berufungen, das gegenwärtig in der Kirche von besonderer Dringlichkeit ist. In diesem Zusammenhang muß neuerlich betont werden, daß die Bemühung um Berufungen ihren ersten Ausdruck im ständigen und eifrigen Gebet findet, mit dem ein freudiges Zeugnis für den Dienst in der Kirche und am Mitmenschen Hand in Hand geht. Der Heilige Geist wird es verstehen, dieser freudigen Treue neue Möglichkeiten für Verkündigung und Evangelisierung entspringen zu lassen. Habt Vertrauen zu den jungen Menschen! Seid darauf bedacht, sie mit heiliger Liebe zu umgeben und für die großen Ideale des christlichen Lebens zu erziehen. In der Tiefe ihres Herzens sind sie durchaus bereit, das Gute und die spirituellen Werte in sich aufzunehmen. Für die Förderung der Berufungen ist eine weitblickende Jugendpastoral von großer Bedeutung, die sich nicht auf Erfahrungen im Gebet und auf gelegentliche gefühlsbetonte Dienste beschränkt, sondern die Jugendlichen veranlaßt, ständige, persönlichkeitsbildende Initiativen des Gebets und der Nächstenliebe, der Katechese und der Verkündigung zu orten und zu verwirklichen. Sie bedürfen bei ihrem menschlichen und religiösen Reifen der Begleitung, damit es ihnen möglich werde, dem 670 REISEN Herrn ein großmütiges und rückhaltloses „Ja” zu sagen, wenn er sie zu seinem Dienst beruft. Diesen Zweck sollten die in der Diözese bestehenden Gruppen für die Berufungen sowie das diesem Anliegen gewidmete Diözesanzentrum verfolgen. 5. Liebe Brüder und Schwestern, das ist ein Engagement, das euch alle interessiert und von euch allen Gebet und Zeugnis fordert. Euer ganz dem Herrn und den Mitmenschen gewidmetes Leben wird vor den Jugendlichen als Zeichen aufleuchten und sie den Anreiz des Rufes Christi verstehen lehren. Ihr, die mit ihrem „Fiat” Mutter und Vorbild der Kirche geworden ist, vertraue ich euer tägliches apostolisches Wirken, die Wünsche und Vorsätze, die euch beseelen, und die Hoffnungen an, die euer Herz bewegen. Möge euch mein herzlicher, von der Versicherung eines ständigen Gedenkens vor dem Herrn getragener Wunsch begleiten. Aus ganzem Herzen erteile ich allen hier anwesenden und auch allen anderen Priestern und Ordensleuten der Diözese, insbesondere den kranken und leidenden, meinen Apostolischen Segen. Ihr könnt eine bessere Zukunft für alle aufbauen! Ansprache an Behörden und Bürgerschaft auf der Piazza S. Secondo in Asti am 25. September Herr Bürgermeister, Herr Präsident der Provinz, Herr Minister und alle anwesenden Vertreter der Behörden, verehrter Hirte der Diözese Asti, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mein Dank gilt Gott, der mir die Gelegenheit gibt, in Begleitung von Kardinal Angelo Sodano, meinem ersten Mitarbeiter und Sohn dieser Gegend, eure Stadt zu besuchen. Ich danke Ihnen, Herr Bürgermeister, Ihnen, Herr Minister und Ihnen, Herr Präsident der Provinz, für die herzlichen Willkommensgrüße, die Sie im Namen der gesamten Bevölkerung an mich gerichtet haben. Von Herzen erwidere ich die mir entgegengebrachten Empfindungen, und richte an alle auf diesem Platz, dem Mittelpunkt der Stadt und der Diözese von Asti, meine freundlichen Grüße. Heute treffe ich mit einer Gemeinschaft voller Leben zusammen, die mit Recht stolz ist auf ihre lange Geschichte, so reich an denkwürdigen Ereignissen im bürgerlichen, wirtschaftlichen, künstlerischen und kulturellen Bereich; eine Geschichte, die vor allem durch ihre unauslöschbare christliche Prägung gekennzeichnet ist. Hier in Asti waren beide Dimensionen, die religiöse und die weltliche, schon immer miteinander verflochten, und nie fehlte in den Beziehungen zwischen der Kirche und den bürgerüchen Behörden die Atmosphäre des Dialogs und der Zusammenarbeit, die auch in den vergangenen beiden Jahrhunderten schwierige Zeiten ideologischer und politischer Spannungen überdauert hat. 671 REISEN 2. Wir wollen hoffen, daß sich diese Tradition, im Hinblick auf das neue Jahrtausend, für das wir uns alle eine menschlichere und christlichere Dimension wünschen, festigen und weiter entwickeln werde. Ich bin sicher, daß die Menschen von Asti zu diesem bedeutenden Wendepunkt des zweiten Jahrtausends den Beitrag eines reiferen Glaubens mitbringen werden, der die Kultur, die Institutionen und in gewisser Hinsicht auch sein eigenes „Temperament” zu durchdringen vermag. Wenn man eure Geschichte liest, ist man in der Tat von eurem „Temperament” beeindruckt, das sich vor allem in einer ausgeprägten Tendenz zur freien Initiative ausdrückt. Es war kein Zufall, daß sich eure Stadt vor anderen aus der Feudalherrschaft befreite und so die Entwicklung des freien Handwerkertums und des Handels förderte. Dies ist ein Aspekt eurer Wesensart, der, wenn er nicht der Versuchung eines in sich verschlossenen und mißtrauischen Partikularismus erliegt, sicherlich von besonderem Wert ist, den es zu erhalten gilt. Von euch wird heute auf allen Gebieten, einschließlich dem wirtschaftlichen Sektor, neue Initiative gefordert, und zwar zur Verwirklichung einer besseren Zukunft nicht nur der Bevölkerung Astis, sondern auch jener Menschen, die hierher gekommen sind, um bei euch zu leben, und somit zu einem lebendigen und wesentlichen Teil eurer Stadt geworden sind. Haltet fest an eurer lobenswerten Tradition der Gastfreundschaft, die so bezeichnend für eure Heimat ist! Ich weiß, daß sich die Stadt und ihre Umgebung, in einem Klima verantwortungsvoller Anteilnahme und aufmerksamer Brüderlichkeit, für die Landsleute aus anderen Regionen und auch für Ausländer geöffnet hat. Sind nicht eure Bemühungen für die würdige Unterbringung zahlreicher Brüder aus Albanien, deren Bedürfnissen ihr großzügig entgegengekommen seid, ein Beweis für diese Einstellung eurerseits? Die von der Kultur der Gastfreundschaft inspirierte Tradition der Toleranz macht euch große Ehre. Haltet daran fest! Möge sie auch in Zukunft ein Kennzeichen eurer Bevölkerung sein. 3. Wir leben heute in einer verworrenen Zeit, voller sozialer und wirtschaftlicher Ungewißheiten. Auch in Asti hat die Krise ihre Spuren hinterlassen. Ich denke da an die Arbeitslosigkeit auf dem Industriesektor, an die wachsenden Schwierigkeiten im landwirtschaftlichen und handwerküchen Bereich, an das Drogenproblem und die gesellschaftliche Wiedereingliederung der Süchtigen, an die zahllosen Gefahren, denen die Jugendlichen ausgesetzt sind, vor allem dann, wenn sie keine Arbeit haben und gesellschaftlich abseits stehen. Sicher, dies sind ernste Probleme. Sie sind aber nicht unlösbar. Zweifelt nicht daran: es ist mögüch, eine bessere Zukunft für alle aufzubauen! Es ist mögüch, besonders dann, wenn das sittüche und gesellschaftliche Verantwortungsbewußtsein eines jeden mit einer starken und konstanten Beziehung zum Glauben verbunden wird. Wir brauchen demnach die Kraft verantwortungsvoller und solidarischer Einsatzbereitschaft. Mögen vor allem diejenigen diese Kraft finden, die auf verschiedenen Ebenen einflußreiche Stellungen bekleiden. Sie sind aufgerufen, der Gemeinschaft einen Dienst zu erweisen, den die Menschen zu Recht von dem Zeugnis ehrlicher Hingabe und absoluter Transparenz in- 672 REISEN spiriert sehen wollen. Die Antwort auf das Infragestellen der Werte, so kennzeichnend für die heutige Gesellschaft, ist vor allem eine dringende und tiefgreifende Erneuerung des Menschen, die jedes aufrichtige und wohlgeformte Gewissen drängt, sich jene Prinzipien konkret zu eigen zu machen und zu ehren, die die entscheidende Grundlage von Gottes Plan für den Menschen und die Gesellschaft darstellen. 4. Konsequenz und Aufrichtigkeit, Aufgeschlossenheit und Dienstbereitschaft: Das ist es, was wir brauchen, um eine gastfreundliche und die Würde jedes Menschen achtende Stadt aufzubauen. Diejenigen, die Verantwortung in der Öffentlichkeit tragen, müssen auf diesem mühevollen Weg der moralischen Erneuerung zweifellos die ersten sein. Das soll natürlich nicht bedeuten, daß bei Null angefangen werden muß. Viel Positives existiert bereits; schon viel ist getan worden. Es ist jedoch notwendig, weiterhin an alle positiven Kräfte zu glauben, die es in eurer Mitte gibt: lebendige Kräfte, unauffällig aber wirksam, die die vielversprechenden Keime der jahrhundertealten christlichen Tradition eurer Heimat darstellen. Wichtig ist, ihnen freien Raum für ihre Entwicklung zu lassen, sowohl durch eine angemessene kulturelle und geistige Ausbildung als auch durch ihre stufenweise Einfügung in verantwortliche Stellungen. Liebe Bürger von Asti! Ihr könnt auf eine ruhmreiche Vergangenheit zurückblicken: Seid stolz auf sie! Das Erbe, das euch eure Väter hinterlassen haben, ist ein wichtiger Ansporn, um auf die Herausfordemngen unserer heutigen Zeit mutig zu antworten. Möge der Sauerteig des Glaubens und der Hoffnung im Geist des Evangeliums in euren täglichen Pflichten wirksam sein. Ich danke euch für den warmherzigen Empfang und übergebe eure Stadt und ihre Provinz der Fürsprache des hl. Secundus, eures Schutzpatrons. Ich vertraue euch alle der heiligen Jungfrau an, mit deren Bildnis eure Vorfahren das Südtor der Stadt schmückten, und die ihr heute mit dem Namen „Madonna del Portone” (Madonna des Tores) anruft, eine umgangssprachliche Abwandlung von „Porta Paradisi” (Paradiestor), dem schönen Namen, mit dem sie jahrhundertelang geehrt wurde. Gott segne euch, und seine Gnade möge Freiheit, Frieden, Eintracht und wahren Fortschritt für alle bringen! Missionstätigkeit in der Familie ist unersetzbar Ansprache an die Familien in der Kathedrale von Asti am 25. September Liebe Eheleute! 1. Es ist mir eine große Freude, euch in dieser Kathedrale begegnen zu können, wo ihr oft mit eurem Bischof und den Priestern zusammentrefft im Rahmen der Mission für die Eheleute, die ihr gerade durchführt und die am Pfingstfest des kommenden Jahres zu Ende gehen wird. Ganz besonders freut es mich, daß ich in Begleitung von Kardinal Angelo Sodano hier sein kann, diesem bedeutenden Sohn eurer Heimat. 673 REISEN Ich begrüße den lieben Msgr. Severino Poletto, euren tatkräftigen Hirten, und danke ihm für die an mich gerichteten Worte. Ebenso möchte ich das Ehepaar grüßen, das im Namen aller eure Gefühle ergebener Zuneigung zum Ausdruck gebracht und mir eure interessante Pastoralinitiative erläutert hat.-Ihr strebt-danach, eure Verbindung mit Christus zu stärken durch die Vertiefung seiner Botschaft - mit besonderer Aufmerksamkeit für das „Evangelium von der Ehe”. Eure Erfahrung könnte kaum zweckmäßiger sein. Die Kirche und die Welt brauchen heute mehr denn je Eheleute und Familien, die sich großherzig der Schule Christi zur Verfügung stellen. Die zahlreichen traurigen Aspekte unserer Zeit und die unglaublichen Formen der Gewalt, die leider so bezeichnend für sie sind, können letztlich nur durch das Verschließen des menschlichen Herzens gegenüber der Liebe Gottes erklärt werden. Wie dringlich ist demnach die Aufgabe der Gläubigen, insbesondere der christlichen Familien, damit der heutigen Gesellschaft die notwendige Verankerung des Glaubens und der Liebe am sicheren Ufer des Gotteswortes zurückgegeben wird! Die Liebe, die in der Familie gelebt wird, ist der geeignete Nährboden, damit sich eine persönliche Beziehung zu Gott festigen und entwickeln kann; aus ihr kann dann eine wahre individuelle und gemeinschaftliche Erneuerung hervorgehen. Dies setzt natürlich voraus, daß es sich um wahre Liebe handelt. In der hedonistischen Kultur von heute wird leider oft das als Liebe bezeichnet, was vielmehr einer Entstellung oder sogar einer mißbräuchlichen Auffassung von ihr gleichkommt. Passenderweise erklärt uns die eben verkündete Bibelstelle gleich zweimal die wahre Bedeutung der Liebe. 2. „Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, daß Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben” (1 Joh 4,9). Das ist die Quelle der Liebe. Lieben bedeutet, sich selbst schenken, aus sich selbst hinaus- und auf den anderen zugehen. In gewisser Hinsicht bedeutet es, sich selbst für das Wohl des Mitmenschen zu vergessen. In wahrer menschlicher Liebe spiegelt sich die Logik der göttlichen Liebe wider. Unter diesem Gesichtspunkt können wir auch die Pflicht der ehelichen Treue voll verstehen. „Du bist alles für mich, ich schenke mich dir ganz und gar, für immer”: Das ist die Verpflichtung, die jedem wahrhaft liebenden Menschen vom Herzen kommt. Die Treue! Und neben ihr die Fruchtbarkeit als weiterer typischer Aspekt der ehelichen Beziehung. Sollte denn keine Verbindung bestehen zwischen dem Geburtenrückgang und dem besorgniserregenden Phänomen, das bei zahlreichen Paaren zu beobachten ist, deren Liebe so schnell verdorrt und stirbt? Liebe Ehepaare, habt keine Angst! Lebt den großen Reichtum der Liebe, erfüllt von dem großherzigen Wunsch, sie auf das Wesen eurer Kinder ausgedehnt und in ihm fast verkörpert zu sehen. Wenn ein Ehepaar sich weigert, mit Gott zusammenzuwir- 674 REISEN ken, um das Geschenk des Lebens weiterzugeben, dann wird es schwerlich die Kraft zur Aufrechterhaltung des gegenseitigen Einverständnisses in sich tragen. 3. In der Bibelstelle heißt es weiter: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt... hat” (I Joh 4,10). Die Liebe Gottes ist vollkommen unentgeltlich. So muß daher auch die Liebe des Ehepaares und die Beziehung der Familienmitglieder zueinander sein. Von der Liebe gestärkt, werden sich die Eltern nach besten Kräften für das Werk der Erziehung einsetzen können, indem sie den Kindern eine konsequente Führung geben und sie mit fürsorglicher und respektvoller Zuneigung umgeben. Die Kinder werden ihrerseits in der Liebe die tiefere Motivierung für eine verantwortungsvolle, folgsame und dankbare Haltung den Eltern gegenüber erkennen. Die aus dem Herzen Gottes geschöpfte Liebe wird für die gesamte Familie ein Ansporn sein, Zeit für die Pflege der alten Menschen zu finden, sich den Kranken zu widmen, sich der schwierigen Situationen um sie herum anzunehmen, einschließlich der Probleme ihrer Umgebung und der Nation im allgemeinen. Ohne ihre Bereitschaft, für die Bedürfnisse der Gemeinschaft zugänglich zu sein, kann die Familie ihre Berufung nicht vollends erfüllen. Wenn sich ihre Mitglieder in einer Art von Gruppenegoismus abkapseln, nehmen sie sich selbst die Möglichkeit, in der Liebe zu wachsen und so wahre Freude zu erfahren. 4. Liebe Eheleute, wenn ich euch und eure Kinder so zahlreich vor mir sehe, ist mein Herz zutiefst bewegt. Erlaubt mir, euch alle in großer Zuneigung zu umarmen. Im Namen des Herrn möchte ich euch nun, zum Abschluß unseres Treffens, zwei Empfehlungen mit auf den Weg geben. Die eine entnehme ich der Ermahnung im ersten Petrusbrief: „Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein” (7 Petr 2,4). Ja, liebe Brüder und Schwestern, verhaltet euch so, daß Christus, der Herr, euer und auch eurer Kinder Lehrmeister ist. Er ist es, der euch in jeder Situation Orientierung und Einsicht geben wird. Widersetzt euch mit Entschlossenheit der Ehescheidungsmentalität, die den Plan Gottes von der Ehe als unauflösbare Liebesgemeinschaft zerstört. Laßt es nicht zu, daß in den Kreis eurer Familie eine allzu freizügige Kultur einzieht, bei der alles erlaubt ist, sogar die Zerstörung des Lebens vor der Geburt oder vor seinem natürlichen Ausklang und Verlöschen. 5. Die andere Empfehlung betrifft eure Verantwortung für die Verkündigung des Evangeliums. Seid evangelisierende Gemeinschaften, die zur Vermittlung und Ausstrahlung des Gotteswortes fähig sind! Ist dies nicht auch das Ziel, auf das die von euch organisierte Mission für die Eheleute hinarbeitet? Ihr sollt den Mut des Evangeliums haben! Meine Lieben, möge mein Segen euch ermutigen, eure willkommene Initiative fortzusetzen, in der Hoffnung, daß der euch inspirierende missionarische Eifer weiterhin die gesamte Pastoral der Diözese prägen wird. Liebe Brüder und Schwestern! Ich vertraue jeden von euch, eure Kinder, eure Familien und eure Pläne der Liebe 675 REISEN des Vaters an, und erbitte für euch den Beistand der Schutzheiligen und die mütterliche Fürsprache der Jungfrau Maria. Allen erteile ich meinen Segen! Abschließend fügte der Papst hinzu: Ich muß sagen, daß der Ausdruck „Mission für die Eheleute” sehr eindrucksvoll ist, denn normalerweise, wenn man an die Mission und an Missionare denkt, bezieht man sich auf jene, die in ferne Länder reisen. Manchmal tun das allerdings auch die Eheleute. Heute hingegen, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, sind wir uns der Sendung, die alle Christen angeht, voll bewußt. Wir alle sind Missionare, und die Missionstätigkeit der Familie ist von unersetzlichem Wert. Wenn man sagt, daß diese kleine Gesellschaft die Keimzelle der großen Gesellschaft ist, so ist sie für die Kirche, für die Evangelisierung, für die Neuevangelisierung unersetzbar. Wir wissen auch aus Erfahrung und von der Tradition her, wieviel wir alle, Bischöfe, Kardinale, der Papst selbst, unserer Familie, unseren Eltern verdanken, die uns zum Glauben, zu edlen Menschen und Christen und zu Tugendhaftigkeit erzogen haben. Wir stehen in ihrer Schuld. Wir stehen in erster Linie in der Schuld Gottes, aber auch in der Schuld vieler unserer Brüder und Schwestern und ganz besonders unserer Eltern, die uns das Leben geschenkt und uns erzogen haben. Das menschliche Leben muß in der leiblichen, biologischen aber auch in der geistigen Dimension geformt werden. Das ist die unersetzliche Evangelisierung, die in den Familien verwirklicht wird und zu der ihr berufen seid. Deshalb seid ihr, auch ohne in ferne Länder zu reisen, die Apostel, die Verkünder des Evangeliums, die Missionare eurer Familien. Dazu gehört jedoch der Geist der Mission, der gleiche, der die Apostel beseelte, aber auch der Geist unserer Eltern und unserer Vorfahren, die es verstanden haben, aus der Familie eine Hauskirche zu machen. Dies ist ein schöner Ausdruck, den uns die Kirchenväter überliefert haben. Es gibt eine universale Kirche, die der Diözese und die der Pfarrgemeinde, aber die Hauskirche ist unersetzlich. Ich wünsche euch allen, den Vätern und Müttern, ebenso wie auch allen Kindern, diese Hauskirche aufzubauen, eine gemeinschaftliche Mission zu sein. Dies geschieht durch jene Personengemeinschaft, wie sie die Familie ist, die Gemeinschaft der Eheleute und dann die der Generationen. Ich danke euch für diese Begegnung und vertraue euch dem Schutz der heiligen Familie an, einer Familie, in der der Sohn Gottes geboren und als Mensch, als Menschensohn, erzogen wurde. Das ist eine wunderbare Wahrheit. Seid dieser heftigen Familie, Jesus, Maria und Josef, ergeben. Ihnen vertraue ich alle Anwesenden und alle Familien eurer Stadt und eurer Diözese an. 676 REISEN Der sei. Guiseppe Marella - ein großer Verehrer des hl. Josef Ansprache an die Oblaten vom hl. Josef in Asti am 25. September Liebe Oblaten vom hl. Josef! 1. Unsere Begegnung heute abend ist ein Geschenk des Herrn. Obwohl sie nur kurz sein kann, erlaubt sie es mir doch, mich mit euch in eurem Mutterhaus zu treffen, das die Entstehung und Entfaltung eurer Kongregation miterlebt hat. Ich danke dem Generalobem, Pater Vito Calabrese, für das freundliche Grußwort, das er an mich gerichtet hat, und ich erwidere von Herzen die Gefühle, die er mir in eurem Namen ausgesprochen hat. Hier wird die sterbliche Hülle des ehrwürdigen Msgr. Giuseppe Marello aufbewahrt, des verehrten Sohnes der Kirche von Asti, den ich zu meiner Freude - so Gott will - morgen vormittag seligsprechen werde. An diesem Grab will ich seiner als eines großen Verehrers des hl. Josefs gedenken, der sich ganz dem Dienst an der Kirche verschrieben hatte. Seine charismatische Botschaft ist in euch und in euren wohltätigen Einrichtungen lebendig. Danke, meine Lieben, für den tatkräftigen Beitrag, den ihr auf den Spuren eures Ordensgründers unermüdlich leistet für die Verbreitung des Evangeliums, nach dem Vorbild des hl. Josef, des Schutzpatrons eures Werkes. 2. Bischof Marello sagte: „Man muß sich am hl. Josef inspirieren; er hatte auf Erden als erster die Interessen Jesu vertreten und sich um seine Belange gesorgt, ihn als Kind behütet, als Heranwachsenden geführt und bei ihm bis zum 30. Lebensjahr auf Erden die Vaterstelle vertreten” (vgl. Briciole d'oro. Massime e sentenze del Servo di Dio Mons. Giuseppe Marello, Mailand 1930, S. 28). Euer geistlicher Vater sah im hl. Josef den Pilger des Glaubens, der sich auch in der Dunkelheit so vieler Ereignisse, die die Geburt Jesu umhüllen, vertrauensvoll dem geheimnisvollen göttlichen Plan überließ (vgl. Redemptoris custos, Nr. 24). Sein Leben ist gekennzeichnet von einem tiefen Verantwortungsbewußtsein, von großem Heiß und beständiger Demut. Sind das nicht Tugenden, die auch euch als Oblaten des hl. Josef auszeichnen sollen? Bilden sie nicht den Grund eures Apostolats bei der Jugend? Ich möchte hier an die Gelassenheit und Ausdauer erinnern, die, verbunden mit großer Bescheidenheit, Msgr. Marello durch tiefes und unaufhörliches Gebet in sich zu pflegen wußte. Er fühlte sich und lebte als „Ob-lat”, das heißt völlig Gott hingegeben und von Gott den Menschen gegeben, um durch Zeugnis und Wort (sowie durch hervorragende journalistische Arbeit) die Liebe des himmlischen Vaters zu jedem, insbesondere zum jungen Menschen zu zeigen. Darauf hat er seinen Weg zur Heiligkeit aufgebaut: einer Heiligkeit, die nicht als wenigen Auserwählten vorbehaltener Vorzug, sondern als allen angebotene Gnade angesehen wurde. 677 REISEN 3. Liebe Oblaten vom hl. Josef! Auch: ihr seid berufen, euch ganz „den Interessen Jesu zu widmen”. Haltet euch deshalb immer das schlichte, geduldige und fleißige Vorbild eures Gründers vor Augen, der zu seinen Mitarbeitern gern sagte: „Seid Karthäuser zuhause und Apostel außer Haus.” Euer apostolischer und missionarischer Einsatz in so vielen Teilen der Welt, von Lateinamerika bis zum Femen Osten, von Europa bis Afrika, zeugt von einer geistlichen Lebendigkeit, für die ich mit euch dem Herrn danke. Die Seligsprechung eures Gründers, die wir morgen gemeinsam hier in Asti erleben werden, sei für jeden ein Anlaß zu neuem Eifer gemäß den lehren des Evangeliums. Msgr. Marello begleite und beschütze euch immer. Ihm übergebe ich die Hoffnungen und Pläne eurer Kongregation, insbesondere das Generalkapitel, zu dem ihr, so Gott will, im kommenden Januar zusammentreten werdet. „In all euren Nöten -wiederholte er - werft euch vertrauensvoll Maria in die Arme, eurer liebevollen Mutter, und wie groß die Gefahren und Versuchungen auch sein mögen, ihr werdet sie immer überwinden” (vgl. Briciole d'oro, S. 41). Der hl. Josef, der nach der seligen Jungfrau als erster den Erlöser Jesus in seinen Armen gehalten hat, sei das Vorbild, das euren Dienst - als innige Beziehung zum Wort Gottes - inspiriert. Meine Lieben, es begleite euch meine hebevolle Ermutigung, verbunden mit meinem besonderen Apostolischen Segen. In den Schwierigkeiten Zuversicht bewahren Gebet vor dem Gnadenbild „Madonna Porta Paradisi” in Asti am 26. September O Jungfrau Maria, die wir in diesem Diözesanheiligtum als „Pforte des Himmels” verehren: Wir wollen uns heute erneut unter deinen Schutz stehen. Wie unsere Väter, die dein Bild über dem Stadttor befestigt haben,, damit es ein Aufruf des Glaubens und der Hoffnung sei, erkennen auch wir unsere Schwäche. Deshalb bitten wir um deine Fürsprache, damit wir unser persönliches, familiäres und gesellschaftliches Leben nach dem Plan Gottes aufbauen. Leite uns an zu einem verstärkten Einsatz in der Liebe, damit wir fähig werden, die Sünde zu überwinden, in den Schwierigkeiten Zuversicht zu bewahren und jenes Heil zu suchen, das ein ausschließliches Geschenk deines Sohnes Jesus ist, der mit dem Vater und dem Heiligen Geist unsere Freude und unsere Herrlichkeit in alle Ewigkeit sein wird. Amen. 678 REISEN Mutig den Glauben an Christus verkünden Predigt bei der feierlichen Messe zur Seligsprechung von Bischof Giuseppe Marello, Gründer der Kongregation der Oblaten vom hl. Josef, in Asti am 26. September 1. „Geh und arbeite in meinem Weinberg!” (vgl. Mt 21,28). Weinberg Gottes kann in gewissem Sinn die Welt genannt werden, die der Schöpfer dem Menschen anvertraut hat, damit er sie sich unterwerfe und über sie herrsche (vgl. Gen 1,28). Sich die Welt unterwerfen und über sie herrschen ist also die endgültige Bestimmung des Menschen? Ihr einziges Ziel? Jesus sagt: Gott hat die Welt geüebt, er „hat sie so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat” (vgl. Joh 3,16). Ja, Weinberg Gottes ist in einem tieferen Sinn die von Christus gerettete Welt, die in seine Heilssendung, seinen Kreuzestod und seine Auferstehung einbezogen ist. Diese Welt wird dem Menschen gegeben, der im eingeborenen Sohn ein „neuer Mensch” geworden ist. 2. Deshalb mahnt uns der Apostel Paulus in der heutigen Liturgie: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich ... Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz” CPhil 2,5-6.8). Kann man nicht sagen, daß gerade Jesus, der Eingeborene, der Sohn, eines Wesens mit dem Vater, das Urbild jedes Sohnes und jeder Tochter ist, die der Vater zur Arbeit in den Weinberg ruft? Wir alle werden von ihm gerufen, die Welt in der Weise zu bebauen, daß wir in ihr das Reich Gottes vorbereiten. Wir sollen die Welt bebauen, unser Menschsein umwandeln durch die Kraft des Heiligen Geistes nach dem Beispiel dessen, der der Erstgeborene der ganzen Schöpfung ist (vgl. Kol 1,15). 3. Liebe Schwestern und Brüder, ich freue mich, unter euch zu weilen, in dieser altehrwürdigen Kirche von Asti, die uns zu den Anfängen der Evangelisierung von Piemont zurückführt, das ein Land der Heiligen ist: Im einzelnen sind es: die hll. Giovanni Bosco und Giuseppe Cafasso, der sei. Giuseppe Allamano, geboren in Castelnuovo d’Asti, heute Castelnuovo Don Bosco; der hl. Giuseppe Benedetto Cottolengo, der Alumne des Priesterseminars von Asti war und eine Zeit lang zum Presbyterium von Asti gehörte; der hl. Domenico Savio, der in Mondonio (Diözese Asti) lebte und starb; der ehrwürdige Bruder Teodoreto aus Vinchio d’Asti, ein Apostel der Katechese. Und wie kann man vergessen, daß von diesen Hügeln von Asti, die nicht einengen, sondern immer weitere Horizonte eröffnen, große Missionare ausgezogen sind wie Kardinal Guglielmo Massaia, Apostel des Gallastammes; Msgr. Giuseppe Fagnano, 679 REISEN der Apostel von Patagonien und Feuerland; der ehrwürdige Luigi Variara, Apostel der Aussätzigen in Kolumbien? 4. „Geh und arbeite in meinen Weinberg!” Msgr. Giuseppe Marello, Gründer der Oblaten vom hl. Josef, den ich heute zu meiner Freude seligsprechen kann, reiht sich ein in diese wunderbare Geschichte religiöser Lebenskraft und Heiligkeit. Heute ehren wir diesen Hirten, der so viel im Weinberg des Herrn gearbeitet hat. Hier in Asti wurde er zum Priester herangebildet und war zwanzig Jahre lang Mitglied des Diözesanklerus, wobei er sich in jeder Weise dem Wohl der Menschen widmete. Zum Bischof von Acqui ernannt, brachte er in einem kurzen, aber dichten Pastoraldienst seine besten menschlichen und priesterlichen Fähigkeiten zum Ausdruck zum großen Nutzen für die Bewohner dieser Diözese. Die Mahnung des Apostels Paulus, die wir in der zweiten Lesung gehört haben, war für ihn eine konstante Lebensregel: Er tat nichts aus Ehrgeiz oder Ruhmsucht. In voller Demut schätzte er die anderen höher ein als sich selbst und tat nichts aus eigenem Interesse, sondern alles zum Wohl der anderen (vgl. Phil 2,3-4). 5. „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht” (Phil 2,5). Welche Gesinnung, liebe Schwestern und Brüder, wenn nicht die eines Daseins, eines kindlichen und geschwisterlichen Daseins, das sich aus Liebe zum Vater den anderen schenkt? Das ist das Wesen jedes wahrhaft menschlichen und christlichen Lebens, das Wesen eurer Heiligen, mit denen ihr euch ständig so tief verbunden fühlt; das Wesen eurer Jahrhunderte alten Kultur, die gerade durch ihre christliche Grundlage und Inspiration so reich an menschlichen Werten ist. Wir erleben eine Geschichtsperiode mit gewaltigen kulturellen Veränderungen. Viele Aspekte im Leben der Gesellschaft sind brüchig und gewalttätig geworden, Einzehnteressen neigen dazu, das Gemeinwohl zu überwiegen; Arroganz und Rivalität werden manchmal als Lebensgewohnheit dargestellt. Im Herzen der Menschen jedoch wächst die Sehnsucht nach einer menschlicheren und brüderlicheren Lebensweise. Aber wie kann man ein wirklich solidarisches Leben aufbauen, wenn man den Weg der Verweltlichung und der religiösen Gleichgültigkeit oder auch den einer nicht authentischen Religiosität geht? Das Leben öffnet sich der Bruderliebe nur, wenn Gott als Vater, als Vater aller, wahrgenommen, erkannt und geliebt wird. 6. Du, Kirche von Asti, edel und ehrwürdig in deiner langen von christlichen Werten durchwirkten Tradition, präge dir diesen herrlichen Tag ins Gedächtnis ein! Heute wurde ein herausragender Sohn dieser Kirche zur Ehre der Altäre erhoben, und seine Heiligkeit wird dem ganzen christlichen Volk aus Vorbild gezeigt. Nimm mit neuem Eifer den Weg der Neuevangelisierung auf und überwinde jede gefährliche Ermüdung und Angst! Nicht verringern sollen sich in dir der Mut und die Freude, deinen Glauben an Christus zu verkünden angesichts des Fortschreitens der säkularisierten Kultur. 680 REISEN Jesus Christus ist der Sinn deines Lebens, das Fundament deiner Sendung, die wahre Hoffnung, die den neuen Generationen zu bieten ist, die am Anfang ihres Lebens stehen. Verkünde das Evangelium zuversichtlich und beharrlich. Verkünde es allen, aber besonders den Jugendlichen und den Familien. Mögen die Bewohner von Asti diese Tugenden und Werte wiederentdecken, die das Leben ihrer Vorfahren in der Vergangenheit gekennzeichnet haben. In gottesfürch-tigen Familien sind jene Früchte der Wirklichkeitsnahe und Sachkenntnis, der Kreativität und Unternehmungslust, der Zivilcourage und des Glaubens an die Vorsehung gereift, die immer noch den besten Teil dieses Volkes auszeichnen. Auch heute haben die Bewohner dieser Stadt und der Ortschaften, die auf den Hügeln und in den Tälern der Umgebung von Asti zerstreut sind, einen Auftrag zu erfüllen: Diesem Land ein authentisches und glaubwürdiges christliches Gepräge zu geben. Im Licht des Evangeliums werden sie eine angemessene Lösung finden für die Schwierigkeiten, mit denen viele Menschen zu kämpfen haben, vor allem jene, die einen sicheren Arbeitsplatz, eine Wohnung und bessere Lebensbedingungen suchen. Gerechtigkeit und Solidarität, unterstützt von der Liebe, die immer neue Kräfte aus der unendlichen Liebe Gottes schöpft, werden den Weg weisen, der einzuschlagen ist, um zu einem gerechteren und brüderlichen Zusammenleben zu gelangen. 7. Mit diesen Wünschen grüße ich euch alle, angefangen vom Diözesanbischof Se-verino Poletto und den anderen Prälaten, unter ihnen will ich an den Erzbischof von Turin, Kardinal Giovanni Saldarini, und an meinen Staatssekretär, Kardinal Angelo Sodano, gebürtig aus der Kirche von Asti, erinnern. Ich grüße weiter die Ordens-ffauen und -männer, insbesondere die Oblaten vom hl. Josef, die sich heute über die Seligsprechung ihres Gründers freuen. Ich grüße die im Apostolat tätigen Laien, die Jugendlichen, die Familien und die Kranken. Ich danke den anwesenden zivilen und militärischen Obrigkeiten und allen, die meine apostolische Pilgerfahrt in die Diözese Asti ermöglicht haben. Zugleich grüße ich herzlich alle christlichen Gemeinschaften von Piemont und vom Aostatal, die hier durch ihre ehrwürdigen Oberhirten vertreten sind. Sie sind besonders an der 42. Sozialen Woche der italienischen Katholiken interessiert, die in zwei Tagen in Turin beginnen wird unter dem Thema: „Nationale Identität, Demokratie und Gemeinwohl.” Gott segne auch diese wertvolle Gelegenheit zur Verkündigung des Evangeliums der Gerechtigkeit und Solidarität. 8. Ich denke an den Apostel Paulus: Gott hat Christus erhöht, der sich entäußerte und wie ein Sklave wurde. „Damm hat Gott ... ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit ... jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr’ -zur Ehre Gottes, des Vaters” (Phil 2,9-11). Auch wir freuen uns heute über die Verherrlichung Christi. Insbesondere die Kirche von Asti und die von Acqui freuen sich, denn an der Erhöhung Christi in der Herr- 681 REISEN lichkeit Gottes des Vaters hat auch Msgr. Giuseppe Marello teil, den sie als hochherzigen Sohn und unermüdlichen Hirten verehren. Er vernahm den Ruf des Vaters und ging in den Weinberg des Herrn arbeiten. In der Nachfolge Christi, des guten Hirten, führte er das Volk Gottes zu den grünen Auen der Wahrheit auf den Wegen der Hoffnung, einer Hoffnung, die nicht trügen konnte und kann, denn sie hat ihren Ursprung in Gott. Amen. Das ganze Leben auf Christus ausrichten Angelus in Asti am 26. September Liebe Schwestern und Brüder! 1. Am Schluß dieser Eucharistiefeier richten wir unsere Gedanken natürlich auf die Jungfrau Maria, die hier in Asti unter dem schönen Namen „Porta Paradisi” -„Pforte des Himmels” verehrt wird. Seit altersher hängt ihr Bild über einer der Eingangstore der Stadt, über dem Markus-Tor. Ihre Verehrung hat sich immer mehr entfaltet und in dem jetzigen großartigen Heiligtum konkrete Gestalt angenommen. „Pforte des Himmels” ist eine Bezeichnung, die die Rolle der Gottesmutter als „Eingangspforte” zu Christus gut zum Ausdruck bringt. Durch diese „Tür” sind Generationen von Glaubenden gegangen: „ad Iesum per Mariam” - „durch Maria zu Jesus”. Wie viele von den Bewohnern in Asti empfangene Gnaden wurden der „Madonna del Portone” zugeschrieben, wie sie im Volksmund allgemein genannt wird! Auf den Spuren dieser althergebrachten Verehrung stellen auch wir uns unter ihren himmlischen Schutz. Wir wollen vor allem bei ihr in die Lehre gehen, indem wir ihre mütterliche Einladung annehmen und unser gesamtes Leben auf Christus ausrichten. 2, „Porta Paradisi”! Das war Maria für den seligen Giuseppe Marello, den Bischof von Acqui und Sohn dieses edlen Landes, der soeben zur Ehre der Altäre erhoben wurde. Er war ein eifriger Verehrer des hl. Josef, nach dem er seine Kongregation der Oblaten benannte, aber er hegte eine besonders tiefe Liebe zur seligsten Jungfrau. Es ist beeindruckend, wie in seinem Leben gerade in entscheidenden Momenten die mütterliche Gestalt Marias aufscheint. Als kleiner Junge besuchte er in Savona die Kirche der Madonna della Misericordia. Es war gleichsam der Anfang eines Zwiegesprächs. Bevor er Priester wurde, ging er in dieselbe Kirche, um der himmlischen Mutter zu danken, die ihn in einem kritischen Augenblick seiner Jugendjahre auf den Weg der Berufung geführt hatte, und um ihr die Anfänge seines Dienstes anzuvertrauen. In Savona sollte er durch die Fügung der göttlichen Vorsehung auch seine letzten Lebenstage verbringen. Der Besuch des Heiligtums seiner Kindheit sollte 682 REISEN diesmal - vielleicht im heimlichen Vorgefühl des nahen Endes -ein „Auf Wiedersehen im Himmel” sein. Maria hatte ihn wirklich mit mütterlicher Hand bis zu den Gipfeln der Heiligkeit geführt. „Wir sollen immer auf Maria schauen und ständig mit ihr verbunden sein” (vgl. Briciole d’oro. Massime e sentenze del Servo di Dio Mons. Giuseppe Marello, Mailand 1930, S. 41). Es waren Liebesworte eines Sohnes an seine Mutter. Aber es waren auch verpflichtende Worte, die den Vorsatz zur Nachfolge einschlossen: „Werden wir demütige Jünger Marias - sagte er - und bitten wir sie um die Gnade, sie nachahmen zu können; nicht in den herausragenden und hohen Tugenden, sondern in den bescheidenen und verborgenen, die Maria eigen sind ...” (ebd., S. 41). 3. Heilige Jungfrau, Schutzherrin der edlen Stadt Asti, dir empfehle ich diese heben Bewohner. „Porta Paradisi”, Maria, Pforte des Himmels, richte deinen mütterlichen Bhck auf diese Stadt, auf die Kirche in Piemont und im Aostatal, auf Italien und auf die ganze Welt. Auf dich setzen wir unser Vertrauen, dir vertrauen wir unsere Familien und unser Leben an. Maria, Pforte des Himmels, bitte für uns! Das Alter als Zeit der Hoffnung und des Gebets Ansprache beim Besuch im städtischen Altenheim in Asti am 26. September 1. Mir ist es besonders heb, den Tag zu beginnen mit dieser Begegnung mit euch, hebe Schwestern und Brüder, Bewohner des Altenheims „Cittä di Asti”, und mit allen, die aus diesem Anlaß hier versammelt sind. Ich danke dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates für das herzliche Willkommen, das er mir auch im Namen der Mitarbeiter, des Kaplans und der Ordensftauen, des medizinischen Personals und der freiwilligen Helfer, der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen zuteil werden heß. Ich erwidere von Herzen die Gefühle der Verehrung, die ihr mir zum Ausdruck gebracht habt, und ich grüße liebevoll jeden einzelnen von euch. Der heutige Besuch bietet uns Gelegenheit, zusammen über den Sinn der Lebenserfahrung nachzudenken, die ihr hier macht. In der Sicht des Evangeliums zeigt sich auch das Alter als ein Zeitabschnitt, der reich an Werten ist durch die weiten Horizonte, die sich den Augen des Geistes eröffnen: Es sind die Horizonte der Weisheit in der Bewertung der Ereignisse, der Toleranz in der Beziehung zu den anderen und der großen Aufmerksamkeit für die ewige Dimension des einzelnen Menschenschicksals. Meine Lieben, wie sehr wünschte ich, daß jeder von euch, jeder Bewohner dieses Hauses, in sich diese geistlichen Fähigkeiten zu entwickeln versucht, so daß er in der hochherzigen Hingabe an Christus, unsem Freund und Lehrer, innere Ruhe und Frieden findet. Hat er nicht gesagt: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen” {Mt 11,28)? 683 REISEN 2. Meine Lieben, es ist sehr bedeutsam, daß wir uns auf die heutige Eucharistiefeier mit der Seligsprechung des Dieners Gottes Giuseppe Marello vorbereiten, daß wir uns auf dieses Opfer Christi einstellen, indem wir hier im Altenheim so vielen kranken, so vielen alten Menschen begegnen, die in sich das Leiden ihres Lebens, ihrer Jahre, körperliches und seelisches Leiden tragen. Wir bereiten uns auf die Meßfeier vor, indem wir euch begegnen, denn wir wollen auf den Altar all das legen, was ihr seid, alles, was ihr ertragt, alles, was ihr leidet. Wir wollen dieses menschliche Leiden in das Opfer Christi einfügen. Der Apostel Paulus hat gesagt, daß die Leiden der Menschen, der Gemeinschaft, die Leiden Christi, sein Kreuz, seinen Opfertod, vervollständigen sollen. Warum soll man also eure Leiden nicht zur Eucharistiefeier bringen, wo das eine Opfer Christi, das Kreuzesopfer, sakramental verwirklicht wird? Ich hoffe, daß ihr auf diese Weise bei unserer Eucharistiefeier gegenwärtig seid, während der Eucharistiefeier der Diözesangemeinschaft Asti, wo viele eurer Nachbarn und eure Angehörigen anwesend sein werden. So seid ihr vertreten, ja ihr seid gegenwärtiger als alle, im Opfergeheimnis, im eucharistischen Geheimnis, im Geheimnis des Kreuzes. Ihr seid gegenwärtig und im Geist Konzelebranten bei diesem Opfer. So erkennt man die Bedeutung des menschlichen Leidens. Christus hat dem menschlichen Leiden, allen Leidenden, allen Schmerzen einen tiefen Sinn verliehen. Ihr seid bei der Eucharistiefeier nicht persönlich anwesend, aber nehmt geistig daran teil und empfangt die Kommunion, denn Jesus will mit euch in besonderer Weise verbunden sein. 3. So ist es möglich, liebe Senioren, den Auftrag zu erfüllen, den der Herr euch in eurer derzeitigen Verfassung anvertraut. Er bittet euch, alle, die im Vollbesitz ihrer Kräfte sind, auf die authentischen Werte hinzuweisen, auf denen die Existenz gründet: den Glauben an die göttliche Vorsehung, die Treue gegenüber der eigenen Pflicht, die Gottesfurcht. Das Alter kann der Lebensabschnitt der Weisheit werden, die in der schlichten und vertrauensvollen Annahme des Willens des himmlischen Vaters wurzelt. Liebe Schwestern und Brüder! Das Nachdenken über euer vergangenes und euer derzeitiges Leben, das frohe und traurige Stunden verzeichnen konnte, erlaubt euch, die Wirklichkeiten mit Abstand zu betrachten, indem ihr euch von dem, was im Grunde vergänglich ist, loslöst und euer Augenmerk auf das Wesentliche der Dinge lenkt. Ihr bezeugt, daß der Mensch hinfällig ist und die Solidarität und Hilfe der anderen braucht. Ihr bezeugt auch, wie sehr jeder Mensch im Heilsplan den anderen nutzen kann, denn Gott gibt allen einen Auftrag zum Wohl des Nächsten. 4. Lebt euren Zustand als Zeit der Hoffnung und des Gebets! Mose hob, als er bereits alt war die Arme zu Gott empor und betete für das Volk Israel, das gegen die Feinde kämpfte, und seine Fürbitte rührte das Herz Jahwes bis zum Erbarmen und erlangte den erhofften Sieg (vgl. Ex 17,11.12). 684 REISEN Begegneten Maria und Josef, als sie Jesus im Tempel vorstellten, nicht zwei alten Menschen? Simeon, der auf die Rettung Israels wartete, nahm den Erlöser in die Arme und zeigte ihn den Umstehenden als das Licht, das den Weg jedes Menschen erleuchtet (vgl. Lk 2,15-32). Die Witwe Anna, die Gott Tag und Nacht durch Gebet und Fasten diente, weissagte, daß sich die messianische Verheißung erfüllen würde; sie pries Gott „und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten” (vgl. Lk 2,36-38). Werdet nicht müde, in eurem Tagesablauf bestimmte Gebetszeiten einzuhalten, ähnlich den ehrwürdigen Alten, von denen die Bibel berichtet. Betet um Gerechtigkeit und Solidarität unter den Einzelnen und den Nationen, um den Frieden in den Familien und in der Welt. Übergebt dem Herrn die Anforderungen und Aufgaben der Neuevangelisierung. So wißt ihr euch als Mitwirkende in der Kirche, als Apostel des Evangeliums und als Bauleute des Reiches Gottes. Das, was in den Augen der Menschen oft von geringem Interesse ist, erhält großen Wert vor dem himmlischen Vater. 5. Ich möchte noch ein Wort an all jene hinzufügen, die mit den Alten die Leiden tragen; an das Personal, an alle Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger sowie an alle freiwilligen Helfer. Das menschliche Leiden ist auch dazu bestimmt, in uns jene Liebe zu wecken, jene Haltung, die der „barmherzige Samariter” einnahm: dieser „barmherzige Samariter” soll im Leben der Menschheit, der Völker, der Städte und der Umfelder gegenwärtig sein. Ihr barmherzigen Samariter, ich wünsche euch, daß ihr eine besondere Gegenwart spüren möget, denn er ist der erste und vollkommenste barmherzige Samariter. Zum Schluß möchte ich allen Anwesenden meinen Segen erteilen. Gelobt sei Jesus Christus! Vertrauen in Christus wird nicht enttäuscht! Ansprache an die Jugend im Sportpalast von Asti am 26. September Liebe Jugendliche! 1. Voller Leben sehe ich euch, voller Lust zu singen und das Zeugnis eurer Treue zum Evangelium zu erneuern. Wenn ich hier bei euch bin, scheint es mir fast, als würde sich das vor kurzen zu Ende gegangene Weltjugendtreffen in Denver fortsetzen, an dem, wie ich weiß, auch einige von euch, unter der Führung von Msgr. Po-letto, den ich herzlichst grüße, teilgenommen haben. Von Herzen begrüße ich jeden von euch, wie auch eure Priester und Erzieher. Mein aufrichtiger Dank gilt euren Vertretern, die mir im Namen aller eure freundschaftliche Zuneigung vermittelt haben. In ihren Gedanken und Fragen konnte ich euren innigen Wunsch erkennen, Jesus und seine Botschaft als einzige Lebensregel anzunehmen. Ebenso habe ich gesehen, wie entschlossen ihr seid, eine wahre, am Evangelium orientierte Haltung der 685 REISEN Dienstbereitschaft zu erlangen, um so jener Sauerteig zu sein, der fähig ist, den „Teig der Welt” zu vergären. Ich bin mir bewußt, daß diese Bestrebungen in unserer Zeit leicht Gefahr laufen, unterdrückt und sogar ausgelöscht zu werden; dann bleiben Bitterkeit und Enttäuschung im Herzen zurück. Deshalb erscheint mir der Versuch der diözesanen Jugendmission, persönlich zu allen Jugendlichen der Diözese Kontakt aufzunehmen und ihnen zu helfen, den Sinn und die wahren Werte des Lebens durch die kurzgefaßte Darstellung der christlichen Botschaft zu entdecken, ganz besonders anerkennenswert. Wir brauchen feste Anhaltspunkte, um die Kraft und die „Talente”, die ihr in euch entdeckt, nicht zu vergeuden. Ihr junge Gläubige wißt sehr gut, daß Christus und sein Evangelium der starke Fels sind, auf dem allein der Aufbau guter Werke des Friedens und der Solidarität möglich ist. 2. „... ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Diese Worte waren das Thema des diesjährigen Weltjugendtags. Christus hat den Tod besiegt; eine verwirrende Wirklichkeit, und viele glauben heute, sie verdrängen zu können. Er möchte uns an seiner Auferstehung teilhaben lassen. Das aber hat seinen Preis. Jesus ist ein guter und geduldiger, aber auch ein anspruchsvoller Lehrmeister. Ihr kennt seinen Vorschlag; „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen” (Mt 16,24-25). Wenn es in der Nachfolge Jesu gelebt wird, kann das christliche Leben in all seinem unvorstellbaren Reichtum genossen werden. Wie stark ist doch heute, mitten unter unzähligen anderen Stimmen und Vorschlägen, die Versuchung, auch die Stimme Christi als eine von vielen zu betrachten, der wir nur dann folgen, wenn es nicht allzu mühevoll ist, oder wenn sie mit unseren unmittelbaren Gefühlen und Ansichten übereinzustimmen scheint! Widersteht dieser Versuchung. Vertraut Jesus, und ihr werdet es nicht bereuen! Er ist ein wahrer Freund: er weiß, was gut für euch ist und täuscht euch nie; er führt euch zu wirklicher Freiheit und weist euch den Weg der Liebe. 3. Freiheit und Liebe - Worte, die den Menschen und insbesondere den Jugendlichen teuer sind! Freiheit und Liebe: ein unermeßlicher Schatz! Wir sind geschaffen worden, damit wir frei sind und damit wir heben, oder vielmehr damit wir frei sind zu lieben. Liebe Jugendliche, gebt euch nicht der Illusion hin, daß Freiheit und Liebe mühelos und billig erworben werden können. Mißtraut demjenigen, der Freiheit lediglich als die Möglichkeit hinstellt, tun und lassen zu können, was man will; mißtraut demjenigen, der Liebe ausschließlich als eine vom Willen losgelöste Gefühlsregung betrachtet, oder als Instinkt, um sich angenehme Empfindungen zu verschaffen. Das ist 686 REISEN illusorische Freiheit, die zur Abhängigkeit von den eigenen Instinkten; führt; das ist illusorische Liebe, die den anderen lediglich zu einem Konsumobjekt werden läßt. Liebe Jugendliche, schaut auf Jesus Christus! In ihm werdet ihr ein unvergleichbares Vorbild wahrer Liebe finden. Möget ihr an seiner Schule die Kunst des Liebens erlernen; die Kunst des Menschen, der gerade in der Begegnung und der bedeutsamen Beziehung zu seinen Mitmenschen eine reife und unabhängige Persönlichkeit zum Ausdruck bringt. Wer als Jünger Jesu so lieben lernt, wird jeden Tag mehr verstehen, wie reichhaltig das Leben, diese Gabe unseres himmlischen Vaters, doch ist, und wie sehr es sich lohnt, es unseren Brüdern zu schenken. 4. Das ist es, wovon euer aktiver und verantwortungsvoller Einsatz im gesellschaftlichen und politischen Leben ausgehen muß. Es handelt sich um eine anspruchsvolle Art und Weise, die evangelische Berufung im Dienst am Nächsten zu verwirklichen. Man kann sich nicht mit dem Schutz der eigenen Rechte und Menschenwürde begnügen und den Nächsten, vor allem die Ärmeren und Schwächeren, vergessen. Es genügt nicht, Ungerechtigkeiten anzuprangem. Es ist sehr bequem, die Schuld anderer anzuzeigen. Worte haben nur dann Gewicht, wenn sie von einem intensiveren Bewußtsein der eigenen Verantwortung und durch konkretes Handeln begleitet werden. Wir brauchen Umkehr und Verantwortungsbewußtsein, angefangen bei der eifrigen und gewissenhaften Erfüllung unserer täglichen Pflichten. Liebe Jugendliche, die Gesellschaft wartet darauf, daß ihr euch persönlich im sozialen und politischen Leben einsetzt, daß ihr euch der Erwartungen der Menschen annehmt, ohne den Verlockungen des Geldes, der Macht und des persönlichen Erfolgs zu erliegen. Seid in allen Bereichen des Lebens aufrichtig und konsequent; seid hochherzig und gut vorbereitet, seid fähig, Solidarität und Leistungsfähigkeit miteinander zu verbinden. 5. Ihr Jugendliche seid die Hoffnung für die Zukunft der Welt und der Kirche. Mißbraucht dieses Vertrauen nicht, indem ihr euch mit einem mittelmäßigen und oberflächlichen Leben zufrieden gebt. Laßt euch nicht von den Schwierigkeiten erschrecken. Laßt euch nicht von den falschen Lehrmeistern täuschen, die den Frieden gefährden, weil sie Wohlstand und Wohl miteinander verwechseln, und die die äußerliche Erscheinung, das Trachten nach Vergnügen, die wie ein Spiel gelebte Liebe und das hemmungslose Interesse für materielle Güter als absolute Werte darstellen. Ihr müßt vielmehr den Mut haben, durch eure täglichen Entscheidungen die Freude des Glaubens an Christus zu bezeugen; das ist die wahre Art, auf der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends, Missionare des Evangeliums zu sein. An Christus glauben! Um diese grundlegende Verpflichtung unseres Lebens als Gläubige zu bekräftigen, werden wir gleich das gemeinsame Glaubensbekenntnis erneuern. Die innere geistige Energie, die von der vertrauensvollen Hingabe in die Hand Gottes kommt, wird euch die Kraft geben, euren Freunden die Frohbotschaft des Heils zu vermitteln. 687 REISEN Liebe Jugendliche, ihr selbst müßt die Evangelisatoren eurer Altersgenossen sein! „Ich habe euch gewählt”, ist der Titel des Jugendkatechismus, den ich am Ende unseres Treffens den fünf Vertretern der Pastoralzonen eurer Diözese überreichen werde. Christus hat euch gewählt und er sendet euch aus, seine Liebe zu verkünden, so wie er auch eines Tages euren Mitbürger, den sei. Giuseppe Marello, gewählt hat, den Freund und großen Erzieher ganzer Jugendgenerationen. Ich sage es nochmals: Vertraut Gott, macht euch selbst ihm zum Geschenk, dann werdet ihr in der Tiefe des Geistes jene Freude erleben, nach der ihr euch sehnt. Morgen werdet ihr wieder euren gewohnten Beschäftigungen nachgehen. Im Glauben, in der Hoffnung und in der Barmherzigkeit gestärkt, nehmt ihr eure gewohnte Tätigkeit wieder auf. Möge euch die Freundschaft Jesu und der Schutz Marias begleiten, die in ihrer fürsorglichen, mütterlichen Liebe jeden von euch zur treuen Nachfolge des Sohnes führen möchte. Möge euch auch der Segen des Papstes begleiten, der auf euch Jugendliche zählt, und der von euch einen entscheidenden Beitrag für die Zukunft der Kirche und der Welt erwartet. Nachfolge Christi - eine Antwort auf den Säkularismus Improvisierte Ansprache an die Jugend im Sportpalast von Asti am 26. September 1. Schon habe ich mich daran gewöhnt, daß man mir Fragen stellt: Die Jugendlichen „prüfen” mich, und das schon seit vielen Jahren. Aber ich versuche, die Prüfung zu bestehen und die Schwierigkeiten zu überwinden, denn die Jugendlichen sind gut. Sie machen mir Mut, wenn sie zum Beispiel rufen: „Es lebe der Papst”. Das bedeutet: Er muß leben, stark sein. Also muß ich gehorchen. Die beiden Fragen waren durch eine vorhergehende Analyse eingehend motiviert und kreisten um zwei Themenbereiche: erstens die Neuevangelisierung und zweitens der freiwillige Dienst. Die beiden Vorschläge oder Tätigkeitsfelder, der Evangelisierung und des freiwilligen Dienstes sind eng miteinander verbunden, sie schließen sich gewissermaßen gegenseitig ein. 2. Aber ich möchte diese Fragen beiseite lassen und zu einem zentralen Punkt übergehen, dem wir im Evangelium begegnen: Es ist jenes Gespräch, jene Begegnung eines jungen Mannes mit Jesus. Ich wünsche, daß die Frage, die euer Altersgenosse vor zweitausend Jahren stellte, stets in euren Gedanken und Gebeten präsent ist. Was fragt dieser junge Mann? „Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” (vgl. Mk 10,17). Mein Wunsch für euch ist, daß ihr diese Lebensaussicht, dieses ewige Leben nie verliert. Unsere irdischen, menschlichen und weltlichen Angelegenheiten müssen wir am ewigen Leben messen. Es ist bezeichnend, daß der Jugendliche fragt: Was soll ich tun? Was soll ich jetzt, heute tun? Ich muß also einen Plan haben für mein Erdenleben, für dieses vorübergehende Leben und für diese Jahre, die vergehen. Ich muß einen Plan haben, der 688 REISEN auch auf die Gegenwart anwendbar ist. Was muß ich tun „hic et nunc”? Wenn dieser Plan aber fest verankert, zweckmäßig, gut und dem Evangelium gemäß sein soll, dann muß er stets im Hinblick auf das ewige Leben gemessen werden. Das wiederhole ich euch Jugendlichen, die ihr gewiß die Frage des jungen Mannes von vor zweitausend Jahren teilt. 3. Auch ihr stellt euch selbst und Christus die gleiche Frage. Ich wünsche euch, daß ihr sie euch sehr oft stellt, daß ihr oft auf diese so formulierte Frage zurückkommt, und daß ihr vor allem nicht den Ausblick auf das ewige Leben verliert, zu dem wir in Christus berufen sind - berufen, oder vielmehr zu dem wir in Jesus Christus vom Vater bestimmt sind - und daß ihr den Plan des weltlichen Lebens, des Lebens von heute, euer Lebensprogramm im Hinblick darauf meßt. Wenn man diese beiden Aspekte, diese beiden Dimensionen - das ewige Leben und das Programm für das irdische Leben heute - gut miteinander verbindet, dann wird unser Lebensplan bestimmt richtig sein. Da ist beispielsweise die Gefahr der Säkularisation. Was bedeutet dieser Begriff? Säkularisation heißt, die Erwartung des immerwährenden Lebens verlieren, so leben, als ob es dieses ewige Leben gar nicht gäbe, als ob es Gott nicht gäbe. Dieses säkularistische Klima ist in unserer zeitgenössischen Gesellschaft - vor allem im Westen, aber nicht nur dort - weit verbreitet. Daher wünsche ich euch, die Aussicht auf das ewige Heil nie zu verlieren. Christus ist gekommen, um uns zu rufen, ja noch mehr, um uns - sozusagen mit Kraft, nicht im materiellen, sondern im moralischen und spirituellen Sinn - zu ihm hinzuführen. Diese Kraft ist das Kreuz. Diese Kraft heißt Auferstehung. Diese immerwährende Kraft ist der Heilige Geist. Christus ist gekommen, uns zu rufen und uns die Aussicht des ewigen Lebens zu eröffnen. 4. So können wir die letzten Worte der Antwort Jesu besser verstehen. Er sagt zu dem jungen Mann: „Folge mir nach” (.Mk 10,21). „Folge mir”, nicht nur im physischen Sinn, indem er hinter ihm hergeht; „folge mir” bedeutet, nimm das an, was ich dir durch mein Zeugnis bringe, vor allem kraft meines Kreuzes, meiner Auferstehung und des Heiligen Geistes. „Folge mir” bedeutet, tritt in das ein, was ich dir bringe, was ich für dich vorbereitet habe, dir angeboten, dir verkündigt und für dich, für euch und mit euch getan habe. „Folge mir nach”. Hier möchte ich meine Gedanken unterbrechen, um euch die Möglichkeit zu geben, diese so wesentliche und fruchtbare Untersuchung weiterzuführen. Ich wünsche euch, daß diese Frage und das Hören der Antwort Jesu euch nie verlassen. 5. Im Anschluß an Denver möchte ich euch nun noch eine Betrachtung zur Evangelisierung und zum freiwilligen Dienst bieten: Allerdings gilt dies nicht nur nach dem jüngsten Weltjugendtag in Denver, sondern für alle diese Treffen, die bereits viele Stationen hinter sich haben, angefangen von Rom, dann Buenos Aires, Santiago de Compostela, Tschenstochau und schließlich DenVer. Die nächste Zusammenkunft ist in Manila geplant. 689 REISEN Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, daß der Erfolg dieser Treffen den Jugendlichen zu verdanken ist, denn sie lenken diese Begegnungen durch ihre Vorbereitung, durch ihre Art der Nachfolge Christi und durch ihre Schule christlichen Lebens, die sie in verschiedenen Bereichen, in den Diözesen, den Gemeinden, den Verbänden und den Bewegungen erleben. Eine großartige Schule, um Christ zu sein und Christus zu folgen. Dann bringen sie Christus nach Denver, in diese moderne Großstadt, wo man etwas ganz anderes erwartet hatte: „Viele Jugendliche werden kommen, da können Ausschreitungen nicht ausbleiben ...”. Nichts dergleichen ist geschehen. Es war vielmehr ein Zeugnis, ein wundervolles Ereignis. Darin liegt die Herausforderung an euch Jugendliche: Ihr müßt Zeugen sein. 6. Was bedeutet freiwilliger Dienst, was meinen wir mit Evangelisierung? Beides verwirklicht sich durch das Beispiel, durch die Herausforderung vorbildlichen Lebens. Meine Lieben, ich wünsche euch, diese Herausforderung stets vor Augen zu haben, sie zu lieben. Der Christ, vor allem der junge Christ, muß die Herausforderungen des Evangeliums in Liebe aufnehmen. Angesichts dieser Aufgaben wird er sich nicht vom Geist dieser Welt, vom Säkularismus, beeindrucken oder erdrücken lassen. Die Zukunft der Menschheit hängt von eurem Beispiel, von eurer jungen - persönlichen wie gemeinschaftlichen - Evangelisiemng ab. Macht weiter so. Ich bin euch allen dankbar. Ebenso möchte ich euch dafür danken, daß ihr eure kranken Altersgenossen hierher mitgebracht und in eure Mitte genommen habt. Sie sollen sich in eurem Kreis und unter euch bevorzugt fühlen. Sie sollen sich ihrer Vorzugsstellung bewußt sein, denn auch im Herzen Christi, der gekreuzigt wurde und auferstanden ist, nehmen sie einen besonderen Platz ein. 7. Versteht ihr die lateinische Sprache? Ein wenig? Wißt ihr, was „multiloquium” heißt? Nein, ihr wißt es nicht? „Multiloquium” heißt „zu viel sprechen”. Nun, diesen Fehler möchte ich nicht machen; deshalb hinterlasse ich euch diese kurze Weisung des Evangeliums, damit ihr noch einmal über eure Fragen, eure Berufung, eure große christliche Berufung nachdenken könnt. Ich sage euch nochmals: Überlaßt den Papst nicht seinen vielen Jahren, sondern helft ihm, stets jung zu sein. Versucht auch ihr, immer jung zu bleiben! In einem Punkt solltet ihr dem Beispiel des jungen Mannes im Evangelium nicht folgen, denn nach den Anweisungen Jesu wurde er traurig. Er war traurig, denn er fühlte sich nicht imstande, eine positive Antwort zu geben und Jesus nachzufolgen. Ich wünsche euch, nie traurig, sondern immer voller Freude zu sein! Das bedeutet, Jesus nachzufolgen und das tun, was er von euch verlangt. Ihm, Jesus, in der Wahl eurer Berufung folgen. Ihm vor allem in wachsender Barmherzigkeit und Liebe zu Gott und dem Nächsten Folge leisten. Das ist es, was ich euch mit auf den Weg geben möchte. 690 REISEN Gelungene Zusammenarbeit von bürgerlicher und kirchlicher Gemeinde hat die Geschichte der Gegend geprägt Ansprache in der Pfarrei Isola d' Asti am 26. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Bei der Fahrt auf diese Hügel, die dem bewundernden Blick stets ein neues, unerwartetes Panorama bieten, konnte ich beobachten, wie sich oben auf der Anhöhe die Umrisse der schönen Pfarrkirche von St. Peter abzeichneten. Es schien mir das lebendige Abbild eures Heimatortes, wo der Glaube seit Jahrhunderten verwurzelt ist und mit der Bevölkerung, und gewissermaßen auch mit der Landschaft, eine Einheit bildet. Von Herzen danke ich dem Herrn Bürgermeister, der von eurer Vergangenheit, so reich an Kultur und Glauben, gesprochen hat. Ich bedanke mich auch bei den beiden Pfarrern von Isola, die mich im Namen eurer Gemeinden begrüßt haben. Ich bin euch zutiefst dankbar für euren herzlichen Empfang. 2. Natürlich darf ich nicht vergessen, daß Isola d’Asti der Geburtsort von Kardinal Angelo Sodano ist, meinem ersten und wertvollen Mitarbeiter, dem ich voller Zuneigung meine größte Hochachtung und Dankbarkeit ausspreche. Wenn er heute, an meiner Seite, einen so wesentlichen Dienst an der Weltkirche leisten kann, so ist das sicherlich auch das Verdienst dieser Gemeinde, aus der er stammt und die ihm seinen Glauben vermittelt hat. Wie könnte man es versäumen, an seine heben Eltern zu erinnern, die erst vor kurzem in die Freuden des ewigen Lebens eingegangen sind. Sein Vater, der Abgeordnete Giovanni Sodano, war euch bekannt für sein kirchliches Engagement als aktives Mitglied der Katholischen Aktion, wie auch für seinen langen und verdienstvollen Einsatz im sozialen und politischen Bereich; seine Mutter, Frau Delfina Brignolo, trug in reichem Maße jene christlichen Tugenden in sich, die die Mütter dieser Gegend seit Generationen kennzeichnen; diese Mütter verstanden es, mehrere Heilige und Hirten der Kirche zu formen: Man denke nur an Margherita, die Mutter des hl. Giovanni Bosco. Es sind diese Väter und Mütter, die die wahrste Geschichte der Gemeinden um Asti geprägt haben, indem sie liebevolle und fromme Familien gründeten, ihren Kindern den Sinn für Arbeit und Redlichkeit vermittelten und sie zu Einsatzbereitschaft und Solidarität erzogen. Das ist ein wertvolles Erbe, das die neuen Generationen aus dem Raum Asti, die jungen Generation von Isola d’Asti, insbesondere in jenen drei wesentlichen Bereichen der Familie, der Pfarrgemeinde und der Gesellschaft hüten und entwickeln müssen. 3. An erster Stelle steht die Familie. Durch die allgemeine Infragestellung der Werte in unserer heutigen Zeit, ist es vor allem Aufgabe der Familie, ein Anhaltspunkt für 691 REISEN die Jugendlichen zu sein, indem sie sich ihnen als Zeugnis, als Ort der Erkenntnis und der Verbundenheit zur Verfügung stellt. Der familiäre Bereich ist für die Vermittlung des Glaubens von wesentlicher Bedeutung. Sind es nicht die frommen Familien, denen wir in erster Linie jenen wunderbaren Reichtum eifriger und hochherziger Priester verdanken, die es verstanden haben, die Grundlage für ein starkes christliches Gefüge zu schaffen, indem sie sich für die Erziehung zum Glauben und die menschliche Förderung ihrer Mitmenschen einsetzten? 4. Neben der Familie ist zweifellos die Pfarrei die große Stütze eurer Gemeinschaften, denn die Pfarrgemeinde ist das konkrete Umfeld, in dem es möglich ist, die Liebe Gottes zu erleben durch die Verkündigung des Wortes, die Feier der Sakramente und die brüderliche Solidarität. Liebe Brüder und Schwestern! Über diese schönen Hügel sind viele kleine und große Gemeinden verstreut, in denen der Glaube vieler Generationen herangereift ist. Sie haben auch für die Zukunft der Menschen dieser Gegend eine unersetzliche Aufgabe, besonders dann, wenn sie durch den Austausch von Gaben, der ihre jeweiligen besonderen Eigenschaften hervorhebt, die offene Haltung zueinander weiter ausbauen. Die Erfahrung der Pastoraleinheiten, die sich nun in der Diözese anbahnt, sollte demnach unterstützt und ermutigt werden, damit das Konzept der Kirche als „Gemeinschaft und Mission” stets reifen möge, wo jeder sich brüderlich aufgenommen fühlt und alle gemeinsam für die neuen Evangelisationsaufgaben Verantwortung tragen. 5. Ich möchte mich nun an die bürgerliche Gemeinschaft wenden, die hier durch den Herrn Bürgermeister und die Mitglieder des Gemeinderats vertreten ist. Die bürgerliche und die kirchliche Gemeinschaft bestehen im gleichen Gebiet und dienen den gleichen Personen. Hier in Isola d’Asti ist es gelungen, durch aufrichtiges, beiderseitiges Bemühen um die Trennung der jeweiligen Rollen, eine gemeinsame Geschichte aufzubauen, die viele Werte in sich trägt und reich ist an wohltätigen Institutionen. Liebe Brüder und Schwestern, bleibt dieser Gesinnung, dem Dienst für das Wohl aller, treu! So wird es möglich sein, den Herausforderungen, die unsere heutige Zeit auch an eure Heimat stellt, ohne Schwierigkeiten zu begegnen. 6. Liebe Gemeinde von Isola d’Asti! Ich verabschiede mich nun von dir und möchte dir nochmals dafür danken, der Kirche einen so treuen Diener wie meinen engen Mitarbeiter, Kardinal Angelo Sodano, gegeben zu haben. Bewahre und erneuere den Reichtum deiner christlichen Tradition, die stets die Seele deiner Geschichte war. In meinem Herzen trage ich das Zeugnis deiner Zuneigung zurück nach Rom. Die Nähe des Kardinalstaatssekretärs, deinem bedeutenden Sohn, wird in mir die Freude dieser Begegnung oft wieder aufleben lassen. Mögen dich der Herr und die heilige Jungfrau auf deinem Weg begleiten und dein Streben nach Gutem erhören. Als Zeichen von Gottes Schutz und als Beweis meiner Zuneigung erteile ich dir und allen, die dir angehören, von Herzen meinen Apostolischen Segen. 692 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Willst du den Frieden, komm den Armen entgegen! Botschaft zur Feier des 26. Weltfriedenstages am 1. Januar 1993 vom 8. Dezember 1992 „Willst du den Frieden ...” 1. Welcher Mensch guten Willens strebt nicht nach Frieden? Der Friede wird heute weltweit als einer der höchsten Werte anerkannt, die es zu suchen und zu verteidigen gilt. Doch während das Gespenst eines Vernichtungskrieges zwischen entgegengesetzten ideologischen Blöcken verschwindet, überziehen immer wieder schwere lokale Konflikte verschiedene Regionen der Erde mit vernichtenden Hammen. Allen steht besonders die dramatische Lage in Bosnien-Herzegowina vor Augen, wo das Kriegsgeschehen weiterhin jeden Tag gerade unter der wehrlosen Zivilbevölkerung neue Opfer dahinrafft und ungeheure Sach- und Umweltschäden verursacht. Nichts, so scheint es, vermag sich der sinnlosen Gewalt der Waffen zu widersetzen: weder die vereinten Bemühungen um einen wirksamen Waffenstillstand noch der humanitäre Einsatz der internationalen Organisationen, noch das Flehen um Frieden, das einmütig aus den von blutigen Kämpfen heimgesuchten Ländern emporsteigt. Die irrige Logik des Krieges gewinnt leider immer wieder Oberhand über die wiederholten und maßgebenden Friedensaufforderungen. Außerdem macht sich in der Welt eine andere ernste Bedrohung für den Frieden immer besorgniserregender breit: Viele Menschen, ja ganze Völkerschaften leben heute in äußerster Armut. Der Unterschied zwischen Reichen und Armen ist auch in den wirtschaftlich hochentwickelten Nationen augenfälliger geworden. Es handelt sich um ein Problem, das sich dem Gewissen der Menschheit aufdrängt, da eine große Zahl von Menschen in Verhältnissen lebt, die ihre angeborene Würde verletzen und infolgedessen den wahren und harmonischen Fortschritt der Weltgemeinschaft gefährden. Diese Wirklichkeit macht sich in zahlreichen Ländern der Welt in ihrer ganzen Schwere bemerkbar: in Europa ebenso wie in Afrika, Asien und Amerika, ln verschiedenen Regionen müssen es Gläubige und Menschen guten Willens mit sehr vielen sozialen und ökonomischen Herausforderungen aufnehmen. Armut und Elend, soziale Unterschiede und bisweilen gesetzlich gebilligte Ungerechtigkeiten, Bruderkriege und repressive Regimes appellieren an das Gewissen ganzer Völkerschaften überall auf der Welt. Die vor kurzem, im Oktober, in Santo Domingo abgehaltene Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe betrachtete aufmerksam die Lage in Lateinamerika und forderte, während sie den Christen wieder mit großer Dringlichkeit die Aufgabe der Neuevangelisierung ans Herz legte, die Gläubigen und alle, die die Gerechtigkeit und das Gute lieben, in besorgtem Ton auf, der Sache des Menschen zu dienen, ohne aber auch nur eine seiner innersten Bedürfnisse zu vernachlässigen. Die Bischöfe erinnerten an den großen Auftrag, der die Anstrengungen aller vereinen soll: 695 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verteidigung der Würde der menschlichen Person, Einsatz für eine gerechte Güterverteilung, harmonische und solidarische Förderung einer Gesellschaft, in der sich ein jeder angenommen und geliebt fühlt. Das sind, wie man wohl sieht, die unabdingbaren Voraussetzungen für den Aufbau des wahren Friedens. Denn wenn wir von „Frieden” reden, soll damit viel mehr gesagt sein als nur die Abwesenheit von Kriegen; es heißt, Voraussetzungen zu fordern für die wahre Achtung der Würde und Rechte jedes Menschen, so daß ihm seine volle Verwirklichung ermöglicht wird. Die Ausbeutung der Armen, die besorgniserregenden Elendszonen, die sozialen Mißverhältnisse bilden ebenfalls Hürden und Hindernisse bei der Verwirklichung stabiler Bedingungen für einen echten Frieden. Armut und Frieden: Zu Beginn des neuen Jahres möchte ich alle zu einer gemeinsamen Betrachtung einladen über die vielfältigen Zusammenhänge, die zwischen diesen beiden Gegebenheiten bestehen. Im besonderen möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Bedrohung lenken, die dem Frieden aus der Armut erwächst, vor allem, wenn diese zum Elend wird. Milhonen von Kindern, Frauen und Männern leiden tägüch unter Hunger, Unsicherheit und dem Dahinvegetieren am Rande der Gesellschaft. Solche Situationen stehen eine schwere Verletzung der menschlichen Würde dar und tragen zur sozialen Instabilität bei. Die unmenschliche Wahl des Krieges 2. Gegenwärtig haben wir es noch mit einer weiteren Situation zu tun, die Quelle von Armut und Elend ist: Sie rührt vom Krieg zwischen Nationen und von Konflikten innerhalb ein und desselben Landes her. Angesichts der tragischen Geschehnisse, die vor allem aus ethnischen Gründen mehrere Gegenden der Welt blutig heimgesucht haben und noch heimsuchen, sei an das erinnert, was ich in der Botschaft zum Weltfriedenstag des Jahres 1981 gesagt habe, deren Thema lautete: „Um dem Frieden zu dienen, achte die Freiheit!” Ich betonte damals, daß die unerläßliche Voraussetzung für den Aufbau eines wahren Friedens die Achtung der Freiheit und der Rechte der anderen Menschen und der Gemeinschaft sei. Mein damaliger Aufruf bewahrt also seine ganze Aktualität: „Die Achtung der Freiheit der Völker und Nationen ist ein wesentlicher Bestandteil des Friedens. Es sind immer wieder Kriege ausgebrochen, und ganze Völker und Kulturen sind der Zerstörung anheimgefallen, weil die Souveränität eines Volkes oder einer Nation nicht geachtet worden ist. Alle Kontinente sind Zeugen und Opfer mörderischer Bruderkriege und Kämpfe gewesen, die durch den Versuch einer Nation, die Autonomie einer anderen zu beschränken, hervorgerufen wurden” (Nr. 8). Und ich fügte noch hinzu: „Ohne den Willen, die Freiheit jedes Volkes, jeder Nation oder Kultur zu achten, und ohne einen diesbezüglichen weltweiten Konsens wird es schwierig sein, die Voraussetzungen für den Frieden zu schaffen ... Dies verlangt von jeder Nation und ihren Regierungen den bewußten und öffentlichen Verzicht auf Ansprüche und Ziele, die die anderen Nationen beeinträchtigen, das 696 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heißt den Verzicht auf die Billigung jeglicher Doktrin nationaler oder kultureller Vorherrschaft” {ebd., Nr. 9). Man kann sich leicht vorstellen, welche Folgen eine solche Verpflichtung auch für die Wirtschaftsbeziehungen der Staaten untereinander hat. Jede Versuchung, wirtschaftliche Vorherrschaft über andere Nationen zurückzuweisen, bedeutet, auf überwiegend vom Kriterium des Gewinns inspirierte Politik zu verzichten, um sich statt dessen von dem der Solidarität gegenüber anderen, insbesondere den Armen, leiten zu lassen. Armut als Konfliktquelle 3. Die Zahl der Menschen, die heute in Verhältnissen äußerster Armut leben, ist sehr groß. Ich denke unter anderem an die dramatische Lage in einigen afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Breite Gruppen, oft ganze Bevölkerungsgürtel befinden sich in ihren eigenen Ländern am Rand des zivilen Lebens: darunter eine zunehmende Zahl von Kindern, die, um überleben zu können, außer auf sich selbst auf keinen anderen zählen können. Eine solche Situation ist nicht nur eine Beleidigung für die Menschenwürde, sondern stellt auch eine unzweifelhafte Bedrohung für den Frieden dar. Welche politische Organisation und welches Wirtschaftssystem ein Staat auch immer aufweisen mag, er bleibt in sich brüchig und instabil, wenn er nicht seinen schwächsten Mitgliedern ständig seine Aufmerksamkeit zuwendet und alles nur Mögliche unternimmt, um wenigstens die Befriedigung ihrer wichtigsten Bedürfnisse sicherzusteflen. Das den ärmsten Ländern zustehende Recht auf Entwicklung erlegt den entwickelten Ländern die klare Pflicht auf, sich für Hilfe an jene einzusetzen. Das II. Vatikanische Konzil drückt sich diesbezüglich so aus: „Allen (Menschen) steht das Recht zu, einen für sich selbst und ihre Familien ausreichenden Anteil an den Erdengütem zu haben.” Es ist „Pflicht, die Armen zu unterstützen, und zwar nicht nur vom Überfluß” (Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 69). Darin kommt mit aller Klarheit die Mahnung der Kirche, das treue Echo der Stimme Christi, zum Ausdruck: Die Güter der Erde sind für die ganze Menschheitsfamilie bestimmt und können nicht dem exklusiven Nutzen einiger weniger Vorbehalten sein (vgl. Enzyklika Centesimus annus, Nm. 31.37). Im Interesse des Menschen ist es daher dringend notwendig, an den ökonomischen Mechanismen jene notwendigen Zusätze anzubringen, die eine gerechtere und angemessenere Güterverteilung garantieren können. Dazu genügt aber das Funktionieren des Marktes allein nicht; die Gesellschaft muß ihre Verantwortung übernehmen (vgl. Centesimus annus, Nr. 48), indem sie die oft schon beträchtlichen Anstrengungen vermehrt, um die Ursachen der Armut mit ihren tragischen Folgen zu beseitigen. Kein Land kann es in einem solchen Vorhaben, auf sich allein gestellt, weit bringen. Darum ist es notwendig zusammenzuarbeiten, und das mit einer Solidarität, wie sie eine immer stärker durch gegenseitige Abhängigkeit gekennzeichnete Welt erfordert. Wenn man zuläßt, daß Situationen extremer Armut fortbestehen, legt man 697 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Voraussetzungen für Formen sozialen Zusammenlebens, die zunehmend der Bedrohung durch Gewalt und Konflikte ausgesetzt sind. Jeder einzelne Mensch und jede soziale Gruppe hat das Recht, daß sie die Möglichkeit erhalten, für die persönlichen und die Bedürfnisse der Familie zu sorgen und am Leben und am Fortschritt der Gemeinschaft, zu der sie gehören, teilzuhaben. Wird dieses Recht nicht anerkannt, kann es leicht geschehen, daß die Betroffenen, da sie sich als Opfer einer Struktur fühlen, die sie nicht annimmt, hart reagieren. Das gilt besonders für die Jugendlichen, die, oft ohne angemessene Ausbildung und ohne Zugang zu Arbeitsplätzen, in hohem Maße der Gefahr des Abgedrängtwerdens an den Rand der Gesellschaft und dem Risiko der Ausbeutung ausgesetzt sind. Alle wissen um das Problem der Arbeitslosigkeit, besonders der Jugend, in der ganzen Welt mit der daraus folgenden Verarmung einer immer größeren Anzahl einzelner Menschen und ganzer Familien. Die Arbeitslosigkeit ist allerdings häufig das tragische Ergebnis der Zerstörung der wirtschaftlichen Infrastrukturen in einem von Krieg oder internen Konflikten heimgesuchten Land. Ich möchte hier kurz einige besonders beunruhigende Probleme ins Gedächtnis rufen, die die Armen bedrücken und folglich den Frieden bedrohen. Da ist zunächst das Problem der Auslandsschulden, das trotz der von der internationalen Gemeinschaft, von den Regierangen und den Finanzinstituten zu ihrer Verringerung unternommenen Anstrengungen für einige Länder und in ihnen für die ärmeren Schichten weiterhin eine unerträgliche Last darsteht. Sind es etwa nicht die ärmsten Kreise der genannten Länder, die nicht selten die Hauptlast der Rückzahlung tragen müssen? Eine solche Unrechtslage kann wachsende Ressentiments, Gefühle der Frustration, ja der Verzweiflung aufkommen lassen. In vielen Fällen teilen die Regierungen selbst das verbreitete Mißbehagen ihres Volkes, was sich auf ihre,Beziehungen zu den anderen Staaten auswirkt. Vielleicht ist der Augenbhck gekommen, dem Problem der Verschuldung dieser Länder im Ausland die ihm gebührende Priorität einzuräumen und es nochmals zu prüfen. Man wird überlegen müssen, ob eine Gesamtrückzahlung dieser Schulden oder nur eine Teilrückzahlung ins Auge zu fassen ist und welche Bedingungen mit dieser Rückzahlungsverpfhchtung verbunden werden. Dabei muß man nach endgültigen Lösungen suchen, die geeignet sind, die drückenden sozialen Folgen der Entschuldungsprogramme voll aufzufangen. Außerdem wird man sich mit den Ursachen der Verschuldung befassen und die Gewährung weiterer Hilfen an die Übernahme der konkreten Verpflichtung seitens der Regierungen knüpfen müssen, übermäßige oder unnütze Ausgaben zu reduzieren - dabei ist im besonderen an die Rüstungsausgaben gedacht - und zu garantieren, daß die Subventionen tatsächlich den bedürftigen Bevölkerangsschichten zugute kommen. Ein zweites brennendes Problem ist das Drogenproblem: Die Beziehung der Droge zur Gewalt und zum Verbrechen ist allen schmerzlich und tragisch bekannt. Ebenso bekannt ist auch, daß in manchen Weltgegenden unter dem Druck der Drogenhändler gerade die ärmsten Volksgruppen sich auf den Anbau von Pflanzen für die Her- 698 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stellung von Rauschgiften einlassen. Die ihnen versprochenenhohen Einkünfte - die übrigens nur einen sehr kleinen Teil der aus solchen Kulturen stammenden Gewinne ausmachen - stellen eine Versuchung dar, der alle jene kaum zu widerstehen vermögen, die aus den traditionellen Anbauformen ein Einkommen beziehen, das eindeutig zum Leben nicht ausreicht. Das erste, was getan werden muß, um den Bauern bei der Bewältigung dieser Situation zu helfen, besteht deshalb darin, ihnen die zur Überwindung ihrer Armut geeigneten Mittel zur Verfügung zu stellen. Ein weiteres Problem entsteht aus der von ernsten Wirtschaftsschwierigkeiten hervorgerufenen Lage in einigen Ländern. Sie begünstigen massive Auswanderungswellen in Richtung wohlhabenderer Länder, in denen dann im Gegenzug Spannungen entstehen, die das Sozialgefüge erschüttern. Um derartigen Reaktionen frem-denfeindlicher Gewalt entgegenzutreten, hilft es nicht so sehr, provisorische Notstandsmaßnahmen zu ergreifen, als vielmehr auf die Ursachen dadurch einzuwirken, daß mit Hilfe neuer Solidaritätsformen zwischen den Nationen der Fortschritt und die Entwicklung in den Herkunftsländern der Auswandererströme gefördert werden. Eine heimtückische, aber reale Bedrohung für den Frieden ist also das Elend: Da es die Würde des Menschen zerstört, stellt es einen ernsten Anschlag auf den Wert des Lebens dar und trifft zuinnerst die friedliche Entwicklung der Gesellschaft. Armut als Ergebnis des Konflikts 4. In den letzten Jahren haben wir auf fast allen Kontinenten lokale Kriege und innere Konflikte von grausamer Heftigkeit erlebt. Die Volks-, Stammes- und Rassengewalt hat Menschenleben vernichtet, sie hat Gemeinschaften gespalten, die in der Vergangenheit friedlich zusammenlebten, und hat Trauer und Haßgefühle gesät. Denn die Gewaltanwendung verschärft die bestehenden Spannungen und erzeugt neue. Mit Krieg läßt sich nichts lösen; ja vom Krieg wird alles ernsthaft gefährdet. Früchte dieser Geißel sind das Leid und der Tod unzähliger Menschen, das Zerbröckeln menschlicher Beziehungen und der unwiederbringliche Verlust unermeßlicher Kunst- und Naturschätze. Der Krieg verschlimmert die Leiden der Armen, ja durch die Zerstörung von Unterhaltsmitteln, Häusern und Eigentum und durch die Schädigung des eigentlichen Gefüges der Lebensumwelt bringt er neue Arme hervor. Die Jugendlichen sehen ihre Zukunftshoffnungen zerbrechen und werden als Opfer allzuoft zu unverantwortlichen Protagonisten von Konflikten. Die Frauen, die Kinder, die Alten, die Kranken und die Verwundeten sind gezwungen zu fliehen und befinden sich in der Lage von Flüchtlingen, die nichts besitzen außer dem, was sie bei sich haben. Wehrlos und schutzlos suchen sie Unterschlupf in anderen Ländern oder Regionen, die oft genauso arm und unruhig sind wie ihre eigenen. Auch wenn ich anerkenne, daß die internationalen und humanitären Organisationen viel tun, um dem tragischen Geschick der Opfer der Gewalt entgegenzukommen, empfinde ich es als meine Pflicht, alle Menschen guten Willens aufzufordem, die Anstrengungen zu verstärken. In manchen Fällen hängt nämlich das Schicksal der Flüchtlinge einzig und allein von der Hochherzigkeit der Bevölkerung ab, die sie 699 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aufnimmt, einer Bevölkerung, die genauso arm, wenn nicht gar noch ärmer ist als sie selbst. Nur durch die Anteilnahme und die Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft werden zufriedenstellende Lösungen gefunden werden können. Nach den vielen nutzlosen Gemetzeln und Verheerungen ist es wohl von grundlegender Bedeutung, ein für allemal zu erkennen, daß der Krieg niemals dem Wohl der menschlichen Gemeinschaft dient, daß Gewalt zerstört und niemals aufbaut, daß die von ihr verursachten Wunden lange bluten und daß schließlich durch die Konflikte die bereits triste Lage der Armen noch verschlimmert und neue Armutsformen genährt werden. Vor den Augen der öffentlichen Weltmeinung läuft das trostlose Schauspiel des von den Kriegen verursachten Elends ab. Die erschütternden Bilder, die auch jüngst wieder von den Massenmedien verbreitet wurden, mögen wenigstens eine wirksame Ermahnung an alle - Einzelpersonen, Gesellschaften, Staaten -sein und einen jeden darauf hinweisen, daß das Geld nicht für Krieg noch für Zerstörung und Tötung verwendet werden soll, sondern dafür, die Würde des Menschen zu verteidigen, sein Leben zu verbessern und eine wirklich offene, freie und solidarische Gesellschaft aufzubauen. Geist der Armut als Quelle des Friedens 5. In den Industrieländern werden die Menschen heute von der hemmungslosen Jagd nach dem Besitz materieller Güter beherrscht. Die Konsumgesellschaft läßt den Unterschied, der Reiche und Arme trennt, noch stärker hervortreten, und die krampfhafte Suche nach Wohlstand birgt die Gefahr in sich, blind zu machen gegenüber den Bedürfnissen der anderen. Um das soziale, kulturelle, geistliche und auch wirtschaftliche Wohlergehen jedes Mitgliedes der Gesellschaft zu fördern, ist es daher unerläßlich, den unmäßigen Konsum irdischer Güter einzudämmen und den Drang nach künstlichen Bedürfnissen zu unterdrücken. Mäßigung und Einfachheit müssen zu den Kriterien unseres täglichen Lebens werden. Die Gütermenge, die von einem Bruchteil der Weltbevölkerung konsumiert wird, ruft eine übermäßige Nachfrage in bezug auf die verfügbaren Ressourcen hervor. Die Verringerung der Nachfrage steht somit einen ersten Schritt dar, um die Armut zu hndem, sofern sie Hand in Hand mit wirksamen Anstrengungen für die Sicherstellung einer gerechten Verteilung der Reichtümer dieser Welt geht. Das Evangehum fordert in diesem Zusammenhang die Gläubigen auf, nicht Güter dieser vergänghchen Welt anzuhäufen: „Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel” (Mt 6,19-20). Das ist eine Pflicht, die der christlichen Berufung ebenso eigen ist wie jene, für die Überwindung der Armut zu arbeiten; und es ist auch ein sehr wirksames Mittel, um in diesem Vorhaben erfolgreich zu sein. Die evangehsche Armut unterscheidet sich ganz wesenthch von der ökonomischen und sozialen Armut. Während diese mitleidslose und häufig dramatische Merkmale aufweist, da sie als Gewalt erfahren wird, wird die evangelische Armut vom Men- 700 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen, der auf diese Weise der Mahnung Christi entsprechen möchte, freiwillig gewählt: „Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet” (Lk 14,33). Diese evangelische Armut erweist sich als Friedensquelle, weil der Mensch durch sie eine rechte Beziehung zu Gott, zu den anderen und zur Schöpfung herzustellen vermag. Das Leben dessen, der sich diese Sichtweise zu eigen macht, wird so zum Zeugnis für die absolute Abhängigkeit der Menschheit von Gott, der alle Geschöpfe liebt, und die materiellen Güter werden als das erkannt, was sie sind: ein Geschenk Gottes zum Wohl aller. Die evangelische Armut ist eine Realität, die diejenigen, die sie annehmen, verändert. Sie können dem Leid der Armen gegenüber nicht gleichgültig bleiben; ja sie fühlen sich dazu gedrängt, mit Gott aktiv die vorrangige Liebe für sie zu teilen (vgl. Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 42). Diese Armen nach dem Evangelium sind bereit, ihren Besitz und sich selbst zu opfern, damit andere leben können. Ihr einziger Wunsch ist es, dadurch, daß sie den anderen das Geschenk des Friedens Jesu anbieten, mit allen in Frieden zu leben (vgl. Joh 14,27). Der göttliche Meister hat uns mit seinem Leben und seinen Worten die anspruchsvollen Wesensmerkmale dieser Armut gelehrt, die auf die wahre Freiheit vorbereitet. „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er ent-äußerte sich und wurde wie ein Sklave” (Phil 2,6-7). Er wurde in Armut geboren; als neugeborenes Kind war er gezwungen, mit seiner Familie ins Exil zu gehen, um der Grausamkeit des Herodes zu entfliehen; er lebte wie einer, der „keinen Ort hat, wo er sein Haupt hinlegen kann” (Mt 8,20). Er wurde verleumdet als Fresser und Säufer, Freund der Zöllner und Sünder (vgl. Mt 11,19) und erlitt den Tod, der für Verbrecher vorgesehen war. Er pries die Armen selig und verhieß ihnen das Reich Gottes (vgl. Lk 6,20). Er erinnerte die Reichen daran, daß der trügerische Reichtum das Wort Gottes erstickt (vgl. Mt 13,22) und daß es für sie schwer ist, ins Reich Gottes zu gelangen (vgl. Mk 10,25). Das Beispiel Christi ist nicht weniger als sein Wort für die Christen Richtlinie. Wir wissen, daß wir alle ohne Unterschied am Tag des Jüngsten Gerichts nach unserer konkreten Liebe zu den Brüdern beurteilt und gerichtet werden. Ja, viele werden an jenem Tag entdecken, daß sie in der konkret geübten Liebe tatsächlich Christus begegnet sind, auch wenn sie ihn vorher nicht ausdrücklich kennengelemt haben (vgl. Mt 25,35-37). „Willst du den Frieden, komm den Armen entgegen!” Mögen die Reichen und Armen miteinander teilen, was sie besitzen, und einander als Brüder und Schwestern, als Rinder eines einzigen Gottes anerkennen können, der alle hebt, der das Wohl aller will, der allen das Geschenk des Friedens bietet! Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1992 Joannes Paulus PP. II 701 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nur die Armut Jesu kann Haß und Krieg besiegen Predigt bei der Messe am Hochfest der Gottesmutter Maria und 26. Weltfriedenstag, 1. Januar 1. „Man gab ihm den Namen Jesus” (Lk 2,21). Heute ist der achte Tag seit der Geburt des Sohnes Marias in der Nacht von Betle-hem. Heute „gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde” {Lk 2,21). „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau” {Gal 4,4). Der ewige Vater wollte, daß sein einziger Sohn gerade, den Namen Jesus bekam, der bedeutet: „Gott rettet.” Es ist ein in Israel gebräuchlicher Name, und vor ihm hatten ihn viele getragen. Und doch wurde vom ewigen Vater nur dem Erlöser dieser Name gegeben; Maria und Joseph, waren am Tag der Beschneidung die bescheidenen Vollzieher seines Willens. Der himmlische Vater wollte, daß sein ihm wesensgleicher Sohn - Gott von Gott - als Mensch und Menschensohn den Namen Jesus tragen sollte. Dieser Name sollte für immer die von ihm in der „Fülle der Zeit” (vgl. Gal 4,4) vollendete Sendung bezeichnen. Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, „damit die Welt durch ihn gerettet würde” (vgl. Joh 3,17). Der Name Jesus hat universale Bedeutung: Er bringt nämlich den Heilswillen Gottes für die Welt und die Menschheit zum Ausdruck. „Gott will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Kenntnis der Wahrheit gelangen” {1 Tim 2,4). 2. Retten heißt vom Bösen befreien, und Jesus hat uns aufgetragen, den Vater zu bitten: „Erlöse uns von dem Bösen.” Er hat so unser Gebet mit seiner Sendung in der Welt verbunden; eine Sendung, die schon die Zeit seiner Geburt in Betlehem prägt: „Der Heiland der Welt ist uns geboren.” Retten, vom Bösen befreien, das Böse besiegen - all dies will nichts anderes besagen als dem Guten Raum geben. Im vom Bösen befreiten Menschen darf kein Leerraum Zurückbleiben: Das Böse weicht und verschwindet vor dem Guten. Das Kommen des Sohnes Gottes in die Welt bedeutet, daß Gott endgültig das Böse in der Menschheit ausmerzen will, indem er den Menschen in die göttliche Dimension des Guten einführt. So lehrt uns nämlich der Apostel in seinem Brief an die Galater: „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, ... damit wir die Sohnschaft erlangen ... Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn” {Gal 4,4-7). Sohn, also ein Mensch, der in der Kraft des Geistes zum Vater rufen kann: „Abba, Vater” {Gal 4,6). Der Heilige Geist wurde ja als Geist des Sohnes gesandt. Jene aber, die Adoptivkinder Gottes in seinem einzigen Sohn werden, werden zugleich auch Erben: Sie haben Anteil am unvergänglichen Gut, das Gott selber ist. Diese ganze Wahrheit ist im Namen „Jesus”, der Retter, enthalten. 702 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Nach den Worten Jesu ist die Gotteskindschaft mit der Ausstrahlung des Friedens verbunden. „Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden” (Mt 5,9). Heute, am ersten Tag des neuen Jahres, wollen wir bekennen und verkündigen, daß Jesus unser Friede ist. Jesus - ein Name, der bedeutet: „Gott rettet.” Das Gut des Friedens ist in dieser seiner Heilssendung eingeschlossen. Jesus selber, der vom Propheten des Alten Testamentes schon „Friedensfürst” genannt wird, vollzieht die Versöhnung zwischen Gott und der Menschheit. Diese Versöhnung aber bildet die erste Dimension des Friedens. In ihr beginnt und wurzelt jeder Friede, den die Kinder Gottes in der Welt und unter den Menschen aufzubauen berufen sind, so daß sie nicht nur Teilhaber, sondern Miterbauer des im Namen Jesu verkündeten und von ihm der Welt geschenkten messianischen Heils werden. Der Friede ist in all seinen Dimensionen ein Gut, das zum Heil gehört. Er ist ein wesentlicher Bestandteil des Heilsplanes Gottes, der Menschheit angeboten in Christus, seinem Sohn. Daher wollte er „Jesus” als Namen des Erlösers. 4. „Friede auf Erden bei den Menschen seiner Gnade” (.Lk 2,14), „den Menschen, die guten Willens sind.” Die Botschaft der Nacht von Betlehem spricht von einer engen Verbindung zwischen dem Frieden auf Erden und der Sendung des Heilands. Könnte es denn anders sein? Retten bedeutet vom Bösen befreien, aber hat nicht das Gegenteil von Frieden den vollen Anschein des Bösen? Unser 20. Jahrhundert hat leider diesen Anschein in einmaliger Weise herausgestellt durch die schreckliche Erfahrung zweier Weltkriege und zahlreiche weitere Konflikte, die zwar nicht Weltkriege genannt werden, aber doch Kriege sind mit all dem, was diese dramatische Realität mit sich bringt. Im Verlauf der 80er Jahre, als die Gefahr eines Atomkrieges drohte, begegneten sich in Assisi die Christen und die Vertreter der anderen Religionen der Welt, um am gleichen Ort zu rufen: „Erlöse uns vom Bösen”, „Gib uns Frieden.” Kann man sich vorstellen, daß ein derart vertrauensvolles Gebet von ihm, der der Gott des Friedens ist, nicht erhört wird? Heute scheint es, daß der Schrecken der nuklearen Vernichtung sich von der Menschheit entfernt hat, doch das Gut des Friedens ist noch nicht überall gesichert. Das zeigen die jüngsten Ereignisse, die außerhalb Europas und in Europa selber stattfinden. Leider hört auch auf unserem Kontinent, zumal in den Balkanländem, die Verbreitung des Übels eines zerstörerischen Krieges und der Gewalttätigkeit nicht auf. Kann Europa eine solche Situation unbeteiligt betrachten und sich nicht angesprochen fühlen? Die Jünger und Bekenner Christi - seine Kirche - können nicht aufhören, im Geist der acht Seligpreisungen zu denken und zu wirken: „Selig, die Frieden stiften.” Gerade deswegen haben alle Bischofskonferenzen Europas zusammen mit dem Bischof von Rom diesen 1. Januar als Tag des Gebetes für den Frieden in Europa, zumal in den Balkanländem, ausgerufen. Deswegen werden wir wie im Jahre 1986 erneut nach Assisi pilgern. 703 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Europa! „Der Herr wende sein Antlitz dir zu und schenke dir Flieden” {Num 6,26). So rufen wir im Namen Jesu, im Namen dessen, der der Heiland der Welt ist - des Menschen - und aller Menschen, der Nationen, Länder und Kontinente. Er hat nicht die Mittel zu Verfügung, deren sich die Staaten und die Mächtigen dieser Erde bedienen können. Seine Macht hegt in der Armut der Nacht von Betlehem und später im Kreuz von Golgota. Es geht freilich um eine Macht, die tiefer reicht. Denn nur sie kann im Innern des Menschen den Haß als ersten Feind des Friedens beseitigen. Nur sie ist fähig, die Betreiber von Krieg und Zerstörung in Bauleute des Friedens zu verwandeln, die man Kinder Gottes nennen kann. 6. Maria! Die Kirche betrachtet heute das Geheimnis deiner Mutterschaft. Du bist das „Gedächtnis” aller Großtaten Gottes. Du kennst die Wege, auf denen der wesensgleiche Sohn des Vaters, das Wort, zu den Menschen gekommen ist: Christus, der Heiland der Welt! Er, der unser Friede ist. Maria, Mutter des Friedens, bitte für uns bei ihm. Amen! Die Taufe ist Fundament des christlichen Lebens Predigt bei der Feier der Kindertaufe am 2. Januar Liebe Mütter und Väter, Patinnen und Paten, liebe Schwestern und Brüder! 1. Die heutige Eucharistiefeier, bei der diesen Kindern die Taufe gespendet wird, ist für uns alle von großer Bedeutung. Gott macht diesen Kiemen ein außerordentliches Geschenk, er legt aber zugleich jenen, die sie im Glauben heranbilden müssen, eine klare Verpflichtung auf, damit ihr christliches Leben wächst und zur Fülle der Heiligkeit gelangt. Schon der heilige Johannes der Täufer hatte verkündet, daß nun die Taufe nicht mehr ein rein symbolischer Ritus ist wie der, den er an den Bußwilligen vollzog, zu denen sich auch Jesus gesellt hatte. Die vom Erlöser eingesetzte Taufe ist das erste unter den Sakramenten, welches die Erbsünde tilgt und der Seele die heiligmachende Gnade zurückgibt, indem sie jene, die sie empfangen, in das dreifältige lieben Gottes eingliedert und sie zu Adoptivkindern des Vaters, zu Brüdern und Schwestern des Sohnes und vollberechtigten Mitgliedern des christlichen Volkes, des mystischen Leibes Christi, und zu Erben der ewigen Glückseligkeit im Paradies macht. Der kürzlich veröffentlichte Katechismus der Katholischen Kirche widmet der Taufe 71 Abschnitte (Nm. 1213-1284) mit 85 Anmerkungen, und er betont, daß sie „das Fundament des ganzen christlichen Ixbens, der Eingang zum Leben im Geist und die Pforte ist, die den Zugang zu allen anderen Sakramenten öffnet” (Nr. 1213). 704 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Lehre von der Taufe, die der Katechismus einfach und klar, zugleich aber feierlich und überzeugend darlegt, muß für jeden ein Grund zu anregender Betrachtung werden, um die transzendente Wirklichkeit dieses Sakramentes voll zu erfassen und sie dann überzeugt und konsequent zu leben. Wir lesen weiter: „Die Taufe ist das schönste und herrlichste aller Geschenke Gottes ... Wir bezeichnen sie als Geschenk, Gnade, Salbung, Erleuchtung, Kleid der Unsterblichkeit, Bad der Wiedergeburt und Siegel und als alles das, was wir an Kostbarem kennen ...” (Nr. 1216). Mit den Worten des heiligen Petrus heißt es: „Die Getauften sind als lebendige Steine zu einem geistigen Haus geworden, zu einer heiligen Priesterschaft” (1 Petr 2,5). 2. Im Licht dieser erhabenen und grundlegenden sakramentalen Wirklichkeit habt ihr, hebe Väter und Mütter, hebe Paten und Patinnen, die hohe und verdienstvolle Verantwortung übernommen, den Eltern bei der christlichen Erziehung der Neugetauften zu helfen. Fühlt euch daher auch aufgerufen, für sie Zeugen und echte Beispiele der Treue zum Evangelium zu sein. Begleitet sie auf diese Weise auf dem Weg ihres christlichen Lebens mit eurem beispielhaften Glauben und der ständigen Unterstützung durch euer Gebet. Helft ihnen, mit Freude auf den Ruf des Herrn zu antworten, und vergeht nicht: Kostbare Schätze sind euch anvertraut. Der heilige Paulus wiederholt für uns in der eben verkündeten Lesung, daß wir in Jesus Christus kraft des Paschamysteriums seines Todes und seiner Auferstehung getauft sind: „Wir auf Christus Getauften sind auf seinen Tod getauft worden. Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben” (Röm 6,3-4). Der Erlöser nimmt ferner die Kinder herzlich auf, wie wir im Evangelium gehört haben: „Laßt die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran!” (Mk 10,14). Er weist klar auf die Achtung und Verantwortung hin, die wir ihnen schenken müssen. In der Familie als dem gottgewollten natürlichen Ort ihrer menschlichen und geistlichen Reifung muß diesen Kindern geholfen werden, mit aller Kraft nach Heiligkeit zu streben. Denn auch sie sind aufgerufen, Apostel seines Reiches zu sein und das volle Glück des Jenseits anzustreben, das wir mit dem Licht des Glaubens und mit der Reinheit des Lebens erreichen, wie durch die brennende Kerze und das weiße Kleid dargestellt wird. 3. Liebe Schwestern und Brüder! Die Taufzeremonie ist reich an Symbolen, an biblischen Hinweisen und zeichenhaften Gesten. Sie lädt uns ein, über das Geheimnis eines jeden menschlichen Schicksals nachzudenken. Geboren werden bedeutet, in einen klaren göttlichen Plan einzutreten: Niemand lebt in der Welt nur zufällig; jeder besitzt vielmehr eine besondere Sendung, die er zu erfüllen hat. Wir können sie zwar nicht von Anfang an voll erkennen, aber sie wird uns eines Tages voll enthüllt. 705 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es soll uns daher das Bewußtsein leiten, daß wir 'Werkzeuge Gottes sind, der uns aus Liebe geschaffen hat und will, daß wir es ihm mit unserer Liebe „vergelten”. Diesen Wunsch voll Hoffnung aber spreche ich von Herzen für diese Kinder und für euch alle aus, die ihr sie begleitet. Möge jeder stets die Sendung erfüllen können, die Gott ihm anvertraut hat, auch in den Wechselfällen und Schwierigkeiten des menschlichen Lebens. Richten wir voll Vertrauen unser Gebet an die heilige Maria und den heiligen Josef, an die Schutzengel sowie an alle heiligen Frauen und Männer, die Patrone der Neugetauften sind, damit sie diese immer beschützen und ihnen auf dem Weg des neuen Lebens helfen, so daß sie die Süßigkeit des Herrn verkosten und einmal das Licht seines Antlitzes in der Freude des Paradieses ohne Ende betrachten können. Dialog zwischen Religion und Wissenschaft soll Menschen dienen Ansprache an die Mitglieder der „American Psychiatric Association” am 4. Januar Meine Damen und Herren! Es ist mir eine, große Freude, die Präsidenten und Mitglieder der American Psychiatric Association und der World Psychiatric Association zusammen mit den Vorständen und Mitgliedern anderer psychiatrischer und psychoanalytischer Verbände der Vereinigten Staaten sowie anderer Länder im Vatikan zu begrüßen. Diese Begegnung bietet mir, eine willkommene Gelegenheit, die Wertschätzung der Kirche für die vielen Ärzte und Fachleute der Gesundheitspflege auszudrücken, die auf dem wichtigen und schwierigen Gebiet der psychiatrischen Medizin tätig sind. Ihre geduldigen Bemühungen, die Bedingungen allgemeiner geistiger Gesundheit zu verstehen und denen, die an psychischen Störungen leiden, Hilfe zu bringen, sind ein riesiges Potential des Guten für die einzelnen Menschen und für das Leben der Gesellschaft. Vereinigungen wie die Ihre dienen einem wertvollen Zweck, indem sie sich für ein hohes Niveau der wissenschaftlichen Kenntnisse einsetzen und auch für ein tiefgreifendes Bewußtsein der beruflichen und ethischen Anforderungen, welche die psychiatrische Praxis stellt. Von ihrer Natur her führt Ihre Arbeit Sie oft an die Schwelle des Geheimnisses des Menschen. Sie fordert ein Gespür für die oft verworrene Funktionsweise des menschlichen Geistes und Herzens und eine Offenheit für die wesentlichen Dinge, die dem Leben der Menschen einen Sinn geben. Das sind äußerst wichtige Bereiche für die .Kirche; sie erinnern an die dringende Notwendigkeit eines konstruktiven Dialogs zwischen Wissenschaft und Religion, damit das Geheimnis des Menschen als Ganzes eingehender erhellt werden kann. Die Geschichte des kirchlichen Engagements in der Pflege der Kranken, besonders der armen und ausgestoßenen, wurzelt in der Überzeugung, daß die menschliche Person eine Einheit von Körper und 706 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geist ist, die eine unverletzliche Würde als nach dem Büd Gottes geschaffenes und zu einer transzendenten Bestimmung gerufenes Geschöpf besitzt. Aus diesem Grund ist die Kirche davon überzeugt, daß man das Wesen der menschlichen Person oder der Erfordernisse menschlicher Erfüllung und psychosozialen Wohlbefindens nicht angemessen beurteilen kann, ohne die geistliche Dimension des Menschen und seine Fähigkeit zur Selbst-Transzendenz zu berücksichtigen. Nur wenn sie aus sich herausgehen und ein Leben in Selbsthingabe und Offenheit für die Wahrheit und Liebe leben, können die Menschen Erfüllung finden und zum Aufbau einer wirklich menschlichen Gemeinschaft beitragen. Ihrer Vereinigung ist es zu Recht ein Anhegen, die Menschenwürde und die Unverletzbarkeit des Menschen und seiner Freiheit zu fördern. Die Grundlagen der Menschenwürde sind in der Wahrheit über den Menschen zu finden und in dessen menschlicher Freiheit, seine Triebe und Leidenschaften nach den objektiven Erfordernissen der morahschen Ordnung auszurichten. Wie die Heilige Schrift sagt, besteht eine untrennbare Verbindung zwischen authentischer Freiheit und Wahrheit (vgl. Joh 10,41); ja, „die Freiheit erhält erst durch die Annahme der Wahrheit ihren vollen Wert” (Centesimus annus, Nr. 46). Daraus folgt, daß keine wirkliche Therapie oder Behandlung psychischer Störungen jemals im Widerspruch stehen kann zur moralischen Pflicht des Patienten, nach der Wahrheit zu streben und in der Tugend zu wachsen. Diese moralische Komponente der therapeutischen Aufgabe stellt große Anforderungen an die Psychiater, die sich dämm bemühen müssen, zu einem angemesseneren Verständnis der Wahrheit ihres eigenen Lebens zu gelangen und eine tiefe Achtung vor der Würde ihrer Patienten zu zeigen. Die Psychiater müssen sich auch gegenüber den mit ihrer Praxis in Zusammenhang stehenden gesellschaftlichen Problemen verantwortlich fühlen. Das gilt vor allem heute, wo eine immer deutlichere Beziehung zwischen dem Auftreten und der Verschlimmerung gewisser Krankheiten und geistiger Störungen und der Krise der Werte, die die Gesellschaft erlebt, zutage tritt. Sie und die Mitglieder Ihrer Vereinigung werden einen wichtigen Beitrag für die Zukunft der Gesellschaft leisten, indem Sie im Licht eines objektiven Einsatzes für die Wahrheit die Grenzen gewisser Modelle gesellschaftlichen Lebens aufzuzeigen suchen, die zur Manipulation der Personen und zu einer ungesunden Konditionierung menschlicher Freiheit führen können. Bei Ihrem Bemühen, das oft mit Geisteskrankheiten verbundene „Schandmahl” zu überwinden, dem Mißbrauch der Psychiatrie für ideologische Zwecke ein Ende zu setzen und die Familie als Grandzelle der Gesellschaft zu stärken, sowie auch bei Ihren Anstrengungen, die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf die besonderen Bedürfnisse der Armen, der Obdachlosen und der Mißachteten zu lenken, können Sie der Anerkennung und bereitwilligen Zusammenarbeit der Kirche gewiß sein. Die Aufgabe, andere zu heilen und deren psychosoziales Gleichgewicht sicherzustellen, ist in der Tat wichtig und zugleich schwierig. Bei denen, die sich dieser Arbeit widmen, bedarf es neben wissenschaftlichen Kenntnissen einer großen Weisheit. 707 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Indem ich Sie nochmals der Wertschätzung der Kirche versichere, erflehe ich von Herzen den reichen Segen des allmächtigen Gottes für Sie und die Mitglieder Ihrer Vereinigungen. Jesus Christus, König aller Völker der Erde Predigt bei der Bischofsweihe am Dreikönigsfest, 6. Januar 1. „Alle Könige müssen ihm huldigen, alle Völker ihm dienen” (Ps 72,11) Die dogmatische Konstitution Lumen Gentium des II. Vatikanischen Ökumenischen Konzils unterstreicht in der Zitation eines bekannten Wortes vom hl. Johannes Cry-sostomos die Universalität des einen Volkes Gottes, die besonders bei der heutigen Feier hervortritt. „In allen Völkern der Erde wohnt also dieses eine Gottesvolk”, heißt es in dem Konzilsdokument. Tatsächlich stehen alle über den Erdkreis hin verstreuten Gläubigen mit den übrigen im Heiligen Geist in Gemeinschaft, „und wo weiß ,der, welcher zu Rom wohnt, daß die Inder seine Glieder sind’ ... Die Kirche oder das Gottesvolk ... fördert und übernimmt Anlagen, Fähigkeiten und Sitten der Völker, soweit sie gut sind. Bei dieser Übernahme reinigt, kräftigt und hebt (sie) sie aber auch. Sie ist dessen eingedenk, daß sie mit jenem König sammeln muß, dem die Völker zum Erbe gegeben sind (vgl. Ps 2,8) und in dessen Stadt sie Gaben und Geschenke herbeibringen” (Nr. 13). 2. „Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm” (Mt 2,11). In der heutigen Liturgie erlebt die Kirche von neuem die Wahrheit dieser Worte. Während wir in der Weihnachtsnacht einige Hirten aus dem Volk Israel zur Grotte von Betlehem laufen sehen, denken wir heute, am Epiphaniefest, an die Ankunft der Sterndeuter, die aus dem fernen Orient gekommen sind, um in dem neugeborenen Kind den König und Erlöser der Welt anzubeten und ihm ihre Geschenke zu bringen. Die Magier kommen und fragen: „Wo ist der neugeborene König der Juden?” (Mt 2,2). Und sie kommen und bringen ihm ihre Gaben dar. Als sie an dem Ort angekommen waren, „wo das Kind war ... fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar” (Mt 2,9.11). Sie hatten nach dem „neugeborenen König der Juden” gefragt (Mt 2,2), und jetzt haben sie vor sich den König nicht nur eines Volkes, sondern aller Nationen, „die ihm zum Erbe gegeben worden sind” (vgl. Ps 2,8). So wurde die vom Psalmisten schon viel früher angekündigte Wahrheit Wirklichkeit. Die Magier bezeugen also durch die Geste der Anbetung, daß das Jesuskind König nicht nur eines Volkes, des Volkes Israel, ist, sondern aller Völker der Erde. 708 BOTSCHAFTEN. UND ANSPRACHEN 3. Epiphanie. Das heutige Hochfest trägt diesen bedeutungsvollen Namen. Die Magier, die aus dem Orient gekommen sind, um ihre Gaben darzubringen, werden Zeugen des heiligsten Geschenkes, das Gott den Menschen anbietet: Im Geheimnis der Menschwerdung bietet Gott Vater der Menschheit seinen eingeborenen Sohn an, der eines Wesens mit Ihm ist. Im fleischgewordenen Wort hat sich die Liebe Gottes selbst sichtbar gemacht: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab” (Joh 3,16). Angesichts dieses heiligsten Geheimnisses „fielen die Magier nieder”. Obwohl ihre Augen nur das neugeborene Kind sehen, erlaubt ihnen das Licht, das sie im Innern leitet, das zu sehen, was die Augen nicht wahmehmen können: Es erlaubt ihnen, das heiligste Geschenk, das Gott der Menschheit anbietet, zu verstehen. Auf dieses höchste Geschenk antworten sie mit ihrem persönlichen Geschenk und bringen Jesus Gold, Weihrauch und Myrrhe dar, einfache menschliche Zeichen, die das Geheimnis des Königs ausdrücken, dem „die Völker zum Erbe gegeben worden sind” (vgl. Ps 2,8). Zugleich offenbaren die Geschenke die tiefe Wahrheit der Menschwerdung. Indem er die menschliche Natur annahm, wollte der Sohn Gottes auch an der Bitterkeit des irdischen Daseins teilhaben, das seinen Höhepunkt fand, als „sie ihm Wein, der mit Myrrhe gewürzt war, reichten” (Mk 15,23). 4. Liebe Schwestern und Brüder! Die Universalität des einen Volkes Gottes, das sich heute um seinen göttlichen König sammelt, erscheint besonders deutlich in dieser Bischofsweihe, die elf Mitbrüder empfangen, die aus verschiedenen Nationen kommen und Gott die Huldigung der Völker der Erde darbringen. Ich begrüße euch, liebe Brüder, die ihr durch den Heiligen Geist in der Gemeinschaft der Kirche Christi bleibt. Ich begrüße jeden einzelnen voll Liebe und Hochschätzung. Ich grüße dich, Msgr. Diego Causero: Du bist als mein Vertreter zu einigen afrikanischen Nationen gesandt; ich grüße dich, Msgr. G. Charles Palmer-Buckle, designierter Bischof von Koforidua (Ghana); dich, Msgr. Elio Sgreccia, Sekretär des Päpstliche Rates für die Familie; dich, Msgr. Henryk Marian Tomasik, Weihbischof des Bischofs von Sieldce (Polen); dich, Msgr. Henry J. Mansell, Weihbischof in New York (USA); dich Msgr. Jan Kopiec, Weihbischof in Oppeln (Polen); dich, Msgr. Alojzij Uran, Weihbischof in Laibach (Slowien); dich, Msgr. Luigi Sposito, Sekretär der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Hl. Stuhls; dich, Msgr. Norbert K. Startmann Hoppe, Weihbischof von Lima (Peru); dich, Msgr. Elmo Pewrera, Weihbischof in Galle (Sri Lanka); dich, Msgr. Csaba Temyak. Weihbischof in Esztergom (Ungarn). Liebe Brüder, in Kürze erhaltet ihr die Fülle des Weihesakraments in dieser Petersbasilika. Von wo immer ihr auch herkommt, wißt, daß ihr Glieder desselben Orga-nismusses seid: des Leibes Christi, der lebt durch die heiligmachende Gegenwart des Heiligen Geistes. 709 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Brüder, wißt, Eure Namen erklingen in diesem Gotteshaus, das in den Mittelpunkt der Kirche gestellt wurde als Zeichen für den von Gott empfangenen Ruf und der Sendung, die euch heute durch das Bischofsamt aufgetragen wird. 5. Zu Hirten des Volkes Gottes bestellt, wißt ihr wohl, daß ihr die Glaubenden „sammeln” müßt in enger Verbindung mit dem König, durch den die Völker die Epiphanie des Reiches Gottes empfangen haben. Wie die Magier des Orients seid auch ihr Diener der Erscheinung Gottes. Bringt dem göttlichen Erlöser die Gaben des christlichen Volkes, das heißt die Geschenke eurer Kirchen zusammen mit eurer pastoralen Mühe. Auf diese Weise offenbart sich immer mehr das heiligste Geschenk, das Gott der Welt in Jesus Christus erwiesen hat, und die Menschheit möge erkennen, mit welch großer Liebe Gott sie geliebt hat, wenn er nicht zögerte, für sie seinen eingeborenen Sohn hinzugeben. „Alle Könige müssen ihm huldigen, alle Völker ihm dienen”. Für immer! Amen. Europae orientalis Apostolischer Brief „Motu Proprio”, mit dem die Päpstliche Kommission „Pro Russia” mit der „Behördenübergreifenden Ständigen Kommission für die Kirche in Osteuropa” ersetzt wird, vom 15. Januar In unserer Sorge um die Gläubigen in Osteuropa, deren Lebensumstände sich heute gewandelt haben, halten wir die Gründe für die Errichtung der Päpstlichen Kommission für Rußland nicht mehr für gültig. Unser Vorgänger Pius XI. ehrwürdigen Andenkens hatte in seiner besonderen Sorge um das Wohl der russischen katholischen Gläubigen die pastorale Betreuung aller in ihrer Heimat lebenden oder aus ihr geflohenen Katholiken vorgesehen. Zu diesem Zweck hatte er 1925 die Kommission für Rußland eingesetzt und sie dann mit dem Motu Proprio Inde ab inito Pontificatu vom 6. April 1930 rechtlich selbständig gemacht (vgl. AA5’22[1930]153-154). Durch sie konnte der Hl. Stuhl in jenen Ländern die Katholiken unterstützen, die ihren Glauben unter Verfolgungen zu leben hatten, doch auch in der Hoffnung, daß eines Tages - nur Gott wußte, wann -die katholische Kirche in ihrer geliebten Heimat Wiedererstehen könnte. Die jüngste Entwicklung der Geschichte Osteuropas hat nun erlaubt, daß sich die Gemeinschaften der Katholiken neu zusammenschließen und frei äußern können. In dieser neuen Situation bleibt es aber weiter notwendig, diesen Gemeinschaften jene Unterstützung zukommen zu lassen, die ihnen die Festigung der eigenen Wurzeln auf ihrem heimischen Boden und die Entfaltung ihrer Gemeinschaft mit den übrigen katholischen Gemeinschaften der ganzen Welt gestatten. Daher heben wir in der Fülle unserer apostolischen Vollmacht und nach Beratung mit unserem verehrten Mitbruder, Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, und mit 710 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erzbischof Jean-Louis Tauran, dem Präsidenten der Päpstlichen Kommission „Pro Russia”, mittels eines motu proprio ac certe scientia die Päpstliche Kommission „Pro Russia” auf und danken Gott für all das Gute, das sie der Kirche und den zahlreichen Gläubigen russischer Herkunft während fast sieben Jahrzehnten erwiesen hat. Wir sprechen ebenso all jenen unsere Dankbarkeit aus, die sich während dieser leidvollen Jahre für die Erfüllung ihrer Aufgabe eingesetzt haben. Zugleich errichten wir nach der Norm unserer Apostolischen Konstitution Pastor bonus (Art. 21, par. 2) die behördenübergreifende Ständige Kommission für die Kirche in Osteuropa, deren Zuständigkeiten und Zusammensetzung hier zugleich festgelegt werden. Das genannte neue Organ ist zuständig für die Kirchen sowohl des lateinischen als auch des orientalischen Ritus in den Gebieten Europas, die früher ein kommunistisches Regime hatten. Sie ist also zuständig für die Länder, die früher zur Sowjetunion gehörten, Asien eingeschlossen, an zweiter Stelle aber auch für alle anderen Länder Osteuropas, soweit es notwendig ist. Die Kommission hat die Aufgabe, die apostolische Sendung der katholischen Kirche mit all ihren Aktivitäten fortzuführen und zu fördern sowie den ökumenischen Dialog mit den orthodoxen Kirchen und mit den anderen Kirchen orientalischer Tradition zu begleiten. Sie unterhält ferner regelmäßige Kontakte mit den verschiedenen katholischen Institutionen, die seit langem den Gemeinschaften der Katholiken in Osteuropa helfen, sei es, um ihre Tätigkeiten zu koordinieren, sei es, um ihnen neuen Schwung zu geben. Die behördenübergreifende Kommission steht unter dem Vorsitz des Kardinalstaatssekretärs. Zu ihr gehören ferner als Mitglieder: der Sekretär für die Beziehungen zu den Staaten und die Sekretäre der Kongregationen für die Orientalischen Kirchen, für den Klerus, für die Institute des gottgeweihten Lebens und die Gemeinschaften des apostolischen Lebens sowie der Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und der Untersekretär für die Beziehungen zu den Staaten. Wir ordnen daher an, daß alles, was wir mit diesem Brief in der Form eines „Motu Proprio” festgelegt haben, durchgeführt und beachtet wird, wobei zugleich alle anderen gegenteiligen Verfügungen außer Kraft treten. Gegeben zu Rom bei St. Peter, am 15. Januar 1993, im 15. Jahr unseres Pontifikates. Joannes Paulus PP. II 711 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gleichgültigkeit gegenüber körperlicher und moralischer Gewalt ist eine schuldhafte Unterlassung Ansprache beim Neujahrsempfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 16. Januar -I- Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Zu Beginn des Jahres 1993 nehme ich besonders gern die Glückwünsche entgegen, die der Herr Botschafter Joseph Amichia in eurem Namen mit Einfühlungsvermögen zum Ausdruck gebracht hat. Ich danke euch ausdrücklich für eure Anwesenheit heute wie auch für das Interesse und das wohlwollende Verständnis, mit dem ihr täglich das Wirken des Hl. Stuhls verfolgt. Nehmt bitte auch eurerseits die tiefempfundenen Wünsche entgegen, die ich im Gebet für euch persönlich und eure Familien, aber auch für eure hohe Aufgabe als Diplomaten sowie für die Völker, denen ihr zugehört, Gott anvertraue. 145 Länder unterhalten heute diplomatische Beziehungen mit dem Hl. Stuhl. Allein im Jahre 1992 wollten sechzehn Nationen eine solche Zusammenarbeit anknüpfen, und ich bin glücklich, an diesem Morgen unter euch zum erstenmal die Botschafter von Bulgarien und Kroatien, von Mexiko und Slowenien zu erblicken. Entsprechend kommen die Erwartungen und Hoffnungen der meisten Völker der Erde auch im Herzen der Christenheit zum Ausdruck. Ich hoffe, daß die Zeitläufe es weiteren Ländern gestatten, sich den hier vertretenen anzuschließen: Ich denke unter anderen an China und Vietnam, an Israel und Jordanien, um nur einige zu erwähnen. Als ich die von eurem Doyen vorgetragenen Gedanken anhörte und eure Gesichter sah, erinnerte ich mich an eine Reihe Länder, die ich bei Gelegenheit meiner apostolischen Reisen besucht habe. Gern denke ich an diese wunderbare Welt, ihre Natur und ihr kulturelles Erbe zurück; gern gedenke ich der fleißigen Menschen, denen es oft an materiellen Gütern fehlt, die aber der Versuchung zu widerstehen wissen, die Hoffnung aufzugeben. Gewiß denke ich gerne an die Kinder der Kirche: mit ihren unerschöpflichen geistlichen Reichtümem und durch ihr tägliches christliches Engagement - zuweilen in einem Klima religiöser Gleichgültigkeit und sogar Feindseligkeit - bezeugen sie, daß „Gott die Welt so sehr gebebt hat, daß er seinen Sohn hingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben” (Joh 3,16). Welche Reichtümer an Menschlichkeit und Spiritualität gibt es doch in den verschiedenen Nationen! Das Licht des Weihnachtsfestes hat diese Welt mit unvergleichlicher Klarheit erleuchtet und gibt den menschlichen Errungenschaften weiter ihre wahre Bedeutung, indem es das Gute, das erreicht wurde, und die Bemühungen zur Verbesserung bestimmter Situationen offen darlegt; doch läßt dieses Licht auch alles nur Mittelmäßige und das Scheitern sichtbar werden, welche das Leben der Menschen und der 712 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gesellschaften beeinträchtigen. Auch in diesem Jahr müssen wir im Blick auf die Menschheit, die Gott liebt, und die er in ihrem Dasein und Wachstum trägt (vgl. Apg 17,28), leider feststellen, daß zwei Arten von Übeln sie weiter quälen: Krieg und Armut. -II- Die Welt leidet unter der Geißel des Krieges 2. Der Krieg zerfleischt etliche Völker Afrikas. In Liberia läßt sich zum Beispiel der Weg zur Versöhnung nur schwer finden. Trotz der Bemühungen der Wirtschaftsgemeinschaft der Staaten Westafrikas bleibt dieses Land weiter Schauplatz unerhörter Gewaltanwendung, die auch vor der Kirche und ihren Mitarbeitern nicht haltmacht. So wird es dringend nötig, diese Kämpfe zu stoppen wie auch den unablässigen Fluß der durch die Lande streifenden bewaffneten Menschen, sowie die Machtansprüche und persönlichen Rivalitäten. Im Jahre 1991 wurde die Abmachung von Yamoussoukro als tragfähige Grundlage für eine schnelle Befriedung angesehen: Sollte es nicht möglich sein, sie anzuwenden? Das Abgleiten Ruandas in einen verdeckten Krieg hat es dem demokratischen Übergang verwehrt, seine Ziele zu erreichen, während die Militärausgaben eine bereits heikle Wirtschaftslage zusätzlich belasten. Es ist inzwischen klar geworden, daß in einer Nation aus mehreren Volksstämmen die Strategie der Auseinandersetzung niemals zum Frieden führen kann. Der Sudan wird immer noch durch einen Krieg gespalten, der die Volksgruppen des Nordens und des Südens zu Gegnern macht. Ich wünsche, daß die Sudanesen in freier Wahl jene Verfassungsform finden können, die ihnen eine Überwindung der Gegensätze und Kämpfe in Achtung vor den Besonderheiten einer jeden Gemeinschaft gestattet. Ich kann mir nur die Worte der dortigen Ortsbischöfe zu eigen machen: „Ein Friede ohne Gerechtigkeit und Achtung vor den Menschenrechten läßt sich nicht erreichen” (Kommunique vom 6. Oktober 1992). Ich vertraue Gott meinen Plan an, im kommenden Monat eine kurze Zwischenlandung in Khartum zu machen: Sie wird mir Gelegenheit bieten, allen Leidenden eine Botschaft der Versöhnung und der Hoffnung zu bringen und zumal die Kinder der Kirche zu ermuntern, die trotz aller Art von Prüfungen weiter mutig in Glaube, Hoffnung und Liebe ihren Weg gehen. Die humanitäre Hilfe für Somalia durch die internationale Gemeinschaft hat aller Welt die unerträgliche Not eines Landes vor Augen geführt, das derart in Anarchie versunken ist, daß selbst das Überleben der Einwohner auf dem Spiele steht. Wir müssen feststellen, daß die Ansprüche von Volksstämmen oder Personen nicht zur Befriedung fuhren. Wünschen wir daher, daß die internationale Solidarität weiter wächst: Dadurch wird das gesamte Gleichgewicht des afrikanischen Kontinents gefestigt werden. 713 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Afrika darf in der Tat nicht sich selbst überlassen werden. Einerseits ist in zahlreichen Konfliktgebieten oder bei Naturkatastrophen dringend Hilfe geboten; andrerseits muß die mächtige Demokratiebewegung, die sich dort aüsbreitet, begleitet werden. Auch hier erweist sich die Verbindung zwischen Demokratie, Menschenrechten und Entwicklung sehr deutlich als vorrangig. Ich wünsche, daß die afrikanischen Länder, die glücklicherweise den Weg politischer Erneuerung beschritten haben, auf dieser Straße weitergehen können. Gewiß gibt es auf ihr viele Hindernisse, und sie wird auch von jenen verzögert, die es vorziehen, zurückzuschauen, doch die Demokratisierung ist der einzige Weg zum Fortschritt, denn sie hat zum Ziel, den Völkern und ihren freien Willensäußerungen achtungsvoll zu dienen. Ich denke zumal an Togo und Zaire, die weiter in großer politischer Unsicherheit leben. Vor allem in letzterem Land müßten die vorhandenen Parteien mutig den Weg des Dialogs beschreiten und selbstlos dahin wirken, daß die Zeit des Übergangs zu einer Gesellschaftsform führt, die die berechtigten Erwartungen des Volkes achtet. Natürlich wird dies nur in dem Maß geschehen, wie man in den verschiedenen: Landesteilen Zaires Intoleranz und Gewaltanwendung vermeidet, die dieses große Land in ein Abenteuer mit fatalen Folgen stürzen könnten. 3. Das Gebiet am Mittelmeer ist auch nicht von starken Spannungen frei, die Gewalt und Tod verbreiten. Ich denke an die schwerwiegenden Ereignisse, die Algerien betroffen haben, und an die ernsthaften Schwierigkeiten, die den Friedensprozeß im Nahen Osten in Gefahr bringen, der vor etwas mehr als einem Jahr in Madrid eröffnet wurde. Heute können neue Gewalttaten und bewaffnetes Eingreifen die Bemühungen um Dialog und Frieden in den letzten Monaten aufs Spiel setzen, und ich rufe erneut alle auf, die an diesem Prozeß beteiligt sind, Gewaltanwendung und das Schaffen vollendeter Tatsachen zu vermeiden. Dank aufrichtiger Verhandlungen und vertrauensvollem Dialog wird man leichter auf dem Weg des Friedens vorankommen, um den Abschnitt bloßer Treffen zu überwinden. Ein neues Klima der Achtung und des Verständnisses erweist sich in diesem Teil der Welt mehr denn je als notwendig. Dies würde zugleich zu einem Faktor des Gleichgewichts und der Befriedung für die Nachbarländer, wie zum Beispiel Libanon und Zypern, werden, wo ungelöste Probleme es der Bevölkerung immer noch unmöglich machen, zuversichtlich in die Zukunft zu bücken. Wir können auch nicht vergessen, daß der Krieg langfristige Auswirkungen hat und unschuldige Bürger zwingt, schwere Leiden auf sich zu nehmen. Dies ist auch bei den Volksgruppen in Irak der Fall, die nur deswegen, weil sie in diesem Lande leben, auch heute noch einen schweren Preis in Form von grausamen Entbehrungen bezahlen müssen. 4. Doch auch in unmittelbarer Nähe,. Exzellenzen, meine Damen und Herren, zeigt der Krieg seine schonungslose Brutaütät. Ich denke natürüch an die brudermörderischen Kämpfe in Bosnien-Herzegowina. Ganz Europa wird dadurch gedemütigt, und seine Institutionen werden mißachtet. Alle Friedensbemühungen der letzten Jahre sind gleichsam vernichtet. Nach der Katastrophe der letzten beiden Welt- 714 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kriege, die in Europa ihren Ausgang nahmen, war man zur Meinung gelangt, die Staaten würden nie wieder zu den Waffen greifen oder ihren Einsatz fördern, um ihre inneren oder gegenseitigen Schwierigkeiten zu lösen. Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hat sogar Grundsätze und einen Verhaltenskodex erarbeitet, der einstimmig von allen Teilnehmerstaaten angenommen wurde. Nun aber werden vor unseren Augen diese Grundsätze und die daraus erwachsenden Verpflichtungen systematisch mißachtet. Das in unserem Jahrhundert mühsam errungene Menschenrecht wird nicht mehr geachtet, und die elementarsten Grundsätze für das Leben in der Gesellschaft werden durch Banden verhöhnt, die Terror und Tod verbreiten. Wie sollten wir nicht/meine Damen und Herren, an die Kinder denken, die an den Folgen solcher Schreckenstaten für immer zu leiden haben? An die Familien, die auseinandergerissen und auf die Straße geworfen wurden, um allen Besitz gebracht und ohne Einnahmequellen? An die entehrten Frauen? An die Kranken und in Konzentrationslagern Mißhandelten, die man für immer verschwunden glaubte? Ständig erreichen den Heiligen Stuhl angstvolle Aufrufe von katholischen und orthodoxen Bischöfe wie auch von religiösen Führern der Muslime in diesen Gebieten: Das kollektive Martyrium möchte doch aufhören und die Menschenrechte sollten geachtet werden. Ich gebe das alles heute morgen an euch weiter. Die internationale Gemeinschaft müßte viel mehr ihren politischen Willen deutlich machen, Angriff und gewaltsame Gebietseroberung nicht hinzunehmen, auch nicht die Verirrung der „ethnischen Säuberung”. Daher halte ich es, getreu meiner Sendung, für notwendig, hier in feierlichster und entschiedenster Form vor allen Verantwortlichen der Nationen, die ihr vertretet, zu wiederholen, aber auch vor all denen, die in Europa oder anderswo Waffen in Händen halten, um ihre Brüder damit zu treffen: - der Angriffskrieg ist des Menschen unwürdig; - die moralische und körperliche Vernichtung des Gegners oder des Fremden ist ein Verbrechen; - die praktizierte Gleichgültigkeit solchem Verhalten gegenüber ist eine schuldhafte Unterlassung; - und schließlich: Wer solche Taten verübt, wer sie entschuldigt oder rechtfertigt, muß sich dafür nicht nur vor der internationalen Gemeinschaft verantworten, sondern viel mehr noch vor Gott. Wie Idingen uns hier die Worte des Propheten Jesaja im Ohr: „Wehe denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen, die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis machen” (Jes 5,20)! Friede kann sich nur auf Wahrheit und Freiheit stützen. Dies erfordert heute viel Klarsicht und Mut. Die Katholiken Europas haben um diese Gnade in Assisi gebetet bei dem ergreifenden Gebetstreffen am 9. und 10. Januar. Mit Gebet und reinigender Buße haben wir Gott um Verzeihung gebeten für alle Angriffe auf den Frieden und alle Mißachtung der Brüderlichkeit, und wir 715 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN haben ihn angefleht, Europa die Wogen des Hasses und der Schmerzen zu ersparen, deren Ausbreitung der Mensch anscheinend nicht Einhalt gebieten kann. 5. Europa macht in der Tat, hin- und hergerissen zwischen seiner Integration als Gemeinschaft und der Versuchung der Auflösung in Nationen und Volksgruppen, einen schmerzhaften Wandel durch. Die gewaltgeladenen Spannungsherde, die eine Anzahl von Republiken der früheren Sowjetunion erschüttern (ich erwähne kurz Georgien und das Kaukasusgebiet), aber auch das Schicksal des Balkans lasten schwer auf der Zukunft des Kontinents. Solche dramatischen Unsicherheiten rufen das befriedete und blühende Westeuropa auf den Plan, das am 1. Januar in die Phase des „einheitlichen Binnenmarktes” eingetreten ist. Gestärkt durch die Einheitlichkeit eines politischen und wirtschaftlichen Vorhabens, wie auch durch das Teilen der gemeinsamen Werte muß dieses Westeuropa weiter die Kontakte sowie die Gesten der Solidarität und Öffnung für den übrigen Kontinent vervielfältigen. Echter und dauerhafter Fortschritt kann von den einen nicht ohne die anderen erreicht werden, freilich auch nicht durch die einen gegen die anderen, und erst recht nicht mit Waffen in den Händen. - III - Die Menschen leiden ebenfalls unter der Geißel der materiellen und moralischen Armut 6. Die zweite große Prüfung für das Leben der Völker und ein Hindernis für ihre Entwicklung ist die Armut, gleich ob es sich um materielle oder moralische Armut handelt. Noch nie hat die Erde so viel hervorgebracht, und noch nie hat es so viel Hungernde gegeben. Die Früchte des Wachstums sind weiter ungleich verteilt. Dazu kommt der wachsende Abstand zwischen Nord und Süd. Wie ihr wißt, wollte ich die Aufmerksamkeit der Menschen guten Willens auf dieses Problem in meiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar richten, wo ich schrieb: „Das Elend ist eine verhüllte, aber wirkliche Bedrohung des Friedens: Da es ein Angriff auf die Würde des Menschenwesens ist, stellt es ein wirkliches Attentat auf den Wert des Lebens dar, und es reicht bis an die Wurzeln der friedlichen Entwicklung der Gesellschaft hinab” (Nr. 3). Angesichts dieses wachsenden Elends, das die Armen immer zahlreicher und ärmer macht, angesichts der Arbeitslosigkeit, ein Ausschluß, der die junge Generationen schmerzlich trifft, angesichts des Analphabetentums, des Rassismus, des Auseinanderbrechens der Familie oder der Krankheit sind als erste die politisch Verantwortlichen angesprochen. Die Welt besitzt inzwischen die technischen und strukturellen Möglichkeiten, die Lebensbedingungen zu verbessern. Jeder müßte heute mehr als gestern eine Chance haben, würdig und gleichberechtigt am Festmahl des Lebens teilzunehmen. Die Aufteilung der Güter der Erde, die gerechte Verteilung der Ge- 716 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN winne und eine gesunde Reaktion gegenüber den Auswüchsen des Konsums oder der Erhaltung der Umwelt des Menschen sind ebensoviele vorrangige Aufgaben für die staatliche Macht. Die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung, die im vergangenen Juni in Rio de Janeiro stattfand, hat sich bemüht, einen Weg zu bahnen. Nun gilt es, über gute Absichten hinauszugehen. Die Bürger müssen für sozialpolitische Vorhaben zusammengeführt werden und Vertrauen in jene gewinnen, die sie regieren, und in die Nation, deren Mitglieder sie sind. Das wäre die Grundlage für ein harmonisches Zusammenleben der menschlichen Gesellschaften. Sehr oft sind Phänomene wie Straßenproteste und ein Klima von Verdächtigungen, das die elektronischen und Printmedien aufgreifen, nur Äußerungen der Unzufriedenheit und Ohnmacht angesichts frustrierter Grundbedürfnisse: daß man seine legitimen Rechte nicht gesichert sieht; daß man sich nicht als Partner der politischen und sozialen Vorhaben anerkannt sieht; daß sich keine Lösung für Probleme abzeichnet, die schon jahrelang andauem. Im Grunde liegt allen Problemen der Gerechtigkeit hauptsächlich die Tatsache zugrunde, daß die Person nicht genügend um ihrer selbst willen geachtet, berücksichtigt oder geliebt wird. Man muß also lernen oder erneut lernen, sich als Elemente eines Ganzen zu betrachten, aufeinander zu hören und gemeinsam voranzugehen. Dies setzt natürlich voraus, daß alle über ein Minimum an gemeinsamen menschlichen Werten verfugen, deren Anerkennung übereinstimmende Entscheidungen zu motivieren vermag. 7. Damit komme ich ganz natürlich zur zweiten Form der Armut, die im moraüschen Elend besteht. Die Aufnahme, die derzeit der Katechismus der katholischen Kirche findet, belegt schon für sich das Bedürfnis nach „Bezugspunkten” bei unseren Zeitgenossen. Als Spiegel der Meinungs- und Modeströmungen vermitteln die Kommunikationsmedien ja oft gefällige Botschaften, die alles entschuldigen und zu einer schrankenlosen Permissivität führen. So werden die Würde und Festigkeit der Familie verkannt oder verfälscht. Viele Jugendliche sind oft der Meinung, fast alles sei objektiv indifferent: einziger Bezugspunkt ist das, was dem Wohlergehen des einzelnen dient, und oft heiligt der Zweck die Mittel. Wir müssen aber feststellen, daß eine Gesellschaft ohne Werte rasch dem Menschen „feindlich” gesinnt ist, der dann Opfer des persönlichen Gewinnstrebens, einer brutalen Ausübung der Autorität, des Betrugs und der Kriminalität ist. Allzu viele Menschen machen heute diese bittere Erfahrung, und ich weiß, die Staatsmänner sind sich dieser schweren Probleme bewußt, mit denen sie täglich zu tun haben. Ich möchte hier erneut die Bereitschaft der Kirche zur Mitarbeit an einer echten, moralischen Entwicklung der Gesellschaften durch das Zeugnis ihres Glaubens, den Beitrag ihres Denkens und die Mithilfe ihrer Werke aussprechen. Im öffentlichen Dialog muß diesem ein Platz erhalten bleiben, denn man hat zuweilen den Eindruck, daß gewisse Kreise die Religion in die Privatsphäre verweisen wollen unter dem Vorwand, die Überzeugungen und Verhaltensnormen der Gläubigen seien gleichbedeutend mit Rückschritt oder einem Angriff auf die Freiheit. Die katholische Kirche, 717 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gegenwärtig im Schoß einer jeden Nation dieser Erde, und der Heilige Stuhl, Mitglied der internationalen Gemeinschaft, möchtenin keiner Weise Bewertungen oder Vorschriften aufzwingen, vielmehr nur ein Zeugnis von ihrer Auffassung des Menschen und der Geschichte geben, die ihrem Wissen nach einer göttlichen Offenbarung entstammen. Die Gesellschaft kann auf diesen originellen Beitrag nicht verzichten, ohne selbst zu verarmen und ohne das Recht eines großen Teils ihrer Bürger auf Gedanken- und Meinungsfreiheit zu verletzen. Wenn das Evangelium Jesu Christi für zahlreiche soziale und wirtschaftliche Probleme, die den heutigen Menschen bedrängen, keine zur Verfügung stehende Antwort bietet, so zeigt es doch auf, was vor Gott und daher für das Geschick des Menschen Gewicht hat. Dies schlagen die Christen denen vor, die bereit sind, auf ihre Stimme zu hören. Trotz der Schwierigkeiten wird die katholische Kirche weiter ihrerseits ihre selbstlose Mitarbeit anbieten, damit der Mensch am Ende dieses Jahrhunderts besser aufgeklärt ist und sich von den flüchtigen Idolen zu befreien weiß. Die Christen haben hur die Ambition, zu bezeugen, daß sie die persönliche und allgemeine Geschichte im Zusammenhang der Begegnung Gottes mit den Menschen verstehen, wofür Weihnachten die lichtvollste Offenbarung ist. -IV- In der Welt gibt es einige hoffnungsvolle Friedenszeichen 8. Daher freut sich die Kirche - wachsam, aber auch solidarisch mit Initiativen und Fortschritten, die den Menschen wachsen lassen - über alles, was in den letzten Monaten einen friedlichen Sieg über Gewaltanwendung und Unruhen dargestellt hat. In Europa wurde trotz der eben genannten Unsicherheiten ein neues Kapitel der Geschichte des Kontinents am 1. Januar aufgeschlagen. Mit Inkrafttreten des gemeinsamen Binnenmarktes wurde ein Großteil der Europäer im Bewußtsein bekräftigt, eine einzige Familie zu bilden und Anteil an Werten zu haben, die aus ihrer jüngsten und ferneren Geschichte stammen. Dies ist wichtig, denn die Zukunft kann nicht nur auf den Grundlagen der Wirtschaft und des Marktes beruhen. Wünschen wir daher, daß die jahrhundertelangen Konflikte beigelegt sind und sich endgültig Solidarität und Gemeinschaftssinn durchsetzen. Dank gemeinsamer Strukturen und permanentem Dialog wird das Leben von nun an für einen guten Teil Europas harmonischer verlaufen. In diesem Zusammenhang möchte ich die beiden neuen europäischen Länder ermuntern, die ebenfalls am 1. Januar ins Leben getreten sind: die tschechische Republik und die slowakische Republik. Möge die friedliche Auflösung der alten föderativen Republik Tschechoslowakei als Frucht eines beharrlichen Dialogs ein gutes Zeichen für die Entwicklung eines jeden der neuen Staaten und für die Qualität ihrer gegenseitigen Beziehungen sein! 718 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9. Weiter von uns entfernt, in Angola, haben die Bemühungen um den Frieden Erfolg gehabt, und wir hoffen, daß die Schwierigkeiten der letzten Tage die in Lissabon am 31. Mai 1991 Unterzeichneten Friedensabmachungen nicht in Gefahr bringen. Die Entscheidung der Wähler muß von allen geachtet werden! Dieses so hart geprüfte Volk, das ich zu meiner Freude kürzlich besuchen konnte, möchte Frieden. Es hat ihn auch verdient! Die brudermörderischen Kämpfe, die bestimmte Gebiete zu zerstören drohen, werden keinem den Sieg bringen. Sie tragen nur dazu bei, die schon schwachen menschlichen und moralischen Kräfte eines Landes aufzureiben, das doch den richtigen Weg beschritten hatte. In Mosambik, um in Afrika zu bleiben, geben die glücklich in Rom abgeschlossenen Gespräche zur Hoffnung Anlaß, daß die vertretenen Parteien sich von nun an als Partner des nationalen Dialogs zu verhalten wissen und gemeinsam den Befriedungs- und Demokratisierungsprozeß weiterführen, den sich alle Mosambikaner wünschen. Niemand kann das an ihrer Stelle tun. Man kann nur erfreut den Willen der afrikanischen Völker feststellen, ihre Gesellschaften auf neue Grundlagen aufbauen zu wollen, womit das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Handlungsfreiheit die Umgestaltung des politischen Erscheinungsbildes des ganzen Kontinents gestattet. Auch wenn manchmal die eingeleiteten Übergangsformen enttäuschen, so steht doch fest, daß die Demokratisierungsbewegung nicht rückgängig zu machen ist. In diesem neuen Afrika muß der Bevölkerung die zentrale Rolle überlassen bleiben. Sie muß in die Lage versetzt werden, sich voll an der Entwicklung zu beteiligen. Daher braucht sie einerseits regionale und internationale Zusammenarbeit zur Vorbeugung von Krisen, und andererseits müssen diese Hilfeleistungen die Demokratisierungsbewegung sowie auch das wirtschaftliche Wachstum begleiten. 10. In Asien ist Kambodscha Schritt für Schritt aus seiner Isolierung herausgetreten und hat seinen Wiederaufbau dank der hartnäckigen Bemühungen der Vereinten Nationen und befreundeter Länder begonnen. Die in den Abkommen von Paris übernommenen Aufgaben haben, den geeigneten Weg vorgezeichnet, der zu einer echten Demokratie und zur nationalen Versöhnung führen kann. Daher sollten neue Schwierigkeiten nicht wieder alles in Frage stellen. Friede ist nur möglich, wenn die Gegner von gestern heute vom aufrichtigen Willen beseelt sind, ihn aufzubauen. Wünschen wir ferner diesem Lande, das so viel gelitten hat, es möge von der langfristigen Hilfe internationaler Solidarität ohne Abstriche profitieren. 11. In Lateinamerika ist im vergangenen Jahr ebenfalls der Wille zum regionalen Dialog stark geblieben. Das Jahr 1992 war für den Kontinent ein wichtiges Gedenkjahr. Die Lateinamerikaner haben sich an die große menschliche und geistliche Leistung der Entdeckung und Evangelisierung mit ihren Licht- und Schattenseiten erinnert. Sie sind sich ferner besser ihrer großen moralischen Fähigkeiten angesichts der Herausforderungen der heutigen Stunde bewußt geworden, zumal was die soziale Gerechtigkeit angeht. Die katholische Kirche, die in diesem Teil der Welt so stark 719 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN präsent ist, wird weiter ihre spezifische Zusammenarbeit anbieten, indem sie „die Wahrheit Christi verkündet, welche die Geister und Herzen durch eine aktive, unermüdliche und öffentliche Herausstellung der christlichen Werte erleuchten muß”, wie ich bei der Eröffnung der TV. Vollversammlung des lateinamerikanischen Episkopates am vergangenen 12. Oktober in Santo Domingo betont habe. Damit werden die katholischen Gläubigen und ihre Hirten die moralische Erneuerung der Völker dieses umfangreichen Kontinents fördern und so den Aufbau gerechterer und sich reicher entwickelnder Gesellschaften in Achtung vor ihren edlen Traditionen erleichtern. Unter den tröstlichen Zeichen, die das Leben dieser Völker gekennzeichnet haben, muß man auf die Tatsache hinweisen, daß die bewaffneten Gruppen ihre Waffen niedergelegt haben, leider mit Ausnahme Perus, wo dies aber nun geschehen soll, und von Kolumbien. Das beredteste Beispiel bietet El Salvador, wo am vergangenen 15. Dezember nach zwölf Jahren Krieg Regierung und Guerilla offiziell den bewaffneten Kampf beendet haben. Zu wünschen bleibt, daß die angekündigte Versöhnung sich tatsächlich immer mehr verwirklicht. Möge dieser glückliche Abschluß ein weiteres Nachbarland auf den richtigen Weg führen, das ebenfalls von allzu vielen Gewalttaten zerfleischt wird: Guatemala! Dort wie anderswo kann ein harmonisches, gemeinschaftliches Leben nur Bestand haben, wenn die Menschenrechte und die öffentliche Moral geachtet werden. 12. Ich wünsche, daß andere Länder der Hemisphäre ebenfalls sozial und politisch Fortschritte machen. Ich denke vor allem an Haiti, wo eine recht schwere und allgemeine Krise andauert. Wünschen wir, daß auch die Haitianer in bürgerlichem Frieden leben und erneut ihre Würde als Bürger erkennen können, die selber Baumeister ihres Geschicks werden. Unverzüglich sind die dringenden Bedürfnisse dieses so hart geprüften Volkes zu befriedigen. Wir müssen ihm helfen, wie es die Ortsbischöfe und zahlreiche Menschen guten Willens zu tun suchen. Nicht weit von dort befindet sich noch ein von mir besonders geliebtes Volk, nämlich auf Kuba. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die es durchmacht, und seine internationale Isolierung steigern von Tag zu Tag die Leiden der gesamten Bevölkerung. Die internationale Gemeinschaft dürfte an diesem Land nicht uninteressiert bleiben. Ich wünsche ebenfalls, daß die Bestrebungen der Kubaner nach einer in Gerechtigkeit und Frieden erneuerten Gesellschaft Wirklichkeit werden können. Ohne Privilegien zu beanspruchen, möchten die Katholiken für diese innere Entwicklung durch die Klarheit ihres evangelischen Zeugnisses ihren Beitrag leisten. 13. Dieser bei unserer jährlichen Begegnung bereits traditionsreiche umfassende Überblick der internationalen Szene hat vor allem deutlich gemacht, daß das eigentliche Herz des internationalen Lebens nicht so sehr die Staaten, sondern die Menschen sind. Wir stellen hier eine der zweifellos bezeichnendsten Entwicklungen des Rechtes der Menschen im 20. Jahrhundert fest. Das Hervortreten des einzelnen hegt dem sogenannten „Menschenrecht” zugrunde. Es gibt nämlich Interessen, die die 720 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Staaten übersteigen: Es sind die Interessen der menschlichen Person und ihre Rechte. Heute wie gestern werden leider trotz der mehr oder weniger zwingenden Bestimmungen des internationalen Rechtes der Mensch und seine Bedürfnisse so sehr bedroht, daß in den letzten Monaten ein neues Denkmodell, das des „humanitären Eingreifens”, entstanden ist. Dieser Ausdruck sagt viel über die heikle Lage des Menschen und der Gesellschaften, die es gebildet haben. Ich hatte selber Gelegenheit, mich zu diesem Thema des menschlichen Beistandes bei meinem Besuch am Sitz der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) am vergangenen 5. Dezember zu äußern. Wenn einmal alle von diplomatischen Verhandlungen gebotenen Möglichkeiten, alle durch Übereinkünfte und internationale Organisationen vorgesehenen Prozesse erschöpft sind und trotzdem ganze Volksgruppen dabei sind, den Schlägen eines ungerechten Angreifers zu erliegen, haben die Staaten kein „Recht mehr auf Gleichgültigkeit”. Es scheint vielmehr, daß ihre Pflicht in der Entwaffnung dieses Angreifers besteht, nachdem alle übrigen Mittel sich als unwirksam erwiesen haben. Die Grundsätze der Souveränität der Staaten und der Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten - die ihren vollen Wert behalten - dürfen jedoch keine Schutzwand bilden, hinter der man foltern und morden darf. Darum aber geht es. Gewiß werden sich die Juristen noch weiter mit dieser neuen Tatsache beschäftigen und deren Umrisse abstecken müssen. Doch wie sich der Hl. Stuhl oft an die internationalen Einrichtungen wendet, deren Mitglied er ist, so hat die Organisation der Gesellschaften nur Sinn, wenn sie den menschlichen Maßstab zu ihrem zentralen Anhegen macht in einer Welt, die durch den Menschen und für den Menschen gemacht ist. 14. Exzellenzen, meine Damen und Herren! Zu Beginn dieses Jahres erklingt mitten im Lärm der Waffen und der allzu oft dramatischen Ereignissen weiter das Loblied der Engel in der Weihnachtsnacht: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die er liebt!” Alle ausgetauschten guten Wünsche sind in dieser himmlischen Botschaft zusammengefaßt. In diese gewalttätige Welt, die so schnell bereit ist, Verdacht zu äußern und zuzuschlagen, wo die Interessen zuweilen auch die edelmütigsten Bestrebungen zu ersticken scheinen, bringt das Kind in der Krippe von Betlehem den Liebreiz seiner Unschuld. Es ist das dem Menschen gegebene Zeichen für das unermeßliche Erbarmen Gottes! Euch persönlich, euren Landsleuten und Autoritäten, all unseren Schwestern und Brüdern des ganzen Menschengeschlechts biete ich aus ganzem Herzen diese „Frohe Botschaft” in ihrer ewigen Frische an. Nehmt sie an, so bitte ich euch! In ihr hegt das Glück des Menschen für heute und morgen beschlossen. 721 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebt einander ein Zeichen des Friedens! Worte vor Beginn der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen an die Jugend der römischen Pfarrei S. Elena am 17. Januar Während der Messe, vor der heiligen Kommunion, sagt der Priester: „Gebt einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung!” Die Friedens Zeichen in der Welt sind verschieden, aber sehr oft besteht ein solches Zeichen darin, daß man der oder den nächststehenden Person(en) die Hand reicht. So wird es auch ein heiliges Zeichen, ein Zeichen voll evangelischen Sinnes. Christus hat zuerst gesagt: „Meinen Frieden gebe ich euch.” Und dann wiederholen wir dieselbe Geste, indem wir dem uns Nächststehenden in der Kirche die Hand reichen als Zeichen des Friedens. Ich sage das vor allem, um diese gewohnte, beinahe mechanisch ausgeführte Geste zu erläutern, denn sie soll immer ihre volle menschliche, gesellschaftliche und auch religiöse Bedeutung beibehalten. Ich sage das auch, weil der erste Monat des Jahres mit dem Weltfriedenstag beginnt. Diese Geste drückt ein Bestreben, einen Wunsch aus: Daß sich die Menschen, die entzweiten Völker, die gegeneinander Krieg führen und sich gegenseitig zerstören, wie unsere Nachbarvölker in Bosnien-Herzegowina, einander die Hand reichen. Daß sie aufhören, Feinde zu sein; daß sie einander die Hand reichen und Freunde werden; daß sie sich wenigstens als Nachbarn annehmen. In diesem Sinn eröffnet der Weltfriedenstag alljährlich den Jahreskreis, auch in der Liturgie. Aber noch ein weiterer Anlaß steht bevor: die ökumenische Oktav, die Weltgebetswoche für die Einheit der Christen. Auch hier handelt es sich in einem anderen, aber sehr ähnlichen Sinn darum, daß alle Christen einander die Hand reichen: Christen, die aus verschiedenen Gründen und in verschiedenen Zeitspannen gespalten, getrennt sind, aber alle am Ende verwurzelt im selben Glauben, im selben Geheimnis Christi, im selben Glauben an die Heiligste Dreifaltigkeit; alle Christen, die gewohnt sind zu sprechen: „Vater unser”. Da ist auch dieses Händereichen notwendig, diese Geste voll ökumenischer Bedeutung. Gottes Segen fiir Amerika Glückwunschtelegramm zur Amtseinführung des neuen US-amerikanischen Präsidenten William Jefferson Clinton am 20. Januar Anläßlich Ihrer Amtseinführung als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika gratuliere ich Ihnen herzlich und übermittle ich Ihnen meine besten Wünsche. Ich bitte Gott, den Allmächtigen, er möge Ihnen helfen die Pflichten Ihres hohen Amtes zum Wohl Ihrer Mitbürger und zum Wohl aller Menschen in der Welt zu erfüllen. Mögen Sie beitragen zum Aufbau des Weltfriedens auf den festen Grundlagen der Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit, unter besonderer Berücksichtigung der legitimen Bedürfnisse und Erwartungen der Schutzlosen und derer, die keine Stimme ha- 722 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ben. Möge Ihre Führung fruchtbar sein bei der Verteidigung und Förderung der wahren geistigen Werte und der menschlichen Solidarität, die Ihr Land von Anfang an geprägt haben. Auf Sie und das Volk, dem zu dienen Sie beauftragt sind, rufe ich Gottes reichen Segen herab. Sinn für Gemeinschaft und Solidarität fördern Ansprache an die Teilnehmer des 15. nationalen Kongresses der Italienischen Katholischen Volksschullehrervereinigung am 22. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Anläßlich des nationalen Kongresses eurer verdienstvollen Einrichtung, der Italienischen Katholischen Volksschullehrervereinigung, war es euer Wunsch, daß die Begegnung mit dem Nachfolger Petri nicht fehlen sollte, um euren Glauben zu bekunden und die Vorsätze der Ehrerbietung und der Treue gegenüber den Weisungen des Apostolischen Stuhls, die euch alle beseelen, zu erneuern. Von Herzen danke ich für diese eure Geste der Verbundenheit und Zuneigung! Gerne entbiete ich euch meinen allerherzlichsten Gruß und bringe euch darüber hinaus meine aufrichtige Wertschätzung für die intensive Bildungsarbeit, die die Vereinigung nun schon seit Jahren leistet, zum Ausdruck. Im Jahr 1946, gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, gegründet, hat sie sich über ganz Italien verbreitet und durch ihre betont christliche Ausrichtung und ihre lebendige apostolische Präsenz in der Kultur, der Didaktik, der Pädagogik, in der Gesellschaft und Politik zunehmend qualifiziert. An erste Stelle setzt ihr natürlich den Einsatz für eine ernsthafte berufliche Qualifikation. Im Bestreben, euch weiterzubilden, aufmerksam die Zeichen der Zeit zu erkennen suchend, unterlaßt ihr es nicht, sorgfältig die Veränderungen der Gesellschaft, in der wir leben, zu beobachten in der Absicht, deren Bedürfnisse zu erkennen und den euch anvertrauten Schülern zusammen mit einer soliden Ausbildung die nötige Formung zu bieten. Dies ist ein notwendiges und dringendes Unternehmen in dieser unserer Epoche, die von vielen Hoffnungen aber auch von großen Sorgen und Widersprüchen gekennzeichnet ist. Eine providentielle Hilfe ist für euch diese Vereinigung, die unter Beachtung der gültigen Schulgesetze, zutreffend interpretiert und angewandt, vor allem den Lehrer bei seiner Aufgabe als weisen „Pädagogen” unterstützen will, der darum besorgt ist, rechtzeitig und wirksam das Morgen vorzubereiten. Davon zeugt auch das anspruchsvolle aber wichtige Thema eures gegenwärtigen Kongresses: „Die Zukunft durch Wandlung vorwegnehmen - der Mensch im Mittelpunkt, die Pflicht zu erziehen”. 2. Ein interessanter Ausblick, doch mit Schwierigkeiten übersät. Es ist in der Tat nötig, den wahrscheinlichen Entwicklungen der Gesellschaft auf mittlere oder lange Sicht weitblickend zuvorzukommen und rechtzeitig und konkret die nötigen päd- 723 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN agogischen Initiativen zu ergreifen. Die primäre Bedingung für dieses Vorhaben ist gewiß eine angemessene menschliche und geistliche Ausbildung der Lehrer. Diese muß daher die Hauptsorge eurer Vereinigung sein, so daß der Erzieher, in welcher Situation er sich auch immer befinden mag, in der Lage ist, die ihm anvertrauten Schüler mit Klugheit und psychologischem Einfühlungsvermögen zu verstehen und sie in ihrem Wachstum geduldig und hebevoll auf passende Erziehungsziele auszurichten. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Erklärung über die christliche Erziehung bekräftigt, daß die Kinder und Jugendlichen „unter Verwertung der Fortschritte der psychologischen, der pädagogischen und der didaktischen Wissenschaft ... in der harmonischen Entfaltung ihrer körperlichen, sittlichen und geistigen Anlagen so gefördert werden (sohen), daß sie allmählich ein tieferes Verantwortungsbewußtsein erwerben für ihr eigenes Leben und seine im steten Streben zu leistende Entfaltung und für das Wachsen in der wahren Freiheit” (Gravissimum educationis, Nr. 1). Sie haben in dieser Hinsicht „ein Recht darauf, angeleitet zu werden, die sittlichen Werte mit richtigem Gewissen zu schätzen und sie in personaler Bindung zu erfassen und Gott immer vollkommener erkennen und zu heben” (ebd.). „Schön, freilich auch schwer - so unterstreicht das Konzil - ist dämm die Berufung all derer, die als Helfer der Eltern und Vertreter der menschlichen Gesellschaft in den Schulen die Erziehungsaufgabe übernehmen” (Nr. 5). 3. Im Licht der konziliaren Richtlinien, die heute noch ihren ganzen Wert zeigen, und in Anbetracht der Entwicklung der heutigen Gesellschaftsbedingungen erhält euer pädagogischer Dienst besondere Bedeutung nicht nur, wie offensichtlich ist, in bezug auf seine pädagogische Funktion, sondern auch hinsichtlich eines eigenen, speziellen Beitrags zum Werk der Evangelisierung. Es sei daher eure Sorge, an erster Stelle die menschlichen Grundtugenden vorzustellen, auf denen sich der Mensch konkret aufbaut: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maßhaltung: „Die menschlichen Tugenden - sagt der Katechismus der Katholischen Kirche - sind feste Haltungen, stabile Veranlagungen, gewohnheitsmäßige Vervollkommnungen des Verstandes und des Willens, die unser Tun leiten, unsere Leidenschaften ordnen und unser Verhalten nach Vernunft und Glauben lenken. Sie erleichtern es, ein sittlich gutes Leben zu führen. Tugendhaft ist der Mensch, der aus eigenem Antrieb Gutes tut” (Nr. 1804). Verbreitet außerdem, liebe Brüder und Schwestern, den Sinn für „Gemeinschaft”, Solidarität, gegenseitiges Verständnis, damit den Schülern von den ersten Lebensjahren an das Gefühl der Brüderlichkeit und der Liebe eingeprägt wird, das alle ideologischen und kulturellen Schranken überwindet und den Geist für die Aufnahme und die Zusammenarbeit öffnet. Vor allem ihr selbst sollt authentische Zeugen sein durch euer Beispiel als gläubige Und konsequente Menschen, die der Lehre Christi und dem Lehramt der Kirche fol- 724 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen, das Geheimnis der „Gnade” würdevoll leben und ihren Glauben froh, gelassen und zuversichtlich verbreiten. 4. Meine lieben Brüder und Schwestern! Zum Abschluß dieses unseres Treffens möchte ich gerne an den berühmten Dialog De Magistern erinnern. Der heilige Augustinus setzt sich darin mit seinem Sohn Adeodatus auseinander, einem Jungen, dessen Begabung, so schreibt er in seinen Bekenntnissen, „zum Erschrecken war” (IX, 6). Nachdem er lange mit ihm diskutiert hat, stellt der große Philosoph und Theologe fest: „Der einzige Meister aller ist im Himmel ... Darin, ihn zu lieben und zu kennen, besteht das Glück des Lebens, das alle lauthals beteuern zu suchen; wenige jedoch sind es, die sich freuen, es wirklich gefunden zu haben” {De Magistern, c. XIV, 46). Man kann manchmal den Mut verlieren vor den Schwierigkeiten und den Anforderungen der in unserer Zeit besonders mühevollen Erziehungsarbeit. Und doch behält die Feststellung des Augustinus für uns volle Gültigkeit: Im Getöse vieler uneiniger und betäubender Stimmen gilt es, das innere Gespräch mit dem göttlichen Meister lebendig zu erhalten; das ist eine unerläßliche Voraussetzung, um auf authentische Weise eure besondere Berufung zu verwirklichen. In der Tat: „Darin, ihn zu lieben und zu kennen, besteht das Glück des Lebens”. Liebe Schwestern und Brüder, mit diesen Gedanken wünsche ich euch, daß ihr mit Zuversicht auf eurem Weg weitergeht. Der mütterliche Schutz Marias, Sitz der Weisheit, ermutige euch. Auch mein Segen, den ich jetzt aus ganzem Herzen jedem von euch und allen Mitgliedern eurer Vereinigung erteile, möge euch begleiten und stärken. Nicht Proselytismus, sondern brüderlicher Dialog führt zur Einheit Predigt in St. Paul vor den Mauern zum Abschluß der „Gebetswoche für die Einheit der Christen” am 25. Januar „Seht, das ist unser Gott, auf ihn haben wir unsere Hoffnung gesetzt, er wird uns retten” (Jes 25,9). 1. Die einhellige Zustimmung zum Heilsplan Gottes in Glauben und Hoffnung, wie sie in den prophetischen Worten des Buches Jesaja zum Ausdruck kommt, richtet unseren Blick auf das von Gott für seine Gläubigen bereitete Endziel. Das Gemälde, das der Prophet zeichnet, um die Zukunft in Fülle und Frieden zu offenbaren, die uns erwartet, besteht aus lebhaften Bildern, zusammengesetzt aus der schmerzlichen und freudvollen Erfahrung jeden menschlichen Lebens: den Tränen und dem Leichentuch, das die Völker bedeckt, den unwürdigen Verhältnissen des Volkes und insbesondere dem Tode steht das reiche und brüderliche Mahl gegen- 725 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN über, das Gott veranstaltet hat, das Geschenk seines Wortes, die Ankündigung des Heiles und die Freude über die Gewißheit seiner Verwirklichung. „Der Herr der Heere wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben ... ” (Jes 25,6). Die Fülle des beim messianischen Mahl Gebotenen ist durch die Anwesenheit Gottes selbst gesichert, indem er sich selbst offenbart. Er wird die Augen der Völker auftun, die ihn wegen ihres verdunkelten Blicks, nicht erkennen konnten. Ja, Gott selbst wird den Tod aufheben, so daß die. zum Mahl Geladenen für immer bei ihm leben können. 2. Diese göttliche Verheißung wird in der Menschwerdung des Sohnes Gottes und in der von ihm gewirkten Erlösung voll verwirklicht. In Jesus ist der Heilsplan des himmlischen Vaters endgültig erfüllt. Es bleibt freilich notwendig, daß dieses Heil jedem Menschen und jedem Volk durch die Jünger vermittelt wird, zu denen der Erlöser sagt: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen. Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet” (Mk 16,15-16). Dies, liebe Schwestern und Brüder, ist das. vom Herrn verheißene Heilswerk. In der „Gebetswoche für die Einheit der Christen”, die heute zu Ende geht, haben wir alle, die wir an Christus glauben, über die Verheißung Gottes und die Verantwortung nachgedacht, die sich daraus für einen jeden von uns ergibt. Wir haben Gebete und Bitten dargebracht, daß die Stunde der vollen Verwirklichung des göttlichen Planes schneller herbeikomme. Ein wesentliches Element dieses Planes ist die Einheit der an Christus Glaubenden. Darüber haben wir während dieser Tage länger nachgedacht, willig entsprechend dem Gebet Christi: „Alle sollen eins sein” (Joh 17,21). Wir haben auch unseren Glauben an seinen endgültigen Sieg über alle menschlichen Grenzen und zumal über die traurigen Folgen der Sünde hinaus erneuert. 3. Auf diesem Weg des ökumenischen Bemühens begleitet und führt uns das Beispiel des Apostels Paulus, dessen außergewöhnliche Bekehrung wir heute feiern. Was sein Leben radikal geändert hat - wir haben es aus seinen eigenen Worten vor den Juden in Jerusalem gehört -, war die persönliche und überwältigende Erkenntnis: Jesus von Nazaret ist der Messias und Heiland. „Wer bist du, Herr? Er sagte zu mir: Ich bin Jesus, der Nazoräer, den du verfolgst” (Apg 22,8). Bis zu diesem Augenblick hatte Saulus gemeint, er wäre „voll des Eifers für Gott”, er diene ihm treu, „wenn er Männer und Frauen festnahm und ins Gefängnis warf’, weil sie der „neuen Lehre” folgten. Doch all seine Überzeugung ist nun erschüttert und zunichte gemacht: Jesus von Nazaret offenbart sich ihm und identifiziert sich mit seinen Brüdern, die er verfolgt.' Und es kommt noch zu einem weiteren, ebenfalls paradoxen Ereignis: Obwohl Jesus in diesem Augenblick direkt zu ihm gesprochen hatte, will er ihm das Heil durch seinen Stellvertreter Ananias mitteilen. Christus handelt in der Kirche und durch die Kirche und will auf diese Weise die Menschheit retten. So wirkt er auch in einem jeden von uns. Mit der von der Kirche gespendeten Taufe öffnen sich die Augen der 726 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen, er „zerreißt die Decke, die alle Völker bedeckt” (Jes 25,7), und es beginnt ein neues Leben. Der Apostel sagt: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen” (Gal 3,27). Die Taufe schafft daher eine neue Gemeinschaft und wie das Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils sagt, „ein sakramentales Band der Einheit zwischen allen, die durch sie wiedergeboren sind” (Unitatis redintegratio, Nr. 22). Die Taufe ist für den Christen der Beginn der Einverleibung in Christus; sie ist zugleich der Beginn eines neuen Lebens nach dem Geist, der allen Getauften geschenkt wird. 4. „Die Frucht des Geistes für die Einheit der Christen bringen”, ist das für die „Gebetswoche” dieses Jahres gewählte Thema. Im Brief an die Galater erklärt der heilige Paulus, welches „die Frucht des Geistes” ist, und er zählt mehrere Früchte auf. Er schreibt: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung” (5,22). Mit diesen seinen vielfältigen Gaben baut der Heilige Geist die Einheit im mystischen Leib Christi auf, jene Einheit, die der Herr sehnsüchtig herbeigesehnt und für die er den Vater gebeten hat: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast” (Joh 17,21). Wir dürfen uns nicht von augenblicklichen Schwierigkeiten aufhalten lassen: Der Geist Gottes führt auch heute die Jünger Christi zur Einheit hin. Wer nach dem Beispiel des Paulus den Herrn fragt: „Herr, was muß ich tun?”, dem wird er die Antwort nicht verweigern und den rechten Weg aufzeigen, den wir gemeinsam gehen müssen und der durch Treue und Verständnis gekennzeichnet ist. Treue gegenüber dem Herrn und Verständnis gegenüber den Brüdern in dem aufrichtigen Willen, ihnen nahezukommen, um gemeinsam im Gehorsam gegenüber dem Evangelium zu wachsen. 5. Am Ende möchte ich zu jenem Gebet für den Frieden in Europa, und zumal in den Balkanländem, zurückkehren, das zu Beginn dieses Monates in Assisi stattgefunden hat. Ich richte erneut meinen herzlichen Dank an alle, zumal an jene unsere Brüder aus den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften Europas, die zusammen mit uns an diesem Gebet teilnehmen wollten. Gemeinsam mit den Präsidenten der katholischen Bischofskonferenzen aus ganz Europa haben wir die Bitte ausgesprochen, in Verbindung mit der Botschaft zum Weltfriedenstag ein solches Gebet in allen Diözesen und Pfarreien anzuregen. Wir sind daher allen unseren Brüdern und Schwestern dankbar, die zusammen oder parallel mit uns auf solche Weise gebetet haben. Assisi war dafür ein einzigartiger Ausdruck. Wir danken unseren orthodoxen Brüdern. Obwohl sie in Assisi nicht vollständig anwesend sein konnten, waren doch die Worte, mit denen sie sich an uns gewandt haben, erfüllt mit der Sorge und christlichen Solidarität, die eben die Sache des Friedens in Europa verlangt. In besonderer Weise danken wir für die Botschaft des Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. von Konstantinopel wie auch für jene 727 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Patriarchen Paulus von Serbien. Wir haben ihre Worte mit Schmerz und Ergriffenheit gelesen und sie in Assisi in unsere Gebete aufgenommen. 6. Hindernisse und Spaltungen durch den „Dialog der Wahrheit” überwinden, wie der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. . zu Recht anläßlich des kürzlich gefeierten Andreasfestes festgestellt hat, ist „heute eine nachdrückliche Forderung der Zeit”. „Die Probleme des heutigen Menschen - so fügte er hinzu - sind derart zahlreich und dringend, daß die Einheit der Christen absolut notwendig wird, und jedes Hindernis, das man ihr, aus welchem Grand auch immer, entgegenstellt, ist ein verbrecherischer Akt.” Dieses Bewußtsein trägt die echte ökumenische Bewegung. Es ist daher die feste Absicht der-katholischen Kirche, jegliche Mühe auf sich zu nehmen, daß der ganze Leib Christi möglichst bald mit „beiden Lungen” atmen kann, nämlich mit den voll versöhnten kirchlichen Gemeinschaften des Ostens und des Westens, nachdem die Grenzen des Unverständnisses abgebaut und die vorhandenen Hindernisse auf dem Weg des Dialogs überwunden worden sind. Ich bin überzeugt, daß dank der Bemühungen eines jeden der „Dialog der Wahrheit”, begleitet vom täglichen „Dialog der Liebe”, vorankommt und seine Früchte bringt. Der Herr ruft uns auf, in dieser unserer sorgenvollen und unruhigen Welt „Herolde der Liebe und des Friedens” zu sein, Apostel der Wahrheit und echten Gemeinschaft. ■ . . 7. Im Geiste aufrichtiger Hochachtung vor den Kirchen des Ostens, die einem vieljährigen Martyrium voller Prüfungen entronnen sind, beten wir daher, daß sie sich voll erneuern können, um verantwortlich die Aufgaben der Evangelisierung zu übernehmen, die ihnen von der neuen Zeit aufgetragen werden. Wir danken Gott dafür, daß die Gläubigen ihre Anhänglichkeit an die Überheferang des christlichen Ostens bewahrt haben. Sie ist zugleich für die Erneuerung der kulturellen Identität zahlreicher mit ihr so tief verbundener Nationen von hoher Bedeutung. Die im vergangenen Jahr von der Päpstlichen Kommission für Rußland erlassenen Richtlinien, die „das evangelisierende Wirken und den ökumenischen Einsatz der katholischen Kirche in Rußland und in den übrigen Ländern der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS)” koordinieren wollen, tragen dem jahrhundertealten Bestand der orthodoxen Kirche und der schmerzvollen Geschichte der dortigen Völker unter dem kommunistischen Regime Rechnung. Zweifellos muß das apostolische Wirken der katholischen Kirche in diesen Ländern heute mehr denn je „ökumenisch ausgerichtet” sein, so daß in jeder Weise der Dialog unter Glaubenden im Licht der Grundsätze gefördert wird, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil und den nachkonziliaren Dokumenten verkündet worden sind. Das Dokument der Päpstlichen Kommission für Rußland stellt nämlich fest: „Der Weg zur Verwirklichung der Einheit der Christen ist nicht der Proselytismus, sondern der brüderliche Dialog unter den Jüngern Christi. Ein Dialog, der sich vom Gebet nährt und in Liebe geführt wird, um jene volle Gemeinschaft zwischen der by- 728 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zantinischen Kirche und der Kirche von Rom wieder herzustellen, die im ersten Jahrtausend bestanden hat.” Es geht also um einen Dialog, der auf allen Ebenen zwischen gläubigen Katholiken und Orthodoxen im Geist gegenseitiger Hochachtung und gegenseitigen Vertrauens gefördert und ermuntert werden muß. Dabei anerkennen sich die einen wie die anderen als Mitglieder von Kirchen, „die einen Großteil an gemeinsamem Erbe bewahren” und daher aufgerufen sind, „der Welt gegenüber, die sich nach ihrer Einheit sehnt, ein gemeinsames Zeugnis von Christus zu geben”. In diesem Geist habe ich zu allererst das Bedürfnis, dem Patriarchen von Moskau, Alexiis II., meine tiefe Verbundenheit mit den Märtyrern jener Kirche auszusprechen, die nach meiner Überzeugung für uns vor der Majestät des göttlichen Antlitzes Fürbitte einlegen. Wir müssen uns ständig mit ihrer Fürbitte verbinden und füreinander beten. Wir müssen um die Einheit aller Christen beten. 8. Die Absicht, den Weg zur Einheit hin als unerläßliche Vorbedingung für eine erneuerte, echte Evangelisierung zu beschleunigen, hat den Hl. Stuhl veranlaßt, die „Ökumenischen Richtlinien” der katholischen Kirche fertigzustellen. Ihre Veröffentlichung steht kurz bevor. Sie mögen eine sichere Anleitung bieten, gegründet auf der Lehre des II. Vatikanischen Konzils und aufgeschlossen für die Entwicklungen der ökumenischen Bewegung in den letzten Jahren. Dadurch soll ein offener theologischer Dialog mit jeder christlichen Gemeinschaft in der Welt vertieft werden. Ich wünsche von Herzen, daß die in kürzester Zeit veröffentlichten Leitlinien den Geist brüderlicher Liebe und gegenseitiger Achtung unter den Christen verstärken. Sie sollen dadurch auf dem schwierigen, aber zugleich begeisternden Weg, den sie gemeinsam zurückzulegen berufen sind, in Wahrheit und Liebe die volle Gemeinschaft erreichen. 9. „Ich will vor den Völkern den Namen des Herrn verkünden.” Unser Gebet soll nicht aufhören und unser Zeugnis nicht schwächer werden. Zu Beginn der Eucharistiefeier haben wir gebetet: „Herr, gewähre auch uns, Zeugen deiner Wahrheit zu sein und immer auf dem Weg des Evangeliums zu wandeln” (aus dem Tagesgebet). Es soll ein Gebet und Zeugnis „bis zum Jüngsten Tag” sein. Wir rufen seinen Namen an und gehen weiter, vom Eifer des Apostels Paulus belebt, der keine Mühe scheute, der Welt das Evangelium Christi zu bringen. In dieser alten römischen Basilika versammelt, wenden wir uns, liebe Schwestern und Brüder, an den Geber aller guten Gaben, er möge über uns die Gabe seines Geistes in Fülle ergießen: Herr, gib uns den Geist des Glaubens und der Erkenntnis, gib uns den Geist der Güte und Hochherzigkeit, gib uns den Geist der Liebe und Einheit! 729 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Echte Erneuerung der Politik gefordert Ansprache an den Bürgermeister, die Stadtverwaltung und den Gemeinderat von Rom am 25. Januar Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren der Stadtverwaltung und des Ge- . meinderates von Rom! 1. Herzlich willkommen bei dieser nunmehr zur Tradition gewordenen Begegnung zum Jahresbeginn. Es ist mir eine Freude, durch Sie meinen Gruß an die gesamte Bürgergemeinde Roms richten zu können. ! Ihr Besuch ist nicht nur eine schätzenswerte Geste der Höflichkeit, sondern auch die Bekräftigung eines tiefgreifenden, unlösbaren Bandes, das die katholische Kirche mit dieser Stadt verknüpft, die durch das mutige und fruchtbare Zeugnis der Apostel Petrus und Paulus geistig belebt wird. Dank des Blutes der Märtyrer ist sie, wie die hl. Birgitta vor sechshundert Jahren schrieb, ein „kürzerer Weg zum Himmel” geworden. Im Laufe vieler Jahrhunderte ist Rom stets seiner providentiellen Aufgabe treu gebheben, „gemeinsame Heimat der Glaubenden”, geistlicher Treffpunkt zahlloser Scharen von Pilgern und staunenden Besuchern zu sein. Der Prunk des heidnischen Altertums hat sich in eine erhabenere Sendung verwandelt - in die der Zivilisation, welche die vergängliche Herrlichkeit kurzlebiger Reiche überdauert, da sie aus der Botschaft der Liebe immer neue Kraft schöpft, die Christus, der Erlöser, der Welt mitgeteilt hat. Mit dieser historischen Bestimmung im Hintergrund, meine Damen und Herren, erhält unsere Begegnung eine ideelle Bedeutung, die weit über die politischen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten hinausreicht und die Dringlichkeit einer eifrigen und herzüchen Zusammenarbeit hervorhebt, einer Zusammenarbeit, die imstande ist, die übernatürlichen Energien der Kirche und jene der politischen Tätigkeit auf die Förderung des Menschen auszurichten. Wie ich vor einigen Monaten sagte, ist „die Kirche nicht nur in Rom, aber weil sie in Rom ist, ist sie voll und ganz mit allem verbunden, was römisch ist” (Ansprache bei der römischen Diözesansynode in der Lateranbasilika, 30. Mai 1992). Es handelt sich hierbei um ein Bewußtsein, das in unserer Stadt die umfassenden Lehren des Konzils umsetzt; dieses betont zwar das übernatürliche Geheimnis der Kirche und somit ihre spezifisch religiöse Sendung, hebt jedoch auch ihre solidarische Verflechtung mit der Geschichte der Menschen hervor: „Freude und Hoffnung, Bedrängnis und Trauer der Menschen von heute, besonders der Armen und Notleidenden aller Art, sind zugleich auch Freude und Hoffnung, Trauer und Bedrängnis der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihrem Herzen seinen Widerhall fände” (Gaudium et spes, Nr. 1). 730 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Seien Sie also willkommen, meine werten Verwalter der Stadt Rom. Ganz besonders danke ich Ihnen, Herr Bürgermeister, für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben. Ich habe mit großer Aufmerksamkeit Ihre Darlegung der wichtigsten Probleme des Lebens unserer Stadt im Rahmen der gegenwärtigen Lage in Europa und in der ganzen Welt verfolgt: angefangen von der moralischen und institutionellen Frage bis zur Wirtschaftskrise; von der so nachdrücklich wahrgenommenen Forderung nach einer korrekten Handhabung der Macht bis zur Verwirklichung einer echten Solidarität mit den Bedürftigsten, die sich allen Äußerungen des Fremdenhasses und des Antisemitismus widersetzt und der komplexen Situation der Einwanderer entgegenkommt, insbesondere wenn es sich um solche handelt, die noch nicht über eine reguläre Aufenthaltsbewilligung verfügen. In diesem Zusammenhang nimmt die heutige Begegnung noch weitere bedeutsame Züge an, nämlich die - wie Sie, Herr Bürgermeister mehrfach betont haben - der „Gegenüberstellung mit der Stadt”, welche die Kirche in Rom anläßlich ihrer noch tagenden Synode unternommen hat. Die Diözese stellt sich verantwortungsbewußt den Problemen der Stadt, um Richtlinien für aufgeschlossene und wirksame Dienste und Zeugnisse zu erarbeiten. Sie weiß, daß sie bei ihren Plänen und Initiativen all das berücksichtigen muß, was die für die Stadtverwaltung Verantwortlichen im Rahmen ihrer Kompetenz zu tun haben. Ihre Aufgabe ist nicht leicht. In einer Stadt wie Rom, in der jeder Winkel reich an Geschichte ist, auf der jedoch gleichzeitig eine ungeordnete, für Welt- und Hauptstädte typische Entwicklung lastet, wird alles viel komplizierter. Es handelt sich ja darum, dem Stadtgebiet eine Ordnung zu verleihen, die seine Traditionen achtet, aber auch auf wirksame Weise den neuen Erfordernissen gerecht wird. Nachdem in den letzten Jahren eine wirtschaftliche Entwicklung erzielt worden war, die den Lebensstandard eines großen Teiles seiner Bevölkerung verbesserte, befindet sich Rom jetzt in Schwierigkeiten, die mit der Krise der italienischen - und nicht nur der italienischen - Wirtschaft im Zusammenhang stehen und sich in beängstigender Weise auf die Beschäftigung auswirken; das betrifft vor allem die Jugendlichen auf der Suche nach dem ersten Arbeitsplatz und die zahlreichen Einwanderer, denen auf jeden Fall rücksichtsvolle und brüderliche Aufnahme garantiert werden muß. Auch dürfen die anderen, neuen und alten Formen der Armut nicht übersehen werden, denen man in unseren Städten begegnet: Sie reichen von der Drogenabhängigkeit bis zur Einsamkeit der Betagten und zur gesellschaftlichen Diskriminierung. Ebenso darf das neue Aufleben abwegiger Ideologien des heftigen Fremdenhasses nicht unterschätzt werden, bedrohen diese doch das menschliche Zusammenleben und die Dimension echter Solidarität an der Wurzel. Es handelt sich hier um Probleme, welche durch politische Maßnahmen allein nicht gelöst werden können. Vielmehr ist die Zusammenarbeit aller nötig. In erster Linie ist hier ein nachhaltiger Einsatz auf erzieherischem Gebiet erforderlich, der den jun- 731 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen Generationen gilt. Ihnen möchte die Kirche in Rom ihre verschiedenen Einrichtungen anbieten: Sie reichen von den Schulen bis zu den Universitäten, von den Pfarreien bis zu den Jugendverbänden und -bewegungen. Ein Übereinkommen zwischen den öffentlichen Stellen und der Kirche, dem gemäß alle die ihnen entsprechenden Aufgaben übernehmen, wird die Überwindung der heutigen Schwierigkeiten erleichtern. 3. Dennoch weiß die Gemeinschaft der Glaubenden sehr wohl, daß sie, bevor sie sich den sozialen Dienstleistungen zuwendet, ihr Augenmerk auf ihre wesentliche Aufgabe lenken muß: auf die Evangelisierung der Gesellschaft. Die Botschaft des Evangeliums bringt im übrigen auch genaue Anwendungen auf das Leben des Menschen in der Gesellschaft und auf sein politisches Engagement mit sich. Die Meinung der Kirche zu diesem Thema ist euch bekannt. Für sie ist die Politik eine hohe und anspruchsvolle Form der Nächstenhebe. „Die Kirche - sagt das Konzil - zollt der Arbeit jener, die sich zum Dienst an den Menschen der politischen Arbeit widmen und die Verantwortung solchen Amtes tragen, Lob und Achtung” (Gaudium et spes, Nr. 75). Die Politik ist also ein Werk, das „Lob und Achtung” verdient, jedoch auch hohes Verantwortungsbewußtsein voraussetzt: Von allen, die im öffentlichen Dienst stehen, erwartet man mit Recht ein unbedingt korrektes Verhalten und eine ihrem Amt entsprechende Ehrlichkeit. Der Leitstern des politischen Engagements muß für alle das Gemeinwohl sein, das in ungetrübter Achtung vor der Gesetzlichkeit gesucht wird. Kompetenz und Tüchtigkeit auf der einen Seite und Verantwortungsbewußtsein und Disziplin auf der anderen sind die Elemente jedes politischen und administrativen Dienstes, der dieses Namens würdig ist. Die immer häufiger geäußerte Forderung nach einer klaren, ehrlichen und ernsthaften Politik kann daher als „Zeichen der Zeit” betrachtet werden. Ohne der Logik oberflächlicher und flüchtiger Urteile oder der Versuchung zu zerstörerischer Kritik nachzugeben, muß man doch auf der Dringlichkeit eines nachdrücklichen ethischen Engagements für eine echte Erneuerung der Politik bestehen; dies im Hinblick auf eine bessere soziale Lebensqualität im Kontext einer Gemeinschaft, die mit wahrhaft menschlichen Dimensionen ausgestattet ist. 4. In dieser Perspektive der Erneuerung und des gemeinsamen Einsatzes möchte die Kirche ihre Gegenüberstellung mit der Stadt fortfuhren und dabei eine Haltung steter Aufmerksamkeit, des Dialogs und der Dienstbereitschaft einnehmen. Wer würde selbst in dieser Lage des verstärkten gesellschaftlichen Pluralismus am fundamentalen Beitrag zweifeln, den die christliche Tradition zum Aufbau einer besseren Zukunft für die Stadtgemeinde leisten kann? Das Herannahen des Jubiläumsjahres 2000 ist schon jetzt eine Aufforderung zum Nachdenken, zu einem erneuerten Wissen um die Sendung Roms, der gemeinsamen Heimat aller, die an Christus glauben. Die Feier dieses Jubiläums, dessen bin ich 732 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sicher, wird für die Stadt Anlaß zu geistlichem, kulturellem und gesellschaftlichem Wachstum sein. Es ist also angezeigt, eine zeitgerechte und langfristige Vorbereitung auf dieses große Ereignis in einer Atmosphäre herzlicher Zusammenarbeit zwischen Kirche und Stadt ins Auge zu fassen. Mein Wunsch ist es, daß die technischen Vorbereitungen von den noch wichtigeren morahschen angeregt und unterstützt werden, handelt es sich doch, wie ich bereits sagte, darum, „das Zeugnis einer Gemeinschaft zu fördern, die es versteht, jene Gabe und jenen Auftrag christlicher Beispielhaftig-keit zu leben, die ihr anvertraut sind, seitdem die Predigten und das Martyrium der Apostel Petrus und Paulus ihren Anfang kennzeichneten” (Ansprache in der Lateranbasilika, 30. Mai 1992). Ich bin überzeugt, geehrte Vertreter der Stadt, daß Sie diese anspruchsvolle Aufgabe voll und ganz wahmehmen. Während ich nun diese meine Empfindungen und Wünsche der Gottesmutter Maria, Salus Populi Romani, Heil des römischen Volkes, anvertraue, deren Bild auf bedeutsame Weise den Beginn der Synodenversammlung in der Lateranbasilika begleitete, rufe ich von Herzen auf jeden von Ihnen, auf Ihre Familien und auf die ganze Stadtgemeinde, der ich ein Jahr des Wohlergehens, der einträchtigen Arbeit und des Friedens wünsche, den Segen Gottes herab. Muslime und Christen sollen Zusammenarbeiten Grußworte an eine Delegation des Islamischen Weltbundes am 28. Januar Eminenz, Exzellenzen, liebe Freunde! Es freut mich, die anerkannten Mitglieder der Delegation des Islamischen Weltbundes, die an einem von der Gemeinschaft Sant’ Egidio veranstalteten Treffen teilnehmen, im Vatikan willkommen zu heißen. Ich hoffe, daß eure Gespräche zu einem besseren Verständnis zwischen Muslimen und Christen und zu einer wirksamen Zusammenarbeit für den Frieden beitragen mögen. In einer Zeit, in der Konflikte und Kriege ungeheures Leid für die Mitglieder der Menschheitsfamilie auf der ganzen Welt verursachen, besteht die dringende Notwendigkeit, daß die Angehörigen der verschiedenen Religionen Zeugnis ablegen von unseren gemeinsamen Überzeugungen über die Würde des Menschen. Dies ist ein besonderer Faktor in solchen Situationen, wo Religionsunterschiede zur Ursache von Haß, Gewalt und Mißachtung der Rechte des Mitmenschen werden. Christen und Muslime sind in gleicher Weise aufgerufen, den Mißbrauch von Religion zu bekämpfen und die Versöhnung und den Dialog zu fördern. Ich sagte dies den Anhängern des Islam, die sich vor kurzem in Assisi anläßlich des Gebetstages für den Frieden in Europa versammelt hatten: „Eure Anwesenheit... zeigt, daß wahrer religiöser Glaube eine Quelle gegenseitigen Verständnisses und der Harmonie ist, und 733 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß lediglich die Verkehrung religiöser Gefühle zu Diskriminierung und .Konflikt führt” (.Ansprache an die Muslime in Assisi, 10.1.1993: O.R.dt., 22.1.93). Liebe Freunde: Ich bin davon überzeugt, daß den verschiedenen Reügionen, heute und morgen eine herausragende Rolle für die Bewahrung des Friedens und für den Aufbau einer menschenwürdigen Gesellschaft zufallen wird (vgl. Centesimus annus, Nr. 60). Eure Anwesenheit heute ist ein Zeichen eures Wunsches nach Zusammenarbeit, um die notwendigen Bedingungen für eine gerechte und friedvolle Welt zu schaffen. Ich ermutige euch euren Dialog mit Geduld und Ausdauer fortzusetzen, und rufe auf euch den Segen des Allmächtigen Gottes herab. Recht ist das Mittel, Gerechtigkeit das Ziel Ansprache an den Gerichtshof der Rota Romana am 29. Januar Msgr. Dekan, hochwürdige Auditoren, Offiziale und Advokaten der Rota Romana! 1. Euch allen gilt mein ergebener und herzlicher Gruß. Ich danke dem Msgr. Dekan für das hervorragende Gruß wort, das er im Namen des Kollegiums der Prälaten Auditoren und des ganzen Gerichtshofes der Rota Romana an mich gerichtet hat, und ich beglückwünsche ihn wegen des hochherzigen Dienstes, den er seit so vielen Jahren in ständiger und treuer Hingabe geleistet hat. Zu Beginn eines jeden Jahres ist mir die Begegnung mit denen, die lobenswert ihre Arbeit bei diesem Apostolischen Gerichtshof leisten, besonders willkommen. Wie der Herr Dekan betont hat, ist ja das Band zwischen der Kathedra des Petrus und dem hohen eurem Gerichtshof anvertrauten Amt sehr eng, denn ihr habt im Namen und mit der Autorität des römischen Papstes Recht zu sprechen. Sehr gern nehme ich daher wie schon meine verehrten Vorgänger diese Gelegenheit wahr, von Jahr zu Jahr eurer Aufmerksamkeit und durch euch der Aufmerksamkeit all jener, die innerhalb der Kirche auf dem spezifischen Gebiet der Verwaltung der Gerechtigkeit arbeiten, zu empfehlen, was die apostolische Verantwortung mir nahelegt. 2. Während noch das vielfältige Echo des kürzlich stattgefundenen Gebetstreffens in Assisi nachklingt, an dem zahlreiche Brüder der christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in Europa, wie auch weitere Gläubige teilgenommen haben, die sich aufrichtig in den Dienst des Friedens stellen, muß ich doch unbedingt hervorheben, daß eine hauptsächliche Frucht auch eurer Arbeit immer die Verstärkung und Wiederherstellung des Friedens in der Gesellschaft der Kirche sein muß. Und dies nicht nur, weil nach der Lehre des „Doctor angelicus” im Gefolge des hl. Augustinus „alles nach Frieden strebt”, ja „jedes Streben notwendig den Frieden erstrebt, insofern nämlich jedes Streben ruhig und ohne Hindernis das erlangen 734 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN möchte, was es anstrebt, worin gerade der Friede besteht, den Augustinus als ,Ruhe der Ordnung’ definiert” (Thomas von Aquin, Summa theologica II, Ilae, q. XXIX, art. 2), sondern weil Recht, Gerechtigkeit und Frieden sich aufeinander beziehen, sich ergänzen und vervollständigen. Der berühmte Jurist Francesco Camelutti schrieb dazu: „Recht und Gerechtigkeit sind nicht das Gleiche. Sie stehen im Verhältnis von Mittel und Ziel zueinander. Recht ist das Mittel, Gerechtigkeit das Ziel... Doch worin besteht dieses Ziel? Die Menschen wollen vor allem in Frieden leben können. Die Gerechtigkeit ist also die Vorbedingung für den Frieden ... Die Menschen erreichen aber diesen Gefühlszustand, wenn in ihnen selber und in ihrer Umgebung Ordnung herrscht. Gerechtigkeit ist Übereinstimmung mit der Weltordnung. Das Recht aber ist dann gerecht, wenn es wirklich dazu dient, in der Gesellschaft Ordnung zu schaffen” (F. Camelutti, Come nasce il diritto, 1954, S. 53). 3. Diese Gedanken genügen, um jedwedes Nachgeben gegenüber unangebrachten Formen des antijuridischen Geistes zu verhindern. Das Recht ist in der Kirche wie übrigens auch im Staat Garantie für die Frieden und Werkzeug zur Bewahrung der Einheit, auch wenn das nicht immobilistisch gemeint ist: Die gesetzgeberische Tätigkeit und die Rechtswissenschaft dienen nämlich dazu, die gebotene Fortbildung des Rechts sicherzustellen und angesichts sich wandelnder Verhältnisse und sich entwikkelnder Situationen eine einheitliche Antwort zu gestatten.. In dieser Absicht - die den äußeren Aspekt der Kirche übersteigt, um die innerste Dimension ihres übernatürlichen Lebens zu erreichen - werden die kanonischen Gesetze verkündet: So wurden zumal für die lateinische Kirche im Jahre 1917 der Codex der Päpste Pius und Benedikt veröffentlicht und dann im Jahre 1983 der heute geltende, vorbereitet in unausgesetzter schwieriger Arbeit; an der die Episkopate der ganzen Welt sich beteiligt haben, dazu die katholischen Universitäten, die Dikasterien der Römischen Kurie und zahlreiche Fachleute des kanonischen Rechtes. In dieser Einstellung konnte ich zu meiner Freude auch zuletzt im Jahre 1990 den „Codex canonum Ecclesiarum Orientalium” (Codex der Rechtsvorschriften der Orientalischen Kirchen) erlassen. Das letzte Ziel eines solchen gesetzgeberischen Bemühens würde freilich nicht nur dann um seinen Sinn gebracht, wenn die Canones nicht befolgt würden - in der Konstitution zur Ausfertigung (Promulgation) des lateinischen Codex habe ich geschrieben: „Die kanonischen Gesetze fordern ihrer Natur nach Beachtung” - sondern auch und mit nicht weniger schwerwiegenden Folgen, wenn ihre Auslegung und damit die Anwendung dem Gutdünken der Einzelnen überlassen blieben oder derer, denen die Aufgabe anvertraut ist, für ihre Beachtung zu sorgen. 4. Man darf sich freilich nicht darüber wundem, daß zuweilen aufgrund der allen menschlichen Werken eigenen Unvollkommenheiten der Text des Gesetzes zuweilen hermeneutische Probleme, zumal in der ersten Zeit nach Inkrafttreten eines Codex, aufwerfen kann und in der Tat aufwirft. An diesen Fall hat der Gesetzgeber 735 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN selbst ausdrücklich gedacht und daher genaue Normen für die Interpretation aufgestellt, bis hin zu der Möglichkeit von Situationen, die „Gesetzeslücken” darstellen, und für deren Ausfüllung er geeignete Kriterien vorgesehen hat. Um willkürliche Auslegungen des Codex-Textes zu vermeiden, habe ich im Anschluß an ähnliche Verfügungen meiner Vorgänger unter dem 2. Januar 1984 durch das Motu Proprio Recognita Iuris Canonici Codice die Päpstliche Kommission für die authentische Interpretation des Codex eingesetzt, die ich dann mit der Apostolischen Konstitution Pastor bonus in den Päpstlichen Rat für die Interpretation von Gesetzestexten umgewandelt habe, wobei seine Zuständigkeit erweitert wurde. Es steht freilich außer Zweifel, daß sehr viel öfter Situationen auftreten, in denen die Interpretation und Anwendung des kanonischen Gesetzes jenen anvertraut ist, denen innerhalb der Kirche die exekutive oder richterliche Befugnis zukommt. In diesen Zusammenhang der kirchlichen Ordnung gehört die den Gerichtshöfen anvertraute Aufgabe (vgl. can. 16, § 3), und in besonderer Weise und mit spezifischer Zielsetzung die der Rota Romana, insofern diese „für eine einheitliche Rechtsprechung sorgt und durch ihre eigenen Urteile den untergeordneten Gerichtshöfen eine Hilfe ist” (Apostolische Konstitution Pastor bonus, art. 126). 5. Hier erscheint es nicht unangebracht, an einige hermeneutische Grundsätze zu erinnern, bei deren Mißachtung das kanonische Gesetz selber aufgelöst wird und als solches zu existieren aufhört, mit gefährlichen Folgen für das Leben der Kirche und das Wohl der Seelen, zumal wenn es um die Unantastbarkeit der von Christus eingesetzten Sakramente geht. Wenn die kirchlichen Gesetze vor allem „gemäß der eigenen Bedeutung ihrer Worte” zu verstehen sind, „die im Text und Kontext zu beachten ist” (can. 17), so folgt daraus, daß es Willkür, ja offenbar ungesetzlich und schwer schuldhaft wäre, den vom Gesetzgeber gewählten Worten nicht ihre „eigene” Bedeutung, sondern eine andere zu geben, die von anderen Disziplinen als der Rechtswissenschaft nahegelegt werden. Man darf ferner bei der Interpretation des geltenden Codex keinen Brach mit der Vergangenheit annehmen, als wenn im Jahre 1983 ein Sprung in eine völlig neue Wirklichkeit erfolgt wäre. Der Gesetzgeber erkennt ja positiv und unzweideutig die Weitergeltung der kanonischen Tradition an, zumal dort, wo seine Canones auf das alte Recht Bezug nehmen (vgl. can. 6, § 2). Gewiß wurden im geltenden Codex nicht wenige Neuerungen eingeführt. Doch es ist etwas anderes festzustellen, daß bei nicht wenigen kanonischen Verfügungen Neuerungen eingeführt wurden, und etwas anderes, der bei der Formulierung der Canones verwendeten Sprache ungewöhnliche Bedeutungen zuschreiben zu wollen. Es muß vielmehr das ständige Bemühen des Interpreten und dessen, der das kanonische Gesetz anwendet, sein, die vom Gesetzgeber verwendeten Worte im Sinn jener Bedeutung zu verstehen, die sie nach langer Tradition in der rechtlichen Ordnung der Kirche aufgrund der gediegenen Lehre und der Rechtswissenschaft haben. Jeder 736 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ansdruck muß ferner im Text und Kontext der Norm betrachtet werden, in einer Gesamtsicht der kanonischen Gesetzgebung, die eine einheitliche Bewertung gestattet. 6. Von diesen Grundsätzen, die im übrigen bekanntlich auch von der positiven Norm selber bekräftigt werden, darf zumal bei Ehesachen nicht die Absicht ablenken, das kanonische Gesetz in einer nicht näher verdeutlichten Form „vermenschlichen” zu wollen. Mit diesem Argument möchte man nämlich nicht selten seine übertriebene Relativierung vorantreiben, als ob zur Wahrung angeblicher menschlicher Bedürfnisse eine Interpretation und Anwendung der Normen nötig erschien, die am Ende deren Charakteristika verfälscht. Gewiß darf die Gegenüberstellung - hier die Majestät des kanonischen Gesetzes und dort die, für die es bestimmt ist - nicht unterbleiben oder unterschätzt werden, wie ich in der Ansprache vom letzten Jahr in Erinnerung gerufen habe: Damit verbunden ist freilich die Forderung, die Normgebung der Kirche korrekt zu kennen, ohne im Licht einer richtigen christlichen Anthropologie die Wirklichkeit „Mensch” zu verkennen, für den sie bestimmt ist. Das kanonische Gesetz im Namen eines zweideutigen und unbestimmten „Grundsatzes der Menschlichkeit” der Willkür oder bloß erfundener Deutung zu unterwerfen, würde noch vor der Herabwürdigung der Norm die Würde des Menschen treffen. 7. So wäre es zum Beispiel eine schwere Beeinträchtigung der Festigkeit der Ehe und damit ihres sakralen Charakters, wenn das Vortäuschen des Ehewillens nicht immer von seiten des angeblichen Simulanten „durch positiven Willensakt” konkret würde (vgl. can. 1101, § 2), oder wenn der sogenannte „Rechtsirrtum” bezüglich eines wesentlichen Elementes der Ehe oder ihrer Würde als Sakrament nicht derart stark wäre, daß er den Willensakt bedingt und damit die Nichtigkeit des Ehekonsenses bewirkt (vgl. can. 1099). Doch auch beim „tatsächlichen Irrtum”, zumal wenn ein „Irrtum in der Person” vorliegt, (vgl. can 1097, § 1), darf man den vom Gesetzgeber verwendeten Ausdrücken keine Bedeutung geben, die der kanonistischen Tradition fremd ist; so vermag auch der „Irrtum über eine Eigenschaft der Person” den Konsens nur dann zu beeinträchtigen, wenn eine Eigenschaft weder nichtig noch banal „direkt und hauptsächlich angestrebt wird”, also wie es die Rechtswissenschaft der Rota wirksam bekräftigt hat, „wenn die Eigenschaft abgesehen von der Person angestrebt wird”. Das wollte ich heute eurer Aufmerksamkeit empfehlen, liebe Auditoren, Offiziale und Advokaten der Rota Romana, und ich bin sicher, daß euer Gerichtshof den Forderungen nach Seriosität und nach authentischer Vertiefung des kanonischen Gesetzes in dem ihm eigenen Bereich immer treu nachkommen wird. Indem ich euch von Herzen eine unparteiische und erfolgreiche Arbeit wünsche, erteile ich euch allen als Zeichen aufrichtiger Hochachtung und als Unterpfand ständigen göttlichen Beistands von Herzen meinen Apostolischen Segen. 737 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neuer Katechismus für die Familie vorgesehen Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 30. Januar Meine Herren Kardinäle, Erzbischof und Bischöfe, Mitglieder des Präsidentenkomitees, sehr geehrte Eheleute, Mitglieder des Päpstlichen Rates für die Familie! 1. Es ist mir eine Freude, euch zum Abschluß der Vollversammlung zu treffen, mit der ihr dieses neue Arbeitsjahr habt beginnen wollen. An euch alle richte ich meinen aufrichtigen und herzlichen Gruß, ich danke besonders Herrn Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, der hochherzig die gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat, während er in einer knappen Zusammenfassung euren Arbeitsverlauf dargestellt und die Aufgabe des Dienstes an der Familie und dem Leben unterstrichen hat, die der Päpstliche Rat gemäß seiner institutionellen Zielsetzungen erfüllt. Das Thema „Die Diözesanstrukturen der Familienpastoral”, dem ihr eure Überlegungen gewidmet habt, ist von besonderem Interesse, denn wir nähern uns ,dem Internationalen Jahr der Familie, das 1994 gefeiert wird. Ihr wißt sehr wohl, daß die Pastoral der Familie und des Lebens in der Kirche und im Dienst des Stellvertreters Christi vor allem im heutigen sozialen Umfeld Vorrang hat. Denn auch heute sind sowohl die eine als auch die andere Pastoral ganz besonders heimtückischen Angriffen ausgesetzt, die zuweilen aus jenen Instanzen herrühren, von denen man sich zu recht Schutz und Unterstützung erwarten könnte. Es fehlt jedoch nicht an Zeichen der Hoffnung, wie z. B. der Fall, der in den letzten Tagen breiten Anklang in der öffentlichen Meinung gefunden hat: Eine Familie, Mutter, Vater und Kind, haben ein ergreifendes Büridnis der Liebe geschlossen, um einem neuen Menschen den Zugang zum Leben nicht zu verwehren. Völlig zu recht wird heute immer wieder auf die zentrale Stellung hingewiesen, die der Familienpastoral bei der Planung der Tätigkeiten der Diözesen und Bischofskonferenzen eingeräumt werden muß. Denn die Evangelisierung verläuft unweigerlich über die Familie, die ihrerseits Empfängerin und Trägerin der Verkündigung der Frohbotschaft ist. „In dem Maße, wie die christliche Familie das Evangelium annimmt und im Glauben reift, wird sie zu einer verkündigenden Gemeinschaft” (.Familiaris consortio, Nr. 52). Die Kraft und die Festigkeit des Familiengeflechts bilden die positive Voraussetzung für die Gesundheit der christlichen Gemeinschaft und der gesamten Gesellschaft. 2. Selbst die Probleme, mit denen die Ehe und die Familie konfrontiert werden, fördern die schöpferische Einfallskraft derer, die sich mit der Familienpastoral, die das Herz der Evangelisierung ist, beschäftigen. Ich hatte Gelegenheit, dies anläßlich der Begegnung mit den beauftragten Bischöfen der Kommissionen für die Familienpastoral in Afrika in Erinnerung zu rufen, die 738 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich vom 28. September bis 2. Oktober 1992 beim Päpstlichen Rat für die Famihe versammelt hatten. Im Vertrauen auf das Handeln des Heiligen Geistes, der die Seele der Kirche ist und sie leitet, müssen die Diözesen die Pfarreien und die apostolischen Bewegungen doch geeignete Strukturen schaffen, die den Herausforderungen im Hinblick auf die Institution Familie in angemessener Weise entsprechen. „In diesem Sinne”, so schrieb ich im Apostoüschen Schreiben Familiaris consortio, „muß sich jede Ortskirche und im besonderen jede Pfarrgemeinde der Gnade und der Verantwortung noch mehr bewußt werden, die sie vom Herrn empfängt, um die Familienpastoral zu fördern. Jeder Plan einer Gesamtpastoral muß auf allen Ebenen unbedingt auch die Familienpastoral einbeziehen” (Nr. 70). Es wäre nützlich und angemessen, wenn die Kommissionen für die Familie in den Bischofskonferenzen die Aufgaben übernähmen, die die Apostolische Konstitution Pastor bonus eurem Päpstlichen Rat zugewiesen hat (vgl. Nm. 139-141) und die sich durch spezifische pastorale Zuständigkeiten im Dienste der Familie, die das Heiligtum des Lebens ist, auszeichnen. Dies würde zu einem verstärkten Kontakt innerhalb der Bischofskonferenzen und der einzelnen Diözesen untereinander führen. Es wäre auch wichtig, in den Diözesen je nach den Umständen und Möglichkeiten - weil die Erfordernisse der Stadt- und der Landpastoral jeweils verschieden sind -wirksame Koordinatiönsorgane zu errichten; sie sollen unter der aktiven und anregenden Leitung der Bischöfe den gesamten Leib der Kirche stärken, indem sie den Richtlinien der Apostolischen Konstitution Familiaris consortio folgen und den prophetischen Reichtum der Enzyklika Humanae vitae wie auch die Weisungen der „Charta” des Hl. Stuhls über die Familienrechte gebührend berücksichtigen. Die Frohbotschaft der Hoffnung konnte auf diese Weise in aller Fülle zu den „Hauskirchen” gelangen und das gesamte Sozialnetz wiederbeleben, dank einer neuen und mutigen Evangelisierung, die in der Famihe die Hauptperson der Verkündigung des Evangeliums sieht. 3. Hauptaufgabe ist deshalb, die Familie so zu formen, daß sie eine verantwortungsvolle und sachkundige Trägerin der Evangelsierungstätigkeit wird. Ein Werkzeug, das die Vorsehung für dieses Werk gewollt hat, damit die Mitglieder der Famihe in der Erkenntnis des Glaubens wachsen (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 68)) ist auch der neue Katechismus der Katholischen Kirche: Von ihm ausgehend wird es leichter sein, den gewünschten „Katechismus für die Familie”, einen klaren, knappen und leicht verständlichen Text, zu verwirklichen. Er wird den Eltern helfen bei ihrer Erziehungsaufgabe, die „in der einen Sendung der Kirche verwurzelt und begründet, auf die Erbauung des einen Leibes Christi hingeordnet ist und es notwendig macht, daß der Verkündigungs- und Unterweisungsdienst der Hauskirche mit allen anderen entsprechenden Diensten in der kirchlichen Gemeinschaft der Pfarrei und des Bistums verantwortungsbewußt abgestimmt wird” (Familiaris consortio, Nr. 53). 739 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Familie muß außerdem dabei geholfen werden, sich in das liturgische Leben einzufügen, dessen höchste und vollste Ausdrucksform die Eucharistie ist, und immer mehr den Wert und die Bedeutung des Familiengebets zu entdecken. Die Spiritualität der Eheleute, die unentbehrlich ist, um den eigenen Evangelisierungsauftrag der Familie zu verwirklichen, schöpft Nahrung aus dem göttlichen Wort, das am Beispiel Marias verinnerlicht wird, die „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte (vgl. Lk 2,19). Ich möchte an dieser Stelle auf bedeutsame Erfahrungen von Familiengruppen aufmerksam machen, die sich gemeinsam versammeln, um im Glauben zu reifen, zusammen zu beten und im Lichte der Werte des Evangeliums wirksame Wege und Mittel finden, durch die sie verantwortungsvoll in jenen Notsituationen eingreifen können, die mit der Annahme des menschlichen Lebens Zusammenhängen. An dieser Stelle wären auch die gut funktionierenden Zentren zu nennen, die es sich zur Aufgabe machen, dem menschlichen Leben zu helfen, Initiativen, die im Dienste an den Alten und Kranken stehen, Gesten des tatkräftigen Interesses an den Ärmsten und vor allem den notleidenden Familien, um auf diese Weise die Solidarität derer zu bezeigen, die berufen sind, ihre Rechte zu schützen und ihre Würde zu fördern (vgl. Centesimus annus, Nr. 28). 4. Die Familie muß daher im Mittelpunkt der Sorgen einer jeden Diözesangemein-schaft, einer jeden Pfarrgemeinde und pastoralen Struktur stehen, die für die Erfordernisse unserer Zeit empfänglich ist. Es geht darum, den Familienstamm in die Ehevorbereitung miteinzubeziehen, die jungen Paare auf dem Weg, der sie formt, zu begleiten und sich für eine angemessene Pastoral der Kinder und Alten einzusetzen. Die Bischöfe, die die ersten Verantwortlichen für das Apostolat in den Diözesen sind, müssen für die sachkundige Ausbildung all derer sorgen, die besonders im Familienapostolat tätig sind. Das bei der Päpstlichen Lateranuniversität entstandene Institut für das Studium der Probleme der Familie hat sich dieses Ziel gesetzt, und es ist zu wünschen, daß ähnliche Zentren in anderen Teilen der Welt geschaffen werden, damit Priestern, Ordensleuten und Laien die konkrete Gelegenheit zu einer eng in der christlichen Lehre verankerten Ausbildung geboten wird. 5. Das Jahr 1994 wird, wie bereits erwähnt, das Internationale Jahr der Familie sein, und daher die außerordentliche günstige Gelegenheit bieten, die Identität einer Institution, die im Naturrecht verwurzelt ist, hervorzuheben und ihre Aufgaben und unersetzliche Sendung erstrahlen zu lassen. Die Kirche bereitet sich darauf vor, dieses Jahr im Geist der Hoffnung zu feiern: Es soll eine Zeit sein, die von der Vorsehung dazu bestimmt ist, die Verkündigung des Evangeliums der Familie zu erneuern. Euer Päpstlicher Rat ist bereits am Werk, damit dieses Ereignis von universaler Tragweite die gewünschten Früchte der Sensibilisierung und Vertiefung der Werte bringen möge, die der Institution Familie eigen sind. 740 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Evangelisierung der Familie liegt uns am Herzen und ich freue mich, festzustellen, daß ihr in eurer Vollversammlung dank der Mitarbeit zahlreicher und bedeutender apostoüscher Bewegungen den besten Weg gesucht habt, um allen Gläubigen diesen Eifer der Neuevangelisierung zu vermitteln. Das Apostolische Schreiben Familiaris consortio, das die Früchte der Arbeiten der Synoden über die Familien zusammenfaßt, ist eine wertvolle Quelle der Inspiration, für die Empfehlungen und Vorschläge, die ihr an die Bischofskonferenzen, die einzelnen Ortskirchen und die lebendigen Kräfte in der katholischen Kirche richten möchtet. Das internationale Jahr kann nun zehn Jahre nach der Veröffentlichung der „Charta” des Hl. Stuhls über die Familienrechte auch dazu beitragen, daß solch wichtige Grundsätze bekanntgemacht, angenommen und verwirklicht werden, wenn sie sich der eigenen Rechte bewußt sind, so können die Familien ihre Stimme mit großem Einfluß bei den zuständigen Stellen erheben, wo die Gesetze und die Familienpolitik ausgearbeitet werden. 6. Liebe Schwestern und Brüder, mein Wunsch ist, daß die Überlegungen der letzten Tage angesichts des langerwarteten Internationalen Jahres ein erneutes Interesse an der Familie, die die Keimzelle der Gesellschaft und der Kirche ist, erzeugen möge. Dank eurer Anregung bin ich sicher, daß sich in den Diözesen die Initiativen des Familienapostolats verstärken, die voller Missionseifer auf das herannahende dritte Jahrtausend blicken. Maria, die Jungfrau und Mutter, helfe euch bei eurer schweren und interessanten Arbeit. Möge sie die christlichen Familien beschützen, damit sie wirklich zu „Hauskirchen” und Heiligtümern des Lebens werden. Mit diesen Wünschen, die sich in meinem Herzen in Gebet verwandeln, erteüe ich euch allen voller Liebe meinen Segen. Ohne Eigennutz den Bürgern dienen Ansprache an die Vertreter des römischen Provinzrates und Provinzausschusses am 1. Februar Herr Präsident, verehrte Vertreter des römischen Provinzialrates und Provinzialausschusses, meine Damen und Herren. 1. Indem ich Sie alle herzlich willkommen heiße, möchte ich vor allem dafür danken, daß ich heute erneut die Gelegenheit habe, anläßlich des traditionellen Glück-wunschaustauschs zum Jahresanfang mit Ihnen Zusammentreffen zu können. Ich danke jedem von Ihnen persönlich für diesen liebenswürdigen und willkommenen Besuch, und insbesondere dem Präsidenten des Provinzialausschusses für seine aufrichtigen Segenswünsche, die er mir im Namen aller vermittelt hat. 741 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Von Herzen erwidere ich die an mich gerichteten Glückwünsche und erhoffe für Sie alle ein erfolgreiches Jahr im Dienst des Gemeinwohls, in diesem gewiß nicht einfachen Moment im Leben der Nation. 2. Angesichts des Beschäftigungsproblems befindet sich die Gesellschaft zur Zeit in einer echten Notstandssituation. Die Wirtschaftskrise, von der die Industrieländer in unterschiedlichem Ausmaß betroffen sind, wirkt sich mit dramatischen Folgen für den Einzelnen und die Familien auf den Arbeitsmarkt aus. Darüber hinaus sind tiefgreifende kulturelle und soziale Wandlungen spürbar, die in ständig umfangreicherer und einschneidenderer Form jeden Bereich des täglichen Lebens betreffen. In diesem Zusammenhang ist auch die derzeitige Entwicklung der Stadtflucht zu sehen. Die letzten statistischen Daten auf diesem Sektor haben nämlich einen Rückgang der Einwohnerzahl in den Großstädten und ein entsprechendes Anwachsen der Bevölkerung in den umhegenden Gemeinden verzeichnet. Diese Entwicklung gilt auch für die Stadt Rom und ihre Provinz. Hier handelt es sich um ein Phänomen, das, obwohl es einerseits dazu beiträgt, die typischen Probleme der großen Ballungsgebiete einzudämmen, andererseits jedoch diejenigen, die verwaltungspolitische Verantwortung tragen, vor neue und dringende Fragen stellt. 3. Um eine Tag für Tag komplizierter und schwieriger werdende Situation bewältigen zu können, ist ein weitgehendes Einvernehmen der verschiedenen Gesellschaftsgruppen unerläßlich. Aus diesem Grund möchte ich meine tiefe Befriedigung über die Zusammenarbeit zum Ausdruck bringen, die weltliche und religiöse Einrichtungen der Stadt Rom und ihrer Umgebung bereits seit einiger Zeit verwirklichen, was, wie Sie, Herr Präsident, vorhin erwähnten, insbesondere für die Initiativen zugunsten der sozial schwächeren Bevölkerungsschichten gilt. Aufgrund ihrer langen Tradition im Dienst am Menschen und an der Gesellschaft ist die Kirche bereit, ihren ganz besonderen Beitrag zu leisten, um der Forderung nach verbesserten Lebensbedingungen entgegenzukommen, indem sie sich für eine allgemeine Entwicklung einsetzt, die offen ist für die materiellen und geistigen Aspekte im Leben des einzelnen Menschen und der Gemeinschaft als Ganzes. 4. Außerdem wird es immer notwendiger, der Formung der jungen Generationen wachsende Aufmerksamkeit zu schenken und ernsthafteres Interesse gegenüber den neuen Familien zu zeigen, die in dieser schwierigen Phase des weitreichenden gesellschaftlichen und kulturellen Umbruchs Hilfe und Unterstützung brauchen. Der Familie, der wichtigsten Zelle der Gesellschaft, muß die Möglichkeit gegeben werden, in einer freundlichen Umgebung entstehen zu können. Nur dank koordinierter Initiativen, die sie schützen und ihr erlauben, sich auf harmonische Weise zu entwickeln, können schmerzliche Situationen, Konflikte und Probleme vermieden werden, die ansonsten auf der gesamten Gesellschaftsstruktur lasten würden. Die Befürwortung einer sinnvollen Familienpölitik, die den häuslichen Herd in den Mittelpunkt jeder Planung stellt: Dieses Ziel müssen die Verantwortlichen der Verwal- 742 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tung, der Politik und der Wirtschaft, die für das wahre Wohl der Gemeinschaft Sorge tragen, anstreben. Ich hoffe, daß eine wachsende Zusammenarbeit zwischen der Kirche und den Verwaltungsorganen des Staates hinsichtlich der Familienproblematik wie auch auf anderen Gebieten uns erlauben wird, alle verfügbaren Mittel optimal einzusetzen; und dies soll im Rahmen eines umfassenden Sozialplanes geschehen, der jede Person achtet und darauf bedacht ist, den Beitrag aller zu schätzen. 5. Heute spürt man deutlich ein tiefes Mißtrauen gegenüber den staatlichen Einrichtungen. Dagegen muß etwas getan werden, indem wir uns auf Werte wie Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit und uneigennütziger Hingabe für das Wohl der Gemeinschaft stützen. Die Kirche fördert und ermutigt alle, die mit Verantwortungsbewußtsein ihre berufliche Kompetenz und ihre Einsatzbereitschaft in den Dienst ihrer Mitmenschen stellen. Die Arbeit der Verwaltungsbeamten muß den Erwartungen der Bürger entsprechen, ohne Nachsicht mit Privilegien und Begünstigungen zu haben. Jeder ist aufgerufen, die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Gleichzeitig mahnt die Kirche aber, summarische Urteile und allgemeine Verurteilungen zu vermeiden, die die Atmosphäre des Mißtrauens nur gefährlich verschärfen und zu Gleichgültigkeit und Verantwortungslosigkeit führen würden. Jedem, der das wahre Wohl der Nation anstrebt, muß es heute ein Herzenswunsch sein, mitzuhelfen das Einvernehmen zwischen der Bürgerschaft und den Institutionen wieder herzustellen. Ich bin sicher, daß auch Ihr tägücher Dienst diesem Ziel dient und ich hoffe, daß Sie auf konkrete Weise darauf hinarbeiten werden. In diesem Sinne möchte ich Ihnen erneut meine besten Wünsche für Ihre Arbeit mit auf den Weg geben, eine Arbeit, die sich am Beispiel des weisen Schriftgelehrten inspiriert, der - nach den Worten des Evangeliums - „einem Hausherrn gleicht, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt” (vgl. Mt 13,52). Ich hoffe, daß im Laufe des neuen Jahres jeder von Ihnen imstande sein wird, bei den derzeitigen Wandlungen „das Alte” von „dem Neuen” angemessen zu unterscheiden und mit weiser Einsicht jene Dinge hervorzuheben, die es verdienen, um der eigenen Tätigkeit als öffentliche Verwaltungsangestellte Gewicht und Wirksamkeit zu verleihen. Indem ich diese guten Wünsche der Fürsprache der Gottesmutter Maria anvertraue, erbitte ich für Sie, Ihre Familien, Ihre Mitarbeiter wie auch für Ihre Arbeit den Schutz des Herrn und spende Ihnen von Herzen meinen Segen. 743 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hilfe und Schutz für die vergewaltigten Frauen und ihre unschuldigen Kinder Brief an den Erzbischof von Vrhbosna, Sarajewo, Msgr. Vinko Pulijc, über die Kriegsgreuel in Bosnien-Herzegowina vom 2. Februar Verehrter Mitbruder im Bischofsamt! Unser Gebet für den Frieden auf dem Balkan am 9. und 10. Januar in Assisi läßt uns hoffen, daß die Gewalttaten und Leiden, die sich dort ereignen, möglichst bald ein Ende nehmen und der Versöhnung und dem Frieden Platz machen können. Mit diesem Brief möchte ich Ihnen bezeugen, daß ich besonderes Mitgefühl für die Leiden der geistlichen Hirten und der Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina empfinde, auf denen die unheilvollen Folgen anhaltender materieller und geistiger Zerstörung lasten. Ich denke mit großer Sorge an die extrem angespannte Lage und die Entbehrungen, denen viele Familien und besonders die Kinder ausgesetzt sind; vor allem ihretwegen fühle ich mich verpflichtet, an die Solidarität und Hochherzigkeit der ganzen Kirche zu appellieren. Gerade in den Familien, besonders in denen, die vom Verlust eines Angehörigen und von der Erfahrung besonders grausamer Gewalt betroffen wurden, muß der mühsame Weg der Befriedung beginnen. Nur von der Familie, dem Heiligtum des Lebens und der Liebe, kann tatsächlich das Friedensbemühen der Gesellschaft ausgehen, dem man sich widmen muß, sobald die Waffen aufgehört haben, ihren Todeslärm zu verbreiten. Aufgabe der Hirten ist es deshalb, schon jetzt angemessene Maßnahmen vorzubereiten, welche die Familien ermutigen, Zeichen der Versöhnung, Hochherzigkeit und christlichen Liebe zu setzen. Besonders notwendig ist es, daß die Hirten und alle für die Familienpastoral verantwortlichen Gläubigen sich vordringlich um die Situation der Mütter, Ehefrauen und Mädchen sorgen, die durch einen Ausbruch des Rassenhasses oder aus brutaler Begierde vergewaltigt worden sind. Diese Frauen, denen man eine so schwere Beleidigung zugefügt hat, müssen in der Gemeinschaft Stütze, Verständnis und Solidarität finden können. Man muß ihnen helfen, auch in einer so schmerzlichen Lage zu unterscheiden zwischen dem verabscheuungswürdigen Akt der Vergewaltigung, den sie von in Verstand und Gewissen verwirrten Männern erlitten, und der Wirklichkeit der neuen Menschenleben, die entstanden sind. Als Bild Gottes müssen diese Kinder geachtet und geliebt werden, in gleicher Weise wie irgendein anderes Mitglied der Menschheitsfamilie. Mit äußerster Klarheit ist in jedem Fall zu betonen, daß das ungeborene Kind, weil es keine Verantwortung hat für das verabscheuungswürdige Geschehen, unschuldig ist und deshalb in keinem Fall als Angreifer betrachtet werden darf. Deshalb muß die ganze Gemeinschaft sich um diese zutiefst beleidigten Frauen und ihre Angehörigen scharen, um ihnen zu helfen, daß sie den Akt der Vergewaltigung 744 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in einen Akt der Liebe und Annahme verwandeln. Das Evangelium weist uns darauf hin, daß man auf Gewalt nicht mit Gewalt reagieren darf (vgl. Mt 5,38-41). Auf die Barbarei des Hasses und des Rassismus muß man mit der Kraft der Liebe und der Solidarität antworten. Empfahl der Apostel Paulus den von einer feindlichen Macht verfolgten Christen in Rom nicht: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht! ... Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!” (Röm 12,17.21)? Ich bin sicher, daß auch die anderen Kirchen nicht nur in Europa, sondern in allen Teilen der Welt angemessene Formen finden werden, um den Einzelpersonen und den Familien zu helfen, die sich in einer Lage mit so großen Schwierigkeiten materieller, psychologischer und geistlicher Art befinden. Diesen wohltuenden Initiativen gilt meine herzliche Ermutigung in Erinnerung an das Wort Christi: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf’ (Mk 9,37). Im Fall der verwaisten oder ausgesetzten Kinder möchte ich allen, die sich um eine Beschleunigung der Adoptionsverfahren bemühen, meine Hochschätzung aussprechen: Wenn den Kleinen die Stütze derer fehlt, die sie gezeugt haben, ist es eine menschlich und christlich wertvolle Geste, ihnen die Wärme eines neuen Zuhause zu schenken. Indem ich allen, die schwer geprüft sind, die teilnahmsvolle Sorge der Kirche von Rom versichere, die „in der Liebe den Vorsitz führt”, sende ich Ihnen, verehrter Mitbruder, wie auch den anderen Oberhirten der Region und den so hart geprüften Völkern einen besonderen Apostolischen Segen mit der Versicherung meines eifrigen und inständigen Gebets. Aus dem Vatikan, 2. Februar 1993 Joannes Paulus PP. II Das Ordensleben ein unübersehbares Zeichen in der Welt Predigt am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 1. „Jetzt wurde er vom Geist in den Tempel geführt” (Lk 2,27). Die Worte des Evangeliums, die wir in der heutigen Liturgie lesen, beziehen sich auf Simeon, einen frommen Israeliten, der auf die „Rettung Israels”, d. h. auf die Ankunft des Messias, wartete. Ihm wurde das Wort der Offenbarung in dem Moment anvertraut, als Jesus vierzig Tage nach seiner Geburt in Betlehem nach Jerusalem in den Tempel gebracht wurde. Der Evangelist unterstreicht, wie sehr auf diesem gottesfürchtigen Mann der Geist ruhte (vgl. Lk 2,26), der ihm angekündigt hatte, daß er „den Tod nicht schauen werde, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe” (Lk 2,26). Der Evangelist hebt vor allem hervor, daß Simeon am gleichen Tag vom Geist in den Tempel geführt 745 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wurde, „als die Eltern Jesus hereinbrachten, um zu erfüllen, was nach dem Gesetz üblich war” (Lk 2,27). Gemeinsam mit Simeon wird im Evangelium auch die Prophetin Hanna erwähnt und auf diese Weise ihre Teilhabe an der Offenbarung des Messias unterstrichen: „In diesem Augenblick nun trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalem warteten” (Lk 2,38). .2. Die Darstellung Jesu im Tempel von Jerusalem ist eng mit dem Geheimnis der Epiphanie verbunden. Die Epiphanie ist nämlich ein Beweis für das Handeln des Heiligen Geistes, der die Menschen dazu bewegt, dem Erlöser zu begegnen, ihn zu erkennen und Zeugnis davon abzulegen. Der Heilige Geist wird am Pfingsttag auf die Apostel herabkommen. Seine Gegenwart nimmt im Augenblick der Darstellung diesen Tag vorweg und bereitet ihn vor. Der Heilige Geist nimmt dreißig Jahre früher die Epiphanie am Ufer des Jordans vorweg und ist eine Vorbereitung auf sie und die ganze messianische Sendung Jesu von Nazaret. Zugleich bringt die Darstellung Jesu im Tempel auf dramatische Weise zum Ausdruck, wie sich diese Heilssendung vollziehen wird. Während Simeon sich an Maria, die Mutter Jesu, wendet, sagt er: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden” (Lk 2,34-35). Vom Heiligen Geist erleuchtet, sieht Simeon in dem Kind, das Maria und Josef zu Gott bringen, den, der gekommen ist, um sich der Söhne und Töchter anzunehmen: „Darum mußte er in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen” (Hebr2,n). Aber hat Simeon das alles schon vorausgesehen? Hat auch die Prophetin Hanna das wirklich vorausgesehen? Die Kirche findet jedenfalls den Beweis hierfür in ihrem Zeugnis und in den Worten des Simeon. In seinen Worten findet die Kirche auch einen geistigen Bezug zu jenem Tempel, dessen Tore sich nach oben heben, „denn es kommt der König der Herrlichkeit” (Ps 24,7); er, der zugleich ein Zeichen des Widerspruchs ist. 3. Liebe Brüder und Schwestern, anläßlich dieser Feier am Fest der Darstellung Jesu im Tempel grüße ich euch alle von Herzen, die ihr auf dem Weg der Berufung und Weihe unter der Führung des Heiligen Geistes hierhergekommen seid. Diese Feier vereint euch auf besondere Weise mit Christus, dem König der Herrlichkeit, mit Christus, dem Zeichen des Widerspruchs, der gehorsam ist bis zum Tod, der arm ist und keusch. Mit Christus, dem Sohn der Jungfrau. Ich grüße euch, die ihr zur Römischen Kirche gehört, die auf Petrus und Paulus, auf dem Fundament der Apostel und Propheten, gebaut ist. Ich wende mich an euch, Brüder und Schwestern, die ihr in Rom den vielen Ordensfamilien des gottgeweih- 746 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten Lebens angehört; mit euch und durch euch wende ich mich an alle gottgeweihten Personen, die über die ganze Welt verstreut sind. Die heutige Liturgie, in der die Kirche Christus Ehre erweist - „dem Licht, das die Heiden erleuchtet” (Lk 2,32) ist auf besondere Weise eure Liturgie und euer Fest. Auch für den Bischof von Rom ist sie Anlaß zu tiefer Freude, denn an diesem Tag hat er Gelegenheit, euch zu begegnen und dem Herrn für das Geschenk der Berufung und des Ordenslebens an die Kirche zu danken. 4. Wie das Zweite Vatikanische Konzil nachdrücklich bekräftigt hat, ist das Ordensleben für die Sendung der Kirche auf der ganzen Welt ein großes Geschenk, das nicht nur zu den zahlreichen pastoralen Tätigkeiten Wertvolles beiträgt, sondern vor allem zur Vielfalt seiner Charismen und zum Zeugnis der ganzheitlichen Treue, das es für das Evangelium ablegen muß: „So erscheint das Bekenntnis zu den evangelischen Räten als ein Zeichen, das alle Glieder der Kirche wirksam zur Erfüllung der Pflichten ihrer christlichen Berufung hinziehen kann und soll” {Lumen Gentium, Nr. 44). In unserem Jahrhundert hat es nicht an Menschen gefehlt, die auf so konsequente Weise Zeugnis abgelegt haben für das Evangelium. Im Laufe des vergangenen Jahres hatte ich die Freude, eine große Anzahl gottgeweihter Menschen zur Ehre der Altäre zu erheben. Einige dieser Menschen haben ihre Treue zum Evangelium durch das höchste Opfer ihres Lebens bezeugt. Ich denke zum Beispiel an die Claretiner-Märtyrer von Barbastro - eine ganze Gemeinschaft, bestehend aus Priestern, Theologiestudenten vor der Priesterweihe und Laien -, die 1936 in Spanien den Tod fanden. Diese heroischen Boten Christi umklammerten das Kreuz mit ihren Händen, als sie starben. Auf dem Weg des Martyriums folgten und folgen ihnen Scharen von einfachen, oft verborgenen Jüngern des Herrn. Wie können wir all die Missionarinnen und Missionare vergessen, die auf dem Feld der Evangelisierung und der Missionstätigkeit gefallen sind? Und wie können wir all die gottgeweihten Menschen vergessen, die sich auf dem Altar der vollkommenen Selbsthingabe an Gott geopfert haben? Ihr Beispiel und das Blut, das von ihnen vergossen wurde, ist das Samenkorn für neue Berufungen. Während wir in einigen Teilen der Welt voller Besorgnis Zusehen müssen, wie die Zahl der Berufungen schrumpft, ist dort, wo eine vertrauensvollere und mutigere Anhängerschaft ans Evangelium besteht, eine wahre Blüte zu beobachten, die für die Kirche und die Menschheit reich an Hoffnung und Verheißung ist. Der Geist des Herrn ist um so mächtiger, je entschiedener sich die gottgeweihten Menschen und die ganze Christenfamilie der Anpassung an den Geist dieser Welt entgegenstellen und je hochherziger sie das Geheimnis des Kreuzes annehmen. Die erwünschte Erneuerung der Glaubensgemeinschaft und die authentische Ökumene, die in der Neuevangelisierung so eng miteinander verbunden sind, können in der treuen Ausübung der evangelischen Räte eine wertvolle Hilfe und einen uner- 747 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN setzlichen Beitrag finden. Wir müssen wirklich - wie aus unserer jüngsten Gebetswoche für die Einheit der Christen hervorgeht - „die Frucht des Geistes für die Einheit der Christen bringen”. Dies wird, liebe Brüder und Schwestern, die ihr aufgerufen seid, dem Herrn im gottgeweihten Leben zu folgen, vor allem dank eures täglichen Opfers geschehen. Die Kirche zählt auf euch. Wir erheben daher voller Vertrauen unsere Bitte an Gott in der Gewißheit, daß er auch in unserer Zeit, die heimgesucht wird von einem Geist, der sich der von Christus verkündigten Wahrheit entgegenstellt, seiner Kirche hochherzige und heilige Menschen nicht vorenthält, die sich als transparente Zeugen der Botschaft des Evangeliums der Ehre Gottes und dem wahren Wohl der Brüder und Schwestern weihen. 5. Liebe Ordensmänner und liebe Ordensfrauen, dies ist euer Tag. Die Kirche sieht in jedem und in jeder von euch - und auch in euren Ordensfamilien - das beständige Werk des Heiligen Geistes. Auch ihr werdet vom Heiligen Geist in den Tempel geführt: in den großen geistlichen Raum, der die Kirche Gottes ist, damit ihr ein lebendiges Zeugnis seid, eine Vorhersage des Gottesreiches unter den Menschen unserer Zeit. Wie sehr waren doch die prophetischen Worte von Simeon und Hanna, die sie vierzig Tage nach der Geburt Jesu gesprochen haben, von der Vorsehung bestimmt. Wie sehr ist doch euer Zeugnis gesegnet, eure tägliche Vorhersage des Lebens und der Sendung. Liebe Brüder und Schwestern, habt teil am Licht, in dem keine Finsternis ist (vgl. Joh 1,5). Dient Christus, dem Licht der Welt. Eure Augen mögen das Licht des Heils schauen, das Gott für alle Völker bereitet hat. Wie die klugen Jungfrauen im Gleichnis des Evangeliums mögt ihr wachen und auf den Bräutigam warten, um ihm mit brennenden Lampen entgegenzueilen, wenn er kommt. Amen. Die Liebe zu den Leidenden kennzeichnet das soziale Niveau eines Volkes Botschaft zum ersten Welttag des Kranken am 11. Februar 1993 vom 21. Oktober 1992 1. Die christliche Gemeinschaft hat den Kranken und dem Leiden in seinen vielfältigen Ausdrucksformen stets besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Den Spuren dieser langen Tradition folgend, liebe Brüder und Schwestern, schickt sich die gesamte Kirche an, mit neuer Bereitschaft zum Dienst den ersten Welttag des Kranken als besonderen Anlaß zu begehen. Sie will in der Haltung des Hörens, des Nachdenkens und des aktiven Einsatzes angesichts des großen Geheimnisses des Leidens 748 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und der Krankheit wachsen. Dieser Tag, der vom nächsten Februar an jährlich am liturgischen Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes begangen wird, soll für alle Gläubigen „ein besonderer Tag des Gebetes, der Anteilnahme und der Aufopferung des Leidens für das Wohl der Kirche” sein, „zugleich aber ein Aufruf für alle, auf dem Antlitz Christi zu erblicken, der in seinem Leiden, Sterben und Auferstehen das Heil der Menschheit gewirkt hat” (Schreiben zur Einführung des Welttages des Kranken, 13. Mai 1992, Nr. 3). Der Welttag möchte jedoch alle Menschen guten Willens mit einbeziehen. Die grundlegenden Fragen, die durch das Leiden aufgeworfen werden, und die Bitte, dem Kranken zu helfen - sei es im physischen oder im geistlichen Bereich betreffen nicht nur die Gläubigen, sondern die ganze Menschheit, die gekennzeichnet ist durch die Grenzen ihres sterblichen Zustands. 2. Die Vorbereitung auf diesen ersten Welttag des Kranken erfolgt leider unter Umständen, die in mancher Hinsicht dramatisch sind: Während die Ereignisse der letzten Monate zeigen, wie dringend notwendig das Gebet und die Bitte um Hilfe von oben ist, verweisen sie uns auf die Pflicht, neue und sofortige Initiativen zur Hilfe für diejenigen zu entwickeln, die leiden und nicht warten dürfen. Vor den Augen aller stehen die traurigen Bilder von Einzelnen und ganzen Völkern, die - gequält von Kriegen und Konflikten - diese leicht vermeidbaren Heimsuchungen in ihrer ganzen Schwere hingegen erleiden. Wie kann man den Blick von den flehenden Gesichtem so vieler Menschen, vor allem der Kinder, abwenden, die nur noch Schatten ihrer selbst sind infolge jedwedem Unglücks, in das sie leider durch Egoismus und Gewalt verwickelt sind? Und wie kann man all jene vergessen, die am Behandlungs- und Pflegeort - in Krankenhäusern, Kliniken, Leprosorien, Altersheimen oder zu Hause - das Kreuz oft unbekannter Leiden erfahren, die nicht entsprechend gelindert, sondern mangels einer angemessenen Betreuung erschwert werden? 3. Die Krankheit, die man in der alltäglichen Erfahrung als Einschränkung der natürlichen Lebenskraft erlebt, wird für die Gläubigen zum Aufruf, die neue, schwierige Situation aus der Sicht des Glaubens zu verstehen. Wie soll man sonst im Augenblick der Prüfung den aufbauenden Beitrag des Schmerzes entdecken? Wie kann man in der Angst, der Unruhe, den körperlichen und seelischen Leiden, die unser Geschick als Sterbliche begleiten, einen Sinn und Wert finden? Wie kann man den Verfall im Alter und das letzte Ziel des Todes rechtfertigen, die trotz aller Fortschritte in Wissenschaft und Technik weiterhin in aller Unerbittlichkeit bestehen? Ja, nur in Christus, dem fleischgewordenen Wort, Erlöser des Menschen und Sieger über den Tod, ist es möglich, eine befriedigende Antwort auf solche grundlegenden Fragen zu finden. Im Licht des Todes und der Auferstehung Christi erscheint die Krankheit nicht mehr als ausschließlich negatives Ereignis: Sie wird vielmehr als eine „Offenbarung Gottes”, gesehen, als ein Anlaß, „Liebe zu wecken, Werke der Nächstenliebe zu veran- 749 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lassen und die gesamte menschliche Zivilisation in eine Zivilisation der Liebe’ zu verwandeln” (Apostolisches Schreiben Salvifici doloris, Nr. 30). Die Geschichte der Kirche und christlichen Spiritualität bietet hierfür ausreichend Beweise. Im Laufe der Jahrhunderte wurden wunderbare Seiten des heroischen Leidens, in Vereinigung mit Christus angenommen und aufgeopfert, geschrieben. Und nicht weniger herrlich Seiten wurden im demütigen Dienst an den Armen und Kranken aufgezeichnet, in deren leidendem Körper die Gegenwart des armen und gekreuzigten Christus erkannt worden war. 4. Die Feier des Welttages des Kranken - in seiner Vorbereitung, seinem Verlauf und seinen Zielsetzungen - ist nicht nur als äußere Feier zu verstehen, die sich auf einige wenn auch lobenswerte Initiativen konzentriert, sondern will alle Menschen erreichen, um ihnen bewußt zu machen, daß der menschliche und christliche Dienst am Leidenden einen wertvollen Beitrag zu besseren Verständnis unter den Menschen und damit zum Aufbau des wahren Friedens leistet. Dies setzt jedoch voraus, daß die Träger der öffentlichen Verantwortung, die nationalen und internationalen Organisationen und alle Menschen guten Willens den Leidenden und Kranken besondere Sorge zuteil werden lassen. Dies gilt in erster Linie für die Entwicklungsländer- von Lateinamerika bis Afrika und Asien -, die durch die mangelnde medizinische Betreuung besonders gekennzeichnet sind. Durch die Feier des Welttages des Kranken möchte die Kirche dem Einsatz für diese Völker neuen Auftrieb geben und die heute bestehenden Ungerechtigkeiten beseitigen durch eine verstärkte menschliche, spirituelle und materielle Hilfe, die ihren Bedürfnissen entspricht. In diesem Sinn appelliere ich besonders an die Zivilbehörden, die Wissenschaftler und alle, die in direktem Kontakt mit den Kranken stehen. Ihr Dienst darf niemals bürokratisch und gleichgültig werden! Ganz besonders muß allen klar sein, daß die Verwaltung der öffentlichen Gelder die schwere Pflicht mit sich bringt, jegliche Vergeudung und unrechtmäßige Verwendung zu vermeiden, damit die verfügbaren Mittel, weise und gerecht verwaltet, dazu dienen mögen, allen, die ihrer bedürfen, die Krankenvorsorge und die medizinische Betreuung zu gewährleisten. Den heute gesteigerten Erwartungen nach einer Humanisierung der Medizin und medizinischen Versorgung muß mit noch größerer Entschlossenheit entsprochen werden. Grundlegende Voraussetzung für eine noch menschlichere und angemessenere medizinische Versorgung ist jedoch die Menschen, die im Kranken, dem Abbild und Kind Gottes, den Wert und die Heiligkeit des Lebens deutlich macht. Krankheit und Schmerz treffen jeden Menschen: Die Liebe zu den Leidenden kennzeichnet und mißt den Grad der Kultur und sozialen Entwicklung eines Volkes. 5. Euch, liebe Kranke auf der ganzen Welt, Protagonisten dieses Welttages, möge die Verkündigung-der lebendigen und tröstenden Gegenwart des Herrn diesen Reichtum bringen. Eure Leiden - in unerschütterlichem Glauben und in Verbunden- 750 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heit mit dem Leiden Christi angenommen und getragen - sind von außerordentlichem Wert für das Leben der Kirche und das Wohl der Menschheit. Für euch, die ihr im Dienst an den Kranken tätig und zum höchsten, würdigsten und beispielhaftesten Zeugnis der Gerechtigkeit und Liebe aufgerufen seid, möge dieser Tag ein neuer Antrieb sein, in eurem edlen Dienst fortzufahren, selbstlos und offen für die tiefsten Werte des Menschen, für die Achtung der Menschenwürde und den Schutz des Lebens, von seinem Beginn an bis zu seinem natürlichen Ende. Für euch, Hirten des christlichen Volkes, und für all die mannigfaltigen Glieder der kirchlichen Gemeinschaft, für die freiwilligen Helfer und besonders für diejenigen, die in der Krankenseelsorge tätig sind, möge dieser erste Welttag des Kranken Ansporn und Ermutigung sein, mit neuem Einsatz den Weg des Dienstes am geprüften und leidenden Menschen fortzusetzen. 6. Am Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes, deren Heiligtum am Fuß der Pyrenäen ein Tempel des menschlichen Leidens geworden ist, stellen wir uns - wie sie es auf Golgota tat, wo das Kreuz ihres Sohnes stand - zu allen Kreuzen des Schmerzes und der Einsamkeit so vieler Brüder und Schwestern, um sie zu trösten, um das Leiden mit ihnen zu teilen und es dem Herrn des Lebens darzubieten, in geistiger Gemeinschaft mit der ganzen Kirche. Die Jungfrau, das „Heil der Kranken” und die „Mutter der Lebenden”, sei unsere Stütze und unsere Hoffnung, und durch die Feier des Tages des Kranken möge sie unser Mitgefühl und unsere Hingabe für die Geprüften wachsen lassen zusammen mit der vertrauensvollen Erwartung des strahlenden Tages unseres Heils, wenn jede Träne für immer getrocknet sein wird (vgl. Jes 2,8). Schon jetzt wollen wir diesem Tag trotz aller Not (2 Kor 7,4) mit überströmender Freude entgegensehen, die uns der Verheißung Christi zufolge niemand nehmen kann (Joh 16,22). Allen erteile ich meinen.Segen! Aus dem Vatikan, 21. Oktober 1992 Joannes Paulus PP. II Die Leidenden Afrikas der Mutter Gottes anvertraut Ansprache am Schluß der Messe mit den Kranken der Diözese Rom am 11. Februar Liebe Schwestern und Brüder! 1. Es freut mich besonders, euch heute abend am Schluß der heiligen Messe zu begrüßen, die Kardinalvikar Camillo Ruini am liturgischen Gedenktag der seligen Jungfrau von Lourdes feiert. Heute, am ersten Welttag für die Kränken, verbindet uns, die wir in St. Peter, dem Herzen der Christenheit, versammelt sind, eine geistige Brücke mit allen, die auf der Esplanade von Lourdes weilen. Liebe Kranke und 751 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pilger, uns verbindet ein geistliches Band, das im Glauben gründet und durch die Fürsprache der Unbefleckten Jungfrau gehalten wird. Nach meiner soeben beendeten Apostolischen Reise in Benin, Uganda und Khar-toum bewahre ich vor meinen Augen und in meinem Herzen noch die lebendigen Eindrücke von Afrika. Ich hatte die Freude, viele und eifrige kirchliche Gemeinschaften zu treffen. Der Mutter Gottes habe ich besonders die Leidenden, die Opfer der Hungersnot und des Krieges, die von schweren Krankheiten, besonders von Aids betroffenen Menschen anvertraut, damit sich in allen die Heilskraft des Evangelium offenbare. Ich danke besonders euch hier Anwesenden, den Leitern, geistlichen Assistenten und Mitgliedern des Römischen Wallfahrtswerkes sowie euch Krankenträgern, freiwilligen Helfern und Helferinnen von ,Unitalsi’, ihr habt wie in jedem Jahr die heutige eucharistische und marianische Feier eindrucksvoll gestaltet. 2. Das heutige Fest bietet mir außerdem Gelegenheit, der Gottesmutter Maria die römische Synode anzuvertrauen, den Weg der Erneuerung und kirchlichen Gemeinschaft. Mit dem innigen Dank an die Gottesmutter für den wirksamen Schutz, den wir in den vergangenen Monaten erfahren haben, bitten wir sie, uns zu helfen, den synodalen Weg zu Ende zu führen in einer Haltung echter Bereitschaft für den Willen des himmlischen Vaters und ständiger Aufmerksamkeit für die Erfordernisse der Neuevangelisierung. Um ihre Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen und weitere Hilfe für die Anwendungsphase der Synode zu erbitten, wird die Diözese nach Beendigung der Synodenarbeiten vom 4. bis 10. Juli des Jahres eine Wallfahrt nach Lourdes unternehmen. Zu Füßen der Madonna wird die Kirche von Rom ihren hochherzigen Einsatz im Dienst des Evangeliums bekräftigen und der Gottesmutter die eigene Zukunft anempfehlen. Bevor ich jetzt euch hier Versammelten und allen mit uns über Radio und Fernsehen Verbundenen den Segen erteile, singen wir wie in Lourdes nach der Kerzenprozession unser Glaubensbekenntnis. Menschliche Würde geht über nationale Interessen Ansprache an den Präsidenten der Republik Slowenien, Milan Kucan, am 19. Februar Herr Präsident! 1. Ich heiße Sie herzlich willkommen und danke Ihnen für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben. Ihr heutiger Besuch ist mir besonders willkommen, nicht nur weil es der erste ist, den ein Staatsoberhaupt des freien und unabhängigen Sloweniens dem Apostoli- 752 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Stuhl abstattet, sondern weil er auch die alten Bande des Glaubens, die die Mehrheit der slowenischen Bevölkerung mit der katholischen Kirche verknüpfen zum Ausdruck bringt und verstärkt. Das slowenische Volk ist Erbe einer tausendjährigen, oft schmerzlichen Geschichte, lebt heute aber in einer Zeit großer Erwartungen und Hoffnungen. Lange Jahrhunderte hindurch hat es zwar nachdrücklich seine eigene kulturelle Identität verteidigt, blieb aber im Schatten größerer Staaten; heute dagegen lenkt es mit seiner besonderen politischen und institutioneilen Gestalt die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf sich. Zweifellos war Slowenien für diese historische Stunde nicht unvorbereitet. Es hat den nicht leichten Weg der vollen Autonomie gewählt und erhebliche Probleme rechtlicher, sozialer und wirtschaftlicher Natur im inneren und internationalen Bereich auf sich genommen, weil es weiß: Auf diesem neuen Weg kann es die Mittel einer reifen politischen Befähigung investieren zusammen mit dem Bewußtsein seiner Kultur, seiner Religiosität, seiner Kunst und seiner Traditionen, mit einem Wort, jenes Gesamterbe von Werten, die eine Nation formen, noch bevor die juridischen und politischen Regelungen erfolgen. Es ist eine Entscheidung, die die Kirche in achtungsvoller Wertschätzung zur Kenntnis nimmt. Die nationalen Identitäten bilden ja von sich aus schon einen großen Reichtum, auch - und vielleicht noch mehr - in einer Welt wie der unseren, die durch das verstärkte Zusammenrücken der Völker zu einer immer engeren Zusammenarbeit aufgerufen ist. 2. Slowenien, wie es aus seiner derzeitigen Verfassung hervorgeht, weiß außerdem, daß die nationale Autonomie ein wichtiger, aber kein absoluter Wert ist. Allzu oft in der alten und neuen Geschichte und bis in unsere Tage hinein ist das patriotische Gefühl zu geschlossenen und aggressiven Nationalismen entartet und hat Tränen und Blut mit sich gebracht. Daher ergibt sich also eine entscheidende Aufgabe für den historischen Augenblick, den die Menschheit erlebt. Um keine Irrtümer zu wiederholen, die in der Vergangenheit die Geschichte Europas und der Welt in trauriger Weise belastet haben, ist nachdrücklich zu betonen, daß noch vor den nationalen Interessen die Menschen mit ihrer unveräußerlichen Würde stehen, und daß über die besonderen Traditionen der einzelnen menschlichen Gruppen hinaus die universale Gemeinschaft zählt, die in Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden aufgebaut werden muß. „Jede Gruppe muß den Bedürfnissen und berechtigten Ansprüchen anderer Gruppen, ja dem Gemeinwohl der ganzen Menschheitsfamilie Rechnung tragen” (Gaudium et spes, Nr. 26). Vergißt man dies oder entfernt man sich von dieser Sicht der menschlichen Geschichte, läuft man Gefahr, erneut gefährliche Schauplätze des Bruderkrieges zum Leben zu erwecken, wie jene, die im Augenblick in den Balkanländem und in anderen Teilen der Welt Tod verbreiten. 753 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herr Präsident, ich möchte Ihnen meine Wertschätzung für die Entscheidungen aussprechen, die die Politik Sloweniens vom Anfang seines Entstehens als unabhängiger Staat an gekennzeichnet haben. Es hat entschlossen die Weg des Friedens und der internationalen Zusammenarbeit beschritten. Seine politische Gestalt ist die eines Rechts- und Sozialstaates (vgl. Art. 2 der Verfassung). Das Programm, das es sich vorgenommen hat, ist der Aufbau einer Gesellschaft, wo die Menschenrechte geachtet werden und die Grundfreiheiten garantiert sind, wo niemandem das Notwendige für ein menschenwürdiges Leben fehlt, die ethnischen Minderheiten geschützt und aufgewertet werden und jedem gestattet wird, seinen eigenen Beitrag zur harmonischen Entwicklung der Nation in demokratischem und friedlichem Wetteifer beizusteuem. 3. Wie die Erfahrung zeigt, bleibt freilich auch die Durchführung eines so gut durchdachten Programms nicht frei von Schwierigkeiten und Hindernissen. Von allen Bürgern wird daher auch guter Wille und Sinn für das Gemeinwohl gefordert, zumal ein harmonisches Zusammenwirken der kulturellen und sozialen Kräfte des Landes, die sich aufgerufen fühlen müssen, einen tatkräftigen Beitrag zum Aufbau der neuen staatlichen Wirklichkeit zu leisten, wenn auch in Achtung vor der jeweiligen besonderen Eigenart. Die Kirche ist bereit, ihren Teil beizutragen. Ihre Bereitschaft hegt auf der Linie dessen, was vor etwa 30 Jahren das Zweite Vatikanische Konzil in der Konstitution Gaudium et spes formuliert hat, als es ihre Rolle in der Gesellschaft umschrieb: „Die ihr eigene Sendung, die Christus der Kirche übertragen hat, bezieht sich zwar nicht auf den politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Bereich: Das Ziel, das Christus ihr gesetzt hat, gehört ja der religiösen Ordnung an. Doch fließen aus eben dieser religiösen Sendung Auftrag, Licht und Kraft, um der .menschlichen Gemeinschaft zu Aufbau und Festigung nach göttlichem Gesetz behilflich zu sein” (Gaudium et spes, Nr. 42). Slowenien, das in seiner Verfassung die Trennung von Staat und religiösen Bekenntnissen festgelegt hat (vgl. Art. 7), weiß, daß es auf die aktive Mitarbeit der Gemeinschaft der Katholiken zählen darf. Diese strebt nicht irgendein Privileg an und will auch nicht in Bereiche eindringen, für die sie nicht zuständig ist. Wenn die Kirche sich innerhalb der. geltenden Ordnung der Möglichkeiten bedient, die durch rechtsgültige Abmachungen festgelegt sind, will sie nichts anderes als die Freiheit der Verkündigung des Evangeliums sichern. Sie fordert keinen Raum zur Machtausübung sondern zum Dienen, denn ihr Ziel besteht darin, den Menschen bei ihrer Begegnung mit Gott zu helfen. Sie vermittelt den Familien das Geheimnis der Einheit, und den Jugendlichen den tieferen Sinn des Lebens; sie steht den Kranken bei und geht auf die Armen zu; sie möchte zum Frieden erziehen und diesen Geist jeder Ausdrucksform des Lebens der Nation eingießen; sie möchte endlich die Dringlichkeit der Solidarität und den heiligen Wert jeden menschlichen Lebens einschärfen. 754 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dies, Herr Präsident, ist der besondere Beitrag, den die Kirche der Nation, deren oberster Vertreter Sie sind, anbieten möchte. Sie hält sich von politischen Bestrebungen fern, läßt aber ihr Wirken für die Evangelisierung und die Verwendung der Pastoralen Strukturen, die sie besitzt, zum Gemeinwohl aller Einwohner dienen. Unter diesen Strukturen möchte ich hier besonders die kulturellen und schulischen Institute erwähnen, angefangen bei der wohlverdienten theologischen Fakultät von Laibach. 4. Der Wunsch, den ich am Ende ausspreche, indem ich Ihnen für Ihren Besuch danke, geht dahin, daß sich der Geist der gegenseitigen Achtung und herzlichen Zusammenarbeit in den Beziehungen zwischen Kirche und slowenischem Staat weiter festigen und eventuelle Probleme in aufrichtigem und konstruktivem Dialog überwunden werden. Ich bitte Sie, Herr Präsident, diese meine Empfindungen Ihrem Volk mitzuteilen. Möge Slowenien, auch dank des moralischen Beitrags der Gemeinschaft der Christen, die unvermeidlichen Schwierigkeiten seiner heutigen „Wiedergeburt” überwinden und immer höher gesteckte Ziele echter Demokratie und Kultur erreichen. Ich rufe auf das ganze slowenische Volk die Hilfe Gottes und den Schutz der heiligen Jungfrau herab und versichere Sie meines eifrigen Gebetes, daß die Geißel des Krieges von Slowenien fern bleibe. Ich schließe mich dem flehentlichen Gebet aller Gläubigen an und bitte den Herrn, er möge bald der ganzen Balkanregion einen ehrenhaften und gerechten Frieden schenken. Diese guten Wünsche begleite ich mit meinem Segen. Sich selbst hingeben Meditation nach der Aufführung des Oratoriums zu Ehren von P. Maximilian Kolbe im Römischen Priesterseminar am 20. Februar „Es gibt keine größer Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt” (vgl. Joh 15,13). Dies sind die Worte Christi, die er am Vorabend seines Leidens gesprochen hat. Diese Worte wurden am darauffolgenden Tag durch die Hingabe seines Lebens für seine Freunde bestätigt und besiegelt. Wer sind seine Freunde? Alle Menschen. In dem Augenblick, als Christus diese Worte sprach, schien es fast so, als seien es die Apostel. Gewiß, aber es sind auch alle anderen Menschen vom Beginn bis zum Ende der Welt. Alle sind Freunde Christi, des Gottessohnes, der Mensch geworden ist, um sein Leben für die Freunde, für uns alle, hinzugeben. Und dies ist eine Wahrheit, die sich nicht an intellektuellen, logisch abstrakten Worten messen läßt. Es ist eine Wahrheit, die sich an der Wirklichkeit selbst mißt: Christus hat diese Worte nicht nur gesprochen, sondern danach gehandelt. Und dieses Handeln ist eine Wahrheit, eine zentrale Wirklichkeit, die den Schlüssel des Evangeliums darstellt. In ihr hegt das ganze Evangelium, die ganze Frohbotschaft, be- 755 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gründet; in ihr wurzelt das ganze göttlich-menschliche Geheimnis, das Geheimnis der Erlösung. Und das geschah vor 2000 Jahren. Als sich am 14. August und schon zuvor im Konzentrationslager von Auschwitz die heute abend von euch künstlerisch dargestellte Geschichte von Pater Maximilian Kolbe vollzog, waren sich die Beteiligten dieses Geschehnisses, dieser Geschichte, dieses Prozesses - denn dieser Hungertod, der bis zum Fest Mariä Himmelfahrt dauerte, kann als Sterbeprozeß bezeichnet werden - in der Hölle auf Erden, dem Konzentrationslager Auschwitz und anderen ähnlichen Lagern, wohl kaum dessen bewußt, daß in unserem Jahrhundert ein Zeugnis für dieselbe Wahrheit, für dieselbe Wirklichkeit der Erlösung abgelegt wurde, die als Haupt- und Universalträger für alle Jesus Christus hat. Ein anderer Mensch, ein Jünger Christi und Sohn des hl. Franziskus, hat auf ähnliche und doch auf seine eigene Weise gehandelt wie Christus am Tag seines Leidens, und er hat die Worte in die Tat umgesetzt, die Christus am Vortag gesprochen hatte: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.” Ein Mensch, ein katholischer Priester - denn so stellte er sich dem für dieses Konzentrationslager verantwortlichen Kommandanten Fritzsch vor-, hat sein Leben für einen anderen Menschen, einen vermutlich ihm unbekannten Menschen hingegeben. Es war ein Mensch, der gerettet werden wollte, und dadurch, daß Pater Kolbe an seine Stelle trat, wurde er gerettet. Pater Kolbe trat an seine Stelle, bereit, ihn vor dem Tod zu retten und in jenem Bunker zu sterben. Zunächst hatte es den Anschein, als wäre all dies unbemerkt geschehen, doch dann stellte sich heraus, daß es ein Zeugnis darüber gab, das sofort bei den anderen Gefangenen, den Mitgefangenen von Pater Maximilian, ein starkes Echo gefunden hatte. An diesem Ort, in diesem Lager, in diesem Umfeld, wo der Mensch systematisch verachtet und mit Füßen getreten wurde, gab es ein Zeugnis, das aus dem Evangelium hervorgegangen und zugleich tief menschlich war. Die Würde und Größe des Menschen wurde durch das Handeln von Pater Maximilian an diesem Ort entdeckt. Der Mensch darf nicht zerstört werden, denn er ist zu größerer Liebe fähig. So haben es die Gefangenen von Auschwitz am eigenen Leibe erfahren, und so haben es andere, viele, in verschiedenen Ländern, nicht nur in meinem Land erlebt; als Bischof von Krakau lebte ich nicht weit entfernt von Auschwitz, das zu dieser Diözese gehört und an der Grenze der Diözese Krakau liegt. An vielen Orten in der Welt hat man die Wahrheit der Worte des Evangeliums und die Wirklichkeit der Erlösung wiedergefunden, die diese Worte durch den heldenhaften Tod und die heroische Selbstaufopferung von Pater Maximilian Kolbe im Konzentrationslager zum Ausdruck brachten. Tief bewegt habe ich - und ich denke, alle Anwesenden - eurer künstlerischen Darstellung dieses Themas, Pater Kolbe, zugehört. Ich denke, daß es in unserer heutigen Welt ganz besonders aktuell ist, denn die Worte Christi, die Jesus selbst als Erlöser der Welt, der ganzen Menschenfamilie und der gesamten Schöpfung auf 756 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einzigartige Weise verwirklicht hat, können verschiedentlich Anwendung finden und müssen nicht unbedingt in der Selbstaufopferung in der Selbsthingabe von Pater Maximilian Kolbe ausgedrückt werden. Sie können immer und überall angewandt werden: Leben schenken, Leben verlieren. Das Evangelium bevorzugt die radikale Formulierung. Der Stil des Evangeliums ist radikal, aber diese Form kann ebensogut in viel bescheideneren, alltäglichen Handlungen Ausdruck finden. Jeder Mensch, ob Mann oder Frau, so sagt das Zweite Vatikanische Konzil in Gaudium et spes, kann sich nur durch die Selbsthingabe voll entfalten. Doch vollzieht sich diese Selbsthingabe durch das Sichschenken im täglichen Leben: durch das Geschenk unserer Persönlichkeit, unseres Verstandes, unseres Willens, unserer Tätigkeiten, unserer Studien, unserer Dienste, die wir den anderen anbieten. In bezug auf die anderen müssen wir in der Haltung leben, uns selbst zu schenken. Das eigene Leben hinzugeben, das ist die Lehre Christi und die Lehre von Maximilian Kolbe: eine Lehre, die nicht nur im Bereich dieses Römischen Priesterseminars außerordentlich aktuell ist. Auch ihr, die ihr heute abend in diesem Seminar zu Gast seid, habt in eurem Leben zahlreiche Gelegenheiten, diese grundlegende Wahrheit, die eine Schlüsselwahrheit des Evangeliums ist, in die Tat umzusetzen. Neben diesem Thema „Kolbe” habt ihr in eure Vorstellung auch das Thema der Immakulata aufgenommen. Ihr habt sehr gut daran getan, denn wir sind auch hier, um das Marienfest eures Priesterseminars zu feiern: Maria, Mutter des Vertrauens. Maria, die Mutter Christ, wird unter den verschiedensten Bezeichnungen verehrt. Maximilian Kolbe nannte sie die Unbefleckte, die Unbefleckte Empfängnis. Ein dogmatischer Name, der eine Grundwahrheit der Mariologie widerspiegelt. Ähnlich wie in der Rittertradition des Mittelalters war er in seine Dame, in die Dame seines Herzens, und am Ende seines Lebens sollte sich zeigen, daß sie in seinem Herzen lebte, denn sie wußte ihm zu helfen; sie half ihm, ein Heiliger zu werden. Maximilian stellte große Anforderungen an sich selbst, denn Maria, die im entscheidenden Moment unserer Erlösung unter dem Kreuz Christi stand, war anspruchsvoll und stark; sie verstand es, diesen Heroismus ins Herz ihres Ritters, Maximilian Kolbe, einzugießen, und am Ende hat sie ihm auch ihre Dankbarkeit gezeigt, denn am 15. August, dem Tag ihrer Aufnahme in den Himmel, hat sie ihn nach seinem Martyrium von der Erde zu sich gerufen und in die Herrlichkeit geführt, in ihre Herrlichkeit, und zur Teilhabe an der Herrlichkeit ihres göttlichen Sohnes Jesu, die die Herrlichkeit seiner Mutter Maria ist. In eurer Darstellung dieser Thematik sehen wir auch ein tiefes marianisches Zeichen, das dem Zeichen gleichkommt, welches euer Leben als Seminaristen des Römischen Priesterseminars inspiriert: „Mutter des Vertrauens.” Auch für Kolbe war sie die Mutter des Vertrauens, die sich durch besonderen Heroismus auszeichnete. Für uns alle und auch für euch alle ist sie die „Mutter des Vertrauens”: für euch Seminaristen, für euch Gäste und für euch Künstler; für uns Bischöfe und für den Bischof von Rom. Ich danke euch und segne euch! 757 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brief im Anschluß an die Ad-limina-Besuche der deutschen Bischöfe an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Karl Lehmann, vom 23. Februar Meinem verehrten Bruder Karl Lehmann Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz Lieber Mitbruder im Bischofsamt, nach dem Abschluß der Ad-limina-Besuche, die die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz in vier Gruppen während der letzten Wochen des vergangenen Jahres am Sitz des Nachfolgers des heiligen Petrus abgestattet haben, wollten Sie, lieber Herr Bischof, mit Ihrem Schreiben vom 27. Dezember einen zusammenfassenden Eindruck von den zahlreichen Begegnungen und Gesprächen geben, die Sie und Ihre Mitbrüder im Bischofsamt mit den Verantwortlichen der Dikasterien der Römischen Kurie und mit mir selbst hatten. Auch meinerseits darf ich Ihnen bestätigen, daß die jüngsten Begegnungen mit den Bischöfen Ihres Landes für mich und für meine Mitarbeiter eine Bereicherung darstellen und das Band der Einheit zwischen dem Apostolischen Stuhl und der Kirche in Deutschland gefestigt haben. Deshalb darf ich Ihnen, Heber Herr Bischof, meinen ausdrückHchen Dank aussprechen für die ausgezeichnete Atmosphäre und die große Bereitschaft, in brüderüchem Dialog den Anüegen der Kirche in Deutschland gerecht zu werden. Diesen Dank bitte ich allen MitgHedem der Deutschen Bischofskonferenz zu übermitteln. In unseren Gesprächen habe ich die Überzeugung gewinnen können, daß Sie und Ihre Mitbrüder von der lebendigen Sorge um eine zugleich der Überiieferung der Kirche treue und ebenso den Erfordernissen unserer Zeit angemessene Vermittlung des Glaubensgutes an die Menschen in Ihrem Land erfüllt sind und Sie sich dabei in großer Verantwortung vor dem Ihnen übertragenen Hirtendienst auch nicht von oberflächhchen und dem christHchen Glauben zuwiderlaufenden Zeiterscheinungen und Tendenzen beirren lassen wollen. In meinen Ansprachen habe ich versucht, viele wichtige Fragen, die uns gemeinsam bewegen, anzusprechen und die Mitbrüder im Bischofsamt zu ermuntern, diesen Problemen angemessen zu begegnen. Es ist für mich Freude und Genugtuung zugleich, daß diese Überlegungen Ihnen und Ihren Mitbrüdem im bischöflichen Hirtenamt eine Hilfe sind, Ihren Dienst gestärkt und ermutigt zu versehen. Darüber hinaus möchte ich den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß es gelingen möge, aus den sehr nützlichen und vertrauensvoHen Gesprächen, die Sie in Rom haben führen können, auch unter den Priestern, Ordensleuten, engagierten Laien und allen Gläubigen in Ihrem Land das unverzichtbare Band kirchlicher Einheit und Gemeinschaft zu stärken und zu beleben. 758 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihnen und Ihren Mitbrüdem im Bischofsamt bekräftige ich nochmals, was ich am 14. Dezember an die Bischöfe aus Nordwestdeutschland gesagt habe: „Laßt Euch auch in Zukunft nicht entmutigen, sondern setzt Eure Arbeit zusammen mit Euren Priestern, Diakonen, Ordensleuten und verantwortlichen Laien fort: Übermittelt ihnen den Ausdruck meines Vertrauens und die Zusicherung, daß ich um ihre Sorgen weiß und sie im Gebet vor den Herrn trage.” Die Versicherung meines besonderen Wohlwollens für die Anhegen und Aufgaben der Kirche in Deutschland verbinde ich mit der Fürbitte, daß die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria, die in Deutschland in zahlreichen kleinen und großen Gnadenorten von den Menschen um Schutz und Fürbitte angerufen wird, bei ihrem göttlichen Sohn für alle eintreten möge, die sich hingebungsvoll ihrer Fürsprache anvertrauen. Als Unterpfand der Fülle himmlischen Beistandes für Sie, Exzellenz, Ihre verehrten Mitbrüder im Bischofsamt und die Christgläubigen in Deutschland erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 23. Februar 1993 Joannes Paulus PP. II Das Gute ringt mit dem Bösen Predigt beim Gottesdienst in Santa Sabina am Aschermittwoch, 24. Februar 1. „Denk daran, daß du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst.” „Bekehrt euch, und glaubt an das Evangelium.” Dieses sind die' beiden Aufrufe für die Fastenzeit, die wir in der heutigen Liturgie vorfinden. Der eine stammt aus dem Buch Genesis (vgl. Gen 3,19), der andere aus dem Evangelium (vgl. Mk 1,15). Mit dem ersten Aufruf ist der liturgische Ritus der Auflegung der Asche eng verbunden: Die Asche erinnert einen jeden von uns daran, „daß er vom Staub genommen wurde und wieder zu Staub werden wird”. An der Schwelle der Fastenzeit spricht der Ritus auch den zweiten Aufruf an, wie es in dem soeben verlesenen Brief des Apostels Paulus gut zum Ausdruck kommt: „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung” (2 Kor 6,2). Doch die Botschaft der Fastenzeit enthält nicht nur den warnenden Hinweis auf den Tod. Die Kirche lebt, obwohl von der Grenze des Todes gezeichnet, doch im Blick auf die Auferstehung und das Leben.. Gewiß erneuert die Fastenzeit das strenge „Memento” des Todes, doch sie tut es, um uns anzuspomen, dem Leben entgegenzugehen, das den Tod vollständig und für immer überwindet. 2. „Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt” (Ps 51,6). Mit diesen Worten wendet sich König David an Gott, weil er sich der Schwere seiner Sünde bewußt ist. 759 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wie tief sind diese einfachen Worte: Sie zeigen die Schlichtheit des Gewissens, die Einfachheit der Wahrheit! Aber hat denn der moderne Mensch diese Schlichtheit nicht verloren? Hat er nicht vielleicht im Verlauf der Geschichte - und tut es auch heute noch - mit aller Leidenschaft versucht, den Begriff der Sünde in seinem Denken und seinem Leben auszulöschen? Er versucht auf verschiedene Weise das Böse nicht mehr böse und das Gute nicht mehr gut zu nennen. Man denkt unwillkürlich an das, was im Buch der Genesis vor dem Wort Gottes über den Tod des Menschen steht: „Staub bist du, zum Staub mußt du zurück” (Gen 3,19). Vorher steht dort nämlich ein anderes Wort: „Ihr werdet wie Gott sein”, aber es ist das Wort des „Vaters der Lüge” (Joh 8,44). 3. „Glaubt an das Evangelium ...” (Mk 1,15). Das Evangelium ist ein universaler und dringender Aufruf zum Guten; ein Aufruf, den keine andere Botschaft in vollständigerer Weise zum Ausdruck gebracht hat. Auch der heutige Abschnitt aus dem Matthäusevangelium knüpft in bedeutsamer Weise an diesen Aufruf an. Das Gute um des Guten willen tun, und nicht, um von den anderen „gesehen zu werden”. Der heutige Mensch scheint für diese Forderung nach Transparenz und Echtheit des Lebens besonders empfindsam zu sein: Das Gute tun, weil es gut ist, und zwar ohne Lohn zu erwarten. Gewiß sieht „der Vater, der im Himmel ist”, das vielfältige Gute, das zahlreiche Menschen unserer Zeit vollbringen. Auch dann, wenn sie „nicht von den Menschen gesehen werden wollen”, erkennt die Welt das von ihnen vollbrachte Gute an und weist darauf hin. Sie scheint ein gewaltiges Bedürfnis nach diesem Guten zu haben; vielleicht braucht sie es, um das Böse auszugleichen, das allzuoft vorzuherrschen scheint. Der Apostel hat gesagt: „Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute” (.Röm 12,21). Wir sind in einen geistlichen Kampf verwickelt: Das Gute ringt mit dem Bösen. Man kann vor dieser Tatsache nicht die Augen verschließen. Und darum dürfen wir auch niemals im Wachen nachlassen. Wir müssen in der Wahrheit leben. Die Gläubigen sind aufgerufen, in der Wahrheit zu leben, und können deswegen ihre Augen nicht vor der Tatsache eines derart radikalen Gegensatzes verschließen. 4. Die volle Wahrheit aber lautet: „Gott hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden” (2 Kor 5,21). Daher ist also die Fastenzeit eine Zeit des Heiles. Über die Sünde und alle menschliche Gerechtigkeit triumphiert „die Gerechtigkeit Gottes”, die uns im gekreuzigten und auferstandenen Christus geoffenbart worden ist. 760 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der hoffnungsvollen Botschaft von der göttlichen Gerechtigkeit, welche die Menschheit vom Bösen und von der Sünde erlöst, wird uns die volle und endgültige Dimension der Existenz und des Todes des Menschen enthüllt. Der strenge Weg der Fastenzeit, der mit der heutigen Feier beginnt, soll uns helfen, daß wir voll Vertrauen auf den Herrn des unsterblichen Lebens zugehen: Erneuert nach dem Bild unseres auferstandenen Herrn, werden wir ihm im Ostergeheimnis begegnen. In seinem Tod und in seiner Auferstehung werden wir unser vollendetes Heil verkündigen und feiern. „Lob sei dir, Christus, König der ewigen Herrlichkeit!” Amen. Mich dürstet Botschaft für die Fastenzeit 1993 vom 18. September 1992 Liebe Brüder und Schwestern! 1. In der heiligen Fastenzeit schlägt die Kirche aufs neue den Weg ein, der hinaufführt, auf Ostern zu. Unter der Führung Jesu und in seinen Fußstapfen leitet sie uns zu einer Durchquerung der Wüste an. Die Heilsgeschichte hat der Wüste eine tiefe religiöse Bedeutung gegeben. So konnte das auserwählte Volk, unter der Führung des Mose und später von anderen Propheten erleuchtet, inmitten von Entbehrungen und Leiden Gottes treue Gegenwart und Barmherzigkeit erfahren. Es nährt sich vom Brot, das vom Himmel fiel, und löschte seinen Durst mit dem Wasser, das aus dem Felsen sprang. Das Volk Gottes ist gewachsen im Glauben und in der Hoffnung auf das kommen des Messias und Erlösers. Auch Johannes der Täufer hat in der Wüste gepredigt, und die Massen zogen zu ihm hinaus, um als Zeichen der Buße in den Ort der Bekehrung, um den aufzunehmen, der kommen würde, um die Trostlosigkeit und den Tod - Folgen der Sünde - zu überwinden. Jesus, der Messias der Armen, die er mit seinen Gaben beschenkt (vgl. Lk 1,53), hat sich zu Beginn seines Sendungsauftrags in die Lage dessen versetzt, der in der Wüste Hunger und Durst leidet. Liebe Brüder und Schwestern, ich lade euch ein, in dieser Fastenzeit über das Wort des Lebens nachzudenken, das Christus seiner Kirche hinterlassen hat, damit sie den Weg jedes ihrer Mitglieder erleuchte. Erkennt die Stimme Jesu, der in dieser Fastenzeit besonders im Evangelium, bei den Gottesdiensten und in den Ermahnungen und Ermunterungen eurer Bischöfe zu euch spricht. Hört die Stimme Jesu, der vor Müdigkeit erschöpft und halb verdurstet am Jakobsbrunnen zur Samariterin sagt, „Gib mir zu trinken!” (Joh 4,7). Bückt auf den ans Kreuz geschlagenen, sterbenden Jesus und hört seine kaum vernehmbare Stimme: „Mich dürstet” (Joh 19,28). Heute wiederholt Christus seinen Anruf und in unseren ärmsten Brüdern erlebt er noch einmal die Qualen seines Todeskampfes. 761 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn uns die Kirche durch die Praxis der Fastenzeit auf den von Christus vorgezeichneten Wegen der Liebe und Hoffnung geleitet, macht sie uns begreiflich, daß das christliche Leben ein schwindendes Interesse an den überflüssigen Gütern und das Aufsichnehmen einer Armut zur Folge hat, die uns frei und bereit macht, Gottes Gegenwart zu entdecken und unsere Brüder mit immer engagierter Solidarität und in einer immer weiter reichenden Gemeinschaft anzunehmen. Erinnert euch also an das Wort des Herrn: „Und wer einem von diesen Kiemen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist - amen, ich sage euch: Er wird gewiß nicht um seinen Lohn kommen” (Mt 10,42)! Und legt euer Herz und eure Hoffnung in diese anderen Worte: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, ... denn ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben” (Mt 25,34-35). 2. Damit die Mitglieder der Kirche während der Fastenzeit 1993 die Solidarität und brüderliche Liebe, die mit dem geistlichen Anliegen und Streben dieser gewichtigen Zeit des Jahres verbunden sind, konkret in die Tat umsetzen, bitte ich sie, den Männern und Frauen ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, die von der dramatischen Versteppung und wüstenartigen Verödung ihres Bodens heimgesucht werde, und sich um jene zu kümmern, denen es - wie das bereits auf zuviel Gegenden der Welt zutrifft - an diesem elementaren, aber für das Leben unentbehrlichen Gut, dem Wasser mangelt. Es beunruhigt uns heutzutage zu sehen, wie die Wüste vordringt und sich auf einst blühende und fruchtbare Landschaften erstreckt. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Ursache für die Unbebaubarkeit der zu Wüsten verödeten Landstriche wie auch für die Verunreinigung bis dahin gesunder Gewässer sehr oft der Mensch war. Wer die Güter der Erde nicht achtet und sie mißbraucht, handelt ungerecht, ja kriminell, denn sein Tun führt für unzählige Brüder und Schwestern zu Verelendung und Tod. Wir sind ernstlich besorgt, wenn wir sehen, daß ganze Völker, Millionen von Menschen in Armut gestürzt werden, unter Hunger und Krankheiten leiden, weil es ihnen an Trinkwasser mangelt. Der Hunger und zahlreiche Krankheiten hängen in der Tat auf engste mit der Dürre und mit der Verunreinigung der Gewässer zusammen. Tn Gebieten, wo es nur selten regnet und die Wasserquellen versiegen, wird das Leben immer anfälliger, geschwächt und geht so zurück, daß es schließlich verschwindet. Diese Heimsuchung erfahren riesige Gebiete Afrikas. Aber man begegnet ihr auch in machen Regionen Lateinamerikas und Australiens. Außerdem ist für alle ganz klar, daß die ungezügelte industrielle Entwicklung und die Anwendung von Technologien, die das naturgegebene Gleichgewicht stören, der Umwelt dadurch schwere Schäden zugefügt haben, daß, sie ernste Katastrophen auslösten. Wir laufen Gefahr, den künftigen Generationen in vielen Teilen der Welt das Drama des Durstes und der Wüsten als Erbe zu hinterlassen. Ich lade euch herzlich ein, die Einrichtungen, Organisationen und Sozialwerke großzügig zu unterstützen, die sich um Hilfe für die Völker bemühen, die von Nah- 762 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rungsmittelmangel oder Durst betroffen und den Schwierigkeiten eines ständigen, Vordringens der Wüste ausgesetzt sind. Ebenso ermuntere ich euch zur Zusammenarbeit mit den Forschem, die eine wissenschaftliche Analyse sämtlicher Faktoren der Ausdehnung der Wüstengebiete und die Entdeckung von Mitteln für eine entsprechende Abhilfe anstreben. Vermöchte doch die tätige Hochherzigkeit der Söhne und Töchter der Kirche, ja aller Menschen guten Willens die Erfüllung der Prophezeiung des Jesaja zu beschleunigen: „In der Wüste öffnen sich Quellen, und Bäche fließen in der Steppe. Der glühende Sand wird zum Teich, und im durstigen Land sprudelt Wasser hervor” {Jes 35,6-7)! Von ganzem Herzen segne ich euch im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Aus dem Vatikan, am 18. September 1992 Joannes Paulus PP. II Den erniedrigten Frauen und wehrlosen Kindern beistehen Ansprache während einer Audienz anläßlich der Herausgabe der päpstlichen Weltfriedensbotschaften am 25. Februar Lieber Herr Nuntius, meine sehr geehrten Herren! Aus Anlaß des 25. Jahrestages der päpstlichen Weltfriedensbotschaften haben Sie, Heber Herr Nuntius, die wertvolle Initiative ergriffen, in Zusammenarbeit mit Herrn Professor Simon die Botschaften zum Welttag des Friedens während meines Pontifikates in einem Sammelband zu veröffentlichen. Nachdem Sie bereits ein erstes Werk mit den Botschaften meines verehrten Vorgängers Paul VI. zusammen mit Herrn Professor Bormann herausgegeben hatten, haben Sie erneut einen wichtigen Beitrag geleistet, um dem Wort der Nachfolger des hl. Petrus an die Katholiken und an alle Menschen guten Willens Gehör zu verschaffen. Meinen aufrichtigen Dank bekunde ich Ihnen allen, die Sie im politischen, diplomatischen, wissenschaftlichen und kirchlichen Leben stehen oder im Bereich der Medien tätig sind, für die mit hervorragender fachUcher Kompetenz ausgeführten Kommentierungen meiner Botschaften. Dankenswerterweise haben der österreichische Rundfunk und das Fernsehen bei der Vorstellung des Buches mitgewirkt. Ebenso haben die Herren Kardinäle Hans Hermann Groer und Franz König bei der Buchpräsentation das Wort ergriffen. 763 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Friede ist immer ein Werk der Gerechtigkeit und verlangt unser beständiges Bemühen und ernsthaftes Engagement. Unweit der Grenzen Eures Landes wird der Welt tagtäglich vor Augen geführt, wie Menschen und Völker gemartert werden und wie die menschliche Würde, vor allem die der erniedrigten und mißbrauchten Frauen und der wehrlosen Kinder, auf brutale Weise verletzt wird. Mein dringender Appell richtet sich an alle, die öffentliche Verantwortung tragen, damit sie alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um das Gut des Friedens und die Gerechtigkeit wiederherzustellen. Im Zusammenhang mit meiner diesjährigen Botschaft zum Weltfriedenstag und unter den nachhaltigen Eindrücken anläßlich meiner jüngsten Pastoraireise nach Afrika darf ich Ihnen ein weiteres Anhegen unterbreiten, das mir nicht weniger am Herzen liegt. Die industrialisierten Länder dürfen bei allen eigenen Problemen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Völker der Dritten Welt, besonders in Afrika, nicht ihrem eigenen Schicksal überlassen und diese von einem notwendig gemeinschaftlichen Fortschritt schlicht abkoppeln. Die Zukunft der Entwicklungsländer ist auch die Zukunft der bereits stärker industrialisierten Länder, deren Erfordernissen langfristig nur in solidarischer Mitverantwortung aller entsprochen werden kann. Diese Bitten richte ich an Sie, weil mir bewußt ist, daß die Republik Österreich sowie die Kirche in Ihrem Land große Anstrengungen zur Förderung des Friedens in Europa und zur Linderung der Not in der Dritten Welt unternommen haben und immer noch leisten. Die großzügige und beispielhafte Hilfe für die Flüchtlinge aus den Nachbarländern, die durch die Initiative „Nachbar in Not” besonders zum Ausdruck kommt, verdient hohe Anerkennung. Dafür gilt allen Gläubigen und Bürgern mein aufrichtiger Dank. Den Friedensbemühungen auf internationaler Ebene gerecht zu werden ist auch Ziel der Arbeit der Vertreter des Hl. Stuhls in den einzelnen Ländern. Auch wenn dieser Dienst oft in der Stille verrichtet wird, ist ihre Tätigkeit von großer Bedeutung, um dem Werk des Friedens, der unser aller Aufgabe ist, gerecht zu werden. Für die Verantwortung in Ihrem Land sowie für Ihren Dienst an der internationalen Gemeinschaft erbitte ich Ihnen allen Gottes weise Führung und erteile von Herzen meinen Apostolischen Segen. 764 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Rückgang von Berufungen darf den missionarischen Eifer nicht bremsen! Ansprache an die Teilnehmer der ersten Vollversammlung der Ständigen Kurienkommission für die gleichmäßige Verteilung der Priester auf Weltebene am 26. Februar Herr Kardinal, liebe Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Amt! 1. Es ist mir eine Freude, euch anläßlich der ersten Vollversammlung der Ständigen Kurienkommission für die gleichmäßige Verteilung der Priester auf Weltebene willkommen zu heißen, wohl wissend um die Arbeit, die ihr in diesen Tagen geleistet habt. Eure Absicht ist es, eine weltumspannende Strategie zur Intensivierung und Koordinierung des „Austausches der Gaben” unter den Teilkirchen zu erarbeiten. Es handelt sich dabei um ein Werk, das sich ausgezeichnet in das Programm der Neuevangelisierung einfügt, wie sie im Lauf des letzten Jahrzehnts in allen Kirchen in die Wege geleitet wurde; eine der grundlegenden Voraussetzungen dieser Neuevangelisierung ist gerade die Präsenz zahlreicher und gut ausgebildeter Priester. Eure Kommission für die gleichmäßige Verteilung der Priester auf Weltebene ist sehr jung. Die Idee ihrer Errichtung tauchte unmittelbar nach Abschluß der Vollversammlung der Bischofssynode von 1990 auf. Das Zeugnis einiger Synodenväter legte damals die dramatische Situation vieler christlicher Gemeinden offen, die infolge des Priestermangels gezwungen sind, auf die sonntägliche Eucharistiefeier und die nötige religiöse Unterweisung zu verzichten, weshalb sie der Mitgliederwerbung der Sekten ganz besonders ausgesetzt sind. Amgesichts dieser Lage schlug die Synodenversammlung vor, nach entsprechenden Lösungen zu suchen, damit dem Priestermangel in den betroffenen Regionen abgeholfen werden kann. Diesen Vorschlag der Synode aufgreifend, beschloß ich laut Art. 21, Par. 2 der Konstitution Pastor bonus, eine Ständige Kurienkommission für die gleichmäßige Verteilung der Priester auf Weltebene zu errichten. 2. Freilich muß man feststellen, daß das Problem des Priestermangels nicht neu, sondern in anderen Formen und in anderem Ausmaß bereits zu anderen Zeiten aufgetreten ist. Von grundlegender Bedeutung war hier die von Pius XII. mit der Enzyklika Fidei donum (21. April 1957) eingeführte Regelung, die zahlreichen Di-özesanpriestem den direkten, persönlichen Weg in die Missionsgebiete öffnete. Indem das Zweite Vatikanische Konzil diese Linie weiterverfolgte, erneuerte es die Aufforderung an die Priester der an Berufungen reichen Diözesen, sich „gern bereit (zu) zeigen, mit Erlaubnis oder auf Wunsch des eigenen Ordinarius ihren Dienst in Gegenden, in Missionsgebieten oder in Seelsorgeaufgaben auszuüben, in denen es an Klerus mangelt” (Presbyterorum ordinis, Nr. 10; vgl. Christus Dominus, Nr. 6; Ad gentes, Nr. 35). Zur praktischen Verwirklichung der Konzilsdekrete errichtete mein verehrter Vorgänger Paul VI. mit dem Motu Proprio Ecclesiae Sanctae 765 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (6. August 1966) im Rahmen der Kongregation für den Klerus eine eigene Kommission „mit der Aufgabe, Richtlinien für eine bessere Verteilung des Klerus unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der verschiedenen Kirchen herauszugeben” (1,1). Nach reiflicher Beratung wurde hierauf das Dokument Postquam Apostoli (25. März 1980) veröffentlicht, das den Zweck verfolgt, die genauen Richtlinien für die Zusammenarbeit zwischen den Teilkirchen und insbesondere für eine bessere Verteilung des Klerus in aller Welt festzulegen. Diese von höchster Stelle ergangenen Aufrufe wurden von Tausenden von Di-özesan- und Ordenspriestem hochherzig aufgenommen, die sich im Lauf der letzten dreißig Jahre für die Ausübung ihres Priesterdienstes in Gemeinden zur Verfügung stellten, die dessen bedurften. 3. Diese Initiativen des „Austausches” unter den Diözesen entsprechen einer vordringlichen Notwendigkeit der kirchlichen Gemeinschaft. Vom Heiligen Geist ins Leben gerufen und in der rechtmäßigen Feier der Eucharistie voll zum Ausdruck gebracht, möchte diese Gemeinschaft sich im konkreten Leben der Einzelpersonen kundtun, die sich der Leiden und Nöte ihrer Brüder und Schwestern tatkräftig annehmen. War das etwa nicht auch der Stil der ersten christlichen Gemeinden? Immer bereit, über den Glauben ihrer Brüder und Schwestern glücklich zu sein (Röm 1,8; 1 Thess 1,7), zeigten sie sich bereit, auch die Schwierigkeiten.zu teilen (2 Thess 1,4) und durch die Aussendung von Personal (Apg 13,3) und materiellen Hilfsgütem (Röm 15,25-28) ihren Nöten abzuhelfen. Der gleiche Stil muß die heutigen christlichen Gemeinden kennzeichnen: Es handelt sich nicht um eine einseitige, sondern um eine wechselseitige Zusammenarbeit. Tatsächlich besteht ja, wie das Dokument Postquam Apostoli feststellt, „eine echte Wechselseitigkeit zwischen der gebenden und der empfangenden Kirche, da die Armut einer - der empfangenden - eine andere - die gebende, die sich einen Verzicht auferlegt - bereichert, indem sie den apostolischen Eifer der reicheren Gemeinde entfacht und vor allem indem sie ihre oft äußerst nützlichen pastoralen Erfahrungen weitergibt” (Nr. 15). Wie die jungen Kirchen zweifellos der Unterstützung durch die Kräfte und Mittel der älteren bedürfen, so können auch die früher gegründeten Kirchen aus dem Zeugnis und der Lebenskraft der ersteren großen Nutzen ziehen. In diesem Sinn dürfte die Haltung der lateinamerikanischen Bischöfe, wie sie in Puebla definiert und kürzlich in Santo Domingo bestätigt wurde, beispielgebend sein: „Mit der eigenen Armut andere beschenken.” 4. Angesichts dieser Dynamik und dieser Bereitschaft zum Austausch unter den Teilkirchen konnte der Hl. Stuhl nicht abseits stehen. Obwohl den Bischofskonferenzen „die wichtigste und unersetzliche Rolle für eine wirksamere Zusammenarbeit zwischen den Teilkirchen zukommt” (Postquam Apostoli, Nr. 18), ist-die Aufgabe, „in Liebe vorzustehen”, der Kirche von Rom eigen, welche eine Möglichkeit finden muß, auch in diesem Bereich zu Wort zu kommen. 766 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ohne die Bischofskonferenzen und ihre ausdrücklich mit der innerkirchlichen Zusammenarbeit betrauten Stellen ersetzen zu wollen, möchte der Hl. Stuhl sich für die Verbindung, Koordinierung und Überprüfung zur Verfügung stellen, um die Hochherzigkeit zu fördern, auf Notwendigkeiten hinzuweisen und die Prioritäten aufzuzeigen. Aufgabe eurer Kommission ist es daher vor allem, die Aufmerksamkeit der Teilkirchen auf die Dringlichkeit eines „Austausches der Gaben” hinzuweisen, was eine möglichst ununterbrochene und die ganze Gemeinde erreichende Information und Bekanntmachung erfordert. Darüber hinaus ist die Kommission dazu berufen, die Erfahrungen der Priester „Fidei donum” und den Einsatz der Ordensgemeinschaften für jene pastoralen Prioritäten nutzbar zu machen, die im Rahmen des Gesamtplanes der Neuevangelisierung besonders in Erscheinung treten. 5. Zweifellos gehört zu diesen Prioritäten das Bemühen, die Priesterberufe gerade in jenen Diözesen zu vermehren, in denen es an Priestern mangelt. Für jede Situation muß hier der richtige Weg gefunden werden. Notwendig und dringend ist es, daß jede Diözese ein Programm für ihre Berufungspastoral ausarbeitet und Priester für seine Verwirklichung freistellt; daß darüber hinaus die bestehenden Priesterseminare besser qualifiziert und neue, mit gut ausgebildetem Personal versehene errichtet werden. Viele Teilkirchen in verschiedenen Regionen der Welt wissen sehr wohl, daß es ihnen derzeit an den Kräften fehlt, welche für die erhoffte Förderung der Berufungen erforderlich wären. Das bezeugen zahlreiche Anfragen, die mit entsprechenden Bitten ständig beim Hl. Stuhl eintreffen. Es ist daher unerläßlich, daß die an Priestern reicheren kirchlichen Gemeinden zum „Austausch” bereit sind, um den „bedürftigeren” Teilkirchen Priester für die Berufungspastoral, für die Neubelebung der Seminare und die Organisation von Zentren für Pastoralhelfer zur Verfügung stellen zu können. Auch die Ordensgemeinschaften sind aufgerufen, vordringlich an diesem äußerst wichtigen Dienst der Ausbildung mitzuwirken. 6. Verehrte Mitbrüder im priesterlichen und bischöflichen Amt! Wer geben kann, darf nicht gleichgültig bleiben. Die Zukunft der Kirche hängt von dieser Großmut ab, einer Großmut, die nicht nur das Überflüssige in Betracht zieht, sondern alle kirchlichen Gemeinden auffordert, das, was sie besitzen - und sei es auch wenig -, mit anderen zu teilen und dabei auf das Versprechen des Herrn zu vertrauen: „Gebt, dann wird euch gegeben werden. In reichem, vollem, gehäuftem, überfließendem Maß Wird man euch beschenken” (Lk 6,38). Der Rückgang der Berufungen darf nie den missionarischen Eifer bremsen! Gerade diese Aufgeschlossenheit des Herzens, dieses Teilen dessen, was man besitzt, veranlaßt Gott, seine Gaben zu vervielfachen. Der Herr, Hüter und Hirt seines Volkes, möge euren Dienst an der Gemeinschaft der Teilkirchen und an der Verbreitung des Evangeliums fruchtbar machen. Maria, 767 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Morgenstern der Evangelisierung, erleuchte und beschütze euch immer. Ich segne euch aus ganzem Herzen und mit aufrichtiger Dankbarkeit. Arbeiter im Dienste der Evangelisierung Schreiben an den hochw. Pater Pierre Drouin, Generalsuperior der Kongregation von Jesus und Maria, vom 27. Februar Im Jahre 1643 gründete der hl. Johannes Eudes die Kongregation von Jesus und Maria in Caen mit einer Gmppe von Priestern, denn er wollte ein Seminar eröffnen. Es war, um seinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen, „an dem Tag, an dem der Sohn Gottes Fleisch annahm und die heilige Jungfrau zur Mutter Gottes erwählt wurde” 0Gesammelte Werke XII, 112, französisch). Da nun die Kongregation auf 350 Jahre seit ihrer Gründung zurückschaut, vereinige ich mich gern mit ihrer Danksagung und dem hoffnungsvollen Gebet aller Eudisten und der mit ihnen Verbundenen. Als Priester, Priesteramtskandidaten und Laien, die in eurer Gemeinschaft des apostolischen Lebens vereint sind, schaut ihr dankbar zur heiligen Gestalt dessen empor, der ein unermüdlicher Missionar war, ständig bemüht, gute Arbeiter für das Evangelium heranzubilden. Der hl. Johannes Eudes nahm im religiösen Frankreich des 17. Jahrhunderts einen hervorragenden Platz ein; er trug in sehr persönlicher Weise zu der tiefen geistlichen Bewegung bei, die später „französische Schule” heißen sollte, und er antwortete damit entschieden auf die Bedürfnisse und Aufrufe seiner Zeitgenossen durch Predigt, Schriftlesung oder auch die vielfältigen Initiativen auf dem Gebiet der Schulbildung und der Caritas. Euer Gründer hinterließ euch ein geistliches Erbe von hohem Wert, das eure Kongregation immer noch anregt. So erkennen die Konstitutionen, die getreu der Regula Domini Jesu von Johannes Eudes folgen, als „Grundlagen” im Leben der Eudisten an: die göttliche Gnade, um sie anderen mitzuteilen; den Willen Gottes, um ihm zu dienen; das Kreuz Jesu, um dem Herrn nachzufolgen; eine tiefe Liebe zu Jesus und Maria, denen die Kongregation als ihre Familie angehört (vgl. Nr. 3). Es ist gut, heute erneut die wesentüchen Gedanken eures Gründers zu vertiefen. Er schaute ohne Unterlaß auf Christus, den einzigen Sohn Gottes, der für das Heil der Welt hingegeben wurde. Er war von der Botschaft des Wortes Gottes derart durchdrungen, daß er die seinen Mitbrüdem vorgelegten Regeln in den Worten der heiligen Schriften formulierte. Harmonisch verband er die Tiefe der theologischen Reflexion, die beim hl. Paulus und dem hl. Johannes ihre Nahrung fand, mit der geistlichen Glut eines an Liebe reichen Gebetslebens. Stellte er sich nicht selbst dar, wenn er schrieb: „Wir müssen vom Geist Jesu erfüllt sein, von seinem Leben leben, seinen Fußstapfen folgen, mit seinen Empfindungen und Neigungen bekleidet sein und all unser Tun in der Bereitschaft und nach den Absichten vollbringen, in denen er sein 768 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tun vollzog” (Royaume de Jesus, 11,2 )? Er verstand und wußte auch die Fruchtbarkeit der Verehrung des Herzens Jesu darzustellen, zu deren Ausbreitung er beitrug. Nie trennte er die Betrachtung Jesu von der seiner Mutter: „O Jesus, einziger Sohn Gottes und einziger Sohn Mariens, ich betrachte dich und bete dich an, wie du lebst und herrschest in deiner heiligsten Mutter und wie du ganz in ihr bist und alles in ihr vollbringst” (Royaume de Jesus, V,9). Als die Zeit seiner Verehrung begann, wurde er auch als „Vater, Lehrer und Apostel der Verehrung der Heiligsten Herzen” anerkannt, so sehr liebte er das Herz Jesu und das Herz Mariens. Der Jahrestag, den sie nach dreieinhalb Jahrhunderten einer zuweilen aufgewühlten Geschichte der Kongregation begehen, ist für die Eudisten eine Einladung, zum Andenken an ihren Gründer und seine Botschaft als die lebendigen Wurzeln ihrer heutigen Berufung zurückzukehren. Die Inspiration zurückgewinnen, die das Institut entstehen ließ, und die Erfahrung, die durch die folgenden Generationen ihrer Mitglieder ohne Unterlaß erneuert wurde, das alles ist eine Gnade. Ihr empfangt sie, damit sie den Weg erhelle, den ihr mit Begeisterung in der Sendung vereint, die ihr angesichts der neuen Aufrufe unserer Zeit wieder aufgreifen sollt. „Die Eudisten wirken als Arbeiter der Evangelisierung für die Erneuerung des Glaubens im Volke Gottes” (Konstitutionen, 2). Die Sendung nimmt je nach Zeit und Ort verschiedene Formen an; doch der totale Einsatz des hl. Johannes Eudes bleibt für seine Söhne ein Beispiel und eine Anleitung, sich der Verkündigung der Frohbot-schaft vom Heil zu widmen, damit ihre Brüder und Schwestern sich dem Licht der Liebe Jesu und Mariens öffnen. Sie arbeiten vor allem „für die Heranbildung von Laien im Hinblick auf die verschiedenen apostolischen Aufgaben” (Konstitutionen, 33). Ich möchte die Eudisten heute besonders ermuntern, jenes Wirken weiterzuführen, das ihre Gründung angeregt hat: die Heranbildung von Priesteramtskandidaten und die ständige Weiterbildung der Priester. Die Verhältnisse haben sich gewandelt, doch die Grundlage bleibt die gleiche. Der hl. Johannes Eudes besaß vom Priester eine sehr erhabene Auffassung. Er schrieb dazu an seine Brüder: „Der Sohn Gottes verbindet euch mit sich selber in seinen erhabensten Vollkommenheiten und seinen ganz göttlichen Handlungen: denn er macht euch seiner Eigenschaft als Mittler zwischen Gott und den Menschen teilhaftig ...” (Memorial de la vie ecclesiastique, I). Wir müssen uns dafür einsetzen, daß dieser Mittlerdienst hochherzig und gut unterrichtet ausgeführt wird. Ich darf diese Botschaft an euch richten ein Jahr nach Veröffentlichung des Schreibens Pastores dabo vobis, das im Anschluß an die Bischofssynode „über die Ausbildung der Priester im Kontext der Gegenwart” erschienen ist. Ich weiß, die Kirche kann mit den Söhnen des hl. Johannes Eudes rechnen, da sie unter den ersten sind, die diese wesentlichen Weisungen ins Werk setzen. Mögen sie nun vorangehen, begeistert und zugleich anspruchsvoll sich selbst und jenen gegenüber, zur deren Ausbildung sie beitragen, damit die christlichen Gemeinschaften vom Herrn die Arbeiter für die Ernte erhalten, die sie im Gebet erfleht haben. 769 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der hl. Johannes Eudes war ferner der Gründer oder Anreger einer großen Familie von Instituten, die seiner Spiritualität, seinem apostolischen Eifer und dem Antrieb treu gebheben sind, den er dem karitativen Wirken zu geben wußte. So ist es nur recht, daß die Männer und Frauen, welche das gleiche Erbe teilen, sich mit der Freude und Hoffnung ihrer Brüder, der Eudisten, vereinigen. Ich möchte diese Botschaft schließen, indem ich, an die Mitglieder der Kongregation von Jesus und Maria gewandt, eine Mahnung des hl. Johannes Eudes selbst aufgreife: „Schenkt euch Jesus hin, um in die unermeßliche Weite seines großen Herzens einzutreten, das das Herz seiner heiligen Mutter und das aller Heiligen umfaßt, und um euch in diesem Abgrund der Liebe, der Caritas^ der Barmherzigkeit, der Demut, Reinheit, Geduld, Unterwerfung und Heiligkeit zu verlieren” (Coeur admirabile. 111,2). Den Oberen, den Priestern und Laien der Kongregation wünsche ich das Glück, bei Gelegenheit der Gedenkfeiern dieses Jahres eine wirkliche innere Erneuerung zu erleben. Ich spreche ihnen das Vertrauen und die Dankbarkeit der Kirche für die Dienste aus, die sie in der Evangelisierung und zumal in der Heranbildung der Priester auf drei Kontinenten, nämlich in Europa, Amerika und Afrika, leisten. Ich rufe mit ihnen den hl. Johannes Eudes an. Zur Mutter des Herrn, zu ihrem wunderbaren Herzen flehend, vertraue ich sie alle und ihren Dienst Christus, dem Priester, an. Von Herzen erteile ich ihnen meinen apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 27. Februar 1993 - Joannes Paulus PP1. II Die volle Gemeinschaft der Kirchen wiederherstellen Brief an den Präsidenten der Schweizer Bischofskonferenz anläßlich der Ernennung von zwei Weihbischöfen für die Diözese. Chur vom, 1. März Meinem Mitbruder im Bischofsamt, Msgr. Pierre Mamie, Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz „Gnade und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus” {Tit 1,4)1 Lieber Bruder, mit diesen Worten aus dem Brief des hl. Paulus an Titus grüße ich Dich recht herzlich. In der ständigen Sorge für die ganze Kirche, die Petras und seinen Nachfolgern nach dem Willen Christi aufgetragen ist, verfolge ich mit großer Aufmerksamkeit die verschiedenen Probleme, vor denen die Kirche in der Schweiz steht, zumal jene, welche die Diözese Chur betreffen. 770 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nach den Begegnungen, die ich mit Dir und meinen übrigen Brüdern im Bischofsamt in Eurem Land hatte, ferner aufgrund der zahlreichen Informationen, die mir von seiten glaubwürdiger Personen zugeleitet wurden, bin ich zu einer besseren Kenntnis der aktuellen Schwierigkeiten in dieser Diözese gelangt und habe auch den lebhaften Wunsch der Priester und Gläubigen zur Kenntnis genommen, man möge alle Anstrengungen unternehmen, damit die volle kirchliche Gemeinschaft wiederhergestellt werde. Nachdem ich lange gebetet und überlegt und Hinweise von den zuständigen Personen erhalten habe, bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß die Ernennung von zwei Weihbischöfen im Augenblick die beste Verfügung ist, um die entstandenen Schwierigkeiten zu überwinden. Die hochwürdigen Patres Peter Henrici SJ und Paul Vollmar SM, die erwählt wurden, um dem Bischof von Chur zu helfen, sind Priester, die sich nicht nur durch ihre menschlichen, priesterlichen und pastoralen Eigenschaften, sondern auch durch ihre aufrichtige Liebe zu ihrem Vaterland und zur Kirche auszeichnen. Ich bin daher sicher, daß sie sich hochherzig der Erfüllung ihrer Sendung im Dienst der Einheit in diesem geliebten Teil des Volkes Gottes widmen werden. Ich bitte Dich daher, Heber Bruder, ebenso wie alle Bischöfe der Schweiz, diese beiden Bischöfe in brüderlicher Zuneigung aufzunehmen. In ihrer ersten Zeit vor allem brauchen sie die loyale und selbstlose Unterstützung, die ihnen helfen kann, die Herzen der Bevölkerung von Chur zu gewinnen. Ich bin besonders daran interessiert, daß die Priester und Gläubigen dieser Diözese wie auch die öffentliche Meinung der ganzen Konföderation-über die eigenthche, hinter dieser Maßnahme stehende Absicht informiert werden: nämlich zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft in einer Kirche beizutragen, die auf ehrwürdige und herausragende christHche Traditionen zurückblickt. Daher wäre ich Euch für all das sehr dankbar, was Ihr gemeinsam mit den anderen Bischöfen tun wollt, damit dieses Ziel erreicht wird und so ein klares Zeugnis für Eure Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus und mit der ganzen Kirche gegeben wird. In dieser heiklen Situation, die für alle Schweizer Katholiken einen Aufruf zur Umkehr und eine Einladung zur Hoffnung darstelle, vertraue ich den Klerus und die Gläubigen der Diözese Chur und der übrigen Diözesen der seligsten Jungfrau Maria an, der Mutter Gottes und Mutter der Kirche, ferner dem hl. Nikolaus von Flüe, dem Hauptpatron der Schweizer Konföderation, damit sie für alle die Gnade der Erneuerung ihres Engagements erflehen, das Evangehum Christi an der Schwelle des kommenden dritten christlichen Jahrtausends zu verbreiten. Mit dem Gruß dessen, der, von den Toten auferweckt, für immer lebt und uns erneut sagt: „Friede sei mit euch” (Joh 20,19), erteile ich Dir und den übrigen Hirten sowie allen Gläubigen der Schweiz meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 1. März Joannes Paulus PP. II 771 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mut zum Frieden haben Botschaft an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Boutros Boutros-Ghali, vom 1. März Angesichts der Herausforderungen der Geschichte haben es die Menschen verstanden, auch den größten Schwierigkeiten zu begegnen durch Zuhilfenahme der Kräfte, die ihnen der allmächtige Gott in seiner barmherzigen Güte in Herz und Verstand eingesenkt hat. Heute ist die Welt ohnmächtige Zeugin des Dramas, das die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina seit Monaten heimsucht, und die internationale Gemeinschaft möchte den Opfern dieses schrecklichen Krieges zu Hilfe kommen: den verletzten Kindern, den Waisen, die ohne Zukunft und angesichts der Grausamkeit des Lebens mutlos sind; den vergewaltigten, gefolterten oder auf die Straße, in Kälte und Verlassenheit gestoßenen Frauen, die versuchen, mit dem, was von ihrer Familie geblieben ist, irgendwie zu retten, was noch zu retten ist; den Obdachlosen, meist älteren Männern, die gezwungen sind, das zu verlassen, was das Glück ihres ganzen Lebens ausgemacht hatte. Ganze Dörfer werden zerstört, Häuser niedergebrannt und auch Kultstätten, Kirchen oder Moscheen, dem Erdboden gleichgemacht, als wollte man jedes Zeichen von Transzendenz beseitigen. Die menschlichen Gemeinschaften und die Familien werden entzweigerissen. Das für jeden einzelnen so kostbare Leben zählt nicht mehr. Tod, Folter, Gewalt und Vertreibung sind die vielfältigen Gesichter des Hasses, der die Volksgruppen gegeneinander aufbringt, die verschiedene kulturelle, ethnische und religiöse Wurzeln haben, aber aufgrund der Geographie und der Geschichte in enger Nachbarschaft leben. „Nie wieder Krieg, nie wieder!”, rief mein verehrter Vorgänger, Papst Paul VI., am 4. Oktober 1965 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus. Angesichts der Tragödie von Bosnien-Herzegowina bitte ich als Oberhirt der katholischen Kirche alle Menschen guten Willens, die bei der Organisation der Vereinten Nationen tätig sind, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dem Konflikt ein Ende zu bereiten. Das Wort Gottes klingt in unseren Ohren: „Was hast du getan! Das Blut deines Bruders schreit zu mir empor” (Gen 4,10). Was haben wir getan, was müssen wir tun, damit diese Spirale des Schreckens, der Gewalttätigkeit und der Vernichtung des Menschen durch den Menschen aufhört? Die Organisation der Vereinten Nationen ist heute das angemessenste Forum, damit die internationale Gemeinschaft, ihre Verantwortung gegenüber einigen ihrer Mitglieder wahmimmt, die selber nicht in der Lage sind, ihr Verschiedensein zu akzeptieren. Die Autorität des Rechtes und die moralische Kraft der obersten internationalen Instanzen bilden die Grundlagen, auf denen das Interventionsrecht zum Schutz von Volksgruppen beruht, die wegen des mörderischen Wahnsinns von Kriegstreibern zu Geiseln geworden sind. 772 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Dialog, an dem die Verantwortlichen der Konfliktparteien beteiligt sind, sollte ihnen helfen, sich gegenseitig zu achten, anstatt sich anzufeinden; ihre ganze Energie dafür einzusetzen, daß die in Gang befindlichen Kämpfe aufhören, nicht aber, um politische Vorteile zu suchen; ihre Nation auf den soliden Fundamenten der Gerechtigkeit, die Voraussetzung des Friedens ist, aufzubauen, statt ehrgeizige Pläne zu verfolgen, die sie nur zerstören können. Indem ich Ihnen den Schmerz ausspreche, den ich angesichts dieses Konfliktes im ehemaligen Jugoslawien empfinde, aber auch das Vertrauen zum Ausdruck bringe, das ich in das Wirken der Vereinten Nationen für den Frieden setze, bitte ich Sie, Herr Generalsekretär, dies den Mitgliedern des Sicherheitstruppe mitzuteilen, die dafür verantwortlich sind, über das Schicksal der betroffenen Völker zu wachen. Diese Volksgruppen selbst und die ganze internationale Gemeinschaft werden ihnen dafür dankbar sein, daß sie den Mut zum Frieden gehabt und keine Anstrengung, kein Opfer und kein Mittel gescheut haben, um diesen Völkern den Frieden, den Flüchtlingen und Vertriebenen wieder eine Unterkunft, den Waisen ein Zuhause und den Gläubigen einen Ort des Gebets zu schenken. Herr Generalsekretär, ich bitte Sie, zusammen mit meinem Dank für Ihr Engagement zugunsten des Friedens in Bosnien-Herzegowina den Ausdruck meiner ergebensten Wertschätzung entgegenzunehmen. Aus dem Vatikan, den 1. März 1993 Joannes Paulus PP. II Das weltweite Flüchtlingsproblem: eine Herausforderung zur Solidarität Botschaft an den Präsidenten der internationalen Stiftung „Weg zum Frieden”, Rene Valery Mongbe, vom 5. März Anläßlich des Treffens über die Flüchtlingsfrage, die als eine „Herausforderung an die Solidarität” verstanden wird, möchte ich mich durch diese Botschaft eurem Wunsch anschließen, die Stimmen all der Opfer der vielen Umbrüche unserer Zeit vor der Organisation der Vereinten Nationen zu Gehör zu bringen. Die Aufgabe dieser internationalen Organisation besteht darin, auf höchster Ebene den Willen zur Zusammenarbeit und Solidarität der Nationen weltweit zu bekunden; ihrer Natur entsprechend ist die UNO dazu berufen, über den Schutz der Grundrechte aller Menschen sowie über die Suche nach dem Frieden und die Entwicklung aller Völker zu wachen. Unsere Kontinente werden derzeit mit der Tragödie der brutalen Entwurzelung von Millionen von Menschen konfrontiert; sie ist die Folge von bewaffneten Konflikten, ethnischen Rivalitäten, der Verletzung der fundamentalen Menschenrechte, von religiösen Verfolgungen, Naturkatastrophen oder Umweltkatastrophen, die der 773 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mensch selbst verschuldet hat. Die Flüchtlinge und die Vertriebenen, die innerhalb oder außerhalb der Grenzen ihres Landes die Heimat verloren haben, werden in ihrer unveräußerlichen Würde getroffen, an Leib und Seele geschädigt und ihrer Recht beraubt, während die Verantwortlichen dieser erpresserischen Aktionen ungestraft bleiben. - In den Augen der Flüchtlinge und zumeist der Frauen und Kinder habe ich das Leid zerstörten Lebens gesehen und die Furcht vor der Enttäuschung. Ihre Hände, die sie in den vielen Ländern, die ich besucht habe, nach mir aus streckten, riefen mich dazu auf, ihre Hoffnung zu stärken, für sie Gerechtigkeit zu fordern und der Weltöffentlichkeit wiederum zu sagen, daß sie das Recht auf Heimat, auf Land, auf eine Kultur haben und das Recht sich ihrer in Frieden, Freiheit und Würde zu erfreuen. Wiederholt habe ich erklärt, daß das Leiden der Flüchtlinge „eine Plage ist, die typisch und bezeichnend ist für die Ungleichgewichte und Konflikte der heutigen Welt” (Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 24).. Als Ausgangspunkt für eure Überlegungen habt ihr das vom Päpstliche Rat „Cor Unum” und dem Päpstlichen Rat für die Seelsorge der Migranten und Menschen unterwegs veröffentlichten Schreiben gewählt mit dem Titel: „Die Flüchtlinge - eine Herausforderung an die Solidarität.” Dieses Dokument beweist noch einmal das Interesse des Hl. Stuhls an diesem Problem. In Zusammenarbeit mit zahlreichen Menschen guten Willens begleitet die Kirche die Flüchtlinge ins Exil; Freiwillige, Priester und Ordensleute helfen ihnen, arbeiten mit bei der Kindererziehung, sorgen für pastoralen Beistand und teilen das Alltagsleben mit ihnen. All diese hochherzigen Menschen und die von ihnen geschaffenen Organisationen sind ein Zeugnis menschlicher Solidarität und Liebe zu den „Kleinsten” unserer Brüder und Schwestern: ein Zeugnis, das uns den Weg weist, der zu gehen ist. Während die internationale Gemeinschaft daran arbeitet, die Folgen jahrzehntelanger ideologischer Auseinandersetzungen zu heilen, steht sie neuen massiven Flüchtlingsströmen gegenüber, die von übersteigertem Nationalstolz, von politischer Instabilität oder von Stammesfehden verschuldet werden. Es sind sogar Kriege ausgebrochen, die, indem sie sich auf die unmoralische Zielsetzung der ethnischen Säuberung stützen, einen neuen Auswanderungsstrom von Menschen hervorrufen wollen. Leicht entsteht die Versuchung, die Tore zu schließen, die Aufnahme zu verweigern oder gar gleichgültig zu bleiben und sich an die verzweifelte Lage und den langsamen Tod von Millionen von Flüchtlingen zu gewöhnen, deren Gegenwart ein offensichtliches Zeichen für die Unfähigkeit ist, die Gewalt und den Bruch der Brüderlichkeit zu meistern. Ihr wißt indessen, daß nur der Weg der Versöhnung und des Gesprächs zum Frieden führt und harmonische Beziehungen wiederherstellen kann. Das Schreiben, mit dem ihr euch befaßt, erinnert daran, daß „es so lange Flüchtlinge, also Opfer von Machtmißbrauch, gegeben wird, wie sie Beziehungen zwischen Personen und Na- 774 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tionen nicht auf eine echte Fähigkeit gegründet sind, einander in Verschiedenheit und gegenseitiger Bereicherung immer mehr anzunehmen” (Nr. 8). Heute ist die internationale Gemeinschaft mehr denn je dazu aufgerufen, eine gerechtere und menschlichere Welt zu bauen, wo der Frieden gefestigt, die Minderheiten geachtet und die Menschen die Freiheit haben, ihre Religion auszuüben und ohne Angst in ihrer Heimat und ihren Ländern zu leben mit den Mitteln, die für den Lebensunterhalt ihrer Familien notwendig sind. Zugleich müssen die Flüchtlingshilfe sowie die Entwicklung des rechtlichen Schutzes der verschiedenen Menschengruppen, die zwangsweise ihre Heimat verloren haben, weitergeführt werden. Mit Befriedigung stelle ich fest, daß bereits Fortschritte erzielt wurden. Dank der zahlreichen Organismen, die hierfür tätig sind - an erster Stelle wäre der Hohe Flüchtlingskommissar zu nennen -, erhält die Mehrheit der Flüchtlinge in den Entwicklungsländern eine Unterstützung, in Form einer Soforthilfe. Doch dieselben Stellen wachen auch darüber, daß für die Entwicklung der Herkunfts- wie auch der Gastländer wirtschaftliche und politische Unterstützung geleistet wird, damit das Recht auf Rückkehr bzw. eine eventuelle Eingliederung sichergestellt wird. Immer mehr Staaten geben zu, daß ein internationales Flüchtlingsstatut verfaßt und die Last seiner konkreten Umsetzung geteilt werden muß. Zweifellos habt ihr über das stets aktuelle Asylrecht, über das Recht, sich an einem neuen Ort anzusiedeln, und über das Recht auf freie Rückkehr in die Heimat, nachgedacht. Ihr wißt, daß die humanitäre Hilfe, und sei sie auch noch so wichtig, nicht an die Stelle des politischen Handelns treten kann. Um das Flüchtlingsproblem zu lösen, ist die Solidarität aller - der Staaten, der nichtstaatlichen Organisationen und der Einzelpersonen - notwendig, um das Schweigen oder die Gleichgültigkeit zu brechen, den Mord an ganzen Bevölkerungen zu verhindern und eine politische Lösung der Grundprobleme zu erreichen, die breite Teile der Menschheitsfamilie zu zerstören drohen. Nun; da wir an der Schwelle des dritten Jahrtausends stehen, möchte ich dringend zur allseitigen Entwicklung eines Geistes der Aufnahme und der hochherzigen Solidarität aufrufen, der die Rechte aller Menschen achtet. Wenn die Bereitschaft besteht, in diesem Geist zu handeln, so wird die Möglichkeit geschaffen, wirksam zusammenzuarbeiten und die zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Flüchtlinge zu schützen; außerdem wird auf diese Weise die Kraft entwickelt, die unentbehrlich ist, um die Leiden all der Menschen zu heilen, die ihrer Heimat beraubt sind, schließlich kann eine Zukunft gebaut werden, in der es keine Flüchtlinge mehr gibt. Indem ich mir inständig wünsche, daß eure Überlegungen und Appelle breites Verständnis und Gehör finden, vertraue ich eure Arbeiten der Barmherzigkeit des Herrn an und bitte ihn, euch sowie alle Flüchtlinge der Welt, denen ihr dienen möchtet, zu segnen. Aus dem Vatikan, 5. März 1993 Joannes Paulus PP. H 775 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alle Wege der Evangelisierung führen zu Christus Dankworte zum Abschluß der Fastenexerzitien am 6. März Liebe Mitbrüder der Römischen Kurie! Wir begehen die 500-Jahrfeier der Evangelisierung Amerikas. Wir erleben dieses Jubiläum gemeinsam mit der Kirche in Amerika, vor allem in Lateinamerika, auch im Geist der Buße, aber besonders im Geist der Dankbarkeit, der uns führt. Wir danken Gott für seine „machtvollen Taten”, magnalia Dei: „Ecclesia evangelizans et evangelizata”. Deshalb sind wir, wir alle von der Römischen Kurie, unserem Bruder, dem Bischof von Rancagua, Chile, Msgr. Medina, dankbar, der uns dieses Zeugnis von der Kirche in Lateinamerika, nicht nur von der Kirche seines Landes, sondern von der des ganzen Kontinents, vorgetragen hat. „Die Kirche evangelisiert und wird evangeli-siert.” Gewiß, die geistlichen Exerzitien sind ein besonderer Augenblick, man kann sagen, der Höhepunkt dieser Wirklichkeit der Kirche, die evangelisiert und evangelisiert wird. Vor allem diese Exerzitien hier in der Kapelle „Redemptoris mater” im Haus des Bischofs von Rom. Wir danken von Herzen für dieses großartige Zeugnis der in einem halben Jahrtausend vollbrachten Evangelisierung und für die nun nach fünfhundert Jahren neu unternommene Evangelisierung. Wir danken dem Prediger für alles, was er gesagt hat und wie er uns die Wege des Heils und der Evangelisierung gezeigt hat, die ewigen Wege, die zu Christus führen, gestern, heute und immer. Wir danken ihm für alle Gedankengänge dieser Exerzitien, dieser Predigten. Wir danken ihm besonders für das Beispiel, das er uns vor Augen geführt hat, das Beispiel eines großen Missionars des ersten Jahrhunderts der Evangelisierung auf dem lateinamerikanischen Kontinent: des hl. Turibio de Mongrovejo, der wirklich ein heroischer Verkünder des Evangeliums war. All das bleibt in uns wie ein göttliches Samenkorn, das von den Händen, dem Herzen und den Worten unseres Mitbruders ausgestreut wurde. Wir wollen besonders dem Urheber alles Guten, aller Wahrheit und aller Gnaden Dank sagen, und deshalb ist das letzte Wort unserer Exerzitien das Magnifikat. Maria hat uns gelehrt, wie man für die „machtvollen Taten Gottes”, magnalia Dei, dankt. Wir wollen ihre Worte wiederholen, wie sie die gesamte Kirche jeden Tag spricht. Wir wollen sie in diesem feierlichen Augenblick sprechen und bitten, daß diese Exerzitien eine neue Quelle des Glaubens und der Liebe zum Herrn und seiner Kirche sowie der Neuevangelisierung seien, die als Aufgabe immer und überall in dieser von so viel Not und so vielen Übeln gequälten Welt auf uns wartet. In dieser Welt erwartet uns - uns alle, die ganze Kirche - eine Neuevangelisierung. Aber Christus ist gestern und immer. Christus ist heute und immer. Christus, wie ihn 776 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unser Mitbrader darstellte, hat uns gelehrt, immer mehr zu Heben, bis wir in ihm die tiefste Identität unserer Berufung und unserer Sendung finden. Deo gratias! Die moralischen Standards bei der Werbung zum Schutz der Familien verbessern Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 12. März Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Es bedeutet für mich eine Freude, die MitgHeder und Fachleute zu empfangen, die von sämthchen Kontinenten gekommen sind, um an der VoHversammlung des Päpstüchen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel teilzunehmen. Ihr seid euch bewußt, daß bei der Neuevangelisierung, welche den Anbruch des dritten christlichen Jahrtausends vorbereiten soll, „das vielgestaltige Apostolatswerk der Kirche auf dem Gebiet der sozialen Kommunikationsmittel wirksam zu kräftigen ist” (Inter mirifica, Nr. 18); und ihr seid zusammengekommen, um zu berichten, zu planen und auch wirklich weltweit Bemühungen in Gang zu setzen, damit die Kirche im ausgedehnten Feld der Kommunikationsmedien deuüicher präsent wird. Ich begrüße euch daher mit warmer Dankbarkeit und Hochachtung für die Fachkenntnis und Hingabe, mit der ihr dem Hl. Stuhl bei dieser spezifischen Aufgabe dient. 2. Aus dem vergangenen Jahr, das auf die VeröffentHchung der Pastorahnstruktion Aetatis novae über die soziale Kommunikation folgte, hattet ihr viel zu berichten. Dieses Dokument sollte für die Bischöfe und katholischen Medienleute der ganzen Welt eine Hilfe zum Nachdenken sein. Nicht nur die internationalen katholischen Organisationen für Kommunikation, sondern auch zahlreiche Diözesen und Bischofskonferenzen haben bereits begonnen, die Weisungen des Dokumentes praktisch anzuwenden durch die Ausarbeitung von Pastoralplänen für die Kommunikation, und sie haben diese in jeden Pastoralplan integriert. Ich hoffe, ihr bemüht euch weiter um ein verstärktes Bewußtsein, daß für die Aufgabe, die Wahrheiten und Werte des EvangeHums durch die verschiedenen Medien zu verkünden, eine ausgewogene Planung notwendig ist. In euren Berichten kommt ihr auch auf neue Wirklichkeiten zu sprechen. Viele neue kathoHsche Radiostationen wurden zum Beispiel in Lateinamerika, Asien, Afrika und Europa errichtet. Auch neue kathoHsche Femsehstationen sind in Europa und in Lateinamerika entstanden. Dazu kommen zahlreiche neue kathoHsche Publikationen, zumal in Osteuropa. Neue Anstrengungen wurden unternommen, um einen 777 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fruchtbaren Dialog mit Medienfachleuten zu gewährleisten, einschließlich mit denen aus dem Unterhaltungssektor, zumal in Nordamerika. In der ganzen Welt - und auch hier in Rom selber - entstehen in wachsender Zahl Zentren, die die notwendige Ausbildung nicht nur in der Kommunikationstechnik anbieten, sondern auch in der für eine gesunde Kommunikation so notwendigen philosophischen, theologischen und geistlichen Grundlegung. Medienmitarbeiter, die durch die Medien dem umfassenden geistigen und kulturellen Wohl ihrer Hörerschaft dienen möchten, brauchen das ethische und theologische Nachdenken über die Art und Weise, in der sie in die Kommunikationsarbeit eingebunden sind, und über die Motive dieses Engagements. In gewissem Sinn seid ihr selbst zu diesem Zweck zusammengekommen: Ihr wollt euer eigenes Verständnis der besonderen Rolle der Medien in der Heilssendung der Kirche vertiefen und anderen in der Kirche zur gleichen Sicht verhelfen. 3. Ihr seid auch zur Planung zusammengekommen, wie die Bemühungen der katholischen Kommunikationen weltweit besser koordiniert werden können, daß sie sich ergänzen und nicht miteinander konkurrieren; so daß wertvolle Kräfte zur Entwicklung der katholischen Medien, aber nicht zu ihrer Verdoppelung eingesetzt werden; weiter um zu planen, wie das Recht der Kirche sichergestellt werden kann, die Botschaft Christi und die Wahrheit des Evangeliums durch die Kommunikationsmedien zu verbreiten. Auf diese Weise erfüllt ihr den dem Päpstlichen Rat für die Kommunikationsmittel erteilten Auftrag: weltweite Anstrengungen zu unternehmen, damit das Evangelium durch die wunderbaren Instrumente verkündet wird, die der Mensch erfunden hat, um seine Fähigkeit zur Kommunikation zu entfalten. Die Lehre der Kirche auf diesem Gebiet kann toter Buchstabe werden, wenn sie nicht bekräftigt und weitergeführt wird, und so freut es mich, feststellen zu können, daß ihr eine Sammlung der hauptsächlichen konziliaren und nachkonziliaren Dokumente über die Kommunikation veröffentlicht habt: das Dekret Inter mirifica sowie die Pastoralkonstitution Communio et progressio und auch Aetatis novae. Es ist ferner ermutigend zu hören, daß ihr bald - zum 30. Jahrestag von Inter mirifica - eine Sammlung von Botschaften veröffentlichen wollt, die mein Vorgänger Papst Paul VI. und ich selbst für die jeweiligen Welttage der sozialen Kommunikationsmittel herausgegeben haben. 4. Unter den zahlreichen Themen der Tagesordnung eures Treffens studiert ihr auch, wie die Pastoralinstruktion Aetatis novae befolgt wird und was noch geschehen muß, um ihre weitere Anwendung in der ganzen Kirche zu fördern. Ihr habt ferner so wichtige Aspekte wie die Schulung von katholischen Medienmitarbeiter die Verbesserung des moralischen Standards bei der Werbung und eine größere Koordinierung auf dem Gebiet der katholischen Radiosendungen besprochen. Das Verhältnis der Kirche zu den Medien ist komplex und erfordert euer ständiges Nachdenken. Auf der einen Seite sieht die Kirche in den Medien der sozialen Kommunikation ein riesiges Potential nicht nur für die Verbreitung von Information, 778 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für das Schaffen und Verbreiten von Kunst und Kultur, für die Auffrischung und Verfeinerung des menschlichen Geistes, sondern auch für die Verbreitung und Festigung des Reiches Gottes. Zugleich ist sie sich schmerzlich des Schadens bewußt, der den einzelnen und der Gesellschaft durch den Mißbrauch dieser Instrumente zugefügt werden kann (vgl. Inter mirifica, Nm. 1-2). In konkreten Situationen ist es die Pflicht der Kirche, ihrer Hirten und ihrer Glieder, Programme und Veröffentlichungen anzuerkennen und zu ermuntern, die Einheit, Frieden, Tugend und wahre Bruderliebe fördern. Ebenso kann es eine Pflicht für die Kirche und ihre Hirten und tatsächlich für alle Gläubigen werden, gegen Programme und Publikationen zu protestieren, die moralisch anzuzweifeln sind und die die persönliche und öffentliche Integrität sowie die Heiligkeit des Familienlebens zu verletzen drohen. Die wachsende Zahl von Anlässen, bei denen sich Kirchenführer und Medienmitarbeiter zu fruchtbarem Meinungsaustausch und Dialog treffen, kann den Gliedern der Kirche helfen, die Medien und ihre besondere „Sprache” klarer zu verstehen. Es kann auch den Medien helfen, ein besseres Verständnis für die Kirche und für das zu gewinnen, was sie in Wort und Tat vollbringt, um die Botschaft und Liebe Jesu Christi zu vermitteln. Mir bleibt nur noch, euch bei eurer Arbeit zu ermuntern und der Dankbarkeit des Hl. Stuhls zu versichern. Durch die Fürbitte Mariens, der Mutter des Erlösers, mögen eure Bemühungen, einen immer besseren Gebrauch der Medien durch die Glieder der Kirche zu fördern, überreiche Frucht bringen, so daß die Welt die schöpferische, erlösende und heiligende Liebe des Sohnes Gottes erkennt. Ich rufe auf euch und eure Lieben Gottes Gaben der Kraft und Liebe herab und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Ihr seid die Hoffnung der Kirche Ansprache bei der Sonderaudienz für die Jugend am 17. März Liebe Jugendliche! Mit Freude empfange ich euch; ich möchte jeden von euch persönlich begrüßen. Weil ich das nicht tun kann, sage ich zu allen: Willkommen in dieser Basilika, im Zentrum der Christenheit! Danke für eure Begeisterung und für die Liebe, zu ihr zu Christus hegt; danke auch für die Liebe, die ihr seinem Stellvertreter auf Erden, dem Nachfolger des Apostels Petrus, bezeigt. Jesus war gern mit Kindern und Jugendlichen zusammen, und er lehrte die Aposteln, das gleiche zu tun. Er liebt euch und vertraut auf euch. Auch der Papst hebt euch und rechnet mit eurer Hilfe: Ihr seid die Hoffnung der Kirche, die Zukunft unserer Gesellschaft. Seid immer davon überzeugt; bereitet euch darauf vor, als Erwachsene 779 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Verantwortung zu übernehmen und versucht, euren Altersgenossen ein konsequentes und frohes christliches Beispiel zu geben.... Meine Lieben, der Herr lädt euch alle ein, ihm zu folgen und seine Jünger zu werden. Und während ihr den Glanz, die Lichter und den Schmuck dieser Basilika bewundert, sprecht zu euch selbst: Ja, ich will, daß mein Herz, mein Leben so glanzvoll wird; ich will ein Widerschein des Lichtes sein, das Jesus unter die Menschen gebracht hat. Wenn ihr das tut, werdet ihr wahre Freunde Jesu, werdet ihr wie Bäume sein, die am Rand eines wasserreichen Flusses wachsen, und eure Früchte werden zahlreich und gut sein. Diese Worte hinterlasse ich euch als Wunsch für das kommende Ostern. Mein Segen begleite euch; bringt ihn auch zu euren Familien. Dank und gute Wünsche fiir Erzbischof Karl- Josef Räuber Grußwort zu Beginn der Eucharistiefeier mit den Studenten der Päpstlichen Diplomatenakademie am 17. März Mit Freude feiere ich heute zusammen mit euch, liebe Studenten der Päpstlichen Diplomatenakademie, die heilige Eucharistie. Es freut mich, bei diesem schönen Anlaß eure Oberen und den lieben Msgr. Karl-Josef Räuber neben mir zu haben. Ihm danke ich für die Arbeit, die er als euer Vorgesetzter geleistet hat, und wünsche ihm von Herzen alles Gute für seine neue Aufgabe. Wenn ihr euch um den Altar des göttlichen Opfermahls mit dem Nachfolger Petri versammelt, hat das für euch eine besondere Bedeutung. Denn eure Mission direkt im Dienst des Hl. Stuhls zur Förderung der Evangelisierung in den Beziehungen mit den Ländern der ganzen Welt muß immer den Altar der Eucharistie als Ausgangspunkt und Endziel haben. Nicht allein das: Die heilige Messe bildet auch die tägliche Begegnung mit dem lebendigen Gedächtnis des Herrn, das unsere kirchliche Aufgabe lenken und stützen muß. Die Eucharistie, das Sakrament des höchsten Aktes der Liebe des Erlösers, enthält die Fülle des Gebotes Christi. Indem wir mit Andacht die heilige Messe feiern und uns dem gleichmachen, was wir feiern, wirken wir mit bei der Vollendung des Heilsplans. Meine Lieben, nehmt vom Altar immer den einzigen Grund eures Ruhmes mit, wie der Völkerapostel lehrt: das Kreuz Christi, Siegeszeichen des göttlichen Erbarmens und sicherer Unterpfand der Ankunft des Gottesreiches für die gesamte Menschheit. 780 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der hl. Johannes von Nepomuk als leuchtendes Beispiel Brief an Joachim Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln, vom 17. März An unseren verehrten Bruder Joachim Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln Die Stadt Prag, die im Verlauf der Jahrhunderte sich mit zahlreichen Kunstwerken geschmückt hat, steht höchst ehrenvoll da. Es befinden sich dort auch viele Zeugnisse und Beweise der Frömmigkeit und der Religion. Besonders aber gehört Johannes von Nepomuk zu den hervorragenden Glaubenszeugen. Durch ausgezeichnete gute Sitten hervorragend, hat er sich immer auch in der christlichen Lehre hervorgetan und wich nie von ihr ab, selbst dann nicht, als er dafür sein Leben hingeben mußte. Dieses leuchtende Beispiel wollen wir allen Menschen und zumal den Bewohnern dieses Gebietes vor Augen stellen, die sich auf ein solides Fundament stützen und dem Überlieferten im gleichen Geist und mit derselben Festigkeit des Geistes folgen möchten. Wir verkennen aber keineswegs die dort bestehenden Schwierigkeiten, auch nachdem sich neue Verhältnisse und Lebensformen ergeben haben. Wir möchten auch nicht die Bürger der Slowakei übergehen, die sich um neue und glücklichere Wege für die Zukunft bemühen. Wir ermuntern sie alle und bestärken sie darin, damit sie weiteren menschlichen Fortschritt erreichen und zu persönlichem Wohlergehen und guten religiösen Verhältnissen kommen. Aus diesen Gründen haben wir gern und voll Freude vernommen, daß das Gedächtnis der sechs Jahrhunderte, seitdem der hl. Johannes von Nepomuk um des Glaubens willen mutig sein Leben hingab, feierlich begangen werden soll. Um den Glanz dieser Gedenkfeier zu erhöhen, haben wir uns entschlossen, einen hervorragenden Mann zu senden, der unsere Stelle vertritt und zugleich unser ermunterndes Wort überbringt. An dich aber, verehrter Bmder, haben wir gedacht, denn du scheinst uns zur Übernahme und Verwirklichung dieser Aufgabe höchst geeignet zu sein. Daher ernennen wir dich zu unserem Außerordentlichen Gesandten für die Feier und Gestaltung dieser Tage. Allen sollst du das hervorragende Beispiel dieses Heiligen und sein erhabenes Leben und seinen Tod vor Augen stellen. Ferner sollst du allen unser Wohlwollen und unsere Zuneigung zum Ausdruck bringen, die alle umfaßt, die Sorgen aller mitträgt und die Herzen aller aufrichten möchte. Endlich möchten wir, daß du in reichem Maß unseren Apostolischen Segen spendest als Unterpfand für alle Gaben von oben und den erwünschten Trost. Aus dem Vatikan, am 17. März 1993, dem 15. Jahr unseres Pontifikates. Joannes Paulus PP. II 781 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Solidarität als Bestandteil von Umkehr und Buße Grußworte an eine Pilgergruppe des Bistums St. Pölten am 18. März Lieber Herr Bischof! Liebe Pilger aus St. Pölten! Eure Diözesanwallfahrt hat Euch in diesem Jahr an die Gräber der Äpostelfiirsten geführt. Mein herzlicher Gruß gilt Euch allen: meinem Mitbruder im Bischofsamt Kurt Krenn, den Priestern und Gläubigen der Diözese. Die kommenden Jahre bringen für Euer Bistum, für Euer Land und für Europa neue Aufgaben und Herausforderungen. Es gilt, die Frohbotschaft Christi unserem Kontinent neu zu verkünden. Mit den Worten „Kehrt um und glaubt an das Evangelium” (Mk 1,15) sagt Jesus den Anbruch einer neuen Zeit an. Dieses Gebot des Herrn vernehmen wir auf besonders eindringliche Weise während der Fastenzeit. Unser Weg soll ganz auf die Umkehr des Herzens ausgerichtet sein, das heißt auf eine tiefgreifende Wandlung unserer Denk- und Lebensart, die uns den weltlichen Modellen und Gewohnheiten entreißt, um uns nach dem Bild Christi zu formen. Die Umkehr des Herzens muß auch die Buße einschließen. Sie ist, wie ich im Apostolischen Schreiben Reconciliatio et paenitentia dargelegt habe, gewissermaßen deren wesentliches, ja wichtigstes Element. „Buße bezeichnet die innere Umkehr des Herzens unter dem Einfluß des Wortes Gottes und mit dem Blick auf das Reich Gottes” (Nr. 4). Sie ist das Bemühen, „das Gleichgewicht und die Harmonie, die durch die Sünde zerstört worden sind, wiederherzustellen und auch um den Preis von Opfern die Richtung zu ändern” (Nr. 26). Buße und Umkehr müssen in konkrete Bußakte umgesetzt werden. Wenn sich unser Lebensstil von der Fastenzeit prägen läßt, müssen wir auch den Bußwerken breiten Raum gewähren. Es ist ein Lebensstil der Strenge gegenüber uns selbst, der Selbstdisziplin und maßvoller Entsagungen, die der Festigung des Willens dienen. Bestandteil der Bußwerke ist auch die Solidarität, die wir den Mitmenschen entgegenbringen. 'Mit Großmut und in selbstloser Nächstenhebe haben sich die Gläubigen Eurer Diözese immer wieder selbst, der Selbstdisziplin um der Notleidenden in aller Welt angenommen. Der Herr möge allen reich vergelten, was sie anderen Gutes getan haben. Die Fastenzeit ist für uns außerdem die Gelegenheit zur Erneuerung des Glaubens. Der neue Weltkatechismus, der demnächst auch in deutscher Sprache erscheinen wird, ist ein wertvolles Hilfsmittel, um in der Begegnung mit der Person und der Botschaft Christi Maßstäbe zum Gelingen des Lebens zu erhalten. Der Weltkatechismus wird Euch auf Eurer Suche nach Orientierung begleiten, um dem Leben und den Ideologien unserer Zeit nicht hilflos gegenüberzustehen. Umkehr und Buße stellen uns in die Nachfolge des göttlichen Meisters, der durch Leiden und Tod hindurch zum Ostermorgen gelangt. Zu diesem Weg ruft uns die 782 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fastenzeit auf. Auf diesem Weg begleite Euch der Schutz der seligsten Jungfrau Maria; sie ist die „Magna Mater Austriae”. Ihren Schutz erbitte ich für alle Priester und Ordensleute, für die Familien und für die Kinder, für alle, die an einem schweren Leid tragen, für die Flüchtlinge und für die Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft. Von Herzen erteile ich Euch und allen Diözesanen von Sankt Pölten meinen Apostolischen Segen. Die hl. Hedwig als Beispiel des Friedens und der Versöhnung Grußworte an eine Pilgergruppe der Apostolischen Administratur Görlitz am 18. März Lieber Herr Weihbischof! Liebe Brüder und Schwestern aus Görlitz! Anläßlich des 750. Todestages der hl. Hedwig, der Patronin Eurer Apostolischen Administatur, heiße ich Euch am Höhepunkt Eurer Wallfahrt, die Ihr auf den Spuren dieser großen Frauengestalt unternommen habt, herzlich willkommen. Mit innerer Freude sehe ich Euch hier versammelt. Die um das Jahr 1300 entstandene Legenda maior gibt zwei Hinweise, die das Leben der Heiligen charakterisieren: Sie habe sich eifrig dem Studium der Heiligen Schrift gewidmet, und bei allem sei der Heilige Geist ihr Lehrmeister gewesen. Das sind die Quellen, aus denen sie das ganze Leben hindurch Kraft schöpfte und die ihrem Apostolat zugrunde lagen. Der Sinn dieses Apostolates ist auch für uns von großer Bedeutung. Wir tun gut daran, den Mut dieser Frau zu bewundern, die ihre bayerische Heimat verließ, um mit ihrem Gemahl die christliche Botschaft in eine andere Kultur zu tragen. Den Menschen in jeder Notlage zu helfen war die vornehmste Aufgabe der Herzogin. Ihre unermüdliche Güte und Hilfsbereitschaft, gerade gegenüber den Ärmsten und Verlassensten, gewannen Hedwig auch die Zuneigung der slawischen Untertanen. Die Heilige steht über all die Jahrhunderte vor uns als leuchtendes Beispiel des Friedens und der Versöhnung. Deutsche und Polen wissen sich einig in der Verehrung und Wertschätzung der Heiligen. Tragender Grund ihrer Aktivität war die Kontemplation. Fromme Werke und Taten der Nächstenliebe füllten ihren Alltag; doch geschahen sie nie um ihrer selbst willen. Hedwigs Blick war immer auf Christus gerichtet; ihr Glaube ließ ihn den Menschen lebendig werden. Sie hatte das Wohl aller Menschen, der Slawen und der deutschen Siedler, vor Augen. Sie liebte alle gleichermaßen, ohne jeden Anflug von Diskriminierung. Sie legte Wert darauf, ihnen 783 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bei der Verteidigung ihrer eigenen Identität zu helfen und sie an dem von Christus gebrachten Heil teilhaben zu lassen. Der Friede der Menschen mit Gott und untereinander, wie ihn die hl. Hedwig wollte und gelebt hat, soll uns allen als Beispiel dienen: im persönlichen Leben, in der Familie und unter den Völkern. Als Christen müssen wir offen sein für die Bedürfnisse des anderen, auch dadurch, daß wir unentgeltlich unsere Zeit und unsere Kräfte zur Verfügung stellen, gemäß den im Evangelium wurzelnden Begründungen. Das Beispiel Christi, der gekommen ist, „nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen” (Mt 20,28), hat zu allen Zeiten der Geschichte das Herz der Gläubigen angesprochen und von ihnen Antworten erhalten, die auch bei denen Bewunderung weckten, die ihren Glauben nicht teilten. Das Zeugnis der hl. Hedwig liegt genau auf dieser Linie des Dienstes, den sie außerhalb jeder Aussicht auf menschliche Belohnung dem Mitmenschen „freiwillig” geleistet hat. Im Tagesgebet am Festtag dieser großen Heiligen ist ihr Lebenszeugnis treffend zusammengefaßt: „Allmächtiger Gott, du hast die hl. Herzogin Hedwig zu einer Botin des Friedens gemacht und ihr die Gnade geschenkt, inmitten weltlicher Aufgaben ein Beispiel barmherziger Liebe zu geben. Hilf auf ihre Fürsprache auch uns, für Versöhnung und Frieden unter den Menschen zu wirken und dir in den Notleidenden zu dienen”. Dazu erteile ich Euch, Eurem lieben Bischof Bernhard Huhn und allen Gläubigen Eurer Administratur von Herzen meinen Apostolischen Segen. Besondere Aufmerksamkeit der Kinderpastoral widmen Ansprache an die Präsidenten der Bischofskommissionen für die Familie und das Leben in Lateinamerika am 18. März Meine Herren Kardinäle, hebe Brüder im Bischofsamt! 1. Für mich ist es eine besondere Freude, daß ich euch, die Präsidenten der Bischofskommissionen für die Familie in Lateinamerika, empfangen darf, die ihr an der vom Päpstlichen Rat für die Familie einberufenen Tagung teilnehmt, bei der auch der Herr Kardinal Nicoläs de Jesus Lopez Rodriguez, Präsident des CELAM, wie auch Msgr. Edmundo Abastoflor, Direktor der Abteilung Familienpastoral beim CELAM, anwesend sind. Ich spreche dem Präsidenten dieses Päpstlichen Rates, Herrn Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, meinen Dank für die hebenswürdigen Worte aus, die er als Sprecher aller Anwesenden an mich gerichtet hat. 2. Vor nur wenigen Monaten, nämlich bei der Eröffnung der 4. Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopates in Santo Domingo, konnte ich an die Option für die Familie und das Leben erinnern, recht eng miteinander verbundene Werte, da die Familie das „Heiligtum des Lebens” ist (vgl. Eröffnungsansprache, Nr. 18). Und wir müssen ja wenigstens feststellen, daß in Lateinamerika wie an an- 784 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN deren Orten der Welt die Institution Familie und viel unschuldiges Leben ernsthaft bedroht sind. Andererseits bereiten gewisse Planungen zur demographischen Frage nicht wenig Sorge. Dazu habe ich euch in Santo Domingo aufmerksam gemacht, daß „eine Lösung falsch und unannehmbar ist, die sich für eine Verminderung des demographischen Wachstums einsetzt, ohne sich um den moralischen Charakter der Mittel, zu kümmern, die man für dieses Ziel einsetzt. Es geht nicht darum, um jeden Preis die Zahl der zum Gastmahl des Lebens Eingeladenen zu vermindern; was fehlt, ist die Vermehrung der Mittel und die gerechtere Verteilung des Reichtums, so daß alle gleichermaßen an den Gütern der Schöpfung beteiligt werden” (ebd., Nr. 15). Ihr stellt fest, daß die Würde der Frau nicht immer in ihren Rechten innerhalb der Ehe und auch im sozialen Umfeld geachtet wird. Führt also, liebe Brüder, eure pa-storale Arbeit für die Fördemng und Verteidigung der Frau fort und tragt ferner dazu bei, daß angemessene Verhältnisse geschaffen werden, die eine bessere Entfaltung ihrer Sendung als Frau und Mutter in der Familie und zum Wohl der Gesellschaft gestatten. Die Frauen ihrerseits müssen sich bei ihrem Einsatz in den verschiedenen Bereichen des Berufslebens und im Dienst des Gemeinwohls, wie in der Politik, der Erziehung, den wirtschaftlichen und unternehmerischen und vielen anderen Tätigkeiten, freilich auch selbst als Vorkämpferinnen ihrer legitimen Rechte betätigen. 3. Besondere Aufmerksamkeit sollt ihr in der Pastoral den Kindern widmen, die häufig unter den dramatischen Folgen des Fehlens einer echten Familie leiden. Laßt also nicht nach, darauf zu bestehen, daß das erste Recht des Kindes - abgesehen von seinem Grundrecht auf Leben - darin besteht, mit einem echten Zuhause rechnen zu können, wo es sich von der Liebe seiner Eltern angenommen fühlt und sowohl als Mensch wie als Christ erzogen werden kann. So vermeidet man die Tragödie der hohen Zahl von verlassenen Kindern, die vor allem in den großen lateinamerikanischen Städten leben und „zahlreichen Gefahren, auch dem Drogenkonsum und der Prostitution ausgesetzt sind” (ebd., Nr. 18). 4. Gern bestätige ich die Wichtigkeit, die dem Thema Familie in den Entschließungen der 4. Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopates zugesprochen wurde, auf die wir eben angespielt haben. Unter den pastoralen Weisungen wird besonders „die Priorität und Zentralstellung der Familienpastoral in der di-özesanen Kirche betont” (222). Dies muß für die Bischöfe ein Objekt besonderer Sorge sein, die eine organische Pastoral sichert sowie die Familie und das Leben in den Mittelpunkt der Neuevangelisierung stellt. Diese Option muß ferner Objekt eines ernsthaften und systematischen Studiums und Überlegens in den Seminaren, den Ausbildungshäusem und -instituten sein. Auf diesem Gebiet muß ferner notwendig die Einheit der Kriterien und die gründliche Kenntnis der Theologie der Familie sowie der mit den Rechten der Familie verbundenen Themen garantiert sein: Vorbereitung auf die Ehe, Bioethik, gesunde Sexualerziehung sowie korrekte Information über demographische und verwandte Fra- 785 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen. Dies setzt zweifellos eine umfassendere Sicht der verschiedenen Fächer und Traktate um die Ehe voraus, sowohl in den theologischen als auch in den philosophischen und anthropologischen Wissenschaften. 5. Außer den Priestern, deren Arbeit so entscheidend ist, bleibt auch die Berücksichtigung anderer pastoraler Mitarbeiter wichtig: Ordensmänner, Ordensfrauen und engagierte Laien. Tatsächlich gibt es zahlreiche Ordensfamilien, deren besonderes Charisma der Dienst für die Familie ist, oder die in ihrem erzieherischen und Hilfe leistenden Wirken enge Beziehungen zu Familienvätern unterhalten. Zu all dem müssen die Mitglieder der Ordensinstitute, die aktiv in der Familienpastoralmitar-beiten, von den Bischöfen anregt werden. Besondere Erwähnung verdienen die Laien, und zwar nicht nur jene, die Verbänden und Bewegungen angehöreri, sondern auch die einzelnen, oder Mitglieder der Pfarr- und Erziehungsgemeinschaften bei der Erfüllung ihrer Sendung als christliche Eheleute und Eltern. 6. Für eine angemessene Ausbildung der Mitarbeiter in der Familienpastoral muß man notwendig spezialisierte Institute und Zentren zur Verfügung haben. Auf nationaler wie auf diözesaner Ebene sollten sie eine integrale Ausbildung bei den familienbezogenen Themen und den Problemen, denen die Kirche auf diesem Gebiet gegenübersteht, gewährleisten können. In dieser Hinsicht gibt es in Lateinamerika bereits bewährte Initiativen und Erfahrungen, die weiterführen, und die fruchtbare Beziehungen zu dem an der Lateranuniversität errichteten Päpstlichen Institut unterhalten. Wie könnte man auch ohne gut ausgebildete pastorale Mitarbeiter auf die dringenden Bedürfnisse und Notwendigkeiten der Neuevangelisierung antworten können, die die Familie und das Leben zum Ziel ihrer Prioritäten haben? Wie soll man einen bereichernden Dialog mit Wissenschaftlern, Autoritäten und Führungskräften im allgemeinen fördern beim Suchen nach konsequenten Formen der Politik und der Entwicklung von Programmen auf weite Sicht? 7. Die Vorrang- und Zenstralstellung der Familienpastoral, wie sie die Entschließungen der Konferenz von Santo Domingo betonen, erfordert entsprechende Strukturen in den Bischofskonferenzen wie auch in den Diözesen und Pfarreien. Entsprechend den heutigen Bedürfnissen müssen Sie ein dynamischeres pastorales Wirken ermöglichen, und es muß großherzig das notwendige Personal für diese apostolische Arbeit bereitgestellt werden. Durchgeführt werden müssen ferner konkrete Projekte, Programme und Pläne für die Familie und im Zeichen der Neuevangelisierung. Eine gute Gelegenheit dafür ist auch die Feier des internationalen Jahres der Familie, ein Thema, über das ihr in diesen Tagen bereits gesprochen und nachgedacht habt. Bei diesen lebhaften Wünschen begleitet euch mein Gebet und mein Apostolischer Segen, den ihr bitte auch den Gemeinschaften in Lateinamerika übermitteln wollt, denen ihr in Liebe und Hoffnung dient, damit das Bild der von Gott geliebten Familie in der unauflöslichen Einehe gestützt, gestärkt und bewahrt wird. Dann werden die 786 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN christlichen Familien in der lateinamerikanischen Gesellschaft als Hauskirche und Heiligtum des Lebens nach dem Vorbild der Familie von Nazaret ein Sauerteig sein. Ein Vorbild für die starken Bande zwischen dem Bischof und seinen Mitarbeitern Brief an den Erzbischof von Prag, Miloslav Vlk, anläßlich der 600-Jahr-Feier zu Ehren des hl. Johannes Nepomuk vom 19. März An meinen ehrwürdigen Mitbruder Miloslav Vlk, Erzbischof von Prag! Ehrwürdiger Mitbruder, Gruß Dir und Apostolischen Segen! Sechshundert Jahre sind seit der dunklen Nacht vergangen, als der gepeinigte, leblose Körper des heiligen Johann Nepomuk in die Hüten der Moldau geworfen wurde. Dieser denkwürdige Jahrestag ist eine wertvolle Gelegenheit, um über das Leben dieses Heiligen nachzudenken. Gemeinsam mit dem hl. Wenzel und dem hl. Adalbert ist er der himmlische Schutzpatron der Erzdiözese Prag, deren Priester er war und wo er zeit seines Lebens seinen Dienst ausübte. Wie jeder Priester wurde auch der hl. Johann unter dem Volk erwählt und als sein Vertreter für alle Dinge, die Gott betreffen eingesetzt, um Opfer darzubringen und die Sünden des Volkes zu sühnen (vgl. Hebr 2,17). Wie einzigartig und edel ist doch die Berufung des Priesters! Wie bedeutend ist doch seine Mission, die an der Sendung Jesu Christi, des guten Hirten, teilhat. In erster Linie wird er geweiht, um Christus zu verkünden, sein Geheimnis zu feiern und den Gläubigen seine unsichtbare Gnade durch sichtbare und wirksame Zeichen, wie die Sakramente, zu vermitteln. Der Priester ist ein Geschenk der Liebe Gottes an die Welt. Obwohl von der Sünde befleckt, ist diese Welt dennoch nach dem Willen des himmlischen Vaters zum Heil berufen. Jedesmal wenn der Priester den Menschen von den Fesseln der Sünde befreit, erneuert er dessen Würde. Alte Bilder schildern in ausdrucksvoller Weise den priesterlichen Dienst des heftigen Johann, der ihn in eine Reihe stellt mit den herausragenden Aposteln des Beichtstuhls, die von der Kirche in das Verzeichnis der Heiligen eingeschrieben wurden (Reconciliatio et paenitentia, O.R.dt. Nr. 51/52, 1984; Insegnamenti di Giovanni Paolo II., VH/2, S. 1482). Im Bußsakrament zeigt sich deutlich Gottes Erbarmen, der höchste Ausdruck seiner Allmacht, denn „der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet all seinen Werken” (vgl. Ps 145,9). Wenn alle Zeiten der Vergebung Gottes bedurften, so braucht die heutige entchristianisierte Gesellschaft, in der die Mißachtung des göttlichen Gesetzes, der Egoismus dem Mitmenschen gegenüber und die Abstumpfung des Sündenbewußtseins überhand nehmen, die Versöhnung mit Gott um so dringender. Aber trotz der Unsicherheit und der Gleichgültigkeit gegenüber beständigen und wahren Werten sucht der Mensch von heute oft 787 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - wenn auch unbewußt, aber doch immer in der Wirklichkeit - tief im Grunde seines Herzens das wahre Gute und sehnt sich nach Gemeinschaft mit dem Nächsten. Intuitiv erkennt er die dringende Notwendigkeit dieser Gemeinschaft nicht nur für die Evolution jedes einzelnen Menschen, sondern auch für das gemeinsame Zusammenleben und die Entwicklung der ganzen Gesellschaft. Das einzig wahre und höchste Gut ist der liebevolle und barmherzige Gott, der den Menschen nicht geschaffen hat, um ihn in der Sünde zugrunde gehen zu lassen, sondern damit er ihn, den Spender des Lebens, suche und finde (vgl. Apg 17,27). Deshalb wird der Priester nicht aufhören, der Welt zu verkünden, daß nach Gottes Willen alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen sollen (vgl. 1 Tim 2,4). Als Diener der Versöhnung zwischen Gott und den Menschen beschränkt sich der Priester nicht darauf, sie mit Worten zu fördern, sondern er verwirklicht sie tatsächlich. Durch den Auftrag, den Christus selbst der Kirche erteilt hat, übernimmt der Beichtvater - im Sakrament der Buße - das Amt des guten Hirten, der sich auf die Suche nach den verlorenen Schafen macht, des barmherzigen Samariters, der die Wunden heilt, des Vaters, der mit Liebe den außergewöhnlichen Sohn erwartet und aufnimmt und des gerechten Richters, für den alle Menschen gleich sind. Gleichzeitig reinigt er, im Namen Gottes, die Seelen von den Sünden (vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1465). Denjenigen, der vorübergehend verloren war, versöhnt er wieder mit Gott und gibt dem, der Buße tut, den Seelenfrieden und die Reinheit des Gewissens zurück: Dies sind im Sakrament der Buße enthaltene Werte, die die Welt nicht geben kann, ohne die aber weder eine dauerhafte Einigkeit noch ein vollkommener Frieden unter den Völkern der Welt möglich sind. Wie fruchtbar ist doch dieses schweigende Apostolat der Priester! Geduldig und aufopfernd, ohne Lärm erfüllen sie ihre schwierige und anspruchsvolle Aufgabe des Sakraments der Wiederversöhnung. Dies ist einer der schönsten und tröstlichsten Dienste, die der Priester der Menschheit bieten kann. Der hl. Johann Nepomuk ist in erster Linie ein heiliger Märtyrer. So bezeichnete ihn gleich nach dem Tod sein Erzbischof, der ihn zum Generalvikar ernannt hatte. Besonders den ihm nahestehenden Personen war bewußt, daß ein gerechter Mann aufgrund der Ungerechtigkeit gestorben war. Die Kirche hat das Martyrium stets als ein Geschenk im wahrsten Sinne des Wortes, als den höchsten Beweis der Liebe betrachtet. Aber auch wenn alle Christen bereit sein müssen, den Glauben an Christus vor den Menschen zu bezeugen, und den göttlichen Meister auch unter Verfolgungen, die nie der Kirche erspart bleiben werden, auf dem Weg des Kreuzes zu folgen, so ist die Auszeichnung ein Märtyrer, ein Zeuge Christi, zu werden, dennoch nur wenigen Vorbehalten. Wie könnte man bei dieser Gelegenheit das Beispiel vieler Priester, Ordensmänner, Ordensffauen und Laien unerwähnt lassen, die in eurem Land bis zur heutigen Zeit ein mutiges und einzigartiges Zeugnis für Christus abgelegt haben, indem sie unzählige grausame Verfolgungen durch die staatlichen Behörden erdulden mußten. Nicht alle haben wie der hl. Johann ihren Leidensweg bis zum äußersten gehen müssen; dennoch haben viele lange Jahre der Not erduldet, die 788 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nach und nach ihre Lebenskraft erbarmungslos aufzehrten. Wie das Martyrium des hl. Johann, so hat auch ihr Opfer als Bekenner des Glaubens bis in unsere Zeit reiche Früchte getragen. Die Umstände, die den Tod des hl. Johann begleiteten, erinnern an zwei weitere Heilige, die durch ihr mutiges Eintreten für die Freiheit der Kirche mit dem Martyrium belohnt wurden: der hl. Stanislaus, Bischof von Krakau, und der hl. Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury. Trotz der unruhigen Zeit, in der er lebte, verließ der hl. Johann seinen Bischof nicht, sondern blieb dem bei der Priesterweihe gegebenen Versprechen treu. Er verlangte nie einen Ehrenplatz vom König (vgl. Sir 7,4). Treu und rechtschaffen erfüllte er die priesterlichen Pflichten, die sein schwieriges Amt erforderte. Er war kein Schilfrohr, das im Wind schwankt (vgl. Mt 11,7), auch dann nicht, als große Gefahren ihn bedrohten. Sind seine mutige Pflichterfüllung und die treue Ergebenheit seinem Bischof gegenüber, seine ständige Opferbereitschaft nicht ein wertvolles Erbe, das der hl. Johann der Priesterschaft von heute hinterlassen hat? Johann Nepomuk ist wirklich ein Vorbild für die starken Bande zwischen dem Bischof und seinen Mitarbeitern. Wie der Bischof ohne ihre Hilfe nicht in der Lage ist, seinen Hirtenauftrag innerhalb der Ortskirche allein auszuführen, so ist es auch unmöglich ohne den Bischof, den Nachfolger der Apostel, die Kirche aufzubauen. Die mangelnde Sensibilität für die Aufgabe des Bischofs und das hartnäckige Beharren auf gewissen Ansichten und individuelle Meinungen können die Einheit der Kirche nicht zum Ausdruck bringen. Sie wächst in der Liebe und dem Gehorsam gegenüber demjenigen, der den obersten Hirten verkörpert und der sich mit väterlicher Sorge um das geistige Wohl seiner Mitarbeiter und aller ihm anvertrauter Seelen bemüht. Möge die Kirche durch die unablässige Fürsprache des hl. Johann, der ihr immer treu gedient hatte, stets fest und einmütig sein in dem einen Gebet, in der Einheit der Prinzipien, in der einen Hoffnung und Liebe bestehen. Möge sie leben, blühen und geistliche Früchte tragen in jener heiteren Freude, die Jesus Christus ist (vgl. hl. Ignatius von Antiochien, Magn. VH,1). Auch heute noch wird der hl. Johann Nepomuk fast in aller Welt verehrt. Bereits seine Zeitgenossen haben darüber berichtet: Er wurde von Gott und den Menschen geliebt, er war der Liebling der Tschechen und der Deutschen (vgl. Scriptores rerum Silesicarum, I, Breslau 1835, Seite 213). Bald aber breitete sich die Verehrung für ihn auch jenseits der Grenzen des Landes aus, das Zeuge seiner Geburt, seines Lebens und seines Todes war. Jedoch vor allem nach der Heiligsprechung durch meinen Vorgänger Benedikt XIII. überschritt diese Verehrung die Grenzen aller Länder. Nicht nur seine Verehrer im europäischen Raum baten den hl. Johann um seine Fürsprache, sondern auch jene in weit entfernten Teilen der Welt: im Fernen Osten wie in Nord- und Südamerika, wo die Missionare, zusammen mit der Verkündigung des Evangeliums, auch die Verehrung dieses Heiligen verbreitet hatten. Auch heute noch beweisen dies die vielen ihm geweihten Kirchen, Kapellen, Figuren und Bildnisse. Die eifrigsten Verehrer sind jedoch seine eigenen Lands- 789 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN leute; bereits in den vergangenen Jahrhunderten besuchten sie sein Grab in der Kathedrale von Prag, um ihm ihre Sorgen und Ängste anzuvertrauen. Durch seine Fürsprache fanden sie Trost und neuen Mut. Möge sich auch heute in den Gläubigen das Vertrauen auf seine Hilfe erneuern, damit sich die Bitte erfülle, die in den Worten des folgenden Liedes ausgedrückt wird: „Möge das fromme böhmische Geschlecht dein Erbe unverfälscht bewahren! Märtyrer des Herrn, bitte für dein Volk und für das Wohl des böhmischen Landes!” , In Erinnerung an den hl. Johann Nepomuk erteile ich Dir, meinem verehrten Bruder, und allen Brüdern im Bischofsamt mit Freuden meinen Apostolischen Segen; ebenso den Priestern, den Seminaristen und den Ordensleuten;, allen gebebten Gläubigen in Böhmen und Mähren wie auch im Päpsthchen Kolleg des hl. Johann Nepomuk in Rom, und ganz besonders ab denjenigen, die an den Jubiläumsfeierbchkeiten in Nepomuk, seinem Geburtsort, teilnehmen wollen, ebenso wie aben Pilgern, die sein Grab in Prag besuchen werden. Zu Rom, aus dem Vatikan, am 19. März 1993, dem Fest des hl. Josef, dem Bräutigam der hl. Jungfrau Maria und Patrons der Gesamtkirche, im 15. Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Ein Vorbild im Kampf gegen den Atheismus Predigt während der Feier zur Bestätigung der hturgischen Verehrung von Johannes Duns Scotus und zur Seligsprechung von Dina Beianger am 20. März „Als Mitarbeiter Gottes ermahnen wir euch, daß ihr seine Gnade nicht vergebens empfangt” (2 Kor 6,1). 1. Mit diesen Worten, die wir eben gehört haben, erinnerte der Apostel Paulus die Gläubigen von Korinth an die große Gabe, die sie mit der Verkündigung des Evan-gebums empfangen hatten, und stellte sie zugleich vor ihre große Verantwortung, als freie Menschen, die in der Lage sind, eine solche Gnade anzunehmen oder sich ihr zu widersetzen. Wie in der menschlichen Erfahrung das kostenlose Angebot eines Geschenks eine impbzite Aufforderang zur Dankbarkeit enthält, so stellt auch in der Beziehung zu Gott die freie Initiative des himmhschen Vaters in seiner Güte und Hochherzigkeit den Menschen vor eine Wahl: die empfangene Gabe erkennen und dankbar annehmen oder sie ablehnen, indem man sich im eigenen, tödbehen Egoismus verschließt. Genau das möchte der Apostel unterstreichen. 2. „In allem - so fügt er hinzu - erweisen wir uns als Gottes Diener: durch große Standhaftigkeit” (2 Kor 6,4). Liebe Brüder und Schwestern, wie aktueb erscheinen 790 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN diese Worte für uns Glaubende, die wir nunmehr an der Schwelle des dritten Jahrtausends der christüchen Zeit angelangt sind! Unsere Epoche bedarf dringend authentischer Zeugen des Evangeliums; die Menschheit erwartet, wenn auch oft unbewußt, die Entfaltung einer neuen und mutigen Evangelisierung. Auch für die Menschen der heutigen Gesellschaft darf die Gnade Gottes nicht ungenützt bleiben. Sie muß reiche Früchte des Lebens, des Friedens und des geistlichen Fortschritts bringen. Die Fastenzeit, in der wir uns schon seit einigen Wochen befinden, ist wahrlich „die Zeit der Gnade” (2 Kor 6,2), in der die Kirche uns einlädt, die Erfahrung der „Wüste” zu machen. Das Gebet und die Buße keimzeichnen diesen Weg der Bekehrung und Erneuerung in der nie ganz gestillten Sehnsucht, dem Herrn zu begegnen. Eine innige und persönliche Begegnung, frei von irdischen Zerstreuungen und egoistischen Kompromissen. Eine Begegnung, die den frenetischen Rhythmus des täglichen Lebens in eine harmonische Antwort auf den ständigen Ruf Christi durch die Ereignisse und Gegebenheiten jedes Tages verwandelt. Die Mahnung des Apostels, die Gnade Gottes nicht vergebens zu empfangen, ergeht also heute abend neu an jeden Gläubigen, damit er mit der Hilfe des Erlösers fähig wird, gute Früchte zu bringen, und sich würdig auf die Feier des Osterfestes vorbereitet. 3. Bei diesem Bemühen, auf die Gnade Gottes zu antworten, begleiten und ermutigen uns eine Schwester und ein Bruder im Glauben, die versucht haben, die von der göttlichen Vorsehung empfangenen natürlichen Gaben und die Gnadengaben Frucht bringen zu lassen. Im Lauf dieser eindrucksvollen Liturgie werde ich nämlich die Freude haben, die Ordensschwester Dina Beianger aus der Kongregation Jesu und Mariens seligzusprechen und die Anerkennung der liturgischen Verehrung des Franziskaners Johannes Duns Scotus zu erklären. Zeitlich weit voneinander entfernt, haben diese beiden „erfolgreichen” Gläubigen das Zeugnis einer bereitwilligen und hochherzigen Antwort auf die göttliche Gnade gegeben und so in ihrem Leben natürliche Fähigkeiten und Gaben des Himmels auf eine Weise miteinander verflochten, die unsere Bewunderung weckt. Johannes Duns Scotus wurde um 1265 in Schottland geboren. Kurz nach seinem Tod am 8. November 1308 in Köln wurde er bereits „selig” genannt. In dieser Diözese wie auch in den Diözesen Edinburg und Nola sowie innerhalb des Franziskanerordens wurde ihm jahrhundertelang eine öffentliche Verehrung entgegengebracht, die die Kirche am 6. Juli 1991 feierlich anerkannt hat (vgl. AAS84[1992]396-399) und heute bestätigt. An die genannten Teilkirchen, die heute abend in der Vatikanbasilika würdig durch ihre Hirten vertreten sind, wie auch an die ganze große franziskanische Familie richte ich meinen Gruß und lade alle ein, den Namen des Herrn zu preisen, dessen Herrlichkeit in der Lehre und in der Heiligkeit des Lebens des seligen Johannes 791 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erstrahlt, der das menschgewordene Wort lobpreist und die unbefleckte Empfängnis Marias verteidigt. 4. In unserer Zeit, die so reich ist an gewaltigen menschlichen, technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten, in der aber viele den Sinn des Glaubens verloren haben und ein Leben fern von Christus und seinem Evangelium führen (vgl. Re-demptoris missio, Nr. 33), zeigt sich der selige Duns Scotus nicht nur mit der Schärfe seines Verstandes und der außerordentlichen Fähigkeit, in das Geheimnis Gottes einzudringen, sondern auch mit der überzeugenden Kraft seiner Heiligkeit des Lebens, die ihn für die Kirche und für die ganze Menschheit zum Meister des Denkens und Lebens macht. Seine Lehre, aus der man, wie mein verehrter Vorgänger Paul VI. gesagt hat, „glänzende Waffen schmieden kann, um die schwarze Wolke des Atheismus, die unsere Zeit verdunkelt, zu bekämpfen und zu entfernen” (Apostolisches Schreiben Alma parens: AA5'58[1966]612), erbaut wirksam die Kirche, indem sie sie bei ihrer dringenden Aufgabe der Neuevangelisierung der Völker der Erde unterstützt. Besonders für die Theologen, die Priester, die Seelsorger, die Ordensleute und besonders für die Franziskaner stellt der selige Duns Scotus ein Vorbild der Treue zur geoffenbarten Wahrheit, ein Vorbild fruchtbaren priesterlichen Wirkens und ein Vorbild ernsthaften Dialogs in der Suche nach der Einheit dar. Denn er ließ sich - wie Johannes von Gerson schrieb - stets in seinem Leben „nicht von der Einmaligkeit des Siegens im Streit bewegen, sondern von der Demut, Übereinstimmung zu finden” (Lectiones duae „Poenitemmi”, lect. alt., consid. 5: in Apostolisches Schreiben Alma parens'. A4S'58[1966]614). Mögen sein Geist und sein Andenken die Sorgen und Hoffnungen unserer Gesellschaft mit dem Licht Christi erhellen. Der Papst hatte seine Predigt in Italienisch begonnen und sagte weiter auf französisch: 5. Dieses Licht ging auch vom Antlitz deijenigen aus, die die Kirche von nun an als Selige verehrt, Dina Beianger aus der Kongregation Jesu und Mariens. Zur Stunde des Abendgebets tun wir gut daran, unsere Blicke auf diese brennende Seele zu richten, die zu einem sehr hohen Grad der Gottverbundenheit gelangte, die sie von ihrem Noviziat an beschrieben hat: „Mein Hunger nach der Kommunion nahm ständig zu. Ein Tag ohne Brot, ist das nicht ein Tag ohne Sonne, Stunden, in denen es nicht Abend werden will?” In der Tat wollte sie, das Jesus allein in ihr lebe, damit ihr ganzes Sein mit dem seinen eins werde. Dina Beianger kommt dem bewundernswerten Ideal nahe, über das Paulus uns nachdenken läßt, wenn er ausruft: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir” (Gal 2,20). In einer Kongregation, deren Ziel es ist, „durch die christliche Erziehung Jesus und Maria bekannt zu machen”, gestaltet Schwester Maria von der hl. Cäcilie von Rom ihr Leben und Handeln so, daß sie Christus in sich wirken läßt und nichts ist als ein Werkzeug in seinen Händen. 792 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihre Leiden erlaubten ihr, die Identifizierung, die sie suchte, zu erfahren. Durch das Kreuz der Krankheit und des Todes vollendete sie ihre Hingabe an den, der das einzige Ziel ihres Lebens war und bleibt, das Licht, das alle Menschen auf dieser Welt erleuchtet, die Helle inmitten der Dunkelheit und der Nacht, die Stimme, die in unserem Herzen spricht. 6. Die vertraute Gegenwart Christi in Dina Beianger und das Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit in ihr treten ganz besonders in ihrem Geist der Hingabe an das Herz des Gottessohnes in Erscheinung. Jesus ist, wie sie schrieb, das „Leben meines Lebens”, denn sie bemüht sich stets, ihr Herz im Rhythmus des seinen schlagen zu lassen. Sie weiß sich in jedem Augenblick in die ewige Gegenwart begleitet, die Paulus sagen läßt: „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung” (2 Kor 6,2). Ganz bestrebt, dem göttlichen Willen zu entsprechen, lebt sie nur mehr in der Freiheit, die Gott seinen Kindern geschenkt hat, und im Geist ihres Wahlspruchs: „Jesus und Maria, die Regel meiner Liebe, und meine Liebe die Regel meines Lebens.” Dieser Treue zu den Anliegen des eucharistischen Herzens Jesu und des unbefleckten Herzens seiner Mutter entspringen die einfachsten und schönsten Liebestaten ihren Mitschwestem gegenüber. Als ob sie die Gnade der hl. Therese vom Kinde Jesu empfangen hätte, die im Jahr ihrer Geburt aus dieser Welt schied, will sich Dina Beianger „in der Liebe zur ganzen Welt verzehren”; sie wird Jüngerin und Missionarin nach dem Herzen Gottes. Ihre Botschaft wird uns heute abend, Brüder und Schwestern, mit einer wunderbaren Reinheit und Klarheit vermittelt. Die Annahme Jesu in unserem Leben, die Vereinigung seines Herzens mit dem unseren, die Liebe zu der allerseligsten Jungfrau, der brüderliche Geist in den Gemeinschaften, das sind die Gnaden, um die wir den Herrn auf die Fürsprache Dina Beiangers bitten können, die uns als letzte Devise hinterläßt: „Lieben und alles Jesus und Maria überlassen.” In italienischer Sprache fuhr der Papst fort: 7. „Als Mitarbeiter Gottes ermahnen wir euch, daß ihr seine Gnade nicht vergebens empfangt.” Liebe Brüder und Schwestern, von den beiden neuen Seligen sozusagen an der Hand geführt, kehren wir zu der Einladung zurück, die die heutige Liturgie uns mit eindringlichem Beharren wiederholt. Wir sind alle zur Heiligkeit berufen; alle sollen wir in unserem Leben jenen Dialog der Liebe und der Vereinigung mit Gott aufbauen, der zum wahren Glück und zur vollen Erfüllung der innigsten Wünsche des menschlichen Herzens führt. Die Wege, auf denen man dem evangelischen Ruf folgt, können verschieden sein, entsprechend dem unerschöpflichen Reichtum der übernatürlichen Gnade. Das Ziel ist jedoch ein einziges: Im eigenen Leben das Bild des Gottessohnes verkörpern. Die authentische Spiritualität gründet auf dieser elementaren und entscheidenden Voraussetzung: Die Botschaft des Evangeliums ins Konkrete übersetzen, indem man ohne Zögern auf das heilbringende Wirken des Herrn antwortet. 793 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung!” Jetzt ist die Zeit unserer Umkehr. Dina Beianger, die junge Anhängerin jener Glau-dine Thevenet, die ich morgen zu meiner Freude heiligsprechen werde, regt uns mit ihrem Beispiel an, die Pläne Gottes in der Einfachheit des täglichen Lebens zu lieben. Johannes Duns Scotus erinnert uns daran, daß die tätige Liebe zu den Brüdern aus der Suche nach der Wahrheit und ihrer Betrachtung in der Stille des Gebets und im klaren Zeugnis der vollen Bejahung des Willens des Herrn erwächst. Liebe Brüder und Schwestern, wie in ihrem Leben die Gnade Gottes nicht vergebens gewesen ist, so soll es auch für uns sein. Das erbitten wir auf ihre Fürsprache mit Vertrauen vom Herrn. Selige Dina Beianger, seliger Johannes Duns Scotus, bittet für uns! Ermutigung zum Krankenapostolat Ansprache an die Mitglieder der Vereinigung für Krankenwallfahrten nach Lourdes (OFTAL) am 20. März 1. Ich bin froh, euch zu empfangen, liebe Brüder und Schwestern, die ihr aus vielen Teilen von Piemont als Pilger nach Rom gekommen seid, und von Herzen entbiete ich jedem von euch meinen liebevollen Willkommensgruß. Besonders grüße ich den Erzbischof von Vercelli, Msgr. Tarcisio Bertone, dem ich für die freundlichen Worte danke. Ich grüße die Verantwortlichen eurer Organisation, die Freiwilligen, und umarme liebevoll jeden von euch, liebe Kranken, und eure Angehörigen. Ihr seid zu den Gräbern der Apostel gekommen, um eure Verbundenheit mit Christus und dem Nachfolger Petri zu erneuern. Ihr seid als Pilger gekommen, um eure Dankbarkeit für die Einführung des Welttags der Kranken zu bekunden, dessen Zweck es ist, den Sinn des Leidens für das Heil der Welt immer mehr und immer besser verstehen und schätzen zu lernen. Es gibt aber einen weiteren Grund, der unsere heutige Begegnung bedeutsam und familiär werden läßt: Ihr feiert in diesem Jahr das sechzigjährige Bestehen eures Dienstes in der Kirche. 2. Es ist ergreifend, in diesem Augenblick an die Figur des verstorbenen Gründers des OFTAL, Msgr. Alessandro Rastelli, zurückzudenken, den Apostel des Leidens, der das ganze Leben im Dienst an den Kranken hingab. Im Mai 1912 begab er sich zum ersten Mal nach Lourdes und hatte dort die Eingebung, eine konkrete Struktur ins Leben zu rufen, die geeignet wäre, die Kranken in die Stadt Marias zu bringen. Bereits im Mai des folgenden Jahres reiste von Vercelli eine Gruppe von dreißig Kranken ab, und im Jahr 1932 wurde unter seiner Leitung der erste Zug mit Zielort Lourdes organisiert. Im März 1934 erhielt die Vereinigung ihren Namen OFTAL, „Opera Federativa Trasporto Ammalati a Lourdes”, mit drei genau festgesetzten Zielen: Den Kranken 794 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN helfen, aus dem Zustand der Depression und gesellschaftlichen Ausgrenzung her-auszukommen; ihnen den heilbringenden Wert des Leidens, wenn Sie es in Vereinigung mit Christus, dem Erlöser, annehmen und aufopfem, verständlich machen; freiwillige Helfer, Jugendliche und Erwachsene, in den Krankendienst und in eine feinfühlige, aufmerksame Evangelisierungsarbeit einbeziehen, um den Kranken zu helfen, im Glauben zu reifen. Bei seinem Tod am 11. Oktober 1960 hinterließ Msgr. Rastelli eine nunmehr blühende Vereinigung, die von großer Liebe zur Kirche und zu den Seelen geprägt und getragen war. 3. OFTAL ist in diesen Jahren den von seinem Gründer vorgezeichneten Weg mit Begeisterung und Hingabe weitergegangen, und heute seid ihr hier, um dem Herrn zu danken und euren Willen zu erneuern, dieses kostbare Apostolat fortzusetzen, das aus dem Leiden eine ständige Gabe an den Herrn für das Heil der Menschheit macht. Ich möchte daher euch Kranken und allen, die sich euch widmen - Ärzte, Krankenpfleger, Apotheker, freiwillige Freunde, Begleiter, Priester, Ordensleute -, den Dank der ganzen Kirche für das Beispiel, das ihr gebt, und für die Liebe, deren stille Diener und beredte Zeugen ihr seid, zum Ausdruck bringen. Die Gelegenheit ist willkommen, euch auch für die ansehnliche Spende zu danken, die die Familie des OFTAL für den Bau der St.-Josefs-Kirche in Auschwitz, in meiner Heimat, bestimmt hat, ein Beispiel, das bleiben wird zum unauslöschlichen Gedächtnis eurer Solidarität und kirchlichen Sensibilität. 4. Liebe Freunde des OFTAL! Heute abend werde ich die Freude haben, eine junge Kanadierin seligzusprechen: Schwester Marie de Sainte-Cecile de Rome, mit bürgerlichem Namen Dina Beianger, von den Schwestern Jesu und Mariens, die von 1897 bis 1929 gelebt hat. Es handelt sich um eine Frau, die in noch jungen Jahren von der Tuberkulose dahingerafft wurde, aber gleichwohl zum Gipfel der Heiligkeit gelangt ist. Von zahlreichen übernatürlichen Gaben begünstigt, war sie ein Vorbild der Kontemplation und der innigen Verbundenheit mit der heiligsten Dreifaltigkeit. Sie verstand es mit der Gnade Gottes, durch Leiden zu lieben und in Liebe zu leiden. In ihrer Autobiographie lesen wir: „Ich habe keine Worte mehr, um zu sagen, wie grenzenlos mein Durst nach Leiden ist... Die Liebe ist der einzige Grund meiner Wünsche; ich wünsche mir, daß der gekreuzigte Jesus erneut in mir lebe, damit ich ihm so vollkommen wie möglich gleiche und durch ihn den Seelen seine unendlichen Verdienste zuführe” {Autobiographie, S. 330). Dina Beianger zeigt mit ihrem Leben, daß die aufrichtige Hingabe unser selbst, die Quelle unseres wahren Glücks, in Vereinigung mit Christus Jesus auch im Leiden verwirklicht werden kann. „Wie bin ich glücklich - schrieb sie - ... auch für die anderen Seelen ... werde ich Freude schenken” (ebd., S. 431). Das Vorbild dieser treuen Dienerin Gottes, liebe Kranke, sei auch für euch ein Halt und eine Hilfe, in allen Gegebenheiten den wahren Sinn eures Daseins zu entdec- 795 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ken. Es helfe euch, das Geheimnis des Schmerzes und der Krankheit mit der göttlichen Weisheit zu durchdringen. Im Kreuz Christi, auf das besonders der Bußweg der Fastenzeit hinweist, den wir gerade gehen, mögt ihr die Zeichen der Hoffnung und des Sieges Gottes über das Böse und den Tod erblicken können. Und all das möge euren Glauben nähren und den Willen neu stärken, euer Dasein zu einem Geschenk an Gott zum Lobpreis seiner Herrlichkeit und für das Heil der Menschen zu machen. Maria, die Mutter der göttlichen Gnade, die den erlösenden Wert des menschlichen Leidens gut kennt, leite euch an und helfe euch, eure Situation der Prüfung und manchmal langer Krankheit in der rechten inneren Ausrichtung zu leben. Betet auch für mich und für das Petrusamt, das mir anvertraut ist. Ich bin euch schon jetzt dankbar dafür. Mein Segen stärke und begleite euch allezeit. Hoffnungszeichen und Hilfe in der Stunde der Prüfung Ansprache an die Pilger, die an den Seüg- und Heiligsprechungsfeierlichkeiten vom 20. bis 22. März teilgenommen haben, vom 20. März Ehrwürdige Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Für mich bedeutet es eine große Freude, euch in so großer Zahl am Tag nach den von christlicher Freude erfüllten Stunden zu begegnen, die wir in den vergangenen Tagen erlebt haben bei der Seligsprechung von Dina Beianger, bei der Heiligsprechung von Claudine Thevenet und von Teresa von Jesus „de los Andes” sowie bei der Bestätigung der liturgischen Verehrung für Johannes Duns Scotus. Letzterer wird bereits seit siebenhundert Jahren in einigen Teilkirchen und von seinen Mit-brüdem aus dem Franziskanerorden verehrt, dessen Mitglied er war. Im Namen dieser dem Herrn treuen Zeugen begrüße ich euch alle recht herzlich, die ihr bei der heutigen Begegnung anwesend seid. Der Papst hatte seine Ansprache in Italienisch begonnen und fuhr dann in Französisch fort: 2. Mit Freude sehe ich hier die Schwestern von Jesus-Maria. Unsere Begegnung steht im Zeichen der Freude dieser Heilig- und Seligsprechungen, da wir nun im Himmel neue Heilige besitzen, die für uns Fürbitte einlegen. Ja, wir können und müssen zu eurer Gründerin und zu eurer Mitschwester aus Quebec beten, um von ihnen Hilfe für das Wachstum unseres Lebens mit Gott zu erlangen an jedem Tag, den er uns schenkt. Die Fruchtbarkeit ihres Wirkens hat sich ja bereits auf verschiedenen Gebieten gezeigt, angefangen bei dem der Erziehung. Doch steht diese Fruchtbarkeit der Heiligkeit erst am Anfang. Durch ihr Leben und ihre Botschaft geben die heilige Claudine und die selige Dina euch die Mittel in die 796 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hand, ihr Werk der Evangelisierung weiterzuführen. Ihr müßt sie um ihre Hilfe bitten und euch von ihren Ratschlägen leiten lassen. Ihr müßt ferner in dem Mut, den sie gezeigt haben, die Quelle eures eigenen Mutes finden. Ihr missionarischer Schwung, von dem die unterschiedliche Zusammensetzung dieser Versammlung Zeugnis gibt, hat ja wahrlich nicht auf gehört, Früchte zu tragen. 3. Wenn ich die Gestalten dieser beiden heiligen Ordensfrauen herausstelle, möchte ich euch ein Anhegen anvertrauen, das mir teuer ist und das ich euch mit mir zu vertreten bitte. Wir wissen, daß die selige Dina Beianger bemüht war, für die gottgeweihten Menschen zu beten. Angesichts der Zweifel, die sich gegen den Wert der gottgeweihten Jungfräulichkeit erheben, ist das Zeugnis jener Männer und Frauen, die dem Ruf des Herrn vorbehaltlos folgen, immer noch die beste Antwort und wird es für immer bleiben. Dazu kommt das Gebet zu Christus, dem Priester und Hirten seiner Kirche, das Gebet für die Menschen, die er ein für allemal berufen hat und die sich nun alle Werte seiner ganz dem Vater zugewandten Person zu eigen machen müssen, um sie den Menschen weiterzuschenken. Ihr sollt ferner der Jungfrau Maria den Geist und das Herz der Priester, der Ordensmänner und Ordensfrauen anempfehlen. 4. Die hl. Claudine Thevenet und die selige Dina Beianger bezeugen, jede gemäß ihrer eigenen Gnade, eine sehr intensive geistliche Erfahrung. Die Gründerin der Kongregation der Ordensfrauen von Jesus und Maria hat immer den Antrieb für ihr Wirken in der Betrachtung des Herzens Christi und des Herzens seiner Mutter gefunden. Ihr Glaube an Gott, ihre Treue zur Kirche und ihre echte Liebe haben ihre menschlichen Fähigkeiten entfaltet und ihren Unternehmungen große Wirksamkeit verliehen. Wir bitten sie, die gleiche im Glauben begründete Hingabe denen einzuflößen, die heute zum Apostolat berufen sind. Dina Beianger hinterläßt uns ihrerseits das leuchtende Zeugnis eines innigen Dialogs mit Christus, dem sie mit ihrer ganzen Feinfühligkeit gefolgt ist; sie besaß das Talent einer Musikerin, das sie zweifellos darauf vorbereitete, die Gegenwart Gottes anzunehmen und ihn über alle Worte hinaus zu lobpreisen. Als sie den Namen Maria von der hl. Cäcilia von Rom erhielt, war sie darüber glücklich, weil sie dadurch mit der Patronin der Musiker verbunden war und zugleich Schülerin einer Blutzeugin des Glaubens wurde. Möge diese bescheidene Mystikerin allen Gottsuchern in unserer Zeit helfen, zumal denen in ihrer Heimat Quebec! Möge sie den Gläubigen der ganzen Kirche helfen, auf dem Weg der innigen Gemeinschaft mit dem Herrn voranzuschreiten, die fiir die Lebenskraft der Kirche notwendig ist. Der Papst fuhr in Spanisch fort: 5. Die Gestalt der hl. Claudine Thevenet, hebe Brüder und Schwestern spanischer Sprache, muß unter die heiligen Erzieherinnen eingereiht werden, die ihr Leben der Unterweisung gewidmet haben, einer Aufgabe, die sie in besonders schwieriger Zeit übernahm, denn sie hatte die unermeßlichen Bedürfnisse der verlassenen Kinder be- 797 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN griffen. Ihr Ideal kommt in einem Wahlspruch zum Ausdruck, der ihre Herzensgröße und uns den Weg zeigt, den wir gehen müssen: „Seelen für den Himmel heranbilden.” ClaUdine unternimmt ihre erzieherische Tätigkeit von diesem übernatürlichen Gesichtspunkt aus, dem einzigen, der ihrer Sendung wahren Wert und vollen Sinn geben kann. Wie ihr gut wißt, darf sich der Unterricht nicht auf die bloße Vermittlung des Wissens der Lehrkräfte an die Schüler beschränken, denn es ist immer begrenzt und kann durch die Entdeckungen der Wissenschaft und neuer Techniken in Frage gestellt werden. Die echten Erzieher - das hatte unsere neue Heilige wohl begriffen, und sie hat es gezeigt - wollen vielmehr die Fähigkeiten und Werte des Verstandes und des Herzens entdecken und kräftigen, die die Schüler in sich tragen, und sie möchten ihnen gediegene christliche und menschliche Grundsätze einprägen, die zu ihrer geistigen, sozialen und kulturellen Bildung beitragen. 6. Die Lieblingstochter der chilenischen Kirche, die hl. Teresa de Jesus „de los An-des” (Juanita Femandenz Solar) stellt eine erlesene und reife Fracht der Präsenz des Evangeliums in Amerika dar, gerade wo wir der 500jährigen Ankunft des Glaubens auf diesem Kontinent der Hoffnung gedenken. Wenn ich euch, lieben Brüdern und Schwestern aus Chile, hier begegne, die ihr als Pilger nach Rom gekommen seid, um an der Feier der Heiligsprechung teilzunehmen, kommen mir die schönen Tage in Erinnerung, die ich in eurem Land vor sechs Jahren verbracht habe anläßlich meiner unvergeßlichen Pastoraireise, bei der ich Santiago, Valparaiso, Puntas Arenas, Puerto Montt, Concepcion, Temuco, La Serena und Antofagasta wie auch Maipü besucht habe, wo ich die Freude hatte, das Bild Unserer Lieben Frau vom Karmel als Königin von Chile zu krönen. Heute freut sich die große karmelitanische Familie mit ihren Ordensmännem und Ordensfrauen darüber, eine geistliche Tochter der hl. Theresia zur Ehre der Altäre erhoben zu sehen, die es verstanden hat, auf erhabene Weise das Charisma des Karmel in der Gesellschaft unserer Tage lebendig und aktuell zu machen. Das Leben der Teresa „de los Andes” wird gleichsam in der kurzen, aber geistig reichhaltigen Botschaft, die auf ihrem Grabstein in Auco steht, zusammengefaßt: „Die Liebe ist stärker.” Diese Liebe hat sie in ihrer tief christlichen Familie kennen-gelemt und in der Erziehung reifen lassen, die sie im Institut zum Heiligsten Herzen empfing, das für die Kirche und die Familien von Chile eine so fruchtbare Arbeit geleistet hat. Gebe Gott, daß die chilenischen Familien auch heute Träger jener Werte und Tugenden zu sein wissen, die sie zu bevorzugten Orten der Weitergabe des Glaubens und der Heranbildung von Berufungen für den Priester- und Ordensstand macht. Die neue Heilige muß für euch alle, hebe Brüder und Schwestern, die außerordentliche Zeugin einer betenden Frau und ein Vorbild christlichen Lebens sein, in dem die Liebe zu Gott und zum Nächsten untrennbar bleiben. Ihr Charisma und ihre Botschaft muß den Gemeinschaften der Kirche und zumal der Jugend neuen Antrieb 798 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und lebendige Hoffnung schenken. Teresa „de los Andes”, die sich im Glanz ihrer Jahre gänzlich der trinitarischen Liebe hingab, ist heute ein leuchtendes Zeichen für die jungen Männer und Frauen in Chile. Angezogen von ihrem Beispiel, ergreifen Tausende von ihnen den Pilgerstab und wandern zum Heiligtum von Auco, um unserer Heiligen gleichsam bei der „ständigen Anbetung” zu begegnen, die ihnen sagt: „Schreitet voran! Schreitet voran zu den Höhen des Geistes!” Das Charisma des kontemplativen Lebens, von dem die hl. Teresa „de los Andes” eine einzigartige Vertreterin ist, muß in der Kirche als besonders aktuell und notwendig gelten, wenn sie vor der dringenden Aufgabe der Neuevangelisierung steht, die - wie ich kürzlich in Santo Domingo betont habe - von den Heiligtümern des kontemplativen Lebens unterstützt wird als Zeugen der inneren Kraft, die immer die Verkündigung der Botschaft von Jesus Christus enthalten muß (vgl. 4. Vollversammlung des lateinamerikanischen Episkopates, Eröffnungsansprache am 12. Oktober 1992, 26). Bevor ich schließe, möchte ich recht herzlich euch alle, meine Herren Bischöfe, und die zahlreichen Pilger aus Chile grüßen, die ihr im Geist tiefer kirchlicher Gemeinschaft Gott Dank sagt für das große Geschenk der ersten Heiligen eures Landes. Ich richte meinen ergebenen Gmß zugleich an die außerordentliche Delegation, die als Vertretung der Regierung unter Führung des Senatspräsidenten anwesend ist. Euch alle bitte ich, den herzlichen Gruß des Papstes den Karmelitinnen und den Mitgliedern eurer kirchlichen Familien und Gemeinschaften und den vielen Chilenen und Chileninnen auszurichten, die sehr gern in diesen Tagen in Rom anwesend gewesen wären, obwohl sie gewiß mit uns im Geist und in ihrem Gebet innig verbunden waren. Ihnen und euch allen erteile ich von Herzen meinen Segen. In Italienisch schloß der Papst: 7. Meine Lieben, wenn wir die reifsten Früchte der göttlichen Gnade bewundern, erfüllt sich unser Herz natürlicherweise mit Dank und Lob für den Herrn. In der Gemeinschaft der Heiligen dürfen wir uns heute des Abglanzes der Herrlichkeit des auferstandenen Christus in den neuen Sehgen und in den beiden treuen Ordensschwestern erfreuen, die zur Ehre der Altäre erhoben worden sind. Diese hervorragenden Zeugen des Evangeliums leuchten für uns, die wir noch als Pilger auf unser ewiges Ziel hin unterwegs sind, als glänzende Zeichen der Hoffnung auf und helfen uns in der Stunde der Prüfung. Vertrauen wir uns ihnen und dem mütterlichen Schutz der heiligen Maria, der Königin aller Heiligen, an! Begleiten und helfen soll euch auch der Apostolische Segen, den ich von Herzen euch und all euren Lieben erteile. 799 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Telegramm zum Tode von Kardinal Sebastiano Baggio vom 21. März Nach Erhalt der traurigen Nachricht vom Tod Ihres heben Bruders Kardinal Sebastiano Baggio, Camerlengo der heiligen Römischen Kirche und stellvertretender Dekan des Kardinalskollegiums, spreche ich Ihnen und Ihren Angehörigen meine tiefempfundene Anteilnahme aus. Während ich das lange und arbeitsreiche Leben des verehrten Kardinals würdige, das fruchtbar war an evangelischen Tugenden und sich im hochherzigen und uneingeschränkten Dienst für den Hl. Stuhl entfaltete - als fleißiger päpstlicher Vertreter in verschiedenen Nationen, als eifriger und unermüdlicher Erzbischof von Cagliari und schließlich als Präfekt der Kongregation für die Bischöfe -, versichere ich Ihnen, daß ich für die wohlverdiente ewige Ruhe dieser auserwählten Seele bete, und erteile Ihnen als Trost den Apostolischen Segen. Das Wesen der christlichen Botschaft: lieben, leiden, beten, dienen Ansprache bei der Heiligsprechung der Seligen Claudine Thevenet und Teresa de Jesus „de los Andes” am 21. März 1. „Ich bin das Licht der Welt” (Joh 8,12). Den heutigen IV. Sonntag der Fastenzeit könnten wir mit Recht „Tag des Lichtes” nennen. Denn auf dem Weg, der die Kate-chumenen auf die Taufe vorbereitete, durften diese in den ersten Jahrhunderten des Christentums in der Liturgie dieses Tages, die in vielfältiger Weise auf das biblische Thema des Lichtes anspielt, im Voraus den Augenblick verkosten, in dem die Augen ihrer Seele durch das Bad der Taufe sich dem Licht des Glaubens öffnen und sie damit ein Teil der Gemeinschaft der Kirche werden. Das Sakrament der Taufe bezeichnet den Übergang vom Tod zum Leben dank der Teilhabe am Geheimnis des gekreuzigten und auferstandenen Christus. Christus ist das Leben; das Leben aber „ist das Licht der Welt”. Das Wort, das in die Welt kam, der wesensgleiche Sohn des Vaters, ist selber „Licht vom Licht”. Alle, die ihn aufnehmen, nehmen das Licht auf. Sie öffnen ihre Augen; es eröffnet sich die innere Sehfähigkeit der Seele, und sie sieht „die Großtaten Gottes” (magnalia Dei) (Apg 2,11). Beim Bericht der Heilung des Blindgeborenen zeigt das Evangelium des IV. Fastensonntags den nicht leichten Weg, der zur Entdeckung dieses Lichtes führt: zur Entdeckung Christi. In wie vielen und verschiedenen Weisen aber erneuert sich das vom Evangelisten Johannes erzählte Ereignis im Leben der Menschen aller Zeiten! 800 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Weisen sind verschieden, jedoch das Ergebnis ist das gleiche: Das Licht leuchtet in der inneren und äußeren Finsternis. Der Mensch sieht. Noch mehr: Er wird Zeuge der Wahrheit, die von Gott kommt. 2. „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt ... wird das Licht des Lebens haben” (Joh 8,12). Der Apostel schreibt: „Ihr seid durch den Herrn Licht geworden. Lebt als Künder des Lichts” (Eph 5,8). Heute möchte die Kirche die Worte des heiligen Paulus verkünden und sie in besonderer Weise auf zwei ihrer Töchter beziehen, die „Licht im Herrn” geworden sind: Maria vom hl. Ignatius (Claudine Thevenet) und Teresa „de los Andes” (Juanita Femandez Solar). Diese „Töchter des Lichts” haben sich als Zeuginnen Christi in der Welt ausgezeichnet. Im „alten” Europa war es Claudine Thevenet, in der „Neuen Welt” dagegen Juanita Femandez Solar. Während wir noch das 500jährige Jubiläum der Evangelisierung des großen amerikanischen Kontinents feiern, freuen wir uns einer herrlichen Blüte, die aus der Frohbotschaft und der Gnade der heiligen Taufe unter den Völkern dieser „neuen Erde” erwachsen ist. Der Papst hatte seine Predigt in Italienisch begonnen und fuhr in französischer Sprache fort: 3. Diese Taufe haben sie beide in der Kirche empfangen, wo sie zum Leben Gottes geboren wurden. Durch ihre christliche Kindheit wurde Claudine Thevenet darauf vorbereitet, die große Prüfung ihrer Jugend, die Enthauptung ihrer beiden Brüder durch die Guillotine, zu überwinden. In der Trübsal dieser „finsteren Schlucht” (.Ps 22,4) hat sie es verstanden, sich gänzlich Gott anzuvertrauen. Ihre Berufung hat ihren Ursprung in dieser Wunde. Ihr heroisches Verzeihen, angeregt von den eigenen Brüdern, hat sie zum Teil veranlaßt, sich in Glaube und Liebe denen zuzuwenden, die sie um sich hemm durch das Leben verwundet sah. Aber angesichts des vielfachen Elends infolge der Umwälzungen und Kriege ihrer Zeit wollte sie nur eine Antwort der Liebe geben. Wer brauchte in diesen wirren Zeiten Nähe, Hilfe und Unterstützung, wenn nicht jene, die wegen ihrer Schwachheit Gefahr liefen, alles zu verlieren, die verlassenen und bedürftigen und jeder Art von Ausbeutung ausgelieferten Kinder? Wir haben das an den Propheten Samuel gerichtete Wort gehört: „Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz” (7 Sam 16,7). In der Schwäche eines Kindes erblickte Claudine Thevenet die Kraft Gottes, des Schöpfers; in der Not des Kindes die Herrlichkeit des Allmächtigen, der nicht aufhört zu rufen und uns aufzufordem, das Leben, das er in Fülle besitzt, zu teilen; in seiner Hingabe legt der gekreuzigte und auferstandene Christus, der ständig in seinen Brüdern und Schwestern gegenwärtig ist, den Menschen gerade die Kleinsten ans Herz. Deswegen wollte die Heilige von Lyon ihr Leben dafür einsetzen, die Kinder und Jugendlichen wieder mitten in das soziale Leben, freilich unter gesunden und würdigen Bedingungen, einzugliedem. Sie wollte den jungen Mädchen aus allen Schich- 801 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten eine christliche Erziehung geben, und dies war ihre Sendung, dies ist ihre Botschaft. Ihr Erziehungskonzept verbindet den Sinn für die menschlichen mit dem für die göttlichen Wirklichkeiten. Die Häuser, die sie für die für die Ärmsten gründen sollte, heißen darum auch „Häuser der Vorsehung”. Man muß nämlich die jungen Menschen lehren, daß sie die häusliche Gemeinschaft aufbauen und gut führen können, wenn sie auch die kleinsten Dinge mit der gleichen Sorge und Liebe tun wie die großen. Eine brennende Liebe stellt sich mit Achtung und Zuneigung in den Dienst der Kinder, um jedem zu ermöglichen, sein Bestes zu geben. Eines der Geheimnisse ihres Wirkens verrät sie, wenn sie sägt: „Der beste Lehrer ist nicht der, der am meisten bestraft, sondern der, welcher das Talent hat, am meisten Fehler vermeiden zu lassen”. Sie rief auch ohne Unterlaß die Güte Gottes an. 4. Für die gute Weiterführung ihrer Sendung regte Claudine Thevenet eine ganze Gruppe von jungen Mädchen an, die von Eifer erfüllt waren und wie sie ihre Kraft aus der Quelle des Herzens Jesu und des Herzens seiner Mutter schöpften. Dank einer sehr starken Verbindung von ständiger Aufmerksamkeit für Gott, Liebe zu Jesus und Maria und gehorsamer Treue zur Kirche gründete Mutter Maria vom hl. Ignatius die Kongregation von Jesus und Maria, die es ihr erlaubte, ihrem Werk eine wachsende Ausbreitung zu sichern. Im hochherzigen Wirken ihrer Gefährtinnen „werden die Werke Gottes offenbar” Uoh 9,3), wie der Herr selber es nach der Heilung des Blindgeborenen wünschte. Claudines Heiligkeit sollte im Leben ihrer Schwestern und in der missionarischen Dynamik der Kongregation fruchtbar werden. Groß ist daher unsere Freude, daß wir gestern eine von ihnen, die selige Dina Beianger, seligsprechen durften. Nun lebt oder kann in jedem Menschen ein Blinder leben, der berufen ist, von seiner Blindheit geheilt zu werden und das Licht des Herrn zu empfangen. Es braucht nur der Führer und Ärzte, der Erzieher und Erzieherinnen, um den jungen Menschen in der ganzen Welt zu helfen, dieses Licht zu empfangen. Die heilige Claudine Thevenet zeigt, wie sehr ein Kind geliebt zu werden verdient. Sie wiederholte nämlich vor ihren Schwestern: „Die Liebe soll gleichsam euer Augapfel sein”. Ja, der Bück, den man auf ein Kind wirft, muß in ihm eine Verheißung, eine Erwartung und eine Epiphanie der Gegenwart Gottes sehen, eine Geste Gottes, dessen „Ehre” der lebendige Mensch bleibt. Der Papst fuhr in Spanisch fort: 5. Licht Christi ist für die ganze Kirche Chiles Schwester Teresa „de los Andes”, Teresa von Jesus, unbeschuhte Karmelitin und erste Frucht der Heiligkeit des there-sianischen Karmels in Lateinamerika, die heute in die Schar der Heiligen der Gesamtkirche aufgenommen wird. So, wie wir eben in der ersten Lesung: aus dem Buch Samuel gehört haben, ragt die Gestalt Teresas nicht durch „ihr Aussehen und ihre stattliche Statur” hervor. Die 802 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heilige Schrift sagt uns wieder: „Gott sieht nicht auf das, worauf der Mensch sieht; der Mensch sieht das, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz” (I Sam 16,7). Daher hat Gott in ihrem jungen Leben von knapp 19 Jahren und in ihren elf Monaten als Karmelitin in wunderbarer Weise das Licht seines Sohnes Jesus Christus aufleuchten lassen, damit es als Leuchtturm und Führung diene für eine Welt, die vor dem Strahl des Göttlichen zu erblinden scheint. Einer säkularisierten Gesellschaft, die Gott den Rücken kehrt, bietet diese chilenische Karmelitin, die ich mit lebhafter Freude als Vorbild der immerwährenden Jugend des Evangeliums hinstelle, das leuchtende Zeugnis eines Lebens, das den Männern und Frauen von heute verkündet: Gott heben und anbeten und ihm dienen, darin bestehen Größe und Freude, Freiheit und volle Selbstverwirklichung des geschaffenen Menschen. Das Leben der seligen Teresa ruft uns aus dem Kloster heraus nachdrücklich zu: „Gott allein genügt”. Sie ruft es besonders den Jugendlichen zu, die nach Wahrheit hungern und nach einem Licht suchen, das ihrem Leben Sinn gibt. Einer Jugend, die unter dem ständigen Druck von Botschaften und Reizen einer erotisierten Kultur und Gesellschaft steht, die echte Liebe, Hingabe, mit dem hedonistischen Gebrauch des anderen verwechselt, ruft die junge Frau aus den Anden heute die Schönheit und Seligkeit in Erinnerung, die aus einem reinen Herzen strömt. In ihrer zärtlichen Liebe zu Christus findet Teresa das Wesen der christlichen Botschaft: lieben, leiden, beten, dienen. Im Schoß ihrer Familie lernte sie schon, Gott über alles zu lieben. Und da sie sich als ausschließliches Eigentum ihres Schöpfers fühlte, wurde ihre Liebe zum Nächsten nur um so intensiver und bestimmter. So sagt sie in einem ihrer Briefe: „Wenn ich etwas wünsche, dann für immer. Eine Karmelitin vergißt nie. Von ihrer kleinen Zelle aus begleitet sie die Seelen, die sie in der Welt liebt” (Brief, August 1919). 6. Ihre brennende Liebe führte Teresa zum Verlangen, mit Jesus und wie Jesus auch zu leiden: „Leiden und lieben, wie das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt trägt”, so sagt sie uns. Sie möchte eine unbefleckte Hostie sein, die in einem ständigen und schweigenden Opfer für die Sünder dargebracht wird. „Wir sind Miterlöserinnen der Welt - sollte sie später sagen - und die Erlösung der Seelen wird ohne Kreuz nicht gelingen” (Brie/; September 1919). Die junge chilenische Heilige war in hohem Maße eine kontemplative Seele. Lange Stunden verbrachte sie vor dem Tabernakel und dem Kreuz, das in ihrer Zelle hing, in Gebet und Anbetung, bittend und sühnend für die Erlösung der Welt, und sie half dem Apostolat der Missionare mit der Kraft des Geistes, zumal den Priestern. Sie sagt uns: „Die Karmelitin ist eine Schwester des Priesters” (Brief, 1919). Natürlich enthebt das kontemplative Tun wie Maria von Bethanien Teresa nicht der Pflicht, auch wie Martha zu dienen. In einer Welt, wo man unbekümmert um den Vorrang kämpft, um zu besitzen und zu herrschen, lehrt sie uns, daß das Glück darin besteht, die Letzte und die Dienerin aller zu sein nach dem Beispiel Jesu, der nicht gekommen ist, um sich dienen zu las- 803 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sen, sondern um zu dienen und sein Leben für die Erlösung vieler hinzugeben (vgl. Mk 10,45). Nun aber fährt die heilige Teresa von den Anden vom Himmel her fort, als immerwährende Fürsprecherin für ihre Brüder und Schwestern zu beten. Von dort her, wo sie schon auf Erden ihren Lümmel fand. Mit Jesus vermählt betrachtet sie ihn jetzt unverhüllt und ohne Schatten, und aus ihrer unmittelbaren Nähe zu ihm bittet sie für alle, die das Licht Christi suchen. Der Papst schloß in Italienisch: 7. „Der Herr ist mein Hirt” (Fs 23,1). Ganze Generationen von treuen Jüngern, die Christus in der alten und neuen Welt, im Norden und im Süden gefolgt sind, wenden sich an ihn, den Guten Hirten. An den Hirten der Seelen. An Ihn, der uns mit seinem Blut am Kreuz erlöst hat, an Ihn, der „das Licht der Welt” ist. Im Namen aller dieser Generationen aber sprechen heute die beiden neuen Heüigen zu uns: Maria vom Heiügen Ignatius und Teresa „von den Anden”. Sie danken dem Vater für „alle Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit” (Eph 5,9), die Früchte des Lichtes Christi sind. Ja, sie danken. Zugleich aber durchdringt ihre Stimme die Finsternisse und ruft unablässig nach dem Licht. Sie ruft jedem Menschen zu, der von den Finsternissen bedroht ist: „Wach auf ... steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein” {Eph 5,\4). Das ist also die Botschaft der Fastenzeit bei der heutigen Heiligsprechung: Christus ist das Licht der Welt! Wer ihm nachfolgt, „wird das Licht des Lebens haben”. Ein intensives Leben in kirchlichen Diensten Predigt bei der Begräbnisfeier für Kardinal Sebastiano Baggio am 23. März 1. „Alles, was der Vater mir gibt, wird zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen; denn ich bin nicht vom Himmel herabgekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat. Es ist aber der Wille dessen, der mich gesandt hat, daß ich keinen von denen, die er mir gegeben hat, zugrunde gehen lasse ...“ {Joh 6, 37-39) Die Worte Jesu, die uns der Evangelist Johannes überliefert, sind für uns, verehrte Kardinäle und liebe Brüder und Schwestern, ein großer Trost, denn sie geben uns die Gewißheit, daß all diejenigen, die in Christus sterben, das ewige Heil erlangen werden. Kardinal Sebastiano Baggio hat uns verlassen, und wir wissen ihn nun im Licht und im Frieden des Allerhöchsten, denn es ist der Wille Gottes, daß niemand von denen, die Christus zeit ihres Lebens geliebt und gedient haben, verloren gehe. 804 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hin und wieder im oft beinahe hektischen Ablauf der zahlreichen Tätigkeiten, die das moderne Leben und die Anforderungen der Kirche von heute an uns stellen, läßt uns die Vorsehung vor dem Leichnam eines Mitbruders verharren und regt uns zum Nachdenken an: „Denn wir haben hier keine Stadt, die bestehenbleibt, sondern wir suchen die künftige“ {Hebr 13,14), so ermahnt der Verfasser des Briefes an die Hebräer; und er schreibt weiter: Es ist „dem Menschen bestimmt ..., ... ein einziges Mal zu sterben, worauf dann das Gericht folgt“ {Hebr 9,27). Der hl. Paulus kommentiert in seinem Brief an die Korinther: „Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat“ (2 Kor 5,10). Heute ist es die teure Person Kardinal Baggios, die uns an die strenge Weisung des Wortes Gottes erinnert, eine Weisung, die für uns auch eine Botschaft trostspendender Gewißheit ist. Indem wir diese heiligen Exequien für ihn feiern, denken wir daran zurück, wie er sich um die vielen Aufgaben verdient gemacht hat, die ihm aufgrund seiner Kompetenz und seines kirchlichen Engagements im Laufe seiner langen und hingabevollen Dienstzeit beim Heiligen Stuhl anvertraut worden sind. 2. Bei einem kurzen Überblick auf das Leben des Kardinals, dessen Verlust wir betrauern, beeindruckt uns die umfangreiche Arbeit, die er auf verschiedenen Gebieten geleistet hat, die alle von großer Bedeutung waren und große Umsicht erforderten. Er war zweifellos eine hervorragende Persönlichkeit der Kirche. Er wurde am 16. Mai 1913 in Rosa vive, in der Diözese Vicenza, geboren. Nach dem humanistischen Abitur trat er in das Priesterseminar von Vicenza ein und studierte Philosophie und Theologie. In Rom, wo er die Päpstliche Universität Gregori-ana besuchte und zum Doktor in Kirchenrecht promovierte, wurde er zum Priester geweiht. 1938 trat er seinen direkten Dienst beim Hl. Stuhl an und arbeitete für die Nuntiaturen von El Salvador, Bolivien, Venezuela und Kolumbien, wo er unter anderem als Geschäftsbeauftragter in Cali die Organisation des Eucharistischen Kongresses der lateinamerikanischen Länder leitete. Während seiner Tätigkeit beim Staatssekretariat (1946-1948) und später (1950-1953) als Substitut der Konsistori-alkongregation wie bereits während seines Aufenthalts in den lateinamerikanischen Ländern war er stets intensiv in der Seelsorge tätig: in der Pfarrei von Casal Bertone übte er das Priesteramt aus, er widmete sich den Kindern von Villa Nazareth und übernahm die verantwortungsvolle Stelle des Generalassistenten der ASCI (Italienischer Katholischer Pfadfinderverband). 1953 ernannte ihn Pius XII. zum Apostolischen Nuntius in Chile, wo er sechs Jahre lang dem chilenischen Episkopat bei der Durchführung verschiedener pastoraler Initiativen, vor allem zugunsten der bedürftigeren Bevölkerungsschichten, zur Seite stand. 1959 wurde er zum Apostolischen Delegaten in Kanada ernannt, wo er alle Diözesen besuchte und sich insbesondere mit der Unterstützung portugiesischer und italienischer Immigranten befaßte. 1964 wurde er Apostolischer Nuntius in Brasilien. In diesem unermeßlich großen Land war er intensiv tätig: Er förderte den Aufbau von siebzehn neuen Di- 805 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN özesen, besuchte die ärmsten und hilfsbedürftigen Gebiete und unterstützte die Missionare in jeder Weise. Im Konsistorium von 1969 wurde er von Paul VI. zum Kardinal kreiert; später ernannte der Papst ihn zum Erzbischof von Cagliari und vier Jahre danach zum Präfekten der Kongregation für die Bischöfe. So begann für Kardinal Baggio ein neuer Lebensabschnitt mit neuen verantwortungsvollen Aufgaben in Rom, in einem Dika-sterium von größter Wichtigkeit für die Kirche, zumal er gleichzeitig das Amt des Präsidenten der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika und das des Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs ausübte. Erinnern wir uns auch daran, daß er „Patronatsherr“ des Malteserordens und mehrere Jahre lang Präsident der Päpstlichen Kommission für den Vatikanstaat war wie auch Camerlengo der Hl. Römischen Kirche und Unterdekan des Kardinalskollegiums ebenso wie Mitglied verschiedener Römischer Kongregationen. In allen seinen Ämtern hat er große Kompetenz, Würde, bemerkenswerte Kultur und Ausgeglichenheit bewiesen. Er hat somit ein wirklich intensives Leben geführt, gekennzeichnet von wertvollen kirchlichen Diensten, für die wir nun zu Recht unsere Wertschätzung und Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. 3. Was möchte dieser geliebte Bruder, der von uns gegangen ist, in diesem Augenblick zu uns sagen, die wir hier in Gebet und Betrachtung versammelt sind? Der lebenslange Dienst an der Kirche, in vielen Ländern und in den unterschiedlichsten Ämtern, den er immer mit vollkommener Hingabe und absoluter Selbstlosigkeit geleistet hat, sollte für uns ein Ansporn sein, stets fester an Jesus Christus, das .menschgewordene Wort, zu glauben, und mit ständig größerem Eifer die Kirche zu lieben, die Er gewollt und gegründet hat zur authentischen und unablässigen Lehre der Wahrheit, für den heilenden und heiligenden Dienst und zur Führung des Gottesvolkes,. des „mystischen Leibes Christi“, berufen zum ewigen Leben in der: seligmachenden Gemeinschaft des dreifältigen Lebens. In der Geschichte der Menschheit, die immer von Verwirrungen und Stürmen heimgesucht wurde, bleibt die Kirche das Licht und der Hafen des Heils. Auch wenn sie, tief ins menschliche Leben verwoben, zuweilen von ihm beeinflußt und erschüttert wird, so hat die Kirche dennoch immer wieder die Fähigkeit,. zu sich zu kommen und sich zu erneuern: denn ihr Ursprung und ihre Sendung sind von göttlicher Natur! Jesus sagte zu den Aposteln: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich“ (Joh 14,1), und weiter: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ {.loh 17,3). Dies scheint auch Kardinal Baggio uns sagen zu wollen, nun, da er seinen Weg auf Erden beendet hat und in die Freude des Herrn eingegangen ist. Während seines langen Lebens voller Begegnungen und Erfahrungen sah unser Bruder sowohl Unkraut als auch guten Weizen wachsen. Er fordert uns nun alle auf, guter Weizen zu sein und den reinen Samen der Wahrheit und der Güte reichlich auszu- 806 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN streuen und nach Möglichkeit, den geheimnisvollen Plänen der Vorsehung gemäß, Unkraut in guten Weizen zu verwandeln! Als Zeuge der unerschütterlichen Beständigkeit der Kirche und als Verwalter der christlichen Wahrheit und des Friedens möchte uns Kardinal Baggio, der in seinem Leben Menschen aus allen sozialen Schichten begegnete und sehr verschiedene Kulturen einander näherbrachte, auch Liebenswürdigkeit und Verständnis in den Beziehungen zu unseren Mitmenschen lehren. Zweifellos muß das Schlechte verurteilt und bekämpft, der Irrtum erkannt und berichtigt werden, aber dies sollte stets auf behutsame und respektvolle Weise geschehen in der Überzeugung, daß jeder sein Leid, sein Geheimnis, seine Angst vor dem Tod und dem Jenseits mit sich trägt. Besonders die Tatsache, daß alle Menschen unweigerlich auf diesen endgültigen Abschied zugehen, sollte unsere Herzen mit Aufmerksamkeit, Barmherzigkeit, Geduld und Brüderlichkeit füllen. Als Vorbild sollten wir ständig das Beispiel Christi vor Augen haben, der trotz seiner anspruchsvollen Forderungen damals wie heute zu den Menschenmengen sagt: „Koriimt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen ... und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele“ (Mt 11,28-29). 4. Wenn ich nun Kardinal Baggio den letzten Gruß entbiete, gehen meine Gedanken zu dem PastQralbesuch zurück, den ich im September 1991 seiner Diözese in Vicenza abstattete, und zu dem Rosenkranz, den wir am Samstagabend auf dem Platz des Heiligtums von Monte Berico gebetet haben. Wir waren gemeinsam, den Rosenkranz in der Hand, auf den heiligen Berg der Madonna gestiegen, und dort oben haben wir über Maria als Vorbild barmherziger Güte, Sinnbild der Kirche, Beispiel des Gehorsams und der Liebe zum Willen des Vaters nachgedacht und sie inständig angerufen: „Maria, monstra Te esse Matrem! Zeige dich als Mutter! “ Mit den gleichen Worten vertrauen wir nun der heiligen Jungfrau die Seele von Kardinal Sebastiano Baggio an, während wir für ihn das hl. Meßopfer feiern. Mögen seine Erinnerung und sein Werk in uns unauslöschbar erhalten bleiben! Möge der Herr ihn bald in die ewige Freude aufnehmen! 807 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Apostolisches Schreiben Motu PROPRIO über die Zusammenlegung des „Päpstlichen Rates für den Dialog mit den Nichtglaubenden” mit dem „Päpstlichen Rat für die Kultur” sowie die Umwandlung der „Päpstlichen Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes” in eine eigenständige „Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche” vom 25. März Schon seit Beginn meines Pontifikates habe ich mich, die reichhaltigen und anregenden Hinweise des Zweiten Vatikanischen Konzils aufnehmend, um die Entwicklung des Dialogs zwischen der Kirche und der heutigen Welt bemüht. Vor allem habe ich versucht, die Kontakte mit den Nichtglaubenden auf dem hervorgehobenen Gebiet der Kultur zu fördern, dieser fundamentalen Dimension des Geistes, die die Menschen zueinander in Beziehung setzt und sie in dem vereinigt, das sie am meisten kennzeichnet - ihre gemeinsame Menschlichkeit. Zu diesem Zweck habe ich 1982 in der Überzeugung, daß „die Synthese zwischen Kultur und Glauben nicht nur ein Erfordernis der Kultur, sondern auch des Glaubens ist”, den Päpstlichen Rat für die Kultur ins Leben gerufen mit der Absicht, die pa-storale Anwesenheit der Kirche in diesem besonderen Lebensbereich zu verstärken, in dem das Schicksal der Welt heute am Ausgang dieses Jahrtausends auf dem Spiel steht. Damit soll gleichzeitig „der Dialog mit den niehtchristlichen Religionen und mit einzelnen oder Gruppen, die sich zu keiner Religion bekennen, gefördert werden durch die gemeinsame Suche nach einer kulturellen Kommunikation unter allen Menschen guten Willens” (Autograph von Johannes Paul II an Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli vom 20. Mai 1982). In diesen Jahren ist uns auch die enge Beziehung zwischen der Arbeit dieses Päpstlichen Rates und der Tätigkeit der von mir am 28. Juni gegründeten Päpstlichen Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes der Kirche stärker bewußt geworden, die trotz ihrer bisherigen kurzen Tätigkeitsperiode bewiesen hat, wie notwendig ihre Gründung war: Denn der Glaube neigt naturgemäß dazu, sich durch künstlerische Formen und historische Zeugnisse auszudrük-ken, die eine Kraft der Verkündigung und kulturellen Wert besitzen, denen die Kirche höchste Aufmerksamkeit schenken muß. Ebenso erschien es angebracht, die sachkundige Anwesenheit des Heiligen Stuhls im kulturellem Bereich durch eine Emeuemng und Verbindung der Päpstlichen Akademien angemessen zu gestalten. Im Licht der erwähnten Voraussetzungen habe ich, von den Bestimmungen der Konstitution Pastor bonus, abweichend, beschlossen, den Päpstlichen Rat für die Kultur und den Päpstlichen Rat für den Dialog mit den Nichtglaubenden zusammenzulegen und sie in einem einzigen Organ, dem Päpstlichen Rat für die Kultur, zu vereinen, mit dem von nun an die Päpstliche Kommission für die Erhaltung des 808 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN künstlerischen und geschichtlichen Erbes der Kirche regelmäßige Verbindung unterhalten wird. Für das neue Organ gelten folgende Richtlinien: Art. 1 Der Rat fördert die Begegnung der Heilsbotschaft des Evangeliums mit den Kulturen unserer Zeit, die oft von Nichtglaubenden und religiöser Gleichgültigkeit gekennzeichnet sind, damit sie sich mehr und mehr dem christlichen Glauben öffnen mögen, der Kultur schafft und eine Quelle der Inspiration für die Wissenschaften, Literatur und Künste ist. Art. 2 Der Rat bringt die pastorale Sorge der Kirche gegenüber den schwerwiegenden Spaltungserscheinungen zwischen dem Evangelium und Kulturen zum Ausdruck. Er fördert demnach das Studium des Problems des Nichtglaubens und der religiösen Gleichgültigkeit, die in unterschiedlichen Formen in den verschiedenen kulturellen Bereichen vertreten sind, indem er die Ursachen und Folgen, die den christlichen Glauben betreffen, untersucht mit dem Ziel, geeignete Hilfen für die pastorale Tätigkeit der Kirche zur Evangelisation der Kulturen und der Inkulturation des Evangeliums zu liefern. Art. 3 Um den Dialog der Kirche und des Heiligen Stuhls mit der Welt der Kultur zu unterstützen, wird der Rat, hinsichtlich des Dialogs zwischen Glaube und Kulturen und im Bereich des interkulturellen Dialogs, angemessene Initiativen entwickeln. Er schließt sich jenen an, die bereits von den verschiedenen Institutionen der Kirche eingeleitet worden sind, und stellt den entsprechenden Organen der Bischofskonferenzen seine Mitarbeit zur Verfügung stellen. Art. 4 Der Rat nimmt auch den Dialog mit den Nichtglaubenden und den Konfessionslosen auf, wenn diese zu einer aufrichtigen Zusammenarbeit bereit sind. Er organisiert Studientreffen und nimmt an solchen Fachtagungen durch Experten teil. I. Der Päpstliche Rat für die Kultur wird in zwei Abteilungen aufgeteilt: 1. Glaube und Kultur 2. Dialog mit den Kulturen Die Abteilung „Glaube und Kultur” wird die Tätigkeit weiterfuhren, die bisher vom Päpstlichen Rat für die Kultur ausgeübt wurde. 809 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Abteilung „Dialog mit den Kulturen” wird sieb mit der Tätigkeit befassen, die bisher Aufgabe des Päpstlichen Rates für den Dialog mit den Nichtglaubenden war. Ein Kardinalpräsident wird dem neuen Organ vorstehen und von einem Sekretär wie auch einem Untersekretär unterstützt werden. Im Bedarfsfall können auch zwei Untersekretäre, einer für jede Abteilung, ernannt werden. II. Mit Ausnahme der besonderen Statute der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und der noch im Aufbau befindlichen Akademie der Sozialwissenschaften verfolgt und koordiniert der Päpstliche Rat für die Kultur die Arbeit der Päpstlichen Akademien. III. Die Päpstliche Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes der Kirche wird von nun an „Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche” genannt. Sie wird ihre Kompetenzen, die in den Artikeln 100, 101, 102, 103 meiner Apostolischen Konstitution Pastor bonus festgelegt sind, weiterhin beibehalten, aber sie wird nicht mehr der Kongregation für den Klerus angeschlossen, sondern ein eigenständiges Organ sein mit einem eigenen Präsidenten, der Mitglied des Päpstlichen Rates für die Kultur sein wird. Mit diesem Rat soll sie regelmäßige Kontakte unterhalten, unreine Übereinstimmung in der Zielsetzung und eine fruchtbare beiderseitige Zusammenarbeit zu gewährleisten. Ferner wird sie auch hinsichtlich der Akademien, die sich mit den Kulturgütern der Kirche befassen, den Päpstlichen Rat für die Kultur konsultieren. Ich bestimme, daß alles, was in dem vorliegenden Motu Proprio festgelegt ist, volle und bleibende Gültigkeit hat, ungeachtet aller wenn auch noch so nennenswerter gegenteiliger Anordnungen. Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 25. März 1993, im 15. Pontifikatsjahr Joannes Paulus PP. II Die Beichtväter müssen beim sechsten Gebot Feingefühl zeigen Ansprache an die Mitglieder der Apostolischen Pönitentiarie am 27. März 1. Es ist für mich ein glücklicher Anlaß zur Freude, daß ihr in diesem Haus anwesend seid, das euer Vaterhaus ist und das ihr auch als solches betrachten müßt, Herr Kardinal Groß-Pönitentiar, Prälaten und Offiziale der Pönitentiarie sowie ordentliche und außerordentliche Beichtväter der Patriarchalbasiliken der Stadt, aber auch ihr, liebe, kürzlich geweihte Alumnen, und ihr, die ihr bald die Priesterweihe zu empfangen hofft. Ich freue mich über eure herzliche Verbundenheit mit dem Nachfolger des Petras, hier und heute greifbar nahe, und auch über eure Eigenschaft als Beichtväter. In bevorzugter Weise steht ihr im Dienst des Bußsakramentes, oder ihr 810 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seid Priester, die die ersten Seelsorgserfahrungen machen, oder Priesteramtskandidaten, die, ehe sie eine besondere Aufgabe übernehmen, die ihnen die göttliche Vorsehung durch die Stimme der hierarchischen Oberen in der Kirche anweisen wird, jetzt bei der Apostolischen Pönitentiarie einen Kurs über den Gewissensbereich machen, um die Vorbereitung auf den Seelsorgedienst der Sündenvergebung zu vertiefen. Zu meiner Freude gesellt sich die Dankbarkeit gegen den Herrn, weil er in eurem Einsatz und euren Eifer sichtbar macht, daß er weiter für sein Volk Diener des Verzeihens und der Versöhnung erweckt. Die heute geltende Bußordnung spricht in der Lossprechungsformel die großen Wirklichkeiten aus, in denen sich die Rückkehr des sündigen Menschen zu Gott vollzieht und seine innere Ordnung wiederhergestellt wird: „Gott, der Vater der Barmherzigkeit ... gewähre dir durch den Dienst der Kirche Verzeihung und Frieden.” Mit anderen Worten: Das Bußsakrament vermittelt als Dienst der Kirche das Verzeihen Gottes, insofern es durch die Kraft Gottes wirkt, unabhängig davon, welches die persönlichen Verdienste oder Fehler und die menschlichen Fähigkeiten des Dieners sein mögen: So lehrt es zu diesem Punkt (für alle Sakramente, nicht nur für das der Buße) der Katechismus der Katholischen Kirche: „Die Sakramente teilen die Gnade mit, die sie bezeichnen. Sie sind wirksam, weil in ihnen Christus selbst wirkt: er ist es, der tauft; er ist es, der in seinen Sakramenten wirkt, um die Gnade mitzuteilen, welche das Sakrament bezeichnet. Der Vater erhört immer das Gebet der Kirche seines Sohnes” (Nr. 1127); „Dies meint die Aussage der Kirche: die Sakramente wirken ex opere operato” (Nr. 1128). Zweifellos erreicht der in der sakramentalen Formel angekündigte Friede als übernatürlicher Friede, der also „alles Verstehen übersteigt” {Phil 4,7), die Seele ebenfalls „ex opere operato”, doch in den Grenzen, in denen das angesichts seiner übernatürlichen Transzendenz möglich ist. Die Wahrnehmung dieses gnadenhaften Friedens hängt also beim Empfänger des Sakramentes auch in erheblichem Maße von der persönlichen Heiligkeit des Priesters als Diener des Bußsakramentes ab, von seiner im Studium erworbenen Weisheit und auch von seiner psychologischen Aufgeschlossenheit und seiner einladenden Menschlichkeit: Er ermuntert ja dazu, in der wieder zurückgeschenkten Gnade zu verharren, und er stärkt das Vertrauen auf die Möglichkeit des Heiles, er fordert zu demütigem Dank gegen den Herrn auf und hilft (von pathologischen oder den Grenzfällen des Normalen abgesehen), das Gleichgewicht zwischen Gewissen und gesundem Urteil wiederherzustellen. 2. In meinen früheren Ansprachen an diese Hörerschaft habe ich die Aufmerksamkeit vorwiegend auf dogmatische, moralische und kirchenrechtliche Aspekte des Bußsakramentes gerichtet; sie sind von der Apostolischen Pönitentiarie in einem Band gesammelt und mit einem systematischen Kommentar versehen worden. Es ist ein Trost für mich zu wissen, daß der Band weite Verbreitung gefunden hat, und ich hoffe, daß er auch wieder zum wünschenswerten häufigeren Empfang des Bußsakramentes beiträgt. Wenn ich nun konkret die Verwaltung des Sakramentes der 811 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vergebung betrachte, möchte ich bei den erwähnten Aspekten der Heiligkeit, der psychologischen Aufgeschlossenheit und der gewinnenden Menschlichkeit des Dieners verweilen. Der Beichtvater muß sich größte Mühe geben, daß neben der wesentlichen Wirkung des „opus operatum”, die Bedingungen für die Gültigkeit vorausgesetzt, im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen für den Beichtenden auch die Früchte seiner persönlichen Heiligkeit wirksam werden: durch seine Fürbitte beim Herrn, durch sein mitreißendes Beispiel und durch seine Sühneleistungen als heiliger Priester, die er für den Beichtenden aufopfert. Es geht um sehr offensichtliche Dinge. Doch ich möchte darauf bestehen, daß euer Dienst des Beichthörens nie ein bloßer Dienst wird, daß vielmehr die Liebe ihn zu einem väterüchen und brüderlichen Geschenk mache, begleitet von eurem Gebet und eurem Opfer für die Seelen, die der Herr auf euren Weg führt: „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich daher in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt” (Kol 1,24). So wird die Ausübung des Dienstes heilig und zum Werkzeug der Heiligung auch für den Diener. 3. Auf dem Priester lastet als Beichtvater die schwere Pflicht, eine entsprechende Kenntnis der Moral und des Kirchenrechtes wenigstens bei den gewöhnlich vor-kommenden Dingen zu besitzen, um sich in den normalen Fällen menschlich richtig zu verhalten, wobei er zumal die allgemeinen Verhältnisse des sozial herrschenden Ethos berücksichtigen muß. Ich sage wenigstens, doch füge ich gleich hinzu, daß diese lehrmäßige Vorbereitung immer wachsen und sich auf die großen Grundsätze der Dogmatik und der Moral gründen muß, um auch die problematischen Situationen, die sich bei der unaufhörlichen kulturellen, technischen und wirtschaftlichen Entwicklung der Geschichte des Menschen für das Gewissen ergeben, katholisch lösen zu können. Auch hier ist der Katechismus der Katholischen Kirche ein Beispiel: Er legt über Wirklichkeiten des menschlichen Lebens, die sich in jüngster Zeit konkret gezeigt haben oder statistisch verbreitet worden sind, maßgebend das zu fällende moralische Urteil vor. Man hat dazu bemerkt, der Katechismus fasse hier neue Vorschriften oder neue Sünden ins Auge, während er doch nur auf heute allgemein gewordene Weisen des menschlichen Handelns das gleiche göttliche, natürliche oder geoffenbarte Gesetz anwendet. Dieses Bemühen ist besonders wichtig und heikel, weil hier die notwendige Gediegenheit der Lehre anzuwenden ist, der Priester als Beichtvater aber auch dem Beichtenden das Sündenbekenntnis erleichtern muß. Er muß dabei die moralische Vollständigkeit des Bekenntnisses fordern, wie sie für Todsünden unverzichtbar ist: über die Art, die für diese Art entscheidenden Umstände und die Zahl; er darf die Beichte aber nicht lästig oder peinlich machen, zumal für solche, deren Religiosität schwach ist, oder bei denen der Prozeß der Bekehrung erst beginnt. Hier wird man nie genug die Zurückhaltung empfehlen bei Dingen, die zum sechsten Gebot Gottes gehören. 812 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Man muß ferner die Möglichkeit bedenken, daß die menschliche Begrenztheit den Diener des Bußsakramentes auch ohne seine Schuld vor Fragen stellt, auf die er nicht gründlich vorbereitet ist. Dann gilt die goldene Regel des Moralisten, des hl. Alfons Maria de Liguori: „Wenigstens klug zweifeln.” Die lehrmäßige Vorbereitung des Beichtvaters muß so sein, daß er wenigstens die mögliche Existenz eines Problems erkennt. In diesem Fall wird die pastorale Klugheit, verbunden mit Demut, unter Berücksichtigung der mehr oder weniger großen Dringlichkeit des Falles, der größeren oder geringeren Angst des Beichtenden und der übrigen konkreten Umstände ihn zu der Entscheidung führen, ob er den Pönitenten an einen anderen Beichtvater verweist oder eine neue Begegnung festsetzt, damit er sich inzwischen vorbereiten kann. Hier darf man sich auch vor Augen halten, daß die Werke bewährter Autoren verfügbar sind und in absoluter Achtung vor dem Beichtgeheimnis auch die Beratung mit anderen Priestern möglich ist, die gelehrter sind oder mehr Erfahrung haben; man kann sich vor allem - und das möchte ich hier passend bemerken - an die Apostolische Pönitentiarie wenden, die immer bereit ist, für konkrete und daher Einzelfälle ihren beratenden Dienst anzubieten, der maßgebenden Charakter hat. 4. Das Bußsakrament ist keine psychoanalytische oder psychotherapeutische Technik und darf es auch nicht werden. Doch eine gute psychologische und allgemein eine Vorbereitung in den Humanwissenschaften gestattet dem Diener gewiß, sich in die geheimnisvolle Welt des Gewissens besser einzufühlen in der Absicht - was oft nicht leicht ist -, den eigentlich „menschlichen” und damit moralisch verantwortlichen Akt von „Akten des Menschen” zu unterscheiden, hinter denen oft psychologische Mechanismen stehen - verursacht von Krankheiten oder alten Gewohnheiten -, die die Verantwortung aufheben oder doch mindern, oft ohne daß das handelnde Subjekt sich klar der entscheidenden Grenzen zwischen den beiden inneren Situationen bewußt ist. Hier öffnet sich das Kapitel der geduldigen und verständnisvollen Liebe, wie sie gegenüber skrupulösen Menschen angebracht ist. Zugleich ist freilich klar zu betonen, daß allzuoft gewisse Haltungen des modernen Denkens in ungebührlicher Weise Verhaltensformen entschuldigen, die aufgrund der anfänglichen freien Zustimmung zur Gewohnheit geworden und nicht oder doch nicht ganz entschuldbar sind. Die psychologische Feinfühligkeit des Beichtvaters ist wertvoll, weil sie furchtsamen Personen, die sich schämen oder sich nicht recht ausdrücken können, das Bekenntnis erleichtert: Solche Feinfühligkeit, verbunden mit Liebe, erkennt im voraus, nimmt vorweg und beruhigt. 5. Unser Herr Jesus Christus hat die Sünder in einer Weise behandelt, die in konkreten Tatsachen das offenbart, was der hl. Paulus an Titus schreibt: „Erschienen ist die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Heilandes” (Tit 3,4). Es genügt, über die Erzählung des Evangeliums von der bekehrten Sünderin nachzudenken (Lk7,36-50), über die Ehebrecherin auf der ergreifenden Seite des Johannesevangeliums (9,3-11) und über das herrliche Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32). Der 813 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Priester, der es im Bußsakrament mit Sündern zu tun hat, soll sich an diesem göttlichen Vorbild ausrichten und den Herrn um die Gnade bitten, den Titel zu verdienen, den Dante Alighieri dem hl. Lukas vorbehält: „Schreiber der Sanftmut Christi”, der seine Worte nicht auf die Seiten eines Buches schreibt, sondern auf die lebendigen Seiten der Seelen. So darf der Priester als Beichtvater niemals Entsetzen zeigen, wie groß die Schwere oder sozusagen die Unausdenkbarkeit der vom Beichtenden bekannten Sünden auch sein mag; nie darf er Worte sprechen, die wie eine Verurteilung der Person statt der Sünde klingen, nie darf er Schrecken statt heilsamer Furcht einflößen, nie darf er Aspekte im Leben des Beichtenden ausforschen, deren Kenntnis für die Bewertung der Akte nicht notwendig ist, nie darf er Ausdrücke gebrauchen, die gegen das Feingefühl verstoßen, selbst wenn sie streng genommen weder die Gerechtigkeit noch die Liebe verletzen; nie darf er sich ungeduldig zeigen oder Zeitmangel andeuten, indem er den Beichtenden auffordert, sich kurz zu fassen (abgesehen natürlich vom Fall unnützer Redseligkeit). Was die äußere Haltung des Beichtvaters angeht, so sei seine Miene ruhig; er vermeide Gesten, die Verwunderung, Mißbilligung und Ironie andeuten. Ebenso möchte ich betonen, daß man dem Beichtenden nicht den eigenen Geschmack aufdrängen darf, vielmehr sein Empfinden achten muß, was die Art seiner Beichte angeht, ob also Heber im Gespräch unter vier Augen oder durch das Gitter des Beichtstuhls die Beichte ablegt wird. 6. Endlich noch eine zusammenfassende Empfehlung: Die Barmherzigkeit soll um so größer sein, je größer das moraHsche Elend des Beichtenden ist. Und wenn es sich um einen Priester handelt, der beichtet, der durch seine Schuld mehr als. ein beichtender Laie gedemütigt ist und gerade angesichts seiner entweihten Würde mutlos werden möchte, denken wir daran, daß der Herr „den Petrus anschaute” (Lk 22,61), ohne auch nur ein Wort des Tadels zu sagen - jenen Petrus, der erst vor wenigen Stunden das Priestertum empfangen hatte und sofort gefallen war -, mit seinem liebevollen BHck holte der Herr ihn in einem Augenblick aus dem Abgrund empor. Wie ihr seht, hat in diesem unserem Gespräch viel die vom Glauben erleuchtete Vernunft das Wort geführt; ich möchte, daß bei der Ausübung des Dienstes als Beichtvater vor allem das von der Liebe entflammte Herz spricht, das priesterliche Herz, das, wenn auch in unendhchem Abstand, dem von Herzen sanftmütigen und demütigen Jesus gleichen möchte. Möge euch Gottes Barmherzigkeit dies gewähren, deren Unterpfand, liebe Brüder, der Apostolische Segen sein soll. In der Taufe die Berufung für das Leben entdecken Begegnung mit den Jugendlichen der neokatechumenalen Bewegung am 28. März Wie ich diese Menge gesehen habe - gewiß, eine große Versammlung - und wie ich erfahren habe, daß aUe nach Denver gehen woUen, habe ich gedacht: „Wo nehmen 814 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die nur das nötige Geld her, diese Neokatechumenalen? Oder vielleicht wollen sie zu Fuß gehen oder schwimmen, doch das ist schwer vorstellbar Ich weiß, daß ihr den ganzen Tag hier, in diesem Audienzsaal, verbracht habt. Ich bin darüber nicht auf dem laufenden, was ihr hier den ganzen Tag lang gemacht habt; ich habe auch nicht danach gefragt. Ich habe jedoch diese letzte Etappe, die Vorstellung der Berufungen, gesehen; und wenn man das so sieht, könnte man sagen: „So also macht Kiko Berufungen.” Doch, Gott sei dank, ist es nicht Kiko, der sie macht: Es macht sie der Heilige Geist - das ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber einmal verwendet, muß es auch hier verwendet werden -; es ist der Heilige Geist, der diese Berufungen durch diese verschiedenen menschlichen Mittel macht: durch diese ganze Bewegung - o nein, nicht Bewegung, sondern Weg -; diese ganze organisatorische Struktur ist menschlich, ist sichtbar jedoch offen für den Einfluß, für die Inspiration des Heiligen Geistes. Ich frage mich, wo liegt der Kern dieses Prozesses, der durch den neokatechumenalen Weg, durch verschiedene Menschen, durch verschiedene Umstände Priesterberufungen, Berufungen zum gottgeweihten Leben, zum Ordensleben hervorbringt, weckt, inspiriert. Ich bin überzeugt, daß der springende Punkt, der Ausgangspunkt von all diesem die Entdeckung des Reichtums, der göttlichen, sakramentalen Tiefe der Taufe ist. Unsere erste Berufung ist die Taufberufung. In der hl. Taufe, in diesem Sakrament „ex aqua et Spiritu Sancto”, in diesem Neugeborenwerden im Tod Christi aus seiner Auferstehung finden sich alle Berufungen sozusagen in der Wurzel. Und eine tiefe, gelebte Entdeckung der Taufe bringt als mögliche, ja notwendige Konsequenz die Entdeckung des Lebens als Berufung mit sich. Hier ist der Sinn des Namens zu verstehen: neokatechumenaler Weg. Es hat das traditionelle Katechumenat in den ersten Jahrhunderten der Kirche gegeben und gibt es heute noch in den Missionsländem; es ist sehr gut für die Kirche: Es bereitet die Christen, es bereitet die Berufungen vor. Ihr seid in eurer Kindheit, vielleicht in den ersten Tagen eures Lebens getauft worden. Das Katechumenat muß später kommen aufgrund der Entdeckung der Reichtümer der hl. Taufe, dieser göttlichen und auch menschlichen Reichtümer, die so viele sind. Der hl. Paulus hat sie beschrieben, vor allem im Römerbrief, aber heute könnte man einen viel umfassenderen, viel detaillierteren Kommentar dieser Reichtümer schreiben, die zur Taufe gehören, die göttliche und menschliche Reichtümer zugleich sind. Einer dieser Reichtümer besteht gerade darin, daß die Taufe nicht statisch ist. Man geht einmal und damit genug. Man geht in einem Augenblick des Lebens und damit genug. Man wird ins Taufbuch eingetragen und damit genug. Doch nein, sie ist nicht statisch, sie ist dynamisch: Sie bringt nämlich einen Weg christlichen Lebens hervor. Doch dieser Weg kann unent-deckt,bleiben. Euer neokatechumenaler Weg hilft, jenen Taufweg zu entdecken - jenen Weg, der mit dem Sakrament der Taufe beginnt und der jeden von uns zu einer Berufung führen muß, vor allem zur universalen christlichen Berufung. Schon Christ sein ist eine 815 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN phantastische Berufung, und dann wissen wir gut, daß es innerhalb dieser christlichen Berufung aller Gläubigen, aller Getauften verschiedene Berufungen gibt. Die Ehe, gewiß, ist Sakrament und Berufung. Wenn man sie in anderen Kategorien sieht, ist das keine genügende Betrachtungsweise, nicht die wirklich christliche Betrachtungsweise: Die Ehe ist eine große Berufung, ein „tiefes Geheimnis”, wie Paulus im Epheserbrief sagt. Aber es gibt eine Ökonomie in der Kirche, eine übernatürliche Ökonomie: Die Berufungen sind von der Kirche aus geordnet. Von der Kirche aus sind sie notwendig, unentbehrlich, diese Berufungen, die wir heute vorgestellt bekommen haben. Sie sind unentbehrlich, und wir wissen gut, wie unentbehrlich die Priester in der Kirche sind und wie unentbehrlich unter einem anderen Gesichtspunkt die gottgeweihten Menschen, die Ordensfrauen und Ordensmänner, die kontemplativen und die im Apostolat tätigen, sind: Alle sind sie in einem gewissen Sinn aktiv, alle in einem gewissen Sinn kontemplativ; ebenso wie sie unentbehrlich sind, um diesen ganzen Organismus, der die Kirche ist, leben zu lassen. Damit wollte ich euch kurz einen kleinen Kommentar zu dieser eurer heutigen Versammlung geben, zu eurer Vorbereitung auf das Treffen in Denver. Ihr tut gut daran, euch vorzubereiten, denn er soll eine große Erfahrung des Glaubens, des Taufglaubens, sein, der Weltjugendtag in Denver, wie es die vorausgegangenen gewesen sind: Rom, Buenos Aires, dann Santiago de Compostela und zuletzt Tschenstochau. Ich wünsche euch, daß ihr auf diesem Weg weitergeht, den ihr dank dem neokate-chumenalen Weg entdeckt habt, auf diesem Weg des christlichen Lebens, der christlichen Berufung, die jeder von uns hat; und dann wünsche ich euch, daß ihr weitergeht auf dem Weg der Berufung zum Priestertum oder zum gottgeweihten Leben, den ihr auch dank diesem neokatechumenalen Weg entdeckt habt. Und ich wünsche euch, daß ihr nach Denver geht; auch wenn ihr nicht viele Reich-tümer besitzt, werdet ihr einen Weg finden. Ich weiß nicht wie, doch ihr werdet ihn finden. Weg bedeutet auch Reise: Und so wünsche ich euch „gute Reise”. Christus schenkt uns die Liebe und das Leben in Fülle, Christus kommt, damit wir das Leben haben Predigt beim Gottesdienst am Palmsonntag, 4. April „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, Hosanna in der Höhe!” {Mt 21,9). Heute wiederholt die Kirche den Ruf, der auf dem Weg nach Jerusalem erklang, während Jesus von Nazaret sich der Heiligen Stadt vom Ölberg aus näherte. Der Ankündigung des Propheten entsprechend kam er „auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers” {Mt 21,5). 816 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heute wiederholt die Kirche diesen Ruf bei der Feier .des Palmsonntags; sie erinnert an die Ölzweige, welche die Pilger, die zum Osterfest nach Jerusalem gekommen waren, von den Bäumen abschnitten und auf den Weg streuten. So begrüßten sie den „Sohn Davids”: „Gesegnet sei, der kommt!” Mit diesem Christus-Ruf begrüßen sich heute die jungen Menschen, die Kirche der Jugend, denn das ist für sie ein besonderer Tag, es ist ihr Festtag!. Heute fühle ich mich den Söhnen und Töchtern aller Völker und Nationen besonders nahe, und ich grüße alle im Namen dessen, der kommt: Jesus Christus, „derselbe gestern, heute und in Ewigkeit” (Hebr 13,8). Die heutige Liturgie wird noch bedeutender durch die Anwesenheit des Metropoliten von Montenegro und des Küstenlandes, Eminenz Anfilochio, und des Bischofs von Backa, Exzellenz Irenaus, die als Delegierte des Patriarchen Pavle von der orthodoxen Kirche Serbiens nach Rom gekommen sind. Ich begrüße sie herzlich und erhebe mit ihnen meine Stimme zum Hosannaruf an den Sohn Davids, unsemHerm Jesus Christus. 2. Christus betritt Jerusalem zum letzten Mal, zur Vollendung seines Pilgerweges auf Erden, und verwirklicht so die messianische Ankündigung der Propheten. Sie hatten von dem triumphalen Einzug eines Königs und zugleich Knechts gesprochen, der seinen Rücken denen hinhielt, die ihn schlugen, und sein Gesicht nicht vor Schmähungen und Speichel verbarg (vgl. Jes 50,6). In den folgenden Tagen ist in Jerusalem all das pünktlich eingetroffen. Denn es genügten wenige Tage, um die Hosanna-Rufe der Freude in ganz andere Rufe zu verwandeln: in Rufe der Ablehnung und der Verhöhnung. War dies nicht im Buch des Propheten Jesaja, des großen „Evangelisten” des Alten Testamentes, angekündigt worden? Ja, in diesen Tagen erfüllte sich das, was bereits im Psalm 22 gesagt wurde: „Sie durchbohren mir Hände und Füße” am Kreuz, „man kann all meine Knochen zählen” bei einem schrecklichen Todeskampf und der Ruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?” All das ist bereits gegenwärtig in der heutigen Palmsonntagsliturgie, welche für die Kirche die Woche vor Ostern, die Heilige Woche, eröffnet, in der die kirchliche Gemeinschaft mehr als sonst mit Christus sein und bei ihm bleiben möchte, um aus der Tiefe seines Ostergeheimnisses selbst zu schöpfen. 3. Hier ist er, der „Gott gleich war, aber nicht daran festhielt, ... sondern sich entäu-ßerte und wie ein Sklave wurde und den Menschen gleich” (Phil 2,6): allen und jedem einzelnen gleich, besonders jenen, die den tiefsten Schmerz erleiden. Gerade so ist es: Durch das, was in unserer menschlichen Beschaffenheit am schwierigsten und härtesten ist, hat er, Christus - obwohl „er Gott gleich und als Sohn eines Wesens mit dem Vater” war -, „sich erniedrigt und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz” (Phil 2,6-8). „Darum hat ihn Gott über alle erhöht” (Phil 2,9). Der Vater hat den Sohn erhöht. 817 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Junge Menschen in aller Welt, das ist euer Tag! Der von euch gewählte Tag, um bis in den Kem des Heilsgeheimnisses einzudringen, das tief in das Leben des Menschen eingeschrieben ist. Mit diesem Geheimnis muß jeder von uns einen besonderen Bund des Herzens, des Gebets und des Lebens schließen. Dem Geheimnis der von Christus gewirkten Erlösung entspringen die fruchtbarsten Quellen des Lebens und der Berufung des Menschen. Hier finden die als Leitspruch des Weltjugendtages gewählten Worte ihre feste Verankerung: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Wenn wir mit Andacht den Text des Paulusbriefes aus der heutigen Liturgie lesen - das heißt die Worte über die Erniedrigung Christi und seine Erhebung durch den Vater -, kommt uns das in den Sinn, was er, Christus, von sich selbst im Gleichnis vom guten Hirten gesagt hat, der sein Leben für seine Herde hingibt: „Deshalb liebt mich der Vater - bekräftigt Jesus -, weil ich mein Leben hingebe ... Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen” (Joh 10,17-18). Wir befinden uns in der Mitte des Geheimnisses des Geschenks selbst: der Hingabe aus freiem Willen, der Hingabe, die das vollkommenste Zeugnis der Freiheit ablegt; der Hingabe, welche die Offenbarung der Fülle der Liebe ist, die rettet und erlöst. Wer sich selbst zu einem solchen Geschenk gemacht hat, konnte gleichfalls sagen: „Ich bin gekommen, daß ihr das Leben habt und es in Fülle habt.” Die Fülle des Lebens ist dort, wo die Fülle der Liebe ist. Und wo ist die Fülle der Liebe? Christus hat uns eine solche Fülle offenbart, die Fülle, die er uns geschenkt hat und uns weiter schenkt: die unversiegbare Fülle. 5. Vor einem Jahr sind Jugendvertreter aus allen Teilen der Welt auf dem Petersplatz zusammengetroffen. Die Gruppe aus Europa, genauer aus Polen, hatte vom Jasna Göra in Tschenstochau, wo das letzte Welttreffen stattfand, ein Pilgerkreuz als Zeichen der Weltjugendtage mitgebracht und den Jugendlichen aus den USA übergeben, weil in Denver, Colorado, das nächste Treffen stattfindet. Sei gegrüßt, Kreuz, das mit den jungen Menschen durch die Länder und Kontinente pilgert! Sei gegrüßt, Zeichen unserer Erlösung, Zeichen der unendlichen Liebe, Zeichen des Lebens. In dir beten wir den an, der siegreich in Jerusalem einzieht, um die gesamte Menschheit, vor allem die Jugendlichen, in das Heilsgeheimnis seines Todes und seiner Auferstehung einzuführen. Wir beten dich an, der du im Evangelium und in der Eucharistie zu uns kommst und mit uns durch die Länder und Kontinente gehst, damit „wir das lieben haben und es in Fülle haben”. 818 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einigkeit angesichts von Gleichgültigkeit und Antisemitismus Botschaft an die Koordinierungskommission jüdischer Vereinigungen in Polen vom 6. April Da sich der 50. Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto nähert, möchte ich mit der gesamten Kirche dieser schrecklichen Tage des Zweiten Weltkriegs gedenken, Tage der Menschenmißachtung, die sich in dem Greuel der Leiden offenbarte, welche damals so viele unserer jüdischen Schwestern und Brüder erdulden mußten. Mit tiefem Schmerz rufen wir das in Erinnerung, was damals geschah, und alles, was sich tatsächlich während der langen, finsteren Nacht der Shoah ereignete. Wir erinnern uns, und wir müssen uns daran erinnern, aber wir müssen uns mit neuem Vertrauen auf Gott und seinen allheilenden Segen erinnern. In ihrem Hirtenbrief vom 30. November 1990 nahmen die polnischen Bischöfe zu dem, was damals in Polen geschah, aber auch zur heutigen Verantwortung der Christen und Juden Stellung: „Der beiderseitige Verlust des Lebens und ein Meer von auferlegten schrecklichen Leiden und Ungerechtigkeiten sollten uns nicht trennen, sondern vereinen. Die Hinrichtungsorte und in vielen Fällen die gemeinsamen Gräber erfordern diese Einigkeit.” Als Christen und Juden sind wir nach dem Beispiel des Glaubens Abrahams berufen, ein Segen für die Welt zu sein (vgl. Gen 12,2f). Das ist die gemeinsame Aufgabe, die auf uns wartet. Deshalb ist es für uns, Christen und Juden, notwendig, zuerst ein Segen füreinander zu sein. Dies wird tatsächlich geschehen, wenn wir einig sind angesichts der gerade heute drohenden Übel: Gleichgültigkeit und Voreingenommenheit ebenso wie das Aufleben von Antisemitismus. Mit euch danke ich Gott für alles, was von den Katholiken und Juden durch Dialog und Zusammenarbeit schon erreicht wurde, und ich bete eifrig für all das, was wir noch zu tun gerufen sind. Gott führe uns weiter auf den Wegen seines höchsten und hebenden Willens für die Menschheitsfamilie. Aus dem Vatikan, 6. April 1993 Joannes Paulus PP. II 819 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine Begegnung mit der Seele der einheimischen Bevölkerung Ansprache beim Besuch der Ausstellung „Nuevo Mundo” im Vatikan am 6. April Liebe Brüder und Schwestern! Mit Freude mache ich diesen Besuch in der eindrucksvollen Ausstellung, die die Vatikanische Apostolische Bibliothek in Zusammenarbeit mit der „Societä Muse” veranstaltet. Sie ist ein Teil des reichhaltigen Programms von Initiativen des Hl. Stuhls zur 500-Jahrfeier der Evangelisierung der Neuen Welt. Herzlich grüße ich Erzbischof Luigi Poggi, Pro-Bibliothekar und Pro-Archivar der Heiligen Römischen Kirche, sowie den Präfekten der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek, P. Leonard Boyle, den Präfekten des Vatikanischen Geheimarchivs, P. Joseph Metzler, die Verantwortlichen, das Personal der „Societä Muse” und alle Anwesenden. Beim Gang durch die Ausstellung konnte ich die getreue Rekonstruktion der Umwelt und die kostbare Sammlung von außergewöhnlichen Fundstücken aus den vorkolumbianischen Kulturen bewundern, die zu diesem Anlaß großzügig zur Verfügung gestellt wurden. Sie kommen aus der Apostolischen Bibliothek, aus dem Päpstlichen Museum für Mission und Völkerkunde, aus dem Geheimarchiv und aus verschiedenen lateinamerikanischen Ländern. Die Kunst des lateinamerikanischen Barock ist gleichsam eine sichtbare Darstellung der Begegnung der katholischen Kultur mit der Seele der einheimischen Bevölkerung. Es ist eine tiefreligiöse Kunst, die die Formen der christlichen Ikonographie gut mit den Traditionen dieser Völker zu verbinden wußte. Das Bild unserer Lieben Frau von Guadalupe im Mittelpunkt der Ausstellung ist zweifellos eine beeindruckende Erinnerung an das bekannte Wunder, das am 9. Dezember 1531 geschah. Vor allem aber zeigt es den „Stern der Evangelisierung und folglich das Symbol der Einheit aller lateinamerikanischen Völker. In seiner Verehrung sind die tiefen Werte ihrer christlichen Kultur verwurzelt” (Johannes Paul II am 12. Mai 1992). Gerade aus der Treue zum Evangelium, der Triebkraft für den apostolischen Einsatz in den vergangenen Jahrhunderten, muß auch der Ansporn zur „Neuevangelisierung erwachsen: neu im Eifer, neu in der Kraft, neu in den Methoden und neu in ihrem Ausdruck” (Johannes Paul II in Port-au-Prince, Haiti, 1983). Und so freue ich mich mit denen, die die Ausstellung angeregt und organisiert haben, sowie mit allen Institutionen, die zum Erfolg dieser bedeutsamen Initiative beigetragen haben. Allen Anwesenden erteile ich in herzlicher Dankbarkeit den Apostolischen Segen. 820 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Roma haben Recht auf würdigen Platz in der Gesellschaft Brief an Bischof Tadeusz Rakoczy zum 50. Gedenktag an den ersten Zigeunertransport ins KZ Auschwitz-Birkenau vom 7. April Lieber Herr Bischof! Am 24. und 25. April dieses Jahres sind auf Anregung der Vereinigung der Roma in Polen die Gedenkfeiern anberaumt, die an die Ankunft des ersten Zigeunertransports im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau im Februar 1943 erinnern sollen. Es war der Beginn einer entscheidenden Phase in der von den Nazisten geplanten Vernichtung des Zigeunervolkes. Fünfzig Jahre nach diesem tragischen Datum versammeln sich die Zigeuner im Lager von Auschwitz, auf dem „Golgota von heute”, um ihrer Schwestern und Brüder zu gedenken, die dort und an vielen anderen Vemichtungsorten ermordet wurden im Namen einer wahnsinnigen Ideologie des Hasses und der Verachtung gegen den Menschen. Auschwitz ist für uns Menschen des 20. Jahrhunderts eine immer gültige Mahnung, ein dramatischer Schrei nach Achtung der Würde und der unverzichtbaren Rechte sowohl des einzelnen Menschen als auch der gesamten Nationen. Das muß man besonders heute in Erinnerung rufen, wo im Herzen von Europa selbst neue von ethnischen Vorbehalten entfachte Herde der Diskriminierung und des Hasses entbrennen, die Überheblichkeit, Gewalttätigkeit und Vergießen von unschuldigem Blut hervor-rufen. Zusammen mit allen Teilnehmern der Gedenkfeiern in Auschwitz knie ich tief bewegt und ehrfurchtsvoll nieder an jener Stelle, welche die Asche der Opfer des nazistischen Völkermordes birgt. In besonderer Weise gedenke ich des tragischen Schicksals der Zigeunerinnen und Zigeuner, unserer Schwestern und Brüder, die im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau inhaftiert waren. Ich habe dies mehrere Male als Metropolit von Krakau getan, heute tue ich es als Papst. Bei dieser Gelegenheit möchte ich dem ganzen Volk der Roma, die während des Zweiten Weltkriegs so schwer geprüft wurden, Worte christlicher Solidarität aussprechen. Leider sind die Roma auch heute in manchen Ländern Vorurteilen, Akten der Intoleranz wenn nicht sogar eindeutiger Diskriminierung ausgesetzt, obwohl sie das unleugbare Recht auf einen würdigen Platz im Leben der Gesellschaft und auf ihre soziokulturelle Identität besitzen. Vor allem vereinige ich mich geistig mit dem gemeinschaftlichen Gebet, das in der Kirche vom hl. Maximilian Kolbe in Auschwitz stattfindet. Dies wird das Gebet für die Opfer des Völkermords sein. Ich wünsche, daß man bei dieser Gelegenheit auch der Opfer des Balkankrieges gedenkt, der noch im Gang ist. Ein Krieg, der vor den Augen der ganzen Welt in so blutiger und grausamer Weise Opfer fordert. 821 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeuge und besonderer Führer dieses Gebets soll der heilige Maximilian, der Märtyrer von Auschwitz, sein. Durch seine heroische Tat der Nächstenliebe hört er nicht auf, uns zu ermutigen: „Besiege das Böse durch das Gute!” (Rom 12,21). Diese Worte des hl. Paulus, die Maximilian zum Leitspruch seines Lebens wählte, enthalten die tiefste Botschaft des jetzt begangenen Jahrestages. Lieber Herr Bischof, Ich bitte Sie, den Inhalt dieses Briefes an die Teilnehmer der Gedenkfeiern in Auschwitz weiterzuleiten zusammen mit meinem herzlichen Segen für das ganze Volk der Roma in Polen und in der Welt. Vatikan, 7. April 1993 Joannes Paulus PP. II Schreiben an alle Priester zum Gründonnerstag 1993 vom 8. April 1. „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit” (Hebr 13,8) Liebe Brüder im Priesteramt Christi! Während wir uns heute an den vielen Bischofssitzen der Welt versammeln - die Mitglieder der Presbyterien aller Kirchen mit den Hirten der Diözesen -, kommen uns wiederum mit neuer Wirkkraft die Worte über Jesus Christus in Erinnerung, die zum Leitfaden des 500. Jahrestages der Evangelisierung der Neuen Welt geworden sind. „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit”: Es sind die Worte über den einzigen und ewigen Priester, der „ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen (ist) ... mit seinem eigenen Blut, und so eine ewige Erlösung bewirkt (hat)” (Hebr 9,12). Nun sind die Tage gekommen - das „Triduum Sacrum” der heiligen Liturgie der Kirche -, an denen wir in vertiefter Verehrung und Anbetung das Pascha Christi erneuern, „seine Stunde” (vgl. Joh2,A\ 13,1) die gesegnete Stunde, „als die Zeit erfüllt war” (Gal 4,4), Durch die Eucharistie bleibt diese „Stunde” der Erlösung Christi in der Kirche weiter die Stunde des Heils, und eben heute erinnert die Kirche an die Einsetzung der Eucharistie während des Letzten Abendmahles. „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch” (Joh 14,18). Die „Stunde” des Erlösers, die „Stunde” seines Fortgehens aus dieser Welt zum Vater, die „Stunde”, von der Er selbst sagt: „Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück”! (Joh 14,28). Gerade durch sein österliches Fortgehen kommt er immerfort und bleibt in der Kraft des Geistes, des Beistandes, stets unter uns gegenwärtig. Er ist auf sakramentale Weise gegenwärtig. Er ist durch die Eucharistie gegenwärtig. Er ist wirklich gegenwärtig. 822 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir, liebe Brüder, haben nach den Aposteln dieses unaussprechliche Geschenk auf eine Weise empfangen, daß wir die Verwalter dieses Fortgehens Christi durch das Kreuz und gleichzeitig seines Kommens durch die Eucharistie sein können. Was bedeuten uns diese drei heiligen Tage? Was bedeutet für uns der heutige Tag - der Tag des Letzten Abendmahles! Wir sind Verwalter des Geheimnisses der Erlösung der Welt, Verwalter des zum Nachlaß unserer Sünden dargebrachten Leibes und vergossenen Blutes, Verwalter jenes Opfers, durch das Er als Einziger für immer ins Heiligtum eingetreten ist: „Das Blut Christi, der sich selber kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat, (wird) unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen” (Hehr 9,14). Wenn auch alle Tage unseres. Lebens von diesem großartigen Mysterium des Glaubens geprägt sind, so gilt das für den heutigen Tag in ganz besonderer Weise. Es ist unser Tag mit Ihm. 2. Am heutigen Tag versammeln wir uns in der Gemeinschaft unserer Presbyterien, damit ein jeder das Geheimnis jenes Sakramentes tiefer betrachten kann, durch das wir in der Kirche Verwalter der priesterlichen Hingabe Christi geworden sind. Zugleich sind wir Diener des königlichen Priestertums des ganzen Gottesvolkes, aller Getauften geworden, um die „magnalia Dei”, „Gottes große Taten” (Apg 2,11) zu verkünden. In diesem Jahr ist es angebracht, in unseren Dank einen besonderen Faktor der Dankbarkeit einzuschließen für das Geschenk des „Katechismus der katholischen Kirche”. Dieser Text ist in der Tat auch eine Antwort auf die Sendung, die der Herr seiner Kirche anvertraut hat: das Glaubensgut zu bewahren und es mit glaubwürdiger und liebevoller Sorge unversehrt an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Als Ergebnis der fruchtbaren Zusammenarbeit des gesamten Episkopates der katholischen Kirche wird der Katechismus zunächst uns als Hirten des Volkes Gottes anvertraut, um unsere tiefen Gemeinschaftsbande in eben diesem apostolischen Glauben zu stärken. Als Kompendium des einen und immerwährenden katholischen Glaubens stellt er ein ausgewiesenes und glaubwürdiges Instrument dar, um jene Einheit im Glauben zu bezeugen und zu gewährleisten, für die Christus selbst, als seine „Stunde” nahte, ein inbrünstiges Gebet an den Vater richtete (vgl. Joh 17,21-23). Dadurch, daß der Katechismus die grundlegenden und wesentlichen Inhalte des Glaubens und der katholischen Moral erneut vorlegt, so wie sie heute von der Kirche geglaubt, gefeiert, gelebt und gebetet werden, ist dieser ein vorzügliches Mittel, um die Kenntnis des unerschöpflichen christlichen Geheimnisses zu vertiefen, einem Gebet neue Lebendigkeit zu verleihen, das zutiefst mit dem Gebet Christi verbunden ist, und den engagierten Einsatz eines konsequenten Lebenszeugnisses zu stärken. Zugleich wird uns dieser Katechismus als sicherer Bezugspunkt geschenkt für die Erfüllung der uns im Weihesakrament übertragenen Sendung, im Namen Christi und 823 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Kirche allen Menschen die „Frohe Botschaft” zu verkünden. Dank dieses Geschenkes können wir auf immer neue Weise das Gebot Christi verwirklichen: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern ... und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe” (Mt 28,19-20). In dieser zusammenfassenden Darstellung unseres Glaubensgutes können wir in der Tat eine wahre und sichere Richtlinie erblicken für die Unterweisung in der katholischen Lehre, für die Durchführung der Katechese beim christlichen Volk, für jene Neuevangelisierung, die die heutige Welt so notwendig braucht. Liebe Priester, unser Leben und unser Dienst, wenn sie in der Wahrheit, die Christus ist, verwurzelt sind, werden aus sich heraus für die ganze uns anvertraute Gemeinde zu einer beredten Katechese werden. Unser Zeugnis wird dann nicht für sich allein dastehen, es wird vielmehr ein einhelliges Zeugnis sein, das von Menschen abgelegt ist, die in demselben Glauben verbunden sind und an dem einen Kelch teilhaben. Diese lebendige gegenseitige „Durchdringung” müssen wir in sachbezogener und empfindungsmäßiger Gemeinschaft anstreben, um die immer dringlichere „Neuevangelisierung” zu verwirklichen. 3, Wenn wir uns am Gründonnerstag in der Gemeinschaft aller Priester auf der ganzen Erde versammeln, danken wir für das Geschenk des Priestertums Christi, an dem wir durch das Weihesakrament teilhaben. In diesen Dank wollen wir auch den „Katechismus” einschließen, weil das, was er enthält und wozu er dient, in besonderer Weise mit unserem priesterlichen Leben und mit dem seelsorglichen Dienst in der Kirche verbunden ist. Es ist also der Kirche, die sich auf dem Weg zum großen Jubiläumsjahr 2000 befindet, gelungen, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein Kompendium der Glaubens- und Morallehre, des sakramentalen Lebens und des Gebetes zu erarbeiten. Diese zusammenfassende Darstellung kann unserem priesterlichen Dienst auf verschiedene Weise Rückhalt bieten. Sie vermag ebenso das apostolische Bewußtsein unserer Brüder und Schwestern zu erhellen, die entsprechend ihrer christlichen Berufung zusammen mit uns Zeugnis geben wollen, von jener Hoffnung (vgl. 1 Petr 3,15), die uns in Jesus Christus gemeinsam neue Lebendigkeit verleiht. Der Katechismus bietet das „Neue des Konzils” und bindet es gleichzeitig in die gesamte Überheferung ein; der Katechismus ist so reich an jenen Schätzen, die wir in der Heiligen Schrift und dann zwei Jahrtausende hindurch bei den Vätern Und Kirchenlehrern finden, daß er einen jeden von uns jenem Mann aus dem biblischen Gleichnis ähnlich werden läßt, „der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt” (Mt 13,52), die alten und immer neuen Reichtümer des göttlichen Gutes. 824 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Während wir die Gnade des Weihesakramentes in uns wieder entfachen, und im Bewußtsein der Bedeutung des „Katechismus der katholischen Kirche” für unseren priesterlichen Dienst, bekennen wir uns zu dem, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben” ist (Joh 14,6). „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit.” Aus dem Vatikan, am 8. April, dem Gründonnerstag des Jahres 1993, dem fünfzehnten Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Um eine Vertiefung der mit der priesterlichen Spiritualität in unserer Zeit verbundenen Fragen zu ermöglichen, hat der Heilige Vater veranlaßt, dem vorliegenden Schreiben den Text der Überlegungen und des Gebetes anzufügen, den er zum Abschluß der Begegnung mit den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Europas am 1. Dezember 1992 im Vatikan vorgetragen hat. Überlegungen und Gebet anläßlich des nachsynodalen Treffens der Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Europas Zum Abschluß unserer Begegnung, die uns zu einer Vertiefung der kirchlichen Gemeinschaft und Solidarität geführt hat, möchte ich Euch einige Überlegungen im Zusammenhang mit der Bischofssynode von 1990 mitteilen und am Ende mit einem Gebet schließen, um dem Herrn alle unsere pastoralen Sorgen anzuvertrauen, insbesondere den Einsatz unserer Mitarbeiter im Priesteramt und ihre Treue zu der Berufung, mit ganzer Hingabe dem Reich Gottes zu dienen. I. ÜBERLEGUNGEN Die Worte, die die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen betreffen, sind mit der Erklärung verbunden, die Christus den Aposteln gibt: „Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist” (Mt 19,11). In dieser evangelischen Gestalt ist der Zölibat ein Geschenk für die Person und in ihr und dank ihr für die Kirche. Die Bischofssynode von 1990 hat noch einmal dazu aufgefordert, dieses Geschenk hochzuhalten; sie hat noch einmal den Willen bekundet, daß es als Erbe der lateinischen Kirche zum Wohle ihrer Sendung erhalten bleiben solle. Das hat in dem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis seinen Ausdmck gefunden. Dieses Dokument enthält eine Synthese der Erklärungen der Synodenväter und zitiert deren Schlußanträge. Wer an der Synode teilgenommen hat, kann freilich nicht die persönlichen Zeugnisse der Bischöfe aus der ganzen Welt über den großen Wert des priesterlichen Zölibats vergessen. Diese Zeugnisse haben wesentlich den „Ton” der Synode bestimmt. Die Folge daraus kann nur der Glaube und das Vertrauen sein, daß „er, der bei uns das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird” (Phil 1,6). Von unserer Seite 825 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bedarf es daher des vollen Vertrauens in den göttlichen Spender der geistlichen Gaben. Besonders wichtig ist dieses Vertrauen dort, wo die Kirche, insofern es um die geistlichen Berufe geht, der Gefahr einer besonderen Prüfung ausgesetzt ist. In einer von zunehmender Säkularisierung gezeichneten Welt ergeben sich diese Prüfungen aus dem allgemeinen Umfeld. Es fallt oft schwer, sich des Eindrucks zu erwehren, hier sei eine bestimmte Strategie am Werk, die sich unter anderem zum Ziel setzt, die Kirche von der Treue zu ihrem Herrn und Bräutigam abzubringen. Er selbst jedoch ist seinem Bund treu und hat auch die Kraft, im Heiligen Geist zu wirken, der es ermöglicht, den Geist dieser Welt zu überwinden und den Zölibat um des Gottesreiches willen als eine Lebenswahl gegen die menschlichen Schwächen und menschlichen Strategien zu sehen. Es ist nur erforderlich, daß wir nicht den Mut verlieren und um diese Berufung und diese Wahl nicht ein Klima der Mutlosigkeit erzeugen. Die katholische Kirche achtet die anderen Traditionen, besonders jene der Ostkirchen, will aber dem Charisma treu bleiben, das sie von ihrem Herrn und Meister empfangen und angenommen hat. Diese Treue und dieses inbrünstige Gebet werden selbst unter den ungünstigsten Bedingungen den Weg zum Priestertum eröffnen. Ich schreibe diese Worte im Zusammenhang mit dem Apostolischen Schreiben Pasta res dabo vobis. Sie enthalten zugleich die sehr kummervolle Ermahnung .an die ganze Kirche und besonders an ihre Hirten. Die jahrhundertealte, vom Zweiten Vatikanischen Konzil und dann von den Synoden, besonders von der letzten, die der Priesterausbildung gewidmet war, bestätigte Tradition richtet an uns alle die Forderang nach Treue und Vertrauen zum „Herrn der Ernte” (Mf 9,38). Im Rahmen der Weltkirche wird die Solidarität der Bischöfe es ermöglichen, durch den „Austausch der Gaben” zwischen den Kirchen, die unter Mangel an Berufen leiden, und jenen, die ihnen eine Hilfe anbieten können, eine Lösung zu finden. Denn Christus hat gesagt: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander hebt” (Joh 13,35). Die Solidarität der Bischöfe besteht wesentlich in dieser gemeinschaftlichen Liebe, die imstande ist, die Gabe anzubieten und auch anzunehmen. II. GEBET Pastores dabo vobis ... Mit diesen Worten wendet sich die ganze Kirche an Dich, den „Herrn der Ernte”, und bittet um Arbeiter für Deine Ernte, die überaus groß ist (vgl. Mt 9,38). Guter Hirte, einst hast Du selbst die ersten Arbeiter in Deine Ernte gesandt. Es waren zwölf. Nun, da sich - nach beinahe zweitausend Jahren - ihre Stimme bis an die Grenzen der Erde verbreitet hat, spüren wir auch stärker die Notwendigkeit, dafür zu beten, daß es ihnen nicht an Nachfolgern für unsere Zeit fehlen möge, insbesondere nicht an denjenigen, die im Amtspriestertum mit der Kraft des Wortes Gottes und der Sakramente die Kirche aufbauen; an denjenigen, 826 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die in Deinem Namen Verwalter der Eucharistie sind, aus der fortwährend die Kirche erwächst, die Dein Leib ist. Wir danken Dir, daß die zeitweilige Krise der Priesterberufe im Bereich der Weltkirche sich auf dem Weg befindet, überwunden zu werden. Mit großer Freude erleben wir den Prozeß eines zahlenmäßigen Wiederaufschwungs der Berufe in den verschiedenen Teilen der Welt: in den jungen Kirchen, aber auch in den zahlreichen Ländern mit langer, vielhundertjähriger christlicher Tradition sowie dort, wo in unserem Jahrhundert die Kirche vielfache Verfolgungen erlitten hat. Aber mit besonderer Inbrunst erheben wir unser Gebet, in dem wir an jene Gesellschaften denken, in welchen das Klima der Säkularisierung herrscht, wo der Geist dieser Welt das Wirken des Heiligen Geistes behindert, so daß das in die Herzen der jungen Menschen gestreute Samenkorn entweder nicht Wurzel faßt oder nicht heranreift. Gerade für diese Gesellschaften erheben wir noch inständiger unser Gebet: „Der Heilige Geist komme herab und erneuere das Antlitz der Erde.” Die Kirche dankt Dir, göttlicher Bräutigam, dafür, daß sie von ältester Zeit an in der Lage war, den Ruf zum geweihten Zölibat um des Gottesreiches willen anzunehmen; daß sie seit Jahrhunderten das Charisma des priesterlichen Zölibats in sich selbst bewahrt. Wir danken Dir für das Zweite Vatikanische Konzil und für die jüngsten Bischofssynoden, die dieses Charisma dadurch, daß sie es bestätigten, als einen richtigen Weg der Kirche der Zukunft bezeichnet haben. Wir wissen, wie zerbrechlich die Gefäße sind, in denen wir diesen Schatz tragen - doch wir glauben an die Macht des Heiligen Geistes, der durch die Gnade des Sakraments in jedem von uns wirkt. Mit um so größerer Inbrunst bitten wir darum, beharrlich mit dieser Macht Zusammenarbeiten zu können. Wir bitten Dich, der Du der Geist Christi, des Guten Hirten, bist, daß wir diesem besonderen Erbe der lateinischen Kirche treu bleiben. „Löscht den Geist nicht aus!” (1 Thess 5,19), sagt der Apostel. Bitten wir daher, daß wir nicht in Zweifel verfallen und in den anderen keinen Zweifel entstehen lassen und daß wir nicht - Gott bewahre uns! - zu Befürwortern anderer Formen der Wahl und einer andersartigen Spiritualität für das priesterliche Leben und das priesterliche Dienstamt werden. Der hl. Paulus sagt außerdem: „Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes ...!” (Eph 4,30). Pastores dabo vobis! Wir bitten Dich, uns alle unsere Schuld gegenüber diesem heiligen Geheimnis, das Dein Priestertum in unserem Leben ist, zu vergeben. Wir bitten Dich, beständig und mit Ausdauer an dieser „großen Ernte” mitarbeiten und alles tun zu können, was für die Weckung und das Reifen der Berufe notwendig ist. Wir bitten Dich vor allem, uns zu helfen, daß wir mit Beharrlichkeit beten. Denn Du selbst hast gesagt: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden” {Mt 9,38). Angesichts dieser Welt, die auf verschiedenste Weise ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Reich Gottes zeigt, begleite uns die Gewißheit, die Du, Guter Hirte, den Herzen der Apostel eingeflößt hast: „Habt Mut: Ich habe die Welt besiegt!” 827 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (.Joh 16,33). Sie ist - trotz allem - dieselbe Welt, die Dein Vater so sehr geliebt hat, daß er ihr Dich, seinen eingeborenen Sohn, geschenkt hat (vgl. Joh 3,16). Mutter des göttlichen Sohnes, Mutter der Kirche, Mutter aller Völker - bitte mit uns! Bitte für uns! Die Gnade der Priesterweihe neu beleben Predigt in der Chrisammesse am Gründonnerstag, 8. April 1. „Heute hat sich das Schriftwort erfüllt” (vgl. ZA 4,21). Heute. Dieses erlösende Heute hat eine trinitarische Dimension: das Heilige Triduum, die drei großen Tage zu Ehren des undurchdringlichen Geheimnisses Gottes. „Gott, ... der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung” (Offb 1,8). Gott: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Messianisches Triduum des Sohnes, der nach dem liebevollen Willen des Vaters durch den Heiligen Geist Mensch geworden ist. Heiliges Triduum Jesu Christi, „der uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut, der uns zu Königen und zu Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater” {Offb 1,5-6). Wir stehen an der Schwelle des Heiligen Triduums. 2. Meine Lieben, während dieser drei Tage wird in der Liturgie und in unserer Seele mehr und mehr die erschütternde Wahrheit über den Sohn Raum gewinnen, den Sohn, der sich für uns zum Sklaven machte, gehorsam bis zum Tod - bis zu einem so schrecklichen Tod wie dem Kreuzestod (vgl. Phil 2,8) -, einem Tod, von dem die vom Vater gewollte Erhöhung ihren Ausgang nimmt: Gott wird den Sohn, der gehorsam war bis zum Tod, erhöhen. Gott wird den, der sich erniedrigte, erhöhen und ihm den Namen verleihen, der größer ist als alle Namen (vgl. Phil 2,8-9): Es ist uns kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen (vgl. Apg 4,12). „Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters” {Phil 2,11). Der Name Jesu, des Erstgeborenen der ganzen Schöpfung (vgl. Kol 1,15), bedeutet: Die Herrlichkeit Gottes hat aufs neue Wurzel geschlagen in allem, was seinen absoluten Ursprung und sein letztes Ziel in Gott hat. Der Name Jesu, des „Erstgeborenen der Toten” {Offb 1,5), bedeutet Auferstehung und Lieben. Er bedeutet Macht. Macht - durch die Schwäche hindurch; lieben -durch den Tod hindurch! Wir befinden uns an der Schwelle dieses Geheimnisses, das das Heilige Triduum uns wiederum in einzigartiger Weise vorstellt. 3. Wie anders können wir die heutige Liturgie der Chrisammesse begreifen und erklären? 828 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Chrisam-Salbung. Die Salbung ist ein Symbol der Stärke. Diese Stärke empfängt der Mensch im gekreuzigten und auferstandenen Christus. Es ist die Kraft, die jeder von uns in den Sakramenten erhält: Sie sind das Handeln Christi, der uns liebt, der uns „durch sein Blut von unseren Sünden erlöst hat”. Das Handeln Christi, „der uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater”. Wir sind heute, am Gründonnerstag, hier versammelt, um Christus, der das „ewige Licht” ist, zu danken für unsere besondere Berufung im Sakrament der Priesterweihe. Wir sind hier, um zu danken, um Vergebung zu erbitten und unser Flehen darzubringen. Wir kommen zum Altar, um die „durch die Auflegung der Hände” empfangene Gnade wieder zu beleben! Wir danken Gott für die Kraft der Erlösung, die Christus uns im Priestertum verliehen hat: Christus, „der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde” (Offb 1,5). Jesus hat gesagt: „Ich habe euch Freunde genannt... und euch dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt!” (Joh 15,15-16). Gibt es eine größere Kraft als diese göttliche Freundschaft? Der Kelch des Neuen Bundes bezeichnet das Leben Predigt bei der Abendmahlsfeier an Gründonnerstag, 8. April 1. „Dieser Kelch - der Neue Bund in meinem Blute” (1 Kor 11,25). Das heutige Abendmahl erinnert an jenes andere Mahl, das in der Nacht des Auszugs aus Ägypten vorbereitet war, wie wir in der ersten Lesung aus dem Buch Exodus gehört haben. Die Befreiung aus der Knechtschaft geschieht durch das Blut des Lammes, das als Opfer dargebracht wird und damit zum Zeichen des Bundes wurde, der seinerzeit von Gott mit Abraham geschlossen und in jener Nacht erneuert wurde. Die Nachkommen Abrahams, die Kinder des in Ägypten unterdrückten Volkes, wurden aus der Sklaverei dank der Macht Gottes befreit. Das Blut des Lammes ist daher das Zeichen des Heilswillens des Bundesgottes. Die Opferung des Lammes aber rettet die Kinder Israels vor jenem Tod, der die Erstgeborenen Ägyptens trifft, und so können die Kinder Israels das Sklavenhaus verlassen und sich auf den Weg durch die Wüste machen, wo Jahwe-Gott mit ihnen zu Füßen des Sinai seinen Bund erneuern wird. All dies ist für immer im Gedächtnis des Volkes des Alten Bundes eingeprägt geblieben und zum Inhalt der wichtigsten Feier des liturgischen Jahres geworden: des Paschafestes oder des Festes des Hinübergangs. 2. Christus ist Sohn seines Volkes. Auch er feiert das Paschamahl mit den Aposteln. Von ihnen umgeben, nimmt er die vorgeschriebenen Speisen und sagt, indem er den 829 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN traditionellen Kelch mit Wein auf und sagt: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut” (1 Kor 11,25). So entsteht nun mitten im Herzen des Alten Bundes der Neue. An diesem Abend des Paschamahles führt Jesus seine Jünger in das Geheimnis des Neuen Bundes ein. Seine Worte künden schon den Karfreitag an. Morgen schon werden die Worte bezüglich des für die Sünden der Welt vergossenen Blutes erlösende Wirklichkeit. Erfüllt wird zugleich die Verkündigung, die am Jordan seit Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu erklang: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!” (Joh 1,29). Erfüllt werden ferner die bei der Verklärung vernommenen Worte: „Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören” (Lk 9,35). Hört auf ihn! Wir wollen hören, was Er sagt. . Als Widerhall der von Christus im Abendmahlssaal verkündeten Worte erklärt der hl. Paulus: „Sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt” (1 Kor 11,26). Die Worte Christi betreffen wegen der Karfreitagsereignisse die Zukunft der Menschheit, bis zum Ende der Welt. Was sich also morgen erfüllt und bald schon zu Füßen des Ölbergs beginnt, alles dies, was das Pascha des Neuen Bundes bezeichnet, begleitet die Menschheit und geht mit ihr weiter bis zum Ende ihres irdischen Schicksals, wenn Christus wieder-kommen wird, um die Heilsgeschichte ganz zu erfüllen. 3. Was wird morgen am Karfreitag geschehen? Was bedeutet der Kelch des Neuen Bundes im Blute Christi? Er bedeutet den Tod am Kreuz. Er bedeutet sein von der Lanze durchbohrtes Herz. Er bedeutet die Stunde des Hinübergangs Christi von dieser Welt zum Vater; er bedeutet die Liebe, mit der Er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hat: „er bebte sie bis ans Ende” (/o/z 13,1). Der Kelch des Neuen Bundes bezeichnet also das Leben, „denn die Liebe ist stark wie der Tod” (Hld 8,6). Die Liebe, die Christus zur Annahme des Kreuzes veranlaßt, wird ihre volle und endgültige Macht in der Auferstehung offenbaren: „Ich bin die Auferstehung und das Leben” (Joh 11,25). 4. Die Söhne und Töchter des Alten Bundes aßen das Paschamahl in der Nacht des Auszugs aus der Knechtschaft Ägyptens. Im Abendmahlssaal, am Vorabend des Paschafestes, taten es die Apostel mit Christus. Wie sie sind auch wir jetzt um den eucharistischen Tisch versammelt und setzen das gegenwärtig, was der Herr gesagt und getan hat. Er, der uns liebt, der „uns von unseren Sünden durch sein Blut erlöst hat” (vgl. Offb 1,5), ist bei uns. Wir leben also erneut das Pascha des Neuen und Ewigen Bundes in seinem Blute. „Denn stark wie der Tod ist die Liebe”. / Er, der Einzige, Er, der nie stirbt. / Gott ist die Liebe! 830 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Umzug des Karmel steht bevor Brief an die Karmelitinnen in Auschwitz, übermittelt durch Bischof Tadeusz Rakoczy von Bielsko-Zywiec vom 9. April Liebe Schwestern! „Meine Berufung ist die Liebe. Ja, ich habe meinen Platz in der Kirche gefunden ... die Kirche hat ein Herz, ein von Liebe brennendes Herz ... die Liebe zum Nächsten ist die Grundlage meiner Berufung geworden ... Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein” (,Autobiographie, Lisieux 1957, 227-229). Diese Worte der heiligen Karmelitin von Lisieux offenbaren den Wesenskem der Berufung jeder Schwester im Karmel: jeder einzelnen von euch. Um die Liebe im Herzen der Kirche zu sein, seid ihr vor einiger Zeit nach Auschwitz gekommen. Ist es nötig zu erklären, warum besonders an diesem Ort das Herz der Kirche so stark schlagen sollte? Wieso diese Liebe, mit der Christus die Menschen bis zum Ende geliebt hat, hier so notwendig gebraucht wird? Warum gerade hier, wo jahrelang Haß und Verachtung gegenüber den Menschen wüteten und wo sich das Werk der Zerstömng und des Todes unter den Menschen so vieler Nationen in ungeheurem Maße anhäufte? Dem Willen der Kirche zufolge müßt ihr nun an einen anderen Ort in Auschwitz übersiedeln. Jede von euch ist frei zu entscheiden, ob sie ihr Leben als Karmelitin dort in der gegenwärtigen Gemeinschaft fortfuhren oder in ihr Mutterhaus zurückkehren möchte. Zweifellos ist dies für jede von euch ein schmerzlicher Augenblick. Inständig bitte ich Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, euch alle seinen Willen und die besondere Berufung auf dem Weg des Karmeliten erkennen zu lassen. Auschwitz - und alles, was mit diesem Namen verbunden ist, wie das tragische Erbe Europas und das der Menschheit - wird stets eine Verpflichtung für den Karmel sein. Vor allem bleibt all das eine Aufgabe, was in der Erinnerung vieler Völker mit dem Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau in Verbindung steht: in der Erinnerung der Töchter und Söhne Israels, und gleichzeitig alles, was die Vergangenheit der Polen und unseres Vaterlands betrifft. Wie sich die Zukunft gestalten wird, die aus dieser qualvollen Vergangenheit hervorgeht, hängt weitgehend von der Tatsache ab, daß auf der Schwelle von Auschwitz jene Liebe wacht, die stärker ist als der Tod (Hld 8,6). Ganz besonders euch, hebe Schwestern, ist das Geheimnis dieser erlösenden Liebe anvertraut - dieser Liebe, die die Welt rettet. Und wie sehr ist doch unsere Welt von heute - fünfzig Jahre nach dem schrecklichen Krieg, der uns unter anderem Auschwitz beschert hat - wie sehr ist sie doch stets vom Haß bedroht! Liebe Töchter des Karmel! Möge euch zugleich jene Osterfreude („gaudium pascha-le”) zuteil werden, die die Kirche in dieser Osterzeit lebt. Im Namen des Vaters, des 831 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sohnes und des Heiligen Geistes - im Namen Jesu Christi, der die Welt besiegt hat (vgl. Joh 16,33) - erteile ich euch meinen Segen. Aus dem Vatikan, am 9. April 1993 Joannes Paulus PP. II Auch heute verehren die Christen in vielen Kolosseen das Kreuz Ansprache am Ende des Kreuzweges beim Kolosseum am 9. April 1. Kreuzverehrung Am Nachmittag haben wir uns dem Holz genähert, an dem Christus, das Heil der Welt, gehangen ist: Ecce lignum Crucis, seht das Holz des Kreuzes! Eine tiefe Stille lag über der großen Basilika von St. Peter; in den Herzen der Anwesenden herrschte bewegte Andacht. Man verehrte das Kreuz! 2. Dann sind wir zum Kolosseum gekommen, um wieder die Via Crucis, den Kreuzweg, zurückzulegen. Christus hat gesagt: „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig” (Mt 10,38). Das sagte er nicht nur für seine Jünger von damals, sondern auch für jene, die nachher kommen würden. Er wiederholt es für uns, seine heutigen Jünger. Wir sind zum Kolosseum gekommen, das aus dem antiken Rom zu uns spricht. Damals trat das Kreuz in das Leben und den Tod der ersten Christen ein, die berufen waren, mit dem Opfer ihres Lebens Zeugnis zu geben von Christus. Das Kreuz erfüllte ihren Tod mit dem Tod Christi; es erfüllte ihren Tod mit dem unaussprechlichen Leben: seinem Leben. „Wer sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten” (Mk 8,35). Sie opferten das Leben auf und retteten es in Christus. Ave Crux! 3. Die Kreuzverehrung besteht die Jahrhunderte hindurch, in der Aufeinanderfolge der Generationen fort. Auch unser Jahrhundert - dieses 20. Jahrhundert - hat die bittere Erfahrung der religiösen Verfolgung in den modernen „Kolosseen” Europas und der Welt, in Ost und West, kennengelemt. Jahrhunderte später haben Menschen, wie die Christen im antiken heidnischen Rom, wieder vermocht, das Kreuz mit dem Opfer ihres Lebens zu verehren, das Kreuz mit dem erhabenen Zeugnis des Martyriums zu umfassen. Christen, die dem Tod mit dem Ruf entgegengegangen sind: Ave Crux! Dank des Kreuzes Christi wird ihr Tod zum Keim neuen Lebens. Ecce lignum Crucis. Seht das Holz des Kreuzes. 832 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Liebe Brüder und Schwestern, wir sind heute Abend zum Kolosseum gekommen, um am Kreuzweg teilzunehmen. Das Kreuz ist auch der Weg. Christus hat gesagt: „Wer mein Jünger sein will, der ... nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach” (Lk 9,23). Das Kreuz ist also der Weg, der Weg des täglichen Lebens. Es ist gewissermaßen Gefährte dieses Lebens. In wie vielen Formen erlebt auch jeder von uns diese Erfahrung, „täglich sein Kreuz” auf sich zu nehmen! Es wird mit ganz verschiedenen Weisen und Namen bezeichnet. Ja, oft schaudert den Menschen, er will diesen Namen nicht aussprechen: „das Kreuz”. Er sucht andere Bezeichnungen, andere Namen. Doch dieser Name ist inhaltreich und sinnvoll. Kreuz ist das rettende Wort, mit dem der Sohn Gottes jedem Menschen die volle Wahrheit über sich selbst und über seine Berufung offenbart (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Er offenbart diese Wahrheit jedem Mann und jeder Frau und besonders allen Leidenden. Dem leidenden Menschen enthüllt das Wort „Kreuz”, daß er nicht allein ist, sondern mit dem geht, der als erster als Kreuz angenommen und durch das Kreuz die Welt erlöst hat. 5. Ecce lignum Crucis ... Seht das Holz des Kreuzes, an dem Christus gehangen, das Heil der Welt. Venite adoremus. Kommt, laßt uns anbeten. Heute, am Karfreitag, bittet die Kirche alle, die Heilsbotschaft vom Kreuz Christi zu empfangen. Eine Botschaft, die Kraft Gottes und Weisheit Gottes ist - wie der hl. Paulus verkündet. Eine Botschaft, die die Geschichte des Menschen auf Erden, die Geschichte jedes einzelnen und aller, einschließt: sie schließt die Hoffnung auf das Leben und die Unsterblichkeit ein. Christus bekräftigt gegenüber jedem Geschöpf, gegenüber jedem von uns: „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen” (Joh 12,32). Ave Crux! Ave verum Corpus natum de Maria Virgine, vere passum, immolatum in Cruce pro homine ... Esto nobis praegustatum mortis in examine. Amen! In der Kirche aus dem Geist des Konzils tätig sein Ansprache an die Gemeinschaft Sant’ Egidio am 10. April 1. Es ist mir heute eine Freude, euch, liebe Brüder und Schwestern der Gemeinschaft Sant’ Egidio, anläßlich des 25. Jahrestags der Gründung eurer Vereinigung empfangen zu können. Ich heiße jeden von euch herzlichst willkommen; ich grüße insbesondere Don Vincenzo Paglia und die euch begleitenden Geistlichen. Durch euch, die Verantwortlichen der verschiedenen Sant’ Egidio-Gemeinschaften in etlichen Nationen der Welt, möchte ich meine Gedanken an eure Mitarbeiter, an die Freunde, die euer Werk unterstützen und an all jene weiterleiten, denen ihr täglich bei eurer Arbeit begegnet. Allen möchte ich herzlichst danken und meine Achtung und innige Verbundenheit ausdrücken. 833 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Licht des Jubiläums, das ihr dieses Jahr feiert, erhält unser heutiges Treffen einen ganz besonderen Wert. Fünfundzwanzig Jahre im Glauben, im Zeichen des Wachstums der Kirche und der Fürsorge für die Armen sind ein bedeutsames Ergebnis. Sie stellen einen wichtigen Abschnitt jener Sendung dar, die der Herr euch anvertraut hat. Dieser Auftrag bedeutet vor allem, die Liebe, die Gott jedem Menschen entgegenbringt, zu verkünden und durch das Leben zu bezeugen. Niemandem kann entgehen, wie wichtig es ist, den Menschen unserer Zeit diese Botschaft und dieses Zeugnis zu bringen. Es geht nicht nur darum, sich für die Verbreitung von Werten des Evangeliums, wie Gerechtigkeit und Frieden, einzusetzen, sondern auch auf klare und konsequente Weise das Wort Christi, des Erlösers der Menschheit, zu verkünden. 2. Nach der Auferstehung sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zü meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes” (Mt 28,19). Diese Worte, die das Matthäus Evangelium abschließen, haben ihre Wirkung im Lauf der Jahrhunderte beibehalten und beseelen auch eure Gemeinschaft. Sie ist aus dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils entstanden, als Ausdruck jenes kirchlichen Frühlings, den sich die Konzilsväter erhofft hatten. Euer Unternehmen, das damals die ersten, zaghaften Schritte machte, ist kontinuierlich gewachsen, es konnte sich verzweigen und seine fruchtbringenden Tätigkeiten auf viele Länder, der Erde aus weiten. Ihr, die ihr hier zugegen seid und die Sant’ Egidio-Gemeinschaften in Europa, in Afrika und Asien vertretet, seid die Früchte und ein Zeugnis der Vitaütät dieser der Kirche von der Vorsehung geschenkten Initiative. In der Kirche tätig sein: Dies ist eure feste Absicht und darin besteht euer konstanter Einsatz, denn ihr seid überzeugt, daß dies der beste Weg ist, um den Menschen, ohne Unterschied von Rassen und Kulturen, das Evangelium der Solidarität und seine erneuernde Kraft zu vermitteln. 3. Liebe Brüder und Schwestern, seid sorgfältig darauf bedacht, eurer Berufung treu zu bleiben: sie ist ein kostbares Gut für jeden Von euch und für das gesamte Volk Gottes. Während der zahlreichen Begegnungen mit euch in diesen Jahren, lernte ich eure hingebungsvolle Arbeit für die Armen und Ausgestoßenen schätzen; ich hatte Gelegenheit, von euren Bemühungen zur Intensivierung des interreligiösen Dialogs und zur Förderung des Friedens zu erfahren. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an den entscheidenden Beitrag, den ihr für die Herstellung des Friedens in Mosambik geleistet habt. Ihr erreicht all dies ohne große Strukturen und finanzielle Mittel, sondern - wie ihr es eben in eurem Lied zum Ausdruck gebracht habt - vielmehr durch die Kraft und die Weisheit, die aus dem Wort des Herrn hervorgehen. Liebe Brüder und Schwestern, setzt eure Mission mit Freude und Begeisterung fort und möget ihr stets von vertrauensvoller Hingabe an die göttliche Vorsehung erfüllt sein. Maria, die Mutter der Hoffnung, wird euch unterstützen, und möge euch auch 834 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Segen, den ich euch von Herzen erteile, neuen Mut geben. Ich wünsche allen ein frohes und heiliges Osterfest. Die Auferstehungsbotschaft erneuert die Menschheitsgeschichte Predigt während der Ostemachtliturgie am 10./11. April 1. „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier. Denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat” {Mt 28,5-6). Die Ostemacht ist eine Zeit ängstlichen Wartens auf den Augenblick, wo die Frauen am Grab Christi die freudige Kunde vernehmen werden: „Er ist auferstanden!” Fürchtet euch nicht! Er ist auf erstanden, wie er gesagt hat. Die Ostemacht verbindet in sich die Nacht und den Tag. Die Frauen begaben sich am frühen Morgen zu dem Grab, in das Jesus gelegt worden war, um seinen Leib zu salben, und erwarteten sicherlich nicht, das Grab leer zu finden. Hingegen fanden sie es genauso vor. Und hörten jene unerwarteten Worte. Damit endet die Ostemacht, und es beginnt der neue Tag: der Tag, den der Herr gemacht hat (vgl. Ps 118,24): 2. Jedes Jahr wacht die Kirche schweigend „am Grab Christi, während sie am Mysterium des Gekreuzigten teilhat. Sie „wird mit ihm begraben” (vgl. Rom 6,4). Sie erlebt den Tod - das allgemeine Schicksal des menschlichen Todes - in inniger, tiefer Vereinigung mit Christus. Diese Teilnahme am Tod des Erlösers wird zum lebendigen Gedächtnis all derer, die seit den Anfängen des Buches Genesis die Grenze zwischen Leben und Tod durchschritten haben und sich jetzt jenseits dieser Grenze befinden. Wie Mose, dessen Geschichte wir im Buch Exodus gehört haben, so - nach ihm - die großen Propheten des Alten Bundes: gleichsam als würden alle während der Ostemachtliturgie an der Erwartung des Osterfestes teilnehmen. Die Ostemacht umfaßt in der Tat die gesamte Geschichte des Menschen in jeder ihrer Dimensionen. In dieser heiligen Nacht können alle von sich sagen: „Wir sind gestorben ...”, „wir sind mit Christus gestorben.” Der Tod hat Macht über den Menschen - eine universale Macht. Und siehe, aus dem Innern des Grabes Christi kommt die Verkündigung, ein Freudenschrei: „Er ist auferstanden.” Eine Stimme, die den Horizont der Geschichte des Menschen, den Horizont der menschlichen Existenz völlig neu gestaltet: „Der Tod hat keine Macht mehr über ihn” (Rom 6,9). 3. Wer ist der Auferstandene - der, über den der Tod keine Macht mehr hat? Darauf antwortet Christus selber: „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe ... Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. 835 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen ...” (Joh 10,17-18). Und das geht in dieser Nacht in Erfüllung. Eine außergewöhnliche Nacht! Eine Nacht, erfüllt von heiligem Glanz! „(Wir wissen, daß) Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn” {Rom 6,9). Bis zum Äußersten verwirklicht sich das Bild des Guten Hirten! Wenn sich der Diakon dem Zelebranten, der die heilige Liturgie leitet, nähert, verkündet er: „Ich verkündige dir eine große Freude” „Halleluja”. Christas woskres! Christus ist auferstanden! „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe” {Joh 10,17). 4. Er ist auferstanden und Maria Magdalena erschienen. Er ist auferstanden und ist den Jüngern begegnet. Er ist auferstanden und kommt ständig seiner Kirche entgegen, die an seinem Grab wacht. „Er ist ein für allemal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott” (7?öm6,10). „Wegen unserer Gerechtmachung wurde er auferweckf ’ {Röm 4,25). Er kommt uns als Lebender entgegen. Er bringt uns das Leben, damit wir, während wir für die Sünde tot sind, für Gott leben können in Christus Jesus (vgl. Röm 6,11). Er kommt zu uns durch die erneuernde Kraft des Sakramentes: aus dem Wasser und dem Heiligen Geist quillt neues Leben hervor. Der Mensch wird von neuem geboren. Liebe Brüder und Schwestern, mit diesen Empfindungen möchte ich euch allen, die ihr hier anwesend seid, ein heiliges Ostern wünschen, das eine Wiedergeburt sein möge im Geist und in der Erneuerung des Lebens in Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist. Von Herzen wünsche ich vor allem euch, liebe Katechumenen, die ihr in Kürze die Sakramente der Taufe, der Firmung und der Eucharistie empfangen werdet, daß ihr das kostbare Geschenk der göttlichen Gnade bereitwillig annehmen könnt. In jedem von euch möchte ich die Nationen grüßen, aus denen ihr kommt: Albanien, Bosnien, Frankreich, Japan, Kambodscha, Korea, Nigeria, Schweden, Singapur, Thailand, Vereinigte Staaten von Amerika, Vietnam. Und zusammen mit den Gläubigen der ganzen Welt lobpreisen wir den Schöpfer, dessen Wille es war, die Menschheit mit verschiedenen Gesichtem auszustatten, damit der von Christus, dem Erlöser, erneuerte neue Mensch stärker strahle. Mit welch großer Freude nimmt euch die Kirche heute auf, euch, die ihr in dieses neue Leben eintretet, das uns in dem gekreuzigten und auferstandenen Christas geschenkt ist. Euch und mit euch, die ihr euch hier „apud Sanctum petrum” bei St. Peter, eingefunden habt, verkündige ich eine große Freude: Christus ist auferstanden, „Halleluja”! 836 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das unsagbare Grauen des Krieges beenden Osterbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi” am Ostersonntag, 11. April 1. „Der Vater liebt mich.” „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe ... Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe” (Joh 10,17.11). „Niemand entreißt es mir - denn die Söhne der Menschen haben keine Macht über das Leben des Gottessohnes sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen” {ebd., 18). Ich habe Macht, den Tod aus den Händen der Menschen anzunehmen, und ich habe Macht, um der Liebe des Vaters willen den Tod zu besiegen. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat” {Ps 118,24). An diesem Tag bekennt die Kirche die Liebe des Vaters, die erlösende Macht des auferstandenen Sohnes; sie bekennt den Geist, Herrn und Spender des Lebens. 2. Mit dieser Glaubensgewißheit trete ich vor euch, geliebte Brüder und Schwestern, an dem Tag, den der Herr gemacht hat, und zusammen mit der ganzen Kirche verkündige ich euch eine große Freude; „Der Herr ist auferstanden und ist dem Simon erschienen” (Lk 24,34). Christus ist wahrhaft auferstanden: Halleluja! 3. Christus sagt: „Der Vater liebt mich.” Ja, In Dir, Christus, hat der Vater den Menschen geliebt, hat er die Welt geliebt. Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er Dich, seinen einzigen Sohn, wesensgleich mit ihm, hingab, damit jeder, der Dich im Glauben annimmt, das ewige Leben habe (vgl. Joh 3,16). Du hast Macht, das Leben für die Welt hinzugeben und es in der Auferstehung wieder zu nehmen. Du hast Macht, dieses Leben, das in Dir ist, der Welt mitzuteilen. Die Welt an sich besitzt dieses Leben nicht. Sie hat an sich ein Leben, das dem Tod unterworfen ist. Du allein hast das unsterbliche Leben, das seinen Ursprung in Gott hat. Aber Gott hebt die Welt, und Gott liebt Dich, der Du in die Welt gekommen bist. In Dir schenkt der Vater denen das Leben, die in der Welt sind. Und Du selbst willst das, Christus, unser Erlöser. Du willst, daß „wir das Leben haben und es in Fülle haben” {Joh 10,10). 4. Vater, Sohn, Heiliger Geist, einziger und über alles erhabener Gott, sei gepriesen überall in der Welt, in dieser Welt, die „Schauplatz der Geschichte der Menschheit ist und geprägt von ihren Unternehmungen, Niederlagen und Siegen” {Gaudium et spes, Nr. 2), dieser Welt, die von Dir befreit worden ist - von Dir, gekreuzigter und auferstandener Christus. In Dir ist der Mensch, der in der Welt lebt, fähig geworden, die Macht des Bösen zu brechen, um nach Gottes Ratschluß umgestaltet zu werden und zur Vollendung zu gelangen. Gott, der Du einer bist in der Dreiheit der Personen, Vater, Sohn, Heiliger Geist, sei gepriesen für die Erlösung der Welt, die in Jesus Christus Wirklichkeit geworden ist. 837 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Während wir diese österliche Wahrheit mit den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils bekennen, vereint sich die gesamte Kirche - in Urbe et Orbe, in der Stadt Rom und auf dem Erdkreis - mit allen Menschen, Bürgern dieser von Gott aus Liebe erschaffenen Welt, und verkündet voll Freude: „Christus ist auferstanden, er hat durch seinen Tod den Tod vernichtet und uns das Leben geschenkt, auf daß wir, Söhne im Sohn, im Geist rufen: Abba, Vater!” (Gaudium et spes, Nr. 22). Möge die heutige Menschheit auf ihrer Pilgerschaft über die Straßen der Welt aus dieser unerschöpflichen Quelle neue Hoffnung schöpfen können. 6. Möge die Osterbotschaft kraftvoll erschallen, vor allem dort, wo Gewalt, Angst und Verzweiflung noch immer einzelne Menschen und Familien, Völker und Nationen bedrücken. Ich denke besonders an jene Länder Afrikas, die sich in ihrer Friedenssehnsucht enttäuscht fühlen, wie Angola, Ruanda und Somalia, oder an die, die unter tausend Schwierigkeiten auf dem Weg sind zu den Zielen der Demokratie und Einigkeit, wie Togo und Zaire. Und wie könnten wir am heutigen Tag - Tag des Friedens - schweigen angesichts der blutigen Bruderkriege, die das Gebiet des Kaukasus heimsuchen, und vor dem schrecklichen Drama, das in Bosnien-Herzegowina unerbittlich weitergeht? Wer kann da sagen: Ich wußte nichts? Angesichts dieses so tragischen Geschehens, das Europa demütigt und die Zukunft des Friedens gefährdet, kann sich niemand für unbeteiligt erklären. Verantwortliche der Nationen, Menschen guten Willens, mit schmerzerfülltem Herzen wende ich mich noch einmal an jeden von euch: Gebietet dem Krieg Einhalt! Ich bitte euch inständig, macht den unsagbaren Grausamkeiten ein Ende, mit denen die Würde des Menschen verletzt und Gott, der gerechte und barmherzige Vater, beleidigt wird! 7. Christus ist auferstanden! Aus dem nun leeren Grab strömt das Leben, das die Kräfte des Todes besiegt, die die menschliche Existenz bedrohen. Die Gläubigen müssen überall mit Mut und Hingabe handeln, wo immer Armut, Hunger, Ungerechtigkeit herrscht, wo immer das Leben gefährdet ist, von seiner Entstehung bis zu !seinem natürlichen Ende, wo immer es mißachtet und verhöhnt wird. Die Jünger Christi fühlen sich verpflichtet, sich unaufhörlich der mühsamen und dringenden Aufgabe der Erneuerung der Gesellschaft zu widmen, indem sie mit Zuversicht und Eintracht arbeiten, um dem Lauf der Geschichte die leuchtenden Wegweiser des Evangeliums aufzuprägen, die unerläßlich sind, um aus der Welt, aus unserer Welt, am Vorabend des dritten christlichen Jahrtausends die gastliche Heimat jedes Menschen zu machen. Brüder im Glauben, der Auferstandene ruft alle seine Jünger dazu auf, freudig Zeugnis zu geben von Gerechtigkeit und Wahrheit. 8. Du allein, o Christus, besitzt das unsterbliche Leben, das vom himmlischen Vater herkommt. Und heute bietest Du es von neuem allen und jedem einzelnen an. Im Bewußtsein ihrer Pflicht, der Welt das Gesicht der Barmherzigkeit Gottes zu enthüllen, ruft die Kirche, Pilgerin auf Erden, im Namen aller angstgequälten Menschen zu Dir. In Dir, auferstandener Herr, hat der Vater den Menschen geliebt, hat er die 838 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganze Menschheit geliebt. Du, Christus unsere Hoffnung, bist wahrhaft auferstanden. Schenke uns, wir bitten Dich, siegreicher König, das volle und endgültige Leben. Öffne vor uns das Tor der Hoffnung, der Hoffnung, die nicht enttäuscht. Amen. Italiener, habt Mut! Grußwort an das italienischen Volk im Anschluß an die traditionellen Wünsche am Ostersonntag Gesegnete Ostern in der Freude und im Frieden des auferstandenen Christus. Ostern lädt uns zur Hoffnung ein, indem es uns versichert, daß Jesus, der Erlöser, mit uns geht. Italien besitzt trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten so viele Quellen, aus denen es Licht und Kraft schöpfen kann, um seiner kathoüschen Tradition folgend eine glückliche und sichere Zukunft zu bauen. Ich wünsche von Herzen, daß die heute drohenden Wolken bald verschwinden dank des einmütigen Bemühens der ganzen Bevölkerung, das getragen wird von den christlichen Grundsätzen und Werten, welche die beste Gewähr für wahre Menschlichkeit und gesellschaftlichen Fortschritt sind. Habt Mut! Herzliche Osterwünsche an alle Italiener! Sich auf das für Europa Typische konzentrieren Schreiben an die Versammlung des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen vom 14. April Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Der Friede des Herrn sei mit euch allen, und der Heilige Geist leite eure Arbeiten! An einen jeden richte ich meinen herzlichsten Gruß, und ich wünsche von Herzen, daß dieses Treffen dazu beitrage, die Bande der Einheit und Gemeinschaft unter den Bischöfen Europas zu festigen und dem Werk der Neuevangelisierung einen weiteren mutigen Impuls zu verleihen. Ein besonderes Gedenken gilt Kardinal Karl Maria Martini verbunden mit der ausdrücklichen Anerkennung seines wertvollen Dienstes als langjähriger Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen. Die Versammlung in diesen Tagen ist von besonderer Bedeutung gerade mit Blick auf die Ereignisse, die jüngst die geschichtliche Entwicklung der europäischen Nationen in sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht gekennzeichnet und in Mittel- und Osteuropa zu einer neuen politischen Lage geführt haben. Seit vielen Jahren vollzieht sich die Arbeit der europäischen Episkopate in einer Struktur der Verbundenheit (im Rat der Europäischen Bischofskonferenzen CCEE), die sie in pastoralen und ökumenischen Tätigkeiten so Zusammenarbeiten ließ, daß 839 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN es sich wohltuend auf das geistliche Wachstum der Teilkirchen, auf den Geist der Öffnung und des Verstehens den anderen christlichen Konfessionen gegenüber und auf die Einheit in den Bestrebungen und den Taten ausgewirkt hat. Der Aktionsradius des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen war aber aufgrund der Situation mehr auf die kirchlichen Gemeinschaften Westeuropas gerichtet, die aufgrund der Reise- und Meinungsfreiheit leicht miteinander in Verbindung stehen konnten. 2. Schaut man zurück, muß man erkennen, daß das Werk des CCEE eine providen-tielle Frucht des II. Vatikanischen Konzils war, ein besonderes Geschenk Gottes an unsere Zeit. Dafür sind wir dem Herrn zutiefst dankbar! Doch hatte ich nach den Ereignissen von 1989 die Bischofssynode zu einer Sonderversammlung für Europa einberufen, deren grundlegende Absicht es war, rechtzeitig den Sinn der sich abspielenden sozialen und politischen Umwälzungen zu erfassen, um in angemessener Weise ein reiferes Bewußtsein hinsichtlich der neuen Realitäten zu fördern und die geeignetsten Maßnahmen vorzusehen, die den sich abzeichnenden neuen und dringenden Anforderungen entsprächen. Aus diesem Grund bildet alles, was die Sondersynode für Europa 1991 erbrachte, heute für jeden Hirten, und vor allem für den Bischof von Rom, eine dringende und unumgängliche Aufforderung, unverzüglich nach den geeignetsten Mitteln - auch neuen - zu suchen, um wirksam den Herausforderungen der gegenwärtigen Stunde zu begegnen. Nach dem Zusammenbruch der geschichtlichen Trennwände, die Ost- und Westeuropa teilten, ergibt sich im übrigen nun die Notwendigkeit eines größeren „Austauschs der Gaben”, gleichsam eine natürliche Folge der Hirtenliebe. So soll das Handeln noch mehr aufeinander abgestimmt, die Kollegialität zwischen den Hirten noch wirksamer und die hierarchische Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri immer wertvoller werden. Im Grunde handelt es sich darum, den Geist der Synode für Europa in die Tat umzusetzen. Mit Sorgfalt und Mut sollen die Zeichen der Zeit geprüft und neuen Hinweisen, die sich bei der Versammlung der Synode ergaben, gewissenhaft nachgegangen werden. Neuen Anforderungen muß mit geeigneten Strukturen entsprochen werden. Darum ist also der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen aufgerufen, sich so zu erneuern, daß er auf die veränderten Pastoralforderungen unserer Zeit wirksam antworten kann. 3. Die erste Änderung vollzog sich mit der Berufung der Vorsitzenden der Europäischen Bischofskonferenzen zu Mitgliedern des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen. Sie müssen sich unmittelbar der Neuordnung dieses wichtigen Bindegliedes zwischen den verschiedenen Episkopaten des Kontinents widmen. Sodann muß nach sorgfältiger Überlegung zu weiteren Erneuerungen geschritten werden, die die Einrichtung als solche und ihre Statuten betreffen. Die neuen Mitglieder haben, in aufrichtiger Zusammenarbeit mit dem Präsidenten, den sie wählen, 840 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Auftrag, die Aufgaben und den Aufbau des CCEE immer klarer hervorzuheben, seine Natur und seine Praxis zu vertiefen. Das grundlegende Ziel bleibt die Neuevangelisierung Europas: eine allgemeine, aber nicht unbestimmte Zielsetzung. Europa hat ja die ihm eigene geschichtliche, zivile, soziale, religiöse und kulturelle Beschaffenheit, die eine spezifische Anpassung des pastoralen Wirkens erfordert. Die Neuevangehsierung muß daher „typisch” sein, das heißt, den Europäern angepaßt. Auch die Tätigkeit des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen wird sich auf das konzentrieren müssen, was typisch ist für Europa insgesamt, wenn er dem treu bleiben will, wozu die Zeichen der Zeit ihn antreiben. Verehrte Brüder, große Aufgaben erwarten die Kirchen in Europa an der SchweUe des neuen Jahrtausends. Es ist eine geschichtliche Stunde, die nicht versäumt werden darf. Es geht um die christliche Zukunft des Kontinents. Jeder möge sein Herz aufzutun wissen, um zu hören, was der Geist den Gemeinden sagt (vgl. Offb 2,7). Euch allen wünsche ich von Herzen eine erfolgreiche Arbeit, und in meinem Gebet vertraue ich euch dem Herrn an. Aus dem Vatikan, am 14. April 1993 Joannes Paulus PP. II Die starke Solidarität Europas mit anderen Kontinenten betonen Ansprache an den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) am 16. April Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Die Liturgie dieser Tage läßt uns über die Aufforderung des ersten Petrusbriefes nachdenken, „ein geistiges Haus” aufzubauen, um geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen (vgl. 1 Petr 2,5). Diese Worte helfen uns zu einem noch tieferen Verständnis von Wert und Tragweite des Wirkens der Kirche in dieser einzigartigen Stunde der europäischen Geschichte: Es geht um das Wirken für die Neuevangelisierung und um die tatkräftige Mitarbeit am Aufbau des „neuen Europa”, das für universale Solidarität offen ist. In diesem Zusammenhang kann man die derzeitige Tagung gewissermaßen als „historisch” bezeichnen, weil sie nicht nur dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) einen entschiedenen Impuls für sein schon seit vielen Jahren bewährtes Wirken gibt, sondern dazu beiträgt, ihn den „Zeichen” und „Aufgaben” der gegenwärtigen Stunde anzupassen, um ihn zu einem wirksamen Werkzeug der Neuevangehsierung im Hinblick auf das dritte Jahrtausend des Christentums zu machen. Wir müssen gemeinsam die geeignetsten Wege für die Evangelisierung Euro- 841 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN pas und die Förderung einer echten sozialen Erneuerung suchen, die sich auf den auferstandenen Christus gxündet, „den lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist” (1 Petr 2,4). Die Hirten scharen sich daher um Christus, setzen ihr Vertrauen auf ihn und gründen ihre apostolischen und missionarischen Pläne auf ihn und einzig auf ihn. Mit diesen Absichten sind wir zur Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa im Herbst 1991 zusammengekommen und haben, „in Christi Namen vereint (vgl. Mt 18,20), darum gebetet, daß wir hören können, was der Geist heute den Kirchen Europas sagt (vgl. Offb 2,1.11 Al), und daß die Kirchen es verstehen, die Wege für die Neuevangelisierung unseres Kontinents zu erkennen” (,Schlußerklärung, Vorwort). 2. Aus dieser wichtigen Synodenversammlung haben sich Weisungen und Vorschläge ergeben, die der CCEE in seiner neuen Zusammensetzung nun vertiefen und durchführen muß. Man hat bereits damit begonnen, alles das bei der Tagung im Vatikan zu Beginn des vergangenen Dezembers zu studieren. Die jetzige Begegnung kann als deren Echo und Verlängerung betrachtet werden. Die Vorsitzenden der europäischen Bischofskonferenzen wurden nun zur Mitgliedschaft in den erneuerten CCEE berufen, und sie haben in der Person von Miloslav Vlk, Erzbischof von Prag, in einem osteuropäischen Land ihren neuen Vorsitzenden gewählt. Wie sollten wir dieses höchst bezeichnende Ereignis nicht hervorheben, das man sich bis vor wenigen Jahren nur schwer hätte vorstellen können? Und wie sollten wir nicht erneut Gott danken, weil er dies möglich gemacht und so die Beziehungen zwischen den Kirchen von West-und Osteuropa neu gefestigt hat? Während ich einen jeden von euch, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, herzlich begrüße, spreche ich Erzbischof Miloslav Vlk sowie den beiden Vizepräsidenten, Karl Lehmann, Bischof von Mainz, und Istvän Seregely, Bischof von Eger, aus ganzem Herzen meine Wertschätzung und meine Hochachtung aus, und ich beglückwünsche sie zu dem Vertrauensbeweis, der ihnen von den Hirten, die hier den ganzen europäischen Kontinent vertreten, zuteil wurde. Voll Freude erfülle ich ferner die Pflicht, in dieser Stunde ein Wort des Dankes an alle zu richten, die in den voraufgegangenen Jahren mit ihrer Erfahrung den CCEE geführt haben: Kardinal Roger Etchega-ray, Präsident der Organisation seit ihrer Gründung bis 1979, Kardinal Basile Hume, der sie von 1980 bis 1987 geleitet hat, und Kardinal Carlo Maria Martini, ihren aktiven und geschätzten Verantwortlichen von 1987 bis heute. 3. Die Geschichte des CCEE beginnt in den Jahren unmittelbar nach dem Konzil als Antwort auf das von vielen empfundene Bedürfnis, geeignete Formen der Zusammenarbeit zwischen den Kirchen Europas zu finden. Nach den ersten Symposien - 1967 in Noordwijkerhout (Niederlande) und 1969 in Chur (Schweiz) -, die den Bischöfen des ganzen europäischen Kontinents offenstanden, wurde in Rom bei der Begegnung vom 23. bis 24. März 1971 das „Consilium Conferentiarum Episcopali- 842 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN um Europae” gegründet, dessen Statuten am 10. Januar 1977 von der Kongregation für die Bischöfe approbiert wurden. Es folgten weitere Symposien, alle in Rom, während dank der regelmäßigen Kontakte der Vertreter der verschiedenen Bischofskonferenzen, vor allem von Westeuropa, die miteinander leicht in Verbindung treten und sich treffen konnten, der Austausch von Informationen, Erfahrungen und Meinungen über die wichtigsten pastoralen Probleme jeder einzelnen Nation immer intensiver wurde und sich damit der Geist wirklicher Zusammenarbeit und brüderlicher Gemeinschaft auf europäischer Ebene festigte. Verschwiegen sei auch nicht der Beitrag für den ökumenischen Dialog mit den verschiedenen christlichen Konfessionen durch eine entsprechende gemischte Arbeitsgruppe, die 1971 zwischen dem CCEE und der Konferenz der Kirchen Europas (KEK) geschaffen wurde. Besondere Aufmerksamkeit galt auch den Problemen der anderen Religionen. Die Früchte dieses geduldigen Hörens und brüderlichen Suchens sind tröstlich: Es reifte nämlich ein Klima gegenseitiger Achtung heran, und es erweiterte sich die Zusammenarbeit unter den Christen des ganzen Kontinents, denen es allen ein Anliegen war, den Menschen unserer Zeit die Heilsbotschaft des Evangeliums zu verkündigen. 4. Untersucht man näher die Themen, die bei den verschiedenen Vollversammlungen des CCEE behandelt wurden, stellt man mit der Zeit eine gewisse Entwicklung fest: In den ersten Jahren lag der Akzent auf den typisch nachkonziliaren Themen; dann wandte sich das Interesse den mehr spezifisch europäischen Problemen zu. Angesichts des tiefreichenden und komplexen Wandels der Gesellschaft in Kultur, Politik, Ethik und Geistigkeit reifte immer mehr das Bewußtsein für eine neue Evangelisierung. Nach den Ereignissen von 1989, die seit langen Jahren herrschende Ideologien zusammenbrechen und historische Grenzen zwischen den Völkern Europas fallen ließen, stellte die Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa im Jahre 1991 in diesem Zusammenhang einen wichtigen und providentiellen Abschnitt dar. In der Schlußerklärung heißt es: „Europa kann heute nicht schlechthin auf sein vorgegebenes christliches Erbe hinweisen: Es geht nämlich dämm, zu der Fähigkeit zu gelangen, erneut über die Zukunft Europas zu entscheiden in der Begegnung mit der Person und der Botschaft Jesu Christi” (Nr. 1). Europa ist daher zu einer notwendigen und mutigen „Selbstevangelisierung” aufgerufen, einer Aufgabe, der sich die Kirche im Rahmen der gewandelten sozialen und politischen Verhältnisse widmen möchte, die gewiß eine fruchtbarere Begegnung und einen „Austausch der Gaben” zwischen den kirchlichen Gemeinschaften von Ost und West fördern werden. Von Herzen wünsche ich und bete dämm, daß der Herr die bis heute von eurem Organ eingeleiteten Bemühungen segne und eurem besonders wichtigen Wirken für die Zukunft des Kontinents immer weiter reichenden Schwung schenkt. 843 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Der CCEE befindet sich tatsächlich bei der neuen Evangelisierung Europas vor schwierigen Aufgaben: Er muß eine immer intensivere Gemeinschaft zwischen den Diözesen und den nationalen Bischofskonferenzen aufbauen, ferner die ökumenische Zusammenarbeit unter den Christen und die Überwindung der Hindernisse fördern, die die Zukunft des Friedens und des Fortschritts der Völker bedrohen, endlich auch die affektive und effektive Kollegialität und die hierarchische Communio verstärken. Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, gestattet mir, hier einige Gedanken vorzutragen, die, wie ich hoffe, für eine bessere Durchführung eurer Arbeiten in diesem Abschnitt der Erneuerung und Programmierung nützlich sind. Im Licht der positiven Erfahrungen der vergangenen Jahre wird sich der CCEE als kontinentales Organ mit den Problemen beschäftigen müssen, die mit der Lage und den Aufgaben der Kirche in Europa verbunden sind. Wenn es wahr ist, daß jede nationale Konferenz sich aufgrund der notwendigen Subsidiarität in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich ebenso wie der Hirt einer Diözese dem ihrer Sorge anvertrauten Teil des Volkes Gottes widmet, so ist doch leicht zu erkennen, daß sie den eigenen Horizont nicht auf die Grenzen ihrer Nation beschränken darf, da ja die Wirklichkeit immer einen besonders europäischen Zuschnitt hat. Die Aufgabe des CCEE besteht also in der Untersuchung der Probleme von diesem Gesichtspunkt aus und in der Bewertung der übernationalen Auswirkungen, damit so den Episkopaten einer jeden Region und den Hirten der Ortskirchen eine wertvolle Hilfe geboten wird. 6. Unerläßlich ist es, die Menschen in Europa und das, was sich auf sie bezieht, zu kennen, wenn wir die Heilssendung des Volkes Gottes auf dem Kontinent erfüllen wollen. Doch eine solche vertiefte Kenntnis ist ebenso wichtig, wenn der CCEE vor der öffentlichen Meinung und ihren verschiedenen Trägem maßgeblich als Zeuge und Sprecher einer deutlichen Präsenz der Kirche auftreten will. Die Gemeinschaft der Glaubenden kann damit ihre eigene Stimme auch in den bürgerlichen Bereichen zu Gehör bringen als Stimme einer einmütigen Gemeinschaft, die ganz darauf bedacht ist, das Evangelium der Hoffnung und der Liebe zu verkünden. Von diesem Gesichtspunkt aus erweist sich der Dialog mit den anderen in der KEK vereinten christlichen Konfessionen als besonders angebracht. Die Zusammenarbeit muß freilich vor allem im Hinblick auf die fortschreitende Wiederherstellung der vollen Einheit unter den Christen auf dem „alten” Kontinent erfolgen, wo anfänglich die Spaltungen aufgetreten sind und zu leidvollen Gegensätzen geführt haben. Über die Subsidiarität hinaus muß sich der CCEE damit bei seinem Wirken auch von der Solidarität in ihren vielfältigen Aspekten leiten lassen: Solidarität unter den katholischen Episkopaten, Solidarität im Suchen nach der Einheit aller Christen, Solidarität endlich mit Europa, dem Kontinent, wo verschiedene Völker den Weg des politisch-sozialen und wirtschaftlichen Ausgleichs beschritten haben. Durch den CCEE wird die Kirche versuchen müssen, der kontinentalen Gemeinschaft ein „Mehr an Seele” einzuflößen, um in ihr das neu lebendig zu machen, was man „die Seele Europas” nennen könnte. 844 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Wie sollen wir uns hier, ehrwürdige und liebe Brüder im Bischofsamt, nicht klar machen, daß all dies eng mit der historischen Wende zum neuen Jahrtausend hin verbunden ist? Eine Sendung zur Evangelisierung von sehr weiten Ausmaßen drängt uns. Es gilt, die christlichen Wurzeln der verschiedenen Nationen und des ganzen Kontinents neu zu entdecken und zu festigen; es gilt, den christlichen Sauerteig wirken zu lassen, der die vielfältigen Ausdrucksformen seines kulturellen Erbes durchdrungen hat und die Präsenz der Triebkraft des Evangeliums im Heute und Morgen Europas zu fördern, zumal angesichts der unverhüllten Versuche, den Glauben und die Heilswahrheit von jeder Ausdrucksform des öffentlichen Lebens auszuschließen. Könnte man nicht gerade in bezug auf diese dringende Evangelisierung an ein europäisches „Programm” denken im Hinblick auf das kommende Jubiläum des Glaubens im Jahre 2000? 8. Die Solidarität, die das Verhältnis zwischen den verschiedenen Gruppen der kirchlichen und staatlichen Gemeinschaft bestimmen soll, wird den CCEE gewiß zu einer Erweiterung der Horizonte und zur Aufnahme von Kontakten und Absprachen auch mit den Kirchen und Völkern außerhalb Europas anspomen. Es geht hier nicht nur um ein organisatorisches Problem und um ständige Beziehungen, die mit analogen Organen auf anderen Kontinenten anzuknüpfen sind. Das Ziel ist weit höher, und die Aufgabe, die euch erwartet, ist viel wichtiger. Es geht darum, die starke Solidarität hervorzuheben, die zwischen Europa und den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas besteht. Der europäische Kontinent und die auf ihm wirkenden Kirchen besitzen hier Verdienste, haben aber auch Pflichten zu erfüllen. In diesem Bewußtsein zu wachsen und in der solidarischen Überzeugung zu reifen, daß die einen für die anderen verantwortlich sind, vor allem für die Ärmsten und weniger vom Glück Begünstigten, wird euer ständiges Anliegen sein, wenn ihr dem Evangelium der Liebe und des Friedens entsprechen wollt, das der Auferstandene in dieser Osterzeit der ganzen Menschheit machtvoll verkündet. 9. Wir wenden uns daher an Christus, den Sieger über Tod und Sünde, um unsere Bereitschaft zu bekräftigen, mit dem Einsatz unserer eigenen Person jenes „geistige Haus” aufzubauen, in welchem seine Gerechtigkeit und seine Liebe herrschen. Gewiß sind wir uns sehr wohl unserer Grenzen bewußt, doch ebenso mächtig ist unsere Gewißheit über seine Präsenz und sein ständiges Heilswirken. Die Sendung der Gläubigen, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, ist immer und überall auf die Zukunft gerichtet: auf die eschatologische Zukunft, die uns im Glauben sicher ist, aber auch auf die geschichtliche Zukunft, die für uns menschlicherweise unsicher sein kann. Denken wir an die ersten Glaubensboten des europäischen Kontinents, an die heiligen Petras und Paulus; an den heiligen Benedikt, den Vater des abendländischen Mönchtums, der für die Formung des christlichen Europa so große Bedeutung gehabt hat; denken wir ebenso an alle, die die Wege des Evangeliums zu den jungen Völkern hin geebnet haben, wie Augustinus, Bonifatius oder die heiligen Brüder Kyrill und Method aus Thessalonich. Auch sie waren sich 845 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des menschlichen Gelingens ihrer Sendung nicht sicher und nicht einmal ihres eigenen Schicksals. Aber mächtiger als alle Unsicherheit war ihr Glaube, und fest war ihre Hoffnung; mächtiger war die Liebe Christi, die sie drängte (vgl. 2 Kor 5,14). In ihrem apostolischen Wägemut wurde der handelnde und heiligmachende Geist sichtbar. Wie sie sind auch wir aufgefordert, in der Zeit, in der wir leben, gelehrige und wirksame Werkzeuge für das Handeln des Geistes zu sein. Darum bitten wir Maria, den Stern der Evangelisierung, und wir vertrauen ihr die Entwicklung des neuen CCEE im Dienst des europäischen Kontinents und seiner christlichen Zukunft an. Mit diesen Gefühlen danke ich euch für die Arbeit dieser Tage und spreche erneut einem jeden herzliche und brüderliche Osterwünsche aus. Hinzu füge ich einen besonderen Apostolischen Segen für euch und die eurer pastoralen Sorge anvertrauten kirchlichen Gemeinschaften. Gemeinsames Erbe von Katholiken und Lutheranern pflegen Grußwort an den lutherischen Bischof Bengt Wadensjö beim Rombesuch mit Vertretern der Diözese Karlstad am 17. April Liebe Freunde in Christus! Es ist mir eine Freude, Sie, Bischof Wadensjö und Mitglieder der Diözese Karlstadt, anläßlich eures Rombesuches willkommen zu heißen. In der Osteroktav, in der die Kirche voll Staunen ihren Blick auf den Herrn richtet, der „wegen unserer Verfehlungen hingegeben, wegen unserer Gerechtmachung auferweckt wurde” (Rom, 4,25), begrüße ich Sie herzlich mit den Worten des Apostels Paulus: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Väter, und dem Herrn Jesus Christus” (1 Kor 1,3). Mit großer Freude erinnere ich mich an den ökumenischen Gottesdienst zur 600-Jahr-Feier der Heiligsprechung der,. hl. Brigitta von Schweden am 5. Oktober 1991 im Petersdom. Die Feier wies eindrucksvoll auf ein reiches, gemeinsames Erbe hin', das wir weiterhin pflegen müssen. Nach Aussage der Schrift war die erste. Gemeinde derer, die dem Zeugnis der Auferstehung Jesu von den Toten glaubten, „ein Herz und eine Seele” (Apg 4,32). Wenn auch im Laufe der Jahrhunderte die volle Gemeinschaft zwischen denen, die „aus Wasser und Geist geboren sind” (Joh 3,5), bedauerlicherweise zerbrach, so möchte ich Ihnen doch erneut versichern, daß die katholische Kirche unwiderruflich der Aufgabe verpflichtet, bleibt, diese volle, sichtbare Einheit wiederherzustellen. In der Kraft des auferstandenen Christus, die in uns am Werk ist (vgl. Eph 3,20), lassen Sie uns diesen ökumenischen Weg zusammen fortsetzen. In beständigem Gebet, in ernstem und aufrichtigem Dialog und in gemeinsamer Verteidigung der echten, im Evangelium verwurzelten religiösen und ethischen Werte, 846 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lassen Sie uns das Vertrauen bewahren, daß Gott das gute Werk, das er schon in uns begonnen hat, zur Vollendung bringen wird (vgl. Phil 1,6). Möge er, „der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat”, (Rom 8,11), Sie alle mit überreichem Segen des Friedens und der Freude beschenken. Die göttliche Barmherzigkeit als Antwort auf die Ängste der Zeit Predigt bei der Feier der Seligsprechungen am Weißen Sonntag, 18. April 1. „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig” (Ps 118,1) Wie ein Lichtstrahl durchzieht der Dankpsalm die ganze Osteroktav. Er ist das Danke, das die Kirche im Chor anbetend für das Geschenk der „Auferstehung Christi darbringt: für das Geschenk des neuen und ewigen Lebens, das der Auferstandene geoffenbart hat. Die Kirche betet einmütig an und dankt für die unermeßliche Liebe, die sich in Ihm jedem Menschen und dem ganzen Universum mitgeteilt hat. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns ... neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben” (1 Petr 1,3). Er hat uns neu geboren „in seinem großen Erbarmen” (ebd.). Er, der Gott und Vater des gekreuzigten und auferstandenen Christus: dives in misericordia (reich an Erbarmen). Die Kirche lebt seit ihren Anfängen in diesem inneren Bewußtsein. Im Geist der österlichen Danksagung versammelten sich die ersten Jünger und Gläubigen, brachen daheim das Brot (vgl. Apg 2,26) und feierten damit die Eucharistie. Im gleichen Geist nahm die Gemeinschaft um die Apostel die Katechumenen auf und begleitete sie, während die Zahl derer zunahm, die Gott lobpriesen, ihn als „reich an Barmherzigkeit” bekannten (Eph 2,4) und ihm für die in Christus geoffenbarte Liebe dankten. 2. Heute dankt die gleiche Kirche, die „zu einer lebendigen Hoffnung” wiedergeboren wurde, erneut für „das unzerstörbare Erbe ..., das im Himmel aufbewahrt ist” (1 Petr 1,3-4). Das christliche Volk gibt an der Schwelle des Jahres 2000 seiner österlichen Freude Ausdruck, weil einige ihrer Söhne und Töchter in besonderer Weise dieses Erbe bekräftigen, das Gott für uns im Himmel aufbewahrt hat. Hier ihre Namen: Ludovico da Casoria, Paula Montal Fomes de San Jose Calasanz, Sta-nislaz Kazmierczyk, Angela Truszkowska, Faustina Kowalska. 3. Ich grüße dich, seliger Ludovico da Casoria als einzigartige Gestalt eines Minderbruders und glühenden Zeugen für die Liebe Christi. Es ergreifen uns die Worte deines Testamentes: „Der Herr hat mich mit einer überaus zarten Liebe zu sich gerufen, mich mit unaussprechlicher Liebe geleitet und auf dem Weg meines Lebens geführt.” Die Kraft dieser Liebe hat dich, den bedeutenden Wissenschaftler und Lehrer, gedrängt, dich den Ärmsten zu widmen: den kranken 847 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Priestern, den eingewanderten Afrikanern, den Stummen, Blinden, Alten und kleinen Waisenkindern. Seliger Ludovico, großer Sohn der Kirche von Neapel, du hast dir das Charisma des Franziskus von Assisi zu eigen gemacht und es in der Gesellschaft deiner Zeit im Süden Italiens im vergangenen Jahrhundert gelebt. Du hast für die schwersten Formen der Armut aktive Verantwortung übernommen und dich in christlichem Mitleid in das konkrete Leben deiner Mitmenschen mit ihren täglichen großen Sorgen eingefügt. Die Reichweite deines Apostolates scheint uns fast unglaublich, und wir fragen dich spontan: Wie gelang es dir, dich zum Nächsten für so viel Elend zu machen, mit soviel Phantasie für die Förderung des Menschen? Und wiederum antworten uns deine eigenen Worte: „Die Liebe Christi hatte mein Herz getroffen” (Testament). Wir bitten dich, lehre auch uns, für die anderen zu leben und Erbauer echt kirchlicher Gemeinschaften zu sein, in denen die Liebe in Freude und tatkräftiger Hoffnung aufblüht. „Arme habt ihr immer bei euch” (Mr26,ll), hat uns Jesus gesagt. Hilf uns, seliger Ludovico, sie zu entdecken, sie zu heben und ihnen mit jenem Eifer zu dienen, der in dir Wunder vollbracht hat. In Spanisch fuhr der Papst fort: 4. Die neue Selige, Paula Montal de San Jose de Caläsanz, war ihr ganzes Leben hindurch eine selbstlose Apostelgestalt in der kulturellen, menschlichen und christlichen Förderung der Frau. Sie überheß sich gänzlich dem Willen Gottes und eröff-nete - wie uns die Geschichte berichtet - „mit nur 40 Geldstücken in ihrer Börse” die erste Schule für Mädchen, um diese vor allem die Liebe zu Gott und die Würde der Frau als künftige Familienmutter zu lehren. „Ich möchte die Familien retten”, wiederholte sie immer wieder mit Nachdruck. Mit diesem Ziel gründete sie die Kongregation der Töchter Mariens, Schulschwestem der „Escuelas Pias”'. Sie lebte ganz die Spiritualität des hl. Calasanz und übernahm als viertes Gelübde den ausschließlichen Einsatz für das Bildungswesen. Das Charisma der sehgen Paula Montal lebt in euch weiter, hebe Schulschwestem, und ihre heutige Erhebung zur Ehre der Altäre bildet eine drängende Aufforderung des Herrn an euch, als gottgeweihte Menschen euren fmchtbaren kirchlichen Dienst in Treue zu ihrem Charisma zu erneuern, um die Würde der Frau und die der Familie zu fördern. Gebe Gott, daß durch ihre Fürbitte und ihr Beispiel das erzieherische Wirken der Kirche für Kinder und Jugendhche einen entscheidenden Impuls erhält, und den christlichen Wurzeln der edlen spanischen Nation, neue Lebenskraft gibt, die heute durch eine ansehnliche Gruppe von Bischöfen, verantwortlichen Persönlichkeiten, Priestern, Ordensleuten, zumal aus den Reihen der Pianisten und Schulschwestem, und zahlreichen Laien vertreten ist, die ich alle besonders herzlich begrüße. 848 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Papst fuhr in Polnisch fort: 5. Ich grüße dich, Mutter Maria Angela Truszkowska, als Mutter der großen Familie der Felizianerinnen. Du warst Zeugin der schwierigen historischen Verhältnisse unserer Nation und der Kirche, die hier ihre Sendung erfüllte. Dein Name und deine Berufung sind mit der Gestalt des seligen Honorat Kozminski, des großen Apostels der geheimen Gemeinschaften verbunden, die das Leben der hart mitgenommenen Gesellschaft erneuerten und die Hoffnung auf die Auferstehung neu erweckten. Heute mache ich eine geistige Wallfahrt zu deinen Reliquien in meinem geliebten Krakau, wo sich die Familie der Felizianer entfaltet hat, und von wo aus sie sogar über den Ozean gelangte, um den neuen Generationen der Auswanderer und Amerikaner zu dienen. In Englisch führte der Papst aus: Christus führte Mutter Angela auf einem wahrhaft ungewöhnlichen Weg und ließ sie innerlich am Geheimnis seines Kreuzes Anteil gewinnen. Er formte ihren Geist durch zahlreiche Leiden, die sie gläubig und mit heroischer Unterordnung unter seinen Willen auf sich nahm: in Abgeschiedenheit und Einsamkeit, in einer langen und schweren Krankheit und in der dunklen Nacht der Seele. Ihr größtes Verlangen war, ein „Schlachtopfer der Liebe” zu werden. Sie verstand Liebe immer als freie Hingabe ihrer selbst. „Lieben meint geben. Alles geben, was die Liebe verlangt. Es unmittelbar geben und ohne Bedauern, ja mit Freude, und in dem Wunsch, es möchte doch noch mehr von uns gefordert werden.” Dies sind ihre eigenen Worte, in denen sie ihr ganzes Lebensprogramm zusammenfaßte. Sie vermochte es auch, die gleiche Liebe in den Herzen der Schwestern ihrer Kongregation zu entzünden. Diese Liebe bildet den immer lebendigen Sauerteig in den Werken, durch welche die Gemeinschaften der Felizianerinnen der Kirche in Polen und über dessen Grenzen hinaus dient. Der Papst fuhr wieder in Polnisch fort: „Danket dem Herrn, denn er ist gütig!” Die Kirche freut sich heute und dankt Gott für das Geschenk der Erhebung zur Ehre der Altäre der Dienerin Gottes, Mutter Maria Angela, und für die ganze Kongregation der Felizianerinnen, die von ihrem Charisma ihren Urspmng herieitet. 6. Ich grüße dich, Schwester Faustina. Von heute an nennt die Kirche dich eine Selige, vor allem die Kirche in Polen und Litauen. Faustina, wie wunderbar war dein Lebensweg! Wie sollten wir nicht bedenken, daß Christus gerade dich, eine arme und einfache Tochter des polnischen Volkes von Mazowsze, erwählt hat, um die Menschen auf das große Geheimnis der göttlichen Barmherzigkeit hinzuweisen. Dieses Geheimnis hast du in dir getragen, als-du nach einem kurzen Leben voll Leid diese Erde verlassen hast. Gleichzeitig aber wurde dieses Geheimnis zu einem wahrhaft prophetischen Aufruf an die Welt und Europa. Deine Botschaft von der 849 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN göttlichen Barmherzigkeit entstand gleichsam am Vorabend des furchtbaren Schrek-kens des Zweiten Weltkriegs. Wahrscheinlich hättest du dich nicht gewundert, wenn du auf Erden das hättest erleben können, was diese Botschaft den geplagten Menschen jener Zeit der Verachtung bedeutet und wie sie sich in der ganzen. Welt ausgebreitet hat. Heute erlebst du an der Quelle selber, nämlich bei deinem Christus, was „dives in misericordia” bedeutet. Dann folgte ein Abschnitt in Italienisch: „Ich spüre deutlich, daß meine Sendung im Tode nicht endet, sondern erst beginnt ...”, schrieb Schwester Faustina in ihr Tagebuch. Und so geschah es wirklich! Ihre Sendung geht weiter und trägt überraschende Früchte: Es ist wirklich wunderbar, wie sich ihre Andacht zum Barmherzigen Jesus in der Welt von heute Bahn bricht und so viele Menschenherzen gewinnt! Dies ist zweifellos ein Zeichen der Zeit - ein Zeichen für unser 20. Jahrhundert. Zur Bilanz dieses zu Ende gehenden Jahrhunderts gehören ja neben den Errungenschaften, die oft jene der voraufgegangenen Zeiten übertroffen haben, auch tiefe Unruhe und Angst um die Zukunft. Wo kann die Welt daher einen Ausweg und das Licht der Hoffnung finden, wenn nicht in der göttlichen Barmherzigkeit? Die Glaubenden verstehen das vollkommen! Der Papst fuhr wieder auf Polnisch fort: „Danket dem Herrn, denn er ist gütig ... Danket dem Herrn, denn er ist barmherzig!” Heute, am Tag der Seligsprechung von Schwester Faustina, beten wir Gott an wegen der Großtaten, die er an ihrer Seele vollbracht hat. Wir rühmen ihn und sagen ihm Dank auch für die Großtaten, die er in menschlichen Herzen vollbracht hat und weiter vollbringt, die - dank ihres Zeugnisses und ihrer Botschaft - die unermeßliche Tiefe der göttlichen Barmherzigkeit entdecken. 7. Endlich grüße ich dich, Stanislaw Kazimierczyk, Priester bei den Regular-Kanonikern vom Lateran. Dein Leben war eng mit Krakau verbunden, mit seiner berühmten Akademie und dem Konvent bei der Kirche Corpus Christi in Kazimiersz, wo deine Berufung heranreifte und sich entwickelte. Der Diener Gottes Stanislaw lebte im 15. Jahrhundert, also in fernen Zeiten. In der Geschichte Krakaus war es ein einzigartiges Jahrhundert - das Jahrhundert der Heiligen - eine Zeit besonderer Blüte des geistlichen und religiösen Lebens. Gerade in diesem Jahrhundert hat Krakau bedeutende Gestalten hervorgebracht wie den hl. Johannes von Kety, sowie die Sehgen Simon von Lipnica, Michael Giedroyc, Isaia Bonner und Swietoslaw von Slawkow. Es war ein gesegnetes Jahrhundert. Heilige und Selige formten sein geistiges Bild, unter ihnen auch Stanislaw von Ka-simierz: Ein glühender Anbeter der Eucharistie, ein Lelu'er und Verteidiger der Wahrheit des Evangeliums, ein Erzieher und Führer auf den Wegen des geistlichen Lebens und ein Beschützer der Armen. 850 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Andenken an die Heiligkeit des Dieners Gottes lebt heute noch und bringt Frucht. Das Volk von Krakau und zumal die Leute von Kazimierz hielten bis heute ständig dieses Andenken wach, indem sie vor seinen Reliquien gebetet haben. Als Erzbischof von Krakau habe ich bei diesen Gebeten mehr als einmal den Vorsitz geführt. Heute bestätigt die heilige Kirche feierlich seine Verehrung, indem sie ihn zur Ehre der Altäre erhebt. „Danket dem Herrn ... Danket dem Herrn, denn er ist gütig!” Mutter Maria Angela Truszkowska, Schwester Faustina Kowalska, Stanislaw Ka-simierczyk, drei neue polnische Selige und neue Fürsprecher für uns. Wie sehr aber haben wir heute diese Fürbitte der Heiligen und Seligen nötig! So haben wir also ein besonderes Geschenk der göttlichen Vorsehung für die Kirche in Polen bekommen, ein Geschenk für unser Vaterland. Freue dich also, Polnische Kirche! „Gaude Mater Polonia” (Freue dich, Mutter Polen). Der Papst schloß in Italienisch: 8. Danken wir dem Herrn, denn er ist gut. Danken wir ihm, denn er ist barmherzig. Schauen wir auf die Apostel im Abendmahlssaal: Sie waren die Ersten, die dieses österliche Danklied angestimmt haben. Als erste haben sie den Heiligen Geist zur Vergebung der Sünden empfangen, den gleichen Geist, in dem sie auch gesandt wurden: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” {Joh 20,21). Diese Sendung aber geht die Jahrhunderte hindurch weiter von Geschlecht zu Geschlecht. Es geht auch die Gnade weiter, die fähig ist, „alles neu zu machen” (vgl. Ojfb 21,5). Schauen wir auf Thomas, den einzigartigen Vertreter derer, die sagen: „Wenn ich nicht sehe ... glaube ich nicht” {Joh 20,25). Acht Tage später aber wurde er zum Wortführer derer, die bekennen: „Mein Herr und mein Gott” {Joh 20,28). Möge die Wahrheit über den gekreuzigten und auferstandenen Christus Zugang finden bei den immer neuen Generationen derer, die „nicht sehen und doch glauben” {Joh 20,29). „Dives in misericordia.” Wie notwendig ist für die Menschen aller Zeiten die Begegnung mit Dir, Christus! Die Begegnung durch den Glauben, der sich im Feuer des Verzichts bewährt und in der Freude Frucht bringt. In der österlichen Freude. Der Glaube bringt Frucht in „unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude” {1 Petr 1,8). Die Seligen offenbaren die Liebe Gottes Ansprache an die Pilger der Seligsprechungen am Vortag vom 19. April 1. Ich heiße euch alle willkommen, hebe Brüder und Schwestern, die ihr zu Ehren der neuen Sehgen nach Rom gekommen seid. Unser heutiges Treffen ist die freudige Fortsetzung des feierlichen Meßopfers, das gestern auf diesem Platz zelebriert 851 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wurde. Gemeinsam mit euch preise ich den Herrn für ein solch außergewöhnliches geistliches Erlebnis, und ich wünsche jedem, ein treuer Zeuge des Evangeliums zu sein, dem leuchtenden Beispiel dieser seliggesprochenen Diener Gottes folgend. Besonders grüße ich die Pilger aus Neapel und Casoria, die sich über die Seligsprechung von Pater Ludwig von Casoria freuen. Meine Lieben, dieser würdige Sohn eurer Heimat spornt durch sein Beispiel all jene an, die in unserer heutigen, von scharfen Gegensätzen gekennzeichneten Zeit sich für den „schmalen Weg” der Liebe nach dem Evangelium entscheiden (vgl. Mt 7,14). Indem ich von diesem Apostel der Nächstenliebe spreche, denke ich mit tiefer Dankbarkeit an die von ihm gegründeten Ordensgemeinschaften: die „Grauen Brüder” und die Elisabethinnen oder „Grauen Schwestern”, und ich danke all seinen geistigen Söhnen und Töchtern für ihr beständiges Apostolat und für den Dienst der Nächstenhebe, den sie den Schwachen und Armen stets erweisen. Meine Lieben, möge euch das freudvolle Erlebnis dieser Tage Trost spenden und euch helfen, in hochherziger Treue zu Christus die Sorge für die Geringsten und Leidtragenden zu intensivieren und so beim Aufbau einer „Kultur der Liebe” in der Welt mitzuhelfen. Und euch alle hier anwesenden Brüder und Schwestern rufe ich auf, eurer jeweiligen Berufung gemäß die Lehren und die Beispiele des sei. Ludwig von Casoria in eurem Leben zu bewahren, zu vertiefen und zu entfalten. 2. Nun möchte ich einen Gruß an die Schwestern der Ordensgemeinschaft Unserer Lieben Frau von der Göttlichen Barmherzigkeit und an die zahlreichen Verehrer der Göttlichen Barmherzigkeit richten, die aus allen Teilen Italiens zur Seligsprechung von Schwester Faustina Kowalska nach Rom gekommen sind. Gestern war für euch alle ein großer Tag. Liebe Brüder und Schwestern, seid in Wort und Tat Apostel der barmherzigen Liebe Gottes, die sich im höchsten Grad in Jesus Christus offenbart hat. Es handelt sich hier um ein Geheimnis, das in gewissem Sinn für alle Menschen die Quelle eines Lebens ist, verschieden von dem, welches der Mensch aus eigener Kraft aufbauen könnte (vgl. Dives in misericordia, Nr. 14). Möge dieses Geheimnis jedem von euch Erleuchtung und Kraft geben, das Erbarmen Gottes im praktischen Leben zu verwirklichen. In diesem Geheimnis lehrt uns Christus, immer zu verzeihen und uns gegenseitig so zu heben, wie er uns geliebt hat. Möge euch „Gott, der voll Erbarmen ist” (vgl. Eph 2,4), seinen Segen geben und eure apostolische Arbeit fruchtbar machen. In spanischer Sprache fuhr der Papst fort: 3. Bei diesem freudigen Anlaß möchte ich auch meine geliebten Brüder im Bischofsamt und die große Gruppe der Pilger aus dem spanischen Sprachraum begrüßen, die zur Seligsprechung von Schwester Paula Montal Fomes de San Jose de Calasanz nach Rom gekommen sind. Mein besonderer Gruß geht an die Ordens- 852 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN familie der neuen Seligen wie auch an die Töchter Marias, Ordensfrauen der von ihr gegründeten Escuelas Pias. Paula Montal lebte mit großer Einfachheit den Glauben, den ihr ihre tief christlichen Eltern vermittelt hatten. In ihrer Pfarrei von Arenys de Mar bei Barcelona half sie beim Religionsunterricht für Kinder und Jugendliche. Es war diese erste Erfahrung, die ihr die Notwendigkeit bewußt machte, sich ausschließlich mit der ganzheitlichen Erziehung der Jugend, vor allem zur Förderung der Würde der Frau, zu befassen. Ihr gesamtes der Bildung gewidmetes Werk war erleuchtet von ihrem Leben in tiefer Gottverbundenheit, durch das kontemplative Gebet und auch durch ihre Liebe zu den Mädchen, die sie auf ihre zukünftige Aufgabe als Ehefrauen und Familienmütter vorbereitete. Dies, hebe Piaristinnen, sollte euch ein Beispiel sein für eure Tätigkeit als Lehrerinnen und Ausbilderinnen der jungen Menschen von heute. So teilt ihr mit den Familien die so notwendige Aufgabe der christlichen und menschlichen Erziehung ihrer Kinder. Schwester Paulas Ziel war eine wahrhaft christliche Familie, denn durch sie würde Christus in der Gesellschaft herrschen können. Deshalb hat ihr Werk auch in der Gegenwart noch volle Gültigkeit. Ich fordere euch, die ehemaligen wie die heutigen Schülerinnen der verschiedenen Internate, auf, konsequent zu handeln, in eurem Leben für die Erziehung, die ihr erhalten habt, ein Beispiel zu sein, und am Aufbau einer auf der „Kultur der Liebe” gegründeten Gesellschaft mitzuarbeiten, vor allem - dem Beispiel Schwester Paula Montais folgend - durch euren großherzigen Einsatz für die Notleidenden. Zum Abschluß möchte ich noch herzlichst die Pilger grüßen, die zu Ehren der anderen Seligen hier sind; insbesondere diejenigen, die sich die Botschaft von der Liebe des göttlichen Erbarmens zu eigen gemacht haben, die uns Schwester Faustina Ko-walska, die neue Selige, vermittelt. Mit besonderer Zuneigung erteile ich allen meinen Segen. In polnischer Sprache führ der Papst fort: 4. Meine heben Landsleute, wir treffen uns in großer Zahl wieder am Tag nach den Seügsprechungen. Nicht nur die Pilger aus Polen haben sich hier eingefunden, sondern auch viele Landsleute, die fern von ihrer Heimat leben. Ich heiße alle, die hier anwesend sind, herzlichst willkommen. Insbesondere grüße ich den Kardinalprimas, den Kardinalmetropoliten von Krakau und alle hier anwesenden Brüder im Bischofsamt. Ebenso begrüße ich die Geistlichen, die Ordensfamüien und vor allem die Schwestern vom hl. Felix Cantalice, die geistigen Töchter der sei. Maria Angela Truszkowska und die Mitschwestem der sei. Faustina Kowalska von der Ordensgemeinschaft Unserer Lieben Frau von der Göttlichen Barmherzigkeit. Hier haben sich Pilger aus verschiedenen Teilen Polens zusammengefunden; auch unsere Brüder aus Wilna sind gekommen. Ganz herzlich grüße ich den Erzbischof von Wilna und alle Pilger, insbesondere die Jugendlichen. Garbe Jezui Kristui! Auch eine Pilgergruppe aus Krakau ist hier, und vor allem aus 853 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kazimierz sind die Verehrer von Stanislaw Kazimierczyk gekommen, der jahrhundertelang bereits - und seit gestern auch auf dem Petersplatz - „selig” genannt wird. Ein herzlicher Willkommensgruß geht an die Pfarrgemeinde von Corpus Domini und an die Ordensgeistlichen der Kongregation der Lateranensischen Chorherren. Auch heute sind die Vertreter der. staatlichen und der regionalen Behörden anwesend; auch sie heiße ich willkommen und grüße alle herzüch. Das Zweite Vatikanische Konzil bekräftigt, daß durch die Heiligen „Gott den Menschen in lebendiger Weise seine Gegenwart und sein Antlitz (zeigt). In ihnen redet er selbst zu uns, gibt er uns ein Zeichen seines Reiches” (Lumen Gentium, Nr. 50). Gestern hat Gott durch die neuen Sehgen zu uns gesprochen. Er hat sich uns durch den großen geistigen Reichtum der sei. Maria Angela Truszkowska mitgeteilt, die den Weg zur Erneuerung des Menschen und der Welt in der getreuen Erfüllung des göttlichen Willens, in der Liebe und im großherzigen Dienst am Nächsten sah. Während ihres ganzen Lebens ist sie Christus und seinem Kreuz unbeirrt gefolgt, was immer auch der dafür geforderte Preis sein mochte. Sie wahrte ihre Treue im Leid, in der Liebe bis ans Ende, denn „ihre Speise war es, den Willen dessen zu tun, der sie gesandt hatte” (vgl. Joh 4,34). Gott hat auch durch den geistigen Reichtum der sei. Schwester Faustina Kowalska zu uns gesprochen. Ihre Hinterlassenschaft an die Welt ist die große Botschaft vom Erbarmen Gottes ebenso wie die Aufforderung, sich dem Schöpfer vollkommen anzuvertrauen. Gott hat ihr eine ganz besondere Gnade zuteil werden lassen, denn sie hat seine Barmherzigkeit durch mystische Erfahrungen und dank der außerordentlichen Gabe des kontemplativen Gebets erleben können. Ich danke dir, sei. Schwester Faustina Kowalska, daß du die Welt an dieses große Geheimnis des göttlichen Erbarmens erinnert hast. Dieses „überwältigende Mysterium”, dieses erhabene Geheimnis des Vaters, das der Mensch und die Welt von heute so dringend brauchen: „Danket dem Herrn; denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig” (vgl. Ps 107/106,1). Gott hat durch den sei. Stanislaw Kazimierczyk, den Priester aus der Ordensgemeinschaft der Lateranensischen Chorherren, zu uns -gesprochen, dessen viel verehrtes Grabmal sich in der Corpus-Christi-Kirche in Krakau befindet. Sein „heiliges und beispielhaftes” Leben war geprägt von Christus in der Eucharistie, vor dem er stundenlang in stiller Anbetung verweilte. Durch ihn hat der sei. Stanislaw Kazimierczyk gelernt zu heben und dem Nächsten zu dienen. Christus war für ihn das wahre Licht, das den Weg seiner Berufung zum Priester und Ordensgeistlichen erleuchtete. Ganz zu Recht wurde er „das Licht des Ordenslebens” genannt. So vermehrt dieser neue Stanislaw noch die große Tradition der Stanislaw von Krakau und von Polen. 5. Christus war die Grundlage, auf der unsere Sehgen ihre Menschlichkeit und ihre Heiligkeit aufbauten. Sie sahen in ihm das einzige Fundament jedes Menschen, jeder Nation, ja der ganzen Menschheit. Ihr Leben beweist deuthch, wer Christus für sie 854 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN war. Sie zeigen uns die Wurzeln des vollkommenen Menschseins, die Werte, die das Leben prägen. Sie zeigen uns Christus. Der hl. Paulus sagt: „Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus” (1 Kor 3,11). „Von ihm stammt alles, und wir leben auf ihn hin” (1 Kor 8,6). Geben wir nicht der Versuchung nach, die Werte, die Christus uns gebracht hat, zurückzuweisen, dieses große Gut, das uns das Christentum geschenkt hat. Nur durch den Glauben kann sich die wahre Identität des Menschen voll offenbaren, nur die Liebe kann die aufkeimende Selbstsucht und ihre Folgen besiegen. Die Liebe ist die größte Kraft, die das menschliche Leben prägt, die vereinende, die aufbauende Kraft. Die neuen Sehgen erinnern uns daran, daß „Gott Liebe ist” und daß diese Liebe größer ist als die Sünde, als die Schwachheit und der Tod. Er ist immer bereit aufzurichten, zu verzeihen und dem verlorenen Sohn entgegenzugehen, und er wird nie die Suche nach dem „Offenbarwerden- der Söhne Gottes” aufgeben, die zur künftigen Herrlichkeit berufen sind. Diese Offenbarung der Liebe wird auch Barmherzigkeit genannt und hat in der Geschichte nur eine Form und einen Namen: Sie heißt Jesus Christus (vgl. Redemptor hominis, Nr. 9). Das Evangehum spricht von dem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute: „Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut” {Mt 7,25). Auf Jesus, dem Fels, ist die Geschichte Europas und unserer Nation gebaut worden. Er ist die Kraft, er ist unsere Hoffnung. Unsere neuen Sehgen erinnern uns daran und ermutigen uns durch das Beispiel ihres Lebens. In englischer Sprache fuhr der Papst fort: 6. Ich heiße die Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laienpilger herzlich willkommen, die zur Seligsprechung von Maria Angela Truszkowska sich hier eingefunden haben. Ganz besonders grüße ich ihre geistigen Töchter, die Schwestern vom hl. Felix Cantahce, denen ich für ihren hochherzigen Dienst an der Weltkirche und vor allem an der Kirche in den Vereinigten Staaten danke. Liebe Schwestern, durch euer Gott geweihtes Leben und eure verschiedenen Apostolate seid ihr auf überzeugende Weise Zeugen für das geistliche Erbe der Kirche. Während meiner Besuche in eurem Land habe ich dies persönlich erleben können. Möge eure gestern seliggesprochene Gründerin euch auch weiterhin zu diesem hochherzigen Dienst inspirieren. Erfüllt von ihrer Liebe zu Gott und dem Nächsten und dem Beispiel des hl. Franziskus folgend, wollte Schwester Angela, im Dienst an den Mitmenschen den Willen Gottes stets treu erfüllend, zur Erneuerung der Welt beitragen. Die Worte Christi: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat” (Joh 4,34) inspirierten die Verwirklichung ihres einzigen Wunsches - ein Opfer der Liebe zu werden, bis ans Ende zu dienen und Christus auf dem Weg des Kreuzes zu folgen, ohne die dazu notwendigen Opfer zu scheuen. 855 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr Leben stand im Zeichen der Liebe. Die Liebe veranlaßte sie, sich jenen zu widmen, die Nahrung, ein Heim und die Wahrheit des Evangeliums brauchten. Ihr Leben stand im Zeichen des Kreuzes. Sie schöpfte ihre Kraft aus Jesus - sie lebte in ihm und mit ihm, vereint mit ihm im Gebet und durch ihre große Liebe zur Eucharistie. Ihr Leben stand im Zeichen des Glaubens. Ihr Vertrauen auf die Liebe Gottes machte sie fähig, während ihrer schweren Leiden und inneren Konflikte von der Gnade verwandelt zu werden und stets ein Instrument des götthchen Heilswerks zu sein. Der durch die Finsternis der geistigen Nacht gereinigte Glaube ließ sie schließlich jedes Leid als Ausdruck der Liebe und Güte des himmlischen Vaters sehen. Dieser Glaube gab ihr die Kraft, alles Leid zu ertragen und auszuharren, den Willen Gottes anzunehmen und zu lieben, auch wenn es noch so schwer war. Möge die sei. Maria Angela Truszkowska euch ein Beispiel für die Treue zu Christus bis hin zum Kreuz sein; ein Vorbild für die tägliche Treue zu den evangelischen Räten im Geiste des Evangeliums. In italienischer Sprache sagte der Papst: Liebe Pilger, hebe Gläubige, alle Anwesenden, möge das Beispiel und die Fürsprache der neuen Sehgen, die wir heute mit ganz besonderer Freude verehren, euch auf eurem täglichen Weg als Christen begleiten. Der Apostohsche Segen, den ich gemeinsam mit allen meinen bei dieser Audienz anwesenden Brüdern im Bischofsamt von Herzen erteile, gebe euch, die ihr hier zugegen seid, und allen euch Nahestehenden neuen Mut! In Spanisch fuhr der Papst fort: Nun muß ich noch einen Gruß an die mexikanischen Pilger richten, die so gut sind, so gastfreundhch, so voher Gastfreundlichkeit in ihrem Heimatland. Der Papst hat diese bemerkenswerte Großherzigkeit der Mexikaner anläßlich zweier Besuche erleben können. Ich danke euch für eure Anwesenheit hier. Ich danke euch für eure Verehrung des Erbarmens Gottes, des Erbarmens Christi. Für euer Vertrauen auf die Barmherzigkeit, wie es uns und unserer Zeit die sei. Faustina Kowalska gezeigt hat. Möge der Herr euch allen seinen Segen geben. In Polnisch sagte der Papst weiter: Da wir wieder auf Schwester Faustina zurückgekommen sind, wünsche ich euch, daß diese einfachen Worte: „Jesus, ich vertraue auf dich”, die ich auf vielen Bildern hier sehe, daß diese Worte für die Herzen der Menschen - auch in Zukunft, auch am Ende dieses Jahrhunderts, dieses Jahrtausends und darüber hinaus - einen klaren Hinweis für den Weg geben, den wir gehen müssen. „Jesus, ich vertraue auf dich.” Es gibt keine Finsternis, in der sich der Mensch verirren könnte. Wenn er auf Jesus vertraut, wird er stets das Licht finden. Gelobt sei Jesus Christus! 856 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Glaube wurde trotz der Verfolgung nie zerstört Ansprache an den ersten Botschafter von Albanien beim Hl. Stuhl, Willy Gjon Kamsi, am 22. April Herr Botschafter! 1. Es ist mir eine Freude, Sie, den ersten Botschafter des edlen albanischen Volkes beim Hl. Stuhl, willkommen zu heißen. Diese Begegnung nimmt die so sehr erwartete vom 25. April vorweg und bereitet gewissermaßen den Tag vor, an dem ich die Freude haben werde, zum ersten Mal Albanien zu besuchen und dieser bedeutenden Nation zu begegnen. Schon jetzt möchte ich aber durch Sie, Herr Botschafter, den Ausdruck meiner Wertschätzung nicht nur meinen Glaubensbrüdem, sondern dem ganzen Volk übermitteln, also den Angehörigen der verschiedenen Volksgruppen und Religionsgemeinschaften und den Regierungsbehörden, die zu vertreten Sie die Ehre haben. Wie Sie soeben in Erinnerung brachten, erfuhren die Beziehungen zwischen Albanien und der Kirche im Lauf der Geschichte zahlreiche Wandlungen: Manchmal waren es Beziehungen konstruktiver Zusammenarbeit - und wie könnte man es in diesem Zusammenhang unterlassen, den „Athleten Christi”, Gjergj Kastriota Skender-beu, zu nennen, der zu den römischen Päpsten enge und nutzbringende Beziehungen pflegte - in anderen Perioden hingegen waren diese Beziehungen schmerzlichen Spannungen ausgesetzt, und hier müssen wir vor allem der schwierigen politischen Situationen gedenken, dessen Opfer die Nation infolge eines von einer totalitären und antireligiösen Ideologie bestimmten Regimes im vergangenen halben Jahrhundert gewesen ist. In der albanischen Seele wurde jedoch nie der goldene Faden des Glaubens zerrissen. Er hat der Gewalt der Verfolgung widerstanden und zeigt sich heute in seiner ganzen Kraft. Die Treue zu den religiösen Werten ist ein fester Punkt, in dem sich der Aufbau des erneuerten demokratischen Lebens verankern läßt. Was die Glaubenszugehörigkeit betrifft, so denke ich nicht nur an die katholische, sondern auch die orthodoxe und die islamische Gemeinde, die eine vorbildliche Beziehung der Achtung zur Kirche aufgebaut haben. Was die Katholiken betrifft, erwidern sie gerne diese Gefühle, und es ist ihnen eine Freude, mit ihrem ethischen und staatsbürgerlichen Einsatz einen Beitrag zur Wiedergeburt ihrer Heimat leisten zu können. 2. Freilich, was die Kirche bieten möchte, sind nicht Interventionen politischer Natur, da diese nicht ihrer Sendung entsprechen würden. „Bürgerliche Gesellschaft und Kirche sind auf ihren jeweiligen Gebieten voneinander unabhängig und selbständig”, sagt das Zweite Vatikanische Konzil (Gaudium et spes, Nr. 76). Die Kirche verfolgt ein seinem Wesen nach religiöses Ziel. Es obliegt ihr daher nicht, die „irdische Stadt” aufzubauen, sondern vielmehr das „Reich Gottes”, indem sie das Evangelium verkündet, die Menschen auf die Gegenwart Gottes 857 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und seine Liebe hinweist und sie zu einem neuen Leben nach dem Beispiel Christi einlädt. Diese wesenhaft religiöse Ausrichtung verführt sie übrigens nicht zu einer Haltung der Gleichgültigkeit und der Fremdheit dem Schicksal der bürgerlichen Gesellschaft gegenüber. Das Christentum ist die Religion des menschgewordenen Gottes: Das menschliche Geschehen tritt also mit all seinen Herausforderungen in die Heilsgeschichte ein, und der Aufbau der Welt nach den Plänen Gottes ist ein wesentlicher Aspekt der Verkündigung des Evangeliums, wie die christliche Soziallehre sehr gut beweist. Dieser anspruchsvollen Sendung .möchte die Kirche sich sowohl durch die Erfüllung ihrer Erzieherrolle als auch durch das überzeugungstreue Zeugnis ihrer Söhne und Töchter widmen. Ich bin überzeugt, Herr Botschafter, daß die Gegenwart der Kirche sichere Vorteile für die Gesellschaft Albaniens mit sich bringen wird, vor allem dank des Beitrages, den die Katholiken zur Förderung der Freiheit, der Gerechtigkeit, der Solidarität.und des Friedens leisten werden. 3. Albanien befindet sich heute aufgrund des unglücklichen Erbes, welches das frühere Regime hinterlassen hat, in einer schwierigen Lage. Es muß Ziel und Ruhm der jungen Demokratie sein, die Engpässe der gegenwärtigen Konjunktur zu überwinden. Diese Demokratie ist ja berufen, die ernsten Probleme der Wirtschaft und der Beschäftigung zu lösen und die neuen politischen und bürgerlichen Strukturen zu festigen, die im Rahmen der in den internationalen Vereinbarungen enthaltenen Normen den Prinzipien eines Rechtsstaates folgen müssen. Die bestehenden Probleme sind freilich alles andere als einfach: Ihre Lösung erfordert nicht nur den Einsatz aller Glieder der Nation, sondern auch großzügigere Aufmerksamkeit seitens der internationalen Gemeinschaft. Die Kirche richtet an die letztere den nachdrücklichen Aufruf, Albanien in diesem Augenblick des historischen Übergangs mit seinen zahlreichen Schwierigkeiten nicht allein zu lassen. Dennoch liegt die Verwirklichung einer besseren Zukunft mit der Hilfe Gottes, der seine Kinder nie verläßt, in den Händen des albanischen Volkes, in der Kraft seiner inneren Beweggründe und seiner Fähigkeit, zu hoffen und angesichts der Prüfungen und Hindernisse nicht den Mut zu verlieren. Ich möchte deshalb an das erinnern, was ich in der Enzyklika Centesimus annus schrieb, daß nämlich das Geheimnis einer Demokratie, ihres Erfolges und ihrer Dauer nicht im guten Funktionieren der Strukturen und der Spielregeln besteht, sondern in den großen Werten, von denen diese grundgelegt und angeregt sein müssen (Nr. 46). Albanien hat unter dem Joch einer erdrückenden Diktatur gelitten und ist nun berufen, seine Zukunft aufzubauen, indem es sich auch der - nicht immer erhebenden - Erfahrungen der sogenannten freien und demokratischen Welt bedient. Tatsächlich verwandelt sich „eine Demokratie ohne Werte ... leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus” (ebd.). In diesem Sinn, Herr Botschafter, beabsichtigt die katholische Kirche ihren Beitrag zum Aufbau des neuen Albanien zu leisten; diesem Ziel sollen die Vereinbarungen 858 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zur Zusammenarbeit dienen, die Kirche und Staat unter voller Aufrechterhaltung ihrer gegenseitigen Unabhängigkeit und im Sinn ihrer spezifischen Zielsetzungen frei verwirklichen können. Herr Botschafter, ich bitte Sie, dem Herrn Präsidenten der Republik, Sah Berisha, den Ausdruck meiner Ehrerbietung zu übermitteln. Versichern Sie ihn in Erwartung unserer persönlichen Begegnung meiner Hochachtung und der Liebe, die mich mit dem albanischen Volk verbindet. Herr Botschafter, indem ich Ihnen die besten Wünsche für das Gehngen der hohen Sendung ausspreche, an deren Anfang Sie heute stehen, versichere ich Sie meines Gebetes zu Gott, dem Allmächtigen, damit er mit seinen Gaben stets Ihnen und Ihren Mitarbeitern, den Mitgliedern der Regierung ihres edlen Landes sowie dem gebebten albanischen Volk, dessen ich immer mit besonderer Herzlichkeit gedenke, zu Hilfe komme. In vielen Pfarreien der Ewigen Stadt fehlen Gotteshäuser Ansprache an die Teilnehmer der Tagung zum Thema „50 Kirchen für Rom 2000” am 22. April 1. Mit ganz besonderer Freude treffe und begrüße ich euch, die Teilnehmer dieser Tagung zum Studium und zur Förderung der neuen Kirchen in Rom, die hier unter der Leitung. von Kardinal Camillo Ruini, meinem Generalvikar in Rom, begleitet von Kardinal Giacomo Biffi, dem Erzbischof von Bologna, und von Msgr. Dionigi Tettamanzi, dem Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz, zusammengekommen seid. Das Argument, mit dem ihr euch befaßt, erinnert uns an die Worte des Apostels Paulus aus dem zweiten Brief an die Korinther. „Wir sind doch der Tempel des lebendigen Gottes; denn Gott hat gesprochen: Ich will unter ihnen wohnen und mit ihnen gehen. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein” (6,16). Die Worte des Apostels beziehen sich auf die Gegenwart Gottes in den einzelnen Seelen- denn kraft der Taufgnade sind wir seine Kinder geworden -, aber sie weisen auch auf seine göttliche Anwesenheit in der Gemeinschaft der Erlösten, dem heiligen Volk Gottes, hin. Das Zweite Vatikanische Konzil hat sich, die Kirche beschreibend, diesen Gedanken zu eigen gemacht, der den vom mystischen Leib Christi ergänzt. So half sie dem Volk der Gläubigen, sich dieser Wirklichkeit bewußt zu werden: nämlich eine Gemeinschaft auf dem Weg in das himmlische Vaterland zu sein, eine innere und eine äußere Gemeinschaft, gekennzeichnet durch die Verbindung mit Christus durch ihre Einheit mit den rechtmäßigen, von Christus eingesetzten Hirten. 2. Bekanntlich ist die Pfarrei die älteste und auch heute noch gültige Zelle der Zusammenkunft des Gottesvolkes. Sie ist in erster Linie eine territoriale Gegebenheit, 859 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in der je nach den Charismen und den Aufgaben der einzelnen alle Mitglieder der Gemeinschaft ohne Unterschiede im Geist der Brüderlichkeit, geistigen Gleichge-sinntheit und hochherzigen Mitarbeit Zusammenkommen. In ihr ist nicht nur die Funktion des Pfarrers und die der mit ihm zusammenarbeitenden Geistlichen von Bedeutung, sondern auch die jener Organe, durch die die Laien am Leben der Pfarrei teilhaben, die Familien, Vereinigungen, Gruppen, die kirchlichen Bewegungen und die im Pfarrbereich vertretenen Ordensfamilien. Das funktionale, sichtbare Element, das die Pfarrei kennzeichnet, besteht aus der Pfarrkirche und dem Pfarrhaus: Die erstere ist das Haus Gottes und der Gemeinde zur Feier des öffentlichen Gottesdienstes, und das zweite ist der Wohnsitz der Priester und ein Zentrum für mannigfaltige pastorale Tätigkeiten. In der gesamten katholischen Welt, in den großen Städten wie auf dem Land, in gut ausgebauten Gebieten wie in entlegenen Bereichen jener Länder, in denen moderne Infrastrukturen noch fehlen, ist die Pfarrkirche, ob groß oder klein, ob imposant oder bescheiden, ein Anhaltspunkt für die Gläubigen zur Evangelisierung, zur Feier des Gottesdienstes und zur Organisation karitativer Arbeit. 3. Unsere Stadt ist eine moderne Metropole, in der durch den ständigen Besiedlungszuwachs der letzten Jahre neben den alten und denkwürdigen Kirchen die Einrichtung neuer Pfarrbezirke und Kirchen zur Notwendigkeit wurde, um den Anforderungen der Bevölkerung entgegenzukommen. Durch die Gnade Gottes und die Unterstützung der Gläubigen verfügen heute gut dreihundertzwanzig Pfarreien über Pfarrzentren, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Aber weitere fünfzig Pfarreien, die rechtlich gesehen bereits bestehen, warten noch darauf, daß mit dem Bau der Kirche und des Pfarrzentrums begonnen wird. Der Bischof von Rom kann die Bitten so vieler seiner Kinder nicht ignorieren, die genauso wie andere das Recht haben, über diese wesentlichen kirchlichen Einrichtungen zu verfügen, deren Bestimmung es ist, alle durch die Taufe in die Familie der Kinder Gottes Aufgenommenen den Geist der Brüderlichkeit spüren zu lassen. Aus diesem Grund halte ich es für meine Pflicht, euch, die ihr über einwandfreie fachliche Kompetenz verfügt, zu bitten, ein umfassendes Projekt auszuarbeiten, um bis zu einem angemessenen und bedeutsamen Zeitpunkt, nämlich der festlichen 2000 Jahr-Feier, Rom mit den noch fehlenden fünfzig Kirchen auszustatten. Die katholische Gemeinschaft Roms muß sich der Brüder annehmen, die noch keine eigene Kirche haben. Es ist ja nicht gerecht, daß diejenigen, die die Vorteile einer gut ausgestatteten Pfarrei genießen, all jene ignorieren oder sich selbst überlassen, die noch mit Notlösungen zu Kämpfen haben, um ein Minimum an Pfarrleben zu schaffen. Aber auch die Stadt als solche muß dafür sensibilisiert werden, ein positives Zeichen zu setzen, das in einem oft anonymen und unterschiedslosen Viertel entsteht, wenn dort der Tempel Gottes und der Versammlungsort der Gläubigen errichtet werden. 860 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schließlich werden sich all diejenigen, die im Dienst des Schönen stehen - Künstler, Architekten, Maler, Bildhauer -, die Erben einer Tradition, die Rom zu einer der meistgeschätzten Kulturstätten der Welt gemacht haben, dazu angeregt fühlen, das kulturelle und künstlerische Forschen nach einer Kreativität im sakralen Bereich zu intensivieren, die neu ist und gleichzeitig den inneren und funktionalen Sinn des religiösen Bauwerks respektiert, das sich auf harmonische Weise in seiner ursprünglichen Einmaligkeit als Gottesdienstbereich und Versammlungsort der Gläubigen in den städtischen und landschaftlichen Rahmen einfügt. 4. Die Bearbeitung dieses umfangreichen Projekts ist in pastoraler und sozialer wie auch technischer, künstlerischer, organisatorischer und administrativer Hinsicht ein Verdienst eurer Tagung. Ich bin sicher, daß die Ernsthaftigkeit, mit der diese Probleme behandelt werden, zu einem globalen Projekt führen wird, das Gott, aber auch die Stadt Rom ehrt und einen Bezugspunkt auf nationaler und internationaler Ebene darstellen kann. Es handelt sich dämm, zahlreiche Faktoren zu koordinieren und die verschiedenartigsten Kräfte in Bewegung zu bringen, damit sie zur Übereinstimmung kommen und die Verwirklichung eines so anspruchsvollen Vorhabens ermöglichen. Die Kathedralen und Kirchen der Christenheit haben vor allem im Mittelalter und zur zeit der katholischen Reform zu denkwürdigen Werken der Literatur, der Kunst, der Geistigkeit und der Frömmigkeit angeregt, die sie in einem weit größeren Umkreis als dem ihrer direkten Nutznießer bekanntgemacht haben. Ich hoffe, daß dieses Projekt, das nun eurer Prüfung unterhegt, mit Gottes Elilfe ebenso erfolgreich und denkwürdig sein wird. Dies wird auch eine Möglichkeit sein, die geistigen Früchte der Diözsansynode sichtbar zu machen, die ich gemeinsam mit der gesamten Kirche Gottes in Rom in den kommenden Wochen zu Ende fuhren werde. So wollen wir Jesus Christus, den Erlöser, im zweitausendsten Jahr seiner Geburt verherrlichen, und die Pilger, die aus aller Welt in die Stadt der ehrwürdigsten apostolischen Andenken strömen werden, mit einem vielsagenden Zeugnis empfangen. In diesem Sinne ersuche ich euch, eure Tätigkeit mit Ausdauer fortzusetzen, und Gott um seinen Beistand für eure Arbeit bittend, spende ich euch von Herzen meinen Segen. 861 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die authentische Bibelauslegung ist wichtig für den Glauben und die Kirche Ansprache an die Päpstliche Bibelkommission am 23. April Meine Herren Kardinale, meine Herren Chefs der diplomatischen Vertretungen, meine Herren Mitglieder der päpstlichen Bibelkommission, meine Herren Professoren des päpstlichen Bibelinstitutes! 1. Aus ganzem Herzen danke ich Herrn Kardinal Ratzinger für die Empfindungen, die er zum Ausdruck brachte, als er mir das von der päpstlichen Bibelkommission ausgearbeitete Dokument über die Interpretation der Bibel in der Kirche vorgelegt hat. Mit Freude nehme ich dieses Dokument an als Frucht einer kollegialen Arbeit, die auf Ihre Initiative, Herr Kardinal, zurückgeht und mehrere Jahre hindurch beharrlich weitergeführt wurde. Sie entspricht einem Anliegen, das mir am Herzen liegt, denn die Interpretation der Heiligen Schrift ist für den christlichen Glauben und das Feben der Kirche von entscheidender Wichtigkeit. Das Konzil hat uns sehr gut in Erinnerung gerufen: „In den Heiligen Büchern kommt der Vater, der im Himmel ist, seinen Kindern in Fiebe entgegen und nimmt mit ihnen das Gespräch auf. Und solche Gewalt und Kraft ist im Worte Gottes, daß es für die Kirche Halt und Leben, für die Kinder der Kirche Glaubensstärke, Seelenspeise und reiner, unver-sieglicher Quell des geistüchen Lebens ist” (Dei Verbum, Nr. 21). Die Weise der Auslegung der biblischen Texte für die Männer und Frauen von heute hat direkte Folgen für ihr persönliches und gemeinschaftliches Verhältnis zu Gott, und sie ist ferner eng mit der Sendung der Kirche verbunden. Es geht also um ein lebenswichtiges Problem, das Ihre ganze Aufmerksamkeit verdient hat. 2. Ihre Arbeit geht in einer sehr glücklichen Stunde zu Ende, denn sie bietet mir Gelegenheit, mit Ihnen zwei bedeutungsvolle Jahrestage zu begehen: die hundert Jahre seit der Enzyklika Providentissimus Deus und die fünfzig Jahre seit Erscheinen der Enzyklika Divino afflante Spirifu, die sich beide mit biblischen Fragen befassen. Am 18. November 1893 veröffentlichte Papst Leo XIII. in seiner großen Aufmerksamkeit für intellektuelle Probleme seine Enzyklika über die Studien der Heiligen Schrift mit dem Ziel, wie er schrieb: „sie anzuregen und zu empfehlen” und sie ferner „in einer Weise auszurichten, die besser den Bedürfnissen der Zeit entspricht” (Enchiridion Biblicum, 82). Fünfzig Jahre später machte Papst Pius XII. den katholischen Exegeten in seiner Enzyklika Divino afflante Spiritu neuen Mut und schenkte ihnen neue Weisungen. Inzwischen hatte das päpstliche Lehramt seine ständige Aufmerksamkeit für die mit der Schrift verbundenen Probleme in zahlreichen Äußerungen gezeigt. Im Jahre 1902 schuf Leo XIII. die Bibelkommission; 1909 gründete PiusX. das Bibelinstitut. 1920 feierte Benedikt XV. den 1500. Jahrestag seit dem Tod des hl. Hieronymus in einer Enzyklika über die Inter- 862 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN pretation der Bibel. Der lebhafte Antrieb, der damit den Bibelstudien gegeben wurde, fand dann seine volle Bestätigung im Zweiten Vatikanischen Konzil, so daß die ganze Kirche davon Vorteil hatte. Die dogmatische Konstitution Dei Verbum klärt die Arbeit der katholischen Exegeten und lädt die Hirten und Gläubigen ein, sich eifriger mit dem Wort Gottes zu nähren, das in den Schriften enthalten ist. Heute möchte ich einige Aspekte der Lehre dieser beiden Enzykliken und die bleibende Gültigkeit ihrer Ausrichtung trotz der sich wandelnden Verhältnisse heraus-stellen, um noch mehr Nutzen daraus zu ziehen. I. Von Providentissimus Deus zu Divino afflante Spiritu 3. Zunächst ist zwischen diesen beiden Dokumenten ein wichtiger Unterschied festzustellen. Es geht um den polemischen, oder genauer gesagt, apologetischen Teil der beiden Enzykliken. Beide zeigen nämlich das Anliegen, auf Angriffe gegen die katholische Interpretation der Bibel zu antworten, doch gingen diese Angriffe nicht in die gleiche Richtung. Providentissimus Deus einerseits will die katholische Interpretation der Bibel vor allem gegen die Angriffe der rationalistischen Wissenschaft in Schutz nehmen; Divino afflante Spiritu andererseits will mehr die katholische Interpretation gegen Angriffe verteidigen, die sich der Verwendung der Wissenschaft durch die Exegeten entgegenstellen und eine nicht wissenschaftliche, sogenannte „spirituelle” Interpretation der Heiligen Schriften durchsetzen wollten. Dieser radikale Wandel der Perspektive hing natürlich mit den Umständen zusammen. Providentissimus Deus erschien in einer Zeit, die durch heftige Polemik gegen den Glauben der Kirche gekennzeichnet war. Die liberale Exegese leistete dieser Polemik einen wichtigen Beitrag, denn sie bot alle Möglichkeiten der Wissenschaften von der Textkritik bis zur Geologie auf und bezog ferner die Philosophie, die literarische Kritik, die Geschichte der Religionen, die Archäologie und weitere Disziplinen ein. Dagegen erschien Divino afflante Spiritu kurze Zeit nach einer ganz anderen Polemik, die vor allem in Italien gegen das wissenschaftliche Studium der Bibel gerichtet war. Ein Meines anonymes Werk hatte weite Verbreitung gefunden und wollte gegen das Front machen, was es als „sehr große Gefahr für die Kirche und die Seelen” bezeichnete, nämlich „das kritisch-wissenschaftliche System beim Studium und der Interpretation der Heiligen Schrift sowie seine schlimmen Abweichungen und Verirrungen”. 4. Im einen wie im anderen Fall war die Reaktion des Lehramtes bezeichnend, denn statt sich mit einer rein abwehrenden Antwort zu begnügen, ging es dem Problem auf den Grund und zeigte so - nehmen wir das gleich , zur Kenntnis - den Glauben der Kirche an das Geheimnis der Menschwerdung auf. Gegen die Angriffe der liberalen Exegese, die Behauptungen als auf wissenschaftlichen Ergebnissen beruhende Folgerungen hinstellte, hätte man mit einer Verurteilung des Nutzens der Wissenschaften bei der Interpretation der Bibel reagieren und 863 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den katholischen Exegeten befehlen können, sich an eine „spirituelle” Erklärung der Texte zu halten. Providentissimus Deus wählte nicht diesen Weg. Ganz im Gegenteil lädt die Enzyklika die katholischen Exegeten nachdrücklich ein, wirklich wissenschaftliche Fachkenntnis zu erwerben, um ihre Gegner auf deren eigenem Gebiet zu überholen. Sie sagt: „Das erste Werkzeug findet sich im Studium der alten Sprachen des Orients sowie in der Anwendung der wissenschaftlichen Kritik” (Enchiridion Biblicum, 118). Die Kirche hat keine Furcht vor der wissenschaftlichen Kritik. Sie mißtraut nur vorgefaßten Meinungen, die sich angebhch auf die Wissenschaft gründen, jedoch diese tatsächlich heimlich ihr Gebiet überschreiten lassen. Fünfzig Jahre später kann Pius XII. in Divino ajflante Spiritu die Fruchtbarkeit der in Providentissimus Deus gegebenen Richtlinien feststellen: „Dank einer besseren Kenntnis der bibhschen Sprachen und alles dessen, was den Orient betrifft ... ist eine gute Zahl von Fragen, die zur Zeit Leos XIII. gegen die.Echtheit, das Alter sowie Integrität und historischen Wert der Heiligen Bücher ... vorgebracht wurden, heute geklärt und gelöst” (Enchiridion Biblicum, 546). Die Arbeit der katholischen Exegeten, „die von den intellektuellen Waffen ihrer Gegner korrekten Gebrauch gemacht haben” (562), hatte ihre Früchte gebracht. Und gerade aus diesem Grund zeigt sich Divino ajflante Spiritu weniger als Providentissimus Deus um den Kampf gegen die Positionen der rationalistischen Exegese besorgt. 5. Doch war es notwendig geworden, auf Angriffe zu antworten, die von Vertretern einer sogenannten „mystischen” (Enchiridion Biblicum, 552) Exegese erhoben wurden, um das Lehramt zur Verurteilung der Bemühungen der wissenschaftlichen Exegese zu veranlassen. Wie antwortet die Enzyklika? Sie hätte sich mit der Betonung des Nutzens und selbst der Notwendigkeit dieser Bemühungen zur Verteidigung des Glaubens begnügen können, das aber hätte zu einer gewissen Trennung von wissenschaftlicher Exegese für den äußeren Gebrauch und der geistlichen Interpretation geführt, die für den Gebrauch im Inneren bestimmt war. In Divino ajflante Spiritu hat Pius XII. bewußt vermieden, in diesem Sinn vorzugehen. Im Gegenteil hat er das enge Band zwischen beiden Vorgehensweisen betont, indem er einmal die „theologische” Tragweite des methodisch bestimmten Literalsinns hervorhebt (Enchiridion Biblicum, 251) und andererseits feststellt: Wenn der geistliche Sinn als Sinn eines biblischen Textes anerkannt werden soll, so muß er Garantien für seine Echtheit vorlegen. Eine bloß subjektive Inspiration genügt nicht. Man muß aufweisen können, daß es sich um einen „von Gott selbst gewollten” Sinn handelt, also um eine geistliche Bedeutung, die „Gott selbst” dem inspirierten Text gegeben hat (Enchiridion Biblicum, 552-553). Die Festlegung des geistlichen Sinnes gehört also ebenfalls in den Bereich der exegetischen Wissenschaft. Wir stellen also fest, daß trotz der großen Verschiedenheit der zu lösenden Schwierigkeiten die beiden Enzykliken auf tieferer Ebene vollkommen übereinstimmen. Die eine wie die andere lehnen den Bruch zwischen dem Menschlichen und dem Göttli- 864 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen, zwischen der wissenschaftlichen Forschung und der Rücksicht auf den Glauben, zwischen dem Literalsinn und dem geistlichen Sinn ab. Sie zeigen damit ihre volle Übereinstimmung mit dem Geheimnis der Menschwerdung. II. Die Übereinstimmung der katholischen Exegese mit dem Geheimnis der Menschwerdung 6. Das enge Verhältnis, das die inspirierten bibüschen Texte mit dem Geheimnis der Menschwerdung verbindet, wurde in der Enzyklika Divino cifflante Spiritu mit folgenden Worten beschrieben: „Ebenso wie das gleichwesentüche Wort Gottes den Menschen in ahem, die Sünde ausgenommen, ähnlich wurde, so sind die in menschlichen Sprachen ausgedrückten Worte Gottes der menschlichen Sprache in ahem gleichgeworden, ausgenommen der Irrtum” (Enchiridion Biblicum, 559). Diese Formulierung wurde fast wörtlich von der Konstitution Dei Verbum des Konzils (Nr. 13). übernommen und hebt einen bedeutungsreichen Parallelismus hervor. Es stimmt, daß das schriftliche Niederlegen der Worte Gottes dank des Charismas der Inspiration der Bibel ein erster Schritt auf die Menschwerdung des Wortes Gottes hin war. Diese geschriebenen Worte bildeten nämlich ein festes Werkzeug der Kommunikation und Communio zwischen dem auserwählten Volk und seinem einzigen Herrn. Andererseits wurde es dank des prophetischen Aspektes dieser Worte mögüch, die Erfüllung des Planes Gottes zu erkennen, „als das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat” (Joh 1,14). Nach der himmlischen Verherrlichung der Menschheit des fleischgewordenen Wortes wird weiterhin dank der geschriebenen Worte sein Weilen unter uns in bleibender Weise bezeugt. In Einheit mit den inspirierten Schriften des Alten Bundes bilden die inspirierten Schriften des Neuen Bundes ein feststellbares Werkzeug der Kommunikation und Communio zwischen dem glaubenden Volk und Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Dieses Werkzeug aber kann gewiß nicht vom Strom des geistlichen Lebens getrennt werden, der aus dem Herzen des gekreuzigten Jesu entspringt und sich dank der Sakramente der Kirche verbreitet. Doch hat es dennoch seinen eigenen Gehalt gerade als geschriebener Text, der den Glauben weckt. 7. Die beiden Enzykliken verlangen folglich von den katholischen Exegeten, mit dem Geheimnis der Menschwerdung in voller Übereinstimmung zu bleiben, einem Geheimnis der Einheit von Göttlichem und Menschlichem in einer klar bestimmten historischen Gestalt. Das irdische Dasein Jesu wird daher nicht nur durch die Orte und Verhältnisse zu Anfang des 1. Jahrhunderts in Judäa und Galiläa bestimmt, sondern auch durch seine Verwurzelung in der langen Geschichte eines kleinen Volkes im alten Vorderen Orient mit seinen schwachen und seinen großen Seiten, mit seinen Männern Gottes und seinen Sündern, mit seiner langsamen kulturellen Entwicklung und seinen politischen Verwicklungen, mit seinen Niederlagen und seinen Siegen, mit seinem Verlangen nach Frieden und dem Reiche Gottes. Die Kir- 865 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN che Christi nimmt den Realismus der Menschwerdung ernst, und daher mißt sie dem historisch-kritischen Studium der Bibel große Bedeutung zu. Weit davon entfernt, dieses abzulehnen, wie es die Vertreter der „mystischen” Exegese gewollt hätten, haben meine Vorgänger es kräftig empfohlen. Leo XIIL schrieb: „Unsere katholischen Exegeten sollen die kritische Untersuchung, die zum gründlichen Erfassen der Aussagen der heiligen Schriftsteller höchst nützlich ist, mit Unserer vollen Billigung (nobis vehementer probantibus) pflegen” (Apostolisches Schreiben Vigilantiae zur Gründung der Bibelkommission, vom 30. Oktober 1902, E.B., 142). Der gleiche Ausdruck „volle Billigung”, das gleiche Adverb „vehementer” findet sich in Divino afflante Spiritu wieder, wo von den textkritischen Forschungen die Rede ist (vgl. Enchiridion Biblicum, 548). 8. Divino afflante Spiritu hat den Exegeten bekanntlich vor allem das Studium der literarischen Genera empfohlen, die in den Heiligen Büchern verwendet werden. Die Enzyklika geht so weit, zu sagen, die katholische Exegese müsse „die Überzeugung gewinnen, daß dieser Teil ihrer Aufgabe nicht ohne schweren Schaden für die katholische Exegese vernachlässigt werden kann” (E.B., 560). Diese Empfehlung geht von dem Anhegen aus, den Sinn der Texte möglichst exakt und genau, also in ihrem kulturellen und historischen Zusammenhang zu verstehen. Eine falsche Vorstellung von Gott und der Menschwerdung hat eine gewisse Anzahl von Christen zu einer entgegengesetzten Stellungnahme veranlaßt. Sie haben die Neigung, zu glauben, bei Gott als absolutem Wesen müsse auch jedes seiner Worte absolute Geltung haben, unabhängig von allen Einflüssen der menschlichen Sprache. Nach ihrer Meinung besteht also kein Grund, diese Einflüsse zu studieren, um Unterscheidungen zu treffen, die die Tragweite der Worte relativieren würden. Doch hier verfällt man einer Illusion und lehnt in Wirklichkeit die Geheimnisse der Inspiration der Schrift und der Menschwerdung ab, um sich an eine falsche Auffassung vom Absoluten zu klammem. Der Gott der Bibel ist nicht ein absolutes Wesen, das alles, womit es in Berührung kommt, zermalmt, um alle Unterschiede und Nuancen zu unterdrücken. Er ist im Gegenteil der Schöpfergott, der die erstaunliche Vielfalt der Wesen „ein jedes nach seiner Art” geschaffen hat, wie es der Bericht der Genesis wiederholt sagt (vgl. Gen 1). Weit davon entfernt, die Unterschiede zu beseitigen, achtet und schätzt Gott sie (vgl. 1 Kor 12,18.24.28). Wenn er sich in einer menschlichen Sprache ausdrückt, gibt er keineswegs einem jeden Ausdruck eine einheitliche Bedeutung, er verwendet vielmehr auch mit äußerster Geschmeidigkeit die möglichen Nuancen und nimmt auch deren Begrenzungen in Kauf. Das macht die Aufgabe der Exegeten so komplex, so notwendig und so erregend! Kein einziger menschlicher Aspekt der Sprache darf vernachlässigt werden. Die neueren Fortschritte der linguistischen, literarischen und hermeneutischen Forschungen haben die Bibelexegese dahin geführt, dem Studium der literarischen Genera zahlreiche andere Gesichtspunkte hinzuzufügen (rhetorische, erzählende und strukturelle); weitere Humanwissenschaften wie die Psychologie und die Soziologie haben ebenfalls Beiträge gelei- 866 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stet. Auf all dies kann man den Auftrag anwenden, den Leo XIII. den Mitgliedern der Bibelkommission gab: „Sie sollen nichts als ihrem Fachgebiet fremd betrachten, was die emsige Forschung der modernen Zeiten Neues gefunden hat; ganz im Gegenteil sollen sie einen Geist der Wachheit pflegen, um unverzüglich das zu übernehmen, was jede Stunde der Bibelexegese an Nützlichem bietet” (Vigilantiae, En-chiridion Biblicum, 140). Das Studium der menschlichen Beschaffenheit des Wortes Gottes muß daher mit immer neuem Interesse weitergehen. 9. Dennoch genügt dieses Studium nicht. Um den Zusammenhang zwischen dem Glauben der Kirche und der Inspiration der Schrift zu wahren, muß die katholische Exegese darauf achten, bei den menschlichen Aspekten der biblischen Texte nicht stehenzubleiben. Sie soll und muß vor allem dem christlichen Volk helfen, in den Texten deutücher das Wort Gottes zu erfassen, um es besser aufzunehmen und im Vollmaß in Gemeinschaft mit Gott zu leben. Dazu ist es natürlich notwendig, daß der Exeget selber in den Texten das Wort Gottes erfaßt, was ihm aber nur möglich ist, wenn seine intellektuelle Arbeit durch ein eifriges geistliches Leben getragen wird. Fehlt diese Stütze, so bleibt die exegetische Forschung unvollständig; sie verliert ihr Hauptziel aus dem Auge und begnügt sich mit sekundären Aufgaben. Sie kann sogar zu einer Art Ablenkung werden. Das bloße Studium der menschlichen Aspekte der Texte kann vergessen lassen, daß das Wort Gottes einen jeden einlädt, aus sich selbst herauszugehen, um im Glauben und in der Liebe zu leben. Die Enzyklika Providentissimus Deus erinnerte hier an den besonderen Charakter der Heiligen Bücher und an die sich daraus ergebende Forderung für ihre Interpretation. Sie erklärt. „Die Heiligen Bücher dürfen nicht mit gewöhnlichen Schriften auf eine Stufe gestellt werden, denn da sie vom Heiligen Geist selbst eingegeben wurden, besitzen sie einen äußerst wichtigen, geheimnisvollen und unter zahlreichen Aspekten auch schwierigen Sinn, so daß wir zu ihrem Verständnis und ihrer Auslegung immer der Herabkunft dieses gleichen Heiligen Geistes bedürfen, mit anderen Worten seines Lichtes und seiner Gnade, um die wir gewiß in demütigem Gebet bitten, die wir aber auch in einem heftigen Leben hüten müssen” (Enchiridion Biblicum, 89). In einer kürzeren Formulierung, die auf den hl. Augustinus zurückgeht, sprach Divino ajflante Spiritu die gleiche Forderung aus: „Sie sollen beten, um zu verstehen!” (Enchiridion Biblicum, 569). Ja, wollen wir zu einer vollgültigen Interpretation der vom Heftigen Geist inspirierten Worte gelangen, müssen wir uns selbst vom Heiligen Geist führen lassen und daher beten, ja viel beten und im Gebet um das innere Licht des Geistes bitten und es gelehrig annehmen; wir müssen um die Liebe bitten, die allein zum Verstehen der Sprache Gottes fähig macht, der ja „Liebe ist” (7 Joh 4,8.16). Auch während der Arbeit der Interpretation selbst müssen wir uns so gut wie möglich in der Gegenwart Gottes halten. 867 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 10. Die Gelehrigkeit gegenüber dem Heiligen Geist erzeugt und verstärkt eine weitere für eine richtige Ausrichtung der Exegese notwendige Haltung: die Treue zur Kirche. Der katholische Exeget hegt nicht die individualistische Illusion, die glauben macht, man könne außerhalb der Gemeinschaft der Glaubenden die biblischen Texte besser verstehen. Das Gegenteil ist wahr, denn die Texte sind nicht individuellen Forschem in die Hand gegeben „zur Befriedigung ihrer Neugier oder um ihnen Studien- oder Forschungsobjekte zu verschaffen” (Divino afflante Spiritu, Enchiridion Biblicum, 566); sie sind der Gemeinschaft der Gläubigen, der Kirche Christi anvertraut, um ihren Glauben zu nähren und zu einem Leben der Liebe anzuleiten. Die Achtung vor dieser Zielsetzung bestimmt die Gültigkeit der Interpretation. Provi-dentissimus Deus hat an diese grundlegende Wahrheit erinnert und bemerkt, daß, weit davon entfernt, die biblische Forschung zu behindern, die Achtung vor dieser Tatsache ihren echten Fortschritt fördert (vgl. Enchiridion Biblicum, 108-109). Tröstlich ist die Feststellung, daß jüngere Studien der hermeneutischen Philosophie diese Sichtweise bestätigt haben und daß Exegeten verschiedener Konfessionen mit analogen Perspektiven gearbeitet und zum Beispiel die Notwendigkeit betont haben, jeder biblische Text sei als ein Teil des ganzen von der Kirche anerkannten Kanons der Heiligen Schriften zu deuten, daß man ferner den Beiträgen der Exegese der Kirchenväter größere Aufmerksamkeit schenken müsse. Der Kirche treu sein bedeutet nämlich, sich entschlossen in den Strom der großen Überlieferung zu stellen, der unter Anleitung des Lehramtes einen besonderen Beistand des Heiligen Geistes sichert. Die Kirche hat die kanonischen Schriften als von Gott an sein Volk gerichtetes Wort anerkannt und nie aufgehört, sie zu betrachten und ihre unerschöpflichen Reichtümer zu entdecken. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dies erneut bekräftigt: „Alles, was die Art der Schrifterklärung betrifft, untersteht letztlich dem Urteil der Kirche, deren gottgegebener Auftrag und Dienst es ist, das Wort Gottes zu bewahren und auszulegen” (Dei Verbum, Nr. 12). Weiter sagt das Konzil, indem es eine Aussage von Providentissimus Deus wieder aufgreift: „Aufgabe der Exegeten ist es ... auf eine tiefere Erfassung des Sinnes der Heiligen Schriften hinzuarbeiten, damit so gleichsam auf Grund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reift” (Dei Verbum, Nr. 12; vgl. Providentissimus Deus, E.B., 109: „ut quasi praeparato Studio, judicium Ecclesiae maturetur”). 11. Um diese sehr wichtige kirchliche Aufgabe besser zu erfüllen, muß es den Exegeten am Herzen hegen, die Predigt des Wortes Gottes zu pflegen, indem sie entweder einen Teil ihrer Zeit diesem Dienst widmen oder gute Beziehungen zu denen halten, die dieses Amt ausüben, und ihnen helfen, z. B. durch das Anbieten von pa-storal-exegetischen Veröffentlichungen (vgl. Divino afflante Spiritu, E.B., 551). So werden sie sich nicht auf den verschlungenen Wegen einer abstrakten wissenschaftlichen Forschung verlieren, was sie vom wahren Sinn der Schriften entfernen würde. Tatsächlich ist dieser Sinn nämlich nicht von deren Zielsetzung zu trennen: die Gläubigen in persönlichen Kontakt mit Gott zu bringen. 868 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN TU. Das neue Dokument der Bibelkommission 12. Unter diesen Perspektiven öffnet sich nach einer Aussage von Providentissimus Deus „der persönlichen Arbeit eines jeden Exegeten ein weites Feld” (E.B., 109). Fünfzig Jahre später traf Divino afflante Spiritu mit anderen Worten wiederum die gleiche anregende Feststellung: „Es bleiben also zahlreiche - und unter diesen sehr wichtige - Punkte zu diskutieren und zu erklären, bei deren Ergründung sich Geist und Talent der katholischen Exegeten frei entfalten können und müssen” (E.B., 565). Was im Jahre 1943 galt, bleibt auch in unseren Tagen weiter gültig, denn der Fortschritt der Forschungen hat für bestimmte Probleme Lösungen und zugleich neue Fragen gebracht, die studiert werden müssen. In der Exegese gilt ebenso wie in den anderen Wissenschaften: Je weiter man die Grenzen des Unbekannten hinausschiebt, desto mehr erweitert man den Forschungsbereich. Weniger als fünf Jahre nach der Veröffentlichung von Divino afflante Spiritu klärte die Entdeckung der Manuskripte von Qumran von einem Tag zum anderen eine große Zahl von biblischen Problemen und öffnete weitere Forschungsbereiche. Danach wurden zahlreiche weitere Entdeckungen gemacht, man fand ferner neue Methoden der Forschung und Analyse heraus. 13. Dieser Wandel der Lage hat eine neue Prüfung der Probleme notwendig gemacht. Die päpstliche Bibelkommission hat sich an diese Aufgabe gemacht und stellt heute unter dem Titel: Die Interpretation der Bibel in der Kirche die Frucht ihrer Arbeit vor. Was bei diesem Dokument auf den ersten Blick überraschen wird, ist die Offenheit des Geistes, in dem es abgefaßt ist. Die Methoden, Zugangs- und praktischen Vorgehensweisen in der Exegese von heute werden geprüft und trotz einiger zuweilen auch schwerwiegender Vorbehalte, die notwendig auszusprechen waren, wird in fast allen Fällen zugegeben, daß sie wertvolle Elemente für eine integrale Interpretation des biblischen Textes bieten. Die katholische Exegese ist ja keine eigene und ausschließliche Interpretationsmethode; beginnend bei der historisch-kritischen Grundlage, frei von philosophischen oder anderen Voraussetzungen, die gegen die Wahrheit unseres Glaubens gerichtet sind, wendet sie vielmehr alle aktuellen Methoden an und sucht in allen den „Samen des Wortes”. 14. Ein weiterer charakteristischer Zug dieser Zusammenfassung ist ihr Gleichgewicht und ihr maßvoller Charakter. Bei ihrer Interpretation der Bibel versteht sie die Diachronie und die Synchronie auszugleichen, indem sie anerkennt, daß beide Gesichtspunkte sich ergänzen und unerläßlich sind, wenn die ganze Wahrheit des Textes ins Licht treten und die berechtigten Bedürfnisse des modernen Lesers befriedigt werden sollen. Noch wichtiger bleibt, daß die katholische Exegese ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf die menschlichen Aspekte der biblischen Offenbarung richtet, was zuweilen zum 869 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fehler der historisch-kritischen Methode wird, aber auch nicht nur auf die göttlichen Aspekte, wie es der Fundamentalismus möchte; sie bemüht sich, die einen wie die anderen zu erhellen, vereint in der göttlichen „Herablassung” {Dei Verbum, Nr. 13), die die Grundlage der ganzen Schrift bildet. 15. Man wird endüch den Akzent bemerken, den dieses Dokument auf die Tatsache setzt, daß das handelnde Wort der Bibel sich universal in Zeit und Raum an die ganze Menschheit richtet. Wenn „Gottes Worte ... menschlicher Rede ähnlich geworden” sind {Dei Verbum, Nr. 13), dann, um von allen verstanden zu werden. Sie dürfen nicht fern sein, „über deine Kraft gehen oder außerhalb deiner Reichweite bleiben ... Nein, das Wort ist ganz nahe bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten” {Dtn 30,11.14). Dies ist das Ziel der Interpretation der Bibel. Wenn die erste Aufgabe der Exegese im Finden des echten Sinns des heiligen Textes oder gar seiner unterschiedlichen Bedeutungen besteht, dann muß sie diesen Sinn dem Adressaten der Heiligen Schrift mitteilen, und dieser ist, wenn möglich, jeder Mensch. Die Bibel übt ihren Einfluß im Lauf der Jahrhunderte aus. Ein ständiger Prozeß der Aktualisierung paßt die Interpretation an die zeitgenössische Mentalität und Sprache an. Der konkrete und unmittelbare Charakter der biblischen Sprache erleichtert dabei diese Anpassung in hohem Maße, aber ihre Verwurzelung in einer alten Kultur ruft mehr als eine Schwierigkeit hervor. Man muß darum das biblische Denken ohne Unterlaß in die zeitgenössische Sprache übersetzen, damit es in einer den Hörem angepaßten Sprache ausgedrückt ist. Diese Übersetzung muß indessen dem Original treu bleiben und darf die Texte nicht pressen, um sie einem Verständnis oder einer Auffassung anzupassen, die in einer gegebenen Stunde gerade behebt sind. Es gilt, den vollen Glanz des Wortes Gottes aufzuzeigen, selbst wenn es sich „in menschlichen Worten ausdrückt” {Dei Verbum, Nr. 13). Die Bibel ist heute auf allen Kontinenten und unter allen Völkern verbreitet. Doch wenn sie tiefreichend wirken soll, muß sie eine Inkulturation nach dem einem jeden Volk eigenen Genius durchmachen. Vielleicht verstehen jene Nationen, die weniger von den Entgleisungen der modernen westlichen Zivilisation geprägt sind, die Botschaft der Bibel besser als jene, die infolge der Säkularisierung und der Auswüchse der Entmythologisierung gleichsam unempfänglich für das Wirken des Wortes Gottes geworden sind. In unserer Zeit ist ein nachhaltiges Bemühen notwendig, nicht nur von seiten der Gelehrten und der Prediger, sondern auch von seiten der Verbreiter des bibüschen Denkens unter dem Volk: Sie müssen alle verfügbaren Mittel anwenden - und deren gibt es heute viele -, damit die universale Bedeutung der Botschaft der Bibel weithin anerkannt wird und ihre Heils Wirksamkeit sich überall zeigen kann. 870 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit Hilfe dieses Dokumentes kann die Interpretation der Bibel in der Kirche neuen Schwung finden zum Wohl der ganzen Welt, um die Wahrheit an der Schwelle des dritten Jahrtausends aufleuchten zu lassen und die Liebe zu vervollkommnen. Abschluß 16. Abschließend habe ich die Freude, wie meine Vorgänger Leo XIII. und Pius XII. den katholischen Exegeten und zumal euch, den Mitgliedern der päpstlichen Bibelkommission, zugleich meinen Dank und meine Ermunterung auszusprechen. Ich danke euch herzüch für die ausgezeichnete Arbeit, die ihr im Dienst des Wortes Gottes und des Volkes Gottes leistet: eine Arbeit der Forschung, der Lehre und der Publikationen; für die Hilfe, die ihr der Theologie, der Liturgie des Wortes und dem Dienst der. Predigt schenkt; für die Initiativen, die den Ökumenismus und die guten Beziehungen zwischen Christen und Juden fördern; für eure Beteiligung an den Bemühungen der Kirche, auf die Bestrebungen und Schwierigkeiten der modernen Welt Antwort zu geben. Weiterhin meine warme Ermunterung für den neu zu bewältigenden Abschnitt! Die wachsende Kompliziertheit der Aufgabe erfordert die Bemühungen aller und eine weitreichende internationale Zusammenarbeit. In einer Welt, in der die wissenschaftliche Forschung auf vielen Gebieten noch größere Bedeutung ahnimmt, ist es unerläßlich, daß die exegetische Wissenschaft ein vergleichbares Niveau aufweist. Dies ist einer der Aspekte der Inkulmration des Glaubens, die einen Teil der Sendung der Kirche ausmacht, in Verbindung mit der Aufnahme des Geheimnisses der Menschwerdung. Möge Christus Jesus, das fleischgewordene Wort Gottes, euch bei euren Forschungen leiten, er, der den Geist seiner Jünger für das Verständnis der Schriften geöffnet hat (vgl. Lk 24,45). Möge die Jungfrau Maria euch als Vorbild dienen, nicht nur in ihrer großherzigen Gelehrigkeit gegenüber dem Worte Gottes, sondern auch und vor allem durch ihre Art, das, was ihr gesagt wurde, aufzunehmen. Der hl. Lukas berichtet uns, daß Maria die Worte Gottes und die sich erfüllenden Ereignisse in ihrem Herzen bedachte: „Sie dachte darüber in ihrem Herzen nach” (Lk 2,19). Durch ihre Aufnahme des Wortes ist sie das Vorbild und die Mutter der Jünger (vgl. Joh 19,27). Möge sie euch also lehren, das Wort Gottes ohne Vorbehalt nicht nur in der intellektuellen Forschung, sondern auch in eurem ganzen Leben aufzunehmen! Damit eure Arbeit und euer Wirken immer mehr dazu beitragen, das Licht der Heiligen Schriften hell erstrahlen zu lassen, erteile ich euch aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. 871 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vorbild für das Staatsrecht Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Symposiums über das Kanonische Recht am 23. April Meine Herren Kardinale, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, sehr geehrte Professoren des kanonischen Rechtes und Richter der kirchlichen Gerichtshöfe! 1. Es ist mir eine Freude, euch zur Krönung des internationalen Symposiums, mit dem ihr den zehnten Jahrestag des Inkrafttretens des neuen Codex des kanonischen Rechtes begehen wolltet, in Sonderaudienz empfangen zu können. Ich begrüße euch alle sehr herzlich und danke Erzbischof Vincenzo Fagiolo für die Gedanken und Gefühle, die er in euer aller Namen zum Ausdruck gebracht hat. Ich möchte den Organisatoren und den Referenten des Symposiums für den Beitrag danken, den sie mit dieser Initiative zum Nachdenken über den Codex des kanonischen Rechtes und zu seinen Auswirkungen auf das Leben und die Sendung der Kirche geleistet haben. 2. In dieser Hinsicht ist es vor allem eine Pflicht, derer zu gedenken, die ihre Kräfte für die Förderung und Erneuerung der kanonischen Gesetzgebung eingesetzt haben, indem sie sich die Hinweise und Aufforderungen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu Nutzen machten. Als ersten erwähne ich dabei den verehrten Papst Johannes XXIII., der am 25. Januar 1959, am gleichen Tag, an dem er das Ökumenische Konzil ankündigte, auch seine Absicht aussprach, das damals gültige „corpus” des kanonischen Rechtes zu reformieren, das zum Pfingstfest 1917 bekanntgegeben worden war. Danach, am 29. März 1963, setzte er die Kommission für die Revision des „Codex Iuris Canonici” ein, der mein verehrter Vorgänger Paul VI. starke Impulse gab. Ebenso sind wir verpflichtet, der Kardinäle zu gedenken, die Vorsitzende der Kommission waren, sowie deren Sekretäre und Mitarbeiter, der Väter der Vollversammlungen, der Experten und Konsultoren. Die hervorragende, kollegiale Geisteshaltung, mit der die Arbeiten bis zuletzt durchgeführt wurden, erwies sich als wertvoll und bei der Befragung des gesamten Episkopats, der Dienststellen der Römischen Kurie, der kirchlichen Universitäten und Fakultäten sowie der höheren Ordensoberen als besonders erfolgreich. Wie schon vor zehn Jahren bei der Bekanntgabe des neuen Codex, möchte ich auch heute allen meinen aufrichtigen Dank öffentlich zum Ausdruck bringen, während ich der Güte des Herrn all jene empfehle, die uns nach treuen und hochherzigen Diensten für die Kirche verlassen haben. 3. Die Freude und der Ansporn von gestern wiederholen und bestätigen sich heute anläßlich dieses freudigen Ereignisses, des zehnten Jahrestages der Veröffentlichung des neuen Codex, der dank dieses internationalen Symposiums besonders feierlich begangen wurde; eines Symposiums, dem die Auswahl der Themen, die wohlbe- 872 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kannte Kompetenz der Referenten, die Teilnahme so zahlreicher und qualifizierter Gelehrter und die durch die verschiedenen Schulen verkörperte Universalität den Rang eines wahrhaft kirchlichen Ereignisses von zweifellos wissenschaftlichem Wert verliehen haben. Es sollte sich dabei nicht um ein rein akademisches Ereignis handeln, und man war auch nicht bestrebt, aufsehenerregende Ergebnisse zu erzielen, handle es sich dabei auch nur um solche, die den Apostolischen Stuhl in Erscheinung treten lassen. Vom ersten Augenblick der Planung des Symposiums an war aber klar, daß es der Erfassung der tragenden Elemente und der wesentlichen Struktur des Codex als der fundamentalen Neuheit des Zweiten Vatikanischen Konzils dienen müßte, die jedoch, vor allem was die Ekklesiologie betrifft, auf der Linie der gesetzgebenden Tradition der Kirche hegt (vgl. Apostolische Konstitution Sacrae disciplinae leges, 25. Januar 1983; in O.R.dt., Nr. 5, 1983, S. 4). Daraus ergibt sich die tiefschürfende Behandlung der den neuen Codex kennzeichnenden Themen, wie etwa der „communio” in der Dimension der Gesamt- und der Teilkirche, mit der entsprechenden Gegenüberstellung von „ius universale” und „ius par-ticulare” sowie von Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum, mit spezifischer Bezugnahme auf die Sakramentenpastoral und das kirchliche Amt. Es freut mich, daß im Rahmen dieses Symposiums auch der „Codex der Canones der Orientalischen Kirchen” Aufmerksamkeit fand, den ich im Jahr 1990 veröffentlichen konnte. Diese Aufmerksamkeit entspricht ja meinem oft wiederholten Wunsch, die ganze Kirche möge mit zwei Lungen atmen. Konkret bezeugt das der Päpstliche Rat für die Interpretation von Gesetzestexten, der getreu das befolgt, was ich in der Apostolischen Konstitution Sacri Canones geschrieben habe, daß nämlich der Codex des orientalischen Kirchenrechtes nicht nur „veluti novum complemen-tum magisterii a Concilii Vaticano II propositi habendus est, quo universae Eccle-siae ordinatio canonica tandem expletur” (Apostolische Konstitution Sacri Canones, 18. Oktober 1990: AAS87[1990]1038) ist, sondern daß er gemeinsam mit dem Codex des kanonischen Rechtes und der Apostolischen Konstitution über die Römische Kurie Pastor Bonus eines der drei Elemente des einen Corpus Iuris Canonici der Gesamtkirche bildet. Die Kenntnis dieses ganzen Corpus muß, wie ich am 25. Oktober 1990 anläßlich der letzten Bischofssynode betonte, im Rahmen der Priesterausbildung und vor allem an allen Fakultäten des kanonischen Rechtes entsprechend gefördert werden. Es handelt sich dabei um eine Kenntnis, welche die Gelehrten nur bereichern und dazu führen kann, daß die an den Hochschulen gepflegte kanonische Wissenschaft „plene respondens titulis studiorum, quos hae Facultates conferunt” (Ansprache vom 25. Oktober 1990, 8; AAS83[1991]490) sei. 4. Das Symposium hat der wissenschaftlichen die pastorale Zielsetzung hinzugefügt, sowohl durch die Wahl der Themen und Referenten - unter ihnen einige Diözesan-bischöfe - als auch dadurch, daß es die dem Leben und der Sendung der Kirche innewohnenden Erfordernisse ins Blickfeld rückte. 873 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser Tatsache entspringt der auch von mir geteilte Wunsch, das eingehende Studium des neuen Codex des Kirchenrechtes möge weite Verbreitung finden, und das nicht nur an den akademischen Zentren und unter den Juristen; alle kirchlichen Gemeinden mögen vielmehr zehn Jahre nach der Veröffentlichung des Codex, der die Weisungen des Konzils in die Lebenserfahrung umsetzt, die konkrete Verpflichtung zu einer Bestandsaufnahme wahmehmen. Die Gemeinden sollen sich vor allem die Frage nach der Anwendung und Einhaltung der vom Codex festgelegten Normen zur Verwirklichung der Entscheidungen und Richtlinien des II. Vatikanischen Konzils stellen. Auch sollen sie prüfen, ob der Einfluß des neuen Codex auf ihr Leben und die Sendung, die sie im Leben der Kirche erfüllen, den Absichten eben des Konzils und der von ihm festgelegten Entwicklung entspricht. 5. Euer Symposium hat auf diese Weise zu einer vermehrten Hochschätzung des Codex und zu verstärktem Vertrauen auf ihn als ein Werkzeug beigetragen, das sehr wohl der Natur der Kirche entspricht. „Ja - so sagte ich vor zehn Jahren -, dieser neue Codex könnte in gewisser Hinsicht als das nachhaltige Bemühen betrachtet werden, die Ekklesiologie des Konzils ... in die Sprache des Canons zu Überträgen” (vgl. Apostolische Konstitution Sacrae disciplinae leges, 25. Januar 1983; AAS75[1983] Teil II, XI). Tatsächlich spiegeln sich in ihm, in juridischer Struktur und Form, die klaren Lehraussagen des Konzils über die Kirche als Volk Gottes wider, das als lebendige Gemeinschaft all seiner Glieder unter dem Schutz und der Führung der hierarchischen Autorität lebt und wirkt und in der kirchlichen Gemeinde den Dienst des guten Hirten für das ganzheitliche Heil der Herde über die Zeiten hinweg fortsetzt. Dank der Quelle, der sie entspringen, dank des christologischen und ekklesiologischen Inhalts, der sie kennzeichnet, und dank der heilwirkenden Zielsetzung, die ihnen innewohnt, zeichnen sich diese Wahrheiten heute auch von den Normen und der Systematik des neuen Codex ab, dem man jedoch zugute halten muß, daß er der kirchlichen Gemeinschaft einen nutzbringenden Dienst geleistet hat. Ihr habt die Forderung, ja die Notwendigkeit einer „communio disciplinae” hervorgehoben, die Leben und Sendung der Kirche unterstützen muß, und ihr habt dabei betont, daß die charismatische Struktur der institutionellen bedarf, um gemeinsam für die Erreichung jenes Heils wirksam sein zu können, das allen theologischen, liturgischen, pasto'ra-len und juridischen Wirklichkeiten der Kirche ihre Daseinsberechtigung verleiht. „Im Leben der Kirche - erklärte mein verehrter Vorgänger Paul VI. - können wir feststellen, daß die Funktion des Rechtes dem „mysterium salutis” ... nicht fremd ist; ... das Erbe der juridischen Wirklichkeiten, untrennbar mit der Gerechtigkeit und der Person des Menschen verbunden, wird so zu einem Teil des Heilsgeheimnisses” (vgl. Ansprache vom 25. Mai 1968: AAS60[1968]338). 6. So zeigt sich das kanonische Recht verbunden mit dem Wesen der Kirche selbst; es bildet eine Einheit mit ihm zum Zweck der richtigen Ausübung des „munus pa- 874 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN storale” in seiner dreifachen Bedeutung als „munus docendi, sanctificandi, regendi”. Die Kirche Christi - stellte das Konzil neuerlich fest - kennt neben dem spirituellen und ewigen auch den sichtbaren und äußerlichen Aspekt. Die klare Feststellung von Par. 1 des Canons 375, aufgrund dessen die Bischöfe „pastores constituunter, ut sint ipsi doctrinae magistri, sacri cultus sacerdotes et gubemationis ministri” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 20c), sagt aus, daß, im Licht der gesamten rechtlichen Tradition und der Lehraussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils betrachtet, zwar der dem kanonischen Recht innewohnende pastorale Charakter neuerlich betont wird, jedoch gleichzeitig nicht nur dem „munera docendi” und „sanctificandi” pastoraler Charakter eigen ist, sondern ebenso und nicht weniger dem „munus regendi”, welches das Konzil lieber als „pascendi” bezeichnet unter Bezugnahme auf den Text des Johannesevangeliums, der von der Zuteilung des Primates an Petrus berichtet (vgl. Joh 21,17; Lumen Gentium, Nr. 18; can. 331). Die Anerkennung der im Codex des kanonischen Rechtes festgelegten Ordnung, die in der Beobachtung seiner Normen zum Ausdruck kommt, trägt zum Wachstum der kirchlichen Gemeinschaft bei. Diese erreicht dann ihre Fülle, wenn die Getauften „durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung” {Lumen Gentium, Nr. 14b; can. 205) mit Christus verbunden sind. Die kirchliche Leitung regelt ja aufgrund der Gesamtheit der kanonischen Gesetze Leben und Sendung der Kirche, die Pflichten und Rechte ihrer Glieder und alles, was für ihre sichtbare Gestalt notwendig und erforderlich ist. Daraus ergibt sich die Forderung, und der Codex macht sie zur Pflicht, daß „die Gläubigen ... auch in ihrem eigenen Verhalten immer die Gemeinschaft mit der Kirche wahren” {can. 209, § 1); auch soll das apostolische Wirken immer in Gemeinschaft mit der Kirche erfolgen (vgl. can. 675, § 3). 7. So aufgefaßt, strukturiert, erläutert und angewandt, unterstützt das kanonische Recht nicht nur die Kirche in der Erfüllung ihrer Sendung, sondern erwirbt gleichzeitig eine Dimension der Vorbildlichkeit für die bürgerlichen Gesellschaften, indem es sie drängt, ihre Macht und ihre Ordnung als Dienst an der Gemeinschaft im höchsten Interesse des Menschen zu betrachten. Wie im Mittelpunkt der kanonischen Ordnung der von Christus erlöste und mit der Taufe in der Kirche Person gewordene Mensch steht „mit den Pflichten und Rechten, die den Christen unter Beachtung ihrer jeweiligen Stellung eigen sind” {can. 96), so wird auch den bürgerlichen Gesellschaften nahegelegt, nach dem Beispiel der Kirche den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Ordnung zu stellen und sich nie den Forderungen des Naturrechtes zu entziehen, um nicht Opfer der Willkür oder falscher Ideologien zu werden. Die Forderungen des Naturrechtes gelten tatsächlich allerorts und für alle Völker, heute und immer, da sie der „recta ratio” entspringen, in der, wie der hl. Thomas erklärt, das Wesen des Naturrechtes begründet ist; „Omnis lex humanitus posita intantum habet de ratione legis, inquantum a lege naturae derivatur” {Summa theologica, I-II, q. 95, a. 2). Schon das klassische Denken hatte das begriffen, was Cicero folgen- 875 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dermaßen ausdrückte: „Est quidem vera lex recta ratio, naturae congruens, diffusa in omnibus, constans, sempitema, quae vocet ad officium iubendo, votando a fraude deterreat, quae tarnen neque probos frustra iubet aut vetat, nec improbos iubendo aut vetando movet” (De re publica, 3,33: LACT. Instr.,VI, 8,6-9) Im Rahmen der wiederholten Bemühungen der Kirche um eine Neuevangelisierung im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend wird das kanonische Recht als spezifische und unerläßliche Ordnung der kirchlichen Gemeinschaft zweifellos einen wirksamen Beitrag zum Leben und zur Sendung der Kirche in der Welt leisten, vorausgesetzt, daß alle Glieder der Kirche es verstehen, dieses Recht auszulegen und treu anzuwenden. Das gebe Jesus, der Herr, der die Kirche als neues Israel in dieser Welt auf dem Weg zur zukünftigen und bleibenden Stadt sehen wollte unter der Leitung der Hirten, denen er selbst es aufgetragen hat, sein Volk zu führen, und denen er die zur Erfüllung dieser Aufgabe nötigen Gaben geschenkt hat (vgl. Lumen Gentium, Nr. 9). Diesen Wunsch begleite mein besonderer Segen, den ich den hier Anwesenden und all jenen erteile, die in den verschiedenen, mit dem kanonischen Recht verbundenen Bereichen zur Erfüllung der Sendung der Kirche beitragen. Papst erwartet Reise ins Heilige Land Ansprache an die Mitglieder des Ritterordens vom Hl. Grab am 24. April Herr Kardinal, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, meine Herren Mitlieder der Großmeisterei und Statthalter, sehr geehrte Damen! 1. Es ist mir eine Freude, Ihnen allen meinen herzlichen Willkommensgruß zu bieten und den Rittern, Damen und Geistlichen, die den - heute durch Sie würdig vertretenen - Ritterorden vom Hl. Grab zu Jerusalem bilden, erneut die Gefühle meiner Wertschätzung und Dankbarkeit zu bekunden. Von Herzen möchte ich Herrn Kardinal Giuseppe Caprio, dem Großmeister dieser Genossenschaft, für die freundlichen Gruß Worte danken, die er - auch in Ihrem Namen - eben an mich gerichtet hat. Vor allem möchte ich aber jedem von Ihnen hier Anwesenden mein lebhaftes Wohlgefallen über den hochherzigen geistlichen Einsatz und die stete karitative Tätigkeit ausdrücken, die der Orden vom Hl. Grab zu Jerusalem seit so vielen Jahren zugunsten der Heiligen Stätten und des Lateinischen Patriarchats versieht und so die ihm in diesem Sinne von den Päpsten im Lauf seiner Geschichte anvertraute Sendung treu erfüllt. 2. Wie zur Zeit der Gründung des Ordens als „Ehrenkorps” zum Schutz des Heiligen Grabes entbehrt das Heilige Land nach so vielen Jahrhunderten leider wiederum eines soliden Friedens. Ein brüderliches Zusammenleben der Völker, die sich dort 876 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN begegnen, um Gott, als einzigen Herrn und Schöpfer anzubeten, ist in der Tat noch weit von seiner Verwirklichung entfernt, trotz der bisher aufgewandten Anstrengungen. An Sie, meine Lieben, geht mein Dank für den reichlich geleisteten Einsatz zur Förderung dieser wünschenswerten Solidarität. Man muß alles Mögliche unternehmen, damit die Logik der Gewalt nicht vom Herzen der Menschen Besitz ergreift. Daher ermutige ich Sie, entschlossen jede Initiative der Versöhnung unter den Einzelnen und Völkern zu unterstützen und mit allen Mitteln den für Ihren Orden typischen Dienst an der kirchlichen und zivilen Gemeinschaft der Heiligen Stätten zu vermehren. Ich bin dankbar für den geäußerten Wunsch hinsichtlich eines zukünftigen Besuchs meinerseits in dem durch die Anwesenheit Christi, der Gottesmutter und der Apostel geheiligtem Land. In Erwartung, diese Pilgerfahrt, wann es dem Herrn gefällt, antre-ten zu können, möchte ich jeden von Ihnen - jeden Ritter, jede Dame, jeden Geistlichen - auffordem, meinen pastoralen Dienst mit dem Gebet zu unterstützen. Meinerseits vertraue ich Sie alle dem mütterlichen Schutz der Jungfrau von Nazaret an, damit sie Ihnen bei der besonderen Aufgabe beisteht, mit Liebe über jene Orte zu wachen, die den göttlichen Erlöser gesehen haben, wie er umherzog, „Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm” (.Apg 10,38). In diesem Sinn erteile ich gerne jedem von Ihnen meinen Segen. Dank für Hilfen bei der Priesterausbildung Grußwort an die Mitglieder der „Papal Foundation” am 27. April Eminenzen, meine Damen und Herren! Gern begrüße ich in Ihnen die Verantwortlichen der „Papal Foundation” bei Gelegenheit Ihres jährlichen Besuches in Rom. Meine besondere Wertschätzung gilt Ihrem Präsidenten, Kardinal Krol, dem ich für die freundlichen, in Ihrem Namen an mich gerichteten Worte danke, ferner den übrigen Kardianal-Mitgliedem und dem Verwaltungsrat der Stiftung. Ich spreche Ihnen in diesem Jahr erneut meine tiefe Dankbarkeit für die praktische Hilfe aus, die Sie mir in meinem Dienstamt für die universale Kirche leisten. Die Arbeit Ihrer Stiftung legt wiederum ein eindrucksvolles Zeugnis für die Hochherzigkeit der Katholiken der Vereinigten Staaten und für die engen Bande ab, die sie mit dem Sitz in Rom verbinden. Wie immer, so erfordert auch heute die kirchliche Gemeinschaft ein großes Teilen der Gaben innerhalb der Kirche. Dieses Teilen, ob es um Gaben vorwiegend materieller oder geistiger Art geht, stellt ein Zeichen für die überreichenden Gnaden dar, die die Glieder des Leibes Christi beleben und einen; es ist eine Quelle geistlicher Bereicherung für den Empfänger und in gleicher Weise für den Geber. In der Einheit 877 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Kirche sind ja alle Christen aufgerufen, weil sie gegenseitig Glieder sind, einander nach dem Maß der Gaben, die jeder empfangen hat, zu dienen. Das II. Vatikanische Konzil erinnert uns daran: „Diese Solidarität muß stetig wachsen bis zu jenem Tag an dem sie vollendet sein wird und die aus Gnade geretteten Menschen als eine von Gott und Christus, ihrem Bruder, geliebte Familie Gott vollkommen verherrlichen werden” (Gaudium et spes, Nr. 32). In dieser Hinsicht bin ich besonders für die Bereitschaft der „Papal Foundation” dankbar, den Bedürfnissen der Kirche in jenen europäischen Ländern zu entsprechen, in denen eine Rückkehr zum normalen kirchlichen Leben erst seit kurzem möglich ist. Durch Ihre Großherzigkeit empfangen unsere Brüder und Schwestern in diesen Ländern Hilfe, um unter anderem die Strukturen für die Heranbildung von Priestern aufzubäuen, die ihren Dienst der Predigt des Evangeliums und der Feier der Sakramente ausüben sollen. Diese Projekte liegen mir sehr am Herzen. Sie versprechen überreichte Früchte zu bringen für die Erneuerung des christlichen Lebens und so zu einer Stärkung der ganzen Kirch in Glaube, Hoffnung und Liebe beizutragen. Liebe Freunde, ich bete innig darum, daß Ihr Wunsch, in dieser praktischen Weise mein apostolisches Wirken für alle Kirchen (vgl. 2 Kor 11,28) mitzutragen, in Ihnen neuen Eifer weckt, für das Kommen des Reiches Gottes zu beten und zu arbeiten. Ihnen und allen, die zum Wirken der „Papal Foundation” beitragen, erteile ich als Unterpfand der Gnade und des Friedens in Christus, unserem Erlöser, von Herzen meinen Apostolischen Segen. Den Christen im Irak möge das Trauma der Entwurzelung erspart bleiben Botschaft an Raphael Bidawid, Patriarch von Babylon der Chaldäer, und die katholischen Bischöfe im Irak vom 28. April „Darum, meine geliebten Brüder, nach denen ich mich sehne, meine Freude und mein Ehrenkranz, steht fest in der Gemeinschaft mit dem Herrn, hebe Brüder” (Phil 4,1). Mit diesen Worten des Apostels Paulus übersende ich euch, den Bischöfen und den Gläubigen der katholischen Kirche im Irak, meine herzlichen Grüße im Heim. Der Besuch, den Kardinal Achille Silvestrini, der Präfekt der Kongregation der Orientalischen Kirchen, euch in meinem Namen abstattet, gibt mir die Gelegenheit, euch diese Worte der Ermunterung zukommen zu lassen. Es ist mein inständiger Wunsch, daß seine Mission die erhofften positiven Resultate erbringen wird. Er wird euch meiner Zuneigung versichern, der Zuneigung eines Vaters, der seine gequälten Kinder nicht vergessen kann. Ja, dieser Vater betrachtet euch als seine auserwählten Kinder, die stets in seinem Herzen und in seinem Gebet zugegen sind. 878 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich richte meinen aufrichtigen Dank auch an den Apostolischen Nuntius für sein wahrhaft evangelisches Werk des Glaubens und der Tapferkeit, das er in eurer Mitte vollbracht hat. Ich danke ihm dafür, als Sprecher und Vermittler meiner persönlichen Anhegen gewirkt zu haben, wie auch für die Hingabe, mit der er sich weiterhin um das Wohl der Kirche bemüht. Mit allen von euch, den Bischöfen, den Priestern, den Ordensleuten und der Laienschaft der katholischen Ostkirchen und der Lateinischen Kirche, tausche ich den heiligen Kuß des Friedens im Herrn aus im Bewußtsein der besonderen Einsatzbereitschaft, die die augenblicklichen Umstände von euch allen fordern. Die Hirten sind in besonderer Weise berufen, sich selbst zu geben wie der Gute Hirt. Ihr seid aufgerufen, alles in eurer Macht Stehende zu tun, damit die euch anvertrauten Schafe, vor allem die armen und vernachlässigten, in der Liebe Gottes und der Kirche eine Quelle des Trostes und der Hoffnung finden mögen. Die gesamte Kirche steht euch, die ihr in Not seid, nahe. Sie dankt euch und ist stolz auf euch, weil ihr in Christi Namen den Glauben bezeugt. Euer Land bewahrt ein christliches Andenken von großem Wert, das ihr mit den Brüdern und Schwestern anderer Kirchen teilt. Sie sind Zeugen eines alten blühenden Christentums mit großem apostolischen Eifer und berühmt wegen der geistigen Tiefe seiner Lehre und wegen seines missionarischen Einsatzes in fernen Ländern. Auch heute wieder gereichen eure Gläubigen, die auswandem, um anderswo zu leben, durch ihre Treue zum Gebet, zur Meditation der Heiligen Schrift und zur Liturgie und durch das Zeugnis ihres Lebens anderen Christen zur Erbauung. Ich teile mit euch den Wunsch, daß sie in eurer Heimat bleiben mögen, um, durch ihre Traditionen gestärkt und von ihren Geistlichen unterstützt, das Erbe ihrer Vorfahren fortzusetzen. Laßt uns gemeinsam dieses Anhegen der Güte Gottes anvertrauen in der Hoffnung, daß bessere Bedingungen, die in erster Linie dem Irak zugute kommen, ihnen die Möglichkeit zum Bleiben geben und weiterhin als hart arbeitende und aufrichtige Bürger ebenso wie als Söhne und Töchter der ruhmreichen Kirche des hl. Ephräm anerkannt zu werden. So würde ihnen sowohl das Trauma der Entwurzelung wie auch die Gefahr, ihre Identität zu verlieren, erspart bleiben. Für euer Wohl und das anderer Jünger Christi wird die Kirche alles in ihrer Macht Stehende tun, um dieses Ziel zu erreichen. Heute seid ihr mehr denn je aufgerufen, nach Einheit zu streben, um, den gegenwärtigen Schwierigkeiten entgegentretend, ein klares Zeugnis für Jesus Christus zu geben. Durch euch richte ich einen brüderlichen Gruß im Herrn an die Oberhäupter jener christlichen Kirchen, die noch nicht in vollkommener Gemeinschaft mit uns sind. Ich versichere Sie meines ständigen Gedenkens im Gebet zu unserem gemeinsamen Vater. Ich bin mir der schwierigen Situation bewußt, in der die Bürger des Irak leben müssen. Für sie habe ich oftmals und auf vielerlei Art meine Stimme erhoben, um ihrem Leid ein Ende zu setzen. Die Liebe und Sorge aller Christen und so vieler Menschen guten Willens gilt insbesondere den Kindern und den alten Menschen, die gezwun- 879 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen sind, viele Entbehrungen zu erdulden. Die Schwachen und die Unschuldigen sollten nicht für Vergehen zahlen müssen, für die sie nicht verantwortlich sind. Ich bitte Gott, daß es dem Irak bald ermöglicht wird, im Geist der Versöhnung und des Friedens, im Rahmen internationaler Solidarität und der Achtung des Allgemeinwohles wieder fruchtbare wechselseitige Beziehungen zu anderen Völkern aufzunehmen. Ich wünsche euch, daß euer Land erneut in Frieden aufblühen möge und alle Kinder Gottes neue Zuversicht gewinnen. In dieser Hoffnung wende ich mich an die Mitglieder aller Religionsgemeinschaften. Auf euch alle, Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensmänner und Ordensfrauen, auf die Familien der katholischen Kirche und auf das ganze irakische Volk, rufe ich ohne Unterschied, inständig den trostspendenden Segen Gottes herab. Aus dem Vatikan, am 28. April 1993 Joannes Paulus PP. II Der neue Katechismus der Katholischen Kirche ist für alle Gläubigen bestimmt Ansprache an die Präsidenten der Katechesekommissionen der Bischofskonferenzen am 29. April Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Priester, Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude empfange ich euch anläßlich dieser von der Kongregation für den Klerus einberufenen Tagung, die sich mit einem für das kirchliche Leben besonders aktuellen und wichtigen Thema befaßt - wie dem der Auswirkungen des Katechismus der Katholischen Kirche auf die katechetische Pastoral im allgemeinen und vor allem auf die Abfassung der jeweiligen Ortskatechismen. Ich danke Kardinal Jose T. Sänchez, dem Präfekten der Kongregation, für die freundüchen Worte, die er an mich gerichtet hat, und heiße die Präsidenten der bischöflichen Kommissionen für die Katechese wie auch die Experten und die Mitglieder dieses Dikasteriums herzlichst willkommen. In dieser österlichen Zeit erfüllen uns noch die Worte des hl. Petrus: Der Stein, der von den Bauleuten verworfen wurde, ist zum Eckstein geworden. In keinem anderen ist das Heil zu finden (vgl. Apg 4,11-12). Jesus Christus ist das ewige Heil, das sich in der Fülle der Zeiten offenbart hat. Er ist die freimachende Wahrheit und das erlösende Wort. Um allen Völkern die Frohbotschaft zu bringen, hat er seine Kirche gegründet mit dem ausdrücklichen Auftrag, zu evangelisieren. Nach dem Pfingstereignis hat die 880 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche mit großem Eifer die Sendung ihres göttlichen Stifters erfüllt und mit der Mission begonnen, die Heilsbotschaft weiterzugeben. Dies haben die Jünger des Herrn die ganze Menschheitsgeschichte hindurch getan. Darin sieht die Kirche auch heute ihre Aufgabe, wenn sie sich zu Beginn des dritten Jahrtausends um die Neuevangelisierung bemüht und zu diesem Zweck den Katechismus der Katholischen Kirche verwendet, ein Werkzeug, das den Anforderungen der heutigen Zeit voll entspricht. 2. Die Herausgabe dieses Katechismus wird, am Anbruch des neuen Jahrtausends als wahres Gnadengeschenk Gottes begrüßt. In der Welt von heute, die von besorgniserregenden; oft in Atheismus ausartenden Säkularisierungsprozessen gekennzeichnet ist, eine Welt, in der der wachsende Durst nach dem Heiligen nicht selten erkennbar wird in subjektivistischen Verhaltensformen oder in zahlreich auftretenden fraglichen religiösen Bewegungen, verspürt man ein allgemeines Verlangen nach Sicherheit im Bekenntnis des Glaubens und im persönlichen Bemühen um Bekehrung und christliches Leben. Diesem Verlangen soll der neue Katechismus entgegenkommen, der, aufgrund seiner Natur als echter, wahrhaft katechetischer Text der Neuevangelisierung zugute kommen wird, da er die Botschaft Christi unverkürzt, ohne Verstümmelungen oder Verfälschungen darbietet (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 30). Die Neuevangelisierung, deren Erfolg eng mit dem katechistischen Engagement verbunden ist, geht von der Gewißheit aus, daß sich in Christus ein unergründlicher Reichtum verbirgt (vgl. Eph 3,8), den keine Kultur und kein Zeitalter tilgen kann und aus dem die Menschen unablässig schöpfen sollen, um ihrem lieben eine Richtung zu geben. Dieser Reichtum ist vor allem die Person Christi selbst, durch die sich uns die Wahrheit über Gott und den Menschen erschließt. Die, die an ihn glauben - welcher Epoche und Kultur auch immer sie angehören -, finden eine Antwort auf immer alte und immer neue Fragen, die das Geheimnis des Lebens betreffen und die unauslöschbar in die Herzen der Menschen eingeprägt sind. 3. Die neue Evangelisation verlangt daher vor allem eine Katechese, die es bei der Darstellung des Heilsplans versteht, „zur Bekehrung zu rufen” und zur Hoffnung auf die Verheißungen Gottes aufgrund der Gewißheit der wirklichen Auferstehung Christi, dieser wichtigsten Botschaft und dem Ausgangspunkt jeder Evangelisierung, Grundlage jeder menschlichen Entwicklung, Prinzip jeder authentischen christlichen Kultur. Es ist notwendig, daß die Hirten des Gottesvolkes und diejenigen, die im pastoralen Bereich tätig sind, der Katechese ihre ganz besondere Aufmerksamkeit widmen, denn sie ist die systematische ausführliche Darlegung der Erstverkündigung des Evangeliums. Sie ist Unterweisung derer, die sich auf den Empfang der Taufe vorbereiten oder den mit ihr verbundenen Pflichten nachzukommen suchen, ist Einführung in das kirchliche lieben und in ein konkretes Bezeugen der Liebe. Die Katechese ist demnach im reichhaltigen und komplexen Evangelisationsplan ein Element 881 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von wesentlicher Bedeutung. Bereits in meinem Brief, den ich unlängst, zum Gründonnerstag, an alle Priester gerichtet habe, hatte ich Gelegenheit, daran zu erinnern, daß wir im Katechismus „in der Tat eine wahre und sichere Richtlinie erblicken für die Durchführung der Katechese beim christlichen Volk, für jene Neuevangelisie-rung, die die heutige Welt so notwendig braucht” (Nr. 2). 4. Im Hinblick auf die Neuevangehsierung ist der Katechismus der Kathohschen Kirche das beste Werkzeug für die katechistische Pastoral. Es ist dringend notwendig, daß jeder Katechet kraft seines Charismas und des von den Hirten empfangenen Auftrags in den Gemeinden die Aufgabe wiederholt, welche die Kirche als Lehrerin ausübt, die mit der gleichen Demut wie ihr Herr geduldig jeden einzelnen Jünger an einen Lebensplan heranführt, dessen Urheber sie nicht ist, in dem sie aber die Rohe des Wahrere und Vermittlers übernimmt. Ohne jemals zu vergessen, daß Gott der Erzieher seines Volkes ist und Jesus Christus durch das immerwährende Geschenk seines Geistes der innere Pädagoge seiner Jünger, ist es angebracht, die Aufmerksamkeit auf einen Grundsatz zu lenken, der die pastorale Verwendung des Katechismus der Kathohschen Kirche inspirieren kann und von dem es im Abschnitt 169 seines Textes heißt: „Das Heil kommt nur von Gott, aber da wir das Glaubensleben durch die Kirche erhalten, ist sie unsere Mutter: ,Wir glauben an die Kirche als die Mutter unserer Wiedergeburt und nicht an die Kirche als die Urheberin unseres Heils’ (Fausto di Riez, De Spiritu Sancto 1,2). Als unsere Mutter ist sie auch unsere Erzieherin im Glauben.” 5. Der neue Katechismus wird den Hirten und den Gläubigen gegeben, damit er, wie jeder wahre Katechismus, zu jenem Glauben erzieht, den die katholische Kirche bekennt und verkündet. Er ist daher ein Geschenk für alle: Er ist an jeden gerichtet, und es muß alles getan werden, damit er alle erreicht. Die außergewöhnliche Aufnahme, die er unter der christlichen Bevölkerung gefünden hat, sollte als zusätzlicher Aufruf und als Ermunterung zu dieser dringlichen Verpflichtung der ganzen Kirche gelten. Aufgrund seiner bemerkenswerten Vollständigkeit wird dieser Katechismus auch „typisch” und „beispielhaft” für die anderen Katechismen als zuverlässiger Anhaltspunkt für die Unterweisung in der kathohschen Glaubenslehre und in ganz besonderem Maße für die Ausarbeitung der örtlichen Katechismen. Er kann nicht nur als ein Vorstadium für die Ausarbeitung der Ortskatechismen angesehen werden, sondern er ist vielmehr für alle Gläubigen bestimmt, die fähig sind, ihn zu lesen, ihn zu verstehen und ihn in ihr christliches Leben aufzunehmen. In dieser Hinsicht wird er die Stütze und die Grundlage für die Abfassung neuer katechistischer Werkzeuge, die die verschiedenen kulturellen Gegebenheiten berücksichtigen und zugleich mit großer Sorgfalt die Einheit des Glaubens und die Treue zur kathohschen Lehre bewahren sollen (vgl. Fidei depositum, Nr. 4). 6. Die Synode von 1977 über die Katechese hat mit Recht unterstrichen, daß Evan-gehsieren eine dynamische Initiative ist: Es handelt sich darum, das Evangelium in 882 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Kulturen zu inkamieren und die wahren Werte dieser Kulturen in das Christentum aufzunehmen (vgl. Botschaft an das Volk Gottes, 5). Das bedeutet, daß die Katechese den Auftrag hat, das im Katechismus der Katholischen Kirche enthaltene „depositum fidei” zu bewahren und vollständig weiterzugeben, und ein aktiver Faktor in der Inkulturation des Glaubens zu werden. Um für diese Inkulturation den Weg zu weisen, ist es unumgänglich, daß die Katechese den Katechismus der Katholischen Kirche im Licht der grundlegenden Glaubenswahrheiten und der drei großen Mysterien des Heils verwendet: die Geburt des Herrn, die den Weg der Menschwerdung zeigt und den Katechisierenden veranlaßt, sein Leben mit demjenigen zu teüen, der katechisiert wird, und von ihm alle möglichen positiven Elemente aufzunehmen wie Geschichte, Brauchtum, Traditionen und Kultur; Ostern, das durch das Leiden zur Reinigung von Sünden führt und zur Befreiung jeder Kultur von der Torheit des Bösen und von der Gebrechlichkeit der natürlichen Begrenztheit; Pfingsten, das durch die Gabe des Heiligen Geistes allen ermöglicht, die Wunderwerke Gottes in ihrer eigenen Sprache zu verstehen und so neue Wirkungsbereiche für den Glauben und ihre Kultur zu erschließen. 7. Zweifellos identifiziert sich der christliche Glaube mit keiner bestimmten Kultur, da er über ihnen steht, wenn er sich praktisch auch in die verschiedenen Kulturen inkamieren läßt. Das bedeutet, daß in jedem katechistischen Prozeß die göttliche Initiative berücksichtigt und angenommen werden muß, die den Glauben unentgeltlich schenkt und die menschliche und kulturelle Ausdrucksweise fördert, die ihn vermittelt. „Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis, und er, der alles zusammenhält, kennt jeden Laut” (Welsh 1,7), er ist es, der unablässig jeder Kultur seine Gnade schenkt, um das Evangelium anzunehmen und zu leben. Den Glauben zu inkamieren ist nicht nur eine unumgängliche historische Notwendigkeit, sondern auch eine notwendige Bedingung, damit der Glaube gelebt, vertieft und weitergegeben wird. Das hat außerdem notwendigerweise eine reinigende Wirkung den Kulturen gegenüber. Es ist dem Worte Gottes eigen, dem Menschen die beiden Wege zu zeigen: den des Guten und den des Bösen, ihn aufzufordem, den alten Menschen abzulegen, um nicht mehr Sklave der Sünde zu sein (vgl. Rom 6,6-11), und den neuen Menschen anzulegen, geschaffen in Heiligkeit und Wahrheit. Dies setzt eine Katechese voraus, die zu einem tiefen Verständnis des Menschseins fähig ist und im Geist des Evangeliums im Hinblick auf das Reich Gottes die guten Fische von den schlechten zu unterscheiden weiß (vgl. Mt 13,48). Kurz, die Verwendung des Katechismus der Katholischen Kirche in der Katechese und den Ortskatechismen muß von diesem Prinzip der Communio geleitet werden: „Vereinbarkeit mit dem Evangelium und Gemeinschaft mit der Gesamtkirche” (.Redemptoris Mater, Nr. 54). Möge dieser Grundsatz, von dem eure Arbeit in diesen Tagen ausgegangen ist, euch auch in Zukunft weiterhin leiten und euch helfen, ein in hohem Maße verdienstvolles 883 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werk zu schaffen, nämlich: euren Gläubigen jene katechistischen Mittel zur Verfügung zu stellen, die den Anforderungen der heutigen Zeit entsprechen und geeignet sind, die Neuevangelisierung zu verwirklichen, jene Herausforderung, der die gesamte Kirche am Ende dieses Jahrtausends gegenübersteht. Möge euch bei dieser grundlegenden und schwierigen Aufgabe mein Segen begleiten und unterstützen, den ich euch, eurer Arbeit und den Kirchen, deren Vertreter ihr seid und für die ihr euch auf hochherzige Weise einsetzt, von Herzen spende. Das christliche Zeugnis in der gesellschaftlichen Diskussion wach halten Ansprache anläßlich des 25. Jahrestages der katholischen Tageszeitung „Avvenire” am 1. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Seid willkommen in diesem Haus, wo der Papst euch als geliebte Kinder und wertvolle Mitarbeiter empfängt, die ihren Einsatz an einer der entscheidenden Fronten der menschlichen Tätigkeit leisten. Ich grüße den Direktor, Lino Rizzi, dem ich für seine freundlichen Worte danke; mit ihm grüße ich den Vizedirektor, Dino Boffo, und alle Journalisten, die durch ihre Arbeit in den beiden Redaktionen in Mailand und in Rom jeden Tag die Zeitung „Avvenire” entstehen lassen. Ich grüße das Verwaltungspersonal und die Druckereiangestellten. Mit der ganzen Betriebsmannschaft grüße ich die Mitglieder des Verwaltungsrats, die euch begleitet haben. Besondere Bedeutung ist eurem Besuch durch die Anwesenheit von Kardinal Camillo Ruini und Erzbischof Dionigi Tettamanzi, dem Präsidenten und dem Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz, gegeben, die der fordernde Organismus und wichtigste Bezugspunkt dieses providentiellen publizistischen Unternehmens ist. Einen ganz herzlichen Gruß richte ich auch an den heben Erzbischof Ersilio Tonini. Die Tatsache, daß euch zu dieser Audienz viele Familienangehörige begleitet haben, ist ein wichtiges Zeichen von gemeinsam getragenem Einsatz und gemeinsamen Idealen. Sie beweist auch, daß eurer Unternehmen mehr als ein einfacher Betrieb ist; es ist vielmehr eine Arbeitsgemeinschaft, in der die Person der dort Tätigen so sehr mit einbezogen ist, daß auch die engsten Familienbande davon betroffen sind. Ja, gerade dank der Teilnahme der Familien können wir sagen, daß die Familie des „Avvenire”, ideell erweitert auf alle Abonnenten und Leser, hier wirklich anwesend ist. 2. Ich schätze es sehr, daß ihr aus Anlaß des 25. Jahrestages der Gründung der Zeitung beschlossen habt, diese Pilgerfahrt zum Grab des Apostels Petras zu unter- 884 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nehmen mit dem Wunsch, dessen Nachfolger zu begegnen. Damit bringt ihr den echten Glauben, der euch beseelt und eure Zugehörigkeit zur Kirche begründet, zum Ausdruck und bestätigt unmißverständlich die Identität eurer Zeitung. Eine katholische Identität, die in der verführerischen Begegnung mit der Aktualität jeden Tag neu gesucht und interpretiert werden muß, niemals jedoch geschwächt oder verleugnet werden darf. Mit der heutigen Initiative wolltet ihr euch auch in präziser und verbindlicher Weise auf die Ursprünge der Zeitung „Awenire” besinnen, die bekanntlich auf den wachen Geist und den entschiedenen Wunsch Papst Pauls VI. zurückgehen. Er sah die große Rolle eines Blattes, das den ganzen italienischen Katholizismus widerspiegeln, die Impulse der nachkonziliaren Erneuerung in allen Diözesen des Landes registrieren und die Ortskirchen zu einem fruchtbaren Dialog untereinander und mit der damals stark in Gärung begriffenen italienischen Gesellschaft bringen sollte. Die reiche Tradition eines sehr verbreiteten, aber bisweilen nicht von kirchturmpolitischen Mängeln freien Christentums mußte lernen, eine einzige Sprache zu sprechen. Sie bedurfte eines einheitlichen Laboratoriums, in dem Auseinandersetzung stattfinden und dank dem sie sich der öffentlichen Meinung des Landes stellen konnte. Sie brauchte einen Konvergenzpunkt, der dem Einfluß der Kirche in Italien stärkere Prägnanz verleihen würde. So entstand - unter den besten Voraussetzungen - die Zeitung „Awenire”. 3. Heute, 25 Jahre danach, bewahrt die glückliche und vorausschauende Intuition Pauls VI. noch all ihre Aktualität und ihren erneuernden Impuls, ja sieht diese in der geschichtlichen Situation, die Italien durchlebt, durch neue Motivationen gesteigert. Es sind dies in der Tat Jahre großer Veränderungen, wobei alles wieder zur Diskussion gestellt scheint. Die italienische Gesellschaft spürt die Notwendigkeit einer starken - vor allem moralischen - Erneuerung, die sehr fruchtbar sein kann, vorausgesetzt, daß die Wurzeln und Urgründe jener Kultur, die sich in zwei Jahrtausenden christlicher Geschichte gebildet hat, nicht aufs Spiel gesetzt oder verleugnet werden. Bei dieser Erneuerung sind die italienischen Katholiken, und mit ihnen „Awenire”, aufgerufen, ihren ganzen Beitrag zu leisten in einem Geist ehrlicher Zusammenarbeit mit jedem Menschen und allen Kräften der Gesellschaft, die für das Wohl der Nation arbeiten wollen. Man muß sich jedoch bewußt sein, daß in Italien heute eine Auseinandersetzung stattfmdet, die nicht nur politischer oder wirtschaftlicher Natur ist, sondern viel tiefergehend die Moral und Kultur erfaßt, wobei manchmal der Wert und die Fruchtbarkeit der christlichen Präsenz in Abrede gestellt oder in Zweifel gezogen werden. Von „Awenire” wird also ein hochrangiger Einsatz verlangt, und es muß eine wachsende Rolle spielen, um die Gewissen zu erleuchten und die Wahrheit der Tatsachen mit ungetrübter Klarheit bekanntzumachen, damit dem italienischen Volk ein Bezugspunkt geboten wird, der ihm hilft, zusammenzustehen, und damit das christliche Zeugnis in Italien in dem neuen moralischen, sozialen und institutionellen 885 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kontext, den zu schaffen es seinen Beitrag leisten muß, einen neuen Aufschwung nehme und seine einigende Kraft stärker entfalte, nicht zugunsten von Partikular-interessen sondern zum Wohl des ganzen Landes. Ermutigt und unterstützt daher die katholischen Laien, die sich ohne Verwechslung der Rollen dafür einsetzen, dieses Unternehmen voranzubringen, und fordert es, daß die besten Kräfte der Nation sich in seinem Umkreis zusammenfinden. 4. Es ist allerdings klar, daß eine diesen Aufgaben entsprechende Zeitung nicht improvisiert werden kann, nicht aus einem Zusammenwürfeln von Energien entsteht. Sie braucht - außer einem qualifizierten Konzept - dem Unternehmen gewachsene Mitarbeiter, professionell geschulte Journalisten, die auch auf der Ebene der spezifischen Verantwortung, die eure Tageszeitung charakterisiert, ihren Mann stellen. Was die Professionalität betrifft, dürft ihr es in nichts zu wünschen übrig lassen, so daß ihr den Vergleich mit jedem anderen Blatt aufnehmen könnt. Diese gewissenhafte Hingabe an die Anforderungen einer schwierigen Arbeit ist.es, die euch befähigt, mit den beschränkten finanziellen Mitteln, auf die „Awenire” zählen kann, die Herausforderungen einer harten Konkurrenz aufzunehmen. Und doch genügt das nicht. Es gilt, den Samen des echt Christlichen ständig keimen zu lassen, damit im täglichen Meinungswettstreit nicht der Beitrag, der Gesichtspunkt, das klärende Wort christlicher Inspiration ausbleibt. Die Begegnung mit Christus - „dem vollkommenen Vorbild des Kommunikators” (vgl. Communio et progressio, Nr. 126) - sei der Ausgangspunkt eures persönlichen und beruflichen Lebens. Und der Dienst am Menschen - an jedem Menschen, speziell dem am wenigsten vor Manipulierungen geschützten, in allen Phasen und Lagen des Lebens - muß euer Ziel und unveräußerlicher Inhalt der Mission des Journalisten sein. Ich würde nicht zögern, ihn in diesem Sinne einen Kämpfer zu nennen oder einen, der um der Würde und der Freiheit des Menschen willen nicht nachgibt. Mehr als das Geld, die Karriere, den Erfolg müßt ihr die Menschen, das Publikum, an das ihr euch wendet, lieben. Denn nur wenn ihr es liebt, könnt ihr es respektieren, es als erwachsen behandeln, als emstzunehmenden Gesprächspartner, als Subjekt und nicht als Objekt, dem das journalistische Produkt irgendwie zu verkaufen ist. Auf diese Weise könnt ihr in den Lesern die Sehnsucht nach der Freiheit wecken, vor allem nach der inneren Freiheit, die Unruhe angesichts eines erdrückenden und erstickenden Konformismus, den Durst, immer mehr zu wissen und die menschlichen Angelegenheiten immer tiefer zu verstehen. Wenn es wahr ist, daß die Pressefreiheit in gewisser Hinsicht der persönlichen Fähigkeit des Journalisten anvertraut ist, dann müßt ihr Journalisten der Zeitung „Awenire” so etwas wie ein kollektiver Schutz für die authentische Presse- und Meinungsfreiheit in unserem Land sein. 5. Um aber sein Ziel zu erreichen, braucht „Awenire” mehr als eine kompakte und motivierte Redaktion. Es darf ihm nicht an der Zustimmung des Publikums und vor allem der Mitglieder der christlichen Gemeinschaften, Priester, Ordensleute und 886 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Laien, fehlen. Wenn ihr auch gut daran tut, euch vorzunehmen, immer breitere Leserkreise zu erreichen, ihr Interesse und ihre Teilnahme zu wecken, so sind doch selbstverständlich eure ersten Ansprechpartner die Gläubigen, insbesondere die unter ihnen, die auf kirchlicher, sozialer oder politischer Ebene tätig sind, und die Jugendlichen, die ihre Verantwortung als Christen bewußt wahmehmen wollen. Wie sollte es auch möglich sein, sich im oft verflochtenen Geschehen unserer Tage der Inkulturation des Evangeliums zu widmen ohne die auch kulturelle Verbindung zur christlichen Gemeinschaft, ohne die Möglichkeit, die Soziallehre der Kirche direkt und unverzerrt zu kennen, ohne Rücksicht auf eine gedankliche Ausarbeitung, die richtungweisend sein kann zum Handeln? „Avvenire” ist der Wegbegleiter jeder bewußt christlichen Familie, ein unerläßliches Werkzeug für alle, die sich im Namen des Evangeliums in den vielen menschlichen Tätigkeiten engagieren. Recht betrachtet sollte „Avvenire” weniger als jede andere Zeitung Probleme mit der Verbreitung haben. Ich- vereinige daher gerne meine Stimme mit der der Italienischen Bischofskonferenz und appelliere an die Intelligenz und Sensibilität der italienischen Katholiken. „Avvenire” ist ein wertvolles Mittel, um dem Einfluß des Christentums in der italienischen Gesellschaft größere Bedeutung zu verschaffen. Die Diözesen sind, durch die Weisungen des Konzils und der nachfolgenden Dokumente des Hl. Stuhls ermuntert, aufgerufen, gerade durch die dynamische Erschließung der sozialen Kommunikationsmittel ein „kommunikatives Bewußtsein” reifen zu lassen. „Avvenire” muß daher in jeder Ortskirche eine bevorzugte Aufmerksamkeit erfahren, angefangen bei jener lombardischen Erde, wo die Zeitung ihre direktesten territorialen Wurzeln hat. Für die Ordensmänner und Ordensfrauen und für die Verantwortlichen und Mitglieder jeder kirchlichen Vereinigung und Bewegung soll so die katholische Tageszeitung ein beliebter Treffpunkt sein, der wegen der Berufenheit seiner Quellen gefragt ist und auch wegen des tägüch riskierten Bemühens um eine Synthese als Ausdruck der gesamten katholischen Welt Italiens und nicht nur eines Teils davon. Wie es euch Journalisten, die ihr doch von unterschiedlichen Bildungswegen und kirchlichen Erfahrungen herkommt, gelingt, euch gegenseitig zu bereichern und zu einer beachtenswerten kulturellen Synergie zu gelangen, so sollen die Mitglieder des weiten katholischen Vereinswesens, Distanzen und Kühle überwindend, sich in diesem Instrument wiedererkennen und es zur Gelegenheit täglicher Bildung werden lassen. 6. Eure - unsere - Zeitung wird erst 25 Jahre alt. Sie ist in der Blüte der Jugend, ihr sind Ziele immer größerer Verantwortung gesteckt. Werdet nicht mutlos vor der Größe des Unternehmens und vor den Schwierigkeiten, die es begleiten. Laßt nicht von dem Vorsatz ab, eine Zeitung mit Qualität, eine wirklich zuverlässige Zeitung zu machen. Seid beharrlich, auch wenn es scheinen sollte, daß das Publikum Produkte vorzieht, die Skandale liefern und nach Effekt haschen, und daß andere Her- 887 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ausgeber und andere Journalisten sich dieser verwerflichen Tendenz anschließen. Einige eurer Entscheidungen werden sich vielleicht nicht sofort bezahlt machen; ihr jedoch laßt nicht davon ab. Der Papst dankt euch für alles, was ihr auch im Dienst an seinem Amt tut, und ermahnt euch, dem euch ursprünglich Anvertrauten treu zu bleiben. Wie schon Paul VI. bei der Begegnung am 27. November 1971 gesagt hat, möchte auch ich, daß sich jedem Mitglied dieser Zeitungsfamilie die Erinnerung an die heutige Audienz einprägt als die einer „geistlichen Allianz” im gemeinsamen Dienst des Evangeliums, das in den neuen Areopagen der modernen Zeit (vgl. Redemptoris missio, Nr. 37) wirksam verkündet werden soll. In diesem Geist erteile ich euch meinen Apostolischen Segen zur Vermittlung himmlischer Gnaden. Bei der Jugend die Bereitschaft zur Annahme der Berufung wecken Botschaft zum 30. Weltgebetstag für geistliche Berufe am 2. Mai (Vierter Ostersonntag) vom 8. September 1992 Christus ist der gute Hirt, der „seine Schafe einzeln beim Namen ruft und ihnen vorausgeht” (Joh 10,3-4) Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt! Geliebte Brüder und Schwestern in aller Welt! 1. Christus ist der gute Hirt, der „seine Schafe einzeln beim Namen ruft und ihnen vorausgeht” (Joh 10,3-4). Wir, seine Herde, kennen seine Stimme und teilen seine Sorge, sein Volk zu sammeln, um es auf den Weg des Heils zu führen. An diesem 30. Weltgebetstag für geistliche Berufe wollen wir den Herrn inständig bitten, daß er seiner Kirche „Arbeiter des Evangeliums” sende. Unser Gebet muß beharrlich sein, reich an Hoffnung und voll der Liebe für unsere Brüder und Schwestern, die oft orientierungslos sind wie eine Herde ohne Hirt. 2. Ganz besonders möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die dringend notwendige Pflege der sogenannten „Grundlagen der Berufungen” ermöglichen. Dazu gehören: die Gewissensbildung, die Sensibilität für geistliche und moralische Werte, die Förderung und Verteidigung von Idealen wie der menschlichen Brüderlichkeit, der Heiligkeit des Lebens, der gesellschaftlichen Solidarität und der öffentlichen Ordnung. Dabei handelt es sich um eine Lebenshaltung, die es dem modernen Menschen gestattet, zu sich selbst zu finden, indem er sich die höheren Werte der Liebe, der Freundschaft, des Gebetes und der Betrachtung neu aneignet. Diese Welt, die von oft einschneidenden Wandlungen erschüttert wird, braucht mehr denn je das Zeugnis von Männern und Frauen guten Willens und gerade von Menschen, die sich den 888 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN höchsten und heiligsten geistlichen Werten verpflichten, damit unserer Zeit nicht das Licht der edelsten Errungenschaften des Geistes fehlt. Weit verbreitet ist heute eine Lebensweise, die junge Menschen dazu verleitet, sich mit bescheidenen Zielsetzungen zufriedenzugeben, welche weit unter ihren Fähigkeiten liegen. Doch wir alle wissen, daß ihre Herzen in Wirklichkeit unruhig und unerfüllt sind angesichts vergänglicher Errungenschaften: Sie sehnen sich danach, in der Wahrheit, Glaubwürdigkeit und Güte zu wachsen; sie warten auf eine Stimme, die sie beim Namen ruft. Diese Unruhe ist im übrigen wirklich ein Zeichen für die unaufgebbare Notwendigkeit einer Kultur des Geistes. Die Berufungspastoral von heute hat diese geschichtliche und kulturelle Dimension entfaltet, die nicht nur die Krise, sondern auch das Wiedererwachen von Berufungen deutlich macht. Deshalb ist es notwendig, eine Entfaltung der Berufungen zu fördern, die dieses tiefe Streben des Menschen zu erkennen und aufzugreifen weiß und ihn entdecken läßt, daß nur Christus ihm die ganze Wahrheit über sein Leben offenbaren kann. Er, der „in einzigartiger und unwiederholbarer Weise in das Geheimnis des Menschen eingedrungen” ist (Redemptor hominis, Nr. 8), „macht dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung” (Gaudium et spes, Nr. 22): Das Leben ist ein vollkommen unverdientes Geschenk, und außerhalb der Aussicht, sich selbst zu schenken, gibt es keine andere Art zu leben, die des Menschen würdig wäre. Christus, der gute Hirt, ruft jeden Menschen, sich in dieser Wahrheit zu erkennen. Die Berufung erwächst aus der Liebe und führt zur Liebe, weil „der Mensch nicht ohne Liebe leben kann” {Redemptor hominis, Nr. 10). Auf dieser Entfaltung der Berufung gründet die neue Lebensweise, die ein Leben in Dankbarkeit, im Beschenktwerden, im Vertrauen und Verantwortungsbewußtsein ist; im Grunde ist es eine Lebenshaltung der Sehnsucht nach Gott, welche die Gnade schenkt, den Menschen um seiner selbst willen zu schätzen und ohne Unterlaß seine Würde gegenüber allem zu verteidigen, was ihn an Leib und Seele unterdrücken kann. 3. Wenn Christus „zu den Menschen als Mensch spricht” {Redemptor hominis, Nr. 7) und sich menschlichen Ordnungen anpaßt, dann wird auch die Kirche eine einfache Sprache sprechen müssen, die dem Empfinden junger Menschen entspricht, und sich dabei vernünftigerweise aller modernen sozialen Kommunikationsmittel bedienen, um ihre Ausdrucksweise noch ansprechender und verständücher zu machen. Notwendig ist es, daß die Jugendpastoral eine ausdrückliche Berufungspastoral ist mit dem Ziel, in den jungen Menschen das Bewußtsein für den göttlichen „Ruf’ zu wecken, damit sie die Schönheit der Hingabe an ein festes Lebensziel erfahren und spüren. Ferner wird jeder Christ seine Mitarbeit bei der Förderung der Berufungen dadurch beweisen müssen, daß er seinen Verstand und sein Herz einsetzt, um zu erkennen, was gut für den Menschen ist; das heißt, ob er mit dem Geist der Unterscheidung die Zweideutigkeit des Fortschritts zu erkennen weiß, die Pseudowerte, 889 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Gefahren von Scheinwelten, die uns gewisse Gesellschaften vorgaukeln, die Versuchungen des Materialismus oder anderer vergänglicher Ideologien. 4. Vor allem wende ich mich an euch, liebe Jugend! Laßt euch ansprechen von der Liebe Christi, erkennt seine Stimme, die im Tempel eures Herzens erklingt. Nehmt seinen erhellenden und tiefgehenden Blick in euch auf, der vor eurem Lebensweg den Horizont der Sendung der Kirche öffnet, die sich heute mehr den je bemüht, den Menschen über sein wahres Sein, sein Ziel, sein Schicksal zu belehren und den Gläubigen den unaussprechlichen Reichtum der Liebe Christi zu verkünden. Habt keine Angst vor seinen anspruchsvollen Forderungen; denn Christus, der euch zuerst geliebt hat, ist bereit, euch alles zu schenken, was er von euch verlangt. Wenn er viel fordert, dann deshalb weil er weiß, daß ihr viel geben könnet. Ihr jungen Menschen, heißt die Kirche, die Welt jung zu erhalten! Antwortet auf die „Kultur des Todes” mit der „Kultur des Lebens”! Ich bitte euch, Bischöfe der Kirche Gottes, dem sozialen Gefüge der christlichen Gemeinschaft mit Hilfe einer Evangelisierung der Familie neue Kraft zu geben und den Laien zu helfen, daß sie in der Welt der Jugend die Werte wie Zielstrebigkeit, Gerechtigkeit und christliche Liebe stärken. Ich wende mich auch an alle, die - wenn auch in unterschiedlicher Weise - berufen sind, die Entfaltung der Berufungen zu formen und zu vertiefen: an die Theologen, damit diese Entwicklung vor allem ein solides theologisches Fundament hat; an die Medienleute, damit sie es verstehen, mit den Jugendlichen einen Dialog anzuknüpfen; an die Erzieher, daß sie auf ihre Erwartungen und ihre Empfindungen die rechten Antworten finden; an die geistlichen Leiter, damit jedem geholfen wird, die Stimme zu erkennen, die ihn beim Namen ruft. Und schließlich wende ich mich an euch, die ihr schon dem Herrn geweiht seid, und zwar insbesondere an euch Priester: Ihr habt bereits den Anruf des guten Hirten gehört und erkannt, leiht eure Stimme dem, der auch heute noch viele in seine Nachfolge ruft! Sprecht eure Jugendlichen an, laßt sie die Schönheit der Nachfolge des Herrn erfahren, und begleitet sie auf dem oft schwierigen Lebensweg; vor allem aber gebt durch euer Leben Zeugnis von der Freude, im Dienst Gottes zu stehen. 5. Und nun laßt uns gemeinsam beten: Herr Jesus Christus, guter Hirt unserer Seelen, der du deine Schafe kennst und weißt, wie du die Herzen der Menschen rühren kannst, öffne Herz und Sinn der jungen Menschen, die auf der Suche sind und auf ein Wort der Wahrheit für ihr Leben warten. Laß sie spüren, daß sie nur im Geheimnis deiner Menschwerdung das wahre Licht finden. Erwecke den Mut derer, die wissen, wo die Wahrheit zu finden ist, aber fürchten, daß dein Anspruch zu hoch sein könnte. Rüttle die Herzen jener Jugendlichen auf, die dir folgen möchten, aber ihre Unsicherheiten und Ängste nicht überwinden können und schließlich anderen Stimmen folgen und Wege gehen, die Sackgassen sind. Du Wort des Vaters, Wort, das Leben schafft und rettet, Wort, das erleuchtet und die Herzen stärkt, besiege mit deinem Geist die Widerstände und das 890 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zaudern der unentschlossenen Herzen. Erwecke in denen, die du rufst, den Mut zu einer Antwort der Liebe: „Hier bin ich, sende mich!” (Jes 6,8). Jungfrau Maria, junge Tochter Israels, geleite in deiner mütterlichen Liebe jene jungen Menschen, die der Vater sein Wort hören läßt. Hilf denen, die schon geweiht sind. Mögen sie mit dir das Ja einer freudigen und unwiderruflichen Hingabe erneuern. Amen. Dazu erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. Castel Candolfo, am 8. September 1992, dem Geburtsfest der seligsten Jungfrau Maria. Christus: einziger Mittler zwischen Gott und den Menschen Predigt bei der Weihe von 29 Priestern für die Diözese Rom am 2. Mai 1. „Ich bin die Türe zu den Schafen” (Joh 10,7). Die österliche Liturgie vom Guten Hirten kommt in zwei Bildern zum Ausdruck, die einander ergänzen. Christus sagt von sich selbst: „Ich bin der gute Hirt” (Joh 10,11). Der Antwortpsalm gestaltet ebenso wie der Abschnitt aus dem ersten Brief des hl. Petrus gerade dieses liturgische Bild weiter aus: Der gute Hirt geleitet seine Herde auf grüne Auen, verschafft ihr im richtigen Augenblick Nahrung und Trank, beschützt sie in der Gefahr und verteidigt sie angesichts des Feindes. Der gute Hirt ist vor allem bereit, auch sein Leben für die Schafe hinzugeben. Gerade darauf besteht der erste Brief des hl. Petrus. Er spricht von den Leiden Christi: „Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt” (1 Petr 2,24-25). 2. Gerade hier fügt sich das zweite Bild in die Gesamtheit des liturgischen Gedankens ein: Das Bild von Christus, der „Türe zu den Schafen”. Der gute Hirt führt nicht nur seine Herde, indem er sie einlädt, seinen Spuren zu folgen (vgl. Joh 10,4); er führt sie sogar durch die Türe. Es gibt also einen Ort, an dem die Herde Zuflucht findet, eine Art Unterstand, wo die Schafe verweilen und sich von den Mühen des Weges ausruhen können. Er selbst ist die Türe. Christus sagt: „Ich bin die Türe zu den Schafen ... wer durch mich hineingeht, wird gerettet” (Joh 10,7.9). „Gerettet”, d. h., er wird das Leben haben und wird es in Fülle haben (vgl. Joh 10,10). Christus, der Gute Hirt, ist die Türe zum Heil der Menschheit geworden, denn „er hat unsere Sünden ... auf das Holz des Kreuzes getragen” (1 Petr 2,24). 3. Am Pfingsttag fragten die Zuhörer des Apostels Petrus vor allem nach der Türe, die sie durchschreiten müßten, um zum Heil zu gelangen. Die Frage lautete: „Was sollen wir tun, Brüder?” (Apg 2,37). Und Petrus antwortete: „Kehrt um, und jeder 891 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden” (Apg 2,38). Es ist also klar: Die Türe durchschreiten, die Christus ist, heißt sich bekehren. Sich bekehren heißt wiederum, die Taufe empfangen. Die Taufe ist die Türe die Kirche. Durch sie wird der Mensch in das vom Blut Christi erwirkte Heil eingeführt. Christus hat die Taufe eingesetzt. Er selbst, der Gekreuzigte und Auferstandene, ist durch die Taufe die Türe zum Heil der Menschen. In der Taufe wird uns der Heilige Geist geschenkt. Wenn die Menschen, die ohne ihr Verschulden diesen Weg zum Heil und diese Türe nicht kennen, dennoch den Heiligen Geist empfangen, auch dann bleibt Christus für sie die Türe, denn unter dem Himmel gibt es keinen anderen Namen, durch den wir gerettet werden sollen (vgl. Apg 4,12). Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen. 4. Die Priesterweihe empfangen heute in der Petersbasilika die Diakone der Kirche, die in Rom ist, in jenem Rom, in welchem am Anfang einer langen Reihe von Hirten und Bischöfen Petrus steht, der Apostel Christi und sein Zeuge bis zur Verheißung des Blutes. Er war es, der als erster die „verirrten Schafe” der antiken Welt zu Christus bekehrte, dem „Hirten und Bischof der Seelen” (1 Petr 2,25). Liebe Söhne, ihr werdet in dem Jahr geweiht, in dem die römische Diözesansynode zum Abschluß gelangt: Ihr seid nun bemfen, unter euren Brüdern und Schwestern Verkündiger und glaubwürdige Zeugen für das Evangelium, das Wort der Wahrheit und des Lebens, zu sein. Es erwartet euch die Stadt Rom, die Christus durch euren Dienst empfangen will. Es erwartet euch die weite Welt, die auf geheimnisvolle Weise dieser Stadt verbunden ist. Das Päpstliche Römische Seminar, das Seminar „Redemptoris Mater” und das Priesterbildungszentrum an der Wallfahrtsstätte „Unsere Liebe Frau von der Göttlichen Liebe” (Madonna del Divino Amore), wo ihr eure Ausbildung erhalten habt, teilen heute eure Freude und danken Gott gemeinsam mit euch. Ebenso danken Gott eure Verwandten und alle, die, euch als Freunde oder Angehörige der kirchlichen Gemeinschaft verbunden, heute in dieser Basilika versammelt sind und euch auf dem Weg zum Priestertum begleitet haben. Die Gnade dieses Tages möge sich auch auf eure Seminare, auf eure Familien, eure Freunde und die ganze Kirche Gottes in Rom erstrecken. 5. Liebe Neupriester! Die Handauflegung und das Gebet dessen, der in Rom der unwürdige Nachfolger des hl. Petras ist, übertragen auf euch die Gnade und den sakramentalen Charakter des Amtspriestertums. Jeder Bischof erfüllt sein Amt als „Statthalter Christi”. Der Bischof von Rom wurde im Lauf der Geschichte auch als „Statthalter Petri” bezeichnet. 892 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Betrachtet beim Empfang der Priesterweihe in der Tiefe eures Herzens das Geheimnis vom Guten Hirten, der Türe zu den Schafen, damit ihr immer mehr des Schatzes würdig werdet, der euch nun anvertraut wird. Er, der in euch dieses gute Werk begonnen hat, möge es auch vollenden. Amen! Sprache der Natur wahrnehmen und vermitteln Ansprache an den Skilehrerverband am 3. Mai Meine Damen und Herren! 1. Herzlich willkommen im Haus des Papstes! Mit großer Einfachheit und Herzlichkeit haben Sie auch diesen Besuch beim Nachfolger Petri in das Programm Ihres internationalen Treffens der Präsidenten und offiziellen Vertreter der nationalen Skiverbände eingefügt. Gerne habe ich Ihrem Wunsch entsprochen. Dieses Treffen mit Ihnen erinnert mich an die Berge, an den in der Sonne glänzenden Schnee und die Erhabenheit der Alpenlandschaft. Die Berge sind wirklich etwas Wunderbares, die uns dem göttlichen Geheimnis näherbringen. Natürlich fehlt ihnen auch eine gewisse Härte nicht, und sie bergen eine Vielzahl von Gefahren. Daher erfordert der Sport, in dem Sie Meister sind, nicht weniger als andere, Bescheidenheit im Erlernen und beständiges Training: weder auf physischer noch auf geistiger Ebene läßt sich Großes und Schönes verwirklichen, ohne den Engpaß einer Askese zu überwinden, die stärkt und abhärtet und auf anspruchsvollste Aufgaben und höchste Ideale vorbereitet. Ich wünsche Ihnen nicht nur, den Zauber der prachtvollen Natur, die Sie gewöhnlich umgibt, in vollem Maße zu genießen, sondern auch die herausragende Bedeutung jener ihr eigenen „Besonderheit” zu erkennen, da sie zutiefst vom Schöpfer geprägt ist. 2. Zur Natur zurückkehren und sich eine Zeitlang dem hektischen und manchmal zwängenden Rhythmus der Stadt zu entziehen, ermöglicht jene alte und doch immer wieder neue Sprache nachzuvollziehen, die mittels der Schönheit den Menschen zur Schwelle des Mysteriums Vordringen läßt. Wenn es uns doch gelingen würde, um uns herum und in uns eine solche Stille zu bewahren, um jene Sprache zu verstehen und sie zu unserem Herzen sprechen zu lassen! Dann würden wir spontan und unweigerlich dem Lob des Psalmisten zustimmen: „Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde; über den Himmel breitest du deine Hoheit aus” (Ps 8,2). Dann würden wir jene tiefe Wahrheit erkennen, die uns das Buch der Weisheit lehrt, von der auch der Apostel Paulus spricht: „denn von der Größe und Schönheit der Geschöpfe läßt sich auf ihren Schöpfer schließen” (Weish 13,5; vgl. Röm 1,19-20). Verehrte Damen und Herren, ich hoffe von ganzem Herzen, daß Ihre begeisternde Arbeit, durch die Sie mit vielen Personen, insbesondere mit jungen Menschen, in 893 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kontakt kommen, sich nicht lediglich auf die Weitergabe technischer Fähigkeiten beschränkt, sondern zu jenem Zeugnis erhöht wird* das Ihnen ermöglicht, in jedem einzelnen die Fähigkeit zu wecken, die Sprache der Natur wahrzunehmen und zu verstehen. Mögen diejenigen, die in der weißen Pracht des Schnees auf Ihre berufliche Kompetenz treffen, nicht nur die Fähigkeit und den Rausch der Geschwindigkeit erlernen, sondern vielmehr auch die Notwendigkeit eines von Transparenz und inneren Gleichgewichts beseelten Lebens erkennen. Mögen Sie nicht nur Skilehrer, sondern auch Lehrer des Lebens sein. Vor allem die jungen Generationen werden Ihnen dafür danken, denn sie brauchen im Hinblick auf den heutigen Mangel an Werten mehr denn je nicht nur kompetente Skilehrer, sondern auch überzeugende Beispiele eines bedeutungsvollen und von Wahrheit und Liebe erfüllten Lebens. Gerne erteile ich allen meinen Apostolischen Segen. Gardedienst als Glaubenszeugnis Predigt während der Eucharistiefeier mit der Schweizergarde am 6. Mai Liebe Schwestern und Brüder! 1. Seit den Anfängen der Päpstlichen Schweizergarde verbindet Euch, liebe Gardisten, mit dem heutigen Tag eine ungebrochene Tradition, die Euch an den besonderen Einsatz um Wohl und Leben der Nachfolger des hl. Petrus erinnert. So ist es auch in diesem Jahr für mich eine besondere Freude, mit Euch, Euren Angehörigen und Freunden die Eucharistie zu feiern. Ein besonderer Willkommensgruß soll an diesem Morgen den jungen Rekruten gelten, die durch ihre heutige Eidesleistung in Euer Korps eingegliedert werden und sich verpflichten, während einiger Jahre ihres Lebens mit diesem verantwortungs- und ehrenvollen Dienst eine zutiefst kirchlichen Auftrag zu übernehmen. Ihr habt Euch entschlossen, hebe Rekruten, auf diese Weise Zeugnis von Eurem Glauben abzulegen und der Welt gegenüber „Farbe zu bekennen”: dafür gilt Euch mein aufrichtiger Dank. 2. Die Lebensverhältnisse unter den Menschen, auch unter den Jüngern Jesu, waren in biblischer Zeit kaum anders als heute. In der Tat berichtet die Heilige Schrift, wie sich einige Gefolgsleute mit Paulus zunächst auf den Weg machten, sich aber später wieder von ihm trennten und ihre eigenen Wege gingen. Auch wird nicht immer vollkommene Harmonie unter ihnen geherrscht haben, zu unterschiedlich waren die Temperamente und Interessen. Doch ging von den Jüngern, die sich im Dienst des Herrn auf den Weg gemacht hatten, um den Glauben der jungen Kirche zu verkünden, eine anziehende und einladende Überzeugungskraft aus: Wenn ihr ein Wort des Trostes habt, Brüder, dann redet (vgl. Apg 13,15). Und Paulus selbst ist es dann, der seinen Zuhörern darlegt, wie sehr Gott von allem Anfang an seinem auserwählten Volk nahe war und sich ihm im Auf und Ab seiner wechselvollen Geschichte, die 894 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN keineswegs von Schuld und Versagen frei war, als treuer Wegbegleiter erwiesen hat. Die letzte und endgültige Erfüllung dieser bleibenden Zusage Gottes an sein Volk, so bekennt Paulus, hat er uns in seinem Sohn geschenkt, den er der Welt, „der Verheißung gemäß,... als Retter geschickt” hat (Apg 13,23). 3. Wie schon die Verschränkung des Lebensschicksales mit dem Volk Israel vorgezeichnet hat, so ist uns in Christus Jesus endgültig vor Augen geführt worden, daß der Gott unseres Glaubens kein unnahbar entrückter Herrscher ist, sondern ein Diener und Knecht aller. Obwohl Johannes von ihm bekennt, nicht würdig zu sein, ihm auch nur „die Sandalen von den Füßen zu lösen” (Apg 13,25), hat er sich nicht gescheut, Leid, Trauer und Tod der Menschen zu teilen. Er versagte dabei niemandem seine Zuwendung und Liebe, obwohl er wußte, daß er „hintergangen” werden sollte (Joh 13,18) und seine Liebe nicht nur auf Gegenliebe stoßen würde. Doch „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn Hingabe, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat” (Joh 3,16). 4. Liebe Gardisten, von dieser Zuwendung Gottes zu uns Menschen in Jesus Christus trostreich und ermunternd Zeugnis zu geben, ist von allem Anfang an die Hauptaufgabe der Kirche gewesen. Auch in unseren Tagen müssen wir dabei, wie Jesus und seine Jünger selbst, mit Unverständnis, Entfremdung und Abwendung rechnen. Doch dürfen wir uns von der Zuversicht getragen wissen, daß wir durch den Herrn stets neu Kraft und Ermutigung erfahren, da wir uns von ihm gesandt wissen dürfen (vgl. Joh 13,20). An diesem Auftrag der Glaubensbezeugung nehmt Ihr in doppelter Weise teil. Zum einen habt Ihr Euch in den besonderen Dienst des Papstes gestellt, dem die Hirtensorge für die ganze Herde Christ anvertraut ist (vgl. Joh 21,16), zum anderen bekundet Ihr selbst durch Euren unmittelbaren Einsatz in den verschiedenen Aufgabenbereichen der Schweizergarde vor den Menschen, in wessen Dienst Ihr steht und von welchem Glauben Ihr erfüllt seid (vgl. 1 Petr 3,15). Besonders Euch, den jungen Rekruten, wünsche ich für die kommenden Jahre als aktive Angehörige der Päpstlichen Schweizergarde Freude in eurem Dienst, Stärkung eures Glaubens und die unverbrüchliche Zuversicht, daß es der Herr ist, der Euch gesandt hat und Euch auf Eurem Lebensweg begleiten wird. Die Kinder vor Schäden an Leib und Seele bewahren Ansprache an die Direktoren der Päpstlichen Missionswerke anläßlich des 150. Jahrestages des Päpstlichen Kindermissionswerkes am 6. Mai Herr Kardinal, liebe Freunde! 1. Ich möchte zunächst Kardinal Tomko, dem Präfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, herzlich für die Eröffnung dieser Begegnung danken, 895 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bei der er an den missionarischen Geist erinnert hat, den die Päpstlichen Missionswerke wachhalten, und an die geistige und materielle Hilfe, mit denen sie jene unterstützen, die das Evangelium allen Nationen verkünden. Voll Freude empfange ich euch, die Nationaldirektoren der Päpstlichen Missionswerke unter Führung von Msgr. Giuseppe Uhac, im Haus des Nachfolgers des Petrus, besonders aber eure Mitarbeiter beim Missionswerk der Kinder mit seinem Generalsekretär, Msgr. Henri Bodet. Durch euch möchte ich herzlich alle Mitglieder des Volkes Gottes grüßen, die beim universalen Missionswerk, das Christus seiner Kirche anvertraut hat, mitwirken. Besonders glücklich bin ich darüber, daß auch einige Kinder aus verschiedenen Ländern an dieser Begegnung teilnehmen. Liebe Jugendliche, Brüder und Schwestern im Glauben, berichtet euren Gefährten in der ganzen Welt von der Freude des Papstes, euch bei der Verkündigung der Frohbotschaft von Jesus beteiligt zu sehen und zu wissen, daß ihr euch gegenseitig über die Grenzen hinweg helft. In diesem Jahr 1993 ist unsere Begegnung von besonderer Bedeutung: Ihr feiert den hundertfünfzigsten Jahrestag des Päpstlichen Missionswerkes der Kinder. Ich danke mit euch für alles das, was Millionen von Kindern im Verlauf dieser 15 Jahrzehnte für das geistige und menschliche Wohl von Milhonen anderer jungen Brüder und Schwestern geleistet haben. Und ich ermuntere euch in eurem Wunsch, dem missionarischen Wirken der Kinder für ihresgleichen neuen Schwung zu geben. Ihr wollt die Kinder unterstützen in ihren Rechten, in der Würde ihres Menschseins zu leben und aufzuwachsen und ihre Berufung zu verwirklichen, Gott kennen und heben zu lernen. 2. Dies war 1843 auch die Inspiration des Gründers des Missionswerkes der Kinder, Msgr. Charles de Forbin-Janson, Bischof von Nancy. Er hatte die Aufrufe des Institutes für auswärtige Missionen in Paris und von Priestern in China verstanden, sich der verlassenen Kinder anzunehmen. Im gleichen Geist wie Pauline-Marie Jaricot wollte er die Gemeinschaften der Christen für diese dramatischen Verhältnisse in der Feme aufgeschlossen machen. Sein prophetischer Gedanke aber war, den Beitrag der Kinder aus den alten christlichen Kirchen zu erbitten, um so Kinder zu retten, die in den Missionsländem keine Entfaltungsmöglichkeiten hatten. Er gründete daher ein Werk, dessen Mitgheder Kinder sein sollten. Sie sollten anderen heidnischen und armen Kindern durch ihr Gebet, ihre persönlichen Opfer und das Hergeben ihres Geldes helfen. So wissen sich seit hundertfünfzig Jahren Kinder für das Heil ihrer Brüder und Schwestern verantwortlich; sie leben ihren Glauben in der Dimension der ganzen Familie der Christen und ihrer Sendung zum Evangelisieren; sie haben sich trotz der Entfernungen oder der völkischen und kulturellen Unterschiede füreinander geöffnet in der Hoffnung auf Frieden und Gemeinschaft, wie Christus, der Herr, sie geschenkt hat. 896 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Im Verlauf der Jahre wurde das Werk päpstlich und hat sich auf allen Kontinenten sowie in den Kirchen, die seit langem oder seit kurzem evangelisiert sind, verbreitet. Die Verlegung des Generalsekretariates nach Rom unterstreicht seinen universalkirchlichen Charakter. Die Weiterführung und Ausbreitung dieses Werkes ruhen auf dem beharrlichen Glauben Tausender von Bischöfen, Priestern, Ordensmän-nem und Ordensfrauen und Laien, die als Lehrer oder Katechisten tätig sind. Sie haben als kluge Erzieher auf die Großherzigkeit und den Glauben der Kinder vertraut, um sie am missionarischen Dienst der Kirche zu beteiligen. Sie haben sie verstehen gelehrt, daß eine Geste, wie klein sie auch sein mag, in den Augen Gottes unendliches Gewicht hat, wenn sie mit Liebe vollbracht wird. Tatsächlich wurden geistige und materielle Güter Jahr für Jahr unter den Kindern der Welt ausgeteilt, um den Glauben zu verbreiten, Zugang zur Schulbildung zu verschaffen sowie jene aufzunehmen und zu betreuen, die verlassen oder krank waren. Wir danken dem Herrn für alles evangelisierende Wirken, das der Herr gerade den Kleinsten in Liebe möglich gemacht hat. Hier sei auch die Patronin der Missionen, die heilige Theresia vom Jesuskind genannt, die dem Geist der Kindheit im Sinn des Evangeliums seine volle Größe zu geben verstanden hat. 4. Doch ich möchte auch euch, die Verantwortlichen des Missionswerkes der Kinder, in der Überzeugung bestärken, daß die Mitarbeit der Kinder bei der Evangelisierung für unsere Welt unersetzlich ist. Denn angesichts des Elends so vieler Kinder ist man versucht, sich zu fragen: Werden sie auf unserer Erde Liebe finden? Unermeßliches Leid läßt uns einen Alarmruf erheben. Wo ist die Liebe zu denen geblieben, denen man das Recht auf Leben verweigert? Die Liebe zu denen, die man tötet, verstümmelt oder einkerkert, weil sie auf der Straße umherirren? Die Liebe zu denen, die man schon in frühestem Alter durch Zwangsarbeit ausbeutet oder für perverse Zwecke zur Handelsware macht? Die Liebe zu denen, die der Hunger auf die Wege des Exils treibt? Die Liebe zu denen, denen man Waffen in die Hand gibt? Wo ist die Liebe zu jenen, die man ohne Schulbildung läßt oder zum Analphabetentum verurteilt? Wo ist die Liebe zu jenen, deren Familie zerstört oder vertrieben wurde? Welche Hoffnung können Kinder hegen, die im Materialismus gefangen sind, die nie zu einem moralischen und religiösen Leben erweckt und darin eingeführt wurden? Dabei werden diese Leiden immer noch schlimmer. Die Vereinten Nationen haben ebenso wie zahlreiche humanitäre Verbände auf die Schwere der Lage hingewiesen. Wird es gelingen, die Gewissen aufzurütteln und das Verhalten der Erwachsenen zu ändern? 5. Um der Treue zur Botschaft des Evangeliums willen, fordere ich die Katholiken auf, alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um der dramatischen Lage allzu vieler Kinder in der heutigen Welt abzuhelfen. Diese Verantwortung betrifft über die Mitglieder des Werkes hinaus die Familien, die Lehrkräfte und die Führungskräfte aller Teile der Gesellschaft, von denen die Zukunft der Kinder abhängt. 897 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerade weil es um eine Krise der Gewissen geht, um Situationen der Sünde gegen den Menschen und gegen Gott, müssen die Söhne und Töchter der Kirche in vorderster Front die Welt zur Bekehrung aufrufen und zu Reform jener Sitten, die unschuldige Seelen und Leiber töten oder entstellen. Das Evangelium mahnt die Erwachsenen, die die Welt steuern. Es bringt ihnen Kunde von der Größe und dem sakralen Charakter eines Kindeslebens. Christus, der Sohn Gottes, hat sich mit dem Kind identifiziert: „Wer ein Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf’ (Mt 18,5). 6. Das II. Vatikanische Konzil hat die bedeutende Rolle der Päpstlichen Missionswerke betont, „da sie Mittel darstellen, die Katholiken von Kindheit an mit einer wahrhaft universalen und missionarischen Gesinnung zu erfüllen” (Ad gentes, Nr. 38). An anderer Stelle hat es erklärt: „Auch die Kinder haben schon eine ihnen eigentümliche apostolische Betätigung. Ihren Kräften entsprechend, sind sie wahre Zeugen für Christus unter ihren Kameraden” (Apostolicam actuositatem, Nr. 12). Dies zeigt deutlich, daß der Grundgedanke des Kindermissionswerkes nichts von seiten Aktualität verloren hat. Deshalb ist es mir ein Anliegen, mich an die Mitglieder des Werkes, die Animatoren und die Kinder, zu wenden und ihnen erneut zu sagen, daß die Kirche große Hoffnungen auf die Fähigkeit der Kinder setzt, die Welt zu verändern. Sie glaubt, daß Kinder nicht nur passiv die Verhältnisse der Gesellschaft annehmen, daß sie vielmehr die Gegenwart mit aller Liebe zu erfüllen wissen, die Gott in ihr Herz hineingelegt hat. Die Evangelisierung ist durch sehr junge Zeugen gekennzeichnet, wie die drei Märtyrerkinder, die ich in Mexiko seligsprechen durfte. Sie wird dank der neuen Generation von Kindern weitergehen, die durch die Taufe zum Leben Gottes und zum Leben der Kirche, zumal in den jungen Kirchen, geboren werden. Sie hängen Christus mit allem Eifer an und zeigen eine große Hochherzigkeit für die Verkündigung der Frohbotschaft. 7. Liebe Freunde, bei Gelegenheit des in diesem Jahr gefeierten Gedenktages spreche ich in den Direktoren und den Animatoren des Päpstlichen Missionswerkes der Kinder in aller Welt meine herzliche Ermunterung aus. In der Sicherheit, daß die Gültigkeit eurer Aufgabe anerkannt ist, ruft alle Kinder zur Mitarbeit durch ihr Gebet und ihre Spenden für das Missionswerk der Kirche auf. Ich hoffe, daß ihr mit der Zusammenarbeit der verschiedenen Werke und katholischen Bewegungen für Kinder in allen Kreisen und in allen Ländern rechnen könnt. Ich vertraue euch ferner einen besonders treuen Wunsch an: daß die Erweckung der Kinder für ihre Rolle als aktive Zeugen der Frohbotschaft oft den Funken für eine Berufung wecke, sich einem noch höheren Dienst im Priestertum oder im Ordensleben zu weihen. Mögen Unsere Liebe Frau, die Märtyrer und Heiligen aller Kontinente Fürbitte ein-legen, damit die Kinder die aus Gnade erhaltenen Gaben geschwisterlich zu teilen 898 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wissen! Der Segen des Vaters aller Liebe, Jesu Christi, des treuen Zeugen, und des Heiligen Geistes, des Pfingstgeistes, stärke euch in eurem Dienst und erleuchte alle missionarisch eingestellten Kinder! Unter Lebensgefahr den Glauben bekannt Schreiben an den Generalabt der Prämonstratenser anläßlich der 850-Jahr-Feier der Ordens gründung vom 7. Mai An den hochwürdigsten Pater Marcello van de Ven, Generalabt des Ordens der regulierten Prämonstratenser Chorherren In der langen Reihe der Ordensleute, die Europa evangelisiert und sein kulturelles Erbe geformt haben, nimmt der Orden der regulierten Prämonstratenser Chorherren einen herausragenden Platz ein. In der Christnacht des Jahres 1121, an dem einsamen Ort Premontre brachte der heilige Norbert im Schoß des alten Chorherren-Or-dens eine neue Gemeinschaft hervor, deren Zweige sich rasch bis nach Mitteleuropa ausbreiteten. In der Nachfolge meines Vorgängers, des heiligen Papstes Gregor VII., vermittelte der heilige Norbert seinen geistlichen Söhnen neuen apostolischen Eifer, dessen Früchte die Kirche heute in fünf Erdteilen sammelt. In diesem Jahr 1993 feiert euer Orden die 850-Jahr-Feier der offiziellen Gründung der Prämonstratenser in Böhmen und des Beginns ihres Evangelisierungswerkes im Herzen Europas. Dieses Jubiläumsjahr wird vom gesamten Orden begangen, aber besonders in den fünf Abteien Strahov, Tepl, Zeliv, Nova RIse und Jasov, wo die Gemeinschaften erst vor kurzem wiedererrichtet wurden. Ich grüße mit Achtung und Bewunderung die Ordensleute, die nicht zögerten, in mehr als 45 Jahren der Vertreibung und Verfolgung und oft unter Lebensgefahr ihren Glauben an Christus und ihre Treue zu diesem Apostolischen Stuhl zu bekennen. Ihr Opfer war nicht umsonst, es ist der Keim für neue Berufe. Zu Beginn des 3. Jahrtausends ist diese Eingebung des heiligen Norbert immer noch aktuell. Die Wiedererrichtung eurer Gemeinschaften in Mitteleuropa geht Hand in Hand mit der Neuevangelisierung des Kontinents und der Welt. Der neue Eifer, der euch beseelt, macht euch zu Boten des Evangeliums des auferstandenen Christus, dieser Frohbotschaft, die fruchtbares Leben und wahre Freiheit bringt. Bereitet neue Wege, wie euer heiliger Gründer, damit die Botschaft des Evangeliums in die Herzen, die Mentalitäten, die Gewohnheiten und Kulturen eindringe und die aus der Unterdrückung befreiten Völker Christus, den Erlöser, annehmen. Von diesem Geist beseelt, werdet ihr der Gesellschaft die unerläßlichen Mittel zu ihrer Erneuerung liefert; ihr werdet die Erinnerung und das Gewissen Europas wachrütteln und zum Aufbau der Gesellschaft im Zeichen der Liebe beitragen. Ich hoffe, daß dieses Jubiläum für den gesamten Prämonstratenserorden eine Zeit der Erneuerung und ein Ausgangspunkt für eine neue apostolische Fruchtbarkeit 899 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sein möge. Um all dies zu erreichen, schöpft aus dem Schatz eures geistlichen Erbes, lebt nach dem Charisma des heiligen Norbert, erneuert eure Treue zu eurem Beruf. Wenn ihr eure alten und ehrwürdigen Abteien restauriert, sorgt vor allem dafür, daß eure Gebets- und Apostolatsgemeinschaften wiederhergestellt werden, die über acht Jahrhunderte lang fruchtbare und bedeutende Zentren waren. Der heilige Norbert und seine ersten Gefährten haben ihr Ideal in der Formel der kanonischen Profeß zum Ausdruck gebracht, die auch jetzt noch die eurige ist. Sie wollten das Evangelica institutio in die Praxis umsetzen und das Evangelium verkünden durch den Verzicht auf die Güter dieser Welt, so wie es der Herrn den Aposteln aufgetragen hatte. Das Ziel eures Ordens ist mehr denn je aktuell. Widmet ihm alle eure Kräfte mit unerschrockenem Mut, den nur Christus euch schenken kann. Die Menschen unserer Zeit haben oft ihren Bezugspunkt verloren, die Wertkrise macht sie hilflos angesichts der neuen Herausforderungen, mit denen sie durch die rasche Entwicklung der Gesellschaft konfrontiert werden. Durch euer Wort, durch das Zeugnis eures persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens vermittelt ihr ihnen die Liebe Christi und der Kirche. Durch euer Wort, durch das Eure Vorgänger wollten, getreu der Apostolica Insti-tiutio, jede Prämonstratensergemeinschaft zu einem Abbild der Urgemeinde von Jerusalem machen, die um die Apostel und die Jungfrau Maria versammelt war. Durch die Profeß der evangelischen Räte und das Gelübde der Beständigkeit dient ihr eurer Abteikirche, um dort die heilige Liturgie zu feiern, Gott das Lob der ganzen Kirche darzubringen und das christliche Volk um seinen Herrn zu versammeln. Eure Abteikirchen, eure Priorate, eure Pfarreien und eure Nonnenklöster mögen diese Sendung weiterführen, damit der Name Gottes in allen Herzen gepriesen werde und unsere Zeitgenossen bei euch Aufnahme, Bereitschaft und apostolischen Eifer finden mögen. Eure Stiftskirchen seien Häuser des Gebets und Glaubensschulen, offen für alle Menschen guten Willens. Als er die Prämonstratensergemeinschaft gründete, wählte der heilige Norbert die Regel des heiligen Augustinus. Die ersten Weisungen dieser Lebensregel unterstreichen das wesentliche Merkmal eurer Gemeinschaften: „Da ihr in diesem Kloster vereint seid, lebt einmütig in eurem Haus, seid eines Geistes und eines Herzens auf der Suche nach Gott” (I,.2). Die augustinische Gemeinschaft gründet auf der Liebe Gottes und auf dem Wunsch, ihn immer besser kennenzulernen, um ihn immer besser lieben zu können. Sie erfordert Einfachheit des Herzens, gegenseitige Liebe und Einheit der Geister auf der Suche des einen Notwendigen. Die Eucharistie ist die Quelle dieser Nächstenliebe und der Grund jeden Apostolats. Deshalb wollte der heilige Norbert, daß die Eucharistiefeier in der Mitte jeder Prämonstratensergemeinschaft der Höhepunkt des ganzen Klosterlebens sei. Der Prä-monstratenserabt Filippo di Buona Speranza erinnert uns daran: „Damit die Kirche in den Mühen des Weges nicht untergehe, hat sie eine wertvolle Hilfe, denn sie bewahrt das heilbringende Sakrament des Leibes Christi: Es scheint, als würde sie es aufbewahren, aber vielmehr bewahrt das Sakrament sie” (P.L., t. 203, 669). Durch 900 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den heiligen Norbert, dem ergebenen Sohn der Jungfrau Maria, vertraut der Mutter des Erlösers die Erneuerung eurer Kommunitäten, eure Ordensberufe, euer ganzes Apostolat und die gesamte Kirche an. Maria hat als erste das Wort angenommen, um es der Welt anzubieten. Sie möge eure Gemeinschaften zu glühenden Zentren der Neuevangelisierung machen. Während ich mich ganz besonders mit den Prämonstratensem Mitteleuropas anläßlich ihres Jubiläums vereine, bekräftige ich dem ganzen Prämonstratenseroden und jedem einzelnen von euch das Vertrauen des Nachfolgers Petri und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 7. Mai 1993, am Fest der Überführung des hl. Norbert in die Abtei Strahov. Joannes Paulus PP. II Weltweite Koordination der Forschung zum Wohl der Kinder Ansprache an den 4. Internationalen Kongreß über die Niere und ihre Krankheiten bei Neugeborenen am 7. Mai Geschätzte Damen und Herren! 1. Es freut mich, daß ich heute Sie alle, die Teilnehmer an dem 4. Internationalen Kongreß über die Niere und ihre Krankheiten bei Neugeborenen, empfangen kann, und ich danke von Herzen Prof. Luigi Cataldi, der mir kurz die Zielsetzungen Ihres Kongresses erklärt hat. Mit meinem herzlichen Gruß spreche ich zugleich den Organisatoren des Kongresses, den Mitgliedern des wissenschaftlichen Komitees, den Präsidenten, Moderatoren und Rednern sowie den Wissenschaftlern der Forschungsgruppe und den Familienangehörigen der Kinder, deren Nieren nicht normal arbeiten, meine lebhafte Wertschätzung aus. Diesen kleinen Patienten wird mit immer günstigeren Ergebnissen in den Spezialabteilungen der Fakultät für Medizin und Chirurgie der Klinik „Agostino Gemelli” der Katholischen Herz-Jesu-Universität - wo auch Ihr Studienkongreß stattfindet - und an anderen wohlverdienten Universitätsinstituten und in entsprechenden Hospitälern Hilfe zuteil. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich ferner an die bedeutenden Wissenschaftler, die aus anderen europäischen Ländern und aus Übersee hier zusammengekommen sind. 2. Die Aufmerksamkeit für die krankhaften Zustände, die sich kurz vor und nach der Geburt ergeben, ist eine unerläßliche Forderung an die medizinische Forschung, wenn sie wirklich im Dienst des Menschen stehen möchte, und sie gründet sich auf 901 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eine ethische und moralische Entscheidung von höchstem Wert. Es ist in dieser Hinsicht bezeichnend, daß Ihre Arbeiten mit einem Vortrag über „Die Bioethik der Nierenleiden bei Kindern” eröffnet wurde. Gewiß besitzt die wissenschaftliche Kenntnis ihre eigenen Gesetze, an die man sich halten muß. Doch wie ich in einem ähnlichen Zusammenhang gesagt habe, „ist die Wissenschaft nicht der höchste Wert, dem sich alle anderen Werte unterordnen müßten. Noch höher auf der Werteskala steht das persönliche Recht des einzelnen auf sein physisches und geistiges Leben, auf seine psychische und funktionale Integrität” (Ansprache an zwei Kongresse flir Medizin und Chirurgie am 27. Oktober 1980: Insegnamenti, vol. III/2, 1980, p. 1007). Jeder weiß, daß die Sorge der Kirche und ihres Lehramtes nicht im Namen einer besonderen Zuständigkeit auf dem Gebiet der Experimentalwissenschaften ausgesprochen wird, sondern um den „Vorrang der Ethik vor der Technik”, den „Primat der Person über die Dinge” und die „Überordnung des Geistes über die Materie” zu betonen (Redemptor hominis, Nr. 16). Ich schätze daher die strenge Methode bei Ihren Arbeiten, denn davon können die eigentlich wissenschaftlichen Instanzen nur einen positiven und bezeichnenden Impuls empfangen. Das Mühen der Forschung um Kinderkrankheiten ist ein qualifizierter Dienst an der Person des Menschen in einer entscheidenden und überaus gebrechlichen Phase seiner Entwicklung. Dieses Mühen erweist sich als würdiger Ehrenerweis der menschlichen Intelligenz dem Geheimnis des Lebens gegenüber. „Das menschliche Leben ist heilig, weil es von Anfang an das schöpferische Wirken Gottes in sich trägt, und es bleibt für immer in einer besonderen Beziehung zum Schöpfer, seinem einzigen Ziel” (Instruktion Donum vitae, Einleitung, Nr. 5). 3. Recht häufig hat das schmerzliche und leider verbreitete Vorkommen von Niereninsuffizienz, auch schon in sehr jungem Alter, Wurzeln, die man schon vor der Geburt und in der Zeit um die Geburt feststellen kann. Die frühzeitige Diagnose ist eine wesentliche Voraussetzung zur entsprechenden Vorbeugung. Sie bildet zugleich eine vorzügliche Vorbedingung dafür, daß die Heilverfahren weniger schmerzlich und weniger belastend für so viele Familien praktiziert werden können, die von dem ernsten Problem der durch schwere Mißbildungen der Niere hervorgerufenen Krankheiten betroffen sind. Dank der fruchtbaren Arbeit der wissenschaftlichen Gesellschaften und der Verbände, die auf diesem Gebiet tätig sind, ließ sich in den letzten Jahren tatsächlich bei Kindern eine tröstliche Verminderung der Fälle von chronischer Niereninsuffizienz feststellen. Der harte Weg des Dialysepatienten kann schon in der Kindheit beginnen und eine Lage verdunkeln, deren soziale Auswirkungen immer mehr Sorge bereiten. Es ist also dringend notwendig, die Zahl der auf Dialyse angewiesenen Kinder weiter zu verringern, wenn wir bedenken, welches Ausmaß diese Krankheit bei Erwachsenen angenommen hat. Es geht um eine Krankheit, die mehr als andere die Familien und damit die Gesellschaft einbezieht, die nicht immer die angemessenen Geräte für die 902 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Behandlung zusichem kann. Jeder Fortschritt erfordert freilich bei allen ein wachsendes Bewußtwerden der wirklichen Schwere der Lage, damit eine Gesundheitspolitik betrieben wird, die die Forschung und Mitarbeit von immer mehr Institutionen zum Dienst am Leben und an seiner Qualität begünstigt. Die Kirche ist für solche Probleme aufgeschlossen: Ein weiteres Zeichen für ihre Aufmerksamkeit ist die Tatsache, daß die kommende 8. Internationale Konferenz des päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst das Thema haben wird: „Das Kind und die Zukunft der Gesellschaft.” 4. Geschätzte Damen und Herren! Die Katholische Herz-Jesu-Universität, die seit mehreren Jahren den Kongreß der Studiengruppe über die Niere und ihre Krankheiten bei Neugeborenen organisiert, weiß sich stark auf dem Gebiet der Vorbeugung und Heilung der Mißbildungen von Nieren engagiert. Das Zusammentreffen dieser jährlichen Tagung mit dem 4. Internationalen Kongreß über die Niere und ihre Krankheiten bei Neugeborenen bestätigt die Wichtigkeit der Koordinierung und Zusammenfassung der in aller Welt tätigen Kräfte, und das in einer Zeit, in der sehr viel mehr als in anderen Epochen der Geschichte eine gefährliche und diskriminierende Auffassung von der Gesundheit und ihrer Förderung den Weg für Versuchungen und sogar für Gesetze öffnet, die gegen das Leben und die Würde der Person gerichtet sind. Die Schwere der Krankheit sowie ihre menschlichen, persönlichen und sozialen Kosten, das Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, die das Warten auf eine Nierenverpflanzung zuweilen dramatisch und nutzlos machen, entheben die Wissenschaft in Forschung und Praxis nicht der Pflicht, ihre Anstrengungen zu vervielfältigen. Durch Initiativen wie Ihren Kongreß ist sie sogar aufgerufen, die öffentliche Meinung und die für die Gesundheit Verantwortlichen anzuregen, die Errungenschaften im Dienst am Leben zu fördern und zu ermutigen. Im Rahmen dieses Bemühens, das von allen mitgetragen werden muß, wird Ihr Beruf zu einer Sendung, Ihre Liebe zu den kleinen Patienten zu einem echten Ausdruck des Dienstes am Leben und Ihr Wille, angesichts zahlreicher Schwierigkeiten nicht aufzugeben, zum beispielhaften Zeugnis menschlicher Solidarität. Ich spreche Ihnen daher meine aufrichtige Ermunterung und Dankbarkeit für Ihren Einsatz zugunsten einer so hohen Aufgabe aus. Ich begleite diese Wünsche mit der Versicherung meines ständigen Gebetsgedenkens. Ein besonderes Bittgebet richte ich an den Herrn für die Familienangehörigen der kleinen Kranken, daß sie auf die Fürsprache Mariens, der Mutter Gottes und der Menschen, jeden Tag die Kraft finden, von christlicher Hoffnung gestützt, die schmerzliche Prüfung, die sie durchmachen, zu meistern. An alle richte ich meinen herzlichen Gruß und Segen. 903 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Familienpolitik als Schlüssel der Gesamtpolitik Ansprache an die Italienische Bischofskonferenz am 13. Mai 1. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen” (1 Petr 1,3-4). Ich wende mich an euch, verehrte Mitbrüder mit den Worten des ersten Petrusbriefes: Preisen wir gemeinsam den Vater für die Gaben, die er uns durch die Auferstehung Jesu Christi, zumal durch die Gabe der Wiedergeburt in der Taufe, der unerschöpflichen Quelle der Hoffnung, geschenkt hat. Aus dieser lebendigen Hoffnung entspringt die Freude, auch die Freude über unser erneutes Zusammensein in der Gemeinschaft mit Christus und untereinander. Mit lebhafter Befriedigung empfange ich euch, hebe Brüder, im Verlauf eurer Versammlung, die euch beim Grabe des Petrus vereint sieht. Diese unsere so sehr herbeigewünschte Begegnung stellt für mich einen weiteren Beweis für das besondere Band dar, das die italienischen Bischöfe mit dem Bischof von Rom verbindet. Einem jeden von euch entbiete ich in brüderlicher Zuneigung im Herrn den Friedensgruß. Ich freue mich, daß ich zumal euren Präsidenten, Kardinal Camillo Ruini, die drei Vizepräsidenten und den Generalsekretär, Msgr. Dionigi Tettamanzi begrüßen kann. Euch allen, verehrte Hirten der Kirchen in Italien, spreche ich meine solidarische Verbundenheit mit den Sorgen und Hoffnungen aus, die euren täglichen Dienst begleiten, vor allem in dieser heiklen Zeit, die die geüebte italienische Nation durchzumachen hat. Die geistliche Freude der heutigen Begegnung möge für einen jeden Anlaß zum Trost und eine Anregung sein, mit neuer Kraft im gemeinsamen Dienst für den auferstandenen Christus und in der Verkündigung seines Evangeliums fortzufahren. 2. Die Arbeiten eurer Generalversammlung gelten einem sehr bedeutsamen Text, dem „Direktorium für die Famihenpastoral”, der allen kirchlichen Gemeinschaften in Italien zur Verfügung gestellt werden soll, um „das Evangelium von der Ehe und der Familie zu verkünden, zu feiern und ihm zu dienen”. Er ist gedacht als „wesentlicher pädagogischer und pastoraler Entwurf für den Glaubensweg der Getauften in ihrer Berufung zur Ehe und für das Glaubensleben der Familie in Übereinstimmung mit dem Evangelium” (Direktorium 2). Das Direktorium stellt eine organische Zusammenfassung dar und legt erneut die sehr reiche Lehre vor, wie es zugleich die rechtzeitigen und weitblickenden pastora-len Weisungen gibt, die ihr, verehrte Mitbrüder, in gemeinsamen Dokumenten und in Schreiben an die Einzelkirchen in der nachkonziliaren Zeit in Übereinstimmung mit der Lehre des Nachfolgers des Petrus entwickelt habt. Mit diesem Text wollt ihr nicht nur die 1990 mit dem Dekret Allgemeine Bestimmungen zur kirchenrechtlich gültigen Ehe erlassenen Normen mit einer mehr eigentlich pastoral ausgerichteten 904 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Darlegung ergänzen und begleiten, sondern auch Antwort geben auf die Sorge, die ich im Synodalschreiben Familiaris consortio geäußert habe, wo ich schrieb: „Es ist zu wünschen, daß die Bischofskonferenzen ... dafür sorgen, daß ein Leitfaden für die Familienpastoral herausgegeben wird” (Nr. 66). Dies gewinnt besondere Bedeutung im Zusammenhang mit dem zehnten Jahrestag der „Charta für die Familien-rechte”, die der Heilige Stuhl 1983 herausgegeben hat, wie auch mit dem Internationalen Jahr der Familie, das wir 1994 begehen. 3. Das Direktorium hat also die Bedeutung eines neuen Beweises der Liebe und Sorge, mit der die Kirche Ehe und Familie umgibt und sich bemüht, diesen „ersten Ort der Humanisierung der Person und der Gesellschaft” (Christifideles laici, Nr. 40) gegen die zahlreichen und schweren Bedrohungen zu verteidigen, die sie heute in Gefahr bringen können. Dies ist ein absolut notwendiger Dienst, der vor allem dringlich wird, wenn „Egoismus, Anti-Geburten-Propaganda, totalitäre Politiken, moralische Armut, physische und kulturelle Not, hedonistische und konsumisti-sche Mentalitäten die Quelle des Lebens erdrosseln wollen und die ideologischen Systeme sich mit dem vielfältigen Mangel an Interesse und an Liebe verbinden, um die Erziehungsaufgabe der Familie aufzuheben” (ebd., Nr. 40). In einer im eigentlichen Sinn mehr pastoraler Hinsicht stellt das von der CEI herausgegebene und an alle Diözesen Italiens gerichtete Direktorium einen vorzüglichen Ausdruck der „kirchlichen Communio” im Bereich der Familienpastoral dar. Es ist in der Tat notwendig, daß diese im lebendigen Gefüge des Volkes Gottes immer homogener und einmütiger wird und ein durchgreifendes und fruchtbares evan-gelisierendes und missionarisches Wirken für die Familie gefördert wird. 4. Die Familie ist der bevorzugte Ort der Verkündigung des Evangeliums. Wir dürfen daher nie müde werden, liebe Brüder im Bischofsamt, der Familie zu dienen; wir müssen so eine Antwort auf den Hunger und Durst geben, den sie hat nach Sinn, nach Wahrheit, nach tiefer Liebe, nach echter Freiheit und Fülle des Lebens. Der erste und grundlegende Dienst der Kirche für die christlichen Brautleute besteht darin, sie aufzurufen und zu begleiten, daß sie mit freudigem und dankbarem Staunen das „tiefe Geheimnis” (Eph 5,32) neu entdecken, das „Geschenk”, das ihnen vom Geist des gestorbenen und auferstandenen Jesus gemacht wurde. In einer sozialen und kulturellen Umwelt, in der die Entchristlichung und die religiöse Gleichgültigkeit die Mentalität und Verhaltensweisen auch der christlichen Familien tief beeinflussen, müssen die christlichen Eheleute unermüdlich neu evangelisiert werden, man muß sie immer wieder die Frohbotschaft von der empfangenen göttlichen Gabe hören lassen. Das Bewußtsein von diesem geheimnisvollen Geschenk ist Wurzel und Kraft für das moralische Leben der Ehegatten, ihres täglichen Weges zur ehelichen und familiären Heiligkeit wie auch zu ihrer spezifischen Beteiligung an der Sendung der Kirche. Innerhalb der Gemeinschaft der Kirche sind die christlichen Ehepaare und die Familie aufgerufen, einen einzigartigen Weg des Glaubens zu beschreiten. So vollzieht sich zwischen der großen Kirche und der „kleinen Kirche” 905 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tag für Tag kraft der Gegenwart des Geistes ein „Austausch der Gaben”, der in der gegenseitigen Mitteilung der geistlichen Güter besteht. Indem sie von der Kirche das dreifache Geschenk des Wortes, des Sakramentes und der Liebe empfängt, wird die Familie befähigt und aufgerufen, ihren typischen Dienst für die anderen zu leisten (vgl. 1 Kor 7,7). Gerade darauf zielt am Ende das Direktorium hin: Alle christlichen Familien sollen den Platz, die Rolle und die Lebenskraft erweisen, die ihnen in Kirche und Gesellschaft zukommen. 5. Ehrwürdige Brüder, ihr seid euch der tiefreichenden Wandlungen, der. Spannungen und Krisen voll bewußt, denen in dieser Stunde der Geschichte die Familie ausgesetzt ist. Ich teile euer Bangen vor den besorgniserregenden Auswirkungen, die sich daraus für das ganze soziale Gefüge ergeben. Doch ich vereinige mich mit euch auch in der Bekräftigung des vollen Vertrauens auf die siegreiche Gegenwart des Auferstandenen. Getragen von seiner Kraft, werden die christlichen Eheleute klar und fest die grundlegenden menschlichen und dem Evangelium gemäßen Werte zu bezeugen wissen wie: die treue Liebe angesichts der Mißachtung der Unauflöslichkeit, die hochherzige Weitergabe des Lebens in einem Umfeld der Angst und sogar der Verweigerung des Lebens, den demütigen Dienst und die selbstlosen Solidarität in einer Kultur des Egoismus und des Gewinnstrebens. Weiter: Versöhnung und Frieden in einer sozialen Konfliktsituation, die selbstverständlich gewährte Gegenseitigkeit der: Kommunikation und des Dialogs in einem stark von Gesprächsunfähigkeit gekennzeichneten Umfeld, einen nüchternen und wesentüchen Lebensstils innerhalb einer auf Konsum bedachten Gesellschaft und schließlich Moral und Spiritualität inmitten einer materialistischen Mentalität, die in ihren ethischen Bezügen in einer Krise ist. Mehr als früher wird es nötig, daß das evangeliümsgemäße Zeugnis der Familie möglichst weitreichend und einheitlich gegeben wird, auch im Hinbück auf eine echte Wirksamkeit in der Geschichte. Daher kommt ferner die Notwendigkeit, die verschiedenen Verbandsformen der Familie zu fördern und zu unterstützen, nicht nur aus Gründen der pastoralen Vitalität der kirchüchen Gemeinschaften, sondern auch hinsichtüch einer deutücheren Beteiligung am Aufbau einer Gesellschaft, die von der Hoffnung des Evangeliums erhellt wird. 6. Der Einsatz für das Gemeinwohl ist mehr als je dringend in einer historischen Stunde raschen und radikalen Wandels, wie Italien ihn erlebt. Angesichts der einzelnen Schwierigkeiten, denen ein solcher Einsatz nicht nur im wirtschaftüchen, poütischen und institutionellen, sondern auch und vor aüem im moralischen und kulturellen Rahmen begegnet, geben die Familien Anlaß zur Sorge, aber zugleich zu großem Vertrauen. Italien besitzt ein unschätzbares moraüsches Erbe, das aus sehr vielen moralisch gesunden Famiüen besteht, die sich Tag für Tag darum bemühen, jene Ideale der Ehrbarkeit, der Arbeitsamkeit und Soüdarität vorzuleben und weiterzugeben, die allein die Achtung vor den echten Bedürfnissen der Person und.die geordnete Entwicklung des demokratischen Lebens sicherstellen können. 906 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Euch, lieben Brüdern im Bischofsamt, entgeht es nicht, daß die Erneuerung des Landes über eine konkrete Aufmerksamkeit für die Familie verläuft. Wenn diese mutiger ihre soziale und politische Aufgabe übernehmen soll, müssen Gesellschaft und Staat sie auch ihrem Randdasein und zuweilen der Bestrafung entziehen, unter der sie immer noch leidet; sie müssen aus der Familienpolitik den zentralen und entscheidenden Schlüssel für die ganze Politik der sozialen Dienste machen. Das christliche Zeugnis in Italien kann dann, wie ich kürzlich dem Personal der katholischen Zeitung „Avvenire” in Erinnerung gerufen habe, „neuen Schwung im neuen moralischen, sozialen und institutionellen Zusammenhang gewinnen, den zu schaffen es mithelfen soll, es kann seine einigende Kraft verstärken zum Vorteil nicht des eigenen Interesses, vielmehr zum Wohl des ganzen Landes” (vgl. O.R., 3.-4. Mai 1993, S. 4). Möge die ganze katholische Gemeinschaft Italiens mit Gottes Hilfe und immer mit ihren Hirten geeint auch in der Tiefe den Auftrag zur Neuevangelisierung erfüllen, von der ein wesentlicher Teil in der Evangelisierung der Kultur sowie der Verkündigung und Bezeugung der christlichen Soziallehre besteht. Um diese Lehre, die sich mit den konkreten geschichtlichen Bedingungen auseinanderzusetzen hat, muß sich der soziale und politische Einsatz der katholischen Laien konzentrieren. Sind sie nicht gerade wegen der augenblicklichen Schwierigkeiten aufgerufen, mit noch mehr Mut, Konsequenz und Hochherzigkeit zu wirken? Dann werden die Fortführung und die Fähigkeit zur Erneuerung der eigenen Tradition zum Bezugspunkt und zu einer Kraft, die vorantreibt zum echten Fortschritt dieser gebebten Nation, deren Zivilisation von Werken christlichen Zeugnisses reich durchwirkt ist. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt: Ihr seid die Erstverantwortlichen für die Pastoral in euren jeweiligen Diözesen. Euch ist daher die Aufgabe anvertraut, ein aufmerksames und beständiges missionarisches und evangelisierendes Wirken für die Familie zu fördern und durch die Familie für das Wohl der ganzen bürgerlichen Gemeinschaft. Weisung und Stütze soll euch immer die „dringende Aufforderung” sein, die bereits Paul VI. in der Enzyklika Humanae vitae an die Bischöfe gerichtet hat: „Mit den Priestern, euren Mitarbeitern, und euren Gläubigen arbeitet mit brennendem Eifer und unablässig für die Bewahrung und Heftigkeit der Ehe, damit sie immer in ihrem ganzen menschlichen und christlichen Vollsinn gelebt werde. Betrachtet diese Sendung als eine der dringendsten Aufgaben in der heutigen Zeit” (Nr. 30). In eurem Wort und in eurer Hirtensorge können so die Familien, vor allem jene in Schwierigkeiten „den Widerhall der Stimme und der Liebe des Erlösers” vernehmen (Humanae vitae, Nr. 29). Begleiten möge euch in eurem täglichen bischöflichen Dienst der liebevolle und starke Schutz der heftigen Familie von Nazaret, von Jesus, Maria und Joseph. Unterpfand dieses Schutzes soll mein herzlicher Segen sein. 907 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Den Behinderten wahres Leben ermöglichen Ansprache an das Internationale Forschungszentrum für die Selbständigkeit der Behinderten am 14. Mai Liebe Freunde vom Internationalen Forschungszentrum für die Selbständigkeit der Behinderten! 1. Euch allen gilt mein herzlicher Gruß. Insbesondere begrüße ich Dr. Enzo Casserä und danke ihm für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ihr habt mich besuchen wollen, um mir die bemerkenswerten Ergebnisse vorzustellen, die euer Zentrum im Bereich der sozialen Förderung von Behinderten geleistet hat. Ich danke euch für dieses Zeichen der Liebe; ich möchte es gern als Zeichen des Vertrauens annehmen, das die Welt des Leidens in die Kirche setzt. Das Evangelium, das sie verkündet, treibt die kirchliche Gemeinschaft an, überall dort in der vordersten Linie zu stehen, wo es darum geht, den leidenden Brüdern die konkrete und mitfühlende Liebe Gottes zu bezeugen. Und dieses Zeugnis beruht nicht nur auf dem Empfinden menschlichen Mitleids, sondern auch auf der Liebe der Kirche zu Christus, der unumwunden sagte, daß er gerade in denen gegenwärtig ist, die mehr der Aufmerksamkeit, der Hilfe und der Liebe bedürfen (Mt 25,40). Daher ist die Krankenseelsorge eine der bedeutendsten von der Kirche geförderten Tätigkeiten. Und gerade über das euch so sehr am Herzen hegende Thema „Behinderte in der Gesellschaft” ist letzten November auf eine Anregung des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst hin eine internationale Konferenz abgehalten worden, an der zahlreiche Fachleute teilgenommen haben. Hier konnte registriert werden, daß die nationalen Gemeinschaften und auch die internationale Gemeinschaft sich mehr und mehr dieser heiklen Probleme bewußt werden und infolgedessen eine neue Sensibilität und größeren Einsatz entwik-keln. 2. „Die Qualität einer Gesellschaft und einer Kultur bemißt sich an der entgegengebrachten Achtung” gegenüber den Schwächsten ihrer Mitglieder (From the very beginning, Enchiridion Vaticanum 7, 1145). Dieses grundlegende Prinzip, das der Heilige Stuhl vor über zehn Jahren anläßlich des Internationalen Jahres für die Behinderten in einer Begleitschrift ausgesprochen hat, könnte als inspirierendes Kriterium für eure Bemühungen um jene betrachtet werden, die aus den verschiedensten Gründen „behindert” sind. Es ist ein Aufruf an die soziale Solidarität und vor allem an das christliche Gewissen. In dieser Hinsicht ist mir das heutige Treffen mit euch ganz besonders willkommen. Es bietet Gelegenheit zum Hinweis auf eine positive und wertschätzende Auseinandersetzung mit dem Problem der Behinderten, damit ihnen geholfen wird, sich voll in die bürgerliche Gesellschaft und in die Wirtschaftsprozesse einzugliedem. 908 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leider stimmt es, daß die Hektik des modernen Lebens es nicht immer leicht macht, denen Beachtung zu schenken, die körperlich oder geistig behindert sind. Es sind zweifelsohne erhebliche Fortschritte in bezug auf die allgemeine Sensibilisierung und die Gesetzgebungen in den verschiedenen Ländern erzielt worden. Nicht selten jedoch verschließt man sich unseren behinderten Brüdern und Schwestern gegenüber in Gleichgültigkeit, oder aber man begnügt sich mit sterilen Formen der Mitleidsbekundung, die ihre Lage noch schmerzvoller und unerträglicher machen können. 3. Euer Internationales Forschungszentrum ist daher von hohem Wert, da es den Behinderten gegenüber frei ist von demütigender Fürsorglichkeit und vagem Mitleid. Ihr geht zu Recht davon aus, daß das, was sie der Gesellschaft anzubieten haben, im Verhältnis viel mehr ist als das, worin ihre Behinderung sie einschränkt, vorausgesetzt, daß die Gemeinschaft ihren meistens latenten Möglichkeiten, die erkannt, gepflegt und weise gelenkt werden müssen, wirklich Raum gibt. Euer wahrhaft lobenswertes Ziel ist daher, dem Behinderten ein - wie das Motto des von euch eingeführten Preises lautet - „wahres Leben” zu ermöglichen, ein Leben, in dem er sich nicht als Last, sondern nützlich und sogar wichtig fühlen kann. Das, was ihr tut, liebe Freunde, ist wirklich ein Ausdruck fortschrittlicher Solidarität. Getragen von großer Hingabe, die nicht auf Lohn bedacht ist, gehört sie zu einer der höchsten Formen christlicher Liebe. Geht beharrlich diesen Weg. Ich bin euch mit meiner Liebe und meinem Gebet nahe, und gerne erteüe ich euch und all den Menschen, für die ihr Dienst leistet, wie auch allen, die euch lieb sind, meinen Segen. Die Würde der Frau verteidigen Ansprache an die Internationale Union der Generaloberinnen am 14. Mai 1. Es ist mir eine Freude, euch, hebe Schwestern, im Lauf der Versammlung der Internationalen Union der Generaloberinnen hier empfangen zu können. Ich begrüße euch alle sehr herzlich, insbesondere die Vorsitzende eurer Union, Schwester Klara Sietmann MSCI. Mit achtungsvoller Dankbarkeit begrüße ich Kardinal Eduardo Martfnez Somalo, den Präfekten der Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens. Ich danke ihm dafür, daß er euch bei dieser Begegnung begleiten wollte und herzliche Worte an mich gerichtet hat. Das Thema eures Treffens ruft größtes Interesse wach: „Die Ordensffauen des apostolischen Lebens im Dienst des Lebens.” Es handelt sich hier um ein Thema, das eure Identität der Weihe an Gott und der Sendung in der Kirche kundtut und euch ungeahnte Horizonte der neuen Evangelisierung in der Gesellschaft unserer Tage eröffnet. Der Einsatz für das Leben ist in dem verwurzelt, der „das Leben” 909 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (.Joh 14,6) ist, der gekommen ist, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (.Joh 10,10). „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt” (Joh 15,16),. sagte Jesus vor seinem Leiden zu den Aposteln im Abendmahlssaal. Diese Worte wiederholt er auch euch gegenüber, indem er euch zu einem spezifischen Dienst in der Kirche einlädt. Jede von euch hat daher das Recht, sich vom göttlichen Meister mit ihrem Namen gerufen und mit besonderer Liebe betrachtet zu fühlen. „Ich habe euch erwählt, damit ihr hinausgehtDiese Feststellung Christi erläutert eindeutig, wie in eurer Existenz als Ordensfrauen des tätigen Lebens die Berufung auf die Sendung hingeordnet ist. Wie die Frauen, die den Herrn während seiner Lehrtätigkeit bis Kalvaria und über den Tod hinaus begleiteten, um die ersten Verkünderinnen seiner Auferstehung zu sein, so seid auch ihr aufgrund des besonderen Bandes eurer Weihe berufen, lebendige Zeugen des Evangeliums zu sein. So wurde das apostolische Leben der Ordensfrauen in der Verschiedenheit seiner Charismen der Kirche geschenkt, damit sie als Braut Christi voll und ganz ihre Sendung der Gnade zum Ausdruck bringe und vor allen für den „unergründlichen Reichtum Christi” (Eph 3,8) Zeugnis ablege. Tatsächlich ist das Ordensleben im freudigen Bekenntnis der Auferstehung Jesu und in der persönlichen Hinwendung zum auferstandenen Christus grundgelegt. Es soll seine Gegenwart in der Welt, die Liebe Gottes, die stärker ist als Tod und Sünde, und die glorreiche Bestimmung unserer Existenz glaubwürdig verkünden. 2. Das Thema eurer Versammlung ruft in nur Gefühle, Hoffnungen und Wünsche hervor, die ich heute euch, hebe Schwestern, mitteilen möchte, da ihr doch aktiv auf dem spezifischen Gebiet des „Evangeliums des Lebens” tätig seid. Seit jeher waren die Ordensfrauen kraft ihrer jungfräulichen Weihe und der vom Heiligen Geist eingegebenen apostolischen Charismen den Problemen des Lebens nahe: an der Seite der Kinder, der Kranken, der Betagten, der Armen, der Sterbenden; in der Hilfe für die jungen Mütter, in der Erziehungstätigkeit, der Katechese und den zahllosen Bereichen der Missionstätigkeit. Heute ist die soziale Problematik entscheidender und vielschichtiger geworden. Die Menschheit hat anscheinend in vielen Lagen den Sinn für die Heiligkeit des Lebens verloren; man braucht nur an die andauernden Bruderkriege, an die Mißachtung der Würde wehrloser Frauen, an die Ausbeutung unschuldiger Kinder und an so viele Attentate auf den Menschen zu denken. Eine Zivilisation, die zwar den Wert der Person hochhält, diesen jedoch nicht in der dem Gewissen eingeprägten und von Christus geoffenbarten Wahrheit verankert, verfällt in den Widerspruch, vor allem den Unschuldigsten und Wehrlosesten das Recht auf Leben zu verweigern. Eure besondere Bemfung, die von mutigen, den Notwendigkeiten der Kirche und der Welt entsprechenden Entscheidungen gekennzeichnet ist, muß an der Front der Verteidigung des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende ihren Ausdruck finden. Eine authentische Verteidigung des Lebens er- 910 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fordert jedoch die Verkündigung des Evangeliums und demnach die Erziehung zur weltumspannenden Geschwisterlichkeit in Christus, die Förderung der Menschenrechte, die Verteidigung der Frau und ihrer Würde, eine Kultur des Friedens und der Gemeinschaft unter den Völkern und die Achtung der Schöpfung, einer Gabe Gottes, die zum Lobpreis des Schöpfers anregen muß. Schon eure rückhaltlose und ausschließliche Weihe an den Herrn kommt einem Zeugnis für den Wert des Daseins gleich, das in Gott seinen Anfang und sein Ende hat. Wir sind für das Leben, für das unsterbliche Leben, geboren. 3. Liebe Schwestern, ihr seid überall dort mit Liebe und prophetischer Hingabe anwesend, wo das Leben Gefahren und Bedrohungen ausgesetzt ist, wo es beleidigt und verspottet wird und besonderer Sorge bedarf. Dem Leben dienen heißt das Leben schenken, wie das Beispiel Jesu beweist. Das ist das Geheimnis eines apostolischen Lebens, welches, weil Gott geweiht, nur in einer großen Liebe seine Wurzeln haben kann und Tag für Tag vor den bedürftigsten Nächsten für Gott Zeugnis ablegt; in einer Liebe, die in der Gemeinsamkeit wächst, sich im Teilen vertieft und sich in der Planung und Verwirklichung der Sendung ausbreitet; in einer Liebe, die manchmal, ebenso wie die Liebe Jesu, auch zu tatsächlichen Hingabe des eigenen Lebens wird. Wie viele Ordensfrauen des apostolischen Lebens aus verschiedenen Instituten haben ihre Ganzhingabe an den Herrn und ihren Dienst an den Schwächsten und Verlassensten mit der Gnade des Martyriums besiegelt! Liebe Schwestern, ihr Beispiel soll euch Ansporn und Hilfe sein. Es lohnt die Mühe, die Weihe an Gott rückhaltlos zu leben, wenn sie Tag für Tag zur Ganzhingabe der eigenen Person und zum Ausdruck jener „größeren Liebe” wird, die uns Christus ähnlich macht! 4. Liebe Schwestern, wenn eure Sendung wirklich den Erwartungen des besonderen historischen Augenblicks gerecht werden soll, in dem wir leben, müssen das Charisma und die Treue zu den evangelischen Räten neu belebt werden durch eine ständige geistliche Erneuerung. „Diese hat bei aller Förderung äußerer Werke immer das Wesentliche zu sein” (Perfectae cciritatis, Nr. 2). Habt Vertrauen zu dem, der euch berufen und erwählt hat. Er wiederholt vor euch Worte des Mutes und der Hoffnung: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt” (Joh 15,16). Geht auf die religiösen und gesellschaftlichen Herausforderungen von heute ein mit einem intensiven inneren Leben, einem lebendigeren und tieferen Gebet, einer wahren Bereitschaft zum Opfer und zum Verzicht auf die Mentalität der Welt, in Einheit der Herzen und mit großmütigem Zeugnis. Habt vor allem große Liebe zu Christus im Sakrament der Eucharistie. Sein Geist wird in euch das Feuer der göttlichen Liebe entzünden und eine Art neuen „Pfingstfestes des gottgeweihten Lebens” hervorrufen. Er wird euch fähig machen, das Leben auf nachhaltige und wirksame Weise zu verkünden. Das ist mein Wunsch und mein Gebet für euch, auch im Hinblick auf die 911 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nächste Synode über das gottgeweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt. Ich vertraue euch alle der Jungfrau Maria an, die in diesem Monat Mai auf einzigartige Weise im Gebet der Gläubigen gegenwärtig ist. Während der österlichen Zeit ruft die Kirche Maria als Mutter des Auferstandenen, als „Quelle des Lichtes und des Lebens”, als Jungfrau des Abendmahlssaales an, wo sich die Hammen des Geistes entzünden, als Königin der Apostel (vgl. Messen zu Ehren der Jungfrau Maria, österliche Zeit). Ihre mütterliche Gegenwart möge euch zu freudigen und mutigen Zeuginnen dessen machen, der die „Auferstehung und das Leben” (Joh 11,25) ist. Es begleite euch mein Segen, den ich auch auf eure Mitschwestem, eure Institute und auf alle erstrecke, denen euer tägliches Apostolat dient. Die Beziehungen unter Christen auf örtlicher Ebene festigen Ansprache an die Vertreter der ökumenischen Kommissionen der Bischofskonferenzen und der Synoden der orientalischen Kirchen am 15. Mai Eminenz, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Freunde in Christus! 1. Mit großer Freude begrüße ich euch zum Abschluß des Treffens der Vertreter der ökumenischen Kommissionen der Bischofskonferenzen der ganzen Welt und der Synoden der orientalischen katholischen Kirchen. Insbesondere begrüße ich Kardinal Edward Iris Cassidy, den Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, der euch versammelt hat. Ich benütze diese Gelegenheit auch, um meine Wertschätzung für die unter seiner Leitung geleistete Arbeit zum Ausdruck zu bringen. Mein besonderer Willkommensgruß gilt gleichfalls den Mitgliedern anderer christlicher Kirchen und Gemeinschaften, die heute hier anwesend sind. Ihre Teilnahme an diesem Treffen ist für den Erfolg der Verhandlungen von großem Nutzen und bekundet gleichzeitig eure Freundschaft und eure Bereitschaft zur Zusammenarbeit, die ich mit herzlicher Dankbarkeit anerkenne. 2. Das revidierte ökumenische Direktorium, dessen Veröffentlichung kürzlich bewilligt wurde, befaßt sich ausführlich mit der Tätigkeit der ökumenischen Kommissionen. Es geht auch auf Einzelheiten der ökumenischen Bildung der Katholiken auf allen Ebenen ein und weist darauf hin, daß diese eine Dimension einer vollständigen und echten theologischen und katechetischen Ausbildung in der Kirche sein muß. Dies sind die wichtigsten Themen, die ihr bei eurem Treffen bearbeitet habt und die im Mittelpunkt der ökumenischen Bestrebungen der katholischen Kirche und nicht weniger aller Bemühungen um die Einheit der Christen überhaupt stehen. Die befriedigende Entwicklung der ökumenischen Bewegung hängt weitgehend von einem 912 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ernsthaften Einsatz für die ökumenische Bildung ab, für die wiederum die effiziente Arbeit der ökumenischen Kommissionen von großer Hilfe sein kann. Der Einsatz der Kirche im Bereich der Ökumene ist in zwei Gesetzbüchern des kanonischen Rechtes festgehalten, in denen es heißt: „Es obhegt dem gesamten Bischofskollegium und dem Apostolischen Stuhl, unter den Katholiken die ökumenische Bewegung zu fördern und zu leiten; ihr Zweck ist die Wiederherstellung der Einheit unter den Christen, zu deren Förderung die Kirche durch den Willen Christi verpflichtet ist” (C/C, can. 755; vgl. auch CCEO, can. 902). Um dieser schwerwiegenden Herausforderung zu entsprechen, müssen die Bischöfe mit der Hilfe erfahrener ökumenischer Kommissionen rechnen können. Sowohl auf der Ebene der Bischofskonferenz als auch auf der Diözesanebene ist es Aufgabe der ökumenischen Kommissionen, dafür Sorge zu tragen, daß die kirchlichen Aktivitäten von wahrhaft ökumenischem Geist durchdrungen sind. Die Kommissionen müssen eng mit den Pastoralräten Zusammenarbeiten, da sie bewirken sollen, daß Diözesen, Pfarreien und andere katholische Organisationen und Gremien die ökumenischen Auswirkungen ihrer Aktivitäten verstehen und erkunden. Sie sollen insbesondere die Zusammenarbeit zwischen katholischen Körperschaften und den ihnen entsprechenden Körperschaften anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften fördern. Schon tritt klar zutage, auf welche Weise die Beziehungen unter Christen auf örtlicher Ebene durch die wirksame Arbeit der erwähnten Kommissionen gefestigt werden können. 3. Auf ähnliche Weise haben die ökumenischen Kommissionen zur ökumenischen Bildung von Priestern und Laien einen relevanten Beitrag zu leisten. In diesem Sinn stellt die Veröffentlichung des Katechismus der Katholischen Kirche zweifellos eine wertvolle Gabe für die Ökumene dar. Der Katechismus legt die ekklesiologische Basis für den katholischen Ökumenismus vor und erinnert daran, daß der Wunsch nach der Wiederentdeckung der Einheit aller Christen eine Gabe Christi und ein Ruf des Heiligen Geistes ist (vgl. Nr. 820). Er gibt an, auf welche Weise die Gläubigen auf diesen Ruf antworten müssen und betont dabei vor allem die ständige Erneuerung der Kirche, die Bekehrung des Herzens bei allen Betroffenen sowie das gemeinsame Gebet, den Dialog und die praktische Zusammenarbeit unter allen Christen. Ich hoffe sehr, daß der Katechismus der Katholischen Kirche und das revidierte Ökumenische Direktorium in den Händen derer, denen auf besondere Weise die ökumenische Bildung obliegt, zusätzliche Hilfen sind. 4. Ein weiteres wichtiges Merkmal eures Treffens war die damit verbundene Möglichkeit, die in den verschiedenen Ländern der Welt und auf gesamtkirchlicher Ebene geleistete ökumenische Arbeit zu überprüfen. In diesem Zusammenhang möchte ich die Bedeutung einer besseren Bekanntgabe der Ergebnisse der theologischen Dialoge betonen, denen sich die katholische Kirche widmet. Die Berichte über diese Dialoge sind nicht nur für den Prozeß der ökumenischen Bildung bedeutsam, sondern können auch zur Vertiefung der ökumenischen Beziehungen auf allen Ebenen anspomen. 913 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Ansporn ist heute notwendig. Manche haben den Eindruck, die ökumenische Bewegung sei heute weniger lebendig als während der vergangenen Jahre. Es fehlt freilich auf lokaler Ebene nicht an Schwierigkeiten praktischer Natur, doch könnte auch'eine gewisse Mutlosigkeit hinsichtlich der doktrinären Aspekte des Dialogs vorliegen. Die Versuchung, auf einen langsamen Fortschritt in diesem Bereich mit Abstrichen an der Wichtigkeit der Lehre zu reagieren, muß ganz und gar zurück-gewiesen werden. Ein Nachlassen der leidenschaftlichen Sorge um die wahren Pläne Christi für seine Jünger käme einem Hinhalten der drängenden Kraft des Heiligen Geistes gleich, ist es doch seine Aufgabe, die Jünger zu jener vollen Wahrheit hinzuführen, die der Herr gelehrt hat: „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen” (Joh 16,13). Möge euer Treffen euch mit neuer Begeisterung für die Förderung des schwierigen, aber stets notwendigen Dialogs erfüllen, den das Konzil als „eine Art von brüderlichem Wettbewerb zur tieferen Erkenntnis und deutlicheren Darstellung der unerforschlichen Reich-tümer Christi” (Unitatis redintegratio, Nr. 11) beschrieb. 5. Die Hinordnung des Zweiten Vatikanischen Konzils auf das Thema „Kirche” machte eine außerordentliche Entwicklung der katholischen Ekklesiologie möglich. Diese Erneuerung auf dem Gebiet der Ekklesiologie schloß ein neues Wissen um die wirklich bestehende, wenn auch unvollkommene Gemeinschaft der katholischen Kirche mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und die Auswirkungen dieser Gemeinschaft für die Beziehungen unter uns ein (vgl. Unitatis redin-tegratio, Nr. 3). Seither findet der ökumenische Dialog Bereiche, in denen eine Übereinstimmung möglich ist: Die Natur der Kirche; die Lehre und Praxis der Sakramente, insbesondere der Eucharistie; Amt und Autorität innerhalb der Kirche. Viele emstzunehmende Hindernisse bleiben bestehen, doch wird zweifellos ein weiteres Interesse für die wesentlichen Elemente der kirchlichen Gemeinschaft, die schon jetzt zwischen den Christen der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften besteht, dem Streben nach Einheit neuen Schwung verleihen. Wir dürfen nicht müde werden, in unserem Beten und Handeln nach der vollen Gemeinschaft im Glauben und in den Sakramenten zu streben, in der ein freier und allumfassender Austausch der Gaben unter allen in Christus Getauften herrscht. Der Weg zu diesem Ziel ist schwierig, doch müssen wir es anstreben, um dem Willen Christi zu folgen. Deshalb empfehle ich ihm, dem auferstandenen Herrn, in meinem Gebet eure Arbeit und eure Bestrebungen. Das Niveau des Einsatzes muß aufrechterhalten werden, und hier haben die ökumenischen Kommissionen der Bischofskonferenzen und der Synoden der katholischen Kirchen des orientalischen Ritus eine bedeutsame Rolle zu spielen. Heute möchte ich euch in eurer ökumenischen Berufung bestärken und euch meiner aufrichtigen Unterstützung und Dankbarkeit versichern. Angesichts der zahlreichen Aufgaben, die euch erwarten, empfehle ich euch der hebenden Fürbitte Mariens, der Mutter des Erlösers. „Die Gnade Jesu, des Herrn, sei mit euch!” (7 Kor 16,23). 914 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Asienmission reift langsam in Stille Predigt bei den Seligsprechungen von Maurice Tomay, Marie-Louise de Jesus Trichet, Colomba Gabriel und Florida Cevoli am 16. Mai 1. „Preist unseren Gott, ihr Völker” (Ps 66,8). Der Antwortpsalm der heutigen Liturgie bildet eine frohe Aufforderung zum Lob. Der Psalmist sagt: „Kommt und seht die Taten Gottes! Staunenswert ist sein Tun an den Menschen” (Ps 66,5). Er bezieht sich vor allem auf den Exodus: die Befreiung des auserwählten Volkes aus der Sklaverei in Ägypten und das heilspendende Eingreifen zu seinen Gunsten beim Durchzug durch das Rote Meer. Es geht um ein typisch österliches Motiv. Von der Paschafeier im alten Bund geht die Liturgie zum neuen Bund über, der im Blut Christi geschlossen wurde: „Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, er, der Gerechte, für die Ungerechten, um euch zu Gott hinzuführen” (1 Petr 3,18). Das, liebe Brüder und Schwestern, ist der neue „Exodus”, so wie ihn der Apostel Petrus darstellt, wenn er ausruft: „Haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig!” (1 Petr 3,15). In dieser Osterzeit erreicht uns neu und eindringlich die Verkündigung des Petrus, des ersten unter den Zeugen des Paschamysteriums Christi. 2. In dieser gleichen Zeit kehrt die Liturgie häufig auch zu den von Christus am Vorabend seines Todes am Kreuze gesprochenen Worten zurück. Es sind vorösterliche Worte, die die Kirche im Licht von Ostern neu nachliest. Vor dem Tod und der Auferstehung Christi waren sie Verheißung und Versprechen. Nun aber, nach dem Osterfest, erkennt die Gemeinschaft der Glaubenden, wie uns die Apostelgeschichte erzählt, in ihnen die Wirklichkeit des Heiles: Die Verheißungen sind erfüllt. Es ist also die Zeit der Freude über die zuerst im Gedächtnis der Apostel und Jünger des Auferstandenen vernommenen und bewahrten Worte. Auf wie wunderbare Weise haben sie sich bewahrheitet! Christus sichert den Seinen zu: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch. Nur noch kurze Zeit, und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet” (Joh 14,18-19). Ich lebe, weil ich in meinem Vater bin; auch ihr werdet leben, weil ihr in mir seid und ich in euch bin (vgl. Joh 14,20). 3. Während der Osterzeit ist die ganze Kirche aufgerufen, die wunderbaren Werke zu betrachten, die Gott unter den Menschen vollbringt (vgl. Ps 66,5), zumal in denen, die „Christus heben”, und zwar in heroischer Weise, indem sie ohne Vorbehalt seine Gebote annehmen und sie bis auf den Grund befolgen (vgl. Joh 14,21). Gott selbst hebt diese seine Kinder mit besonderer Vorhebe und kommt zu ihnen: Vater und Sohn nehmen durch den Heihgen Geist Wohnung in ihnen. Allen, die für sein 915 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wort voll verfügbar sind, hat der Sohn sich selbst und den Vater geoffenbart, weil er mit einer besonderen Liebe jene liebt, die ihn lieben. Heute, liebe Brüder und Schwestern, hat die Kirche die Freude, vier von diesen Jüngern, die in solcher Weise für das Wort des Herrn verfügbar waren, als „Selige” zu verkünden, weil sie in sich selbst die Fülle der Liebe des Vaters und des Sohnes empfangen haben. Hier ihre Namen: Maurice Tomay, Marie-Louise de Jesus Trichet, Colomba Gabriel, Florida Cevoli. Sie kommen aus verschiedenen Ländern und Völkern. In Wahrheit „preisen unsem Gott alle Völker” in ihnen und für sie (vgl. Ps 66,1). Der Papst fuhr in Französisch fort: 4. Maurice Tomay wurde es klar: Wenn man auf den Ruf Gottes hochherzig antworten will, „muß man bis ans Ende gehen” und heroisch die Liebe leben. Die Liebe zu Gott entfernt nicht von den Menschen, sie drängt vielmehr zur Sendung. Im Geist der heiligen Therese von Lisieux kennt Maurice Tomay nur ein Verlangen: „Die Seelen zu Gott führen.” Im Geist seines Ordens, in welchem jeder sein Leben einsetzt, um Menschen dem Sturm zu entreißen, bittet er, nach Tibet gehen zu dürfen, um Menschen für Christus zu gewinnen. Er beginnt damit, für die Tibetaner ein Tibetaner zu werden: Er liebt das Land, das zu seiner zweiten Heimat wird; er bemüht sich, dessen Sprache zu lernen, um Christus besser verkünden zu können. Wie der Gute Hirte, der sein Leben für seine Schafe hingibt, hebt Maurice Tomay sein Volk so sehr, daß er es nie verlassen will. Brüder und Schwestern, rufen wir den Heiligen Geist an. Die Kirche und die Welt brauchen Familien, die wie die Familie Tomay Heimstätten sind, wo die Eltern ihren Kindern die Aufmfe Christi zum christlichen Priester- oder Ordensleben vermitteln. Danken wir für die Samenkörner der Hoffnung in Asien. Die Mission und die Leidenschaft von Pater Tomay sowie seiner Vorgänger vom Institut der auswärtigen Missionen von Paris und der Kanoniker vom Großen Sankt Bernhard tragen still in langsamem Reifen Frucht. Man kann sich nur freuen über den achtungsvollen Dialog zwischen den tibetanischen und den katholischen Mönchen, um den zu finden, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Es zeigen sich Berufungen, wie die kürzliche Priesterweihe eines Schülers des Sehgen bezeugt; Christen aber setzen das Werk von Pater Tomay fort, der die Kinder unterrichten und sie zur Heiligkeit führen wollte, denn nur ein heiliges Leben verdient es, gelebt zu werden. 5. Das Evangelium hat uns die Worte Jesu vernehmen lassen: „Wenn jemand mich hebt, wird er an meinem Wort festhalten” (Joh 14,23). Festhalten am Worte Christi, an der ewigen Weisheit Gottes, seinen Geboten treu bleiben, das bedeutet lernen, wie Mutter Marie-Louise Trichet es in der Schule des heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort gelernt hat, den unermeßlichen Reichtum seiner Präsenz und seines Wirkens in der Welt zu betrachten. 916 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Marie-Louise de Jesus hat sich von Christus ergreifen lassen, sie, die leidenschaftlich die innere Verbindung der menschlichen Weisheit mit der ewigen Weisheit gesucht hat. Die natürliche Entfaltung dieses Bandes tiefer Innerlichkeit wurde ein leidenschaftlicher Einsatz für ihre ärmsten Zeitgenossen. Die Anbetung der Weisheit des Vaters, die im Sohn Mensch geworden ist, führt immer zum täglichen Dienst für jene, die nichts besitzen, womit sie den Augen der Menschen gefallen könnten, die aber in Gottes Augen sehr teuer bleiben. Danken wir heute morgen dem Herrn, Brüder und Schwestern, für die Gründung der großen Ordensfamilie der Töchter der Weisheit, eine Frucht der persönlichen Heiligkeit des heiligen Ludwig-Maria und der seligen Marie-Louise de Jesus. Ihre hervorragende Liebe, ihr Geist der Dienstbereitschaft und ihre Fähigkeit, „alles in ihrem Herzen zu bewahren” (vgl. Lk 2,51) wie die Jungfrau Maria, sind für uns jetzt zum Beispiel und Anteil geworden. Der Papst kehrte zum Italienischen zurück: 6. Wenn jemand sich für den Anhauch der Liebe Gottes völlig bereit macht, wird er in ein geistliches „Abenteuer” gestürzt, das jeder menschlichen Voraussicht entgleitet. Seine Seele öffnet sich wie ein Segel den Wehen des Geistes, und Gott kann ihn nach den unerforschlichen Plänen seiner barmherzigen Vorsehung vorantreiben. So war es bei Mutter Colomba Gabriel, die schon von frühester Jugend an ihr volles und aufrichtiges Ja zu Christus sprach und entschlossen war, „seiner Liebe nichts vorzuziehen”, wie es der große Vater Benedikt gelehrt hatte. Der Heilige Geist löste sie durch den Weg des Leidens von ihrer Heimat und veranlaßte sie, alles zu verlassen und neu zu beginnen. Der Herr hatte ihr nämlich ein besonderes Charisma geschenkt, die Gabe des aktiven Apostolates der Caritas, das in den kontemplativen Stamm der Benediktinerregel eingefügt werden sollte. Wie aktuell ist doch die von dir, Mutter Colomba, gelebte und deinen Töchtern weitergegebene Sendung! Heute brauchen die neuen Generationen mehr den je Führerpersönlichkeiten, die treue Zeugen Gottes sind: sie halten Ausschau nach Personen, die mit der Stimme des lebendigen Christus zum Leben rufen. Die Jugendlichen verlangen - wenn auch auf indirekte Weise - nach echten Erziehern, die von einem tiefen Sinn für geistliche Vaterschaft und Mutterschaft erfüllt sind, die weder besitzen noch aufgeben, vielmehr befreien will mit der Kraft der Wahrheit und der Liebe, mit jener liebenswürdigen Kraft, die Gott allein schenken kann. 7. Ein tiefes Verlangen nach voller Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes kennzeichnete auch das ganze gottgeweihte Leben der seligen Florida Cevoli, die in der geistlichen Schule der heiligen Veronika Giuliana herangebildet wurde. Erfüllt vom Geist der Wahrheit, der die Glaubenden zur innerlichen Aneignung des Wortes Gottes führt und dann von Innen her ihr Leben wandelt und heiligt, verstand es die neue Selige, ihr Amt als Äbtissin im Stil des Evangeliums als echte Dienerin ihrer Mitschwestem zu leben. Mit ihrem Beispiel zog sie den Orden der Kapuziner-Kla- 917 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rissen zur hochherzigen Beobachtung der franziskanischen Regel hin, zumal in dem, was die Armut, die Strenge und Einfachheit des Lebens betraf. Die Abgeschlossenheit der Klausur und das Verlangen nach Sammlung in Gott hinderten sie jedoch nicht, die Probleme der sie umgebenden Gesellschaft aufzugreifen und zu teilen. Ja, ihr inneres geistliches Leben machte ihr Interesse noch überzeugender und wirksamer, wie sowohl ihre Korrespondenz mit einflußreichen Persönlichkeiten ihrer Zeit zeigt als auch die maßgebende Vermittlung bezeugt, die sie zur Befriedung der Bevölkemng von Cittä di Castello anbot. Der Ausdruck „Jesus amor, fiat voluntas tua” (Jesus, meine Liebe, dein Wille geschehe), mit dem sie ständig ihre Briefe begann, faßt gut den tiefen Sinn ihres ganzen Lebens zusammen, das gänzlich auf die Liebe zum gekreuzigten Jesus und auf den Dienst für die Mitmenschen ausgerichtet war. 8. „Preist unseren Gott, ihr Völker.” Meine Lieben, heute verbreitet sich eine große Lreude in dieser Stadt, im Rom des Petrus und des Paulus, und sie breitet sich aus bis in die Regionen und die Länder, aus denen die Seligen kamen und aus denen sie in das Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen eingetreten sind. Sie haben Christus, den Herrn, in ihren Herzen angebetet (vgl. 1 Petr 3,15). In der Kraft Christi waren sie immer bereit, jedem Rechenschaft zu geben, der nach dem Grund der Hoffnung fragte, die in ihnen war (vgl. 1 Petr 3,15), der Hoffnung, die uns alle als messianisches Volk des neuen und ewigen Bundes eint. Seid gesegnet, Brüder und Schwestern, die ihr heute seliggesprochen wurdet, für die österliche Lreude des heutigen Sonntags. Ihr habt der Kirche diese große Lreude durch das Zeugnis eures Lebens geschenkt. Christus hat in euch gelebt. Durch euch aber kommt Christus heute zu uns und wiederholt: „Ich lasse euch nicht als Waisen zurück” (Joh 14,18). Komm, Herr Jesus, und bleibe bei uns! Christliche Werte vermitteln Ansprache an Mitglieder der CDU-Bundestagsfraktion am 17. Mai Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist für mich eine große Lreude, Sie anläßlich Ihres Rombesuches zusammen mit Ihren Ehepartnern im Vatikan begrüßen zu können. Die Christlich-Demokratische Union befindet sich im Augenblick in der Vorbereitung eines Grundsatzprogrammes, das auch weiterhin der Verankerung christlichen Ideen- und Gedankengutes Rechnung tragen will. Wie ich in meiner Enzyklika Centesimus annus betont habe, ist „eine wahre Demokratie nur in einem Rechtsstaat und auf der Grundlage einer richtigen Auffassung vom Menschen möglich ... In diesem Zusammenhang muß gesagt werden, daß dann, 918 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenn es keine letzte Wahrheit gibt, die das politische Handeln leitet und ihm Orientierung gibt, die Ideen und Überzeugungen leicht für Machtzwecke mißbraucht werden können. Eine Demokratie ohne Werte verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus” (Nr. 46). Nur auf Grund einer ausgewogenen Werthierarchie und auf Grund eines klaren Konzeptes der Würde und der Rechte der Person ist es auf Dauer möglich, dem Gemeinwohl gerecht zu werden. Dabei ist die Freiheit des sittlichen Bewußtseins die alles grundlegende Freiheit, die alle übrigen garantiert. Sie findet ihren höchsten Ausdruck in der religiösen Freiheit als dem Vermögen des Menschen, sich frei seinem Schöpfer zuzuwenden. Diese vom Geist Gottes geschenkte Freiheit kennt keinen Individualismus und keinen Willen zu unkontrollierbarer Macht. Sie entfaltet sich vielmehr in der Liebe und in der Wahrheit. Christus sagt uns: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien” (Joh 8,31). Ohne dieses Werk geistlicher Befreiung bleiben die im engeren Sinn politischen und sozialen Werte der Freiheit zerbrechlich und bedroht. Da unsere Welt nicht aus abstrakten Einheiten aufgebaut ist, gehört es zum konkreten, geschichtlichen Auftrag der Christen, die menschliche Freiheit neu zu evangelisieren. Das Evangelium enthält in der Tat die Totalität der Wahrheit über den Menschen; es ist zugleich Frohe Botschaft und Wort vom Kreuz. Mit meinem Dank für Ihre Tätigkeit zum Wohl der Menschen in Deutschland und darüber hinaus verbinde ich die Bitte, auch in Zukunft vor allem den jungen Menschen christliche Wertvorstellungen vorzuleben und zu vermitteln, um dem Abdriften der Politik in rein pragmatische Verfahrensweisen Einhalt zu gebieten. Von Herzen erteile ich Ihnen allen hierzu meinen Apostolischen Segen. Tiefe Sehnsucht nach Einheit in der Kirche und in den Völkern Europas Grußwort an die Delegation aus Griechenland beim Fest der Slawenapostel Kyrill und Method am 22. Mai Herr Bürgermeister, sehr geehrte Herren! Es freut mich sehr, die griechische Delegation begrüßen zu können, die unter Führung des Bürgermeisters von Saloniki hierher nach Rom gekommen ist, um zwei eurer verehrungswürdigsten Mitbürger zu gedenken und sie zu ehren: die heiligen Kyrill und Method, die großen Slawenapostel, deren liturgischer Gedenktag im Kalender der orthodoxen Kirche am 24. Mai begangen wird. 919 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihre Missions- und Evangelisierungstätigkeit fallt in eine Zeit, in der die Kirche unter voller Achtung der verschiedenen kulturellen und kirchlichen Traditionen volle Einheit genoß. Die heiligen Brüder, Erben und Förderer der großen byzantinischen Tradition, brachten das Evangelium des Herrn zu den Slawen und predigten in der Ortssprache. Ihre Achtung vor den menschlichen Werten war nicht geringer als die für die kirchlichen Werte. Das Werk der heiligen Kyrill und Method in der Zeit der Einheit zwischen Ost und West weckt in jedem von uns von neuem den Wunsch nach der vollen Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen. Dieser Wunsch findet auch in den jährlichen Pilgerfahrten zum Grab des hl. Kyrill in der Kirche San Clemente Ausdruck. Derselbe Wunsch nach Einheit wollte in der Enzyklika Slavorum Apostoli zutage treten, als ich die heiligen Brüder von Saloniki zu Mitpatronen von Europa ernannt hatte. In dieser Enzyklika „wollte ich das Charisma und das wunderbare Werk der großen Evangehsatoren hervorheben in der Überzeugung, daß die ganze Kirche und besonders jene, die heute zur Evangelisierung beitragen, aus ihrem Lebensbeispiel, ihrem kirchlichen Sinn und ihren Apostolatsmethoden” großen Nutzen ziehen können (AAS78[1986]274). Die tiefe Sehnsucht nach Einheit kennzeichnet heute nicht nur unsere Kirchen, sondern auch alle unsere Gesellschaften in Europa. Sie ist heute auf der Suche nach der Einheit, zu der wir Christen des Westens und ihr, Erben der großen byzantinischen Kultur, heute beitragen müssen. Das Beispiel der heiligen Kyrill und Method und ihre geistliches Erbe, das zugleich religiös und kulturell ist, mögen uns erleuchten und führen. Auch für die Spannungen, die heute die Völker Europas erleben, kann das von den heiligen Kyrill und Method vollbrachte wichtige Werk der Zivilisation eine Quelle besseren gegenseitigen Verständnisses sein, um zusammen neue Wege des gemeinsamen Zeugnisses finden zu können. Eine Nation unter Führung der Gottesmutter Ansprache an die Teilnehmer einer Marianischen Pügerfahrt philippinischer Immigranten aus ganz Europa am 22. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Es ist mir eine große Freude, mit euch, den philippinischen Immigranten aus ganz Europa, zusammenzutreffen und euch hier in der Petersbasilika zu begrüßen, dem geistigen Heim aller, die fern ihrer Heimat sind, dem Zentrum der Kirche, unserer 920 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liebevollen Mutter, und in der Nähe des Nachfolgers Petri, dessen Fürsorge Christus das gesamte Volk Gottes anvertraut hat. Hier in Rom haben wir die größte Gemeinde philippinischer Immigranten. Während meiner sonntäglichen Besuche in den verschiedenen Pfarrgemeinden der Stadt treffe ich stets gerne mit philippinischen Gruppen zusammen, und mit Freude sehe ich den Eifer eures katholischen Glaubens und die Begeisterung, mit der ihr eure Traditionen aufrechterhaltet. Gleichsam freut es mich zu hören, daß nicht nur viele von euch aktive Mitglieder der Pfarreien sind, denen sie angehören, sondern, daß es auch einen gut organisierten Pastoralplan der philippinischen Gemeinde gibt, den zahlreiche eurer heute hier anwesenden Priester und Ordensleute unterstützen. In eurer Heimat hat sich nichts an der Tatsache geändert, daß zahlreiche Philippiner gezwungen sind, in alle Teile der Welt auszuwandem. Einerseits muß dieser Zustand als Zeichen andauernder wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Schwierigkeiten eures Landes gewertet werden, andererseits zeugt er aber auch von jener tiefen und zähen Opferbereitschaft, mit der ihr versucht, euren Bedürfnissen und denen eurer Familien zu entsprechen. Als Immigranten in fremden Ländern wißt ihr, wie schwierig es sein kann, fern von zu Hause und euren Familien zu leben und zu arbeiten. Obwohl ihr euch den europäischen Verhältnissen gut angepaßt habt und eure Arbeit allgemein geschätzt wird, müssen doch noch viele Schwierigkeiten überwunden werden. Ich hoffe, daß euch diese Pilgerfahrt nach Rom ein neues Bewußtsein gegenseitiger Solidarität und die Kraft geben wird, mit festem Vertrauen auf Gott den zahllosen Herausforderungen entgegenzutreten, mit denen ihr konfrontiert werdet. Unter diesen Herausforderungen stehen jene gravierenden Probleme an erster Stelle, die das Familienleben bedrängen. Die Familie ist die Urzelle der Gesellschaft, und die Gesundheit dieser Gesellschaft hängt von der Kraft und dem Wohlergehen ihrer Familien ab. Dennoch ist es die Familie, die die Hauptlast der schädlichen Auswirkungen der Immigration zu tragen hat. Einige von euch haben ihre Familienangehörigen zurücklassen müssen, nach denen sie sich sehnen und um die sie sich manchmal sorgen. Andere wiederum haben ihre Familien hier in Europa und fragen sich, wie sie in einer fremden kulturellen Umgebung euren Kindern jene starken familiären Bande vermitteln könnt, wie sie bei euch auf den Philippinen üblich sind. Ich möchte euch ermuntern, nicht den Mut zu verlieren und euch für die Weitergabe jener Werte des Lebens und der Liebe einzusetzen, die in eurer Tradition einen so hohen Stellenwert haben. Möge euch jener Glaube, der das philippinische Volk bei all seinen Prüfungen stets unterstützt hat, Weisheit und Mut geben, um weiterhin ein gutes und rechtschaffenes Leben zu führen! Möget ihr jenem christlichen Namen treu bleiben, den euer Volk mit großem Stolz trägt! Eure Familien sollten wahre Beispiele der „Hauskirche” sein. Dieser Ausdruck wurde anfänglich als Bezeichnung für die in heidnischer Umgebung lebende christliche Familie gebraucht und später vom Zweiten Vatikanischen Konzil aufgegriffen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11). Das Konzept der „Hauskirche” sollte insbesondere 921 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für die Immigrantenfamilie gelten. Denn in einer von Verschiedenheit, Mißtrauen und manchmal auch Feindseligkeit gekennzeichneten Realität, mit der Immigranten nicht selten konfrontiert werden, ist die Familie Mittelpunkt menschlicher Solidarität, des religiösen Glaubens und seiner Praxis. „Im Kreis der Familie”, so betont der Katechismus der Katholischen Kirche, „sollten die Eltern durch Wort und Beispiel die ersten Glaubensvermittler ihrer Kinder sein” (vgl. Nr. 2206). Ihrerseits erinnert die Kirche die Gemeinden, deren Mitglieder ihr seid, unablässig an ihre Pflicht, dafür zu sorgen, daß ihr und eure Familien mit Würde und in Frieden und Sicherheit leben könnt. In meiner Enzyklika Laborem exercens habe ich das Thema der menschlichen Arbeit behandelt: „Die Arbeitsemigration darf in keiner Weise eine Gelegenheit zu finanzieller oder sozialer Ausbeutung werden ... Der Wert der Arbeit muß mit dem gleichen Maßstäb gemessen werden und nicht nach der verschiedenen Nationalität, Religion oder Rasse. Erst recht darf die Notlage, in der ein Emigrant sich befindet, nicht ausgenützt werden” (Nr, 23). Die Kirche wird die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit unermüdlich unterstützen und an das Gewissen von Vertretern staatlicher Obrigkeiten und Arbeitgebern appellieren, damit das Kapital der Arbeit, und somit den Arbeitern, und nicht die Arbeit dem Kapital dient (vgl. ebd.). Ihr habt diese Pilgerfahrt philippinischer Immigranten aus ganz Europa organisiert, um - durch die Fürsprache Marias - eure christlichen Familien Gott darzubringen. Diese Pilgerreise, diese Aufopferung an Gott, findet im Monat Mai statt, jenem Monat, der unter dem Motto Isang pananampalataya, isang bansa, isang pamliya ... sa patnubay ni Maria („ein Glaube, eine Nation, eine Familie ... unter der Führung Marias”) Maria geweiht ist. Maria wiederum führt uns zu Jesus, so wie bereits damals die Diener bei der Hochzeit von Kana. Sie weist uns an, auf'ihren Sohn Jesus zu hören: „Was er euch sagt, das tut” (Joh 2,5). Vertraut auf die mütterliche Liebe Marias auch wenn es schwerfallt, die Auswirkungen dieser Liebe in der Härte eures täglichen Lebens zu erkennen. Wendet euch an Maria, wenn ihr auf Vorurteile und Abweisung stoßt. Vertraut auf sie in eurer Not, wenn ihr von Arbeits- und Wohnungsproblemen bedrängt seid. Vertraut ihr und der Fürsprache eures ersten philippinischen Heiligen, Lorenzo Ruiz, eure Sorgen für die Zukunft eurer Kinder an. Möge die Jungfrau Maria über euch wachen und euch helfen, mit Mut und Treue den bei der Taüfe begonnenen Weg christlicher Vollkommenheit zu gehen. Ich segne euch von ganzem Herzen im Namen unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus. Gott segne euch! Gott segne die Philippinen! Mabuhay ang Pilipinas! (Lang leben die Philippinen!) 922 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Video- und Audiokassetten in der Bildung von Kultur und Gewissen Botschaft zum 27. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 23. Mai vom 24. Januar Liebe Brüder und Schwestern! Ein Jahr nach Veröffentlichung der Pastoralinstruktion Aetatis novae über die Medien der sozialen Kommunikation lade ich euch alle wiederum ein, über die Sicht der modernen Welt, die uns die Instruktion bot, und über die praktischen Folgerungen der von ihr beschriebenen Verhältnisse nachzudenken. Die Kirche kann die vielen nie zuvor dagewesenen Umwälzungen, die vom Fortschritt in dieser wichtigen und allgegenwärtigen Ausdrucksform modernen Lebens ausgelöst wurden, nicht unbeachtet lassen. Jeder von uns sollte um die Weisheit bitten, die er braucht, um die Gelegenheiten wahrzunehmen, die ihm die technischen Entwicklungen im modernen Kommunikationswesen für den Dienst an Gott und seinem Volk bieten, während er gleichzeitig die Herausforderungen erkennt, vor die ihn ein solcher Fortschritt unvermeidlich stellt. Wie uns die Pastoralinstruktion Aetatis novae in Erinnerung ruft, „erfährt die menschliche Kommunikation eine enorme Ausweitung, die die Kulturen der ganzen Welt tiefgreifend beeinflußt” (Nr. 1). Wir sprechen in der Tat von einer von den modernen Kommunikationsmitteln geschaffenen „neuen Kultur”, die jeden, besonders die jüngere Generation, betrifft und die ihrerseits weitgehend das Ergebnis fortgeschrittener technischer Entwicklungen ist, die „neue Arten der Kommunikation, mit einer neuen Sprache, mit neuen Techniken und mit neuen psychologischen Haltungen” hervorgebracht haben (vgl. Redemptoris missio, Nr. 37). Bei dem Bemühen, ihre immerwährende Sendung der Verkündigung des Gotteswortes zu erfüllen, steht die Kirche heute vor der enormen Herausforderung, dieser neuen Kultur den Glauben zu verkünden und in ihrer Sprache die unveränderliche Wahrheit des Evangeliums zum Ausdruck zu bringen. Da alle Gläubigen von diesen Entwicklungen betroffen sind, ist jeder von uns aufgerufen, sich an die sich verändernden Verhältnisse anzupassen und wirksame und verantwortungsvolle Mittel und Wege zu entdecken, um die Massenmedien zur Ehre Gottes und zum Dienst an seiner Schöpfung zu gebrauchen. In meiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel im vergangenen Jahr sagte ich, daß zu den Wirklichkeiten, die wir an diesem jährlich begangenen Tag hochhalten, die von Gott geschenkten Gaben des Sprechens, Hörens und Sehens gehören: Sie machen Kommunikation zwischen uns überhaupt erst möglich. Dieses Jahr konzentriert sich das Thema des Welttages auf zwei besondere „neue” Medien, die eben diesen Sinnen in ganz außergewöhnlicher Weise dienen, nämlich Audiokassetten und Videokassetten. 923 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Audio- und Videokassette haben uns die Möglichkeit erschlossen, eine unbegrenzte Anzahl von Programmen in Ton und Bild, die sich zudem leicht transportieren lassen, griffbereit zu haben, sei es für Unterricht oder Unterhaltung, zum vollständigeren Verständnis von Nachrichten und Informationen oder aus Gefallen an Schönheit und Kunst. Diese neuen Medien sollten als Werkzeuge anerkannt werden, die Gott uns mit Hilfe menschlicher Intelligenz und Genialität zur Verfügung gestellt hat. Wie alle Gottesgaben sind sie dazu bestimmt, für einen guten Zweck gebraucht zu werden und einzelnen und Gemeinschaften dabei zu helfen, in Kenntnis und Wertschätzung der Wahrheit ebenso zu wachsen wie in der Sensibilität für die Würde und die Bedürfnisse der anderen. Audio- und Videokassetten verfügen daher über gewaltige Möglichkeiten, Menschen zu helfen, sich kulturell, sozial und in religiöser Hinsicht zu entfalten. Sie können große Dienste leisten bei der Weitergabe des Glaubens, auch wenn sie niemals das persönliche Zeugnis ersetzen können, das für die Verkündigung der vollen Wahrheit und des Gutes der christlichen Botschaft wesentlich ist. Ich habe die Hoffnung, daß diejenigen, die sich beruflich mit der Erstellung von Audio- oder Videoprogrammen in Kassettenform oder mit Hilfe anderer Informationsträger beschäftigen, über die Notwendigkeit nachdenken werden, daß die christliche Botschaft in der von den modernen Massenmedien geschaffenen neuen Kultur explizit und implizit Ausdruck finden muß (vgl. Aetatis novae, Nr. 11). Das sollte nicht nur als eine natürliche Konsequenz der „aktiven und offenen Präsenz der Kirche in der Welt der Kommunikation” (ebd.) erwartet werden, sondern auch als das Ergebnis einer präzisen Verpflichtung seitens der Kommunikatoren. Die Fachleute, die Auswirkung und Einfluß der von ihnen geschaffenen Medienerzeugnisse auf ihren wahren Wert hin einschätzen, werden sich insbesondere darum bemühen, sie mit so hoher moralischer Qualität auszustatten, daß sie eine ausnahmslos positive Wirkung auf die Gestaltung der Kultur haben. Sie werden der stets vorhandenen Verlockung leicht zu erzielender Gewinne widerstehen und standhaft ihre Teilnahme an einer Produktion ablehnen, die menschliche Schwäche ausnutzt, das Gewissen verletzt oder die Menschenwürde beleidigt. Ebenso wichtig ist es, daß sich die Benutzer von Medien wie Audiokassette oder Videokassette nicht als bloße Konsumenten sehen sollten. Jeder einzelne kann einfach dadurch, daß er bzw. sie den Herstellern und Vertreibem von Medienangeboten seine bzw. ihre Reaktionen darauf zur Kenntnis bringt, eine klare Wirkung auf den Gegenstand und die Moral künftiger Angebote erzielen. Besonders die Familie als Grundeinheit der Gesellschaft wird von der Medienwelt, in der sie lebt, zutiefst beeinflußt. Eltern haben daher die ernste Pflicht, die Familie zu einem kritischen Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel zu erziehen. Die Bedeutung dieser Aufgabe muß besonders jungen Ehepaaren klargemacht werden. Desgleichen sollten katechetische Programme nicht die Notwendigkeit übersehen, Kinder und Erwachsene den richtigen und verantwortungsvollen Gebrauch der Massenmedien zu lehren. 924 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN An diesem Welttag der sozialen Kommunikationsmittel gelten meine herzlichen und besten Wünsche allen Fachleuten, Männern und Frauen, die sich bemühen, der Menschheitsfamilie durch die Kommunikationsmittel zu dienen, allen Mitgliedern der in der ganzen Welt tätigen internationalen katholischen Medienorganisationen und der großen Masse der Medienkonsumenten, die deren Publikum sind und denen gegenüber sie eine sehr gewichtige Verantwortung tragen. Möge der allmächtige Gott über euch alle seine Gaben ausgießen. Aus dem Vatikan, am 24. Januar 1993, dem Fest des hl. Franz von Sales, Schutzpatron der Journalisten. Joannes Paulus PP. II Zum Dialog und zur Gemeinschaft erziehen Ansprache an das Generalkapitel der Kongregation der „Kleinen Missionsschwestem von der Liebe” am 24. Mai Liebe Schwestern! 1. Mit Freude empfange ich euch zum Abschluß des 8. Generalkapitels eures Institutes. Die heutige Begegnung bietet mir Gelegenheit, euch meine Dankbarkeit für den Einsatz auszusprechen, mit dem eure Ordensfamilie nach der charismatischen Sicht von Don Luigi Orione wirksam zum Evangelisierungswerk der Kirche durch ein kostbares Zeugnis der Liebe unter den Armen und Hilfsbedürftigen beiträgt. Ich richte an eine jede von euch Delegierten zum Kapitel einen herzlichen Willkommensgruß; ich begrüße besonders die neue Generaloberin, Sr. Ortensia Turati, zusammen mit ihrem neuen Generalrat. Ich danke für die freundlichen Worte, die eben an mich gerichtet wurden, und ich danke für die Treue zur Kirche und zum Papst, die ihr hochherzig pflegt. 2. Eure Kongregation ist aus dem geistlichen Genius eures seligen Gründers hervorgegangen und verbreitet weiter in der Welt das Evangelium der Liebe und die Zeichen der göttlichen Barmherzigkeit. Damit ihr diese Sendung immer besser durchführen könnt, wolltet ihr auf dem Kapitel über euer spezifisches Charisma nachden-ken, um durch die Katechese und Praxis der Werke der Barmherzigkeit, die das Evangelium nennt und die besonders den Allerärmsten gilt, alle zur Liebe zu Jesus Christus, zum Papst und zur Kirche hinzuführen. Die intensiven und arbeitsreichen Tage des Gebetes und des schwesterlichen Dialogs haben euch eine echte „Erfahrung der Einheit in der Liebe” beschert. Ihr habt den bisher durchlaufenen geistlichen Weg überprüft. Ihr habt das apostolische Programm untersucht, das besonders in eurem vierten Gelübde der Liebe zum Ausdruck kommt, und das evangelisierende Bemühen innerhalb einer jeden von euren Gemeinschaften und Unternehmungen, je nach den unterschiedlichen Aufgaben der 925 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kongregation, von der aktiven Anwesenheit auf dem Gebiet der Nächstenliebe bis zur schweigenden und betenden Aufopferung der Schwestern, die sich dem kontemplativen Leben widmen. Es war ferner euer Anliegen, den gewandelten Zeitverhältnissen Rechnung zu tragen und euch zu fragen, welches der besondere Beitrag sein sollte, den euer Institut in die neue Evangelisierung einzubringen berufen ist in voller Treue zum Geist des Gründers und zugleich in mutigem Zugehen auf die apostolischen Anforderungen von heute. Ihr wollt, wie Don Orione zu wiederholen liebte, „an der Spitze der Zeit” euren Weg gehen. Dazu gehört eine geduldige Arbeit der Überprüfung und aufmerksamen Bewertung der Werke und Dienste, auch eine weise Öffnung für die Mitarbeit der Laien. Vor allem ist das ständige Bemühen um persönliche und gemeinschaftliche Bekehrung gefordert. Die Erfahrung eines intensiven gegenseitigen Austausches, die ihr auf dem Generalkapitel gemacht habt, müßt ihr nun allen Mitschwestem weitergeben, so daß die Einheit in der Liebe überall dort lebendig wird, wo ihr zu wirken habt. So wird der apostolische Eifer der Kleinen Missionsschwestem von der Liebe unter den Armen und Leidenden als beredtes Zeugnis im Sinn des Evangeliums hell aufleuchten. 3. Liebe Schwestern, ihr seid zur Heiligkeit berufen: Diese eure Berufung müßt ihr mit allen Mitteln und mit allem Nachdruck pflegen und so euren geistlichen Vater nachahmen und zugleich von den Konstitutionen des Institutes euch leiten lassen. In der Heiligen Regel findet sich bereits der sichere Weg vorgezeichnet, den man gehen muß, wenn man Gott treu sein, den Bedürfnissen der Kirche entgegenkommen und den Armen dienen will, um sie zu Christus zu führen. Vertieft euch in die Konstitutionen, lebt sie, nährt euch am Tisch des Wortes Gottes und der Sakramente und folgt gelehrig dem Lehramt der Kirche. Der Selige Luigi Orione hat euch empfohlen, „auf zwei Füßen zu gehen, dem der Demut und dem der Liebe”, und er fügte hinzu: „Seid Mütter und Dienerinnen der Armen ... geht hin, verbreitet die Liebe, und macht aus eurem Leben ein Ganzopfer.” In dieser Schule der Heiligkeit und der Hingabe an die Mitmenschen bildet zugleich die Jugendlichen heran, die der Herr weiter in eure Ordensfamilie beruft. Versteht es, in ihnen mit eurem Beispiel das Verlangen zu wecken, sich radikal dem Evangelium hinzugeben, und vermittelt ihnen die Leidenschaft Don Oriones für den gekreuzigten Christus. Der selige Gründer sagt: „Sich in allem unserem Herrn Jesus Christus gleichförmig machen, Jesus Christus leben, sich innerlich und äußerlich mit Jesus Christus bekleiden, in dieser Schule müssen die Schwestern ausgebildet und geformt werden.” Die anfängliche Ausbildung und die ständige Weiterbildung soll daher zu den Prioritäten eures Institutes gehören. Pflegt eine weise Erziehertätigkeit, die sich nährt von der Kontemplation und einer intensiven Praxis der Sakramente. Erzieht zum Dialog und zur Gemeinschaft, und wißt dabei jeden persönlichen und kulturellen Beitrag 926 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auszuwerten. Bewahrt das Streben nach Einheit, wenn die Grenzen eures Apostolates sich ausweiten. Denkt an das, was Don Orione geschrieben hat: „Alle sollen wetteifern, der Seele, dem Geist, dem Herzen und auch dem kranken Leib unserer Mitmenschen aus Liebe zu Gott mit allen Kräften Gutes zu tun” (Lettern I, 282). 4. Liebe Schwestern! Nehmt nun nach der Unterbrechung durch das Generalkapitel euren Weg mit Eifer wieder auf. Euer erstes Anliegen soll es sein, allen Gemeinschaften eine neue Botschaft der Hoffnung zu überbringen. Ihr müßt ihnen mitteilen, was der Geist euch nahegelegt hat, und gemeinsam mit ihnen einer neuen apostolischen Zeit in eurer Kongregation und in der Kirche Leben schenken. Stützen möge euch die mütterliche Fürbitte Mariens, die der Selige Orione „Himmlische Gründerin” zu nennen liebte. Es möge euch vom Himmel aus euer Gründer beschützen. Es begleite euch auch der besondere Segen, den ich einer jeden von euch und all euren Mitschwestem von Herzen erteile, zumal denen, die alt und krank sind und zu leiden haben. Gemeinsam über die kulturellen Wurzeln nachdenken Grußwort bei der Sonderaudienz für die bulgarische Delegation beim Fest der Slavenapostel Kyrill und Method am 24. Mai Herr Präsident der Nationalversammlung von Bulgarien, geehrte Herren und liebe Brüder! Wie in den vergangenen Jahren habe ich auch in diesem Jahr die Freude, die offizielle bulgarische Delegation zu begrüßen, die anläßlich des Festes der in Ost und West gleichermaßen verehrten heiligen Kyrill und Method nach Rom gekommen sind. Ihr liturgischer Gedenktag hat in Ihrem Land besondere Bedeutung, denn es ist gleichzeitig ein kulturelles Fest. Es betrifft nicht nur die orthodoxen und katholischen Gläubigen, sondern bewirkt, daß all ihre Mitbürger über das kulturelle Erbe nachdenken können, das durch das Wirken der beiden heiligen Brüder von Saloniki seinen Anfang nahm. Auch Ihre Abordnung mit dem Präsidenten der Nationalversammlung an der Spitze und Vertretern der Kirchen und kulturellen Einrichtungen unterstreicht die Bedeutung und den nationalen Charakter dieses Festes. Ich hatte bei anderen Anlässen die Gelegenheit zu betonen, daß in dem Evangelisierungswerk, das die heiligen Kyrill und Method als Vorkämpfer in dem von slawischen Völkern bewohnten Raum vollbracht haben, „sich zugleich ein Beispiel für das findet, was man heute als .Inkulturation’ bezeichnet - die Inkarnation des Evangeliums in den einheimischen Kulturen - wie auch die Eingliederung dieser Kulturen in das Leben der Kirche” (Slavorum Apostoli, Nr. 21). Denn das Evangelium „führt nicht zur Verarmung und zur Auslöschung dessen, was jeder Mensch, jedes Volk 927 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und jede Nation, was jede Kultur während ihrer Geschichte als Wert, Wahrheit und Schönheit anerkennen und leben” (Slavorum Apostoli, Nr. 18). Die tiefe Verbindung, die zwischen dem Evangelium, der Sendung der Kirche und eurer Kultur besteht, ist nicht etwas Vergangenes. Es ist heute hingegen notwendig, in einem Augenblick, wo auch Sie in Ihrem Land Ihre christlichen Wurzeln neu zu entdecken suchen, um eine Gesellschaft zu bauen, in der „gegenseitiges Verständnis, Bereitschaft zur Zusammenarbeit durch einen ausgiebigen Austausch der kulturellen und geistigen Güter” Wirklichkeit werden (Salvorum Apostoli, Nr. 27). Von Herzen wünsche ich - dank des Erbes der Brüder Kyrill und Method, der Verbindungsglieder zwischen verschiedenen Kulturen und kirchlichen Traditionen -, daß Europa und die Christen die ersehnte Einheit finden mögen, die „weder ein Aufsaugen noch eine Verschmelzung ist” (Slavorum Apostoli, Nr. 27), sondern Gemeinsamkeit bei gegenseitiger Achtung. Möge unsere Begegnung im Geist des Werkes von Kyrill und Method ein Zeichen sein für verstärkte Beziehungen in kirchlicher Brüderlichkeit und Solidarität. Der Herr segne Ihr geliebtes Land und alle seine Bewohner. Jedes einzelne Volk hat seinen Platz in der Menschheitsfamilie Grußwort an die Delegation der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien beim Fest der Slavenapostel Kyrill und Method am 24. Mai Herr Präsident, sehr geehrte Herren! Die jährliche Wiederkehr des Festes der heiligen Kyrill und Method ist der Grund des derzeitigen Rombesuches Ihrer Delegation, die aus der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM) kommt. Die Kirche San Clemente, wo der hl. Kyrill begraben ist, wurde zu einem Ort, an dem viele Völker, Empfänger der Evangelisierung dieser Heiligen, dem Herrn danken für die Verkündigung des Evangeliums. Durch die heiligen Kyrill und Method, die in der byzantinischen Tradition „den Aposteln gleich” genannt wurden, fand das Gebot des Herrn volle Erfüllung: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern” (Mt 28,19), und auch das, was der heilige Paulus gesagt hatte: „Und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr’ - zur Ehre Gottes, des Vaters’” (Phil 2,11). Die Art und Weise, in der die Brüder von Saloniki ihr Evangelisierungswerk vollbrachten, zeugt von ihrer tiefen Feinfühligkeit. Sie drängten den Völkern, an die sie sich wandten, ihre eigene Kultur nicht auf, sondern „indem sie ihre Kenntnis der griechischen Sprache und Kultur für dieses schwierige und einmalige Vorhaben dienstbar machten, setzten sie es sich zur Aufgabe, Sprache, Sitten und Traditionen der Slawenvölker zu verstehen und zu durchdringen und dabei die menschlichen 928 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werte und Intentionen, die darin lagen und zum Ausdruck kamen, getreu zu deuten” (Slavorum Apostoli, Nr. 10). Dieser Aspekt der Tradition von Kyrill und Method gilt auch heute noch. Ja, er wird sogar ein Gebot, das die Völker ständig berücksichtigen müssen für ihren Lebensplan und ihre wechselseitigen Beziehungen. Die verschiedenen Kulturen, die durch das Werk der heiligen Kyrill und Method entstanden sind, sind einander nicht entgegengesetzt. Sie drücken den Reichtum der verschiedenen Völker aus, von denen jedes einzelne seinen eigenen Platz in der großen Menschheitsfamilie hat. Das Beispiel der heiligen Brüder, die in ihrem Evangelisierungs- und kulturellen Werk die Einheit in der Vielfalt zu bewahren wußten, sei für uns ständiger Ansporn. „Eine solche Verschiedenheit kann, wenn nur ihr Ursprung richtig verstanden sowie ihr Wert und ihre Bedeutung angemessen eingeschätzt wird, die Kultur Europas und seine religiöse Tradition nur bereichern und ebenso eine angemessene Grundlage für seine ersehnte geistige Erneuerung werden” {Slavorum Apostoli, Nr. 25). Mit diesen Empfindungen danke ich firnen herzlich für Ihren Besuch wünsche Ihnen und allen Balkanvölkem bei dieser Gelegenheit, daß sie die gegenwärtigen Spannungen überwinden und friedlich und solidarisch Zusammenleben. Angriff auf die Menschenwürde und das friedliche Zusammenleben der Mexikaner Telegramm an den Vorsitzenden der Mexikanischen Bischofskonferenz, Erzbischof Adolfo Antonio Suärez Rivera, zur Ermordung von Kardinal Ocampo vom 26. Mai Bei Erhalt der traurigen Nachricht vom tragischen Tod des Herrn Kardinal Juan Jesus Posadas Ocampo, Erzbischof von Guadalajara, der mit noch anderen Menschen einer unentschuldbaren Gewalttat zum Opfer gefallen ist, möchte ich Ihnen und allen Mitgliedern des mexikanischen Episkopats meine tiefe Betroffenheit zum Ausdmck bringen. In diesem Augenblick großer Trauer bete ich inständig für die ewige Seelenruhe dieses so vorbildlichen Hirten, der sein Leben hochherzig dem Dienst für Gott und für die Kirche gewidmet hat. Zugleich spreche ich meine entschiedene Mißbilligung über solche Angriffe aus, die gegen das Leben und die Würde der Menschen, aber auch gegen das friedliche Zusammenleben und die christliche Tradition des geliebten mexikanischen Volkes gerichtet sind. 929 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gegen die Verbrechen des Drogenhandels Vorgehen Schreiben zum Begräbnisgottesdienst für Kardinal Juan Jesus Posadas. Ocampo in Guadalajara vom 27. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern der Erzdiözese Guadalajara und in ganz Mexiko! In diesen Stunden besonderer Trauer wegen des tragischen Todes des Herrn Kardinal Juan Jesus Posadas Ocampo, Erzbischof dieser heben-Erzdiözese und zugleich Vizepräsident der Mexikanischen Bischofskonferenz und des lateinamerikanischen Bischofsrates, möchte ich euch meine lebhaften Gefühle der Anteilnahme zum Ausdruck bringen, während ich geistig an dieser Eucharistiefeier teilnehme, an der als mein Vertreter Kardinal Eduardo Pironio teilnimmt. Die Gestalt des so vorbildlichen Hirten, der mit Hochherzigkeit und Selbstverleugnung sein Leben dem Dienste Gottes und der Kirche geweiht hat, ist Anlaß zu tiefem Dank, wenn wir die Kraft seines Glaubens betrachten, die Fruchtbarkeit seines Dienstes sowie seine Sorge und Liebe für die Herde, die der Herr-ihm anvertraut hatte. Sein schonungsloser Einsatz in der Sendung, die Heilsbotschaft Jesu Christi präsent zu machen, verschaffte ihm die Liebe seiner Diözesanen und die Achtung aller Menschen guten Willens. Die tragischen Umstände des Todes des geliebten Erzbischofs von Guadalajara zusammen mit sechs weiteren Personen müssen ein dringender Aufruf für alle sein, eine solch verabscheuungswürdige Gewaltanwendung auszumerzen, die soviel Leid und Tod verursacht, wie es beim verwerflichen Verbrechen des Drogenhandels der Fall ist. Ich bitte den Herrn, daß er in die Herzen aller Mexikaner Gefühle des Friedens und der Brüderlichkeit einsenke und daß die christlichen Werte, die die Geschichte dieser großen Nation geprägt haben, zur Anregung für einen neuen Einsatz zum Aufbau einer gerechteren, brüderlicheren und aufnahmebereiteren Gesellschaft werden, die immer für die Hoffnung offen ist. Gebe Gott, daß das lichtvolle Beispiel des Kardinals Posadas Ocampo zum Antrieb und zur Ermunterung für alle wird, zumal für jene, die das Werk der Evangelisierung fortsetzen, dem der würdige Purpurträger sein ganzes Leben geweiht hat. Möge der Herr, der Fürst des Friedens, in den Herzen Gefühle der Eintracht und Harmonie wecken, damit sich Akte nicht zu rechtfertigender Gewaltanwendung nicht wiederholen, die eine Beleidigung sind für das friedliche Zusammenleben und die christliche Tradition des edlen mexikanischen Volkes. Auf alle, die an der Eucharistiefeier für die ewige Ruhe unseres geliebten Bmders, des Priesters und Bischofs Juan Jesus, und der übrigen Opfer teilnehmen, rufe ich den göttlichen Beistand herab, daß sie in dieser Stunde des Schmerzes über einen so unersetzlichen Verlust Trost empfangen. Ich möchte ferner die Familienangehörigen des Herrn Kardinals, die Weihbischöfe sowie die Priester und Ordensleute, die mit ihm getreu im Dienst für das Volk Gottes zusammengearbeitet haben, meiner Ver- 930 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bundenheit versichern. Ich spreche ebenfalls den Familienangehörigen der übrigen Toten mein tief empfundenes Beileid aus. Allen Anwesenden, meinen geliebten Brüdern im Bischofsamt, den würdigen Autoritäten der Nation und dem christlichen Volk von Guadalajara und Mexiko erteile ich als Zeichen der Hoffnung im auferstandenen Christus den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 27. Mai 1993 Joannes Paulus PP. II Christus als das vollkommene Vorbild Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Symposions über „Pastores dabo vobis: Der Priester heute” am 28. Mai Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern” (Mt 28,19). Mit diesen Worten sandte der Herr die Apostel aus, das Evangelium den Menschen aller Zeiten, an jedem Ort und in jeder Kultur zu verkünden. Im Gehorsam gegen dieses Gebot des Herrn sind die Bischöfe und ihre Mitarbeiter, die Priester, berufen, in der ganzen Menschheit ohne jede Einschränkung maßgebende Verkünder des Evangeliums zu sein. Sie werden sich um so glaubwürdiger mit dieser weltweiten Sendung identifizieren, je mehr ihr Leben durchlässig wird für die Botschaft des Herrn und je besser sie es verstehen, diese Botschaft vollständig und mit Liebe weiterzugeben. Um diesen so grundlegenden Aspekt von Sein und Leben des Priesters darzulegen und zu vertiefen, wurde dieses euer Internationales Symposion mit dem bezeichnenden Titel: „Pastores dabo vobis: Der Priester heute” veranstaltet. Eingefügt in die Thematik der Vollversammlung der Bischofssynode über die Priesterbildung im Kontext der Gegenwart, war es die Absicht dieses Treffens, einen Überblick von Gedanken und Erwägungen zu bieten, die geeignet sind, die fruchtbare Anwendung des nachsynodalen Apostolischen Schreibens zu fördern. Darum ist es mir eine Freude, euch in dieser Sonderaudienz zu empfangen und euch alle herzlich zu begrüßen. Vor allem begrüße ich Kardinal Jose Sanchez, den Präfekten, und Erzbischof Crescenzio Sepe, den Sekretär der Kongregation für den Klerus, denen ich dafür danke, daß sie diese Initiative angeregt haben. Ich begrüße die anwesenden Bischöfe und Priester und alle, die an dem Symposion teilgenommen haben, die Rektoren der Päpstlichen Universitäten in Rom, die Vorsitzenden der einzelnen Sektionen, die Referenten und alle, die zum Gelingen des Kongresses beigetragen haben. 931 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Die Identität, das Leben und die Bildung der Priester zu vertiefen ist heute eine von der Neuevangelisierung gestellte Forderung. Die Identität des Priesters ist eingefiigt in den Heils willen Gottes, der in Christus jeden Menschen in seinem sozio-religiösen Kontext erreichen will. Alles muß also von diesem Horizont ausgehen, und alles muß danach trachten, diesen göttlichen zuvorkommenden Heilsratschluß zu verwirklichen. So wird verständlich, warum der Priester seinem Wesen nach durch das Merkmal, das er durch die Auflegung der Hände und das Weihegebet empfangen hat, auch zum „Hirten” wird. Niemand anderem darf diese Bezeichnung in rechter Weise gegeben werden; nur der darf so genannt werden, der in Übereinstimmung und durch Gleichgestaltung mit dem Priestertum Christi geweihter Diener und Ausspender der heiligen Geheimnisse ist. Wie notwendig ist es, bei einer so bedeutsamen Wahrheit zu verweilen und über das Bewußtsein nachzudenken, das der Priester von sich selbst als Diener Jesu Christi, des Hauptes und Hirten, haben muß (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 25). Die Identität, das priesterliche Profil und die Befähigung zum Hirtendienst haben ihre Wurzeln in der Christologie. Christus, er allein, ist das vollkommene Vorbild, das heute wie auch in den kommenden Zeiten nachgeahmt werden muß. Denn wirklich: „Sacerdos alter Christus”! Der Priester ist ein Zeichen Christi, des Priesters und Guten Hirten. Er hat Anteil an der Weihe und Sendung des Herrn, so daß er im Namen Christi, des Hauptes der Kirche, handeln (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 2) und sein Wort, sein Opfer, sein Heilswirken und seinen Hirtendienst fortsetzen kann (vgl. Presbyterorum ordinis, Nm. 4-6). Die Person Jesu bildet daher den wesentlichen Bezugspunkt, um das Leben und den Dienst des Priesters zu verstehen und ihm Sinn zu geben. „Der Bezug auf Christus ist also der absolut notwendige Schüssel für das Verständnis aller Dimensionen priesterlicher Wirklichkeit” (Pastores dabo vobis, Nr. 12). Auch die „feste Entschlossenheit der Kirche ... an dem Gesetz festzuhalten, das den zur Priesterweihe nach dem lateinischen Ritus ausersehenen Kandidaten den frei gewählten, ständigen Zölibat auferlegt” (ebd., Nr. 29), ist in diesem christologischen Kontext zu erkennen. Wie euer Kongreß es gut hervorgehoben hat, handelt es sich ja nicht bloß um eine juridische Norm, sondern um eine auf die Ebene des Kirchenrechts übertragene theologische Wirklichkeit, weil ihre Motivierung in jene „Dynamik des Geschenkes” (vgl. ebd., Nr. 50) eingeschrieben ist, die mit der heiligen Weihe und der auf ihr beruhenden sakramentalen Gleichgestaltung mit Christus in engem Zusammenhang steht. Die eigentlichen Gründe für den Zölibat sind daher nicht auf psychologischem, soziologischem, geschichtlichem oder juridischem Gebiet zu suchen, sondern auf dem mehr im eigentlichen Sinn theologischen und pastoralen oder im priesterlichen Charisma als solchem. 3. Zwischen dem Geschenk des allgemeinen Priestertums und dem besonderen Geschenk des hierarchischen Priestertums besteht ein wesentlicher Unterschied, nicht 932 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nur ein Unterschied dem Grade nach (vgl. Pius XII, Mediator Dei, AAS39[1947]; Ansprache Magnificate Dominum, AAS46[1954]669; Zweites Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium, Nr. 10; Presbyterorum ordinis, Nr. 2). Es handelt sich nämlich um Gaben von theologisch unterschiedlicher Natur, die durch verschiedene sakramentale Handlungen verliehen werden und auch verschiedenartige Wirkungen in den Empfängern hervorrufen. Das theologische Verständnis und die Wertschätzung des königlichen Priestertums der Gläubigen muß immer gleichlaufend begleitet sein vom Verständnis und der Wertschätzung für das Amtspriestertum, dessen Würde wirklich einzigartig ist. Die auf harmonische, richtige und klare Weise vertiefte Sicht dieser beiden Aspekte bildet einen der heikelsten Punkte im Sein und Leben der Kirche unserer Zeit. Vor allem in diesen letzten Jahrzehnten haben sich gerade auf einem theologisch und christologisch mißverständlichen Gebiet nicht wenige Probleme „priesterlicher Identität” ergeben in bezug auf das tiefe Gleichgewicht, das die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über die beiden Modalitäten der Teilhabe am Dienst Christi auszeichnet. In Pastores dabo vobis wollte ich klarstellen, daß „der Priester die volle Wahrheit seiner Identität darin (findet), sich von Christus herzuleiten, in besonderer Weise an Christus teilzuhaben und eine Weiterführung Christi... zu sein: Er ist ein lebendiges und transparentes Abbild des Priesters Christus” (Pastores dabo vobis, Nr. 12). Und weiter: „Auf diese Weise wird die Communio-Ekklesiologie entscheidend, um die Identität des Priesters, seine eigenständige Würde, seine Berufung und Sendung im Volk Gottes und in der Welt zu begreifen” (ebd.). Darum bin ich erfreut, daß einige Referate eures Treffens versucht haben, diese heikle theologische Frage noch eingehender zu untersuchen. 4. Die sakramentale Gleichgestaltung mit Christus erfordert es, daß der kirchliche Bildungsweg den Priester zur beständigen Nachfolge des Herrn führe, daß er sich mit ihm vereinigt „im Erkennen des väterlichen Willens und in der Hingabe für die Herde” {Presbyterorum ordinis, Nr. 14). Auf dem Fundament gelehriger Treue gegenüber dem Willen Gottes und der pastoralen Liebe festigen sich das geistliche Leben des Priesters und seine unermüdliche priesterliche Tätigkeit zur Einheit. Die ständige Weiterbildung, bei der sich die verschiedenen einzelnen Bildungsaspekte auf dem Fundament der priesterlichen Liebe harmonisch zusammenfügen, wird für den Priester das kostbare „Mosaik” der Lebenseinheit bilden müssen (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 14; Pastores dabo vobis, Nr. 72). Es gilt, in gelehriger Zusammenarbeit mit dem Heiligen Geist einen Bildungsweg zu planen und zu verfolgen, der im Diener des Heiligtums das Wachsen in der Heiligkeit gemäß seiner empfangenen Gabe fördert. So wird er mit all seinen Kräften danach streben, „lebendiges und transparentes Abbild” {Pastores dabo vobis, Nr. 12) der Liebe Jesu Christi, des Priesters, des Hauptes und Hirten, des Bräutigams und des Lehrers, zu sein, der seine Kirche heiligt. 933 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Um auf die Herausforderungen einzugehen, die die Neuevangelisierung stellt, wird der Priester heute eine Spiritualität leben müssen, die ständig genährt wird von einem selbstlosen und hebevollen Dienst an den Menschen, in Übereinstimmung mit dem empfangenen apostolischen Auftrag. Die Hauptrolle im geistlichen Leben und im Bildungsweg muß daher der Feier des heiligen Meßopfers zuerkannt werden, das „die Mitte und die Wurzel” der ganzen priesterlichen Existenz ist; sie findet ihre Ausweitung in einer von Liebe getragenen Verehrung der Gegenwart des Herrn im Tabernakel. Im Meßopfer finden sich die erhabensten Gründe für den Zölibat und für die Hirtenhebe, die den Priester mit Christus gleichgestalten in der vollkommenen Hingabe seiner selbst an den himmlischen Vater. Er muß ein Mann sein, der ganz vom Gebetsgeist durchdrungen ist. Je mehr er mit dringenden Dienstaufgaben belastet ist, um so mehr muß er die Kontemplation und den inneren Frieden pflegen in dem Bewußtsein, daß die Seele allen Apostolates in der lebendigen Verbundenheit mit Gott besteht. Die starke, feste und treue Liebe zu Jesus Christus, die transparente und freudige Beobachtung der Disziphn, die Pflege des Gottesdienstes, die Verfügbarkeit zum Dienst, die Verbundenheit, mit der Hierarchie wandeln sich in ihm auch zu missionarischem Geist, zu einem Wachstumsferment für die Kirche, zu wahrhaft kathohscher Zielsetzung und Garantie für eine echte Evangelisierung. Verwurzelt in der christozentrischen und kirchlichen Spiritualität, erblüht als ganz besonderes Merkmal die Verehrung der heiligen Jungfrau, der Mutter des Erlösers und Mutter des Priesters als eines „zweiten Christus” - „alter Christus’V Zum Abschluß des Internationalen Symposions fordere ich alle auf, gerade auf Maria zu schauen. Betrachten wir miteinander jene, die durch den Heiligen Geist den Erlöser empfangen und geboren hat. Bitten wir sie, den Samen des Guten zum Wachsen zu bringen, der mit gutem Willen in diesen Tagen ausgestreut wurde, und weiterhin über die Entfaltung der Berufungen und des priesterlichen Lebens in der Kirche zu wachen. Aus der Heiligkeit des Priesters - davon sind wir alle überzeugt - wird eine mächtige, besonders intensive Welle der Evangelisierung entspringen können, eine wunderbare Kraftquelle für das nahe bevorstehende dritte Jahrtausend. Mit diesen Wünschen erteile ich euch allen hier Anwesenden und allen Kongreßteilnehmern meinen besonderen Apostolischen Segen. 934 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Attentat von Florenz bringt friedliches Zusammenleben in Gefahr Telegramm an den Erzbischof von Florenz, Kardinal Silvano Piovanelli, vom 28. Mai Ich fühle mit Ihnen und der Stadt Florenz, die das äußerst schwere und schreckliche Attentat getroffen hat, bei dem fünf Menschen, darunter zwei Kinder und ihre Eltern, den Tod fanden und viele andere verwundet wurden. Während ich diese Geste unmenschlicher Gewalt und schrecklicher Grausamkeit entschieden verurteile, die unschuldige Menschen getötet hat und auch das friedliche Zusammenleben des geliebten italienischen Volkes gefährdet, richte ich voll Trauer meine Bitten an Gott, damit er die Seelen der wehrlosen Opfer aufnehme und den Verwundeten eine baldige Genesung schenke. Ich ermutige die Bevölkerung von Florenz und das ganze italienische Volk, diesen schwierigen Augenblick mit Hilfe von Solidarität und moralischer Redlichkeit zu überwinden, die den Grund jedes wahren und ersehnten sozialen Fortschritts bilden. Mit diesen Wünschen sende ich Ihnen, Herr Kardinal, den Angehörigen der Opfer, den Verwundeten und der geliebten Stadt meinen Trost und Apostolischen Segen zum Zeichen meiner tiefen Anteilnahme an dem großen Schmerz, aber auch an ihrer lebendigen Hoffnung auf Frieden, Eintracht und Wohlergehen. Die Kirche an der Schwelle der Jahrtausendwende Predigt bei der Pfmgstvigilfeier zum Abschluß der römischen Diözesansynode auf dem Petersplatz am 29. Mai 1. „Empfangt den Heiligen Geist!” (Joh 20,22). Von diesen Worten nimmt alles seinen Anfang. In ihnen und durch sie kommt „alle Macht im Himmel und auf der Erde” zum Ausdruck (vgl. Mt 28,18). Alles beginnt mit diesen Worten - und an diesem Abend, dem ersten nach dem Sabbat. Die im Abendmahlssaal, versammelten Apostel haben noch die Ereignisse der vergangenen Tage vor Augen und sind von Furcht ergriffen. Gerade dieser menschlichen Furcht kommen die Worte entgegen: „Empfangt ...” Aber vor allem er, Jesus, zeigt sich unter ihnen gegenwärtig; der Jesus, den sie am Kreuz sterben sahen und dann ins Grab legten. Jetzt ist er wieder unter ihnen anwesend. Der gleiche und dennoch verschieden. Der gleiche, denn sie hören seine Stimme. Der gleiche, weil er ihnen die Hände und die Seite zeigt, die Wunden, die Zeichen der Kreuzigung. Aber verschieden ... Verschieden: „der Erstgeborene der Toten” (Kol 1,18)! 935 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. „Empfangt den Heiligen Geist!” Alles nimmt seinen Ausgang von diesen Worten: Alles, was in den folgenden Tagen geschehen wird. Und schließlich auch Pfingsten. Das Pfmgstereignis wird von den Beteiligten genau beschrieben. Es ist eine sehr genaue Beschreibung, reich an Zeichen und Inhalt. Pfingsten ist aber vor allem eine Vollendung: die Vollendung dessen, was an jenem Osterabend geschehen war, „nach dem Sabbat”, durch die Kraft der Worte, die er, der Auferstandene, damals gesprochen hatte. Er hatte gesagt: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 20,21). Nach diesen Worten hatte er sie angehaucht und gesagt: „Empfangt den Heiligen Geist” (Joh 20,22). „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen ... und ihr werdet meine Zeugen sein” (Apg 1,8). Ebendas geht am Pfingsttag in Erfüllung. Petrus hält eine Rede. Er spricht als Zeuge des gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Er spricht in der Vollmacht des Geistes der Wahrheit. Die Apostel wissen, daß sie alle dieselbe Vollmacht erhalten haben. Und als die Umstehenden die Worte des Petrus hörten und fragten: „Was sollen wir tun, Brüder” (Apg 2,37), antwortete er: „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden” (Apg 2,38). Hatte Christus, als er ihnen den Heiligen Geist gab, den er der Kirche in den Wunden seiner Kreuzigung brachte, nicht gesagt: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert” (Joh 20,23)? 3. „Empfangt den Heiligen Geist!” In der Geschichte der Kirche, die auf dem Fundament der Apostel gebaut ist, hat immer alles von diesen Worten seinen Ausgang genommen. Von der Tiefe des Ostergeheimnisses selbst hat die apostolische Kirche von Rom, das besondere Erbe der heiligen Petrus und Paulus, auch ihre Synode begonnen. Dieser Anfang war am 17. Mai 1986, einem Samstag wie heute, während der Vigilfeier von Pfingsten. Heute kehrt die Kirche in Rom nach dem synodalen Weg auf den Petersplatz zurück und bringt die Früchte ihrer mehrjährigen Arbeit. „Er, der bei uns das gute Werk begonnen hat, wird es auch vollenden” (vgl. Phil 1,6). 4. „Danket dem Herrn, denn er ist gütig” (Ps 136,1). Weit, aber immer von der Gnade des Geistes und vom Gebet unterstützt war der Weg der römischen Synode. Weit mußte er sein, um eine angemessene praktische Vorbereitungszeit der Communio-Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils und ein gemeinsames Nachdenken des ganzen Volkes Gottes von Rom zu ermöglichen, über die Sendung, die diese Kirche am Ausgang des zweiten Jahrtausend christlicher Zeitrechnung erwartet, einer Aufgabe, die in der großen Herausforderung der „Neuevangelisierung” zusammengefaßt ist. Denken wir an die wichtigsten Abschnitte und danken wir dem Herrn dafür durch die Fürsprache der Jungfrau Maria (der „Salus Populi Romani” und der Madonna 936 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN del Divino Amore), den Aposteln Petrus und Paulus, den Märtyrern, allen heiligen Männern und Frauen, die der größte Reichtum dieser Kirche sind. Zuerst unter der Leitung des Kardinalvikars Ugo Poletti die eifrige Vorarbeit, die anhand der Untersuchungen und des Einsatzes von Männern und Frauen - Bischör fen, Priestern, Ordensleuten und Laien - geleistet wurde, die ihre Fähigkeiten und Sachkenntnis gern zur Verfügung stellten, um die religiöse und soziale Wirklichkeit von Rom zu erforschen und die Kriterien und Pläne kirchlicher Erneuerung und missionarischen Einsatzes auszuwählen, die dem Volk Gottes zur Prüfung vorgelegt werden sollten. Dann, als die Verantwortlichkeiten meines Vikars bereits auf den Kardinal Camillo Ruini übergegangen waren, die großen Etappen, in deren Verlauf sich diese einmütige Untersuchung nach und nach entfaltet hat. An erster Stelle die vorsynodalen Versammlungen der Präfektur, Augenblicke stärkster Beteiligung des Volkes an den synodalen Debatten. Dann die Auseinandersetzung mit der Stadt, wo die Kirche Zuhörerin war und sich mit den sachkundigen Stellen und den wichtigsten und schwierigsten Problemen des heutigen Rom auseinandersetzte; ferner der von wahrer Brüderlichkeit geprägte ökumenische Dialog; die Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen der Diözese und den anderen kirchlichen Stellen in Rom, die zum Großteil im Dienst des Fleiligen Stuhls stehen. Und schließlich die Plenarsitzungen, bei denen während des ganzen letzten Pastoral-jahrs das „Synodenbuch” geduldig und eifrig erstellt wurde, das mir heute vom Kardinalvikar im Namen von euch allen, liebe Schwestern und Brüder, überreicht wurde, damit ich, der Bischof von Rom, es approbiere und veröffentliche. 5. „Danket dem Herrn, denn er ist gütig.” Dieses Buch lernte ich bereits hochschätzen wegen seines umfassenden Inhalts, der theologischen Zuverlässigkeit hinsichtlich des Wortes Gottes, der päpstlichen und konziliaren Lehre sowie in bezug auf seine missionarische Ausrichtung und pasto-rale Anregung. Es stellt beinahe ein Brevier oder eine Pastoralregel dar für den Weg der Neuevangelisierung der Kirche von Rom und mit Blick auf das zu erwartende Jubiläumsjahr 2000 und darüber hinaus. Schon jetzt möchte ich die Vorschläge unterstreichen, die es auszeichnen und die gleichsam die großen Richtungsgeber unseres Weges sein sollen: Vor allem das Bewußtsein der einzigartigen Berufung der Kirche von Rom, das heißt des Dienstes im Glauben und in der Liebe, den sie, der Sitz Petri, an dieser Stadt und an den in der gesamten Welt zerstreuten Schwesterkirchen leisten soll. Außerdem die tägliche, eingehende und umfassende Erfüllung des dreifachen Amtes Christi, das in der Kirche durch die Verkündigung und Katechese, das liturgische und persönliche Gebet sowie das Zeugnis der Nächstenliebe verwirklicht wird: ein Engagement, das immer mehr von der missionarischen Dynamik der Neuevangelisierung geprägt ist und nur auf dem Fundament einer konkreten und mitgeteilten Spiritualität und einem Gemeinschaftsleben in unserer Diözese Wirkung haben kann. Und weiter ein ver- 937 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stärkter pastoraler Einsatz in jenen Sektoren, wie Familie, Jugend, soziale und politische Verantwortung, Kultur, in denen man das christliche Antlitz der Stadt Rom des Jahres 2000 gestalten kann und muß. Dem Kardinalvikar, seinem Nachfolger Kardinal Ugo Poletti, meinen Bischöfen und ihren Mitarbeitern und euch allen, Schwestern und Brüdern der Kirche Gottes in Rom, erteile ich den Auftrag, diese pastoralen Zielsetzungen nach und nach zu verwirklichen durch geduldige und mutige Arbeit, die vom Gebet begleitet und immer vom Gottvertrauen und christlicher Hoffnung unterstützt wird. Das ist mein Dank für den bisher zurückgelegten synodalen Weg und auch meine Empfehlung für die nachsynodale Etappe, die noch zurückzulegen ist. Meine Lieben, ich grüße euch alle herzlich. Ich danke euch aufrichtig für den Beitrag, den ihr auf verschiedene Weise zu den synodalen Arbeiten geleistet habt. Ein besonderer Gruß gilt euch, lieben Missionaren: Ihr seid von Rom ausgezogen, um das Evangelium in fernen Ländern zu verkünden; jetzt seid ihr zurückgekehrt, um an der Beendigung der Synode teilzunehmen. Ich schließe mich geistig der Wallfahrt zum Heiligtum der Madonna del Divino Amore an, die nach dieser Meßfeier das Gnadenbild der seligsten Jungfrau Maria nach Hause begleitet. Ich werde mit meinem Gebet auch die Diözesanwallfahrt nach Lourdes vom 4. bis 10. Juli begleiten. Die Muttergottes, der Stern der Evangelisierung, unterstütze den anspruchsvollen nachsynodalen Weg der Kirche von Rom. Ihr empfehlen wir uns mit neuer Hoffnung. So vertraue ich euch allen, meine Lieben, diesen nachsynodalen Weg an, aber besonders empfehle ich euch der Gottesmutter „Salus Populi Romani”. 6. „O Geist, o Beistand.” Danken wir also für dieses „Ausgießen des Geistes” auf die apostolische Kirche in Rom, auf die Kirche am Ausgang des zweiten Jahrtausends. Danken wir für das II. Vatikanische Konzil, das uns bei den synodalen Arbeiten geleitet.hat. Wir danken für die Söhne und Töchter des Volkes Gottes, die - wie der Prophet Joel sagt - „Propheten sein werden”. (Joel 3,1): Wir danken für die Söhne und Töchter unserer Kirche, denen die Gabe der Erleuchtung des Rates geschenkt wurde, insofern sie an der prophetischen Berufung im Dienst der göttlichen Wahrheit teilhaben, der Heilsbotschaft für alle Menschen. O Tröstergeist, Geist des Vaters und des Sohnes, komm herab und erneuere das Antlitz der Erde! Erfülle uns mit deiner Kraft, damit das Gesicht dieser Stadt und dieser Kirche neu werde. 7. „Daß wir nicht zerstreut werden ...” Hier erscheint aus der frühesten Geschichte das Bild der Stadt und des Turms Babel, aus dem das Erbe der Spaltungen und Kämpfe erwächst, als die Menschen begannen, gegen Gott zu bauen. „Der Herr zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde, und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen” (Gen 11,8). „Daß wir nicht zertreut werden!” 938 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN O Gott Heiliger Geist, Geist von Pfingsten, komm, nimm Wohnung unter uns. Führe uns auf dem Weg der Gemeinschaft, den wir während der Jahre der Synode begonnen haben... j „Daß wir nicht zerstreut werden!” Erfülle uns mit deiner Kraft. Dein Schöpferwort rief uns zum Sein: nun hauch uns Gottes Odem ein.” „Veni, Sancte Spiritus!” Amen. Vor dem Schlußsegen sagte der Papst: Bevor ich den Segen erteile, möchte ich besonders den Präsidenten der Italienischen Republik, Oscar Luigi Scalfaro, begrüßen, der uns während dieser feierlichen Gebetswache mit seiner Anwesenheit beehrt hat. Ich begrüße auch die Delegierten, die an der Synode teilgenommen haben, und insbesondere jene, die heute abend bei dieser Feier anwesend waren: Weihbischof Gennadios Zervos für Italien von der griechisch-orthodoxen Erzdiözese des Ökumenischen Patriarchats, und Kanonikus Douglas Brown, Leiter des Anglikanischen Zentrums in Rom. Ihnen und allen, die bei der Synodenversammlung mitgearbeitet haben, meinen herzlichen Dank. Bessere Anpassung an die pastoralen Erfordernisse Apostolisches Schreiben an die Bischöfe Ungarns aus Anlaß der Neuordnung der Kirchenbezirke vom 30. Mai Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt! Seit den Anfängen der edlen Mägyaren-Nation hat die kathoüsche Kirche, die „zur Völkerwelt als , allumfassendes Heilssakrament’ von Gott her gesandt” (Ad gentes, Nr. 1) ist und. „kraft göttlichen Auftrags die Pflicht hat, in die ganze Welt zu gehen, um das Evangelium allen Geschöpfen zu verkündigen” (Dignitatis humanae, Nr. 13), ihre Heilsmission inmitten des Volkes auf dankenswerte Weise erfüllt. So erwählte schon 962 Papst Johannes XII. auf Ersuchen des Prinzen Taksony, der seinen Delegierten nach Rom geschickt hatte, Zachäus, weihte ihn zum Bischof und entsandte ihn nach Ungarn. Die nachfolgende Organisation der Kirche in Ungarn verdankt man dem heiligen König Stefan. Im Jahr 1001 anerkannte das in Gegenwart von Papst Sylvester II. - der Prinz Stefan die Krone gesandt hatte - in Ravenna abgehaltene Konzil den Sitz von Ezstergom als „Mutter und Haupt”. Inzwischen entstanden auch die Diözesen Veszprem, Kalocsa, Eger, Györ, Pecs, Casanäd, Bihar und Väc. Der heilige König Stefan war für sein Volk um entsprechende kirchliche Strukturen bemüht und hinterließ ihm so als kostbares Erbe den Glauben an den Apostolischen Stuhl. 939 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In dem Augenblick, in dem zwecks besserer Anpassung an die pastoralen Erfordernisse unserer Zeit die Neuordnung der Kirchenbezirke eures Landes erfolgt, erinnert man sich spontan dieser ruhmreichen Geschichte der Anfänge. Das Pfingstfest strahlt auf diese Maßnahmen ein ganz besonderes Licht aus; es ist ja der Heilige Geist, der „mit seinem Kommen ... die Welt in die letzten Zeiten, in die Zeit der Kirche einführt” (Katechismus der Katholischen Kirche, 732) und diese Kirche „mit verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben ausrüstet” (Lumen Gentium, Nr. 4), damit Christus, der sie auf Erden als sichtbares Gefüge errichtet hat, durch sie die Wahrheit und die Gnade verkünden könne (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). In ihren Teilkirchen, die auf die Zeit der Bekehrung der Nation zurückgehen, und um ihre Bischöfe geschart, die in Gemeinschaft mit dem römischen Papst, dem Nachfolger Petri, das „sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit” (Lumen Gentium, Nr. 23) eben dieser Teilkirchen bilden, sind die ungarischen Katholiken berufen, „als lebendige Glieder alle ihre Kräfte, die sie durch das Geschenk des Schöpfers und die Gnade des Erlösers empfangen haben, zum Wachstum und zur ständigen Heiligung der Kirche” (Lumen Gentium, Nr. 33) einzusetzen. Nachdem die Kirche in naher Vergangenheit schmerzlichen Prüfungen unterworfen war, teilt sie heute die Freude des ganzen Volkes über die glücklich wiedererlangte Freiheit und dankt dem Herrn, weil sie nunmehr in der Lage ist, das Licht Christi und seines Evangeliums frei in die Gesellschaft hineinzutragen. Die neuen Lebensbedingungen, unter denen sie zur Erfüllung ihrer Sendung berufen ist, erfordern dennoch eine Neuordnung ihrer Kirchenbezirke, damit, dem Wunsch des II. Vatikanischen Konzils entsprechend, die Bischöfe „dem Heil des Gottesvol-kes so vollkommen wie nur möglich” (Christus Dominus, Nr. 22) dienen können. Es erschien mir daher angebracht, zwei neue Diözesen: Kaposvär und Debrecen-Nyiregyhäza zu errichten, die Grenzen anderer Diözesen abzuändem und die Diözese Veszprem zur Metropolitandiözese zu erheben. Bei dieser Neuordnung wird auf die Hauptstadt Budapest besondere Rücksicht genommen, für die ich im Rahmen der nunmehr erreichten Einheit der Regierung entsprechende pastorale Strukturen wünsche, die ihrer weiten und vielschichtigen gesellschaftlichen Wirklichkeit angepaßt sind. Indem ich meines noch nicht lange zurückliegenden Pastoralbesuchs gedenke, begleite ich diese meine Maßnahmen mit einem lebhaften Wunsch für die ganze Kirche in Ungarn. Mögen diese Maßnahmen Gelegenheit zu einem erneuerten Einsatz für die Neuevangelisierung des Landes sein; im Hinblick auf die bevorstehende Jahrtausendfeier der Taufe Ungarns und auf das zweite Jahrtausend der christlichen Ära habe ich ja alle - Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien - dazu aufgefordert (vgl. Begegnung mit der Bischofskonferenz, Budapest, 20. August 1991). Gemeinsam mit euch, Hebe Mitbrüder, vertraue ich ihre erfolgreiche Verwirklichung Maria, der „Magna Domina Hungarorum”, an, die zu Pfingsten inmitten der zum 940 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebet versammelten Apostel weilte. Möge sie der Kirche in eurem Land den Reichtum der Gaben des Heiligen Geistes erflehen! Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am Hochfest Pfingsten, 30. Mai 1993 Friedensbitte von Assisi für den Balkan erneuert Gebet zum feierlichen Abschluß des Marienmonats vor der Lourdes-Grotte im Vatikan am 31. Mai Im Monat Mai bittet die Kirche die Gottesmutter Maria besonders inständig und vertraut ihr die Geschicke der Menschen und Völker in der Welt von heute an. Ihr, die unsere Mutter und Königin des Friedens ist, empfehlen wir in besonderer Weise den Frieden in der Welt, aber vor allem in Europa, auf dem Balkan. Durch sie wenden wir uns an Christus, den Erlöser der Welt, und rufen die Worte in Erinnerung, mit denen wir zu Beginn dieses Jahres beim Treffen in Assisi gebetet haben: „Herr reiß die Mauern des Hasses nieder, die die Völker trennen ... Dort, wo jetzt die Sünde überhandnimmt, mach, daß Gerechtigkeit und Liebe überfließen, zu denen jeder Mensch, jedes Volk und jede Nation in dir berufen sind.” Wir denken jetzt vor allem an jene Völker, die schon seit mehreren Jahren unter dem Krieg leiden: „Seht, die Völker, die Nationen jenes Landes, das jetzt in den grauenhaften Krieg auf dem Balkan verwickelt ist, sind Gemeinschaften, untereinander durch so viele Bande verknüpft, die nicht nur der Vergangenheit angehören, sondern sich in der gemeinsamen Hoffnung auf eine bessere, auf die Werte der Gerechtigkeit und des Friedens gegründete Zukunft auswirken. Jede dieser Nationen verkörpert ein besonderes Gut, einen Beweis für den vielfältigen Reichtum, den der Schöpfer dem Menschen und der gesamten Menschheit geschenkt hat. Außerdem hat jede Nation als Gemeinschaft das Recht auf Selbstbestimmung. Es handelt sich um ein Recht, das man sowohl durch die eigene politische Unabhängigkeit als auch durch die Föderation oder Konföderation mit den anderen Nationen verwirklichen kann. Hätte die eine oder andere Form zwischen den Nationen des ehemaligen Jugoslawien gerettet werden können? Das ist kaum auszuschließen. Doch der Krieg, der entfesselt wurde, scheint eine solche Möglichkeit in weite Feme gerückt zu haben. Und der Krieg ist noch im Gang. Menschlich gesprochen, scheint ein Ende kaum abzusehen zu sein. Und doch: ,„Sanabiles fecit Deus nationes’ - Zum Heil hat Gott die Völker erschaffen” (vgl. Weish 12,14: Vulg.). So lautete unser gemeinsames Gebet in Assisi zu Beginn dieses Jahres. Heute, am Ende des Marienmonats, kommen wir darauf zurück, denn auf dem Balkan ist noch kein gerechter Frieden erzielt worden. 941 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Deshalb müssen wir im Gebet zur Mutter der Menschen und der Völker, zur Königin des Friedens, ausharren. ■ Von Thessaloniki sind einst zwei Brüder, Cyrill und Methodius, ausgezogen; wir verehren sie zusammen mit dem hl. Benedikt als Patrone Europas. An sie wenden wir uns in besonderer Weise, denn der Krieg auf dem Balkan zerstört das friedliche Zusammenleben der europäischen Nationen. Es handelt sich um die slawischen Nationen in Südeuropa, und die heiligen Brüder aus Thessaloniki1 waren ja Apostel der Slawen. Durch ihre Fürsprache rufen wir zu Gott: „Gott des Friedens! Mach die Wege der Menschen gerade, damit sie wieder als Nachbarn, als Brüder und Schwestern, als Söhne und Töchter des Vaters in seinem eingeborenen Sohn, Zusammenleben (vgl. Eph 1,4-5): in Jesus Christus, unserem wahren Frieden.” Amen. Rückkehr in das Heimatland Brasilien Schreiben an Angelo Kardinal Rossi vom 31. Mai Dem verehrten Bruder Angelo Kardinal Rossi Ich danke für Ihre Schreiben vom 4. und 23. Mai dieses Jahres, in denen Sie mir, anläßlich der Vollendung Ihres 80. Lebensjahres, vertrauensvoll die Gefühle Ihres Herzens und Ihre edlen Absichten für die Zukunft mitteilen wollten und nachdrücklich ersuchten, auf das Amt des Dekans des Kardinalskollegiums und den damit verbundenen Titel der suburbikarischen Kirche von Ostia verzichten und in ihre geliebte Heimat Brasilien zurückkehren zu können, wo Sie alle Energien, die Ihnen der Herr noch schenkt, in den Dienst der Pastoral stellen möchten. In jenem edlen Land haben Sie das Licht der Welt und das des Glaubens erblickt; vor allem dort sind Sie eifrig ihrem Hirtenamt nachgekommen, zuerst als Priester und Seminarprofessor, dann als Bischof (5. Mai 1956) und schließlich als Erzbischof von Säo Paulo (1. November 1964), bis Sie das Vertrauen von Papst Paul VI. nach Rom, zur Leitung der Kongregation für die Evangelisierung der Völker berief. Die mehr als 22 Jahre, die Sie an der Römischen Kurie verbrachten, waren wirklich eine Zeit intensiver und wertvoller Mitarbeit an den Aktivitäten des Hl. Stuhls und der Papst und die ganze kirchliche Gemeinschaft werden sich Ihrer stets dankbar erinnern. Mit Ihnen danke ich dem Herrn für alles Gute, das Sie auch als Präsident der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhles, als Mitglied zahlreicher Kuriendienststellen und als Dekan des Kardinalskollegiums tun konnten, indem Sie immer aktiv die Sorgen der Weltkirche teilten. In diesen Tagen habe ich aufmerksam Ihren Wunsch überdacht, endgültig nach Brasilien zurückzukehren, um noch hochherzig zur erneuerten Evangelisierung Ihrer Heimat beitragen und sich für die Verbreitung 942 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Marienverehrung einsetzen zu können, insbesondere durch das Heiligtum, das in Campinas der Madonna von Guadalupe geweiht ist. Verehrter Bruder, ich schätze Ihre pastoralen Absichten und das Beispiel der inneren Loslösung, das Sie mit Ihrer Entscheidung der ganzen Kirche geben, hoch ein. Obwohl ich nicht das Bedauern verhehle, das Ihr Abschied in mir hervorruft, nehme ich also die von Ihnen vorgelegte Erklärung des Verzichts auf das Amt des Dekans des Kardinalskollegiums und auf den an dieses Amt gebundenen Titel der suburbi-karischen Diözese Ostia an. Als Kardinalbischof behalten Sie weiterhin den Titel der suburbikarischen Diözese Sabina-Poggio Mirteto. Von herzlicher Dankbarkeit erfüllt, wünsche ich Ihnen noch viele Jahre ungetrübten und fruchtbaren apostolischen Lebens in Ihren Land und unter Ihren Landsleuten, rufe auf Sie das Licht des Herrn und Mut für ihren pastoralen und missionarischen Einsatz herab und erteile Ihnen aus ganzem Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen, den ich gerne auch auf alle Menschen erstrecke, die Ihnen teuer sind. Aus dem Vatikan, 31. Mai 1993 Joannes Paulus PP. II Die Eucharistie als Quelle der. Versöhnung Botschaft an das Generalkapitel der Kongregation der Priester vom Heiligsten Sakrament vom 2. Juni An Pater Norman Pelletier, Generalsuperior der Kongregation der Priester vom Heiligsten Sakrament 1. Bei Gelegenheit des Abschlusses des 31. Generalkapitels eurer Kongregation entbiete ich euch gern einen recht herzlichen Gruß. Da Sie zum Generalsuperior gewählt worden sind, spreche ich Ihnen meine aufrichtigen guten Wünsche für die Erfüllung Ihrer Aufgabe aus. Ich möchte den Mitgliedern des Kapitels und euren Mitbrüdem, die auf allen Kontinenten präsent sind, ferner versichern, daß ich in meinen Gedanken und Gebeten vor dem heiligsten Sakrament unseres Herrn ihnen nahe bin. Das Werk des hl. Pierre-Julien Eymard, eures Gründers, hat bescheiden begonnen und sich providentiell entwickelt: Ihr seid heute in zahlreichen Ländern tätig und befindet euch in sehr unterschiedlichen und zuweilen recht schwierigen Verhältnissen. Ich stelle fest, daß euer Kapitel zum erstenmal das Leben der Kirche überall in der Welt bezeugt hat, zumal in Asien und Afrika. 2. Das Generalkapitel hat sich nach eurer Lebensregel vorgenommen, „die Einheit der Kongregation zu fördern, sie in der Treue zu ihrer Sendung zu erneuern und ein 943 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Programm im Hinblick auf die Bedürfnisse der Kirche und der Welt aufzustellen” (Nr. 68). Euer Überlegen hat das „Missionsprojekt” zum Ausgangspunkt genommen, welches das vorhergehende Kapitel erarbeitet hatte: „Prophetische Gemeinschaften werden Zeugen der Eucharistie, die sich dafür einsetzen, mit den Laien christliche Gemeinschaften aufzubauen, deren Lebensmitte die Eucharistie ist, Verkündigung des Paschamysteriums des Herrn als Kraft und Antrieb für Befreiung und Gemeinschaft.” 3. Dieser Ausrichtung folgend, hat euer Kapitel versucht, das Leben der Kongregation vom Heftigsten Sakrament zu erneuern, indem es sich von der Botschaft des hl. Pierre-Julien Eymard anregen ließ. Dieser glutvolle Mann war von der Liebe Christi ergriffen, die in der Eucharistie offenbar wird; er hat sie leidenschaftlich seinen Zeitgenossen bekanntmachen wollen. Mit seinen Gefährten hat er eine Form des Ordenslebens eingeführt, deren Herz die Eucharistie ist. Sein Leben wurde von der gefeierten und betrachteten Eucharistie genährt und war reich an Diensten aller Art. Unter dem Wirken des Heftigen Geistes hat er in Wahrheit „erfaßt, welche Emeue-rungskraft die Eucharistie für die Kirche und die Gesellschaft darstellt” (Lebensregel, Nr. 33). Laßt euch von dem sehr reichen Zeugnis, das euer Gründer euch hinterlassen hat, inspirieren, und laßt in Treue zu seiner Gnadengabe euer Erbe Frucht bringen zum Wohl und zum Wachstum der Kirche. 4. Das Zweite Vatikanische Konzil hat nachdrücklich daran erinnert, daß die Eucharistie für das Leben einer jeden christlichen Gemeinschaft von grundlegender Bedeutung ist. „Die christliche Gemeinde wird nur aufgebaut, wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat; von ihr muß darum alle Erziehung zum Geist der Gemeinschaft ihren Anfang nehmen. Diese Feier ist aber nur dann aufrichtig und vollständig, wenn sie sowohl zu den verschiedenen Werken der Nächstenliebe und zu gegenseitiger Hilfe wie auch zu missionarischer Tat und zu den vielfältigen Formen christlichen Zeugnisses führt” (Presbyterorum ordinis, Nr. 6). Angesichts der Herausforderungen unserer Zeit wird euer spezifischer Beitrag zur Neuevangelisierung darin bestehen, zu einem vertieften Verständnis des Geheimnisses der Eucharistie zu führen und Sorge zu tragen, daß das Evangelium den Männern und Frauen dieser Zeit verkündigt wird, zumal den Armen in ihren verschiedenen Situationen und nach der Besonderheit ihrer Kulturen. Diese Sendung setzt gewiß voraus, daß ihr nicht aufhört, eure eigene Spiritualität zu vertiefen. 5. Die Eucharistie ist „das Geheimnis des Glaubens”. Wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, enthält „die Heiligste Eucharistie das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm und das lebendige Brot. Durch sein Heisch, das durch den Heftigen Geist lebt und Leben schafft, spendet er den Menschen das Leben; so werden sie ermuntert und angeleitet, sich selbst, ihre Arbeiten und die ganze Schöpfung mit ihm darzubringen” (Presbyterorum ordinis, Nr. 4). 944 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Möge so die Feier des Paschamysteriums immer mehr die Quelle eures Einsatzes im Dienst am Evangelium werden! Euch hegt es am Herzen, „das Geheimnis der Eucharistie in seinem ganzen Umfang zu betrachten, sowohl in der Feier der Messe wie in dem den Heiligen Gestalten, die nach der Messe aufbewahrt werden, erwiesenen Kult, der die Gnade des Opfers ausdehnen soll” {Römisches Ritual, Kommunion und Verehrung der Eucharistie außerhalb der Messe, 4). Bleibt der Betrachtung Christi, der im heiligsten Sakrament gegenwärtig ist, treu, um das, was die Kirche feiert, euch innerlich anzueignen; versteht es auch, die Gläubigen zu dieser einzigartigen Gebetsform durch euer Zeugnis und euren Dienst anzuleiten. In der Nachfolge Christi, der sein Leben für die Welt hingegeben hat, werdet ihr echte Zeugen der Emeuerungskraft sein, die aus der Eucharistie entspringt; Sie muß so gefeiert werden, daß sie in Wahrheit für jede Gemeinschaft von Christen eine Verkündigung des Heilsgeheimnisses wird, eine Kraft zum Kampf gegen die Sünde, eine Quelle der Versöhnung, des Verzeihens und der Befreiung, ein wirksamer Sauerteig der Einheit für die Kirche und des Friedens für die Welt. Es wird euch ein Anhegen sein, Gemeinschaften zu bilden, die sich von der Eucharistie nähren, bereit sind zum Teilen und engagiert für die Förderung der Menschenwürde, zumal der Ärmsten unter unseren Brüdern und Schwestern. 6. Eure Sendung im Schoß der Kirche muß in die ganze Welt ausstrahlen. Ihr müßt nicht nur die Eucharistie vollziehen, sondern als Ordensleute die Eucharistie leben. Seid Anbeter im Geist und in der Wahrheit! Schöpft aus der Feier dieses Geheimnisses und aus dem Gebet, das aus ihm entspringt, das Prinzip der Erneuerung eurer Spiritualität! Möge sie zugleich eine Quelle des Wachstums für die Laien sein, die sich eurer Sendung anschließen! Ich bitte die Jungfrau Maria, die Mutter Jesu, die mit den Aposteln im Abendmahlssaal gebetet und das Leben der ersten Gemeinde in Jerusalem geteilt hat, sie möge euch in eurem Ordensleben und eurem Apostolat unterstützen. Möge der Herr euch durch die Kraft seines Geistes in Treue zu eurer Berufung erneuern. Aus dem Vatikan, am 2. Juni 1993 Die geistliche Lehre des Papstes der Güte aufgreifen Ansprache an die Pilger aus Bergamo zum 30. Jahrestag des Todes von Johannes XXIII. am 3. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine Freude, euch in Sonderaudienz empfangen und alle sehr herzlich begrüßen zu können. Ich danke eurem geliebten Bischof Roberto Amadei, der auf 945 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN so eindrucksvolle Weise eure Gefühle des Glaubens und der Treue zum Nachfolger Petri kundgetan hat. Mit dieser Pilgerfahrt nach Rom wollt ihr des Todes meines Vorgängers Johannes XXIII. anläßlich des 30. Jahrestages seines Abberufung von dieser Erde in den Himmel gedenken. Papst Johannes, der auserwählte Sohn Bergamos, war sowohl dank seiner persönlichen Gaben als auch dank des Impulses, den er der Kirche zu Beginn der Sechzigerjahre gegeben hat, ein hervorragender Vertreter eurer bürgerlichen und kirchlichen Gemeinde. Er entschließ nach einer schmerzvollen Krankheit, die ihn den Menschen noch näher brachte, am 3. Juni 1963. Ihr seid nun heute gekommen, um dieses traurigen und zugleich bedeutsamen Tages zu gedenken, um an seinem Grab zu beten und über seine Worte und Weisungen riachzudenken. Ihr seid gekommen, um mir zu begegnen und ich danke euch für diesen Beweis eures Glaubens und eurer Ergebenheit und erinnere mich gerne gemeinsam mit euch des lächelnden und gütigen Antlitzes dieses großen und demütigen bergamaskischen Papstes. Bei dieser Gelegenheit ist auch eure Absicht, den 25. Jahrestag der Einweihung des neuen, nach Johannes XXIII. benannten Seminars zu feiern und dem Herrn für die zahlreichen Priesterberufungen der letzten Jahre zu danken. 2. Eure Anwesenheit, liebe Brüder und Schwestern, läßt in mir die bewegenden Augenblicke meines Pastoralbesuchs in Sotto il Monte am 26. April 1981 neu aufleben. Mehrere Jahre sind seither vergangenen, doch ist das Andenken an diese Reise in meinem Gedächtnis noch immer lebendig: Die Konzelebration unter freiem Himmel der Besuch an den vertrauten Orten und im Museum Ca’Maitino, dann der Aufenthalt in Bergamo und die Begegnung mit der Jugend, der Besuch im Seminar und die feierliche Liturgie im Stadtzentrum, in deren Verlauf des Glaubens, des Mutes und des Vertrauens von Papst Johannes gedacht wurde, dieses Erben des nüchternen und zugleich mystischen geistlichen Schatzes eurer Ahnen. Eure Anwesenheit erinnert vor allem an die ersten Junitage des Jahres 1963, während derer die Welt bewegten Herzens die lange Agonie und den Tod des Papstes verfolgte. Am damaligen Pfingstmontag, bei Sonnenuntergang, genau am Ende der vor der Vatikanbasilika von Kardinal Luigi Traglia, Generalvikar von Rom, gefeierten Eucharistie, entschlief ruhig der Papst der Güte, nach einem Pontifikat von vier Jahren und sieben Monaten. Liebe Schwestern und Brüder, ihr seid gekommen, um in Betrachtung und Gebet dieses wichtige Seite der Geschichte der Kirche nochmals zu erleben: Das Hinscheiden des „gütigen” Papstes, des Papstes des II. Vatikanischen Konzils 3. Über seine Person und seine besondere geistliche Botschaft nachzudenken: Das ist eure Absicht und auch der Zweck unserer heutigen Begegnung. Seinem Beispiel und seiner Lehre muß man treu bleiben. 946 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Ansprache zur feierlichen Eröffnung des Konzils erinnerte er mit aller Klarheit daran: „Das große Problem, dem die Welt nach fast 2000 Jahren gegenübersteht, hat sich nicht verändert. Christus erstrahlt zu allen Zeiten als Mittelpunkt der Geschichte und des Lebens; die Menschen sind entweder mit ihm und mit der Kirche und erfreuen sich somit des Lichtes, der Güte, der Ordnung und des Friedens, oder sie sind ohne ihn oder gegen ihn und ausdrücklich gegen seine Kirche, werden zur Ursache von Verwirrung und erbarmungslosen zwischenmenschlichen Beziehungen und rufen ständig die Gefahr brudermörderischer Kriege hervor” (Discorsi, Messaggi, Colloqui del Santo Padre Giovanni XXIII, Band IV, Tipografia Polig-lotta Vaticana, Vatikanstadt, 1963, S. 579-580). Er fügte auch hinzu, Zweck des Konzils sei.nicht die Diskussion über dieses oder jene einzelne Dogma der Lehre, sondern das Wissen um die Tatsache, daß nur eine erneuerte Zustimmung zur Lehre der Kirche in ihrer Gesamtheit und Genauigkeit, wie sie uns aus den Akten der Konzile von Trient bis zum I. Vatikanum hervorgeht, den Glaubenden in aller Welt die Möglichkeit zu einem Schritt voran im Verkünden und Bezeugen der ewigen Wahrheit des Evangeliums Christi bieten könne. Papst Johannes war ein von christlicher Weisheit und Hoffnung erfüllter Hirte. Vor einer so wichtigen Versammlung, wie es das Konzil war, und angesichts eines von nicht weniger Schwierigkeiten gezeichneten zukünftigen Weges der Kirche bezeugte er vertrauensvollen Optimismus, indem er den „Unglückspropheten, die immer düstere, fast das Ende der Welt heraufbeschwörende Ereignisse verkünden” {ebd., S. 582) widersprach und feststellte, er ziehe das Heilsmittel des Erbarmens dem der Strenge vor. Er wollte die Einheit in der Wahrheit, kompromißlos und ohne jedes Nachgeben. Bei verschiedenen Ereignissen betonte er die Notwendigkeit der Disziplin in den Bereichen der Lehre, der Liturgie und der Askese, sollte die Sendung des Volkes Gottes tatsächlich wirksam und apostolisch fruchtbar werden. Er tat den Horizont für die großen Herausforderungen der gegenwärtigen Zeit auf. In diesem Licht betrachtet, gewinnt die Enzyklika Pacem in terris Ausdruck des brennenden Wunsches, der die Seele dieses universalen Hirten erfüllte, ihre wahre Bedeutung. Friede mit Gott in der Erfüllung seines Willens, erinnerte Johannes XXHL, Friede mit den Menschen in der Achtung des Rechtes aller, da alle mit der Herrlichkeit des Allerhöchsten gezeichnet sind; Friede in den Familien, wo die Ehegatten mit dem Herrn bei der Weitergabe des Lebens Zusammenarbeiten und die Kinder rund um den Tisch der Familie wie frische Ohvenzweige heranwachsen. 4. Liebe Brüder und Schwestern aus Bergamo! Papst Johannes lebt in unserer hebevollen Erinnerung als echter Meister christlicher Spiritualität weiter. „Mein lieben - schrieb er in seinem ,Tagebuch der Seele’ - muß eine einzige Liebe zu Jesus sein und gleichzeitig Güte und Opfer für die einzelnen Seelen und für die Welt verströmen”. Und weiter: „Überall gilt es, das Licht der Liebe und des Friedens zu verbreiten”. Lernen wir von ihm die wahre Verehrung für 947 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Leiden Christi, für das Herz Jesu, für den hl. Josef und die Jungfrau Maria: Die Marienverehrung, so betonte er treffend, macht „unseren Glauben kräftiger, bereitwilliger und wirksamer, unsere Liebe brennender und den christlichen Einsatz nachhaltiger und fruchtbarer: Durch Maria zu Jesus” (Radiobotschaft vom 27. März 1960, ebd., Bd. II, 1961; S. 259). Lernen wir von ihm den „Sinn für die Vorsehung”; lernen wir es, uns dem Willen Gottes zu überlassen, der inmitten der Ereignisse der menschlichen Geschichte unser persönliches Schicksal lenkt. Hier findet sich die Quelle des Herzensfriedens. Indem ich seine geistliche Lehre aufgreife und stets mit Verehrung und Liebe seiner gedenke, erteile ich euch aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen, in den ich mit Freuden die geliebte Diözese Bergamo mit einbeziehe. Die Familien vor Pornographie und Gewalt in den Medien schützen Ansprache an die Teilnehmer der Tagung über Familienrechte und soziale Kommunikationsmittel am 4. Juni 1. Mit großer Freude und Zufriedenheit grüße ich alle Teilnehmer an dieser internationalen Studientagung über das Thema: „Die Familienrechte und die sozialen Kommunikationsmittel.” Ich danke Kardinal Alfonso Lopez Trujillo für die freundlichen Worte und die Vorstellung, die er mir von dem Kongreß gegeben hat. Es freut mich, meine Wertschätzung auszudrücken für diese gelegene Initiative des Päpstlichen Rates für die Familie in Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel im Rahmen der Veranstaltungen und Vorbereitungstätigkeiten des internationalen Jahres der Familie. 2. Das von Ihnen angegangene Thema erweist sich heute von großer Bedeutung. Schon das Zweite Vatikanische Konzil hat im Dekret Inter mirifiea auf die Wichtigkeit der sozialen Kommunikationsmittel hingewiesen, „die in ihrer Eigenart nicht nur den einzelnen Menschen, sondern die Masse und die ganze menschliche Gesellschaft erreichen und beeinflussen können” (Nr. 1). Das Konzil hat die großen Vorteile erkannt, die diese Mittel für die Bereicherung des Geistes und die Ausbreitung des Reiches Gottes bieten können. Aber es hat auch an den Schaden erinnert, den sie oft einzelnen und Gemeinschaften zufügen können. Empfänger und Nutznießer sind Menschen aller Altersstufen und Bildungsschichten; somit wächst die Möglichkeit einer positiven Beeinflussung, es nimmt aber auch die Gefahr der Manipulation zu. Es werden Anreize, Botschaften, Lebensmodelle in Umlauf gebracht, die eine große Rückwirkung ethischer Art haben. Groß ist daher die Verantwortung der Eigentümer, der Direktoren, der Verwalter, der Regisseure, der Autoren und Produzenten. Mit einem Wort: all derer, die im Konzil als „autores” bezeichnet werden. Es ist eine moralische Verantwortung, die jene 948 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Humanökologie” betrifft, von der in der Enzyklika Centesimus annus (Nr. 29-30) die Rede ist; tatsächlich können diese Mittel eine Verschmutzung des Geistes verursachen, die nicht weniger besorgniserregend ist als die der natürlichen Umwelt. 3. Es ist daher notwendig, eine engere Zusammenarbeit zwischen den Eltern, denen an erster Stelle die Erziehungsaufgabe zukommt, den verantwortlichen der Kommunikationsmittel auf verschiedener Ebene und den öffentlichen Behörden zu schaffen, damit die Familien nicht in einem wichtigen Sektor ihrer Erziehungsaufgabe sich selbst überlassen bleiben. Anläßlich des internationalen Jahres der Familie werden von mehreren Seiten Gesetze gefordert, die eine angemessene Familienpolitik garantieren. Ein entscheidender Bereich solcher Politik ist ohne Zweifel die Legislative. Hierauf nimmt schon das Konzil Bezug, wenn es festhält: „die ... öffentliche Gewalt, die kraft ihres Amtes für das Wohl der Bürger Sorge trägt, [muß] durch Erlaß und sorgfältige Durchführung von Gesetzen schwere Schäden für die öffentliche Sitte und den Fortschritt der Gesellschaft verhindern, die durch Mißbrauch der sozialen Kommunikationsmittel entstehen könnten” (Inter mirifica, Nr. 12). Die vom Hl. Stuhl promulgierte Charta der Familienrechte erklärt wörtlich: „Die Familie hat das Recht zu erwarten, daß die Kommunikationsmittel als positive Instrumente für den Aufbau der Gesellschaft wirken und die grundlegenden Werte der Familie stärken. Zugleich hat die Familie das Recht, vor allem in Hinblick auf ihre jüngsten Mitglieder, vor den negativen Einflüssen und vor den Mißbräuchen der Massenkommunikationsmittel angemessen beschützt zu werden” (Art. 5 f.). Der Päpstliche Rat für die sozialen Kommunikationsmittel hat in seinem Dokument Pornographie und Gewalt in den Kommunikationsmedien: eine pastorale Antwort bereits daran erinnert: „Gesetzgeber, Verwaltungsorgane, ausführende Behörden und Juristen sollten das Problem der Pornographie und der Gewaltanwendung in den Medien erkennen und darauf erlassen, schwache verbessert und vorhandene Gesetze durchgeführt werden” (Nr. 28). 4. Wie viele Schäden von ungeheurer Schwere wären für die Familien, für die Jugend, für die Kinder ganz besonders, vermieden worden, wenn man diesen Aufforderungen rechtzeitig Gehör geschenkt hätte. Wie viele moralische und gesellschaftliche Verluste können für die Zukunft vermieden werden, wenn man die Situationen ernsthaft beurteilt und die dringenden und angemessenen Entscheidungen trifft. Angebote, Inhalte und Programme gesunder Unterhaltung, und solche, die der Information und Erziehung dienen und hierbei die Rolle der Familie und der Schule ergänzen, muß man wirklich anerkennen. Doch dies macht es leider nicht ungeschehen, daß von allem in einigen Ländern Darbietungen und Schriften verbreitet werden, in denen sich jede Art von Gewalt häuft und die einen geradezu bombardieren mit Botschaften, die die moralischen Prinzipien untergraben und ein ernsthaftes Klima verunmöglichen, das es gestattet, Werke zu vermitteln, die der menschlichen Person würdig sind. 949 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eltern und Erzieher müssen ihre Verantwortung sorgfältig wahmehmen, auch in Form von Vereinigungen, um ihre Kinder und die Jugendlichen vor solchen Schäden zu bewahren. Diesbezüglich mahnt das Konzil: „Die Eltern aber sollen sorgfältig darauf achten, daß nicht glaubens- und sittenwidrige Darbietungen, Druckerzeugnisse und ähnliches ins Haus gelangen oder den Kindern anderswo begegnen” (Inter mirifica, Nr. 10). Diese Sorge habe ich auch im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio zum Ausdruck gebracht, wo ich „die Pflicht” erwähne, „vor allem die Kinder und Jugendlichen vor den Aggressionen’ der Massenmedien zu schützen”. Es „müssen die Eltern als Empfänger aktiv mitwirken im maßvollen, kritischen, wachsamen und klugen Umgang mit den Medien und sorgfältig darauf achten, daß' sie zu sachlichen und objektiven Urteilen befähigt werden, von denen sie sich dann bei der Auswahl aus dem Angebot der Medien leiten lassen können” (Nr. 76). 5. In diesen Tagen haben Sie dank Ihrer“ spezifischen Erfahrung auf verschiedenen Ebenen beruflicher Kompetenz gründlich über dieses Phänomen von universaler Tragweite nachdenken können, und vor allem haben Sie Anregungen ausarbeiten können hinsichtlich der . geeigneten Weise, den Familien auf diesem Sektor einen wertvollen und passenden Dienst zu bieten. Gerne gebe ich Ihren Sorgen Widerhall, indem ich an alle Verantwortlichen der sozialen Kommunikationsmittel die Einladung richte, sie mögen sich dafür einsetzen, daß die Gewissen die reine Luft der menschlichen und christlichen Werte, die unsere Gesellschaft nötig hat, atmen können. Die Versuchung, sich von der ausschließlichen Sorge um Erfolg und höhere Einschaltquoten leiten zu lassen, zeigt sich als ein schweres Hindernis, das Katastrophen hervorruft, wie sie heute mit besserer Kenntnis aufgezeigt wurden, auch dort, wo es sich um an sich gediegene Inhalte handelt. Die Familie und die Gemeinschaft können und müssen einen ihrer Würde entsprechenden moralischen Druck auf die großen Produktionszentren ausüben nicht nur zu dem Zweck, entscheidende Änderungen zu erreichen, sondern auch um sie davon zu überzeugen, daß wertvolle Inhalte, in passender Weise dargeboten, eine breite Annahme und auch einen größeren Erfolg finden können. Ich ermutige Sie, Ihre Arbeit mit Zuversicht und von der Gewißheit getragen fortzusetzen, daß Sie den Familien und vor allem ihren jüngsten Mitgliedern einen großen Dienst leisten, und erteile Ihnen in Liebe meinen Segen. 950 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fruchtbare Arbeit zum Wohle der Kirche Brief an Friedrich Kardinal Wetter, Erzbischof von München und Freising, vom 4, Juni Unserem ehrwürdigen Bruder Friedrich Kardinal Wetter, Erzbischof von München und Freising Mit großer Freude und herzlicher, brüderlicher Zuneigung senden wir Dir heute, ehrwürdiger Bruder, diesen Brief. Wohlüberlegt haben wir Dich vor elf Jahren an die Spitze des altehrwürdigen Bistums von München und Freising gestellt und kurz darauf auch in die Zahl unserer engsten Ratgeber als Kardinal der Kirche aufgenommen. Nun bietet sich eine günstige Gelegenheit, öffentlich Deinen Dienst zu würdigen, den Du mit großer Sorgfalt und zugleich großer Treue gegenüber dem Heiligen Stuhl leistet. Wir denken an die vielen Begegnungen sowohl in München inmitten Deines Klerus und Deines geliebten Volkes als auch hier in der Ewigen Stadt. Wir erinnern uns an die Besprechungen der gemeinsamen Anliegen und Fragen der heiligen Kirche Gottes und möchten in diesem Brief eine Art unmittelbares Gespräch ist Dir führen und Dir herzlich gratulieren zu dem denkwürdigen Ereignis in Deinem Leben und Wirken, das durch die Güte des göttlichen Hirten bevorsteht. In Kürze vollendest Du nämlich das fünfundzwanzigste Jahr, seit Unser Vorgänger Paul VI. seligen Angedenkens Dich zum Bischof Deiner Heimatdiözese Speyer bestellt hat, nachdem Du zuerst die Aufgaben eines eifrigen Seelsorgers wie auch eines hervorragenden Lehrers für Philosophie und Theologie in Eichstätt und Mainz wahrgenommen hattest. Diese gediegene akademische Bildung war eine hervorragende Vorbereitung für Dein künftiges Bischofsamt. Die Lauterkeit Deiner Lehre und die Treue zur Kirche brachten Dir eine herausragende Stellung innerhalb der Freisinger und auch der Deutschen Bischofskonferenz ein, dazu auch eine wichtige Rolle in vielen anderen Gremien zu wissenschaftlichen und kulturellen Fragen und im Dialog mit den evangelischen Christen in Deutschland. Uns ist ferner nicht unbekannt geblieben, wie fruchtbar Dein bischöfliches Apostolat ist, das Du bei den Priestern, Deinen Mitarbeitern und den Gemeinden der Gläubigen selbst ausübst, damit daraus eine Erneuerung der Herzen und der katholischen Bildung erwachse.' So gibt es also Grund genug, ehrwürdiger Bruder, uns über Deine Wahl und über Dein silbernes Bischofsjubiläum zu freuen. In bester Erinnerung sind uns die Begegnungen mit Dir und dem Gottesvolk von München und Freising, die wir anläßlich Unseres Pastoralbesuches hatten. Mit dem gleichen Gefühl der Freude und unserem Glückwunsch wollen wir mit diesem Brief an diesem bedeutenden Gedenktag Deines Lebens bei Dir sein. Dabei erbitten wir von den Apostelfürsten Petrus und Paulus, unter deren Namen und mit deren Beistand Dur vor fünfundzwanzig Jahren Dein Bischofsamt glücklich 951 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN angetreten hast, inständig die himmlische Gnade, daß Du unter ihrem Schutz noch viele Jahre wohlbehalten an Deiner Stelle als Bischof wirken kannst und Deiner Arbeit auch in Zukunft noch reiche Frucht beschieden sei. Der Apostolische Segen, den wir mit diesem Brief Dir persönlich und der Kirche von München und Freising, die Deiner Sorge anvertraut ist, erteilen, sei Dir ein Unterpfand der göttlichen Gnade für weiteren Erfolg in Deiner Arbeit und eine Bestätigung Unserer Wertschätzung. Aus dem Vatikan, am 4. Juni 1993, im fünfzehnten Jahr unseres Pontifikates Joannes Paulus PP. II Die Kirche moralisch und materiell unterstützen Ansprache an die Mitglieder der Stiftung „Centesimus Annus - Pro Pontifice” am 5. Juni Ich danke Herrn Kardinal Castillo Lara für die liebenswürdigen Worte, mit denen er mir die Mitglieder der Stiftung „Centesimus Annus - Pro Pontifice” vorgestellt hat. An alle richte ich meinen herzlichen Gruß, und zugleich möchte ich meine Freude über die hohen Ideale zum Ausdruck bringen, an denen sich das neugegründete Werk orientiert. 1. Eure Stiftung, die durch ein Komitee von Anhängern getragen wird, ist ein wichtiger Ausdruck für euren Einsatz als gläubige Laien. Das zweite Vatikanische Konzil lehrt in seinem Hauptdokument, der Konstitution Lumen Gentium, daß „es Sache der Laien ist, kraft der ihnen eigenen Berufung in der Verwaltung und gottesgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen ... Ihre Aufgabe ist es also in besonderer Weise, alle zeitlichen Dinge mit denen sie eng verbunden sind so zu durchleuchten und zu ordnen, daß sie immer Christus entsprechend geschehen und sich entwickeln und zum Lob des Schöpfers und Erlöser gereichen” (Nr. 33). Nicht nur in bezug auf die Priester und Ordensleute, sondern auch in bezug auf die Laien fügt die Konstitution hinzu: „So obliegt allen Laien die ehrenvolle Bürde, dafür zu wirken, daß der göttliche Heilsratschluß mehr und mehr alle Menschen erreicht.” Und sie ermahnt: „Es soll daher auch ihnen in jeder Hinsicht der Weg offenstehen, nach ihren Kräften und entsprechend den Zeitbedürfnissen am Heilswirken der Kirch in tätigem Eifer teilzunehmen” (Nr. 33). Die Stiftung „Centesimus Annus - Pro Pontifice” ist Ausdruck einer solchen Laienberufung und ein neuer Weg, den ihr selbst gemeinsam mit euren Hirten eröffnet, um die Kirche moralisch und materiell zu unterstützen, wenn sie in Fällen dringender Notwendigkeit eingreifen muß. 952 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Eure Stiftung zeichnet sich zugleich durch ihre besondere Nähe zum Nachfolger Petri und dem Apostolischen Stuhl aus in einer Haltung kluger Bereitschaft zum Hören und in reger Zusammenarbeit. Als Gläubige möchtet ihr die Lehren und Richtlinien der Kirche kennenlemen und euch zu eigen machen „damit die Menschen fähig werden, die gesamte zeitliche Ordnung richtig aufzubauen und durch Christus auf Gott hinzuordnen” (Apostolicam Actuositatem, Nr. 7); als hochqualifizierte Arbeiter der Unternehmens- und Finanzwelt möchtet ihr eure sozialen und beruflichen Erfahrungen, eure Kenntnis der komplexen zeitgenössischen Gesellschaft mit all ihren moralischen und materiellen Bedürfnissen und die ganz besonderen Hilfen, die sie nötig hat, bereitstellen, und ihr möchtet zugleich, euren unterschiedlichen Möglichkeiten entsprechend, euren finanziellen Beitrag leisten. Ihr wollt auf diese Weise jenes vielgestaltige Werk unterstützen, das der Heilige Stuhl in der ganzen Welt für die Verbreitung des Evangeliums Christi, des lebendigen und wirksamen Wortes der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe, vollbringt. 3. Der Geist, der eure Stiftung belebt, erhält durch die Benennung „Centesimus Annus - Pro Pontifice” und seine besonderen Zielsetzungen ganz besondere Bedeutung. Die aus der Enzyklika Centesimus annus hervorgehenden Worte haben als zentralen Punkt vor allem die Person des „realen, konkreten und geschichtlichen Menschen” in jedweder Sozial- und Ausdrucksform, dessen wahrer Sinn allein im Lichte Gottes erkannt werden kann (Nr. 54 und Nr. 55). An diese einfache und große Wahrheit sind eng zahlreiche andere Fragen geknüpft: Auch solche, die auf den ersten Blick als weltliche oder gar technische Fragen erscheinen, deren wahre Lösung jedoch zu keiner Zeit der menschlichen Geschichte von jenen unabdingbaren Voraussetzungen absehen kann. Die gesamte Soziallehre der Kirche, von Rerum Novarum bis Centesimus Annus, bietet hierfür eine ausgezeichnete Darstellung. Mit Hilfe entsprechender Initiativen möchtet ihr daher die wirkliche Tragweite der päpstlichen Soziallehre vertiefen, um ihre ganze Aktualität und ihre positive Wirkung zu erkennen. Aus diesem Grande habt ihr auch die Absicht, die Tätigkeit des Heiligen Stuhls und seiner Zentralorgane mitzuverfolgen, um in höherem Maße gewahr zu werden, wie er neben der Verkündigung der christlichen Soziallehre und ihrer kontiunierlichen Entwicklung, entsprechend den Erfordernissen der jeweiligen Zeit, auch aktiv wirkt, um sie durch seine Dikasterien und seine Vertretungen sowie durch Werke und Initiativen in der ganzen Welt in die Praxis umzusetzen. Wenn ihr euch mehr und mehr der in der Soziallehre der Kirche enthaltenen Werte bewußt werdet und mehr und mehr erkennt, wie vielgestaltig das Werk des Heiligen Stuhls hinsichtlich ihrer Verbreitung ist, so wird die Ausstrahlung eurer Stiftung gewiß nicht auf die Personen beschränkt bleiben, die sie materiell unterstützen, sondern zweifelsohne auch andere Menschen erreichen können, die sich im Sozial- und Untemehmensbereich ausgezeichnet haben, und wird sie an dieser bereichernden Erfahrung teilnehmen lassen. 953 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. In diesem Zusammenhang muß ganz besonders das Ziel eurer Stiftung hervorgehoben werden, das darin besteht, Gelder für die Unterstützung der Tätigkeiten des Heiligen Stuhls zu sammeln. Diesbezüglich möchte ich mich für die hochherzigen Spenden erkenntlich zeigen, die ihr alle mit der Absicht geleistet habt, der Stiftung eine gute Startbasis züzusi-chem. Auch für die Zukunft baue ich vertrauensvoll darauf, daß der Geist Christi die Mittel findet, mit denen allen Bedürfnissen auf angemessene Weise nachgekommen werden kann. Die Liebe ist eine wirklich göttliche Tugend. Ihre Eigenschaft ist' daß sie, obwohl sie austeilt, sich doch nicht erschöpft, und daß sie, wenn sie gibt, wächst: Sie ist wie das Licht, das der Rückstrahler vervielfältigt. Nicht nur der Glaube, sondern auch die Erfahrung prägten die berühmten Worte von Papst Leo dem Großen. „Es soll nicht befürchtet werden, daß solcherart Spenden zu Abnahme der Mittel führen, denn das Wohlwollen selbst ist ein großes Gut, und da, wo Christus nährt und genährt wird, darf und kann es nicht an Hochherzigkeit fehlen. Hier wirkt die Hand, die das Brot vermehrt, indem sie es bricht, und die es vervielfacht, indem sie es teilt” (10, Rede über die Fastenzeit). Es bleibt mir daher nur noch zu wünschen, daß eurer Einsatz die Stiftung „Centesimus Annus - Pro Pontifice” zu Zielen führen möge, würdig der Tradition der Hochherzigkeit der italienischen Katholiken, die in enger Verbindung mit ihren Bischöfen und dem Papst zu jeder Zeit die bestmöglichen Initiativen hervorgebracht haben. Mit diesen Wünschen erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen, den ich gern auf eure Familienmitglieder und auf eure Mitarbeiter ausdehne. Seid freudige Vermittler der Botschaft des Friedens und der Familie! Botschaft an die Teilnehmer des internationalen Treffens der Fokolarbewegung am 5. Juni Liebe Brüder und Schwestern! Wenn ich diese Familien, diese hier im Palaeur in Rom versammelten Fokolar-Fa-milien sehe, erkenne ich gleichzeitig viele andere Familien in aller Welt, auf allen Kontinenten. Fokolar-Familien und auch andere; alle christlichen Familien; ja, alle menschlichen Familien aller Erdteile, aller Länder, aus jeder Kultur, mit verschiedenen Sprachen und Traditionen, mit unterschiedlichen Eigenschaften, aber mit einer gemeinsamen Charakteristik: sie alle sind Familien. Wenn wir an jenen Teil der Liturgie denken, in dem wir uns begegnen, werde ich unweigerlich an das Geheimnis der Heiligen Dreifaltigkeit erinnert, denn euer Treffen, euer Fest, fällt mit diesem großen kirchlichen Ereignis zusammen. Ein glückli- 954 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dies Zusammentreffen, denn ihr habt euch hier im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes versammelt. Versammelt im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, versammelt wie die gesamte Kirche, das gesamte Volk Gottes. Die Quelle unserer Einheit, dieser Gemeinde oder Personengemeinschaft ist die göttliche Gemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes; und im Namen dieses Gottes, dieses geheimnisvollen Gottes, dieses allmächtigen und doch uns nahestehenden Gottes, der uns erschaffen und erlöst hat, der uns stets heiligt, möchte ich euch grüßen und auch euch allen meinen Segen spenden. Seine Gegenwart ist nicht nur symbolisch und mystisch; sie ist gleichzeitig auch Realität. Die göttliche Wirklichkeit der Gnade des Lebens, der menschlichen Familie, ist das Wichtigste; er ist der Kern dessen, was man als „Evangelium von der Familie” bezeichnet: die menschliche Familie war von Anfang an zutiefst in das göttliche Evangelium eingeschrieben. Man kann sagen, daß die Familie das erste von Gott, dem Schöpfer, eingesetzte Sakrament ist, das dann ein regelrechtes Sakrament des Neuen Bundes wird. Christus stellt dieses Sakrament dar, indem er selbst zum Bräutigam der Kirche wird. So ist die Ehe, die eheliche und dann natürlich die familiäre Gemeinschaft zutiefst im Erlösungsgeheimnis und dem Mysterium der Kirche eingeschrieben. Und dann ist da die Liebe, die Liebe Gottes und diejenige, die unsere Herzen erfüllt. Diese Ausgießung göttlicher Liebe, das Werk des Heiligen Geistes, ist - wie ihr alle wißt - der geistige Mittelpunkt, der Stützpfeiler der Familie. Durch diese Liebe bildet sich die Familie, entwickelt sie sich, wächst, reift heran und wird das „Nest” des Menschen, ein Nest des Lebens und der Liebe, in dem der Mensch auch sein Glück auf Erden findet, auf dem Weg zur eschatologischen Glückseligkeit durch die familiäre Gemeinschaft. Es war meine Absicht, euch an diese Wahrheiten, diese Lebenswahrheiten, nicht lediglich eine Theorie, des Evangeliums zu erinnern; vor allem wollte ich auf jene Lebens Wahrheit hinweisen, die uns geschenkt worden ist, um uns die Wahrheit des Lebens selbst und den Weg des Lebens zu zeigen. Allen hier Anwesenden und jenen, die uns durch euch zuhören, wünsche ich, den Weg der menschlichen und christlichen Berufung zu gehen und freudige Vermittler einer Botschaft zu sein; der Botschaft des Lebens und der Liebe. Freudige Vermittler dieser Botschaft an die neuen Generationen; freudige Apostel, Zeugen für andere Eheleute und Familien, für alle Familien in der Welt. Das ist mein herzlicher Wunsch für euch, die ihr hier in Rom seid, um im voraus das Jahr der Familie zu feiern und für alle anderen Eheleute überall in der Welt. In der Kirche und der Welt ist dies ein Tag des Gebets: wir sind hier in Rom, um zu beten, um dem dreieinigen Gott Dank zu sagen, ihm für das Gute zu danken, das er uns in der Familie geschenkt hat, in unserer Familie, unseren Familien, in der Institution der Familie; gleichzeitig wollen wir aber auch intensiv für unsere Familien, für alle Familien in der Welt beten. Das ist die große Evangelisierung, die grundlegende Evangelisierung, vielleicht die tiefgreifendste von allen: die Evangelisierung der Familie durch die Familie. Ihr, meine Lieben, seid die Vermittler des Evangeliums 955 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für die Familien in der Welt; das ist der Prozeß, den Jesus und die zwölf Apostel für die Kirche begonnen haben und den sie nun in Ewigkeit, bis an das Ende der Welt, bis zur Erfüllung dieser vergänglichen Existenz auf Erden, die uns zum Haus den Vaters führt, fortsetzt. Somit schließe ich mich euch an, liebe Eheleute, liebe Eltern, liebe Jugendliche und Kinder; von ganzem Herzen schließe ich mich euch an und segne euch schließlich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Besonders den vom Krieg betroffenen Familien helfen Predigt bei der Eucharistiefeier für die Fokolar-Bewegung am 6. Juni 1. „Möge der Herr mit uns ziehen!” {Ex 34,9). So hat Mose gebetet, als er sich vor den Gott des Bundes stellte - inmitten des Volkes, das Gott aus dem Land Ägypten und einem Sklavendasein herausgeführt hatte. „Möge der Herr mit uns ziehen!” {Ex 34,9). So betet auch ihr, „Neue Familien”, die ihr heute auf dem Petersplatz versammelt seid. Ihr, die ihr ein neues Volk seid, ein auserwählter Stamm und eine königliche Priesterschaft (vgl. 1 Petr 2,9), eine „Generation, die das Antlitz Gottes sucht” (vgl. Ps 24,6) auf den Wegen jener besonderen Gemeinschaft, die die Familie ist. Familie - ständig in dei Geschichte präsente Gemeinschaft, ursprüngliche Gemeinschaft und erste unter allen anderen menschlichen Gemeinschaften - jedoch immer neu. Neu nicht nur wegen der Verflechtung der sich wandelnden Verhältnisse; neu, weil sie immer aus einer neuen Liebe entsteht, aus einer neuen Entscheidung zu neuer gegenseitiger Treue, zu einem neuen Leben. In dieser großen liturgischen Versammlung grüße ich euch herzlich, und ich tue es mit den Worten des Mose: „Möge der Herr mit uns ziehen!” 2; Diese Worte sind vor allem eine Offenbarung Gottes. Gott ist bereit, „inmitten der Menschen” zu wandeln. Er, der in jedem Menschen sein Bild und Abbild findet, findet es auch in der menschlichen Gemeinschaft wieder, in der Gemeinschaft der Personen, im Bund der Ehe zwischen Mann und Frau. „Gepriesen sei der ewige Gott, der Gott unserer Väter” (vgl. Dan 3,52) - der Gott unserer Väter und Mütter -, der Gott der Eltern und der Kinder. „Gepriesen sei Gott in seinem heiligen herrlichen Tempel” (vgl. Dan 3,53), zugleich aber auch im „Tempel” so vieler menschlicher Familien, im Tempel jeder Hauskirche, wo er verweilen möchte und wo er den „Thron seines Reiches” findet (vgl. Dan 3,54). Dieser Gott - einst durch die Worte des Mose eingeladen - antwortet. Er antwortet in einer Weise, die jede menschliche Erwartung übersteigt. Dieser Gott „hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Er hat seinen Sohn gesandt,... damit die Welt durch ihn gerettet wird” {Joh 3,16-17). 956 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. In der Fülle der Zeiten wendet sich dieser Gott, der einmal zu Mose in der Wolkensäule gesprochen hat, an die ganze Menschheit in seinem Sohn - im Sohn, der gleichen Wesens mit dem Vater ist. Der Sohn aber sagt: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen ... Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir” (Joh 14,9-10). „Ich und der Vater sind eins” (Joh 10,30). Dieser Sohn - Jesus Christus - ist die „Gnade”. In ihm erfüllt sich in überreichem Maße das Gebet des Mose: „Möge der Herr mit uns ziehen!” Der vom Vater gesandte Sohn ist in die Geschichte des Menschen eingetreten, so daß er „dem Menschen den Menschen selbst voll kundgemacht (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22)” und ihm die Liebe des Vaters enthüllt hat. Im Sohn offenbart sich der Vater. Der Mensch ist vom Geheimnis Gottes umgeben, eines Gottes, der eins ist in seiner Gottheit und als dieser Eine und Einzige zugleich Vater, Sohn und Heiliger Geist ist. Die Gnade des Sohnes Jesus Christus offenbart, daß „Gott Liebe ist” (vgl. 1 Joh 4,8) - sie offenbart die Liebe des Vaters. Die gleiche Gnade des Sohnes ist ein Beginn der Mitteilung des göttlichen Lebens im heiligen Geist. „Die Liebe Gottes, des Vaters, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gabe der Gemeinschaft des heiligen Geistes” (vgl. 2 Kor 13,13). Gott, der die Bitte des Mose, mit seinem Volk zu wandern, angekommen hat, hat sich uns kundgegeben im unergründlichen Geheimnis „Dessen, der ist” (vgl. Ex 3,14). Wir leben immer in dieses Geheimnis eingetaucht, eingetaucht in das dreifältige Leben des Einen Gottes. Heute feiern wir dieses Geheimnis in besonderer Weise. Er, der durch Jesus Christus sich uns als Vater, Sohn und Heiliger Geist kundgemacht hat, ist in seiner Gottheit Vater, Sohn und Heiliger Geist. Dies aber ist die Fülle des Lebens Gottes. Eben darin besteht die Liebe. 4. Liebe Brüder und Schwestern! „Neue Familien”! Ihr habt das Hochfest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit als Tag eurer Pilgerfahrt „Ad-Limina Apostolorum” gewählt. Ihr wollt für Gott, der die Liebe ist, Zeugnis geben. Ihr wollt für Gott Zeugnis geben, der in der Einheit der drei Personen ein göttliches Urbild der menschlichen Familien ist. Ewiges Urbild, doch zu gleicher Zeit immer neu für die „Neuen Familien”: neu in der Neuheit des Lebens, neu in der Neuheit der gegenseitigen Hingabe, aus der eine „Gemeinschaft von Personen” entsteht: des Mannes und der Frau, die dann eine neue Gemeinschaft von Personen schafft - nämlich die der Eltern und der Kinder. „Neue Familien”, die ihr einer großen Erfahrung der Fokolar-Bewegung entstammt, von euch wird verlangt, Zeugnis für Gott zu geben, der die Liebe ist; für Gott, der Einheit in der Dreifaltigkeit ist; für Gott, der „so sehr die Welt geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab” und daß er sich im Heiligen Geist mitgeteilt und neues Leben in unsere Herzen gebracht hat. 5. Dieses Zeugnis gewinnt eine besondere Aktualität im Hinblick auf das „Jahr der Familie”, das von der Organisation der Vereinten Nationen für das kommende Jahr 957 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1994 proklamiert worden ist. Die Kirche begrüßt von Herzen diese Initiative und schließt sich ihr mit all der Liebe an, die sie für jede menschliche Familie hegt. Ich möchte auch gerade im Lauf dieses internationalen Treffens der Familien eine besondere Aufforderung an das ganze christliche Volk ergehen lassen: Vom Fest der Heiligen Familie in diesem Jahr an bis zum gleichen Fest 1994 werden wir auch innerhalb der katholischen Kirche das Internationale Jahr der Familie feiern. Der Päpstliche Rat für die Familie wird in Rücksprache mit den anderen zuständigen Organen die Initiativen der Vereinten Nationen im Geist des Dialogs und der Zusammenarbeit verfolgen und zugleich die Feiern und Veranstaltungen vorbereiten und koordinieren, die innerhalb der katholischen Kirche stattfinden werden. Das Internationale Jahr der Familie wird gewiß eine providentielle Gelegenheit bieten zur Vertiefung der grundlegenden Werte dieser natürlichen Institution. Ich bin sicher, daß ihre bessere Kenntnis und Auswertung zum Aufbau einer mehr geschwisterlichen und solidarischen Welt mithelfen wird, wobei die Familie als grundlegende Zelle der Gesellschaft anerkannt wird. Ich lade daher die Bischofskonferenzen, die Bischöfe, die Diözesan- und Pfarrge-meinschaften, die Bewegungen, die Gruppen und Verbände ein, zumal jene, die täglich in der Familienpastoral tätig sind, diese einzigartige Stunde der Gnade für eine Arbeit aufzugreifen, die uns noch mehr in die Tiefe führt. Die Familie steht heute als naturgegebene Institution, als Gemeinschaft des Lebens und der Liebe im Zentrum des Interesses der Gläubigen. Die Werte der Hingabe, Gemeinschaft, Hochherzigkeit und Liebe sowie die erhabenen Aufgaben der Weitergabe des Lebens und der Erziehung der Kinder, die in der Familie geboren werden und aufwachsen, bilden einen Anlaß zum Nachdenken für alle, denen das Geschick des Menschen und des menschlichen Zusammenlebens am Herzen liegt. Von den Christen wird verlangt, ein „Etwas Mehr” anzubieten, das aus ihrem Glauben und der sakramentalen Würde stammt, die Christus dieser natürlichen Institution verliehen hat. Es geht darum, die Wahrheit und die Treue der Liebe in der Ehe und in der aufrichtigen Öffnung für das Geschenk des Lebens zu bezeugen. Eine besondere Öffnung und Aufmerksamkeit müssen den Familien Vorbehalten werden, die in Armut und in Kriegsverhältnissen leben, denen, die gezwungen sind, das eigene Land zu verlassen oder von Schmerz und Leid verschiedener Art heimgesucht sind. Jeder soll sich dafür einsetzen, den Familien, die Zeiten der Krise durchmachen und das Gebet und die Unterstützung der Gemeinschaft der Christen brauchen, Solidarität und Nähe zu sichern. 6. Dieses gerade versucht eure Bewegung durch den apostolischen Einsatz der Familien zu tun. „Neue Familien” ist ja ein Lebensprogramm, das den christlichen Familien vorgelegt wird, damit sie nach dem Beispiel der Heftigen Familie von Na-zaret sich bemühen, konkret das Evangelium der Liebe zu leben in ständigem und gelehrigem Hören auf den Geist des Herrn. Die echte Erneuerung der Welt verläuft über die Erneuerung der Familien unter dem Heilswirken Gottes. 958 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe „Neue Familien”! Dank für eure zahlreiche Präsenz. Ich grüße euch alle herzlich und freue mich, heute, am Fest der heiligsten Dreifaltigkeit, die Eucharistie mit euch feiern zu dürfen. Ich danke euch für alles, was ihr im Dienst der Evangelisierung der Familie überall in der Welt tut, und ermuntere euch, eure missionarische Arbeit fortzusetzen. Euer Bemühen gelte der Verkündigung und dem Zeugnis, der Bekehrung und der Gemeinschaft für den Aufbau einer Welt, in der die Liebe des gehorsamen, dem Willen des Vaters hingegebenen Christus lebendig ist. 7. „Neue Familien”, ihr müßt vor allen Familien der heutigen Welt, überall auf Erden, unter all den verschiedenen Nationen, Völkern und Kulturen Zeugnis geben für die Größe der Berufung der Eheleute und Eltern. Ihr müßt jenes besondere Zeugnis geben, das nur ihr geben könnt: die Familien den Familien! „Neue Familien”, werdet zum lebendigen Zeichen der Liebe Gottes und der Kirche für jede neue Familie. „Die Gnade des Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes seien mit euch allen” (vgl. 2 Kor 13,13). „Der Gott der Liebe und des Friedens sei mit euch allen” (vgl. 2 Kor 13,11)! „Möge der Herr mit uns ziehen!” Amen. In Solidarität mit Europa den Weg in die Zukunft gehen Ansprache an den Präsidenten der slowakischen Republik, Michal Kovac, bei seinem offiziellen Besuch im Vatikan am 7. Juni Herr Präsident! Mit tiefer Freunde empfange ich in Eurer Exzellenz den ersten Präsidenten der slowakischen Republik, die am 1. Januar dieses Jahres nach einer langen Zeit des Wartens und der Hoffnung geboren wurde im Rahmen eines endlich zurückgewonnenen demokratischen Lebens. Ihr amtlicher Besuch beim Bischof von Rom wird von uns als neuer Markstein in der langen Folge vertrauensvoller Beziehungen Ihres Volkes mit dem Apostolischen Stuhl angesehen. Die Slowakei besitzt ja eine ruhmreiche Vergangenheit; seit dem einstigen Römischen Reich wurden Bindungen angeknüpft; sodann hat das apostolische Wirken der hll. Kyrill und Method, das in voller Gemeinschaft mit dem Papst in Rom erfolgte, bei Ihnen die Kirche gegründet und in entscheidender Weise die Kultur geprägt, der die Nation treu geblieben ist, eine Kultur, der die Botschaft des Evangeliums viel von ihrer Fruchtbarkeit geschenkt hat. Herr Präsident, ich danke Ihnen, daß Sie heute hier die Verbundenheit des slowakischen Volkes mit der katholischen Kirche ausgesprochen haben. Ich begegne recht oft Gmppen aus Ihrem Land, die auf Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel her- 959 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kommen, und ich selbst hatte die Freude, Preßburg bei einem pastoralen Besuch kennenzulemen. Durch Ihre Vermittlung möchte ich all Ihren Landsleuten meine lebhaften Wünsche für das Wohlergehen der Nation aussprechen, daß sich die menschlichen, geistigen und kulturellen Werte weiter ausbreiten, die etwas von seinem kostbarsten Erbe bilden. Die Ereignisse, die es Europa gestattet haben, eine dunkle Seite seiner Geschichte umzuschlagen, sind noch sehr nahe. Der zurückgelegte Weg ist bereits erheblich, doch wir wissen gut, daß es noch lange dauern wird, bis der ganze Kontinent in Frieden lebt und bis er zu einem ausgeglichenen Wohlstand gelangt. Dazu müssen die tiefreichenden Wurzeln, die in diesen Ländern nie zu leben aufgehört haben, das Bewußtsein und die aktive Hoffnung der Europäer nähren, angefangen bei den größten Reichtümem ihrer Geschichte. Für die Erneuerung der Gesellschaft in Mitteleuropa stellt die Rückkehr zu einer demokratischen Regiemng ein wesentliches Element dar. Ich war oftmals veranlaßt, dies zu betonen. Ihr Kommen nach Rom bietet mir eine willkommene Gelegenheit, der Slowakei meine aufrichtigen guten Wünsche auszusprechen für die Absicht zur Festigung ihrer Institutionen, damit ein jeder Ihrer Landsleute, eingeschlossen die Angehörigen der nationalen Minderheiten, seinen Teil der Verantwortung im gemeinsamen Leben übernehmen kann. Die noch lebendigen Erinnerungen an die sturmbewegte Geschichte des slowakischen Volkes und des von ihm bewohnten Gebietes zeigt auch die dringende Notwendigkeit, zu einer konstruktiven Absprache zwischen den verschiedenen Ländern dieses Kontinents zu gelangen. Die berechtigte Verschiedenheit der Identitäten dürfte nicht die zahlreichen gemeinsamen Elemente des Erbes vergessen lassen, die dazu aufrufen, unermüdlich den Aufbau einer Einheit als Quelle eines dauerhaften Friedens wieder aufzugreifen. Möge die Slowakei mit den anderen Ländern Europas weiter ihren Weg in frei gewählter Solidarität gehen. Herr Präsident, Sie üben Ihr hohes Amt im Dienst einer mehrheitlich katholischen Nation aus. Die Kirche möchte in der Slowakei wie überall in der Welt das wahre Wohl des Menschen und der ganzen Gesellschaft fördern. Die katholischen Gläubigen sind berufen, sich in den Dienst der Eintracht unter allen Mitgliedern der Nation zu stellen, einen Vertrauens- und achtungsvollen Dialog mit ihren Brüdern und Schwestern aus anderen geistigen Überheferungen zu führen, und die Würde des Menschen zu fördern, indem sie seine echten Werte schützen und sich bemühen, ihren Glauben in einer für alle offenen Liebe zu leben. Ich ermuntere die Gläubigen hochherzig zu sein in ihren Bemühungen um das Wohl ihres Volkes, im demokratischen Leben, in Offenheit für die benachbarten Völker und in hochherziger Antwort auf die Aufrufe des Evangeliums. Indem ich Sie willkommen heiße, Herr Präsident, denke ich an das Ganze der slowakischen Republik. Ich rufe den Herrn an, Unsere Liebe Frau und die Heiligen Ihres Landes, und ich erbitte für Sie, Ihre Mitarbeiter und für alle Ihre Landsleute den Segen Gottes. 960 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jedem Bürger erlauben, am Aufbau der Nation teilzunehmen Ansprache an Seine Exzellenz den Botschafter Rumäniens beim Hl. Stuhl, Gheorghe Pancratziu luliu Gheorghiu, bei der Überreichung der Beglaubigungsschreiben am 8. Juni Herr Botschafter! 1. Ihr Kommen, Exzellenz, in die Wohnung des Nachfolgers des Petrus zur Vorlage der Beglaubigungsschreiben als erster außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der neuen Republik Rumänien nach 45 Jahren ist ein bedeutsames Ereignis: Es bildet einen Teil der glücklichen Folgen der jüngsten Umwälzungen, welche die Situation Europas geändert und vor allem die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und der edlen rumänischen Nation ermöglicht haben. 2. Ich bin besonders aufgeschlossen für die Empfindungen und Überzeugungen, die in Ihrer Ansprache zum Ausdruck kamen, auch für Ihre Worte der Hochachtung für das Wirken des apostolischen Stuhls und des Nachfolgers Petri im internationalen Leben. Ich danke Ihnen herzlich für die warmherzige Botschaft, die Sie mir von Seiner Exzellenz, Herrn Ion Iliescu, Präsident der Republik Rumäniens, übermittelt haben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihm als Entgegnung meine ergebenen Grüße und die guten Wünsche aussprechen wollten, die ich für jene hege, die den hohen Auftrag haben, ihrem Lande zu dienen. 3. Eure Exzellenz hat die christliche Vergangenheit und die lange geistige Überheferung angesprochen, der die Rumänen tief verbunden gebheben sind, wie einem Schatz, der die Seele dieses Volkes auch während der dunkelsten Stunden seiner jüngsten Geschichte unter dem Joch des Kommunismus geprägt hat. Sogar der Name Ihres Landes erinnert an die gediegenen und alten Bande, die Sie mit dem alten Rom verbinden: Im Kaiserreich nämlich haben die herzhchen Beziehungen die Verbreitung der lateinischen Kultur bis zum Ufer des Schwarzen Meeres mit originellen Besonderheiten hervorgerufen. Die folgenden Generationen haben ausgehend von dieser gemeinsamen Kultur Einzelkulturen in Zentraleuropa gebildet und die Bevölkerungen sind sich bewußt geworden, daß sie ihre nationale Identität durch ihren Beitrag zur Einheit des gesamten Kontinents aufbauen müssen. 4. Seit Dezember 1989 bemühen sich die Führungskräfte Ihres Landes, die demokratischen Strukturen des Staates zu festigen. Die internationale Gemeinschaft aber weiß, daß dieser neue Aufbruch sich nur dann gut weiterführen läßt, wenn andere Länder ihn unterstützen und wirtschaftliche Hilfe leisten. Weil Ihrer Regierung die Stärkung der nationalen Einheit am Herzen liegt, wünscht sie, daß Rumänien - weit davon entfernt, sich auf sich selbst zurückzuziehen - aktiv in Europa mitarbeitet. Es ist ja auch an der Zeit, daß wir die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen auf Ebene des Kontinents, ja des ganzen Planeten sehen müssen. Die beson- 961 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ders bevorzugten Nationen müssen mit denen solidarisch werden, die sich in fortschreitendem Maße unterdrückerischer Regierungsstrukturen entledigen. Tatsächlich kann dann jedes Land in den gegenseitigen Beziehungen seinen gerechten Platz im Konzert der Nationen finden. 5. Unterstützt in ihren berechtigten Bestrebungen durch die Grundwerte des Friedens, der Achtung vor der Würde des Menschenwesen und der Würde der Völker arbeiten die Einzelmenschen und Gruppen beim Aufbau des Vaterlandes zusammen. Dabei sollte der Dialog zwischen den Gruppen in Rumänien, die nach Empfinden und Gewohnheiten verschieden sind, es jedem Bürger erlauben, am nationalen Leben teilzunehmen und seinen Teil an Verantwortung für das gemeinsame Haus' zu übernehmen, da nun die neue Zeit begönnert hat. Dieser Weg des Dialogs, dem der Hl. Stuhl eine besondere Bedeutung beimißt, ist der einzige Weg, der den Menschen, die Völker und völkischen Minderheiten achtet. 6. Herr Botschafter, Sie haben auch auf die neuen Verfügungen in Ihrem Land zur Religionsfreiheit und der Wiedergutmachung der seit 1949 begangenen Ungerechtigkeiten angespielt; der Heilige Stuhl schätzt diese Gesten, die Ihre Regierung vollzogen hat. Er hofft, daß auch andere noch nicht gelöste Probleme als Frucht eines beharrlichen und konstruktiven Dialogs der betroffenen Partner eine befriedigende Lösung finden werden. Die Mehrheit der Christen in Rumänien gehört der rumänischen orthodoxen Kirche an. Die Katholiken des römisch-byzantinischen oder lateinischen Ritus sind verschiedener Nationalität, zumal ungarischer Abstammung und möchten sich wie in der Vergangenheit aktiv am sozialen Leben, an der Entwicklung des Gesundheitswesens, am Unterricht für die Jugend, welche die Zukunft der Nation ist, dank ihrer wohlwollenden Anerkennung durch die Autoritäten beteiligen. Denn die Berufung der katholischen Kirche ist die Verkündigung des Evangeliums, und diese vollzieht sich besonders durch Werke der Caritas. Den Katholiken liegt die Förderung brüderlicher Beziehungen mit ihren Landsleuten am Herzen, wie immer ihr Ursprung oder ihr religiöses Bekenntnis sein mögen, denn sie wünschen ein herzliches Verhältnis aller, was im demokratischen Lebemso notwendig ist. Ich ergreife diese Gelegenheit, um durch Ihre Vermittlung meine warmen Grüße an alle in Ihrem Land anwesenden Gläubigen der katholischen Kirche zu richten, 7. Da nun Ihre Mission als Botschafter der Republik Rumänien beim. Hl. .Stuhl beginnt, entbiete ich Ihnen meine besten Wünsche. Seit Ihrem Aufenthalt in Rom konnten Sie die Reichtümer der Ewigen Stadt entdecken, die überraschende Ähnlichkeiten zumal mit den kürzlich entdeckten Fresken in den Vororten von Con-stanza aufweisen. Unsere jetzt voll wieder aufgenommenen diplomatischen Beziehungen sind ihrerseits über alle historischen Schicksale hinweg ein Zeichen für unsere tiefreichenden und vertrauensvollen Bande.. 962 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Seien Sie versichert, Herr Botschafter, daß Sie bei meinen Mitarbeitern immer aufmerksames Wohlwollen und herzliches Verständnis finden werden, wie Sie es für Ihre fruchtbare Tätigkeit brauchen werden. Ich rufe auf Ihre Exzellenz, Ihre Landsleute und Führungskräfte aus ganzem Herzen die Überfülle des göttlichen Segens herab. Eucharistie: das ganze Geheimnis des Lebens Predigt am Fronleichnamsfest in St. Johann im Lateran am 10. Juni 1. „Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich geführt hat” {Dtn 8,2). Heute versammeln wir uns zu einer Liturgie des Weges. Die Eucharistie, die wir feiern, muß der Weg werden, auf dem die Kirche in Rom täglich fortschreitet. Seit den Zeiten der. Apostel ist sie so unterwegs. Dieser Weg erinnert an all jene Wege, die Gott sein Volk in der Wüste geführt hat. „Nimm dich in acht, daß dein Herz nicht hochmütig wird und du den Herrn, deinen Gott, nicht vergißt, der dich aus Ägypten geführt hat ... Durch Hunger hat er dich gefügig gemacht und dich dann mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest und das auch deine Väter nicht kannten. Er wollte dich erkennen lassen, daß der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern daß der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht” {Dtn 8,14.3). Die Fronleichnamsprozession, unsere Liturgie des Weges, soll an diese Wege erinnern. Während der vierzigjährigen Wanderung in der Wüste wurden diese Wege mit der Erinnerung an das „Manna” verbunden - mit der Speise, die Gott den Söhnen und Töchtern Israels täglich sandte. Speise und Trank sind für den Menschen auf allen Wegen seines irdischen Lebens unerläßlich. 2. „Eure Väter haben das Manna in der Wüste gegessen und sind gestorben” {Joh 6,49). Jenes Manna-Brot - die tägliche Speise der Pilger - war nur eine Ankündigung. Sie bekräftigte die Wahrheit, daß „der Mensch nicht nur von Brot lebt”, sondern von allem, was aus dem Mund des Herrn kommt. Aus dem Mund des Herrn kommt das Wort. Das ewige, wesensgleiche Wort des Vaters ist Fleisch geworden (vgl. Joh 1,14). In ihm hat die Wahrheit über den Menschen ihren Höhepunkt erreicht. In ihm hat sich auch die göttliche Wahrheit über das Brot des ewigen Lebens enthüllt - die Wahrheit über die Speise und den Trank, die das Wort Gottes dem Menschen zugedacht hat, der auf den Wegen der Geschichte in den verschiedenen Wüsten der Welt als Pilger unterwegs ist. 963 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus hat gesagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Heisch, (ich gebe es hin) für das Leben der Welt” (Joh 6,51). 3. Wenn wir durch die Straßen der Ewigen Stadt gehen, bewahren wir die lebendige Erinnerung an die Wege, auf denen der Gott des Bundes sein Volk durch die Wüste geführt hat. Wir bewahren das lebendige Andenken an alles, was der Herr in unserer Diözese getan hat und weiter tut, die vor einigen Tagen die Synodenversammlung abgeschlossen hat. Unsere Berufung als Glaubende ist Gemeinschaft im Glauben. Wir sind berufen, in Gemeinschaft zu wandern und vor allem Christus zu bezeugen. Zeugen Jesu Christi zu sein - des Wortes, das Heisch geworden ist. Zeugen Jesu Christi, der in seinem Leib den Tod auf sich nahm und, nachdem er den Tod überwunden hatte, lebt! 4. Ich grüße euch alle herzlich, hebe Brüder und Schwestern. Ich grüße den Kardinalvikar, die Weihbischöfe, die Priester, die Ordensmänner und -flauen, die Vertreter der Pfarreien, der Verbände und Bewegungen, die sich apostolisch einsetzen. Ich grüße euch alle, die ihr durch eure Anwesenheit dem Sakrament des Leibes und Blutes Christi Ehre erweisen wolltet, dem außerordentlichen Schatz, den die Kirche mit immer neuer Dankbarkeit und glühender Liebe hütet. An dieser unserer Feier nimmt auch der Patriarch der Kirche Äthiopiens teil, Seine Heiligkeit Abuna Paulos. Seine Teilnahme macht den gemeinsamen Glauben unserer Kirchen an die Eucharistie als lebendige Gegenwart Jesu Christi unter seinen Jüngern sichtbar. Wir haben den Patriarchen und seine ganze Kirche in unser Gebet an den gemeinsamen Herrn eingeschlossen. Bitten wir eifrig Christus Jesus, der im Sakrament des Altares gegenwärtig ist, daß er alle, Katholiken und Orthodoxe, auf dem Weg zur vollen Einheit unterstütze. Die heutige Feier hat für die Diözese Rom eine einzigartige Bedeutung. Mit der heiligen Messe und der Fronleichnamsprozession enden die Vorbereitungen auf den VIII. Welttag der Jugend, der im kommenden Monat August in Denver geplant ist. Euch Jugendlichen, die ihr die Freude habt, an diesem wichtigen kirchlichen Treffen teilzunehmen, vertraue ich den Auftrag an, freudig euren Glauben vor allen zu bezeugen, denen ihr begegnet. Das eucharistische Symbol des Pelikans, des Abzeichens, das ihr in Denver tragen werdet und das in Kürze bei der Gabenprozession zum Altar gebracht werden wird, macht den Sinn dieses dem Evangelium entsprechenden Zeugnisses deutlich, wie es von euch gefordert wird. Es erinnert nämlich sehr gut an das Thema des Weltjugendtages, das für unsere Diözese zugleich das Thema des Fronleichnamsfestes ist: „Ich bin gekommen, daß sie das Leben haben, und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Liebe Jugendliche, ihr seid in Wort und Beispiel Zeugen des neuen Lebens, das Christus in die Welt gebracht hat. 964 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Das Geheimnis der Eucharistie, die Botschaft der Eucharistie ist Wahrheit des Lebens: „Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben.” Der Welt gegenüber müssen wir alle, die wir an der Eucharistie teilhaben und am heutigen Hochfest in der Fronleichnamsprozession mitgehen - und zumal ihr Jugendlichen, die ihr nach Denver fahren werdet -, Zeugen sein. Zeugen des Lebens, das durch Christus in uns ist: in der Kraft des Leibes, den er am Kreuz für das Leben der Welt hingegeben hat, und in der Kraft des Blutes, das er zur Vergebung der Sünden vergossen hat. Wir sind Zeugen, Zeugen Christi. 6. Durch uns aber möchte Christus heute verkünden: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, bleibt in mir, und ich bleibe in ihm” (Joh 6,66). Durch uns wiederholt Christus der Generation von heute: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag” {Joh 6,54). Das ganze Geheimnis des Lebens ist hier bis ans Ende, bis zur eschatologischen Fülle, ausgedrückt: Der Mensch wird durch den Leib und das Blut Christi des ewigen Lebens teilhaftig. Das ewige Leben bedeutet das Leben Christi in uns - unser Leben mit Christus in Gott. „Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich ißt, durch mich leben” {Joh 6,57). Wir sind Zeugen: „Theofori” - „Christusträger” - „Geistträger”. Unser menschlicher Mund formuliert die Worte des Lobes - den Glauben der Kirche -, er gibt Zeugnis von dem Wort, das Fleisch geworden ist, „damit wir das Leben haben und es in Fülle haben” (vgl. Joh 10,10). Wort - Fleisch - Leben - in Ewigkeit! Amen. Brief an die Bischöfe der Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. Juni Ehrwürdige und hebe Brüder, Bischöfe der Vereinigten Staaten! „Wehe der Welt mit ihrer Verführung” {Mt 18,7). Während dieser letzten Monate bin ich mir klar geworden, wie sehr ihr, die Hirten der Kirche in den Vereinigten Staaten, vereint mit allen Gläubigen wegen einiger Skandalfälle leiden müßt, zu denen Mitgliedern des Klerus Anlaß gaben. Bei den Ad-limina-Besuchen kam das Gespräch oft auf dieses Problem zurück, wie sehr die Sünden von Klerikern das moralische Empfinden vieler schockiert haben und für andere eine Gelegenheit zur Sünde geworden sind. Das Wort „Wehe” im Evangelium hat eine besondere Bedeutung, zumal wenn Jesus es auf Skandalfälle anwendet, und vor allem auf das Ärgernis, das den „Kleinen” {Mt 18,6) gegeben wird. Wie streng sind die Worte Christi, wenn er von solchem Ärgernis spricht, und wie 965 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN groß muß das Übel sein, wenn es für den, der Ärgernis gibt, „besser wäre, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde” (vgl. Mt 18,6). Die große Mehrheit der Bischöfe und Priester sind treue Nachfolger Christi, eifrige Arbeiter in seinem Weinberg und Männer, die in großem Maß sensibilisiert sind für die Bedürfnisse ihrer Schwestern und Brüder. Daher bin ich, wie ihr, tief betroffen, wenn es scheint, daß die Worte Christi auch auf einige Diener des Altares angewendet werden können. Da Christus sie seine „Freunde” nennt (Vgl. Joh 15,15), muß ihre Sünde, wenn sie den Unschuldigen Ärgernis geben, in der Tat sein Herz treffen. Daher teile ich voll und ganz euren Schmerz und eure Sorge, zumal eure Sorge um die Opfer, die durch solche Missetaten verletzt wurden. Jeder Sünder, der den Weg der Reue, der Bekehrung und der Vergebung geht, kann mit dem Erbarmen Gottes rechnen, und zumal ihr müßt jene, die versöhnt werden und den Frieden des Gewissens wiederfmden möchten, ermutigen und ihnen helfen. Es ergibt sich auch die Frage nach den menschlichen Mitteln, auf dieses Übel zu reagieren. Die kanonischen Strafen, die für bestimmte Vergehen vorgesehen und ein sozialer Ausdruck der Mißbilligung des Übels sind, bleiben voll gerechtfertigt. Sie helfen mit zur Aufrechterhaltung einer klaren Unterscheidung zwischen Gut und Böse und tragen ebenso zum moralischen Verhalten bei wie zur Schaffung eines rechten Bewußtseins von der Schwere des betreffenden Übels. Wie ihr wißt, wurde gerade ein gemischtes Komitee von Fachleuten des Hl. Stuhls und der Bischofskonferenz eingesetzt, um zu untersuchen, wie die allgemein geltenden kanonischen Normen am besten auf die besondere Lage der Vereinigten Staaten angewandt werden können. Ich möchte eure Aufmerksamkeit ferner auf einen weiteren Aspekt der ganzen Frage richten. Während wir das Recht auf die gebührende Informationsfreiheit anerkennen, können wir es nicht billigen, daß moralisches Versagen als Gelegenheit zur Sensationsmache betrachtet wird. Die öffentliche Meinung nährt sich oft aus Sensationsmeldungen, und die Massenmedien spielen dabei eine besondere Rolle. In der Tat führt auch das Haschen nach Sensationen zum Verlust von dem, was wesentlich für die Moral der Gesellschaft ist. Verletzt wird hier das Grundrecht der einzelnen, in der öffentlichen Meinung nicht leichtfertig der Lächerlichkeit ausgesetzt zu werden, kommt ein verzerrtes Bild des menschlichen Lebens zustande. Mehr noch, wenn man die Verletzung der Moral zum Sensationsobjekt macht, ohne die Würde des menschlichen Gewissens zu beachten, wirkt man in eine Richtung, die tatsächlich der Förderung des moralisch Guten entgegengesetzt ist. Es gibt bereits genügend Beweise dafür, daß das Überwiegen von Gewaltanwendung und Unanständigkeit in den Massenmedien eine Quelle des Ärgernisses geworden ist. Böses kann in der Tat sensationell sein, aber es mit Sensationsmache zu umgeben, ist immer für die Moralität gefährlich. Daher gelten die Worte Christi über das Ärgernis auch für alle Personen und Institutionen, die, oft anonym, durch Sensationskult auf verschiedene Art die Tür für Böses im Gewissen und Verhalten weiter Bereiche der Gesellschaft öffnen, zumal un- 966 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ter den Jugendlichen, die besonders verwundbar sind. „Wehe der Welt mit ihrer Verführung!”, wehe den Gesellschaften, in denen Skandale an der Tagesordnung sind. So seht ihr euch, ehrwürdige Brüder, also einer doppelten Verantwortung gegenüber: in bezug auf die Kleriker, durch die Ärgernis entsteht, und ihre unschuldigen Opfer, aber auch in bezug auf die gesamte Gesellschaft, die systematisch von Skandalen bedroht wird und dafür verantwortlich ist. Es braucht beträchtliche Anstrengung, um dem Herabsetzen der großen Taten Gottes und des Menschen Einhalt zu gebieten. Ich lade euch ein, gemeinsam mit den Priestern, die eure Mitarbeiter sind, und den Laien nachzudenken und mit allen euch verfügbaren Mitteln zu antworten. Unter diesen Mitteln, ist das erste und wichtigste das Gebet: inniges, demütiges und vertrauensvolles Gebet. Diese ganze traurige Frage muß in einen Kontext gestellt werden, der nicht rein menschlich ist; sie darf nicht länger als Gemeinplatz betrachtet werden. Das Gebet läßt uns aufmerken, daß alles, auch das Böse, seinen ersten und endgültigen Bezugspunkt in Gott findet. In ihm kann jeder Sünder sich wieder erheben. So wird die Sünde nicht zur unglücklichen Ursache von Sensationsmache werden, sondern vielmehr die Gelegenheit zu einem inneren Aufruf im Sinn des Wortes Christi: „Kehrt um” (Mt 4,17). „Der Herr ist nahe” (Phil 4,5). Ja, liebe Brüder, Amerika braucht viel Gebet - sonst verliert es seine Seele. Wir sind in diesem Gebet eins, eingedenk der Worte des Erlösers: „Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallt” (Mk 14,38). Christus, der Gute Hirt, ruft uns zu dieser Haltung auf, wenn er sagt: „Habt Mut. Ich habe die Welt überwunden” {Joh 16,33). Ich bin mit euch eins in der festen Überzeugung, daß sich unser Heiland immer getreulich um sein Volk sorgt und euch die Kraft geben wird, euren pastoralen Dienst zu erfüllen. Ich empfehle den Klerus, die Ordensleute und die gläubigen Laien eurer Diözesen der liebevollen Fürbitte seiner unbefleckten Mutter Maria. In brüderlicher Verbundenheit in Christus Jesus erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 11. Juni 1993 Joannes Paulus PP. II 967 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Einheit des Gottesvolkes ist das Ziel von Katholiken und Orthodoxen Ansprache an Seine Heiligkeit Abuna Paulos, Patriarch der orthodoxen Kirche Äthiopiens, am 11. Juni Eure Heiligkeit! 1. Es ist wirklich eine große Freude für mich, Sie und Ihre Begleiter heute hier zu empfangen. Indem ich Sie, den Patriarchen der äthiopischen orthodoxen Kirche, willkommen heiße, grüße ich einen geliebten Bruder, der eine Kirche repräsentiert, der ich mich sehr nahe fühle, In dieser Pfingstzeit, da wir die Ausgießung des Heiligen Geistes feiern, der die einst Verstreuten zur Einheit führt, reiche ich von Herzen gern, lieber Bruder, die Hand zum Gruß. Ihre Anwesenheit in Rom erinnert uns an die lange Tradition der äthiopischen Pilger, die seit dem Mittelalter in großer Zahl nach Rom gekommen sind, um dem Grab des Apostelfürsten die Ehre zu erweisen. Ihnen haben meine Vorgänger stets herzliche Gastfreundschaft im Vatikan selbst gewährt. Ich sehe Ihren Besuch daher als eine Fortsetzung jener ehrwürdigen Tradition, vor allem aber als sichtbaren Ausdruck der tiefen Gemeinschaft, die wir seit einigen Jahren gemeinsam neu entdek-ken. Wie wunderbar sind die Werke des Geistes Gottes! Denn wir, die wir uns gegenseitig fast als Fremde betrachtet hatten, stehen uns nun immer mehr geeint durch den Geist, der unsere Versöhnung und das Band des Friedens ist (vgl. Eph 4,3). 2. Die tiefe Gemeinschaft, die trotz der Wechselfälle der Geschichte zwischen uns besteht, wurzelt in den Grundrealitäten unseres christlichen Glaubens. Denn wir teilen den von den Aposteln weitergegebenen Glauben wie auch dieselben Sakramente und dasselbe in der apostolischen Sukzession wurzelnde Amt. Das wurde nachdrücklich festgehalten in der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 15). Heute können wir zudem sagen, daß wir den einen Glauben an Christus haben, obschon dies für lange Zeit eine Quelle der Spaltung unter uns war. Wenngleich unsere Traditionen unterschiedliche Formulierungen gebrauchten, um dasselbe unsagbare Geheimnis der Vereinigung von Menschheit und Gottheit im fleischgewordenen Wort auszudrücken, bekennen unsere beiden Kirchen in voller Übereinstimmung mit dem apostolischen Glauben sowohl die Unterscheidung als auch die vollkommene Vereinigung von Menschheit und Gottheit in der Person Christi, des Sohnes Gottes. Solchermaßen bekennen die äthiopische orthodoxe Kirche und die katholische Kirche denselben Glauben an den, der auf immer „der Weg und die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6), der Herr und Retter der Welt bleibt. All das sollte uns anspomen, neue und geeignete Wege zu suchen, um die Wiederentdeckung unserer Gemeinschaft im konkreten täglichen Leben der Gläubigen unserer beiden Kirchen zu fördern. 968 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir müssen tun, was wir können, um die Erinnerungen an Mißverständnisse aus der Vergangenheit zu begraben und neue Haltungen zu fördern, die auf Verzeihen und gegenseitiger Achtung und Wertschätzung beruhen. Wir müssen aller Feindseligkeit und allem Geist der Rivalität unter uns widerstehen, so daß wir uns entschlossen durch gegenseitige Zusammenarbeit für den Aufbau unserer Kirchen einsetzen können. 3. Wenn wir unsere Gläubigen zur Wiederentdeckung der vollen Gemeinschaft hinfuhren, wollen wir alles zu vermeiden suchen, was Verwirrung in ihren Reihen stiften könnte. Ich kann Ihnen versichern, daß dies der Wunsch der katholischen Bischöfe in Äthiopien ist. Katholiken und Orthodoxe können - indem sie sich gegenseitig anerkennen und respektieren als Hirten jenes Teils der Herde, der jedem anvertraut ist - kein anderes Ziel haben als das Wachstum und die Einheit des Volkes Gottes. Das erwarten unsere Gläubigen. Sie sind überzeugt, daß „die Brüder, die einst den gleichen Leiden und denselben Prüfungen ausgesetzt waren, sich heute einander nicht entgegenstellen, sondern gemeinsam in die Zukunft blicken (sollten), die sich mit aussichtsreichen Zeichen der Hoffnung öffnet” (Die Beziehungen zwischen Katholiken und Orthodoxen in der neuen Lage Mittel- und Osteuropas, Brief des Papstes an die Bischöfe des europäischen Kontinents, 31.5.91, Nr. 2). Das Feld für die Zusammenarbeit ist weit. Sie sollte beginnen mit einer Verbesserung in den brüderlichen Beziehungen auf allen Ebenen, ganz besonders aber unter denen, die die Aufgabe der Führung haben. Da wir diesen Dialog der Liebe unter uns wiederhergestellt haben, können wir zuversichtlicher sein, wenn wir den Herrn eines Sinnes um die Gabe der Einheit bitten, besonders anläßlich der Weltgebetsoktav für die Einheit der Christen, deren Thema, wie Sie wissen, jedes Jahr gemeinsam vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen und von dem Weltrat der Kirchen, dem Ihre Kirche seit dessen Beginn angehört, vorbereitet wird. Schließlich erfordern die Umstände der Gegenwart eine Zusammenarbeit im pasto-ralen Bereich von uns, damit wir „der heiligen Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen” (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 1) keine Hindernisse in den Weg legen. Ich denke besonders an die Ausbildung zukünftiger Priester und Pfarreimitarbeiter - in dieser Hinsicht ist bereits das katholische Komitee für die kulturelle Zusammenarbeit tätig, indem es Stipendien für äthiopisch-orthodoxe Studenten bereitstellt, damit sie ihr Studium fortsetzen und sich spezialisieren können; ich denke auch an die Liturgie, unser altes Erbe, das, wenn es lebendig bleiben soll, den Menschen unserer Zeit zugänglich sein muß; ich möchte auch -und das gehört zu den dringendsten Problemen - die Pastoralarbeit unter den nach Europa und Nordamerika emigrierten Äthiopiern erwähnen, ebenso die Evangelisierung der Jugendlichen, die karitative Tätigkeit unter den Flüchtlingen und all die vielen Formen 969 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Entwicklung, die zum .Wiederaufbau des Landes nach so vielen schwierigen Jahren nötig sind. 4. Bei dieser vielversprechenden Gelegenheit möchte ich Eurer Heiligkeit wiederholen, daß die äthiopisch-orthodoxe Kirche bei der katholischen Kirche in hohem Ansehen steht, weil sie das christliche Glaubens- und Kulturerbe über Jahrhunderte hinweg erhalten und bewahrt hat. Die Taufe des Äthiopiers, von der die Apostelgeschichte (8,27-39) berichtet, bezeugte den sehr alten Ursprung Ihres christlichen Glaubens. Seiner Führung folgend und mit der gleichen Freude haben die Menschen Äthiopiens das Evangelium angenommen und sind ihm treu gebheben trotz der vielen Leiden, die sie auch in der jüngsten Vergangenheit noch durchzustehen hatten. Die enge Verbindung zwischen Glauben und äthiopischer Kultur, der Fortbestand der alten monastischen Tradition, der Reichtum und Glanz Ihrer Liturgie gehören zu den vielen Dingen, die die katholische Kirche mit aufrichtiger Bewunderung betrachtet. Meine heben Brüder, seit einigen Tagen sind Sie nun daran, die wichtigsten Pilgerstätten in Rom zu besuchen. Sie haben bereits am Grab des Apostels Petrus gebetet und werden heute nachmittag und morgen mit dem Besuch der großen Basiliken und christlichen Kunstschätze dieser ehrwürdigen Stadt fortfahren. Ich bin auch froh, daß Sie die Gelegenheit wahmehmen, lebendige Gemeinschaften, sowohl Klöster als auch Pfarreien, zu besuchen, wo Christen ihren Glauben zu feiern und in die Praxis umzusetzen suchen. Es ist mein aufrichtiges Gebet, daß diese geisthchen Begegnungen zwischen unseren Kirchen die Stärke unseres Wunsches nach voller Gemeinschaft öffentlich sichtbar machen. Durch die Fürsprache Marias, der großen Mutter Gottes, möge der Heilige Geist beschleunigt den Tag herbeifuhren, an dem wir wieder an demselben Tisch des Herrn essen und trinken. Sich auf die heutige Zeit einstellen Ansprache an die Kapitulare der Consolata-Missionare am 19. Juni Liebe Consolata-Missionare! 1. Heute, bei Gelegenheit des 9. Generalkapitels eures Institutes, empfange ich euch mit tiefer Freude. Wenn ich euch herzlich grüße, so danke ich euch zugleich für diesen Besuch als Zeichen des Glaubens und der kindlichen Anhänglichkeit an den Stellvertreter Christi. Durch euch gehen meine Gedanken zu all euren Mitbrüdem in der ganzen Welt, denen ich ebenfalls für ihren hochherzigen und eifrigen Dienst danken möchte. Ich bin ferner dem neu erwählten, Generalsuperior, P. Pietro Tra-bucco, dankbar für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat, und wünsche meinerseits ihm wie auch dem neuen Generalrat alles Gute für seine kommenden Aufgaben. 970 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Die Feier des Generalkapitels bildet immer eine gute Gelegenheit nicht nur zur Überprüfung der Konstitutionen und ihrer praktischen Anwendung in der konkreten Wirklichkeit, sondern auch, um mit neuer Aufgeschlossenheit das Charisma des Gründers zu überdenken. Es geht oft um ein notwendiges neues Verständnis der charismatischen Intuition, die am Anfang stand, um in der vom Geist eingegebenen Richtung treu weitergehen zu können. Um nicht eure Identität als „Consolata-Missionare” zu verlieren, müßt ihr die demütige und vor Eifer glühende Persönlichkeit des sei. Giuseppe Allamano unermüdlich neu entdecken. Inmitten seiner zahlreichen apostolischen Tätigkeiten hegte er in seinem Herzen ein großartiges Anliegen: Missionar zu sein. Dieses Bestreben hatten ihm auch zahlreiche Kleriker und jugendliche Priester seiner Zeit anvertraut. Am 24. April 1900, dem Fest des Missionars und Märtyrers Fidelis von Sigmaringen, schrieb er, wie er später seinen geistlichen Söhnen erzählte, einen langen Brief an den Erzbischof von Turin, Kardinal Agostino Richelmy, seinen alten Seminargefährten, um ihm den Plan einer neuen Missionskongregation vorzutragen. Er fügte hinzu: „Danach feierte ich die heilige Messe, damit Gottes Wille geschehe, und dann brachte ich den Brief zur Post und gab ihn an den Kardinal auf.” Der Vorschlag wurde vom Erzbischof angenommen und kurz darauf auch von den Bischöfen Piemonts, die sich zu einer Konferenz versammelt hatten. Es genügten für Allamano wenige Tage, um einige Priester und Laien um sich zu versammeln, die sich den Missionen weihen wollten, und am 8. Mai 1902 reisten die ersten vier Missionare nach Kenia ab: zwei Priester und zwei Brüder. 3. Liebe Consolata-Missionare, dies ist euer Ursprung. Ihr seid aus dem priester-lichen Herzen und dem missionarischen Eifer des demütigen und eifrigen Kanonikus Giuseppe Allamano geboren worden. Auf ihn, seinen unerschütterlichen Glauben, seinen Eifer für das Evangelium und seine Liebe zu Christus und den Seelen müßt ihr daher immer den Bück gerichtet halten, um eurer typischen Spiritualität und eurem besonderen Charisma treu zu bleiben. Der sei. Allamano war von schwacher Gesundheit und besaß nur wenig Mittel, und doch gründete er, ohne je sein Turin zu verlassen, zwei Missionskongregationen, die heute noch blühen und in vier Erdteilen verbreitet sind. Solche Wunder wirkt der Herr. Beim jetzigen Generalkapitel habt ihr euch damit beschäftigt, diese charakteristischen Züge der geistlichen Persönlichkeit eures Gründers herauszustellen, damit die apostolische Verbreitung des Institutes sich immer erneuert und immer mehr den Bedürfnissen der heutigen Zeit entspricht. Ihr habt damit klargestellt, daß jede echte Erneuerung Treue voraussetzt: Treue zum Evangelium, zum eigenen Charisma und zu den „Zeichen der Zeit”. Die treibenden Motive und die Zielsetzungen eures Apostolates bleiben also immer gültig, so wie sie Giuseppe Allamano glücklich vor- 971 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ausgesehen hat: ein auf die Eucharistie konzentriertes Leben, eine besondere Marienverehrung, ein voller Einsatz für die Heranbildung von Aposteln des Evangeliums. Euer Stifter wiederholt euch auch heute noch: „Vergeßt nie, daß ihr Missionare seid und daß die Seelen durch Opfer gerettet werden. Mancher stellt sich den idealen Missionar ganz poetisch vor und vergißt, daß die Seelen mit dem Kreuz und durch das Kreuz gerettet werden, wie es Jesus getan hat.” Und weiter: „Es braucht Feuer, um Apostel zu sein. Wenn wir weder kalt noch warm, sondern lau sind, wird uns nie etwas gelingen ... Wir Missionare sind entschlossen, das Leben hinzugeben ... So müssen wir damit zufrieden sein, in der Bresche zu sterben.” 4. Liebe Brüder! In der Enzyklika Redemptoris missio habe ich im Gedanken an die heute gegebenen Schwierigkeiten geschrieben: „Große Hindernisse für die Missionsbereitschaft der Kirche bilden auch die früheren und gegenwärtigen Spaltungen unter den Christen, die Entchristlichung in christlichen Ländern, das Zurückgehen der Berufe zum Apostolat, die abstoßenden Zeugnisse von Gläubigen und christlichen Gemeinden, die in ihrem Leben nicht dem Modell Christi folgen. Eine der schwerwiegendsten Ursachen des geringen Interesses für den Missionseinsatz ist jedoch eine Denkweise der Gleichgültigkeit, die leider auch unter Christen weit verbreitet ist und die ihre Wurzeln in theologisch nicht richtigen Vorstellungen hat. Diese Denkweise ist durchdrungen von einem religiösen Relativismus, der zur Annahme führt, daß eine Religion gleich viel gilt wie die andere” (Nr. 36). Fahrt angesichts solcher gefährlicher Hindernisse ruhig in eurer Missionsarbeit fort, meine Lieben! Wie euer Gründer, so sage auch ich euch: „Habt Mut im Vertrauen auf den Herrn und die Consolata!” Die Jungfrau Maria möge in euren Herzen den Wunsch lebendig halten, heilige Missionare zu sein, die einzig und immer aus Liebe zu Christus und den Seelen handeln möchten, in voller und gelehriger Unterwerfung unter die Kirche und ihre Weisungen. Ich rufe die Fülle der himmlischen Segnungen auf euch herab und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen, den ich gern auch auf eure Mitbrüder und auf eure missionarischen Tätigkeiten ausdehne. Sich im Dienst an den Kranken aufopfern Ansprache an die Barmherzigen Töchter vom hl. Kreuz zum 100. Gründungsjubiläum ihrer Kongregation am 21. Juni Meine lieben Schwestern, Barmherzige Töchter vom hl. Kreuz! 1. Zum Abschluß der Hundertjahrfeier der Gründung eures Instituts hattet ihr den Wunsch, dem Papst zu begegnen, um der Kirche eure volle Treue zu bestätigen und euren von Herzen geleisteten Gehorsam gegenüber dem, der im Namen und durch den Willen Christi berufen ist, seine Herde zu weiden. 972 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich schätze diese Geste aufrichtiger Ergebenheit und danke euch von Herzen. Ich grüße die Generaloberin, Schwester Romilde Zauner, und euch alle hier anwesende Schwestern wie auch alle Schwestern der Kongregation, die in euren Häusern in Italien, in Äthiopien, in Rumänien und in Mexiko nach dem Charisma der Gründerin, der Dienerin Gottes Schwester Maria Rosa Zangära, tätig sind. 2. Hundert Jahre sind verflossen seit jenem 15. August 1892, als die Dienerin Gottes unter der wirklich außerordentlichen Eingebung des Herrn die neue Ordensge-meinschaft ins Leben rief mit der genauen Zielsetzung, das Kreuz umfassend zu lieben und diese Liebe durch Werke der Barmherzigkeit ausstrahlen zu lassen. Maria Rosa fühlte sich als „Tochter des Kreuzes”, und in ihrer Vertraulichkeit ging sie so weit, daß sie es „Mutter” nannte. „O Kreuz, du anbetungswürdiges Holz - schrieb sie eines Tages -, Kreuz meines Jesu, das du mich mit Liebe entflammst, Kreuz, das ich überall suche, das ich überall finden möchte, du bist mein Liebstes, mein Frieden, meine Freude, meine Ruhe, ja selbst mein Leben ... Kreuz, an dem Jesus in seiner Liebe zu mir starb, heiliges Kreuz, bleibe bei mir ..., daß ich dich umarme ... und dich immer ersehne.” „Kreuz, gerötet vom Blut des unbefleckten Lammes ... dir vertraue ich mich an: Sei du meine Stütze!” Aus dieser glühenden und allumfassenden Sehnsucht ist eure Ordensfamilie geboren und von der Vorsehung Gottes wirklich beschützt worden. Während der neun Jahre, in denen Schwester Maria Rosa Generaloberin war, von 1892 bis 1901, wurden 23 Häuser gegründet, und schnell wuchs die Zahl der Schwestern, die von dem gleichen Wunsch erfüllt waren, das Kreuz mit großer Liebe zu umfangen und die Kirche und die Seelen mit derselben Inständigkeit zu lieben und vor allem den Armen und Leidenden Güte und Erbarmen entgegenzubringen. „Die Töchter des Kreuzes und der Barmherzigkeit - sagte eure Gründerin - haben auf Erden die Sendung, die Güte Gottes und die Liebe des Herzens Christi zu verkörpern.” Zu den drei Gelübden - der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams -wollte Mutter Maria Rosa noch zwei hinzufügen, nämlich das Üben der Werke der Barmherzigkeit und den Dienst an den Kranken, auch um den Preis des eigenen Lebens. Wie ihr wißt, fehlte es nicht an schmerzlichen Prüfungen im Leben jener, die so sehr das Kreuz geliebt und gelehrt hatte, es zu heben. Körperliche und moralische Leiden, Unverständnis und Demütigungen: ein wahrer Kreuzweg für die Gründerin der Barmherzigen Töchter vom hl. Kreuz, der sie jedoch nie daran hinderte, Ausgeglichenheit und inneren Frieden zu bewahren. 3. Man kann sagen, daß ihr irdisches Leben im Licht der Worte des hl. Paulus an die Epheser verlief: „Gott, der voh Erbarmen ist, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geüebt hat, zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht” (Eph 2,4). Das, hebe Schwestern, sei euer Lebensprogramm und das Ideal, dem auch heute eure Kongregation folgen muß, während sie mit hochherziger Hingabe an Gott und 973 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN an die Seelen ihren Weg weitergeht: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden” (Mt 5,7). Im Lauf dieses Jubiläumsjahres wart ihr bemüht, über die Botschaft der Enzyklika Dives in misericordia nachzudenken, die ich zu Beginn meines Dienstes für die Kirche als Nachfolger des Petrus veröffentlicht habe. Ihr habt damit eine sehr passende Wahl getroffen, die euch drängt, die Liebe dessen hervorzuheben, der für das Heil der Menschheit am Kreuze starb, und euch in das hebevolle Erbarmen zu vertiefen, von dem das Gleichnis vom verlorenen Sohn erfüllt ist. Ich spreche euch meine lebhafte Freude über dieses euer Bemühen aus. Die Welt von heute hat Barmherzigkeit unbedingt nötig! Niedergedrückt von der Last so viele Leiden und Sünden, verlangt sie oft unbewußt nach Christus und seiner barmherzigen Liebe. In der genannten Enzyklika schrieb ich: „Im Kreuz neigt sich Gott am tiefsten zum Menschen herab und zu allem, was der Mensch insbesondere in schwierigen und schmerzlichen Augenblicken als sein unglückliches Schicksal bezeichnet. Im Kreuz werden gleichsam von einem heilenden Hauch der ewigen Liebe die schmerzlichsten Wunden der irdischen Existenz des Menschen berührt; es ist die letzte Vollendung des messianischen Programmes, das Christus einst in der Synagoge von Naza-ret formulierte und dann vor den Abgesandten Johannes des Täufers wiederholte” (Nr. 8). Barmherzig sein, das Herz über alles Elend neigen, über das des Leibes und noch mehr über das der Seele: Das ist das Ideal von Mutter Maria Rosa, das ist auch eurer Ideal. Liebe Schwestern, seid in eurem Leben und in eurem Apostolat lebendige Zeuginnen der Barmherzigkeit Gottes. 4. Zu Füßen des Gekreuzigten stand Maria, jene, die zutiefst das Geheimnis des göttlichen Erbarmens begriff. In diesem Sinn nennen wir sie „Mutter der Barmherzigkeit”, „Mutter des göttlichen Erbarmens”. Die heilige Jungfrau möge jede von euch Barmherzigen Töchtern vom hl. Kreuz erleuchten und euch helfen, in den verworrenen Ereignissen des Lebens immer das Geheimnis der göttlichen Barmherzigkeit zu erkennen. Mögt ihr nach dem Charisma eurer Gründerin das Ideal eurer Kongregation von Tag zu Tag tiefer und mit der Glut der Liebe erfassen und auf diese Weise viele Berufungen zu eurer verdienstvollen Kongregation hinziehen. Auch mein Segen begleite euch, den ich euch jetzt von Herzen erteile und in Liebe auch auf eure Mitschwestem und eure apostolischen Tätigkeiten ausweite. 974 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Den Christen die Heilige Schrift zugänglich machen Grußwort an die Mitglieder des Exekutivkomitees der Katholischen Bibelföderation am 21. Juni Exzellenz! Liebe Freunde! „Gottes Wort voll Ehrfurcht hörend und voll Zuversicht verkündigend” (Dei Verbum, Nr. 1). 1. Mit diesen Worten, welche die Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum des Zweiten Vatikanischen Konzils einleiten, erinnern uns die Väter dieser heiligen Synode an die zweifache Tätigkeit, die das große Werk der Evangelisierung begründet: Zuerst ist die Kirche berufen, aufmerksam auf die frohe Botschaft vom ewigen Leben zu hören, und dann läßt sie die ganze Menschheit teilnehmen an dem Wort, das zu ihr gesprochen wurde, „damit die ganze Welt im Hören auf die Botschaft des Heils glaubt, im Glauben hofft und in der Hoffnung hebt” (iebd.). Sie, die Mitglieder der Katholischen Bibelföderation, wollen der Kirche einen besonderen Beitrag leisten, damit sie, „das Evangelium allen Geschöpfen” predigend (Mk 16,15), immer wirksamer ihre Rolle in Gottes Heilsplan erfüllen könne. Ich entbiete Ihnen heute ein herzliches Willkommen, und ich versichere Sie meines Gebetes und meiner guten Wünsche, daß Ihre Bemühungen durch eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes Frucht tragen mögen. Ihre Föderation wurde gegründet, um mitzuhelfen, daß die Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils hinsichtlich der Heiligen Schrift im Leben der Kirche Anwendung fänden. Die grundlegenden Elemente ihres Programms findet sie im sechsten Kapitel von Dei Verbum. In diesem Kapitel kommt das besondere Anliegen der Konzilsväter zum Ausdruck, nämlich: „Der Zugang zur Heiligen Schrift muß für die an Christus Glaubenden weit offenstehen” (Nr. 22), denn „in den Heiligen Büchern kommt ja der Vater, der im Himmel ist, seinen Kindern in Liebe entgegen und nimmt mit ihnen das Gespräch auf’ (ebd., Nr 21). Die Heilige Schrift für die Glieder der christlichen Gemeinschaft bereitstellen und die Herzen für das aufschließen, was der Geist z u den Gemeinden sagt (vgl. Offb 2,7), das sind beständig notwendige Mittel zum Aufbau des Leibes Christi. Wie die Kirche die Offenbarung Gottes aufiiimmt, dafür ist die heilige Jungfrau Maria Typus und Vorbild. Voll der Gnade (vgl. Lk 1,28), wurde sie dazu geführt, seine wunderbaren Taten zu erwägen (vgl. Lk 2,19) und hochherzig ihren Anteil daran anzunehmen (vgl. Lk 1,38). In betendem Nachsinnen über die Heilige Schrift sucht die Kirche die Gottesmutter nachzuahmen durch liebendes Betrachten dieser Berichte über den Heilsplan Gottes und durch selbstloses Annehmen des darin dargestellten göttlichen Willens. 975 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Bei der Aufgabe, Bibellesung und Bibelstudium zu fördern, bietet sich viel Raum zu ökumenischer Zusammenarbeit. Der Glaube, daß der Herr fortfährt, durch die inspirierten Texte zu seinen Jüngern zu sprechen, hat eine besondere Kraft, die geschwisterlichen Bande zwischen Katholiken und Mitgliedern anderer Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu stärken, und in unserem Dialog ist, wie das Konzil sagt, „die Heilige Schrift ein ausgezeichnetes Werkzeug in der mächtigen Hand Gottes, um jene Einheit zu erreichen, die der Erlöser allen Menschen anbietet” (Unitatis redintegratio, Nr. 21). In der Kraft und Macht des Wortes Gottes und nicht in irgendwelcher irdischen Macht findet die Kirche Stütze und Energie, die Kraft ihres Glaubens und die Nahrung für ihre Seele (vgl. Dei Verbum, Nr. 21). Mögen Sie durch die Fürsprache Unserer Lieben Fraü, der Königin der Apostel und der Propheten, neue Kraft finden, um die übernommene Aufgabe zu erfüllen: den Gläubigen zu helfen, das Wort Gottes zu hören und es zu befolgen (vgl. Lk 11,28). Von Herzen erteile ich meinen Apostolischen Segen. Mit marianischer Spiritualität gegen den Zeitgeist Ansprache an das Kapitel der „Marianischen Kleriker der Unbefleckten Jungfrau Maria” am 22. Juni Liebe Patres Kapitulare! 1. Mit großer Freude empfange ich euch in dieser Spezialaudienz. Mein brüderliches Gruß gilt euch allen, zumal P. Donaldo Petraitis und seinen Mitarbeitern, denen ich meine Wertschätzung für die in diesen Jahren mit Liebe und Eifer geleistete Arbeit ausspreche. Mein herzlicher Gruß soll ferner allen in verschiedenen Nationen im Dienst an den Seelen verstreuten Mitbrüdem gelten. Mögen der neue Obere, den zu wählen ihr euch anschickt, und die Mitglieder des erneuerten Generalrates mit Gottes Hilfe die Leitung der Kongregation gut zu übernehmen wissen, um sie in Erfüllung der Weisungen, die dieses euer Kapitel entschieden hat, zu führen. An diesem Kapitel konnten zum ersten Mal nach der kommunistischen Besetzung vor 50 Jahren die Marianischen Kleriker aus Litauen, Lettland und der Ukraine teilnehmen. Sie möchte ich noch brüderlicher grüßen und erwäge dabei, daß wir im ständigen Auf und Ab der Geschichte tatsächlich nie Mut und Vertrauen verlieren dürfen. Die Menschen und die Herrscher dieser Welt, die manchmal die Wahrheit und das Evangelium unterdrücken, gehen vorüber, aber am Ende siegt doch Gott, und sein Triumph ist immer ein Triumph der Barmherzigkeit und des Friedens. 2. Ihr habt bei diesem Kapitel gemeinsam die Situation und die Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft untersucht; ihr habt über die Konstitutionen eurer Kongregation und ihre besonders marianisch geprägte Spiritualität nachgedacht und habt die notwendigen Vorschläge und Weisungen für ein immer noch eifrigeres und wirksa- 976 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meres pastorales Wirken formuliert. Danken wir gemeinsam dem Herrn und seiner himmlischen Mutter für alle euch geschenkten Gunstbeweise, und beten wir innig, daß in euch immer die Kraft und das Licht des Ideals lebendig bleiben. Ihr besitzt eine lange und zum Teil auch dramatische Erfahrung, die gut dreihundert Jahre Geschichte umfaßt, seit Pater Stanislaus Papczynski (1631-1701) die „Gesellschaft von der Unbefleckten Empfängnis” plante, für die er am 24. Oktober 1673 die kirchliche Billigung erhielt. Es kam dann später die große Reform durch den litauischen Pater Jerzy Mutulaitis-Matulewicz (1871-1927), der dann Bischof von Wilna sowie Erzbischof und Apostolischer Visitator Litauens wurde. Im Juni 1987 hatte ich die große Ehre, ihn als Seligen erklären zu dürfen. Dazu kommen dann die Ereignisse unserer Tage. In diesem langen Zeitraum habt ihr immer eure typische Seelsorgsarbeit geleistet und die Verehrung der heiligen Jungfrau sowie das Gebet für die Seelen im Fegefeuer verbreitet. Im Archiv eurer Geschichte und in der Tiefe eurer Spiritualität bewahrt ihr daher Persönlichkeiten von großem intellektuellen und asketischen Format, deren Beispiele und Lehren heute noch für euch und die ganze Kirche gültig sind. 3. Liebe Marianische Kleriker, eure Kongregation ist der Unbefleckten Empfängnis der seligen Jungfrau Maria geweiht, und daher ist eure Spiritualität in besonderem Maße und von Grund auf marianisch. Es geht nicht nur um eine immer gültige und notwendige Verehrung, sondern um ein Programm und ein ganzes Ideal des Lebens und des seelsorglichen Wirkens. Erhebt daher euren Blick immer zu Maria! Nach ihrem unbefleckten und schmerzensreichen Herzen richtet jede eurer Entscheidungen und alle eure apostolischen Initiativen aus. Zahlreich sind die Schwierigkeiten, die unsere heutige Zeit kennzeichnen. Die Verweltlichung breitet sich immer mehr aus und beeinflußt das konkrete Verhalten der einzelnen Menschen und der Staaten; die religiöse Gleichgültigkeit verdunkelt und verwirrt die Gewissen; eine falsche Auffassung von persönlicher Autonomie führt zu Situationen ethischer Ungebundenheit bis hin zur Verherrlichung der Unbotmäßigkeit und zur Industrie der Sünde. Eure Gegenwart und eure Sendung in einer Welt, die von diesen zersetzenden Kräften erfaßt ist, müssen wie ein Licht sein, leuchtend in Wahrheit und übernatürlicher Liebe. Richtet euer Denken und Beten ständig auf Maria, den „Sitz der Weisheit”, damit sie euch erleuchtet und euer dem Evangelium gemäßes Zeugnis fest und gediegen bleiben läßt. Ruft in kindlicher Zärtlichkeit Maria, die „Trösterin der Betrübten”, an und ahmt sie freudig und eifrig nach. Die Menschen unserer Zeit brauchen Liebe, Verzeihen und Solidarität. Wir müssen heute Verständnis und Hoffnung ausstreuen. Wir müssen bereit sein, jene, die schwanken und fallen, zu stützen. Die Wahrheit wird überzeugend durch die Liebe und den selbstlosen Dienst. 977 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Denkt über Maria, die „Mutter der Barmherzigkeit”, nach und macht auch ihr euch Mitleid und geistliches Feingefühl zu eigen. Euer Einsatz und euer tägliches Bemühen soll dem Heil der im Blut Christi erlösten Seelen gelten. Liebe Marianische Kleriker! Vor euch öffnet sich ein weites Feld missionarischen Einsatzes. Fest in eurer Tradition verankert, aber zugleich aufmerksam für die Erfordernisse unserer Zeit, führt euer typisches Apostolat weiter, das sich gut in den Rahmen der Neuevangelisierung einfügt, die das ganze Volk Gottes angeht. Seid also Apostel der göttlichen Barmherzigkeit unter der mütterlichen und liebevollen Führung Mariens und zeichnet euch immer aus - wie schon der heilige Paulus an die Korinther schrieb -, „durch lautere Gesinnung, durch Erkenntnis, durch Langmut, durch Güte, durch den Heiligen Geist, durch ungeheuchelte Liebe, durch das Wort der Wahrheit in der Kraft Gottes” (2 Kor 6,6-7). Die heilige Jungfrau Maria erleuchte und begleite euch. Es stärke euch auch der Apostolische Segen, den ich gern euch, den hier Anwesenden, und eurer ganzen Ordensfamilie erteile. Pastorale Weisung für Leben und Sendung der Kirche in Rom Begleitschreiben zur Veröffentlichung der Dokumentation der römischen Diözesan-synode vom 24. Juni Die zweite Diözesansynode, die ich an der Pfingstvigil, dem 17. Mai 1986 angekündigt hatte, ist an ihr glückliches Ende gekommen nach sieben Jahren ständiger Arbeit, die vom Gebet begleitet wurde und durch die wachsende Beteiligung des Volkes Gottes in all seinen Gruppen gekennzeichnet war. Die Vorbereitungsarbeiten unter Leitung des Kardinalvikars Ugo Poletti haben eine vertiefte Kenntnis der religiösen und sozialen Situation Roms gestattet, und im Licht des Synodenthemas „Die Gemeinschaft und Sendung der Kirche Gottes in Rom an der Schwelle des dritten Jahrtausends” konnten wir geeignete Kriterien und Pläne für die kirchliche Erneuerung und den missionarischen Einsatz erarbeiten. Eine zweite Phase, für die der neue Kardinalvikar Camillo Ruini verantwortlich war, verlief unter breitester Beteiligung der Pfarreien und aller anderen kirchlichen Gruppen, die in Rom anwesend sind, zumal durch die vorsynodalen Versammlungen in den Präfekturen. Durch die „Begegnung mit der Stadt” kam ferner ein für die gesamte Bürgerschaft offener Dialog über die wichtigsten und kompliziertesten Probleme Roms, wie es heute ist, zustande. Am 3. Oktober 1992 führte ich in der Basilika des hl. Johannes im Lateran den Vorsitz bei einer Liturgiefeier, die die Arbeiten der Synodenversammlungen eröff-nete, die dann in Generalversammlungen und kleineren Kreisen ablief und endlich mit der Billigung des „Buches der Synode” durch die Versammlung ihren Abschluß 978 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fand. Dieser letzte Abschnitt des Weges war ein besonders lebendiger Ausdruck jener Ekklesiologie der Communio, die in der Schule des Zweiten Vatikanischen Konzils vertieft und verstärkt werden sollte, wobei besondere Gelegenheiten der Begegnung und des Dialogs ausgenützt wurden, die die Arbeiten der Synode boten. Wir bewahren in unserem Herzen die geistliche Freude, die der Herr uns an der Pfmgstvigil dieses Jahres geschenkt hat, am Abend des 29. Mai 1993 bei der großen Eucharistiefeier zum Abschluß der Synodenarbeiten: Dort zeigte sich das Antlitz und Herz der Kirche in Rom. Das „Buch der Synode”, das der Kardinalvikar an jenem Abend in meine Hände legte, wurde von mir aufmerksam geprüft. Nun aber billige ich es mit diesem Schreiben kraft meiner Autorität als Bischof von Rom. Ich veröffentliche es und ordne seine weitere Veröffentlichung an, damit es als Bezugspunkt und pastorale Weisung für das Leben und die Sendung der Kirche Roms dient. Seine gediegene, auf das Wort Gottes und das päpstüche und konziliare Lehramt gegründete Lehre, sein missionarisches Ausgreifen und seine pastorale Weisheit machen es in Verbindung mit der Vollständigkeit seiner Inhalte zu einem kostbaren Werkzeug im Hinblick auf jenes Werk der neuen Evangelisierung, bei dem die Kirche Roms aufgerufen ist, sich immer gründlicher zu beteiligen, um der Heilssendung gerecht zu werden, die sie gegenüber dem Volk dieser Stadt hat, und weil sie ein Beispiel geben muß, das sie mit den über die ganze Welt verstreuten Schwesterkirchen verbindet. Dieses Buch soll in die Praxis des kirchlichen Lebens überführt werden und zur Communio hinführen, aber auch ein einheitliches Kriterium und Antrieb für die pa-storalen Tätigkeiten sein in einer von Gott mit einem großen Reichtum an den verschiedensten Gaben gesegneten Diözese, die gerade deswegen Weisungen braucht, die alle teilen, so daß diese Vielfalt sich in der Erfüllung der gemeinsamen Sendung zusammenfindet. Das Buch soll ferner eine Quelle für apostolischen Mut und Brunnen zur Anregung sein für das gemeinsame mutige, treue und schöpferische Angehen jener Umfelder und Arbeitsbereiche, in denen man wirksamer das christliche Antlitz der Stadt im Hinblick auf das neue Jahrtausend gestalten kann und muß. Im gleichen Licht soll es Hilfe und Ansporn sein für den Weg zur vollen Einheit der Christen. Ich vertraue dem Kardinalvikar die Aufgabe an, das Werk der Umsetzung dieser Diözesansynode zu leiten, und versichere ihn meiner ständigen Nähe und Sorge als Hirte. Ihm zur Seite werden der Vizeregent stehen und die Weihbischöfe, die Priester und Diakone, die Ordensmänner und Ordensfrauen sowie alle Brüder und Schwestern der Kirche von Rom. Der Herr möge mit seiner Gnade alle erfüllen, die für die Synode gearbeitet haben und nun weiter arbeiten werden, damit aus ihr reiche Früchte des Geistes des Herrn erwachsen. Die selige Jungfrau Maria, unsere Mutter und unsere Zuflucht, Heil des Römischen Volkes und Mutter der göttlichen Liebe, die Apostel Petrus und Paulus, Säulen der Kirche von Rom, sowie alle Heiligen, die die Jahrhunderte hindurch den Weg 979 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fruchtbar gemacht haben, mögen uns immer mit ihrem Beispiel und ihrer Fürbitte unterstützen. Mit diesen Wünschen erteile ich allen als Zeichen meiner Dankbarkeit und Unterpfand für den ständigen göttlichen Beistand den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, den 24. Juni, dem Hochfest des hl. Johannes des Täufers im Jahre 1993, dem fünfzehnten meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Glaubensgemeinschaft muß Gemeinschaft in der Liebe werden! Ansprache an die Mitglieder der Union der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen (R.O.A.C.O.) am 24. Juni 1. Mit einem herzlichen Willkommen grüße ich euch, die Mitglieder der Union der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen, die sich großer Selbstlosigkeit für die Unterstützung der christlichen Kirchen des Ostens einsetzt. Einen ganz besonderen Gruß richte ich ferner an Kardinal Achille Silvestrini, Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, den Untersekretär des gleichen Dikasteriums, Pater Marco Brogi, an den Apostolischen Delegaten für Jerusalem und Palästina, Erzbischof Andrea Cordero Lanza di Montezemolo und den Kustos des Heiligen Landes, Pater Giuseppe Nazzaro. Die Kongregation für die Orientalischen Kirchen feiert ihr 75jähriges Bestehen. In dieser relativ langen Zeit hat sie den Papst in seinem Hirtenamt zugunsten jener Orientalischen Kirchen unterstützt, die mit diesem Hl. Stuhl in Rom eine volle Gemeinschaft bilden. In diesen Jahren wurden wir Zeugen dramatischer Ereignisse in Europa wie in aller Welt: oft wurden die orientalischen Kirchen sowohl in Osteuropa wie im Nahen Osten von furchtbaren Verfolgungswellen und Ängsten heimgesucht. Starke Auswanderungsbewegungen haben ihre Präsenz in Gebieten geschwächt, in denen sie seit Jahrhunderten stark vertreten waren. Durch Gottes Hilfe konnten nun einige von ihnen nach Jahren grausamer Unterdrückung durch die Machthaber früherer Regime ihre Freiheit wiedergewinnen. 2. Auch weiterhin bleibt es Aufgabe eurer Kongregation, mit dem Nachfolger Petri zusammenzuarbeiten, um jenen Weg der Treue und Erneuerung zu weisen, zu dem der Heilige Geist die Orientalischen Kirchen in einer Wallfahrt konstanter Treue zu Christus, der Kirche und der oft heroischen Vergangenheit ihrer Völker aufruft. 980 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vor allem nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist es ganz besonders notwendig, daß diese Kirchen durch die mütterliche Fürsorge der römischen Kirche unterstützt werden, um sich neu zu ordnen, im Geist ihrer authentischen und wertvollen Tradition zu erneuern und mit besonderer Sorgfalt die Ausbildung ihrer Priester und Laien zu fördern. Es ist von wesentlicher Bedeutung, daß ihre Wurzeln nicht verlorengehen; vielmehr sollte es ihnen durch die Förderung einer auf stets intensiverer Verständigung und Übereinstimmung begründeten Beziehung mit den Brüdern der orthodoxen Kirchen mögüch sein, der Welt das Zeugnis ihres eigenen ursprünglichen Beitrags zu schenken, der kennengelemt, geliebt, gefeiert und erwünscht werden muß. 3. Angesichts dieser schwierigen und anspruchsvollen Aufgabe ist die Mitarbeit der Hilfswerke von unersetzlichem Wert, denn sie leisten einen Dienst der Nächstenliebe. Ohne Liebe ist keine wahre Hilfe möglich; sie ist die Anerkennung der von Gott empfangenen Wohltaten und die Verpflichtung, sie als freie Antwort, als geistigen und vollkommenen Gottesdienst zu leben. Ein wirksames Zeichen hierfür war die Kollekte für das Heilige Land und die Beharrlichkeit, mit der die Päpste, insbesondere Leo XIII., dafür eintraten, daß alle katholischen Kirchen aufgrund der realen und symbolischen Bedeutung der Heimat Jesu für die gesamte Christenheit daran teilnahmen. Diese Bedeutung ist intakt gebheben, und konnte sich angesichts der vielen Schwierigkeiten, die dieses Gebiet heute bedrängen, und durch das Verlangen nach dauerhaftem Frieden sogar weiterhin festigen. Eure Hilfeleistungen haben den Orientalischen Kirchen erlaubt, pastorale Initiativen zu verwirklichen, die in den Gläubigen die Hoffnung auf ein Zeugnis einmütiger Solidarität wachrufen konnten. Euer Anliegen hat nichts mit Proselytismus zu tun, noch seid ihr bestrebt, Macht zu beweisen: ihr wollt lediglich die Geste des Cireneus wiederholen, der Jesus Christus hilft, das Kreuz der bedrängten Menschheit zu tragen, damit sie an der Prüfung nicht verzweifeln und zugrunde gehen möge. 4. Heute gilt es, diesen Dienst am christlichen Osten mit neuen Perspektiven und Methoden zu bereichern. Wir wissen sehr wohl, daß neben den Bauwerken und zuweilen auch noch vor ihnen - die Formung des Gewissens im Glauben unterstützt werden muß: von der Katechese zur Liturgie, zur Übung der Nächstenliebe, in einer auf Liebe begründeten Solidarität vor allem unter Christen, aber auch unter allen Menschen guten Willens. Der christliche Osten braucht Gott heute mehr denn je: er will ihm begegnen, ihn kennenlemen und heben; er will ihm dort begegnen, wo jahrzehntelang versucht worden ist, seine Spuren auszulöschen; er möchte ihn dort treffen, wo Krieg und Unbeständigkeit drohen, antike Fundamente der Kirche zu zerstören. Der Papst dankt euch heute vor allem für die Phantasie und Erfindungsgabe, mit der ihr auf diesen Ruf antwortet; gleichzeitig möchte er aber auch die dankbare Aner- 981 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kennung jener Völker für eure konkrete Unterstützung zum Ausdruck bringen, durch die ihr Bemühen um ein neues Selbstbewußtsein für größere apostolische Kraft und Vitalität ermöglicht wird. Hier geht es um die Natur der Kirche: die Gemeinschaft des Glaubens muß auf stets sichtbarere Art und Weise zu einer Gemeinschaft der Nächstenliebe werden. Die Menschen von heute empfinden diese ganz besonders vielsagenden Gesten als Offenbarung desjenigen, der die Liebe selbst ist. Möge die Hilfe Gottes eure Arbeit stets begleiten; als Pfand dieses Beistands erteile ich euch von Herzen meinen apostolischen Segen, den ich gerne auch an die von euch vertretenen Organe und Kirchen weitergebe. Evangelische Armut schafft Freiraum für Gottes Wirken Schreiben an den Generalobem der Diener der Nächstenliebe, Don Pietro Pasquali, vom 25. Juni An unseren geliebten Sohn Don Pietro Pasquali, Generaloberer der Diener der Nächstenliebe Der 150. Jahrestag der Geburt des seligen Luigi Guanella bietet mir eine willkommene Gelegenheit, nicht nur Ihnen und den Kapitular-Patres, die am XVI. Generalkapitel teilnehmen, meinen herzlichen Gruß auszurichten, sondern auch meine lebhafte Anerkennung für das kostbare Wirken auszusprechen, das die ganze Kongregation der Diener der Nächstenhebe in der Kirche und in der Welt entfaltet. In einer Zeit wie der unseren, die vom Gegensatz zwischen dem Wohlstand eines Teils der Menschheit und der unermeßlichen Schar der Bedürftigen gekennzeichnet ist, die oft von einer schuldhaften Gleichgültigkeit in unmenschlichen Verhältnissen gelassen werden, braucht es einen Anhauch der Liebe, der die Gewissen anregt und die Institutionen veranlaßt, das Gebot der Liebe hochherziger in die Tat umzusetzen. In dieser unaufschiebbar dringlichen Situation sind die Diener der Nächstenliebe durch ihr Charisma und in einem gewissen Sinn auch von ihrem Namen her aufgerufen, in vorderster Linie zu stehen. Dieses Bewußtsein ist übrigens unter ihnen lebendig, wie die Tatsache zeigt, daß sie in den letzten Jahren, trotz ihrer spärlichen Kräfte neue Fronten ihres Werkes in verschiedenen Nationen Lateinamerikas, Asiens und Afrikas eröffnet haben. Die Kapitelversammlung wird eine weitere Vertiefung des apostolischen Einsatzes eurer Ordensfamilie gestatten, um ihn den Erfordernissen der Zeit anzupassen und so die Liebe zu bezeugen, indem ihr auf die Armen zugeht, um ihnen die materiellen Sorgen zu nehmen, sie zu evangelisieren und sie zur Fülle des übernatürlichen Lebens hinzuführen. Don Luigi Guanella hat gelehrt, in den Armen Christus zu sehen; 982 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und zugleich hat er die Armen auf Christus hingewiesen, der die vollkommene Antwort auf ihre tiefsten Bedürfnisse ist. Mögen seine geistlichen Söhne dieses Charisma immer treu bewahren. Die zärtliche und tatkräftige Liebe zu den leidenden Mitmenschen, die sich in einer Feinfühligkeit ausdrückt wie sie nur dem Leib Christi selbst zukommt, wird als „lebendiges Evangelium” aufleuchten und eine wohltuende Energie wecken, die die Herzen in der Tiefe zu rühren vermag. Gelegentliche Hilfen, die nur für einen Augenblick dem Leid abhelfen, nützen wenig, wenn sie nicht darauf hinzielen, die Notleidenden dauerhaft den nagenden Bedürfnissen zu entziehen. Deswegen prüfen die Mitglieder eurer Kongregation, die in der Nächstenliebe „Spezialisten” sein möchten, regelmäßig ihren Dienst, und planen ihn mutig und prophetisch weiter. Doch darf das konkrete Eingreifen sich nie von dem Wagemut lösen, der den seligen Luigi Guanella so sehr kennzeichnete, und der heute seine geistlichen Söhne antreibt, sich hochherzig neuen Fronten des Leidens zuzuwenden. Das Geheimnis dieser unerschöpflichen und schöpferischen Liebe liegt in der täglichen Bekehrung, im inneren Leben und in der aufmerksamen Praxis aller Tugenden des Evangeliums. Es hegt in einem tatsächlichen Teilen des Lebens der Armen. Die Armut im Sinn des Evangeliums ist mehr als eine Lebensform, sie ist eine Entscheidung des Glaubens. Jesus war das echte Vorbild des Armen, weil er sein Leben radikal in die Hände des Vaters legte. Nur so wurde seine Armut zu einem Freiraum für das Wirken Gottes. Als Entscheidung aus Liebe wird die Armut ein hochgeschätztes Zeichen, aufgrund dessen „unsere heutigen Mitmenschen an (die Ordensleute) mit besonderem Nachdruck ihre Fragen richten” (Evangelica testificatio, Nr. 16). Es ist also notwendig, ständig den Geist der Seligpreisung des Evangeliums zurückzugewinnen und jeder heimlichen Versuchung nach menschlicher Effizienz zu widerstehen. Die Armut im Sinn des Evangeliums ist weit davon entfernt, der Liebe Kräfte zu entziehen, sie vervielfältigt diese vielmehr. Sie gewährleistet einen Stil der Demut, der Einfachheit und des Teilens, so daß die Armen sich nicht als Adressaten von Hilfeleistungen fühlen, sondern als Mitmenschen, die auf unsere Liebe ein Recht haben. Don Luigi Guanella wollte, daß die Diener der Nächstenliebe erfahrenen Seefahrern auf dem Meer der Leiden gleichen, um aus der Bitterkeit des Schmerzes jenen Keim des Segens erwachsen zu lassen, der „Liebe zu wecken” und „die gesamte menschliche Zivilisation in eine Zivilisation der Liebe zu verwandeln vermag” (Salvifici doloris, Nr. 30). Paulinus von Nola, ein Heiliger der Armut und der Liebe sagte kühn, die Armen sollten als unsere „Schutzherren” gelten („patroni animarum nostrarum pauperes”, Brief 13,11 an Pammachius), wegen des geistlichen Nutzens, den sie bereiten, wenn man ihnen menschliche und christliche Solidarität entgegenbringt. Sie geben mehr, als sie empfangen. Wir müssen lernen, nicht nur mit Hingabe, sondern in Dankbarkeit zu dienen. 983 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zu solch übernatürlichen Feinfühligkeit führt die Armut im Sinn des Evangeliums. Sie soll daher von den Dienern der Nächstenhebe eifrig gepflegt werden, eingedenk des Wahlspruchs „Beten und leiden”, das euer seliger Stifter euch als Vermächtnis hinterlassen hat. In kurzen, aber eindringlichen Worten entwarf er für seine Söhne den Stil und das Geheimnis des Dienstes am Nächsten: „Ihr werdet Wunder des Guten wirken, wenn ihr die Mühen mehr als die Bequemlichkeit liebt ... im Dienst an den notleidenden Mitmenschen” {Konst., 15). Maria, die Mutter der göttlichen Vorsehung und Schutzherrin der Kongregation von Don Guanella, möge den Überlegungen und Entscheidungen des Generalkapitels ihre Richtung geben und alle begleiten, die zur Übernahme anspmchsvoller Verantwortlichkeit gerufen wurden und die Kongregation für die nächsten sechs Jahre leiten sollen. Für alle bitte ich inständig, daß die Gaben des Geistes in reichem Maß über euch ausgegossen werden, damit die Erneuerung des Institutes zum Anlaß des Trostes und der Hoffnung für so viele Leidende werde. Ihnen, den Kapitular-Patres sowie allen Mitgliedern Ihrer Ordensfamilie erteile ich gern den erbetenen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 25. Juni 1993. Joannes Paulus PP. II Hilfen für kranke, alte und notleidende Priester Ansprache an den Marianischen Priesterbund am 25. Juni Liebe Brüder! 1. Die Begegnung mit den Priestern ist für mich jedesmal Anlaß zu großer Freude. Das heutige Treffen bietet jedoch einen besonderen Grund für diese geistige Freude, die ich gerne mit jedem von euch teile. Dieses Jahr feiert eure Vereinigung, der Marianische Priesterbund, sein fünfzigjähriges Bestehen. 1943 hat Msgr. Luigi No-varese, der sich in seinen langen Dienstjahren beim Heiligen Stuhl verdient gemacht hat, ihn gegründet. Um die Vollendung des fünften Jahrzehnts eurer Geschichte zu unterstreichen, habt ihr dieses internationale Priestertreffen festlich begehen wollen, an dem hervorragende Hirten und zahlreiche Priester aus verschiedenen Nationen teilnehmen. Es ist für mich ein großer Trost, heute an diesem Ort vor allem jene Priester empfangen zu können, die ihre durch Alter oder Krankheit verursachten Leiden für das Wohl der Kirche und die besonderen Anliegen des Papstes darbringen. Liebe Brüder, ich begrüße euch alle mit großer Zuneigung: Herzlich umarme ich jeden einzelnen und danke euch. Ganz besonders grüße ich euren Präsidenten, den 984 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Apostolischen Nuntius Msgr. Paolo Romeo, und Don Antonio Giorgini, den Leiter der „Stillen Arbeiter des Kreuzes”. 2. Der Marianische Priesterbund hat seinen Ursprung in einer besonderen Verehrung der Mutter Gottes. Als Don Novarese als junger Priester über die Rolle Marias im Apostelkollegium nachdachte, plante er eine Bruderschaft, wo der Zustand des Leidens und die Liebe zu Maria helfen sollten, die sakramentale Gleichgestaltung des Priesters mit Christus, dem obersten Hirten, zu fördern. „Cum Maria in caritate Christi”: In diesem Motto wollte er den Geist der gesamten Initiative zusammenfassen. Die jährlichen Pilgerfahrten der kranken Priester nach Lourdes, die 1952 begonnen hatten und als Exerzitienkurs zu Füßen der unbefleckten Jungfrau ausgerichtet waren, sind heute die wichtigste Initiative der Organisation, bei der die Teilnehmer jene Anweisung, die Christus auf Kalvaria dem Johannes gab: „Siehe, deine Mutter” (Joh 19,27) neu leben und vertiefen können. Der Wunsch, das Streben der Priester nach Heiligung durch das Gebet und die Opferbereitschaft so vieler Kranker zu unterstützen, veranlaßte Msgr. Novarese 1947, eine Vereinigung zur Ergänzung des Priesterbundes ins Leben zu rufen: „Die Freiwilligen des Leidens”. Hier, hebe Brüder, finden wir jenen Begriff von der aktiven Beteiligung des Getauften am Leben der Kirche, den das Zweite Vatikanische Konzil maßgeblich zum Ausdruck gebracht hat, und den ich in meinem nachsynodalen apostolischen Schreiben Christifideles laici auch auf den Bereich der Kranken und Leidtragenden habe ausweiten wollen. Es geht hier um ein „erneuertes pastora-les Wirken”, das in den Leidenden „nicht nur den Adressaten der Liebe und des Dienstes der Kirche sieht, sondern aktives und verantwortliches Subjekt des Werkes der Evangelisierung und des Heils” (Nr. 54). 3. Welch wertvolle Unterstützung bietet der Marianische Priesterbund den kranken, alten und notleidenden Geistlichen, die zuweilen versucht sind, sich als nutzlose und belastende Elemente in der diözesanen Priestergemeinschaft oder in der eigenen Ordensfamilie zu fühlen! Ihre Anwesenheit ist hingegen von unschätzbarem Wert, und die Vereinigung trägt dazu bei, diesen wieder zu entdecken und zu bezeugen. In ihrem teilweisen oder gänzlichen Behinderungszustand können sie sich auf vollkommenere Weise Christus, dem Priester und Opfer, gleichgestalten, worauf ich auch vor kurzem in der Katechese über die Eucharistie im geistlichen Leben des Priesters hingewiesen habe (vgl. O.R.dt., 18. Juni 1993, S. 2). Sie können zur Festigung der Einheit und der Eintracht in der Priestergemeinschaft beitragen, den Geist brüderlicher Solidarität den bedürftigen Mitbrüdem gegenüber verbreiten und bezeugen, daß die Wirksamkeit der pastoralen Tätigkeit nicht in erster Linie auf moderne Techniken und Methoden zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf der Gnade beruht, die vom Kreuz Christi ausgeht (vgl. Joh 20,20.23). 4. Vor allem aber ist es der marianischen Dimension zu verdanken, daß der Priesterbund seine Mitglieder für Hoffnung und Liebe aufgeschlossen macht. Denjeni- 985 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen, die mit besonderer Weihe am einzigartigen Priestertum Christi teilhaben, können mit der mütterlichen Unterstützung der Mutter Gottes und der Kirche leichter dem Willen des Vaters, bis hin zum großherzigen Opfer ihrer selbst, Folge leisten. In der Betrachtung des Leidensgeheimnisses des fleischgewordenen Wortes spiegelt sich der Priester in der unendlichen Tiefe der göttlichen Liebe, zu deren Dienst er vollkommen geweiht ist. Am Fuß des Kreuzes steht er gemeinsam mit derjenigen, die auf Kalvaria die neue Eva geworden ist. „Mit Maria in der Liebe Christi”. Das ist die Erfahrung jedes Getauften, der das allgemeine Priestertum der Gläubigen tief innerlich lebt; das ist vor allem die Erfahrung des Priesters, der berufen ist, unter den Brüdern den Hirten zu verkünden und gegenwärtig zu setzen, der sich zum Opferlamm gemacht hat. Unterstützt von der „Magd des Herrn”, kann sich auch der Priester besser Jesus, dem Knecht Gottes und der Menschen, gleichgestalten. Mit dem Ziel, den Priestern zu helfen, daß sie den Wert des von der Liebe Christi beseelten Leidens tiefer erfassen, förderte Msgr. Novarese Priesterversammlungen zum Thema: „Das Herz Christi”, die der Marianische Priesterbund seit 1974 alle drei Jahre veranstaltete. Im Licht des Heiligsten Herzens, dessen Fest wir in der vergangenen Woche begangen haben, lassen sich die menschlichen, geistlichen und Pastoralen Probleme des Priesters leichter in jene göttüchen Koordinaten fassen (vgl. Eph 3,17-19), die vollkommen in die Perspektive des Reiches einführen. 5. „Kreuz und Neuevangelisierung” ist das Thema eures siebten Treffens. Es ist eine Einladung, über die große Tragödie des menschlichen Leids nachzudenken, die oft die Schwächsten, die Wehrlosen, die Unschuldigen trifft, Tränen und Niedergeschlagenheit auslöst und den unablässigen und weltweiten Aufschrei gen Himmel richtet: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?” (Mk 15,34). Die einzige Antwort auf diesen Ruf gibt uns derjenige, der selbst für uns zum Ruf geworden ist. Christus ist Ruf und Antwort: Er, der mit den Wunden des Kreuzes auferstanden ist, der unser von Sünde und Tod losgekauftes Menschsein zum Vater zurückgebracht hat. Euer Zeugnis, hebe Priester, trägt dazu bei, das im Mittelpunkt der Neuevangelisierung zu erhalten, was wirklich der fundamentale Punkt ist: das Kreuz Christi. Nur in dieser Hinsicht erlangt das Leid erlösende Bedeutung und Wert, denn es wird in der Dimension der göttlichen Liebe wahrgenommen- Maria hilft euch ihrerseits, es so zu leben, sie, die - wie die schöne Stelle in Lumen Gentium es formuliert - „der Darbringung des Schlachtopfers, das sie geboren hatte, liebevoll zustimmte” (Nr. 58). -Wir müssen uns voll bewußt sein, daß die Evangelisierung aus der Mitwirkung der Leidenden neue, unerschöpfliche Kraft gewinnen kann. Sie ist eine Tätigkeit für die Kranken sowie hebevoller Beistand mit der Unterstützung eines gut ausgebildeten freiwilligen Helfers ohne jeden Pietismus. Sie ist eine Tätigkeit mit den Kranken, in der Einheit des Gebets und des Pastoralplans. Sie ist vor allem Tätigkeit der Kranken als apostolische Initiative der Leidtragenden selbst für die christliche Belebung der Welt in Zusammenarbeit mit den Hirten. 986 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Meine Lieben, in der Hoffnung, daß diese Gemeinschaftsarbeit zwischen Priestern und Kranken stets an Reife gewinne und der Kirche wie auch der menschlichen Gesellschaft stets reiche Früchte bringe, erbitte ich für eure Vereinigung den ständigen Schutz der Mutter Gottes, „Regina Apostolorum” und „Salus Infirmorum”. Möge auch mein Segen, den ich euch und allen „Freiwilligen Helfern des Leidens” und den „Stillen Arbeitern des Kreuzes” von Herzen erteile, begleiten und Trost spenden. Das Zweite Vatikanum - gleichsam eine neue Aussendung der Apostel Ansprache bei der Übergabe des „Buches der Synode” am 26. Juni 1. „Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel” (Mt 16,17). Der Name des Petrus ist an das Wort „Fels” (Petrus-petra) gebunden. Christus hatte Simon diesen Namen bereits bei der ersten Begegnung mit ihm gegeben, als Andreas, sein Bruder - beide Söhne des Jona - ihn zu Jesus geführt hatte (vgl. Joh 1,42). In der Nähe von Cäsarea Philippi erklärte Jesus diesen neuen Namen und sprach die oben zitierten Worte. In ihnen ist das ganze Geheimnis des Petrus enthalten. Petrus ist jener, dem der Vater die Wahrheit über seinen eigenen Sohn offenbaren und zum Ausdruck bringen wollte. Nur der Vater kennt den Sohn, und nur der Sohn kann die Wahrheit über Ihn offenbaren (wie auch nur der Sohn den Vater kennt und nur der Sohn die Wahrheit über die Vaterschaft Gottes offenbaren kann: vgl. Mt 11,22). Bei Cäsarea Philippi wollte Gott durch Simon Petrus diese Wahrheit über den Sohn und zugleich auch über den Vater zum Ausdruck bringen. Auf dieser Wahrheit ist die Kirche gebaut/Ihr gibt der Heilige Geist Zeugnis, den der Vater im Namen des Sohnes sendet (vgl. Joh 14,26). Kraft dessen geben auch Petrus und die Apostel Zeugnis. Was bei Cäsarea Philippi seinen Anfang nahm, nahm am Pfmgsttag die Form eines vollen Zeugnisses an, als Petrus im Namen der Zwölf sprach (vgl. Apg 2,14-36). Als Folge seines apostolischen Wortes entstand in der Geschichte die Kirche als Gemeinschaft des neuen Volkes Gottes, in das vom ersten Tag an die Vertreter der verschiedenen Nationen unter dem Himmel (vgl. Apg 2,5) eintreten. Diese Kirche ist das Neue Israel (vgl. Lumen Gentium, Nr. 9; Ad gentes, Nr. 5): seine Aufgabe besteht in der Ausweitung der Grenzen des Reiches über das Volk des Alten Bundes hinaus. Der erste Schritt auf diesem Weg steht Petrus zu, dem der Heilige Geist die Weisung gibt, sich in das Haus des Cornelius zu begeben (vgl. Apg 10,1-48). Zugleich aber bereitet Christus den Mann vor, der - unter den Apo- 987 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stein - ein „auserwähltes Werkzeug” (vgl. Apg 9,15) für die Evangelisierung „unter den Heiden” werden sollte: Paulus aus Tarsus. 2. „Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater”. Das, was Gottes Werk im Menschen ist, das, was seinerseits Anteil des Menschen wird, seine Sendung bis zum Vergießen des Blutes, hat sich besonders deutlich in der Gestalt des Petrus gezeigt. Vielleicht ist keiner von den Zwölfen so genau als Mensch gekennzeichnet wie Simon, der Sohn des Jona. Wir sehen deutlich, daß der, der berufen ist, ein besonderer Diener „der Großtaten Gottes” (vgl. Apg 2,11) zu werden, als Mensch schwach und unbeständig ist. Es geschieht auch, daß er auf der Ebene dieser seiner menschlichen Schwäche versucht wird. Satan will alle „sieben wie Weizen” (vgl. Lk 22,31), die von Christus berufen sind, zumal in der Stunde des Leidens und des Kreuzes: in besonderer Weise trifft das bei Petrus zu. Wird nicht gerade Petrus, kurz nachdem er bei Cäsarea Philippi vernommen hat, er müsse der Fels der Kirche sein (vgl. Mt 16,18), sehr hart gemahnt? Christus sagt ihm: „Weg mit dir, Satan, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen” (vgl. Mt 16,23). Er vermag nicht zu unterscheiden. Denn kurz zuvor war von ihm gesagt worden: „Selig bist du ... mein Vater hat es dir offenbart” (vgl. Mt 16,1), und er hat durch dich gesprochen. Er hat die Wahrheit über den Sohn verkündet: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes” (Mt 16,16). Doch dann überwog wieder das, was „von Heisch und Blut” stammte, menschlich gesprochen aber sogar als edel gelten konnte. Verbarg sich nicht gerade dies in den Worten des Petrus: „Das soll Gott verhüten, Herr” (Mt 16,22), als Christus sein Leiden, seinen Tod am Kreuze ankündigte? Waren die Worte des Petrus nicht von „menschlicher Liebe” diktiert? Aber diese Liebe genügte nicht. Ja, sie lief in die falsche Richtung: Sie konnte zur Ablehnung der Liebe werden, mit der Gott die Welt geliebt hatte, da er seinen Sohn hingab (vgl. Joh 3,16). Ablehnung jener Liebe, mit der der Sohn den Vater geliebt hat, da er sich selbst für das Heil der Welt hingab (vgl. Eph 5,2). Petrus mußte in der Teilhabe an dieser Liebe reifen. Er reifte, als er nach der Auferstehung auf die Frage Christi dreimal antwortete: „Herr, du weißt ...” (vgl. Joh 21,15-17). Die zum Bekenntnis fähige Liebe, die neue Liebe nach dem Maß der Berufung als Apostel, nach dem Maß der pastoralen Sendung, entstand in Petrus nicht „durch Heisch und Blut”, sondern durch das erlösende Gebet Christi selbst: „Ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt; und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder” (Lk 22,32). 3. Zum bevorstehenden jährlich gefeierten Hochfest der hll. Apostel Petrus und Paulus soll der Kirche, die in Rom ist, die Frucht der Arbeit von sieben Jahren der Pastoralsynode übergeben und zur Verfügung gestellt werden. Dies soll geschehen in der Gegenwart jenes Petrus, den die göttliche Vorsehung - wegen der Verfolgung der Kirche in Jerusalem - zuerst nach Antiochien und dann nach Rom führte. 988 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hier hat er seine Wirklichkeit als „Fels”, als apostolisches Fundament der Kirche errichtet: hier in der Hauptstadt des Reiches, im Mittelpunkt der damaligen Welt. Menschlich gesprochen, war dies eine Aufgabe jenseits aller Proportionen: das Rom der Kaiser und der Fischer von Galiläa. Doch bei diesem Werk zählen andere Proportionen. Es kam also „Kephas” nach Rom, der Zeuge, einer der Zwölf, und zugleich „der Erste” unter ihnen. Er bot der römischen Gemeinde seinen Beitrag an - die schon damals „Gemeinde der Stadt und der Welt” (Urbis et Orbis) war - und er brachte seine besondere „Geschichte des apostolischen Lebens”, seine Berufung und seine Erwählung ein. Er brachte alles ein, was in ihm der Vater, der Sohn und der Heilige Geist trotz aller menschlichen Schwächen gewirkt hatten, indem sie sich in gewissem Sinn sogar ihrer bedienten. Während der letzten Jahre seines Dienstes für die Kirche in Rom war auch Paulus, der „Gefangene des Kaisers”, bei Petrus. Es war der Wille Christi, daß beide das Siegel des Martyriums auf diese Kirche setzten, die schon durch ihre menschliche Gestalt beide Dimensionen in sich vereint: „Urbis et Orbis”. Man hat sich angewöhnt, den Bischof von Rom nicht nur „Stellvertreter Christi” zu nennen, sondern auch „Stellvertreter des Petras”. So soll jetzt im Namen des Petrus das Schlußdokument der Synode verkündet werden, die feierlich mit der Pfingstvigil abgeschlossen wurde. Dieses Dokument muß das Siegel der beiden Apostel tragen - Petras und Paulus -, weil es dem Herrn der Kirche gefallen hat, dieses Siegel ihres gemeinsamen Martyriums Rom zu den Zeiten des Nero aufzuprägen. 4. Die Synode der Kirche in Rom hat eine besondere Ausdruckskraft vor dem Hintergrund des vom Konzil neu erweckten Bewußtseins in den „Schwesterkirchen”. Unsere Kirche hat während ihrer Synode eine Arbeit verrichtet, die der in vielen anderen Ortskirchen gleicht, eine Arbeit, die wie in jeder anderen Diözese auch der Erneuerung der örtlichen christlichen Gemeinschaft dienen soll. Was das Konzil für die universale Gemeinschaft der „Schwesterkirchen” getan hat, sucht jede Diöze-sansynode - auch unsere in Rom - in den eigenen Raum zu übertragen: Sie bemüht sich also, in diesem Raum ein angemessenes „aggiomamento” vorzunehmen. Sie tut es gemeinsam mit den anderen Kirchen und in ähnlicher Weise in „geschwisterlicher” Solidarität mit allen und einer jeden von ihnen. Diese Tatsache ist zu betonen: Die Kirche zeigt die universale Einheit des Leibes Christi gerade durch diese „geschwisterliche” Zusammenarbeit eines jeden und aller. Die Kirche in Rom besitzt ferner besondere Gründe für eine solche Zusammenarbeit im Dienst des Gemeinwohls - in der katholischen und in der ökumenischen Dimension. Ein besonderes Zeugnis dafür werden wir am Festtag der heiligen Apostel Petrus und Paulus erleben durch die Anwesenheit von zahlreichen Metropoliten, die das Pallium erhalten werden - und vor allem durch die für uns so wichtige Anwesenheit der Delegation des Patriarchates von Konstantinopel. 989 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Das Schlußdokument der Römischen Synode ist ein „Buch”. In dieser Form gesellt es sich vielen anderen Dokumenten für die Kirche in Rom hinzu, zumal dem Abschlußdokument der voraufgehenden Synode, die mit dem Pontifikat des Dieners Gottes Johannes XXIII. 1960 verbunden war. Als „Buch” muß dieses Dokument gelesen, gedeutet, erklärt und im Leben durchge-führt werden. Wenn wir die Arbeit dieser vielfältigen Exegese unternehmen, dürfen wir nicht vergessen, daß zwischen der 1. und 2. Römischen Synode das II. Vatikanische Konzil stattgefunden hat. Das jetzige „Buch” spiegelt das wider, was dieses Konzil als Beitrag zum Leben der Kirche gegen Ende des zweiten Jahrtausends erarbeitet hat. Es geht in diesem Fall nicht nur um lehrhafte Inhalte, sondern auch - und mehr noch - um das, was man die „Vorgehensweise des Konzils” nennen müßte, eine Weise, die von der Gesamtsicht der Kirche bestimmt ist, die das II. Vatikanische Konzil uns geschenkt hat. Beim Konzil hat sich das Bewußtsein gezeigt, daß die Kirche als „Weg” und „Sendung” in ihrer Gesamtheit das messiani-sche Volk ist, und daß innerhalb dieses Volkes jeder Getaufte teilhat am dreifachen Amt (munus) Christi, seinem prophetischen priesterlichen und königlichen Amt. Beim Konzil hat sich das Bewußtsein gezeigt, daß die Kirche in Demut am Gebet Christi für die Einheit aller Jünger, am ökumenischen Bewußtsein Anteil hat. Es hat sich ferner das Bewußtsein gezeigt, daß die Kirche als Pilger in der Welt ihre Sendung vollzieht und sich dabei auf „Kreise des Dialogs” stützt, wie sie der Diener Gottes Paul VI. in der EnzykUkaHcclesiam suam aufgezeigt hat. „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit” (Hebr 13,8). Wenn ich das „Buch der Synode” in die Hände der Kirche von Rom lege, möchte ich, daß durch dieses Buch die Worte des Petrusbekenninisses bei Cäsarea Philippi wieder vernehmbar werden: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes”, und daß auf diesem Bekenntnis sich jene Kirche aufbaut, die „die Mächte der Unterwelt nicht überwältigen werden” (vgl. Mt 16,18); die Kirche, die „die Schlüssel des Himmelreiches” besitzt {Mt 16,19), zu jeder Zeit und in jedem Jahrtausend. 6. Ich vertraue dem Kardinalvikar die Aufgabe an, das Werk der Durchführung der Synode zu leiten, und ich versichere ihn meiner ständigen Nähe und Hirtensorge. Bei dieser großen Aufgabe werden ihm zur Seite stehen sein Stellvertreter und die Weihbischöfe, die Priester und Diakone, die Ordensmänner und Orderisffauen sowie alle Brüder und Schwestern der Kirche Gottes in Rom. Sie können mit der hochherzigen Zusammenarbeit der Kardinäle, der anderen Mitglieder der Kurie und aller rechnen, die in Rom leben, um ihren Dienst dem universalen Hirtenamt des Nachfolgers Petri zur Verfügung zu stellen. Wie in den sieben Jahren des Synodenweges, so greifen wir jetzt, da die Zeit für ihre konkrete Verwirklichung gekommen ist, unermüdlich auf das kostbarste Mittel, nämlich das Gebet zurück: Ich verlasse mich dabei besonders auf die Gemeinschaften des kontemplativen Lebens, doch zugleich bitte ich jede Pfarrei und jede kirch- 990 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehe Gruppe, jedes Mitglied des Volkes Gottes in Rom, zusammen mit Maria, der Mutter des Herrn, im Gebet zu verharren. Um die Durchführung der Synode zu unterstützen und zu begleiten ist es ferner angebracht, eine eigene postsynodale Kommission einzusetzen, die für die Vertiefung der pastoralen, im „Buch der Synode” enthaltenen Weisungen sorgt, die gegenseitige Abstimmung, der vielfältigen Gruppen der Diözese und-der Programme auf dieses Ziel hin im Dialog mit einer jeden fördert sowie ihre geordnete und schrittweise Durchführung sicherstellt. Die Kommission wird in Abhängigkeit vom Kardinalvikar sowie in ständigem Kontakt mit dem Bischofsrat arbeiten und von Msgr. Cesare Nosiglia koordiniert, der bereits die Aufgabe des Generalberichterstatters der Synode glücklich erfüllt hat. Man wird sodann daran denken, die übrigen Mitglieder der Kommission zu ernennen. Möge der Herr, Grund und Quelle alles Guten, dieser geliebten Kirche in Rom die Gnade schenken, durch das Bemühen um die Durchführung der Synode in Treue zu Christus, dem Sohn des lebendigen Gottes, zu wachsen, wie auch in der Gemeinschaft und der konkreten Zusammenarbeit im Hinblick auf die neue Evangelisierung dieser Stadt und der ganzen Welt an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends. . 7. Mit diesen guten Wünschen, die ich mit der Versicherung meines ständigen Gebetes begleite, grüße ich herzlich euch alle hier Anwesenden. Insbesondere denke ich in Dankbarkeit an den Kardinal-Vikar Camillo Ruini und die Weihbischöfe, an Kardinal Ugo Poletti, der einen Teil der Arbeiten der Synode geleitet hat, die Mitglieder der Synode und alle, die in verschiedener Weise aktiv an der Vorbereitung und der Durchführung dieser wichtigen diözesanen Versammlung mitgearbeitet haben. Ich grüße die Vorsteher der Dikasterien und das Personal der Römischen Kurie, des Vikariates von Rom, der Verwaltung des Staates der Vatikanstadt, die hier mit ihren Angehörigen versammelt sind. Mein ergebener Dank gilt ferner den Vertretern der religiösen Orden und Kongregationen, der kirchlichen Bewegungen und Gruppen wie auch allen Gläubigen der Diözese, die mit ihrer Anwesenheit die heutige Begegnung feierlich und familiär zugleich machen wollten. 8. Pfingsten, Gebetsvigil und Tag des Abschlusses der Römischen Synode: Das sind besondere Züge der Ähnlichkeit mit dem II. Vatikanischen Konzil. Dieses Konzil ist gleichsam „eine neue Aussendung der Apostel” geworden, die in der Kraft des Heiligen Geistes an der Schwelle des dritten Jahrtausends aufbrechen. Die Kirche tritt aus dem Abendmahlssaal heraus und wird immer mehr sie selbst, um in der ihr vom Geist verliehenen Kraft „das Angesicht der Erde” zu erneuern. Die Dokumente Lumen Gentium und Gaudium et spes sind gleichsam die beiden tragenden Säulen der Aufgabe, die unsere Synode heute vom Konzil für diese Kirche hier in Rom empfängt. 991 BOTSCHAFTEN. UND ANSPRACHEN Die Berufung des Menschen gewinnt in den Weisungen der Pastoralkonstitution eine zentrale und grundlegende Bedeutung. Zugleich wird diese Berufung Wirklichkeit durch die vielfältigen Gaben, die dem Wohle aller dienen. Daher stellen die Konstitutionen des Konzils erneut deutlich heraus, wie wichtig diese Berufung des Menschen vom Standpunkt der ehelichen und familiären Gemeinschaft aus ist, und wie wichtig sie vom Standpunkt des sozialen, wirtschaftlichen und internationalen Lebens aus ist. Das Konzil erinnert ferner an das, was vom Standpunkt der politischen Gemeinschaft aus wichtig ist. Die Beendigung der römischen Synode fällt mit bedeutenden sozialen Veränderungen zusammen, die in diesem Zusammenhang besonders bezeichnend sind für die Kirche von Rom, der Stadt, die gleichzeitig die Hauptstadt der gesamten italienischen politischen Gemeinschaft ist. Die Einheit des heutigen Italiens ist sehr eng verbunden mit Rom. Daher kann und muß in diesem Augenblick der Suche und des Übergangs eine aufmerksame neue Lektüre der Botschaft des Konzils und der Synode zum Thema politische Gemeinschaft hilfreich sein. Eine heilsame Kritik drückt sich derart aus, daß sie nicht mit den Erfahrungen der Vergangenheit bricht. Es besteht keine Notwendigkeit, wieder von vorne anzufangen. Aber es ist eine Gesundung und Erneuerung zugunsten der Einheit nicht nur der Katholiken, sondern aller Bürger erforderlich. Die Zielsetzung der politischen Gemeinschaft ist immer das öffentliche Wohl als Garantie für das Wohl jedes einzelnen in der demokratischen Gesellschaft. Gemeinsam mit meinen Brüdern im Bischofsamt in Rom und auch in ganz Italien höre ich nicht auf, Gott dieses wichtige Problem vorzutragen, und ich rufe die Fürbitte der Mutter Gottes und die der heiligen Patrone an, die uns alle auf den Wegen unserer irdischen Pilgerschaft begleiten. Synode bedeutet Einheit der Wege. Bitten wir Gott inständig darum, daß eine derartige Anstrengung von all denjenigen unternommen wird, denen Italien als Kultur-und Geschichtsgemeinschaft lieb ist. Es sollen vor allem jene sich einsetzen, die als Söhne und Töchter dieses Vaterlandes zugleich Anhänger Christi und Apostel seines Evangeliums sind. Brüderliche Liebe und wechselseitiges Vertrauen ermöglichen Fortschritte im theologischen Dialog Ansprache an die Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel bei der Sonderaudienz am 29. Juni Liebe Brüder! Aus ganzem Herzen heiße ich euch willkommen. Wenn ich euch mit tiefer Zuneigung empfange, möchte ich zugleich jenen danken, die ihr vertretet: Seine Heiligkeit, den Patriarchen Bartholomeos I. wie auch den Heiligen Synod der Kirche von 992 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Konstantinopel. In diesem Jahr haben sie den Metropoliten der griechisch-orthodoxen Kirche in Frankreich, Spanien und Portugal zu uns entsandt, dessen pastorale Tätigkeit in ausgezeichneter Zusammenarbeit mit den katholischen Bischöfen dieser Länder mir bekannt ist. Ich begrüße ihn recht herzlich. Wie in jedem Jahr ist die Anwesenheit der Delegation des Ökumenischen Patriarchates am Fest der heiligen Petrus und Paulus ein Anlaß zur Freude für mich und die Kirche von Rom. Ich bin überzeugt, daß die engen Beziehungen, die von den Hirten unserer Kirchen unterhalten werden, ein entscheidendes Element sind - und es immer noch mehr werden müssen - zum Fortschritt bei unserem gemeinsamen Suchen nach der vollen Einheit. „Vor allem hebt einander, denn die Liebe ist das Band, das ahes zusammenhält und vollkommen macht. In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes” (Kol 3,14-15). Die Gewohnheit, die sich durch gegenseitige Übereinkunft ergeben hat, die Feste der Patrone unserer jeweiligen Kirchen gemeinsam zu feiern, der heiligen Petrus und Paulus einerseits und des heiligen Andreas andererseits, erweist sich in dem Maße, wie sie sich festigt, als fruchtbarer im Vergleich zu dem, wie wir es damals, als wir den Entschluß faßten, gehofft hatten. Petrus und Andreas waren Brüder. Nach dem heiligen Johannes wurde Andreas als erster berufen (vgl. Joh 1,40-42). Und die beiden Brüder erhielten den gleichen Anruf, dem Herrn zu folgen. Sie antworteten sogleich und ließen ihre Netze im Meer, denn sie waren Fischer (vgl. Mt 4,18). Von diesem Augenblick an sind sie ihr ganzes Leben lang dem Herrn gefolgt. Nach seinem Beispiel und um seinetwillen haben sie wirksam sein Wort in die Tat umgesetzt: „Eine größere Liebe hat niemand, als wenn er sein Leben hingibt für seine Freunde” (Joh 15,13). Bis zu ihrem letzten Tag blieben sie dem Auftrag treu, den sie vom auferstandenen Herrn empfangen hatten: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern ... und lehret sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe” (Mt 28,19-20). Der eine wie der andere haben gearbeitet, jeder nach der ihm verliehenen Gabe, um die eine Familie Christi zu sammeln. Nun, da sie in der gleichen Herrlichkeit und in der gleichen Verehrung vereint sind, sind wir versammelt, um sie zu feiern und dem Herrn zu danken, denn wir haben durch sie und ihre Nachfolger das Evangelium des Heils und den Namen Christen empfangen, den wir mit Stolz tragen. Doch wie wir wissen, ist die von den beiden heiligen Brüdern ererbte Einheit leider noch nicht zu der vollen Einheit gelangt, die Christus für die Seinen will. Wie tiefreichend die Bande der Gemeinschaft auch sein mögen, die unsere Kirchen einen, so haben wir doch noch nicht die volle Gemeinschaft unter uns zurückgewonnen. In unserer Feier heute und in dem Gebet, das wir jedes Jahr zum Herrn erheben, bitten wir ihn, uns zu führen und unseren Weg auf dieses Ziel hin zu beschleunigen, das wir nach seinem Wunsch erreichen sollen. In diesen Tagen nach der siebten Vollversammlung der gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche, haben wir einen besonderen Grund, dem Herrn zu danken, denn eine weitere Weg- 993 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN strecke wurde zurückgelegt. Wir wissen, daß sie in einer Atmosphäre tiefer brüderlicher Liebe und gegenseitigen Vertrauens verlaufen ist als Frucht des Dialogs der Liebe, der weitergeführt, entwickelt und vertieft werden muß, um den theologischen Dialog zu begleiten und seinen Fortschritt zu ermöglichen. Die Ergebnisse der Tagung von Balamand müßten allen örtlichen orthodoxen Kirchen und allen katholischen Ortskirchen, den lateinischen und den orientalischen, die in der gleichen Region leben, helfen, sich vor allem im Dialog der Liebe zu engagieren und die Beziehungen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet ihres pastoralen Wirkens weiterzuführen. Es ist wahr: Unser weiterer Weg kann nicht leicht sein, denn es geht darum, alte Gewohnheiten zu ändern, und dieser Wandel kann, wie das II. Vatikanische Konzil gesagt hat, nur die Frucht einer tiefreichenden Bekehrung des Herzens sein und des ständigen Bemühens um Erneuerung unserer Kirchen, um in immer anspruchsvollerer Treue dem Willen ihres Herrn zu folgen. Wir wissen ferner, daß der Feind (vgl. 2 Thess 2,4) alles in seiner Macht Stehende tun wird, um uns beim Fortschritt auf unser Ziel hin zu behindern. Doch wir wissen und glauben ebenfalls, daß „der, der in (uns) ist, größer ist als jener, der in der Welt ist” (I Joh 4,4). Diese Überzeugung muß unser Gebet verstärken, und ich habe meinerseits alle Katholiken aufgefordert, den Herrn darum zu bitten, daß dieser Dialog Frucht bringt, denn der Herr des Weinbergs kann allein das Wachstum schenken. Mit diesen Empfindungen der Freude, der brüderlichen Liebe und der Dankbarkeit empfange ich euch heute. Ich bitte euch, meine brüderlichen Grüße Seiner Heiligkeit, dem Patriarchen Bartholomeos I. und dem Heiligen Synod zu übermitteln. Die heiligen Apostel Petrus und Andreas, daran zweifeln wir nicht, stützen uns durch ihre ständige Fürbitte. In ihrer unmittelbaren. Nachfolge des Herrn (vgl. Mt 4,20) verstanden sie es, uns ein Beispiel zu geben. Zögern wir nicht, uns noch mehr auf das Hören des Wortes des Herrn einzulassen: Dies ist ein entscheidendes Element auf unserem Weg zur vollen Einheit. Das Pallium, ein Bild der Gemeinschaft mit dem Sitz Petri Predigt bei der feierlichen Messe und der Pallium-Verleihung am Fest Peter und Paul, 29. Juni 1. „Die Gemeinde aber betete inständig für ihn zu Gott” (Apg 12,5). Unablässig betete die Gemeinde für Petrus, den Herodes gefangengenommen hatte, in der Absicht, ihn zu töten. Die feierliche Liturgie zum Fest der hll. Apostel Petrus und Paulus legt uns jedes Jahr diese Stelle aus der Apostelgeschichte über die ersten Verfolgungen der Kirche in Jerusalem wieder vor. Die göttliche Vorsehung entriß Petrus der Hand der Verfolger (vgl. Apg 12,11) und gab ihm so die nötige Zeit, um den von Christus empfangenen Auftrag zu erfüllen. 994 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Was in Jerusalem nicht geschah sollte Jahre später in Rom geschehen. Der Überheferung zufolge starben beide Apostel, Petras und Paulus, im gleichen Jahr - zur Zeit des Kaisers Nero - den Märtyrertod. So trafen sich Wege im äußersten Zeugnis und prägten unauslöschlich die Geschichte der Kirche für alle Zeiten. 2. Und die Gemeinde betete für Petras ... In diesem Gebet strahlt in der Kirche das Gebet Christi selbst wider, der für Petras betete, es nimmt in eigener Weise daran teil: „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, daß er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt” (Lk 22,31-32). Diese Worte haben ein außerordentliches Gewicht. Und außerordentlich ist auch die Kraft dieses Gebets. Christus spricht davon im entscheidenden Augenblick - als „seine Stunde” (Joh 13,1) bereits gekommen war: die messianische Stunde von Getsemani, die Stunde des Leidens und des Todes am Kreuz. Diese „Stunde” war die Prüfung für den Glauben: die größte Glaubensprobe für Petras. Der Satan „hat versucht” (vgl. Lk 22,31), diesen bei Cäsarea Philippi bekannten Glauben zu zerstören (vgl. Mk 16,16). Er versuchte, diesen Glauben zu brechen, auf dem, wie auf einem Fels, die Kirche für alle Zeiten gebaut ist. Der Satan hat es intensiv versucht. Er rechnete mit der Schwäche des Petras, für den es schwer war, die Wahrheit über den Sohn des lebendigen Gottes mit der Wirklichkeit des gekreuzigten Knechtes Jahwes zu vereinen (vgl. Mt 16,22). Deshalb sagt Christus: „Aber ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt.” Bedeutet dieses Gebet etwa nicht sein Martyrium und seinen Tod am Kreuz? 3. „... daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder” (Lk 22,32). Wenn die ganze Kirche für Petras betet, geschieht dies nicht nur, weil ihr durch die verschiedenen „Herodes” dieser Welt Gefahren drohen. Sie betet für Petrus, weil der Herr Gefallen daran fand, gerade mit ihm, auf ganz besondere Weise, den Glauben des christlichen Volkes zu verbinden. Glauben bedeutet die sich mitteilende göttliche Wahrheit aufnehmen. Diese Wahrheit wird dem Menschen nicht durch „Heisch und Blut” offenbart, sondern nur „durch den Vater im Himmel” (vgl. Mt 16,17). Gerade sie ist „der Fels”, auf dem die Kirche gebaut ist (vgl. Mt 16,18). Deshalb erhebt sich vor allem das Gebet Christi - und das Gebet der Kirche gemeinsam mit Christus - ohne Unterlaß. Christus sagt zu Petras: „Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder.” Das unablässige Gebet der Kirche betrifft eben diese Bekehrung, damit Petras das Göttliche und nicht nur das Menschliche erkennen möge - damit die menschliche Sicht der Dinge nicht das Licht des Ewigen Wortes trübe, denn in Gott ist die Quelle zur Stärkung der Brüder. 4. Am Tag, an dem Petras das endgültige Zeugnis für die Wahrheit ablegte, auf der die Kirche gebaut ist, fand das Gebet Christi Erhörang. Er ist daher ein Tag großer 995 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dankbarkeit in der ganzen Kirche für die Freude dieser Erfüllung, in der die Worte Christi bei Cäsarea Philippi widerhallen: „Selig bist du, Simon Barjona” (Mt 16,17). Zur Bestätigung dieses wunderbaren Geheimnisses der Treue haben wir gehört, was der Apostel Paulus in seinem Brief an Timotheus zum Ausdruck bringt: „Denn ich werde nunmehr geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe ... Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Heiden sie hören” (2 Tim 4,6.17). 5. An diesem Festtag, an dem die Kirche für den Glauben der Apostel danksagt, ist eure Anwesenheit, verehrte Brüder, die ihr heute das heilige Pallium erhaltet, von ganz besonderer Bedeutung: Ihr vertretet die Metropolitankirchen, die mit dem Sitz des Petrus durch ein besonderes Band der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit verbunden sind, wofür das Pallium ein sehr altes und ausdrucksvolles Zeichen ist. Es ist mir eine ganz besondere Freude, daß Sie, Herr Kardinal Bemardin Gantin, dem ich das Pallium in Ihrer Eigenschaft als Dekan des Kardinalskollegs auflegen werde, die Reihe der siebenundzwanzig Bischöfe aus verschiedenen Ländern anführen. Der traditionelle Ritus der Übergabe dieses liturgischen Symbols erinnert an das Bild der Kirche als organischer Leib, dessen Blut die Liebe Christi ist. Es zirkuliert in den Gliedern und bewirkt, daß sie, trotz ihrer Entfernung voneinander und ihrer Vielzahl, die eine Liebe zum Ausdruck bringen, als Hirten und Lehrer harmonisch verbunden. Es ist das Blut des Zeugnisses, das die ganze Welt durchströmt und reinigt. Dieser Ort hier, wo Petrus und Paulus ihr Blut vergossen haben, ist wie das Herz, das dem ganzen Organismus Antrieb und Energie verleiht. Meine Lieben, möge das Gebet Christi und der Kirche für Petrus reichlich Früchte tragen für euch, die ihr eng mit seinem Nachfolger verbunden seid, und für die Gemeinden, die euch anvertraut sind: Früchte des Glaubens und der Werke damit die Welt glaube und den Vater im Himmel lobe. 6. Die Freude dieser heutigen Versammlung ist noch größer durch die Anwesenheit der Delegation, die der ökumenische Patriarch, Seine Heiligkeit Bartholomeos I., gemeinsam mit dem Heiligen Synod, in brüderlicher Solidarität entsandt hat, um an der Feier zu Ehren der Heiligen Petrus und Paulus teilzunehmen. Von Herzen danke ich dem Delegationsführer, Seiner Eminenz Jeremias, dem Metropoliten von Frankreich, und allen, die ihn begleiten, dafür, daß sie sich mit uns verbinden wollten im Gebet um das Geschenk der vollen Gemeinschaft der Kirchen im Zeichen apostolischer Brüderlichkeit. Meine Lieben, wir empfangen euch mit Freude auf und rufen: , „Verherrlicht mit mir den Herrn, laßt uns gemeinsam seinen Namen rühmen” (Ps 34,4). Eure Teilnahme am heutigen Hochfest ist ein Zeugnis für euer Verlangen nach der Einheit, das alle Anhänger Christi erfüllt. Diese Einheit zeigt sich am Ende des zweiten Jahrtausends immer mehr als ein besonderes Gebot des Glaubens. Möge 996 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieser Wunsch größer sein als jede negative, durch menschliche Schwächen verursachte Erfahrung der Vergangenheit. Christus sagt: „Ich habe für dich gebetet”, ich bete für euch. Dieses Gebet hat sich als stärker erwiesen als die Schwäche des Simon Petrus. Deshalb vertrauen wir darauf, daß die heutige Zeit der ökumenischen Bekehrung, dank der Macht des Gebetes Christi und auch dank des Gebetes der ganzen Kirche es erleben wird, daß die Stunde der Einheit immer näher kommt! Nicht durch unser Verdienst, sondern durch die Kraft des Geistes Christi. Amen. Für den Schutz der grundlegenden Ansprüche der Menschheit eintreten Ansprache an das italienische Studienzentrum für internationale Versöhnung am 1. Juli Geehrte Damen und Herren! 1. Ich freue mich, Sie heute in dieser Audienz zu begrüßen, bei der Sie dem Nachfolger des Petrus Ihre Ergebenheit bezeugen wollten. Fünfzig Jahre sind vergangen, seitdem die Initiative zur Gründung des „Italienischen Studienzentrums für die internationale Versöhnung” gestartet wurde. Ihre Vereinigung entstand im letzten Abschnitt des Zweiten Weltkriegs, in den Jahren, in denen das Lehramt Pius’ XII. als helles Licht in der Nacht leuchtete. An ihn wandten sich die Gründer dieses Studienzentrums in erster Linie zur unvergleichlichen Führung. Denkwürdig bleibt vor allem die Ansprache, die der verehrte Papst vor den Mitgliedern Ihres Zentrums hielt, als er sie im Oktober 1955 in Audienz empfing. Bei dieser Gelegenheit bemerkte er im Hinblick auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, daß „das internationale Element durch die zunehmende gegenseitige Abhängigkeit unter den Völkern immer mehr hervorgetreten”, daß aber auch „gleichzeitig das Nationalgefühl neu erwacht” sei (vgl. Discorsi e Radiomessaggi, XVII, 308). Und er schloß mit den Worten: „Trotz der ... immer umfassenderen Bemühungen, weitgehende internationale Beziehungen herzustellen, steigen aus dem Innern der Menschen und der Völker Gegensätze auf, ergeben sich Spannungen, Zusammenstöße und schließlich kriegerische Auseinandersetzungen” (ebd., 311). 2. Und auch heute, meine Lieben, am Ende des letzten Jahrhunderts des zweiten Jahrtausends, fehlt es leider nicht an Gründen zu ernster Besorgnis im von dem großen Papst damals angedeuteten Sinn. Manch einer könnte sich auch zur Entmutigung versucht fühlen. Aber der Geist des auferstandenen Christus, des Friedensfürsten, treibt die Kirche an, mit unveränderter Kraft dem wahren Fortschritt des Menschengeschlechts zu dienen, ohne je am endgültigen Sieg des Guten zu zweifeln. In diesem Jahr sind es drei Jahrzehnte seit dem Erscheinen der Enzyklika Pacem in 997 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN terris, und das Echo der unlängst begangenen Gedenkjahre von Populorum pro-gressio und Rerum. novarum ist noch lebendig. Wir können wohl sagen, daß der Heilige Geist durch den Dienst des Lehramtes das Gottesvolk dazu erzieht, sich als ein Volk zu fühlen, das dem Frieden und der universalen Versöhnung verpflichtet ist. Er hilft, dies auch immer mehr zu sein, und zwar - was zu beachten ist - nicht nach dem Zeitmaß und der Logik der Welt, sondern nach den Lehren der Offenbarung und mit unerschütterlichem Vertrauen auf die göttliche Vorsehung. 3. Welche Aspekte müssen also heute besonders unterstrichen werden? Vor allem die Entwicklung und Entfaltung der internationalen Organisationen und das Entstehen von dem, was man heute allgemein die „internationale Gemeinschaft” nennt. Gewiß handelt es sich dabei um Realitäten, die noch im frühen EntwicklungsStadium sind, aber man kann bei ihnen schon einen gemeinsamen Zug feststellen: Fortschreitend wird eine internationale Ordnung erkennbar, die auf den Menschenrechten gründet. Prüfstein für diesen entscheidenden Fortschritt auf dem Weg der Zivilisation ist die Anerkennung von Rechten und Pflichten der Weltgemeinschaft, in Krisen einzugreifen, wo grundlegende Ansprüche der Menschheit systematisch verletzt werden. Im vergangenen Dezember habe ich in meiner Ansprache an die Weltemährungskonferenz hervorgehoben: „Das Gewissen der Menschheit ist inzwischen durch Verfügungen des internationalen Rechtes für die Menschheit gestärkt, und es verlangt, das humanitäre Eingreifen in Situationen zur Pflicht zu machen, die das Überleben von ganzen Völkern oder Volksgruppen schwer gefährden” (O.R.dt., 8.1.93, S. 13) Der zweite Aspekt, um den Sie sehr wohl wissen und um den Sie sich in Ihrem qualifizierten Einsatz verdient gemacht haben, ist die Erziehung. Hier kann als gemeinsame Basis für Glaubende und Nichtglaubende die sogenannte „goldene Regel” gelten: „Tu dem andern das, was du von ihm erwartest” (vgl. Mt 7,12). Es gibt keinen Fortschritt zu einer wirklich geordneten Welt, wenn jeder sein eigenes Recht geltend macht und dabei vergißt, daß dem auch immer eine vom gleichen Recht des andern geforderte Pflicht entspricht. Es kann keinen echten Frieden geben, wenn Recht und Solidarität nicht miteinander in logischem Einklang gebracht werden. 4. Diese Gedanken, meine Lieben, habe ich Ihnen mitteilen wollen, sowohl anläßlich der 50-Jahr-Feier Ihres Weges wie auch, um mit Ihnen zusammen aus der Gegenwart in die Zukunft zu bücken, auf das dritte Jahrtausend. Es ist mein Wunsch, daß Ihre Vereinigung weiterhin die edlen Ziele verfolgt, und darum rufe ich auf Sie und auf aüe Ihre Mitgüeder das überreiche' Maß der göttü-chen Hilfe herab, als deren Unterpfand ich von Herzen meinen Segen erteile. 998 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinsames Erbe der Propheten behält seine Gültigkeit Ansprache an eine interkonfessionelle Gruppe von Christen und Juden am 2. Juli Liebe Freunde! Von Herzen begrüße ich die Gruppe junger Leiter des „International Council of Christians and Jews” und danke ihrem Vorsitzenden für seine freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Ihr habt euch ein wertvolles Ziel gesetzt: Förderung und Unterstützung des jüdisch-christlichen Dialogs durch das Zusammentreffen von jungen Anhängern monotheistischer Religionen, durch die Bekämpfung von Rassismus, Vorurteilen, Intoleranz und jede Form von Xenophobie zur Verwirklichung einer von größerem Einvernehmen geprägten Welt. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß euch die Wallfahrt nach Rom und Jerusalem für diese Arbeit stärken wird. Es ist durchaus passend, daß junge Christen und Juden sich für eine solch große Aufgabe zusammengefunden haben. „Unser gemeinsames geistliches Erbe” (vgl. Nostra aetate, Nr. 4), von dem die Konzilsväter sprechen, schließt zwei grundlegende Prinzipien ein, die eure Initiativen inspirieren sollten. Das erste ist die Erkenntnis, daß die Ordnung, mit der Gott die Welt und ihre Menschen schuf die einzig gewisse und sichere Basis für Frieden unter Individuen und Nationen ist. Der Herr der Heerscharen ist das Gesetz des Friedens (vgl. Ps 37,37), und nur durch die treue Nachfolge des göttlichen Willens wird die Menschheit jene Eintracht erlangen, nach der alle Völker streben. Das zweite Prinzip ist die Überzeugung, daß die Verdorbenheit des menschlichen Herzens die eigentliche Ursache von Gewalt ist. Daraus folgt, daß nur durch eine Sinnesänderung (vgl. Jer 32,39), durch moralische Umkehr, Zwietracht definitiv besiegt werden kann. Diese seit altersher von den Propheten verkündeten und in Kirchen und Synagogen gepredigten Wahrheiten sind das Erbe, das eure Vorfahren euch jungen Menschen hinterlassen haben. Sie sind die Weisheit, die ihr durch eure gemeinsamen Bemühungen der Welt bieten könnt. Zusammen werdet ihr nach Jerusalem fahren, in die „Stadt des Friedens”, ein „Symbol der Begegnung, der Einheit und des Friedens für die ganze Menschenfamilie” {Apostolisches Schreiben über Jerusalem, 20.4.1984). Eure Wallfahrt ist ein weiteres hoffnungsvolles Zeichen jener Kooperation, das die Welt von heute so dringend von den Gläubigen erwartet (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag, 1992, Nr. 1). Möge die Macht des gütigen Herrn durch solche Initiativen der Solidarität über die Feindschaft der Vergangenheit und die Streitigkeiten der Gegenwart siegen, damit in Zukunft alle Menschen in gegenseitiger Eintracht und Achtung leben können. 999 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Mongolei eine Mission gründen Botschaft an den neuen Generalobem der Missionare von Scheut vom 5. Juli An den hochwürdigen P. Jacques Thomas, Generalsuperior der Kongregation vom Unbefleckten Herzen Mariens (Scheut) Bei dieser kurzen Begegnung mit den Mitgliedern des Generalkapitels der Kongregation vom Unbefleckten Herzen Mariens freue ich mich, Ihnen meine innigen Wünsche für die Erfüllung Ihrer Aufgabe als Generalsuperior aussprechen zu können, ein Amt, das Ihre Mitbrüder Ihnen eben anvertraut haben. Übermitteln Sie meine herzlichen Grüße bitte auch den Priestern und Brüdern, den Scholastikern und Novizen Ihres Institutes. Nach eurer Gründung durch P. Theophile Verbist im vergangenen Jahrhundert hat eure Kongregation ihrer missionarischen Berufung hochherzig Ehre gemacht. Die Patres von Scheut sind in mehr als zwanzig Ländern anwesend und gehören zu denen, die die Treue der Kirche zu ihrer vornehmsten Sendung bezeugen: das Evangelium Jesu Christi den Nationen zu verkünden, die es noch nicht empfangen haben. Eure Geschichte war von Prüfungen und Schwierigkeiten gekennzeichnet, zumal ihr euer Apostolat in bestimmten Gebieten nicht weiterführen konntet, doch sie zeigt auch die Fruchtbarkeit des Gott geweihten Lebens bei Missionaren, die sich ganz der Evangelisiemng widmen. Mehr als andere besitzt ihr ein lebhaftes Bewußtsein von dem unermeßlichen Arbeitsfeld, das unter Milliarden von Menschen offen bleibt, die die Frohbotschaft vom Heil noch nicht ausdrücklich erreicht hat. In diesem Geist habt ihr begeistert auf den Ruf geantwortet, der euch kürzlich aufforderte, in die Mongolei zu gehen und eine Mission zu gründen. Drei von euren Patres haben sich ohne Zögern dorthin begeben, um tieferen Kontakt mit einem Volk aufzunehmen, das das Evangelium Christi bisher nicht kennenlemen konnte. Mit euch bete ich, daß dieses neue missionarische Unternehmen bald reiche Früchte trage, und ich spreche euch den Dank der Kirche für eure beispielhafte Verfügbarkeit aus. Bleibt inmitten der Kirche Männer, die ohne Unterlaß die Dringlichkeit der Mission in Erinnerung rufen, die der Kraft des Wortes vom Heil vertrauen, die sich von der Dynamik des Geistes der Liebe und der Wahrheit tragen lassen, die unablässig den Weinberg pflanzen, den der Herr selbst mit der Lebenskraft seiner Gnade nährt, damit er neue Früchte trägt! Wie ich in der Enzyklika Redemptoris missio dargelegt habe, ist ein solches Engagement notwendig, um in der ganzen Kirche den missionarischen Eifer, zu den Völkern zu gehen, wachzuhalten, durch Gebete und Gaben die Boten des Herrn zu unterstützen und überzeugt und hochherzig die Neuevangelisierung sicherzustellen, die alle Völker in unserer Zeit wirklich nötig haben. Dem Herrn im Ordensleben geweiht, führt ihr so eine alte Überheferung der Kirche weiter: Die Pioniere der Evangelisierung waren oft die bevorzugten Zeugen für das 1000 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reich Gottes, wie es die Ordensleute sind. Durch ihr Engagement für ein Leben in Armut, Keuschheit und Gehorsam und in brüderlicher Gemeinschaft sind sie Zeichen für das Wesentliche; sie sind Zeugen für das Glück, das in der Hingabe aus Liebe zu Gott und zu ihren Menschenbrüdem und -Schwestern hegt; sie zeigen ihnen damit den Weg der Wahrheit und des Lebens, der erhellt wird durch die Gegenwart Christi in seinem Leib, der die Kirche ist. Da sich nun das Generalkapitel seinem Ende nähert, sage ich mit euch Dank für die Gaben, die ihr empfangen habt, und für jene, die ihr als treue Verwalter der Heilsgeheimnisse übermitteln werdet. Mit euch vertraue ich dem Unbefleckten Herzen der Jungfrau Maria, die eure Kongregation beschützt, alle eure Anliegen und die verschiedenen Missionen an, die ihr betreut, eure Freude am Dienen und eure tiefe Gemeinschaft mit dem Erlöser der Welt. Aus ganzem Herzen rufe ich auf Sie persönlich und auf alle Mitglieder des Institutes den Segen Gottes herab, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der Mensch ist für das Heil der Schöpfung verantwortlich Predigt beim Sonntagsgottesdienst in Santo Stefano di Cadore am 11. Juli 1. „An jenem Tag verließ Jesus das Haus und setzte sich an das Ufer des Sees” (Mf 13,1). Jesus ist der Lehrer; er ist es auch im Hinblick auf die Art und Weise, wie die Natur zu betrachten ist. In den Evangelien gibt es viele Stellen, die ihn in einer Naturumgebung zeigen, und wenn man aufmerkt, kann man in seinem Verhalten eine klare Aufforderung zu einer kontemplativen Haltung angesichts der Wunder der Schöpfung erkennen. So ist es zum Beispiel in der Erzählung dieses Sonntagsevangeliums. Wir sehen Jesus am Ufer des Sees von Galiläa sitzen, beinahe in Meditation versunken. Der göttliche Meister liebte es, sich vor dem Sonnenaufgang oder nach dem Sonnenuntergang und in entscheidenden Augenblicken seiner Mission an einen einsamen und ruhigen, abseitsgelegenen Ort zurückzuziehen (vgl. Mt 14,23; Mk 1,35; Lk 5,16), um mit dem himmlischen Vater auf du und du zu verweilen und mit ihm zu sprechen. In diesen Augenblicken unterließ er es gewiß nicht, auch die Schöpfung zu betrachten, um in ihr einen Widerschein der göttlichen Schönheit zu erfassen. 2. Am Seeufer kommen auch seine Jünger und viele Leute nach. „Er sprach lange zu ihnen in Form von Gleichnissen” {Mt 13,3). Jesus spricht „in Gleichnissen”, das heißt, er verwendet Begebenheiten aus dem Alltagsleben und Elemente aus der Betrachtung der Schöpfung. Aber warum spricht Jesus „in Gleichnissen”? Das fragen sich die Jünger und wir mit ihnen. Der Meister antwortet, indem er Jesaja wiederholt: Weil sie sehen und doch 1001 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht sehen, hören und doch nicht hören (vgl. Mt 13,13-15). Was bedeutet das alles? Warum in Gleichnissen und nicht „offen” reden (vgl, Joh 16,29)? 3. Liebe Schwestern und Brüder! In Wirklichkeit ist die Schöpfung selbst ein großes Gleichnis. Ist denn nicht alles, was lebt - der Kosmos, die Erde, die Lebewesen, der Mensch -, ein einziges, riesiges Gleichnis? Und wer ist nicht der Urheber, wenn nicht Gott der Vater, mit dem Jesus in der Stille der Natur Zwiesprache hält? Jesus spricht in Gleichnissen, weil das der „Stil” Gottes ist. Der eingeborene Sohn hat dieselbe Handlungs- und Ausdrucksweise wie der himmlische Vater. Wer ihn sieht, sieht den Vater (vgl. Joh 14,9), wer ihn hört, hört den Vater. Und das betrifft nicht nur die Inhalte, sondern auch die Weisen; nicht nur das, was er sagt, sondern auch wie er es sagt. Ja, das Wie ist wichtig, weil es die tiefe Absicht dessen zeigt, der spricht. Wenn die Beziehung ein Zwiegespräch sein soll, so muß die Sprechweise die Freiheit des Gesprächspartners respektieren und fördern. Das ist der Grund, weshalb der Herr in Gleichnissen spricht: Damit derjenige, der zuhört, frei ist, seine Botschaft anzunehmen; nicht nur frei, um sie zu hören, sondern um sie vor allem zu verstehen, auszulegen und in ihr die Absicht dessen zu erkennen, der spricht. Gott wendet sich an den Menschen so, daß es möglich ist, ihm in Freiheit zu begegnen. 4. Die Schöpfung ist sozusagen die große göttliche Erzählung. Der tiefe Sinn dieses wunderbaren Buches der Schöpfung jedoch wäre für uns schwer verständlich, wenn nicht Jesus, das menschgewordene Wort, gekommen wäre, um es uns „zu erklären”, indem er unsere Augen befähigt hat, in den Geschöpfen leichter die Spur des Schöpfers zu sehen. Jesus ist das Wort, das den Sinn all dessen enthält, was lebt. Er ist das Wort, in dem der „Name” aller Dinge ruht, vom kleinsten Teilchen bis zu den riesigen Galaxien. Er selbst ist also das „Wort”, voll der Gnade und Wahrheit (vgl. Joh 1,14), durch das der Vater sich selbst und seinen Willen, seinen geheimnisvollen Liebesplan und den tiefsten Sinn der Geschichte offenbart (vgl. Eph 1,9-10). In Jesus hat Gott uns alles gesagt, was er uns zu sagen hatte. 5. „Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen” (Mt 13,3). Die Menschwerdung des Wortes ist die größte und wahrhaftigste „Aussaat” des Vaters. Am Ende der Zeiten wird die Ernte kommen: Der Mensch wird dann vor das Gericht Gottes gestellt. Wenn er viel erhalten hat, wird er über vieles Rechenschaft ablegen müssen. Der Mensch ist nicht nur für sich selbst verantwortlich, sondern auch für die anderen Geschöpfe. Er ist es im weltumspannenden Sinn: Denn an ihn ist ihr Schicksal in der Zeit ünd jenseits der Zeit gebunden. Wenn er dem Plan des Schöpfers gehorcht und sich ihm anpaßt, führt er die gesamte Schöpfung ins Reich der Freiheit, so wie er sie durch den Ungehorsam am Anfang mit sich ins Reich der Zerstörung gerissen hat. Dies wollte der heilige Paulus uns heute in der zweiten Lesung sagen. Seine Worte sind geheimnisvoll, aber faszinierend. Indem sie Christus aufnimmt, ist die Menschheit imstande, einen neuen Lebensstrom in die Schöpfung zu leiten. 1002 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ohne Christus bezahlt der Kosmos selbst die Folgen der menschlichen Weigerung, dem göttlichen Heilsplan in Freiheit zuzustimmen. Für unsere Hoffnung und die aller Geschöpfe hat Christus im Herzen des Menschen den Keim neuen, unsterblichen Lebens eingepflanzt. Das Samenkorn des Heils, das der Schöpfung eine neue Ausrichtung gibt: die Herrlichkeit des Reiches Gottes. 6. „Denn wie der Regen und der Schnee - so haben wir aus dem Buch des Propheten Jesaja gehört - vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt ..., so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verläßt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, ... wozu ich es ausgesandt habe” (Jes 55,11). Jeder hat deshalb die Verantwortung, „gute Erde” zu sein und Christus aufzunehmen, damit das Evangelium schon in dieser Welt und für das ewige Leben Frucht bringe. Der Christ muß darauf achten, nicht oberflächlich oder unbeständig zu sein; er darf sich nicht von den Sorgen dieser Welt und dem trügerischen Reichtum ersticken lassen (vgl. Mt 13.19-22). Indem er den Anregungen der Gnade entspricht, hat er die Aufgabe, „gute Erde” zu werden, fähig, nicht nur das Wort aufzunehmen, sondern es auch in Fülle Frucht tragen zu lassen. 7. Liebe Schwestern und Brüder von Santo Stefano di Cadore! Die herrliche Naturumgebung, in der sich euer Leben abspielt, hilft euch, eure Berufung als Glaubende besser zu verstehen. Indem ihr in der Umwelt die Spuren des himmlischen Vaters erkennt, sollt ihr dankbaren Herzens seine Größe preisen und euch bemühen, durch das Zeugnis eines wahrhaft christlichen Lebens auf Gottes Hochherzigkeit zu antworten. Eure Täler hier „jauchzen, ja sie singen” wirklich (vgl. Antwortpsalm). Handelt so, daß euer ganzes Dasein die aus der Natur aufsteigende Botschaft wiedergibt und zum Lobpreis des Herrn wird, der auf die Erde kommt, sie tränkt und mit seinen Gaben erfüllt. Mit diesen Empfindungen grüße ich euren Oberhirten, Msgr. Maffeo Ducoli, der die außerordentliche Gastfreundschaft der gesamten Ortskirche verkörpert. Ich grüße herzlich die vielen anwesenden bürgerlichen und militärischen Obrigkeiten, insbesondere die Bürgermeister von Cadore und besonders die Stadtverwaltung von Santo Stefano; ihr danke ich besonders für den Gemeindebeschluß und die Genehmigung des heutigen Treffens. Ich danke euch allen, Schwestern und Brüder, die ihr heute den Platz dieses schönen Bergstädtchens füllt, und ich grüße dankbar alle, die sich mit uns Zuhause und in den benachbarten Kirchen im Geist anschließen. Meine Lieben! Bemüht euch, den Samen der Berufung, der vom göttlichen Sämann mit vollen Händen ausgesät wird, Fracht bringen zu lassen: Ich denke an die Familien, die mit Freude und Einsatzbereitschaft den Lebensweg der ehelichen Liebe und der verantwortlichen Elternschaft gehen. Ich denke an die Priester, die Ordensmänner und -frauen, die zum Dienst für das Reich Gottes in der Kirche geweiht sind; ich denke nicht zuletzt an die Laien, die berufen sind, mutige Zeugen in ihren verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereichen zu sein. 1003 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Gern ermutige ich vor allem euren Einsatz für die christliche Bildung der Familie. Als „Hauskirche” ist die Familie ein einzigartiges Gleichnis der Liebe, fähig, den wahren Sinn der Werte in der gesamten Gesellschaft sicherzustellen. All eure apostolischen und pastoralen Pläne vertraue ich der Fürsprache der. heiligen Schutzpatrone von Comelico an, die Patrone der „Regeln” oder der „familiären Gemeinschaften” genannt werden. Mögen sie immer über den Gebets- und Arbeitsrhythmus eurer Gemeinschaften wachen und ihnen die ständige Erinnerung an die tiefen Wurzeln sichern, die von der gesunden Tradition der Väter genährt werden. Es gibt eine einzigartige Kette von „Wachposten” zum Schutz eures schönen Landes: Sie besteht aus den marianischen Votivbildem, die längs der Berggipfel stehen. Ich denke besonders an die Madonna auf dem Monte Col, oberhalb Santo Stefano. Möge die heilige Maria die Gemeinde von Comelico immer beschützen; möge sie Cadore und die gesamte Diözesanfamilie schützen. Sie stehe euch immer bei, um euch bereit zu machen, treu auf dem rechten Pfad zu gehen. 9. Das in eure Herzen ausgesäte Wort Gottes trage Früchte ewigen Lebens: Das ist die Bitte, die wir heute an den Herrn richten. Wir danken dir, Herr Jesus, Gleichnis des Vaters. Du sorgst für das Land und segnest seine Gewächse (vgl. Antwortpsalm). Mach uns zu fruchtbarer Erde, in der eine reiche Ernte zum ewigen Leben wachsen kann. Amen! Die alten Menschen nicht ausgrenzen Ansprache beim Besuch des Altenheims in Santo Stefano di Cadoream 11. Juli 1. Ich grüße euch alle sehr herzlich, liebe Bewohner dieses Kranken- und Altenheims, das man nach mir benennen wollte. Ich grüße euch, die Angestellten und die Freiwilligen, die ihr euch tatkräftig darum bemüht, daß die Bedürfnisse der Insassen - jedes einzelnen - hier immer aufmerksam und angemessen erfüllt werden. Ich danke Ihnen, Herr Präsident der Gemeinde Montana von Comelico-Sappada, herzlich für die freundlichen Worte, mit denen sie soeben meinen kurzen Besuch hier einleiten wollten. 2. Liebe Gäste, ich weiß, daß der Großteil von euch aus den umliegenden Gemeinden stammt. Eure Täler und eure Berge bilden eine herrliche Landschaft, gewiß reich an Erinnerungen und geistlichen Hinweisen für euch. Durch die Betrachtung solch eindrucksvoller Naturschönheiten wird das Herz des Menschen unwillkürlich dazu angeregt, sich zu Gott, dem gütigen'und fürsorglichen Vater, zu erheben. Liebe Freunde, bewahrt im Herzen immer die Liebe und Bewunderung für die Natur, die demjenigen, der in ihr die Zeichen der Güte des Herrn und seiner barmherzigen Vorsehung zu erkennen weiß, soviel Heiterkeit und Ruhe schenkt. Erhebt eure tiefsten Empfindungen zu Gott, so daß auch die Leiden und Prüfungen, die manch- 1004 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mal auf eurem täglichen Leben lasten, mit Hilfe seiner Gnade eine ihm wohlgefällige Gabe und eine Gelegenheit zum geistlichen Wachstum werden. Eine bestimmte moderne Kultur in einer vom steigenden Lebensrhythmus gekennzeichneten Welt scheint oft diejenigen auszugrenzen, die nicht zum sogenannten Produktionsprozeß gehören. Vielleicht habt auch ihr manchmal den Eindruck, beiseite geschoben, vergessen zu werden. Das darf nicht sein. Neben der Solidarität eurer Lieben und der gesamten Gemeinschaft tröste euch vor allem das Bewußtsein, daß der Herr euren persönlichen Beitrag zum Heilswerk benötigt. Und wenn auch menschliche Hilfe nachzulassen scheint, denkt daran, daß Gott seine Kinder nie verläßt. 3. Meine Lieben, der Grundstein dieses Hauses wurde im Jahr 1954 gelegt, in dem Jahr, als man die Hundertjahrfeier des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis beging. Die Erinnerung an dieses glückliche Zusammentreffen belebe und stärke eure vertrauensvolle Verehrung für die Gottesmutter. Ihre mächtige Fürsprache schütze euch und bewirke, daß alle die notwendige Gesundheit der Seele und des Leibes erlangen. Mit den besten Wünschen für einen schönen und erholsamen Aufenthalt erteile ich jedem von euch von Herzen meinen Segen. Möge für euch endlich der Tag des Friedens anbrechen! Gruß an Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina nach der Messe in Santo Stefano di Cadoream 11. Juli Mit besonderer Liebe wende ich mich an die Gruppe aus Bosnien-Herzegowina. Meine Lieben, eure Anwesenheit ist ein Beweis für die Solidarität, welche die Italiener mit den Frauen, Männern, Kindern und alten Menschen eures Landes verbindet, das von Gewalt und Krieg heimgesucht wird. Wie sollten wir nicht zum wiederholten Mal den Wunsch aussprechen, daß endlich für eure leidgeprüften Länder der Tag des Friedens in Gerechtigkeit anbrechen möge? Die Glaubenden und die Menschen guten Willens hören nicht auf, Gott vertrauensvoll um diesen Frieden zu bitten. Auch wenn die menschlichen Möglichkeiten sich verringern, darf die Hoffnung auf Gott niemals schwinden! Mit eben diesem Vertrauen auf den Herrn und im Geist christlicher Solidarität appelliere ich jetzt an die Regierungen und an die internationale Gemeinschaft, die Programme des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge großzügig zu unterstützen. Zur Zeit erhalten etwa zwanzig Millionen Menschen, die in allen Kontinenten verstreut sind, Hilfe von der UNO. Ihre Anzahl nimmt jedoch ständig zu, während die finanziellen Mittel nicht ausreichen. Gott möge diese unsere Schwestern und Brüder in ihrer Not seine Hilfe spüren lassen und alle segnen, die ihnen konkret beistehen. 1005 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Reich Gottes ist schon heute in uns Predigt bei der Eucharistiefeier für die Angestellten der Päpstlichen Villen in Castel Gandolfo am 18. Juli „In Wahrheit ist es würdig und recht, geziemend und heilsam, immer und überall zu danken” (Präfation der Messe). Liebe Schwestern und Brüder! Wir sind hier versammelt, um Gott zu danken, wie ihm Christus gedankt hat mit seinem ganzen Leben und vor allem mit seinem Tod am Kreuze und seiner Auferstehung. Wir sind um ihn versammelt, wir sind bei ihm, um zusammen mit ihm zu danken. Danken heißt Eucharistie feiern. Wir sind also versammelt, um an der Eucharistie Christi teilzunehmen. Diese Eucharistie war sein ganzes Leben. Seine Worte und seine Werke. Seine Gleichnisse, aber vor allem sein Opfer. Christus, der Erlöser, Christus vor dem Vater, Christus, der in der Liebe vereint. Das ist die Wirklichkeit, die uns hier vereint, uns alle gemeinsam: die Gemeinschaft der Päpstlichen Villen, eine Gemeinschaft der Arbeit, eine Gemeinschaft des täglichen Lebens, verschiedene Menschen aus verschiedenen Familien; doch hier sind wir „etwas Neues”. In diesem Augenblick, bei dieser Feier, in diesem Sakrament sind wir „etwas Neues”: Auch wir werden dieses Sakrament Christi, dieses Sakrament der Eucharistie, die Danken bedeutet. Bei dieser Begegnung hören wir Christus zu, wie ihm seine Zeitgenossen zuhörten: wir hören seine Gleichnisse und durch diese Gleichnisse spricht Christus zu uns vom Himmelreich, vom Reich Gottes. Es war das Hauptthema seines Evangeliums, wir können sagen das einzige Thema seiner Frohbotschaft. Jesus sprach in Gleichnissen, weil die Gleichnisse besser für diese göttliche Wirklichkeit öffnen, für die übernatürliche Wirklichkeit des Reiches Gottes. Jesus sagte aber zugleich, daß dieses Reich „in euch”, das heißt in uns ist. Es ist in uns durch seine Worte, seine Gleichnisse, doch vor allem durch seine Person. Er ist das Reich Gottes. Er, der dieses Reich Gottes in der Geschichte der Menschheit eröffnet hat, in unserer Geschichte, in unserem täglichen Leben, heute, in diesem „göttlichen Heute” des Sonntags als Tag des Herrn; vor allem in dieser Stunde ist das Reich Gottes in uns. So ist es „in Wahrheit würdig und recht”, mit dem Vollzug der Eucharistie zu danken, mit der Feier der Eucharistie und dadurch, daß wir die Eucharistie leben. Sie jeden Tag leben, das ganze Leben hindurch, besonders aber an diesem bevorzugten Tag, dem Tag nach dem Sabbat, dem Tag der Auferstehung, an dem Christus nach seinem Opfer, nach seiner Kreuzigung - der gedemütigte Christus, der gekreuzigte Christus, der gestorbene und begrabene. Christus - die göttliche Macht offenbart hat, die in ihm ist. Macht Gottes, Gegenwart Gottes, des Gottes, der das Leben ist, Le- 1006 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ben, das sich in Christus am dritten Tag nach der Kreuzigung, nach dem Karfreitag, am Tag der Auferstehung offenbart hat. Wir aber haben an diesem Leben Anteil, an diesem seinem für uns bestimmten Leben. Wir sind zu einem Gastmahl eingeladen. Jesus hat die Eucharistie als Gastmahl, als Abendmahl eingesetzt. Wir sind eingeladen zu „nehmen”, wie er am Gründonnerstag gesagt hat: „Nehmt und eßt, das ist mein Leib; nehmt und trinkt, das ist mein Blut.” So hat er uns in einer sehr einprägsamen, aber zugleich sehr einfachen Weise die ganze Wirklichkeit seines göttlichen Lebens, seines gottmenschlichen Lebens hinterlassen, für uns Männer und Frauen, die wir, wie er, Kinder Adams sind, und Er ist der neue Adam. Er hat uns dieses neue Leben hinterlassen und mit diesem neuen Leben die neue Welt, die neue Schöpfung. Wir erfüllen verschiedene Aufgaben und haben unterschiedliche Pflichten, aber das alles ist bereits umfaßt und durchdrungen vom neüen Leben, das von Christus herkommt. Danke, meine Lieben, für eure Anwesenheit, für alles das, was ihr Tag für Tag und das ganze Jahr hindurch in den Päpstlichen Villen tut. Ich biete euch diese Eucharistiefeier an, weil ich euch nicht anders als in dieser Weise vergelten kann. Die Eucharistie ist das größte Geschenk, das ein jeder von uns empfangen kann. Sie ist das größte Geschenk, das der Priester all seinen Brüdern und Schwestern machen kann. Amen. Botschaft an die V. Weltkonferenz der Kommission über Gla ube und Kirchenverfassung des Weltkirchenrats vom 21. Juli Frau Dr. Mary Tanner, Leiterin der Kommission „Glaube und Kirchen Verfassung” des Weltkirchenrats. Anläßlich der V. Weltkonferenz über Glaube und Kirchenverfassung, die vom 3. bis 14. August in Santiago de Compostela Zusammentritt, grüße ich alle ihre Teilnehmer sehr herzlich und versichere sie meiner Gebete, damit der Heilige Geist den Beratungen über das bedeutsame Thema „Zur Koinonia (Gemeinschaft) in Glaube, Leben und Zeugnis” mit seiner Führung beistehe. Ich ergreife die Gelegenheit, um nochmals meiner Wertschätzung für die geduldige Arbeit der Kommission Ausdruck zu verleihen, gilt diese Arbeit doch der Überwindung der Spaltungen innerhalb der Christenheit, die, wie die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils betonten, „ganz offenbar dem Willen Christi (widersprechen), ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen (sind)” (Unitatis redintegratio, Nr. 1). Ebenso möchte ich neuerlich auf die Verpflichtung der katholischen Kirche hinwei-sen, die christliche Einheit zu fördern, damit das Gebet Jesu: „Alle sollen eins sein” 1007 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (,Joh 17,20), in Einklang mit den Plänen seiner Vorsehung für seine Herde Wirklichkeit werde. , Als Mittel zur Erreichung dieses Zieles von einzigartiger Bedeutung scheint die Reflexion über die Natur der Koinonia besonders geeignet, ist doch die kirchliche Gemeinschaft nicht einfach ein Gegenstand zunehmenden theologischen Interesses, sondern ein Begriff, dessen sich die Heilige Schrift als Schlüssel zum Verständnis der Wirksamkeit der Gnade des Herrn im Leben seiner Jünger bedient. So schreibt der hl. Paulus: „Treu ist Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn” (7 Kor 1,9). Als Teilhaber an der „göttlichen Natur” (2 Petr 1,4) sind wir in das lieben des dreifältigen Gottes hineingenommen: Der Sohn ist in uns und der Vater im Sohn (vgl. Joh 17,23). Ein tieferes Wissen um das profunde Geheimnis der kirchlichen Gemeinschaft veranlaßt die Christen zu dem Bekenntnis, daß Gott und nicht ein Mensch die Quelle der Einheit der Kirche ist; es führt zur Reue über ihre Sünden gegen die geschwisterliche Liebe und ermutigt sie, mit der belebenden Gnade des Heiligen Geistes durch Gebet, Wort und Handeln für die Erreichung jener vollen Einheit zu wirken, die dem Wunsch Jesu Christi entspricht (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 4). Wichtige Studien der Kommission „Glaube und Kirchenverfassung”, an denen auch katholische Theologen teilnahmen, haben durch die Festlegung der Punkte, in denen unter den Gläubigen nach langer Trennung jetzt Gemeinsamkeit und sogar Übereinstimmung besteht, der Sache der christlichen Einheit einen großen Dienst erwiesen. Es handelt sich hier tatsächlich um eine bedeutsame Leistung, welche die Hoffnung aller jener unterstützt, denen die Einheit der Christen ein Anhegen ist. Gemeinsam mit Ihnen bete ich für die V. Weltkonferenz über Glaube und Konstitution, damit sie mit Gottes Hilfe reiche Früchte trage und einen Beitrag zur Klärung der noch offenen Fragen und somit zur Erreichung der sichtbaren Einheit in einem Glauben und einer eucharistischen Mahlgemeinschaft leiste. Ich bitte den Heiligen Geist, in allen Teilnehmern die „Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens” (ebd., Nr. 8) hervorzurufen, die für eine Antwort auf Gottes ständigen Aufruf zum Streben nach Einheit unerläßlich sind. Möge die Fülle der Gaben des dreieinigen Gottes Sie alle in ihren ökumenischen Bemühungen unterstützen. Aus dem Vatikan, 21. Juli 1993 Joannes Paulus PP. II 1008 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beileidstelegramme anläßlich des Todes des Königs von Belgien Baudouin I. vom 1. August An Königin Fabiola Mit Betroffenheit und Trauer habe ich vom Heimgang Seiner Majestät König Baudouin I. erfahren, der so unerwartet von den Seinen und dem ganzen Volk geschieden ist. Ich möchte Ihre Majestät und die Mitglieder der königlichen Familie meiner Anteilnahme an ihrem Leid versichern. Im Gedenken an die große Figur Ihres Gatten, vorbildlicher König und engagierter Christ, bitte ich den Herrn inständig, er möge ihn ins Licht der Auferstehung aufnehmen und ihm den Lohn zuteilen, der denen versprochen ist, die ihren Brüdern in Glauben und Liebe gedient haben. Zum Unterpfand göttlicher Tröstung in der gegenwärtigen Prüfung erteile ich Ihrer Majestät und der königlichen Familie meinen Apostolischen Segen, den ich auf das ganze belgische Volk, das um seinen König trauert, erstrecke. Joannes Paulus PP. II. An den belgischen Premierminister Jean Luc Dehaene Mit großem Schmerz habe ich vom Tod König Baudouins I. erfahren, wozu ich Ihrer Exzellenz mein aufrichtiges Beileid ausdrücke. Ich teile den Schmerz der königlichen Familie, der Regierung und aller Einwohner des Königreichs und nehme Anteil an ihrer Trauer. Ich bete zum Herrn, er möge den Verstorbenen in seinen Frieden und in sein Licht aufnehmen, ihn, der sich während mehr als vierzig Jahren unermüdlich dem Dienst Belgiens gewidmet hat, um im Glauben die grundlegenden Werte des menschlichen Lebens und der menschlichen Würde zu verteidigen, um den am meisten Bedürftigen zu helfen sowie die Einheit seines Volkes zu stärken. Joannes Paulus PP. II. Kardinal Guido Del Mestri gestorben Telegramm an Gräfin Felicitas anläßlich des Todes ihres Bruders, Kardinal Guido Del Mestri vom 3. August Mit tiefem Schmerz erfüllt mich die traurige Nachricht vom Heimgang des hochgeschätzten Mitbruders im Bischofsamt Guido Kardinal Del Mestri. In dankbarem Gedenken an sein von starkem Glauben, treuer Hingabe und weiser Umsicht geprägtes langjähriges Wirken im Dienst der Kirche und des Heiligen Stuhles, beson- 1009 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ders als Apostolischer Nuntius in der Bundesrepublik Deutschland, spreche ich Ihnen, liebe Gräfin, und allen weiteren trauernden Angehörigen, Priestern und Gläubigen meine aufrichtige Anteilnahme aus und erteile Ihnen allen mit dem inständigen Gebet um Gottes ewigen Gnadenlohn für seinen getreuen Diener von Herzen meinen Apostolischen Segen. In der Kraft des Wortes Gottes die Welt verändern -Friedensstifter unter den Volksgruppen Brief an den Bischof von San Benedetto del Tronto Ripatransone-Montalto, Guiseppe Chiaretti, anläßlich des 600. Geburtstags des hl. JaCobus de Marchia vom 2. August Anläßlich der 600-Jahr-Feier der Geburt des hl. Jacobus de Marchia im September 1393 in Monteprandone möchte ich geistige Teilnahme an den verschiedenen religiösen und kulturellen Veranstaltungen zum Ausdruck bringen. Sie sollen die Gestalt eines Heiligen in Erinnerung rufen, der der Kirche durch sein heiligmäßiges Leben, seine missionarische Tätigkeit und seine ergebene Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri auf dem römischen Stuhl zur Ehre gereicht. Allen ist bekannt, daß die römischen Päpste auf seine vorbehaltlose Bereitschaft für jeden Auftrag zählen konnten, den sie ihm anvertrauten, sei es der Auftrag als Verkünder des Evangeliums, sei es als Glaubensanwalt oder Apostolischer Legat bei den Ortsbischöfen und -behörden. Diese Verbundenheit mit dem Stuhl Petri gründet in seinem Glauben, den er zuerst auf den Knien der Mutter und dann in der Schule eines verwandten Priesters erlangt hatte. Er selbst nennt seine Mutter „dulcissima mea parens” (vgl- Autobiographie M 30, f 380r), um alle im Schoß der Familie empfangene liebevolle Fürsorge zu bezeugen, die für die Formung einer soliden menschlichen und christlichen Persönlichkeit unerläßlich ist. Denn wie ich Gelegenheit hatte zu bekräftigen, soll die Familie „die Kinder so für das Leben formen, daß jedes entsprechend der von Gott empfangenen Berufung seine Aufgabe ganz erfüllen kann” (Familiaris consortio, Nr. 53). Dieser Verpflichtungen wohl bewußt, ermutigt der heilige Jacobus de Marchia die Eltern, „den Kindern vor allem dadurch Liebe zu schenken, daß sie sie lehren, Gott, das Vaterunser und die Glaubenswahrheiten zu kennen; sie sollen die Kinder dazu anleiten, zu beichten, die heilige Kommunion zu empfangen, die Sonn- und Feiertage zu halten und an der Messe teilzunehmen; sie sollen sie auch gute Sitten lehren sowie ehrliches Reden und Handeln zu Hause oder außer Haus lehren” (Serm. dom. 12, De reverentia et honore parentum). Nach diesen Grundsätzen begann der junge Jacobus de Marchia das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Perugia und widmete sich der Jugenderzie- 1010 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hung. Nachdem er das Doktorat in Kirchen- und Zivilrecht erlangt hatte, übte er eine Zeitlang den Beruf des Notars am Gemeindeamt in Florenz und des Richters in Bibbiena aus. Die Ideale Gerechtigkeit, Gleichheit und Schutz der Armen, die er nicht aufhörte zu fördern, scheinen noch in den Predigten auf, mit denen er kurz danach den Mitmenschen zu helfen suchte. Von der göttlichen Gnade getrieben, schenkte er mit 23 Jahren „Christus seinen Leib in Keuschheit und sein Herz im Gehorsam, indem er die weniger wichtigen und irdischen Dinge, die Familie und die Freuden des Lebens hinter sich ließ und nur eines suchte: Jesus Christus” (vgl. Senn. dom. De excellentia et utilitate Sacrae re-ligionis). Er lebte vollkommen nach der Regel des hl. Franz von Assisi, deren strenge Beobachtung er mit dem hl. Bemardin von Siena und dem hl. Johannes von Capestrano förderte. Der französischen Tradition und im besonderen der Schule des hl. Bemhardin von Siena folgend, widmete er sich dem Predigen mit dem Ziel, Jesus, den Erlöser des Menschen, in vielen Teilen Europas zu verkünden. Trotz schwerer Anstrengungen und Verfolgungen ließ er nicht nach, Italien, Bosnien, Slawonien, Dalmatien, Ungarn, Böhmen, Polen, Deutschland und Österreich zu durchqueren, um das Volk gegen die sich wiederholenden Häresien der Zeit „in die ganze Wahrheit zu führen” (Joh 16,13) in der Überzeugung, daß man in der Kraft des Wortes Gottes die Welt ändern kann. Er war wirklich unermüdlich im Kampf gegen die Unwissenheit, die Zauberei, die Unsitten der öffentlichen Verwalter, die verbreitete Gewalt zwischen einzelnen und Gemeinschaften, die unsittliche Ausbeutung der Kinder und Jugendlichen und der Wucher, der die Armen unterdrückte. Seine Predigt, verbunden mit seinem Lebenszeugnis, war so eindrucksvoll, daß sie die Herzen der Hörer durchdrang und zum Herrn bekehrte. In einer Predigt bekräftigte er: „Ich habe während der Predigt alte Soldaten über ihre Sünden und das Leiden Christi erschüttert weinen sehen, und sie gestanden mir, daß sie in ihrem ganzen Leben noch nie geweint hätten” (Serm. dom. 46, De mcignifica virtute Verbi Dei). Er brannte vor Liebe zu Gott und zu den Menschen, deshalb konnte er den anderen vermitteln, was sein Herz erfüllte, das heißt, daß die Liebe Christi ihn wie den Apostel Paulus zu den Brüdern zu den Mitmenschen hin „drängte” (vgl. 2 Kor 5,14). Der Herr schenkte ihm die Gnade, die Reue vieler Sünder zu sehen: „Das Wort Gottes hat die Kraft, die steinharten Herzen zu erweichen und zu befähigen, daß sie das Siegel des göttlichen Willens aufnehmen. Viele verzweifelte Sünder kamen zu mir in der Überzeugung, sie seien zur Verdammung bestimmt, aber nachdem sie die Predigt gehört hatten, kehrten sie mit großem Gottvertrauen heim” (Serm. dom. 46, ebd.). Er war ein großer Friedensstifter für die Herzen und für die in Fraktionen gespaltenen Städte. Ihm wurde große juridische Kompetenz und moralische Autorität zuerkannt. Er predigte nicht nur über soziale Probleme, sondern wurde auch eingeladen, 1011 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in den gesetzgebenden Versammlungen zu sprechen, denen er Regeln für die Sittenreform vorschlug mit der Autorität, die aus seinem heiligmäßigen Leben erwuchs. Von 1431 bis 1439 wirkte er vor allem in den südosteuropäischen Ländern Bosnien, Dalmatien, Slawonien, Ungarn usw., um die Häresien zu bekämpfen und Frieden zu stiften unter den verschiedenen Volksgruppen. Der Heilige verzieh seinen böswilligen Anklägern und denen, die ihm mehrmals nach dem Leben trachteten, sei es in Italien, sei es in anderen europäischen Ländern. Er schreibt darüber: „Es gibt in der Welt nichts Größeres, als eine Beleidigung zu verzeihen und den Feind zu lieben. Es ist nicht ehrenhaft, viele Städte und Landesteile zu unterwerfen; das sind Dinge, welche die Soldaten tun, die viele Laster haben; ebensowenig ehrt man einen streitsüchtigen, aufbrausenden und gewalttätigen Menschen, sondern eine friedfertige und mildtätige Person. Die Vergebung ist eine von Christus und seinen Heiligen geübte Geste ehrlicher Vergeltung: Deshalb bist du nicht der erste und der letzte, der so handelt. Glaub mir, und zweifle nicht daran, daß ich niemanden beleidige, sondern mich bemühe, allen Gutes zu tun, und doch verleumden und verfolgen mich oft viele. Dann begebe ich mich auf das „Kampffeld” des Altares, und spreche, bekleidet mit allen Waffen der liturgischen Gewänder, während ich den Leib Christi erhebe: Gütigster Vater, vergib im Fhmmel meinen Verfolgern, wie ich hier auf Erden vergebe (Serm. dom. De pace et remis-sione iniuriarum). Welches ist das Geheimnis des hl. Jacobus de Marchia bei diesem Versöhnungsund Befriedungswerk? Er hatte einen großen Glauben und hegte glühende Verehrung zu Jesus, dem Gekreuzigten; er meditierte über das Geheimnis der Liebe Christi und sprach oft darüber, besonders wenn er die Herzen von Menschen bekehren sollte, die ihren Nächsten haßten, oder von denen, die sich für die erfahrenen Beleidigungen rächen wollten. Deshalb wandte er sich, nachdem er „de paxione et pace” gesprochen hatte, an diese Personen und sagte: „Vergib deinen Feinden aus Liebe zu Jesus; dem Gekreuzigten; vergib aus Liebe zum Leiden Christi”. Dadurch erzeugte er zunächst Bewegung und den Willen zur Vergebung und dann konkrete Gesten. Der heilige Jacobus hatte in der Tat ein offenes Herz, das nicht nur für die göttliche Gnade bereit war, sondern auch für die Menschen, die er als seine Nächsten in ihren geistlichen und materiellen, individuellen und gemeinschaftlichen Nöten betrachtete. Er war deshalb ein großer Mann der Nächstenhebe mit konkreten Initiativen: Er ließ Krankenhäuser für die Kranken erbauen und förderte die Instandsetzung, während er sie bereits bestehenden oder von ihm gegründeten Bruderschaften übergab und Statuten festlegte. Mit weitsichtiger Intuition errichtete er Jugendvereinigungen, „mit dem Ziel, die Kinder und Jugendlichen gute und ehrenhafte Sitten zu lehren und sie anzuleiten, selbst auf dem guten und rechten Weg zu gehen” (Riformanze di Potenza Picena, 12. Februar, 1441 f., 755). Er riet den Familien von unnützem Aufwand und überflüssigen Ausgaben ab, die nur die Eitelkeit befriedigten. Er kam den Armen mit verschiedenen Mitteln entgegen, besonders durch die Einrichtung 1012 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von Pfandleihhäusem. Er führte Prostituierte zum christlichen Glauben zurück. Er ließ Brunnen und Zisternen für den Wasserbedarf der Bevölkerung graben. Er förderte das Studium der kirchlichen und weltüchen Wissenschaften und richtete Bibliotheken ein, damit die Prediger aus ihnen schöpfen könnten für ihre Mission. Bei dieser unermüdlichen Arbeit beseelte ihn eine kindliche und lebendige Verehrung zur Jungfrau Maria, der Mutter Gottes. Oft rief er sie an, betete jeden Tag den Rosenkranz, und besuchte sie in ihren Heiligtümern, vor allem in Loreto. Während ich diese leuchtende Gestalt in ihrem 600. Geburtsjahr in Erinnerung rufe, lade ich die Gläubigen dieser Diözese und der ganzen Region Marken ein, seine so aktuelle Botschaft und sein Werk wiederzuentdecken, derer man auch heute so sehr bedarf. Das Jubiläumsjahr sei für alle ein Antrieb, das eigene Leben im Licht des Evangeliums zu erneuern, das der hl. Jacobus unermüdlich und mit großer Inspiration predigte. Mit diesen Wünschen erteile ich Ihnen, ehrwürdiger Bruder, und dem ganzen Volk Gottes, das an den Jubiläumsfeiern teilnimmt, von Herzen den Apostolischen Segen als Unterpfand reicher himmlischer Gnaden. Aus dem Vatikan am 2. August, 1993, im 15. Jahr meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II 1013 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Veritatis splendor Enzyklika an alle Bischöfe der katholischen Kirche über einige grundlegende Fragen der kirchlichen Morallehre vom 6. August Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt! Gruß und Apostolischen Segen! Der Glanz der Wahrheit erstrahlt in den Werken des Schöpfers und in besonderer Weise in dem nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffenen Menschen (vgl. Gen 1,26): die Wahrheit erleuchtet den Verstand und formt die Freiheit des Menschen, der auf diese Weise angeleitet wird, den Herrn zu erkennen und zu heben. Darum betet der Psälmist: „Herr, laß dein Angesicht über uns leuchten!” (Ps 4,7). Einleitung Jesus Christus, das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet 1. Durch den Glauben an Jesus Christus, „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet” {Joh 1,9), zum Heil berufen, werden die Menschen „Licht durch den Herrn” und „Kinder des Lichts” (Eph 5,8) und heiligen sich durch den „Gehorsam gegenüber der Wahrheit” (7 Petr 1,22). Dieser Gehorsam ist nicht immer leicht. In der Folge der geheimnisvollen Ursünde, begangen auf Anstiftung Satans, der „ein Lügner und der Vater der Lüge ist” {Joh 8,44), ist der Mensch immerfort versucht, seinen Blick vom lebendigen und wahren Gott ab- und den Götzen zuzuwenden (vgl. 1 Thess 1,9), während er „die Wahrheit Gottes mit der Lüge” vertauscht (Röm 1,25); damit wird auch seine Fähigkeit, die Wahrheit zu erkennen, beeinträchtigt und sein Wille, sich ihr zu unterwerfen, geschwächt. Und so geht er, während er sich dem Relativismus und Skeptizismus überläßt (vgl. Joh 18,38), auf die Suche nach einer trügerischen Freiheit außerhalb dieser Wahrheit. Aber keine Finsternis des Irrtums und der Sünde vermag das Licht des Schöpfergottes im Menschen völlig auszulöschen. In der Tiefe seines Herzens besteht immer weiter die Sehnsucht nach der absoluten Wahrheit und das Verlangen, in den Vollbesitz ihrer Erkenntnis zu gelangen. Davon gibt das unermüdliche menschliche Suchen und Forschen auf jedem Gebiet ein beredtes Zeugnis. Das beweist noch mehr die Suche nach dem Sinn des Lebens. Die Entwicklung von Wissenschaft und Technik ist zwar ein großartiges Zeugnis der Fähigkeit des Verstandes und der Ausdauer der Menschen, befreit aber die Menschheit nicht davon, sich letzte religiöse Fragen zu stellen, sie spornt sie vielmehr dazu an, die schmerzlichsten und entscheidendsten Kämpfe, jene im Herzen und im Gewissen, auszutragen. 2. Jeder Mensch muß sich den grundlegenden Fragen stellen: Was soll ich tun? Wie ist das Gute vom Bösen zu unterscheiden? Die Antwort ist, wie der Psalmist be- 1014 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zeugt, nur möglich dank des Glanzes der Wahrheit, die im Innersten des menschlichen Geistes erstrahlt: „Viele sagen: ,Wer macht uns das Gute sehen?’ Herr, laß dein Angesicht über uns leuchten!” (Ps 4,7). Gott läßt sein Angesicht in seiner ganzen Schönheit leuchten über dem Angesicht Jesu Christi, „Ebenbild des unsichtbaren Gottes” (Kol 1,15), „Abglanz seiner Herrlichkeit” (Hebr 1,3), „voll Gnade und Wahrheit” (Joh 1,14): Er ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6). Darum wird die entscheidende Antwort auf jede Frage des Menschen, insbesondere auf seine religiösen und moralischen Fragen, von Jesus Christus gegeben, ja ist Jesus Christus selbst die Antwort, wie das II. Vatikanische Konzil in Erinnerung bringt: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf. Denn Adam, der erste Mensch, war das Vorausbild des zukünftigen, nämlich Christi des Herrn. Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung”. Jesus Christus, „das Licht der Völker”, erleuchtet das Angesicht seiner Kirche, die er in die ganze Welt aussendet, ahen Geschöpfen das Evangehum zu verkünden (vgl. Mk 12,15). So bietet die Kirche, Volk Gottes inmitten der Nationen, während sie die neuen Herausforderungen der Geschichte und die Bemühungen berücksichtigt, die die Menschen bei der Suche nach dem Sinn des Lebens unternehmen, allen die Antwort an, die aus der Wahrheit Jesu Christi und seines Evangeliums herrührt. In der Kirche ist immer das Bewußtsein lebendig, daß ihr „allzeit die Pflicht (obliegt), nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben”. 3. In diesem Bemühen sind die Bischöfe der Kirche in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri den Gläubigen nahe, sie begleiten und lenken sie mit ihrem Lehramt, wobei sie immer neue Akzente für Liebe und Barmherzigkeit finden, um sich nicht nur an die Gläubigen, sondern an alle Menschen guten Willens zu wenden. Das n. Vatikanische Konzil bleibt ein hervorragendes Zeugnis für diese Haltung der Küche, die sich, „erfahren in den Fragen, die den Menschen betreffen”, in den Dienst jedes Menschen und des ganzen Menschen stellt. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 1. Vgl. ebd., Nr. 9. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 4. Paul VI., Ansprache an die Vollversammlung der Vereinten Nationen, (4. Oktober 1965): AA557(1965)878; Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967), Nr. 13: AAS59(1967)263-264. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 33. 1015 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche weiß, daß der moralische Anspruch jeden Menschen im Innersten erreicht, daß er alle miteinbezieht, auch jene, die Christus und sein Evangelium nicht kennen und nicht einmal etwas von Gott wissen. Sie weiß, daß eben auf dem Weg des sittlichen Lebens allen der Weg zum Heil offensteht, woran das II. Vatikanische Konzil mit aller Klarheit erinnert, wenn es schreibt: „Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott aber aus ehrlichem Herzen sucht, seinen im Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluß der Gnade in der Tat zu erfüllen trachtet, kann das ewige Heil erlangen” . Und es fügt hinzu: „Die göttliche Vorsehung verweigert auch denen das zum Heil Notwendige nicht, die ohne Schuld noch nicht zur ausdrücklichen Anerkennung Gottes gekommen sind, jedoch, nicht ohne die göttliche Gnade, ein rechtes Leben zu führen sich bemühen. Was sich nämlich an Gutem und Wahrem bei ihnen findet, wird von der Kirche als Vorbereitung für die Frohbotschaft und als Gabe dessen geschätzt, der jeden Menschen erleuchtet, damit er schließlich das Leben habe”. Gegenstand der vorliegenden Enzyklika 4. Seit jeher, aber vor allem im Lauf der beiden letzten Jahrhunderte haben die Päpste sowohl persönlich wie gemeinsam mit dem Bischofskollegium eine Sittenlehre entwickelt und vorgelegt, die die vielfältigen und verschiedenen Bereiche des menschlichen Lebens berücksichtigt. Im Namen und mit der Autorität Jesu Christi haben sie ermahnt, verkündet, erklärt; in Treue zu ihrer Sendung, im Ringen für den Menschen haben sie bestärkt, aüfgerichtet und getröstet; mit der Garantie des Beistands des Geistes der Wahrheit haben sie zu einem besseren Verständnis der sittlichen Ansprüche im Bereich der menschlichen Sexualität, der Familie, des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens beigetragen. Ihre Lehre stellt sowohl innerhalb der Überheferung der Kirche wie der Menschheitsgeschichte eine ständige Vertiefung der sittlichen Erkenntnis dar. Doch heute erscheint es notwendig, über die Morallehre der Kirche insgesamt nachzudenken, mit der klaren Zielsetzung, einige fundamentale Wahrheiten der katholischen Lehre in Erinnerung zu rufen, die im heutigen Kontext Gefahr laufen, verfälscht oder verneint zu werden. Es ist nämlich eine neue Situation gerade innerhalb der christlichen Gemeinschaft entstanden, die hinsichtlich der sittlichen Lehren der Kirche die Verbreitung vielfältiger Zweifel und Einwände menschlicher und psychologischer, sozialer und kultureller, religiöser und auch im eigentlichen Sinne theologischer Art erfahren hat. Es handelt sich nicht mehr um begrenzte und gelegentliche Einwände, sondern um eine globale und systematische Infragestellung der sittlichen Lehrüberlieferung aufgrund bestimmter anthropologischer und ethischer Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 16. Pius XII. hatte bereits diese theoretische Lehrentwicklung erkennen lassen. Vgl. Radiobotschaft zum 50. Jahrestag von Rerum novantm (1. Juni 1941): AAS33(1941)194f. Ebenso Johannes XXIII., Enzyklika Mater et magistra (15. Mai 1961): A<45'53(1961)410-413. 1016 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auffassungen. Diese haben ihre Wurzel in dem mehr oder weniger verborgenen Einfluß von Denkströmungen, die schließlich die menschliche Freiheit der Verwurzelung in dem ihr wesentlichen und für sie bestimmenden Bezug zur Wahrheit beraubt. So wird die herkömmliche Lehre über das Naturgesetz, über die Universalität und bleibende Gültigkeit seiner Gebote abgelehnt; Teile der kirchlichen Moralverkündigung werden für schlechthin unannehmbar gehalten; man ist der Meinung, das Lehramt dürfe sich in Moralfragen nur einmischen, um die „Gewissen zu ermahnen” und „Werte vorzulegen”, nach denen dann ein jeder autonom die Entscheidungen und Entschlüsse seines Lebens inspirieren wird. Hervorgehoben werden muß im besonderen die Diskrepanz zwischen der herkömmlichen Antwort der Kirche und einigen, auch in den Priesterseminaren und an den theologischen Fakultäten verbreiteten theologischen Einstellungen zu Fragen, die für die Kirche und für das Glaubensleben der Christen, ja für das menschliche Zusammenleben überhaupt, von allergrößter Bedeutung sind. Hier wird insbesondere gefragt: Besitzen die Gebote Gottes, die dem Menschen ins Herz geschrieben sind und Bestandteil des Bundes Gottes mit ihm sind, tatsächlich die Fähigkeit, die täglichen Entscheidungen der einzelnen Menschen und der gesamten Gesellschaft zu erleuchten? Ist es möglich, Gott zu gehorchen und damit Gott und den Nächsten zu heben, ohne diese Gebote unter allen Umständen zu respektieren? Verbreitet ist auch der Zweifel am engen und untrennbaren Zusammenhang zwischen Glaube und Moral, so als würde sich die Zugehörigkeit zur Kirche und deren innere Einheit allein durch den Glauben entscheiden, während man in Sachen Moral einen Pluralismus von Anschauungen und Verhaltensweisen dulden könnte, je nach Urteil des individuellen subjektiven Gewissens bzw. der Verschiedenheit der sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen. 5. In einem derartigen noch immer aktuellen Kontext ist in mir der Entschluß gereift, eine Enzyklika zu schreiben, die - wie ich in dem am 1. August 1987 aus Anlaß des 200. Todestages des hl. Alfonso Maria von Liguori veröffentlichten Apostolischen Schreiben Spiritus Domini angekündigt habe - „umfassender und gründlicher die Fragen, die die eigentlichen Grundlagen der Moraltheologie betreffen”, behandeln soll, Grundlagen, die durch einige Richtungen der heutigen Moraltheologie angegriffen werden. Ich wende mich an euch, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, die ihr mit mir die Verantwortung teilt, die „gesunde Lehre” (2 Tim 4,3) zu bewahren, mit der Absicht, einige Aspekte der Lehre zu präzisieren, die entscheidend sind, um dem zu begegnen, was man wohl ohne Zweifel eine echte Krise nennen muß, so ernst sind die Schwierigkeiten, die daraus für das moralische Leben der Gläubigen und für die Gemeinschaft in der Kirche wie auch für ein gerechtes und solidarisches soziales Leben folgen. Apost. Schreiben Spiritus Domini (1. August 1987): AAS79(1987)1374. 1017 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn diese seit langem erwartete Enzyklika erst jetzt veröffentlicht wird, dann auch deshalb, weil es angebracht erschien, ihr den Katechismus der katholischen Kirche vorausgehen zu lassen, der eine vollständige und systematische Darlegung der christlichen Morallehre enthält. Der Katechismus stellt das sittliche Leben der Gläubigen in seinen Grundlagen und in seinen vielfältigen Inhalten als Leben der „Kinder Gottes” vor: „Im Glauben ihrer neuen Würde bewußt, sollen die Christen fortan so leben, ,wie es dem Evangelium Christi entspricht’ (Phil 1,27). Sie werden dazu befähigt durch die Gnade Christi und die Gabe seines Geistes, die sie durch die Sakramente und das Gebet erhalten”. Indem sie auf den Katechismus „als sicheren und maßgebenden Text für die Unterweisung in der katholischen Lehre” verweist, wird sich die Enzyklika darauf beschränken, sich mit einigen grundlegenden Fragen der Morallehre der Kirche auseinanderzusetzen, und. dies in Form einer notwendigen Klärung von Problemen, die unter den Ethikem und Moraltheologen umstritten sind. Das ist das spezifische Thema der vorliegenden Enzyklika, der es dämm geht, hinsichtlich der erläuterten Probleme die Erfordernisse einer auf die Heilige Schrift und die lebendige apostolische Überlieferung gegründeten Morallehre darzulegen und zugleich die Voraussetzungen und Folgen der Entgegnungen aufzuzeigen, die sich gegen diese Lehre richteten. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1692. Apost. Konstitution Fidei depositum (11. Oktober 1992), Nr. 4. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 10. 1018 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapitel I „Meister, was muß ich Gutes tun?” (Mt 19,16) Christus und die Antwort auf die moralische Frage „Es kam ein Mann zu Jesus ... ” (Mt 19,16) 6. Das Gespräch Jesu mit dem reichen Jüngling, das im 19. Kapitel des Evangeliums des hl. Matthäus wiedergegeben wird, kann uns eine nützliche Spur sein, um seine Morallehre in lebendiger, eindringlicher Weise neu zu hören: „Es kam ein Mann zu Jesus und fragte: Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Er antwortete: Was fragst du mich nach dem Guten? Nur einer ist ,der Gute’. Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote! Darauf fragte er ihn: Welche? Jesus antwortete: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen; ehre Vater und Mutter! Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Der junge Mann erwiderte ihm: Alle diese Gebote habe ich befolgt. Was fehlt mir jetzt noch? Jesus antwortete ihm: Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach” {Mt 19,16-21). 7. „Es kam ein Mann zu Jesus ...”. In dem jungen Mann, dessen Namen das Matthäusevangelium nicht nennt, können wir jeden Menschen erkennen, der, bewußt oder unbewußt, an Christus, den Erlöser des Menschen, herantritt und ihm die moralische Frage stellt. Für den jungen Mann ist es nicht zuerst eine Frage nach den Regeln, die befolgt werden müssen, als vielmehr eine Frage nach Sinnerfilllung für das Leben. Und in der Tat liegt dem Menschen bei jeder Entscheidung und jeder Handlung dieses Verlangen am Herzen; es ist die stille Suche und der innere Anstoß, der die Freiheit in Bewegung setzt. Diese Frage ist letzten Endes ein Appell an das absolute Gute, das uns anzieht und uns zu sich ruft, sie ist der Widerhall einer Berufung durch Gott, Ursprung und Ziel des Lebens des Menschen. Genau aus dieser Sicht hat das n. Vatikanische Konzil dazu aufgefordert, die Moraltheologie so zu vervollkommnen, daß sie die Erhabenheit der Berufung, die die Gläubigen in Christus empfangen haben, als die einzige Antwort darlegt, die die Sehnsucht des Menschenherzens voll stillt. Damit die Menschen diese „Begegnung” mit Christus verwirklichen können, hat Gott seine Kirche gewollt. In der Tat, „diesem Ziel allein möchte die Kirche dienen: Vgl. Apostolisches Schreiben Parati semper an die Jugendlichen der Welt anläßlich des Internationalen Jahres der Jugend (31. März 1985), Nr. 2-8: AAS77(l985)581-600. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Priesterausbildung Optatam totius, Nr. 16. 1019 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jeder Mensch soll Christus finden können, damit Christus jeden einzelnen auf seinem Lebensweg begleiten kann”. „Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” (Mt 19,16) 8. Aus der Tiefe des Herzens kommt die Frage, die der reiche Jüngling an Jesus von Nazaret richtet, eine Frage, die fiir das Leben jedes Menschen wesentlich und unausweichlich ist: denn sie betrifft das im eigenen Tun zu vollbringende sittlich Gute und das ewige Leben. Der Gesprächspartner Jesu ahnt, daß ein Zusammenhang zwischen dem sittlich Guten und der vollen Erfüllung der eigenen Bestimmung besteht. Er ist ein frommer Jude, der sozusagen im Schatten des Gesetzes des Herrn aufgewachsen ist. Wenn er Jesus diese Frage stellt, dürfen wir annehmen, daß er das nicht deshalb tut, weil er die im Gesetz enthaltene Antwort nicht kennt. Wahrscheinlicher ist, daß die Ausstrahlung der Person Jesu in ihm neue Fragen bezüglich des sittlich Guten aufbrechen ließ. Er spürt das Bedürfnis, dem zu begegnen, der seine Predigttätigkeit mit dieser neuen, entscheidenden Ankündigung begonnen hatte: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!” (Mk 1,15). Der Mensch von heute muß sich aufs neue an Christus wenden, um von ihm die Antwort darauf zu erhalten, was gut und was schlecht ist. Er ist der Meister, der Auferstandene, der das Leben in sich hat und der in seiner Kirche und in der Welt immer gegenwärtig ist. Er erschließt den Gläubigen das Buch der Schrift und lehrt durch die volle Offenbarung des Willens des Vaters die Wahrheit über das sittliche Handeln. Am Ursprung und am Höhepunkt des Heilsplanes, des Alphas und Omegas der menschlichen Geschichte (vgl. Ojfb 1,8; 21,6; 22,13), enthüllt Christus die Lage des Menschen und seine volle Berufung. Darum muß sich „der Mensch, der sich selbst bis in die Tiefe verstehen will - nicht nur nach unmittelbar zugänglichen, partiellen, oft oberflächlichen und sogar nur scheinbaren Kriterien und Maßstäben des eigenen Seins -, mit seiner Unruhe, Unsicherheit und auch mit seiner Schwäche und Sündigkeit, mit seinem Leben und Tod Christus nahen. Er muß sozusagen mit seinem ganzen Selbst in ihn eintreten, muß sich die ganze Wirklichkeit der Menschwerdung und der Erlösung ,aneignen’ und assimilieren, um sich selbst zu finden. Wenn sich in ihm dieser tiefgreifende Prozeß vollzieht, wird er nicht nur zur Anbetung Gottes veranlaßt, sondern gerät auch in tiefes Staunen über sich selbst”. Wenn wir also in das Innerste der Moral des Evangeliums Vordringen und ihren tiefen und unwandelbaren Inhalt erfassen wollen, müssen wir sorgfältig den Sinn der von dem reichen Jüngling des Evangeliums gestellten Frage und mehr noch den Sinn der Antwort Jesu erforschen, indem wir uns von ihm leiten lassen. Jesus antwortet Enzyklika Redemptor Hominis (4. März 1979), Nr. 13: A4571(1979)282. Ebd., Nr. 10: aaO., 274. 1020 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nämlich mit pädagogischer Einfühlung und Behutsamkeit, indem er den jungen Mann gleichsam an der Hand nimmt und Schritt für Schritt zur Wahrheit hinführt. „ Nur einer ist, der Gute ’ ” (Mt 19,17) 9. Jesus sagt: „Was fragst du mich nach dem Guten? Nur einer ist ,der Gute’. Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote!” (Mt 19,17). In der Fassung der Evangelisten Markus und Lukas lautet die Frage so: „Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen” (Mk 10,18; vgl. Lk 18,19). Bevor Jesus auf die Frage antwortet, möchte er, daß der junge Mann sich selbst über das Motiv seiner Frage klar wird. Der „gute Meister” weist seinen Gesprächspartner - und uns alle - darauf hin, daß die Antwort auf die Frage: „Was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?”, nur dadurch gefunden werden kann, daß sich Verstand und Herz dem zuwenden, der „allein der Gute” ist: „Niemand ist gut außer Gott, dem Einen” (Mk 10,18; vgl. Lk 18,19). Nur Gott kann auf die Frage nach dem Guten antworten, weil er das Gute ist. In der Tat bedeutet, sich nach dem Guten zu fragen, letzten Endes, sich Gott, der Fülle des Guten, zuzuwenden. Jesus zeigt, daß die Frage des jungen Mannes in der Tat eine religiöse Frage ist und daß das Gute, das den Menschen anzieht und zugleich verpflichtet, seine Quelle in Gott hat, ja Gott selber ist. Er, der allein würdig ist, „mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit allen Gedanken” (Mt 22,37) gebebt zu werden. Jesus führt die Frage nach dem sittlich guten Tun zurück auf ihre religiösen Wurzeln, auf die Anerkennung Gottes, des einzig Guten, Fülle des Lebens, Endziel des menschlichen Handelns, vollkommene Glückseligkeit. 10. Die von den Worten des Meisters unterwiesene Kirche glaubt, daß der Mensch, der nach dem Abbild des Schöpfers geschaffen, mit dem Blut Christi erlöst und von der Gegenwart des Heiligen Geistes geheiligt wurde, als Endziel seines Lebens das Sein „zum Lob der Herrlichkeif ’ Gottes hat (vgl. Eph 1,12), indem er bewirkt, daß jede seiner Handlungen dessen Herrlichkeit widerspiegelt. „Erkenne dich also selbst, o schöne Seele: du bist das Abbild Gottes - schreibt der hl. Ambrosius. Erkenne dich selbst, o Mensch: du bist dev Abglanz Gottes (1 Kor 11,7). Höre, in welcher Weise du sein Abglanz bist. Der Prophet sagt: Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen, zu hoch, ich kann es nicht begreifen (Ps 139,6), das heißt: in meinem Tun ist deine Majestät am wunderbarsten, deine Weisheit wird im Verstand des Menschen gepriesen. Während ich, den du in den geheimsten Gedanken und tiefsten Gefühlen durchschaust, mich selbst betrachte, erkenne ich die Geheimnisse deines Wissens. Erkenne dich also selbst, o Mensch, erkenne, wie groß du bist, und wache über dich ...”. Was der Mensch ist und tun soll, wird offenkundig im Augenblick der Selbstoffenbarung Gottes. Die Zehn Gebote gründen sich in der Tat auf die Worte: „Ich bin Exameron, dies VI, senno IX, 8, 50: CSEL 32, 241. 1021 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten herausgeführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben” (Ex 20,2-3). „In den zehn Weisungen” des Bundes mit Israel und im ganzen Gesetz gibt sich Gott als der zu erkennen, der „allein gut ist”; als der, der trotz der Sünde des Menschen weiterhin das „Modell” des sittlichen Handelns bleibt, seiner eigenen Aufforderung entsprechend: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig” (Lev 19,2); als der, der seiner Liebe zum Menschen getreu, ihm sein Gesetz schenkt (vgl. Ex 19,9-24 und 20,18-21), um die ursprüngliche Harmonie mit dem Schöpfer und mit der ganzen Schöpfung wiederherzustellen, und noch mehr, um ihn in seine Liebe einzuführen: „Ich gehe in eurer Mitte; ich bin euer Gott, und ihr seid mein Volk” (Lev 26,12). Das sittliche Leben erscheint als geschuldete Antwort auf die freien Initiativen, die Gottes Liebe dem Menschen unbegrenzt zuteil werden läßt. Es ist nach der Aussage, die das Buch Deuteronomium über das grundlegende Gebot macht, eine Antwort der Liebe: „Höre Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, heben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen” (Dtn 6,4-7). So ist das in die unverdiente Liebe Gottes eingebettete sittliche Leben dazu berufen, Gottes Herrlichkeit widerzuspiegeln: „Für den, der Gott hebt, genügt es, dem zu gefallen, den er hebt: er braucht nach keinem anderen, größeren Entgelt für diese Liebe zu suchen; denn die Liebe stammt so von Gott, daß Gott selbst Liebe ist”. 11. Die Feststellung, daß „nur einer gut ist”, verweist uns also auf die „erste Tafel” der Gebote, die dazu aufruft, Gott als den einzigen Herrn und den Absoluten anzuerkennen und aufgrund seiner unergründlichen Heihgkeit nur ihn zu verehren (vgl. Ex 20,2-11). Das Gute besteht darin, Gott zu gehören, ihm zu gehorchen, demütig mit ihm unseren Weg zu gehen, Gerechtigkeit zu üben und die Güte zu heben (vgl. Mich 6,8). Den Herrn als Gott anzuerkennen, ist der fundamentale Kern, das Herzstück des Gesetzes, von dem sich die einzelnen Gebote herleiten und dem sie untergeordnet sind. Durch die Moral der Gebote wird die Zugehörigkeit des Volkes Israel zum Herrn offenkundig, denn Gott allein ist derjenige, der gut ist. Das ist das Zeugnis der Heiligen Schrift, die auf jeder ihrer Seiten von der Wahrnehmung der absoluten Heihgkeit Gottes durchdrungen ist: „Heilig, heihg, heilig ist der Herr der Heere” (Jes 6,3). Aber wenn nur Gott das Gute ist, gehngt es keiner menschlichen Anstrengung, auch nicht der strengsten Einhaltung der Gebote, das Gesetz „zu erfüllen”, das heißt den Herrn als Gott anzuerkennen und ihm die nur ihm allein gebührende Verehrung zu erweisen (vgl. Mt4,10). Die „Erfüllung” kann nur von einem Geschenk Gottes herkommen: es ist das Angebot einer Teilhabe am götthchen Gutsein, das sich in Jesus offenbart und mitteilt, ihm, den der reiche Jüngling mit den Worten „guter Meister” anredet (vgl. Mk 10,17; Lk 18,18). Was der junge Mann jetzt vielleicht nur Leo der Grosse, Serrno XCII, cap. III: PL 54, 454. 1022 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu ahnen vermag, wird schließlich von Jesus selbst voll enthüllt werden in seiner Aufforderung: „Komm und folge mir nach!” (Mt 19,21). „Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote” (Mt 19,17) 12. Nur Gott vermag auf die Frage nach dem Guten zu antworten, weil er das Gute ist. Aber Gott hat bereits auf diese Frage geantwortet: Er hat das dadurch getan, daß er den Menschen geschaffen und mit Weisheit und Liebe durch das ihm ins Herz geschriebene Gesetz (vgl. Röm 2,15), das „natürliche Gesetz”, auf sein Ziel hingeordnet hat. Dieses natürliche Gesetz ist „nichts anderes als das von Gott uns eingegebene Licht des Verstandes. Dank seiner wissen wir, was man tun und was man meiden soll. Dieses Licht und dieses Gesetz hat Gott uns bei der Erschaffung geschenkt”. Er hat es dann in der Geschichte Israels im besonderen mit den „zehn Worten”, das heißt mit den Geboten vom Sinai, getan, durch die Gott die Existenz des Bundesvolkes begründet (vgl. Ex 24) und es dazu berufen hat, „unter allen Völkern sein besonderes Eigentum”, „ein heiliges Volk” zu sein (vgl. Ex 19,5-6), das seine Heiligkeit unter allen Völkern erstrahlen lassen möge (vgl. Weish 18,4; Ez 20,41). Das Geschenk der Zehn Gebote ist Verheißung und Zeichen des Neuen Bundes, wenn das Gesetz wiederum und endgültig in das Herz des Menschen hineingeschrieben werden wird (vgl. Jer 31,31-34) und an die Stelle des Gesetzes der Sünde tritt, die dieses Herz entstellt hatte (vgl. Jer 17,1). Dann wird ihm „ein neues Herz” geschenkt, denn in ihm wird „ein neuer Geist”, der Geist Gottes, wohnen (vgl. Ez 36,24-28). Nach der bedeutsamen Präzisierung: „Nur einer ist ,der Gute’” antwortet Jesus daher dem jungen Mann: „Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote” (Mt 19,17). Damit wird ein enger Zusammenhang zwischen dem ewigen Leben und der Befolgung der Gebote Gottes hergestellt: die Gebote Gottes weisen dem Menschen den Weg des Lebens und geleiten ihn zu ihm. Aus dem Mund Jesu, des neuen Mose, werden den Menschen die Gebote des Dekalogs wiedergeschenkt; er selbst bestätigt sie endgültig und stellt sie uns als Weg und Bedingung des Heils vor. Das Gebot verbindet sich mit einer Verheißung: im Alten Bund war Gegenstand der Verheißung der Besitz eines Landes, in dem das Volk ein Dasein in Freiheit und Gerechtigkeit führen können sollte (vgl. Dtn 6,20-25); im Neuen Bund ist Gegenstand der Verheißung das „Himmelreich”, wie Jesus zu Beginn der Bergpredigt -der Rede, die die umfassendste und vollständigste Darlegung des Neuen Gesetzes enthält (vgl. Mt 5-7) - in offenkundiger Bezugnahme auf die Mose von Gott am Berg Sinai übergebenen Zehn Gebote sagt. Auf dieselbe Wirklichkeit des Himmelreiches bezieht sich der Ausdruck „ewiges Leben”, das Teilnahme am Leben Gottes Hl. Thomas v. Aquin, In duo praecepta caritatis et in decem legis praecepta. Prologus: Opuscitla theologica, II, n. 1129, Ed. Taurinens. (1954), 245; vgl. Summa Theologiae, I-II, q. 91, a. 2; Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1955. Vgl. Hl. Maximus Confessor, Quaestiones ad Thalassium, Q. 64: PG 90,723-728. 1023 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN selbst ist: es findet seine vollkommene Verwirklichung erst nach dem Tod, ist aber im Glauben schon jetzt Licht der Wahrheit, Sinnquelle für das Leben, beginnende Teilhabe an einer Fülle in der Nachfolge Christi. Jesus sagt nämlich nach der Begegnung mit dem reichen Jüngling zu den Jüngern: „Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder, Schwestern, Vater, Mutter, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben gewinnen” (Mt 19,29). 13. Die Antwort Jesu genügt dem jungen Mann nicht, und er fragt den Meister weiter nach den Geboten, die befolgt werden sollen: „Darauf fragte er ihn: Welche?” (Mt 19,18). Er fragt, was er im Leben tun müsse, um die Anerkennung der Heiligkeit Gottes kundzutun. Nachdem Jesus den Blick des jungen Mannes auf Gott hingelenkt hat, erinnert er ihn an die Gebote des Dekalogs, die sich auf den Nächsten beziehen: „Jesus antwortete: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, ehre Vater und Mutter! Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst” (Mt 19,18-19). Aus dem Gesprächszusammenhang, und insbesondere aus dem Vergleich des Textes bei Matthäus mit den Parallelstellen bei Markus und Lukas, ergibt sich, daß Jesus nicht daran denkt, alle Gebote, die notwendig sind, um „das Leben zu erlangen”, einzeln aufzuzählen, sondern daß es ihm vielmehr darum geht, den jungen Mann hinzuweisen auf die „zentrale Stellung” der Zehn Gebote allen anderen Geboten gegenüber als Deutung dessen, was für den Menschen „Ich bin der Herr, dein Gott” bedeutet. Es kann unserer Aufmerksamkeit also nicht entgehen, an welche Gebote des Gesetzes der Herr den jungen Mann erinnert: es sind einige Gebote, die zur sogenannten „zweiten Tafel” des Dekalogs gehören, deren Zusammenfassung (vgl. Röm 13,8-10) und Fundament das Gebot der Nächstenliebe ist: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst” (Mt 19,19; vgl. Mk 12,31). In diesem Gebot kommt sein-klar die einzigartige Würde der menschlichen Person zum Ausdruck, die „das einzige Geschöpf ist, das Gott um seiner selbst willen gewollt hat”. Die verschiedenen Gebote des Dekalogs spiegeln in der Tat nur das einzige auf das Wohl der Person hingeordnete Gebot auf der Ebene der vielfältigen Güter wider, die die Identität der menschlichen Person als geistiges und leibliches Wesen in Beziehung zu Gott, zum Nächsten und zur Welt der Dinge kennzeichnen. Wie wir im Katechismus der katholischen Kirche lesen, „sind die Zehn Gebote Teil der Offenbarung Gottes. Zugleich lehren sie uns die wahre Natur des Menschen. Sie heben seine wesentlichen Pflichten hervor und damit indirekt auch die Grundrechte, die der Natur der menschlichen Person innewohnen.” Die Gebote, an die Jesus seinen jungen Gesprächspartner erinnert, sind dazu bestimmt, das Wohl der Person, Ebenbild Gottes, durch den Schutz seiner Güter zu II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 24. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2070. 1024 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wahren. „Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen”, sind sittliche Regeln, die als Verbote formuliert sind. Die negativen Vorschriften bringen besonders kraftvoll die ununterdrückbare Forderung zum Ausdruck, das menschliche Leben, die Personengemeinschaft in der Ehe, das Privateigentum, die Wahrhaftigkeit und den guten Ruf zu schützen. Die Gebote stellen also die Grundvoraussetzung für die Nächstenliebe dar; zugleich dienen sie ihrer Überprüfung. Sie sind die erste notwendige Etappe auf dem Weg zur Freiheit, ihr Anfang: „Die erste Freiheit - schreibt der hl. Augustinus - besteht im Freisein von schuldhaftem Versagen: das wären z. B. Mord, Ehebmch, Unzucht, Diebstahl, Betrug, Gotteslästerung usw. Wenn einer beginnt, nichts mit diesen Untaten zu tun zu haben (und kein Christ darf etwas mit ihnen zu tun haben), beginnt er, das Haupt zur Freiheit hin zu erheben, doch das ist erst der Anfang der Freiheit, nicht die vollkommene Freiheit ...”. 14. Das heißt selbstverständlich nicht, daß Jesus der Nächstenliebe Vorrang einräumen oder sie gar von der Gottesliebe trennen möchte. Das Gegenteil ist der Fall, wie sein Gespräch mit dem Gesetzeslehrer beweist: als dieser ihm eine ganz ähnliche Frage wie der reiche Jüngling stellt, sieht er sich von Jesus auf die beiden Gebote der Gottesliebe und der Nächstenliebe verwiesen (vgl. Lk 10,25-27) und dazu aufgefordert, sich zu erinnern, daß nur ihre Befolgung zum ewigen Leben führen kann: „Handle danach, und du wirst leben” (Lk 10,28). Bezeichnend ist allerdings, daß gerade das zweite dieser Gebote die Neugier und die Frage des Gesetzeslehrers auslöst: „Und wer ist mein Nächster?” (Lk 10,29). Der Meister antwortet mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter, dem Schlüsselgleichnis für das volle Verständnis des Gebotes der Nächstenliebe (vgl. Lk 10,30-37). Die beiden Gebote, an denen „das ganze Gesetz hängt samt den Propheten” (Mt 22,40), sind zutiefst miteinander verbunden und durchdringen sich gegenseitig. Ihre unauflösliche Einheit wird von Christus mit den Worten und mit dem Leben bezeugt: seine Sendung erreicht ihren Höhepunkt in dem Kreuz, das die Erlösung bringt (vgl. Jöh 3,14-15), Zeichen seiner unteilbaren Liebe zum Vater und zur Menschheit (vgl. Joh 13,1). Sowohl das Alte wie das Neue Testament bringen sehr klar zum Ausdruck, daß ohne die Nächstenliebe, die sich in der Einhaltung der Gebote konkretisiert, die echte Gottesliebe nicht möglich ist. Mit außerordentlicher Wortgewalt schreibt der hl. Johannes: „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht hebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht” (1 Joh 4,20). Der Evangelist pflichtet der moralischen Verkündigung Christi bei, die in dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,30-37) und in der „Rede” vom Weltgericht auf bewundernswerte und unmißverständliche Weise Ausdruck findet (vgl. Mt 25,31-46). ln Johannis Evangelium Tractatus, 41, 10: CCL 36, 363. 1025 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 15. In der „Bergpredigt”, die gleichsam die Magna Charta der Moral des Evangeliums darstellt, sagt Jesus: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aüfzuheben, sondern um zu erfüllen” (Mt 5,17). Christus ist die Schlüsselfigur der Heiligen Schrift: „Ihr erforscht die Schriften: gerade sie legen Zeugnis über mich ab” (vgl. Joh 5,39); er ist der Mittelpunkt des Heilsplanes, die Zusammenfassung des Alten und des Neuen Testamentes, der Verheißungen des Gesetzes und ihrer Erfüllung im Evangelium; er ist die lebendige und ewige Verbindung zwischen dem Alten und dem Neuen Bund. In seinem Kommentar zur 'Feststellung des Paulus, „Christus ist das Ende des Gesetzes” (Röm 10,4), schreibt der hl. Ambrosius: „Ende nicht als Wegfall, sondern als Fülle des Gesetzes: dieses erfüllt sich in Christus (plenitudo legis in Christo est) von dem Augenblick an, wo er gekommen ist, nicht das Gesetz aufzulösen, sondern es zu Ende zu führen, es zu erfüllen. Ebenso wie es ein Altes Testament gibt, aber alle Wahrheit im Neuen Testament ist, so geschieht es auch mit dem Gesetz: jenes Gesetz, das durch Mose gegeben worden ist, ist Sinnbild des wahren Gesetzes. Jenes mosaische Gesetz ist also Nachbildung der Wahrheit”. Jesus führt die Gebote Gottes, insbesondere das Gebot der Nächstenhebe, dadurch ihrer Erfüllung zu, daß er ihre Forderungen verinnerlicht und ihren Anforderungen größere Radikalität,verleiht: Die Liebe zum Nächsten entspringt einem Herzen, das hebt und das eben deshalb, weh es hebt, bereit ist, die höchsten Forderungen zu leben. Jesus zeigt, daß die Gebote nicht als eine nicht zu überschreitende Minimalgrenze verstanden werden dürfen, sondern vielmehr als eine Straße, die offen ist für einen sitthchen und geisthchen Weg der Vollkommenheit, deren Seele die Liebe ist (vgl. Kol 3,14). So wird das Gebot „Du sohst nicht töten” zum Aufruf zu einer fürsorglichen Liebe, die das lieben des Nächsten schützt und fördert; das Gebot, das den Ehebruch verbietet, wird zur Aufforderung zu einem reinen Blick, der imstande ist, die bräuthche Bedeutung des Leibes zu achten: „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein ... Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen” (Mt 5,21-22.27-28). Jesus selbst ist die lebendige „Erfüllung” des Gesetzes, da er die Bedeutung des Gesetzes mit der totalen Selbsthingabe lebt: er selbst wird in seinem Geist zum lebendigen und persönlichen Gesetz, das zu seiner Nachfolge einlädt, das die Gnade gewährt, sein Leben und seine Liebe zu teilen, und die Kraft bietet, in Entscheidungen und Taten von ihm Zeugnis zu geben (vgl. Joh 13,34-35). 24 25 Vgl. Hl. Augustinus, De Sermone Domini in Monte, I, 1, 1: CCL 35, 1-2. In Psalmum CXVIII Expositio, sermo 18, 37: PL 15, 1541; vgl. Hl. Chromatius von Aquileia, Tractatus in Mathaeum, XX, I, 1-4: CCL 9/A, 291-292. 1026 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „ Wenn du vollkommen sein willst ” (Mt 19,21) 16. Die Antwort über die Gebote befriedigt den jungen Mann nicht, der Jesus fragt: „Alle diese Gebote habe ich befolgt. Was fehlt mir jetzt noch?” (Mt 19,20). Es ist nicht leicht, mit gutem Gewissen zu sagen: „Alle diese Gebote habe ich befolgt”, wenn man nur halbwegs den tatsächlichen Bedeutungsreichtum der im Gesetz Gottes eingeschlossenen Forderungen begreift. Und dennoch, obwohl es ihm möglich ist, eine solche Antwort zu geben, und obwohl er von Kindheit an dem sittlichen Ideal mit Ernsthaftigkeit und Großmut gefolgt ist, weiß der reiche Jüngling, daß er vom Ziel noch weit entfernt ist: vor der Person Jesu wird er gewahr, daß ihm noch etwas fehlt. Auf das Bewußtsein dieses Mangels nimmt Jesus in seiner letzten Antwort Bezug: Indem der gute Meister die Sehnsucht nach einer Fülle, die über die legalistische Auslegung der Gebote hinausgeht, aufgreift, lädt er den jungen Mann ein, den Weg der Vollkommenheit einzuschlagen: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach” (Mt 19,21). Wie schon der vorhergehende Abschnitt der Antwort Jesu, so muß auch dieser Abschnitt im Zusammenhang der ganzen sittlichen Botschaft des Evangeliums und insbesondere im Zusammenhang der Bergpredigt, der Seligpreisungen (vgl. Mt 5,3-12) verstanden und interpretiert werden, deren erste ja die Seligpreisung der Armen ist, derer, „die arm sind vor Gott”, wie der hl. Matthäus präzisiert (Mt 5,3), das heißt der Demütigen. In diesem Sinne kann man sagen, auch die Seügpreisungen gehören in den Raum, der von der Antwort geöffnet wird, die Jesus auf die Frage des jungen Mannes gibt: „Was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” . In der Tat verheißt jede Seligpreisung nach einer je besonderen Sicht gerade jenes „Gute”, das den Menschen für das ewige Leben öffnet, ja das das ewige Leben selbst ist. Die Seligpreisungen haben nicht eigentlich konkrete Verhaltensnormen zum Gegenstand, sondern reden von inneren Haltungen und existentiellen Grundeinstellungen und decken sich daher nicht genau mit den Geboten. Andererseits besteht keine Trennung oder Diskrepanz zwischen den Seligpreisungen und den Geboten: beide beziehen sich auf das Gute, auf das ewige Leben. Die Bergpredigt beginnt mit der Verkündigung der Seügpreisungen, enthält aber auch den Bezug auf die Gebote (vgl. Mt 5,20-48). Gleichzeitig zeigt die Bergpredigt die Öffnung und Ausrichtung der Gebote auf die Perspektive der Vollkommenheit, die zu den Seligpreisungen gehört. Diese sind zunächst Verheißungen, aus denen indirekt auch normative Anweisungen für das sittliche Leben hervorgehen. In ihrer ursprünglichen Tiefe sind sie so etwas wie ein Selbstbildnis Christi und eben deshalb Einladungen zu seiner Nachfolge und zur Lebensgemeinschaft mit ihm. 17. Wir wissen nicht, wie weit der junge Mann des Evangeliums den tiefen und anspruchsvollen Inhalt der ersten Antwort verstanden hat, die ihm von Jesus gegeben 26 Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1717. 1027 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wurde: „Wenn du das Leben erlangen willst, halte die Gebote!”; es ist jedoch gewiß, daß der Eifer, den der junge Mann angesichts der sittlichen Forderungen der Gebote erkennen läßt, den unentbehrlichen Boden darstellt, auf dem das Verlangen nach Vollkommenheit keimen und reifen kann, also nach der Verwirklichung ihres Sinngehaltes in der Nachfolge Christi. Das Gespräch Jesu mit dem jungen Mann hilft uns, die Voraussetzungen für das sittliche Wachstum des zur Vollkommenheit berufenen Menschen zu begreifen: der junge Mann, der alle Gebote befolgt hat, erweist sich als unfähig, aus eigener Kraft den nächsten Schritt zu tun. Um ihn zu tun, bedarf es einer reifen menschlichen Freiheit: „Wenn du willst”, und des göttlichen Geschenkes der Gnade: „Komm und folge mir nach”. Die Vollkommenheit erfordert jene Reife in der Selbsthingabe, zu der die Freiheit des Menschen berufen ist. Jesus weist den jungen Mann auf die Gebote als die erste, unverzichtbare Voraussetzung hin, um das ewige Leben zu erlangen; die Aufgabe all dessen, was der junge Mann besitzt, und die Nachfolge des Herrn nehmen hingegen den Charakter eines Angebots an: „Wenn du ... willst”, Das Wort Jesu enthüllt die besondere Dynamik des Wachstums der Freiheit zur Reife und bezeugt zugleich die fundamentale Beziehung der Freiheit zum göttlichen Gesetz. Die Freiheit des Menschen und das Gesetz Gottes widersprechen sich nicht, sondern im Gegenteil, sie fordern einander. Der Jünger Christi weiß, daß seine Berufung eine Berufung zur Freiheit ist. „Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder” (Gal 5,13), verkündet der Apostel Paulus mit Freude und Stolz. Aber sogleich präzisiert er: „Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Heisch, sondern dient einander in Liebe!” 0ebd.). Die Festigkeit, mit der sich der Apostel dem widersetzt, der seine Rechtfertigung dem Gesetz anvertraut, hat nichts gemein mit der „Befreiung” des Menschen von den Geboten, die im Gegenteil im Dienst der praktisch geübten Liebe stehen: „Wer den andern liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren! und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefaßt : Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst” (Röm 13,8-9). Nachdem der hl. Augustinus von der Befolgung der Gebote als der ersten unvollkommenen Freiheit gesprochen hat, fährt er fort: „Warum noch nicht vollkommen?, wird mancher fragen. Weil ,ich spüre, daß in meinen Gliedern ein anderes Gesetz im Konflikt mit dem Gesetz meiner Vernunft steht’ ... Teils Freiheit, teils Knechtschaft: noch nicht vollkommen, noch nicht rein, noch nicht voll ist die Freiheit, weil wir noch nicht in der Ewigkeit sind. Zum Teil bewahren wir die Schwäche und zum Teil haben wir die Freiheit erlangt. Alle unsere Sünden sind bei der Taufe getilgt worden, aber ist etwa die Schwachheit verschwunden, nachdem die Ungerechtigkeit ausgemerzt worden ist? Wäre sie verschwunden, würde man auf Erden ohne Sünde leben. Wer wird das zu behaupten wagen, außer einer, der anmaßend und daher der Barmherzigkeit des Befreiers unwürdig ist? ... Da also eine Schwäche in uns geblieben ist, wage ich zu sa- 1028 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen, daß wir in dem Maße, in dem wir Gott dienen, frei sind, während wir in dem Maße, in dem wir dem Gesetz der Sünde folgen, Sklaven sind”. 18. Wer „nach dem Heische” lebt, empfindet das Gesetz Gottes als eine Last, ja als eine Verneinung oder jedenfalls eine Einschränkung der eigenen Freiheit. Wer hingegen von der Liebe beseelt ist und „sich vom Geist leiten läßt” (Gal 5,16) und den anderen dienen will, findet im Gesetz Gottes den grundlegenden und notwendigen Weg zur praktischen Übung der frei gewählten und gelebten Liebe. Ja, er spürt den inneren Drang - ein echtes und eigenes „Bedürfnis” und nicht etwa einen Zwang nicht bei den Minimalforderungen des Gesetzes stehenzubleiben, sondern sie in ihrer „Fülle” zu leben. Es ist ein noch unsicherer und brüchiger Weg, solange wir auf Erden sein werden, der aber ermöglicht wird von der Gnade, die es uns gewährt, die volle Freiheit der Kinder Gottes zu besitzen (vgl. Rom 8,21) und somit im sittlichen Leben auf die erhabene Berufung zu antworten, „Söhne im Sohn” zu sein. Diese Berufung zu vollkommener Liebe ist nicht ausgewählten Gruppen Vorbehalten. Die Aufforderung: „Geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen”, mit der Verheißung: „so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben”, betrifft alle, denn sie ist eine grundlegende Erneuerung des Gebotes der Nächstenhebe, wie die folgende Einladung „Komm und folge mir nach” die neue konkrete Form des Gebotes der Gotteshebe ist. Die Gebote und die Einladung Jesu an den reichen Jüngling stehen im Dienst einer einzigen, unteilbaren Liebe, die aus eigenem Antrieb nach Vollkommenheit strebt und deren Maß ahein Gott ist: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist” (Mt 5,48). Im Lukas-evangelium präzisiert Jesus den Sinn dieser Vollkommenheit weiter: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!” (Lk 6,36). „Komm und folge mir nach!” (Mt 19,21) 19. Der Weg und zugleich der Inhalt dieser Vollkommenheit besteht in der Nachfolge Christi, darin, daß man Jesus folgt, nachdem man dem eigenen Besitz und sich selbst entsagt hat. Genauso endet das Gespräch mit dem jungen Mann: „Dann komm und folge mir nach!” (Mt 19,21). Es ist eine Einladung, deren wunderbare Tiefe von den Jüngern erst nach der Auferstehung Christi voll begriffen werden wird, wenn der Heilige Geist sie in die ganze Wahrheit führen wird (vgl. Joh 16,13). Es ist Jesus selbst, der die Initiative ergreift und uns aufruft, ihm zu folgen. Der Ruf richtet sich vor allem an diejenigen, denen er eine besondere Sendung anvertraut, angefangen bei den Zwölfen; aber es erscheint ebenso klar, daß jeder Gläubige dafür disponiert ist, Jünger Christi zu werden (vgl. Apg 6,1). Darum ist die Nachfolge Christi das wesentliche und ursprüngliche Fundament der christlichen Moral: Wie das Volk Israel Gott folgte, der es durch die Wüste in das verheißene Land führte In Iohannis Evangelium Tractatus, 41, 10: CCL 36, 363. 1029 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (vgl. Ex 13,21), so muß der Jünger Jesus folgen, zu dem der Vater selbst ihn hinlenkt (vgl. Joh 6,44).' Es handelt sich hier nicht allein darum, auf eine Lehre zu hören und ein Gebot im Gehorsam anzunehmen. Es geht ganz radikal darum, der Person Jesu selbst anzuhängen, sein Leben und sein Schicksal zu teilen durch Teilnahme an seinem freien und hebenden Gehorsam gegenüber dem Vater. Wenn er durch die Antwort des Glaubens dem folgt, der die fleischgewordene Weisheit ist, ist der Jünger Jesu wahrhaftig Jünger Gottes (vgl. Joh 6,45). Jesus ist in der Tat das Licht der Welt, das Licht des Lebens (vgl. Joh 8,12); er ist der Hirte, der die Schafe führt und nährt (vgl. Joh 10,11-16), er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14,6), er ist der, der zum Vater führt, so daß wer ihn, den Sohn, sieht, den Vater sieht (vgl. Joh 14,6-10). Daher heißt den Sohn nachahmen, der „das Ebenbild des unsichtbaren Gottes” ist (Kol 1,15), den Vater nachahmen. 20. Jesus fordert dazu auf, ihm zu folgen und ihn nachzuahmen auf dem Weg der Liebe, einer Liebe, die sich aus Liebe zu Gott völlig den Brüdern hingibt: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe” (Joh 15,12). Dieses „so wie” verlangt die Nachahmung Jesu, besonders die Nachahmung seiner Liebe, wie sie in der Fußwaschung symbolischen Ausdruck findet: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe” (Joh 13,14-15). Das Handeln Jesu und sein Wort, seine Taten und seine Gebote bilden die sittliche Richtschnur für das christliche Leben. Denn diese seine Taten und besonders sein leiden und Sterben am Kreuz sind die lebendige Offenbarung seiner Liebe zum Vater und zu den Menschen. Genau diese Liebe soll, so verlangt Jesus, von allen, die ihm folgen, nachgeahmt werden. Sie ist das „neue” Gebot: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander heben. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander hebt” (Joh 13,34-35). Dieses „so wie” gibt auch das Maß an, mit dem Jesus geliebt hat und mit dem seine Jünger einander heben sollen. Nachdem er gesagt hat: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe”, fährt Jesus mit den Worten fort, die auf das Opfergeschenk seines Lebens am Kreuz als Zeugnis seiner Liebe „bis zur Vollendung” (Joh 13,1) hinweisen: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt” (Joh 15,13). Als Jesus den jungen Mann auffordert, ihm auf dem Weg der Vollkommenheit zu folgen, verlangt er von ihm, vollkommen zu sein im Gebot der Liebe, in „seinem” Gebot: sich einzufügen in das Leben seiner Ganzhingabe, die Liebe des „guten” Meisters, die Liebe dessen, der „bis zur Vollendung” geliebt hat, nachzuahmen und nachzuleben. Das ist es, was Jesus von jedem Menschen fordert, der sich in seine Nachfolge begeben will: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge nur nach” {Mt 16,24). 1030 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 21. Nachfolge Christi ist nicht eine äußerliche Nachahmung, denn sie berührt den Menschen in seinem tiefsten Inneren. Jünger Christi zu sein bedeutet ihm gleich geworden zu sein, ihm, der sich zum Knecht gemacht hat bis zur Selbsthingabe am Kreuz (vgl. Phil 2,5-8). Durch den Glauben wohnt Christus im Herzen des Glaubenden (vgl. Eph3,ll), und so wird der Jünger seinem Herrn angeglichen und gleichgestaltet. Das ist die Frucht der Gnade, der wirksamen Anwesenheit des Heiligen Geistes in uns. Durch seine Einverleibung in Christus wird der Christ Glied seines Leibes, der die Kirche ist (vgl. 1 Kor 12,13.27). Unter dem Antrieb des Geistes gestaltet die Taufe den Gläubigen auf radikale Weise Christus gleich im österlichen Geheimnis des Todes und der Auferstehung, sie „zieht ihm Christus an” (vgl. Gal 3,27): „Freuen wir uns und danken wir - ruft der hl. Augustinus an die Getauften gewandt aus wir sind nicht nur Christen geworden, sondern Christus (...). Staunt und freut euch: Wir sind Christus geworden!”. Der Sünde gestorben, empfängt der Getaufte das neue Leben (vgl. Röm 6,3-11): während er durch Gott in Christus Jesus lebt, ist er aufgerufen, nach dem Geist zu wandeln und dessen Früchte im Leben kundzutun (vgl. Gal 5,16-25). Die Teilnahme an der Eucharistie, dem Sakrament des Neuen Bundes (vgl. 1 Kor 11,23-29), ist der Höhepunkt der Angleichung an Christus, Quelle des „ewigen Lebens” (vgl. Joh 6,51-58), Ursprung und Kraft der totalen Selbsthingabe, derer wir nach dem Gebot Jesu - nach dem Zeugnis, das Paulus überliefert hat - in der Eucharistiefeier und im lieben gedenken sollen: „Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt” (7 Kor 11,26). „Für Gott aber ist alles möglich” (Mt 19,26) 22. Eine bittere Enttäuschung ist der Schluß des Gespräches Jesu mit dem reichen Jüngling: „Als der junge Mann das hörte, ging er traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen” (Mt 19,22). Nicht nur der reiche Mann, sondern auch die Jünger erschrecken bei dem Aufruf Jesu zur Nachfolge, dessen Forderungen die menschlichen Bestrebungen und Kräfte übersteigen: „Als die Jünger das hörten, erschraken sie sehr und sagten: Wer kann dann noch gerettet werden?” (Mt 19,25). Aber der Meister verweist auf die Macht Gottes: „Für Menschen ist das unmöglich, für Gott aber ist alles möglich” (Mt 19,26). Im gleichen Kapitel des Matthäusevangeliums (19,3-10) weist Jesus bei der Interpretation des mosaischen Gesetzes über die Ehe das Recht auf Verstoßung der Frau zurück unter Hinweis auf einen im Vergleich zum Gesetz des Mose ursprünglicheren und verbindlicheren „Anfang”: den ursprünglichen Plan Gottes mit den Menschen, einen Plan, dem der Mensch nach dem Sündenfall nicht mehr angemessen war: „Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch erlaubt, eure Frauen aus der 28 Ebd., 21,8: CCL 36,216. 1031 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so” {Mt 19,8). Der Hinweis auf den „Anfang” macht die Jünger bestürzt, und sie kommentieren ihn mit den Worten: „Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu heiraten” {Mt 19,10). Und Jesus, der sich in besonderer Weise auf das Charisma der Ehelosigkeit „um des Himmelreiches willen” {Mt 19,12) bezieht, aber eine allgemeine Regel darlegt, verweist auf die neue, überraschende Möglichkeit, die dem Menschen von der Gnade Gottes eröffnet wird: Jesus sagte zu ihnen: „Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist” {Mt 19,11). Die Liebe Christi nachzuahmen und nachzuleben, ist dem Menschen aus eigener Kraft allein nicht möglich. Er wird zu dieser Liebe fähig allein kraft einer Gabe, die er empfangen hat. Wie der Herr Jesus die Liebe von seinem Vater empfängt, so gibt er sie seinerseits aus freien Stücken an die Jünger weiter: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch gebebt. Bleibt in meiner Liebe!” {Joh 15,9). Die Gabe Christi ist sein Geist, dessen erste „Frucht” (vgl. Gal 5,22) die Liebe ist: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiügen Geist, der uns gegeben ist” {Röm 5,5). Der hl. Augustinus fragt sich: „Ist es die Liebe, die uns die Gebote befolgen läßt, oder ist es die Befolgung der Gebote, die die Liebe entstehen läßt?” 23. „Das Gesetz des Geistes und des Lebens in Jesus Christus hat dich frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes” {Röm 8,2). Mit diesen Worten leitet uns der Apostel Paulus an, das Verhältnis zwischen dem (alten) Gesetz und der Gnade (neues Gesetz) in der Perspektive der Heilsgeschichte, die sich in Christus erfüllt hat, zu betrachten. Er erkennt die erzieherische Rolle des Gesetzes an, das dem sündigen Menschen ermöglicht, sein Unvermögen zu ermessen, und ihn dadurch, daß er ihm die Anmaßung der Selbstgenügsamkeit nimmt, für die Anrufung und Annahme des „Lebens im Geiste” öffnet: in diesem neuen Leben ist die Einhaltung der Gebote Gottes mögbch. Durch den Glauben an Christus sind wir gerecht geworden (vgl. Röm 3,28): die „Gerechtigkeit”, die das Gesetz fordert, aber keinem zu verleihen vermag, findet jeder Gläubige vom Herrn Jesus bekundet und verliehen. So faßt der hl. Augustinus wiederum auf wunderbare Weise die pauhnische Dialektik von Gesetz und Gnade zusammen: „Deswegen ist das Gesetz gegeben worden, damit man die Gnade erbitte; die Gnade wurde gegeben, damit man das Gesetz befolge”. Die Liebe und das Leben nach dem Evangelium dürfen nicht zuerst in der Gestalt des Gebots gedacht werden, denn das, was sie verlangen, geht über die Kräfte des Menschen hinaus: sie sind nur möglich als Fmcht einer Gabe Gottes, der durch seine Gnade das Herz des Menschen heil und gesund macht und es umgestaltet: „Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und Wahrheit kamen durch Jesus Christus” {Joh 1,17). Darum ist die Verheißung des ewigen Lebens an 29 30 Ebd., 82, 3: CCL 36, 533. De spiritu et littera, 19, 34: CSEL 60, 187. 1032 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Gabe der Gnade gebunden, und das Geschenk des Geistes, das wir empfangen haben, ist bereits „der erste Anteil unseres Erbes” (Eph 1,14). 24. So offenbaren sich das Gebot der Liebe und jenes der Vollkommenheit, auf die ersteres hingeordnet ist, in ihrer authentischen Ursprünglichkeit: Es ist eine Möglichkeit, die dem Menschen ausschließlich von der Gnade, von der Gabe Gottes, von seiner Liebe, eröffnet wird. Andererseits bewirkt und trägt das Bewußtsein, in Jesus Christus die Liebe Gottes zu besitzen, die verantwortliche Antwort für eine volle Liebe zu Gott und unter den Brüdern, wie der Apostel Johannes in seinem ersten Brief eindringlich in Erinnerung bringt: „Liebe Brüder, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht hebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe ... Liebe Brüder, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander heben ... Wir wohen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat” (7 Joh 4,7-8.11.19). Diese unauflösliche Verbindung zwischen der Gnade des Herrn und der Freiheit des Menschen, zwischen der Gabe und der Aufgabe hat der hl. Augustinus mit schlichten und tiefen Worten zum Ausdruck gebracht, wenn er betet: „Da quod iubes et iube quod vis” (Gib, was Du gebietest, und gebiete, was Du willst). Die Gabe mindert nicht, sondern vermehrt die sittlichen Forderungen der Liebe'. „Und das ist sein Gebot: Wir sollen an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander heben, wie es seinem Gebot entspricht” (1 Joh 3,23). Nur unter der Bedingung, daß man die Gebote hält, kann man, wie Jesus sagt, in der Liebe „bleiben”: „Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe” (Joh 15,10). Der hl. Thomas, der die Sinnspitze der moralischen Botschaft Jesu und der Verkündigung der Apostel erfaßte, konnte in Wiedergabe einer großartigen Zusammenschau der großen Traditionen der Kirchenväter des Ostens und des Westens, insbesondere des hl. Augustinus, schreiben: das Neue Gesetz ist die durch den Glauben an Christus gewährte Gnade des Heiligen Geistes. Die äußeren Vorschriften, von denen das Evangelium auch redet, bereiten auf diese Gnade vor oder bringen deren Wirkungen im Leben zum Tragen. Das Neue Gesetz begnügt sich nämlich nicht damit zu sagen, was man tun muß, sondern es verleiht auch die Kraft, „die Wahrheit zu tun” (vgl. Joh 3,21). Gleichzeitig hat der hl. Johannes Chry-sosthomos angemerkt, daß das Neue Gesetz genau da gegeben wurde, als der Heilige Geist vom Himmel herabkam, und daß die Apostel nicht vom Berg herabstiegen „mit Steintafeln in ihren Händen wie Mose; sondern sie kamen und trugen den Hei- 31 32 33 Confessiones, X, 29, 40: CCL 27, 176; vgl. De gratia et libero arbitrio, XV: PL 44,899. Vgl. De spiritu et littera, 21, 36; 26, 46: CSEL 60, 189-190; 200-201. Vgl. Summa Theologiae, I-II, q. 106, a. 1 c. und ad 2. 1033 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ligen Geist in ihren Herzen nachdem sie durch seine Gnade zu einem lebendigen Gesetz, zu einem beseelten Buch geworden waren”. „Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” ... (Mt 28,20) 25. Das Gespräch Jesu mit dem reichen Jüngling wird gewissermaßen in jeder Epoche der Geschichte, auch heute, weitergeführt. Die Frage: „Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” bricht im Herzen jedes Menschen auf, und es ist immer und allein Christus, der die volle und entscheidende Antwort anbietet. Der Meister, der die Gebote Gottes lehrt, der zur Nachfolge einlädt und die Gnade für ein neues Leben schenkt, ist immer unter uns gegenwärtig und tätig, gemäß der Verheißung: „Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” (Mt 28,20). Das gleichzeitige Gegenwärtigsein Christi mit dem‘ Menschen jeder Zeit verwirklicht sich im lebendigen Leib der Kirche. Darum hat der Herr seinen Jüngern den Heiligen Geist verheißen: er würde sie an seine Geböte „erinnern” und sie ihnen verständlich machen (vgl. Joh 14,26) und würde der Anfang und Quell eines neuen Lebens in der Welt sein (vgl. Joh 3,5-8; Röm 8,1-13). Die von Gott im Adten Bund auferlegten und im Neuen und Ewigen Bund in der Person des menschgewordenen Gottessohnes erfüllten sittlichen Gebote müssen treu bewahrt und in den verschiedenen Kulturen im Laufe der Geschichte immer wieder aktualisiert werden. Die Aufgabe ihrer Interpretation war von Jesus den Aposteln und ihren Nachfolgern mit dem besonderen Beistand des Geistes der Wahrheit übertragen worden: „Wer euch hört, der hört mich” (Lk 10,16). Mit dem Licht und der Kraft dieses Geistes haben die Apostel den Auftrag erfüllt, das Evangelium zu verkünden und „im Weg” des Herrn zu unterweisen (vgl. Apg 18,25), indem sie vor allem die Nachfolge und Nachahmung Christi lehren: „Für mich ist Christus das Leben” (Phil 1,21). 26. In der Moralkatechese der Apostel gibt es neben Ermahnungen und an den kulturellen Kontext gebundenen Weisungen eine ethische Unterweisung mit genauen Verhaltensnormen. Das geht aus ihren Briefen hervor, die vom Heiligen Geist geleitete Interpretation der Gebote des Herrn enthalten, die unter den verschiedenen kulturellen Gegebenheiten gelebt werden sollen (vgl. Röm 12-15; 7 Kor 11-14; Gal 5-6; Eph 4-6; Kol 3-4; 1 Petr und Jak). Die Apostel, die mit der Verkündigung des Evangeliums beauftragt waren, haben seit den Anfängen der. Kirche kraft ihrer pastoralen Verantwortung über die Rechtschaffenheit des Verhaltens der Christen gewacht, ebenso wie sie über die Reinheit des Glaubens und Uber die Weitergabe der göttlichen Gaben durch die Sakramente wachten. Die ersten Christen, die so- 34 35 36 In Matthaeum, hom. I, 1: PG 57, 15. Vgl. Hl. Irenaus, Adversus haereses, IV, 26, 2-5: Sch 100/2, 718-729. Vgl. Hl. Justinus, Apologia, I, 66: PG 6, 427-430. 1034 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wohl aus dem jüdischen Volk wie aus den anderen Völkern stammten, unterschieden sich von den Heiden nicht nur durch ihren Glauben und ihre Liturgie, sondern auch durch das Zeugnis ihres am Neuen Gesetz inspirierten sittlichen Verhaltens. Die Kirche ist nämlich zugleich Glaubens- und Lebensgemeinschaft; ihre Norm ist „der Glaube, der in der Liebe wirksam ist” (Gal 5,6). Kein Riß darf die Harmonie zwischen Glaube und Leben gefährden: die Einheit der Kirche wird nicht nur von den Christen verletzt, die die Glaubenswahrheiten ablehnen oder verzerren, sondern auch von jenen, die die sittlichen Verpflichtungen verkennen, zu denen sie das Evangelium aufruft (vgl. 1 Kor 5,9-13). Die Apostel haben jede Trennung zwischen dem Anhegen des Herzens und den Taten, die es züm Ausdruck bringen und kontrollieren, entschieden abgelehnt (vgl. 1 Joh 2,3-6). Und seit der apostolischen Zeit haben die Bischöfe der Kirche die Vorgehens weisen derjenigen mit aller Klarheit angezeigt, die mit ihren Lehren oder mit ihrem Verhalten Spaltungen Vorschub leisteten. 27. Die Förderung und Bewahrung des Glaubens und des sittlichen Lebens in der Einheit der Kirche ist die von Jesus den Aposteln anvertraute Aufgabe (vgl. Mt 28,19-20), die auf das Amt ihrer Nachfolger übergeht. Das alles findet sich in der lebendigen Überlieferung, durch die - wie das II. Vatikanische Konzil lehrt -„die Kirche in Lehre, Leben und Kult alles, was sie selber ist, alles, was sie glaubt, durch die Zeiten weiterführt und allen Geschlechtern übermittelt. Diese apostolische Überlieferung kennt in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt”. Im Geist empfängt die Kirche die Schrift und gibt sie weiter als Zeugnis für „das Große”, das Gott in der Geschichte bewirkt (vgl. Lk 1,49), durch den Mund der Kirchenväter und -lehrer bekennt sie die Wahrheit des fleischgewordenen Wortes, setzt dessen Gebote und die Liebe im Leben der Heiligen und im Opfer der Märtyrer in die Praxis um, feiert deren Hoffnung in der Liturgie: durch die Überlieferung empfangen die Christen „die lebendige Stimme des Evangeliums” als gläubigen Ausdruck der göttlichen Weisheit und des göttlichen Willens. Innerhalb der Überheferung entwickelt sich mit dem Beistand des Heiligen Geistes die authentische Interpretation des Gesetzes des Herrn. Der Geist selbst, der am Beginn der Offenbarung der Gebote und der Lehren Jesu steht, gewährleistet, daß sie heiligmäßig bewahrt, getreu dargelegt und im Wechsel der Zeiten und Umstände korrekt angewandt werden. Diese „Aktualisierung” der Gebote ist Zeichen und Frucht eines tieferen Eindringens in die Offenbarung und eines Verstehens neuer historischer und kultureller Situationen im Lichte des Glaubens. Sie kann jedoch nur Vgl. 1 Petr 2,12 ff.; vgl. Didache, II, 2: Patres Apostolici, ed. F. X. Funk, I, 6-9; Clemens Alexandrinus, Paedagogus, II, 10: PG 8, 355-364; Tertullian, Apologeticum, IX. 8: CSEL, 69, 24. Vgl. Hl. Ignatius von Antiochia, Ad Magnesios, VI, 1-2: Patres Apostolici, ed. F. X. Funk, I, 234-235; Hl. Irenaus, Adversus haereses, IV, 33, 1.6.7: Sch 100/2, 802-805; 814-815; 816-819. Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 8. Vgl. ebd., Nr. 8. 1035 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die bleibende Gültigkeit der Offenbarung bestätigen und sich in den Traditionsstrom der Auslegung einfügen, den die große Lehr- und Lebensüberlieferung der Kirche bildet und dessen Zeugen die Lehre der Kirchenväter, das Leben der Heiligen, die Liturgie der Kirche und das Lehramt sind. Insbesondere ist - wie das Konzil sagt - „die Aufgabe, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären, nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird”. Auf diese Weise erscheint die Kirche in ihrem Leben und in ihrer Lehre als „die Säule und das Fundament der Wahrheit” (7 Tim 3,15), auch der Wahrheit über das sittliche Handeln. In der Tat „kommt es der Kirche zu, immer und überall die sittlichen Grundsätze auch über die soziale Ordnung zu verkündigen, wie auch über menschliche Dinge jedweder Art zu urteilen, insoweit die Grundrechte der menschlichen Person oder das Heil der Seelen dies erfordern”. Gerade was die Fragestellungen anbelangt, die für die Diskussion von Fragen der Moral heute kennzeichnend sind und in deren Umfeld sich neue Tendenzen und Theorien entwickelt haben, empfindet es das Lehramt in Treue zu Jesus Christus und in der Kontinuität der Tradition der Kirche als sehr dringende Pflicht, sein eigenes Urteil und seine Lehre anzubieten, um dem Menschen auf seinem Weg zur Wahrheit und zur Freiheit behilflich zu sein. 41 42 Ebd., Nr. 10. Codex des kanonischen Rechtes, can. 747, 2. 1036 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapitel II „ Gleicht euch nicht der Denkweise dieser Welt an ” (Röm 12,2) Die Kirche und die Beurteilung einiger Tendenzen heutiger Moraltheologie Verkünden, was der gesunden Lehre entspricht (vgl. Tit 2,1) 28. Die Betrachtung des Gesprächs zwischen Jesus und dem jungen reichen Mann ermöglicht uns, die wesentlichen Inhalte der Offenbarung des Alten und des Neuen Testamentes im Blick auf das sittliche Handeln zusammenzustellen. Diese sind die Unterordnung des Menschen und seines Tuns gegenüber Gott, dem, der „allein gut ist”; der in den göttlichen Geboten anschaulich aufgezeigte Zusammenhang zwischen dem sittlich Guten der menschlichen Handlungen und dem ewigen Lebern, die Nachfolge Christi', der dem Menschen die Perspektive der vollkommenen Liebe eröffnet und schließlich die Gabe des Heiligen Geistes als Quelle und Stütze des sittlichen Lebens der „neuen Schöpfung” (vgl. 2 Kor 5,17). Die Kirche hat bei ihrer moralischen Reflexion stets die Worte bedacht, die Jesus an den reichen Jüngling gerichtet hat. Die Heilige Schrift bleibt in der Tat die lebendige und fruchtbare Quelle der Sittenlehre der Kirche, woran das II. Vatikanische Konzil erinnert hat: Das Evangelium ist die Quelle „jeglicher Heilswahrheit und Sittenlehre”. Getreu bewahrte sie, was das Wort Gottes nicht nur im Blick auf die Glaubenswahrheiten, sondern auch was es hinsichtlich des sittlichen Handelns lehrt, das heißt des Handelns, das Gott gefällt (vgl. 1 Thess 4,1); dadurch erzielt sie eine Weiterentwicklung in der Lehre, analog zu jener im Bereich der Glaubenswahrheiten. Unter dem Beistand des Heiligen Geistes, der sie in die ganze Wahrheit führt (vgl. Joh 16,13), hat die Kirche nicht aufgehört - und kann sie niemals aufhören -, das „Geheimnis des fleischgewordenen Wortes” zu erforschen, in dem sich ihr „das Geheimnis des Menschen wahrhaft aufklärt”. 29. Das kirchliche Nachdenken über Moral, das sich immer im Lichte Christi, des „guten Meisters”, vollzog, hat sich auch in der besonderen Form der theologischen Wissenschaft, der sogenannten „Moraltheologie”, entfaltet, einer Wissenschaft, die die göttliche Offenbarung aufgreift und befragt und zugleich den Anforderungen menschlicher Vernunft entspricht. Die Moraltheologie ist eine Reflexion, die die „Moralität”, das heißt das Gute und das Schlechte der menschlichen Handlungen und der Person, die sie vollzieht, zum Inhalt hat, und in diesem Sinne steht sie allen Menschen offen; aber sie ist auch „Theologie”, weil sie Anfang und Endziel des sittlichen Handelns in dem erkennt, der „allein gut ist” und der dem Menschen dadurch, daß er sich ihm in Christus hingibt, die Glückseligkeit des göttlichen Lebens anbietet. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttlichen Offenbarung Dei Verbum, Nr. 7. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. 1037 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das II. Vatikanische Konzil hat die Wissenschaftler aufgefordert, „besondere Sorge auf die Vervollkommnung der Moraltheologie (zu verwenden), die, reicher genährt aus der Lehre der Schrift, in wissenschaftlicher Darlegung die Erhabenheit der Berufung der Gläubigen in Christus und ihre Verpflichtung, in der Liebe Frucht zu tragen für das Leben der Welt, erhellen soll”. <1> Ebenso hat das Konzil die Theologen eingeladen, „unter Wahrung der der Theologie eigenen Methoden und Erfordernisse nach immer geeigneteren Weisen zu suchen, die Lehre des Glaubens den Menschen ihrer Zeit zu vermitteln. Denn die Glaubenshinterlage selbst, das heißt die Glaubenswahrheiten, darf nicht verwechselt werden mit ihrer Aussageweise, auch wenn diese immer denselben Sinn und Inhalt meint”. <2> Von daher die weitere, sich auf alle Gläubigen erstreckende, besonders an die Theologen gerichtete Aufforderung: „Die Gläubigen sollen also in engster Verbindung mit den anderen Menschen ihrer Zeit leben und sich bemühen, ihre Denk- und Urteilsweisen, die in der Geisteskultur zur Erscheinung kommen, vollkommen zu verstehen”. <3> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Priesterausbildung Optatam totius, Nr. 16. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 62. Das Bemühen vieler Theologen, die sich von der Ermutigung des Konzils gestärkt fühlten, hat bereits seine Früchte getragen in bemerkenswerten und nützlichen Reflexionen über Glaubenswahrheiten, die es zu glauben und im Leben anzuwenden gilt und die von ihnen in einer dem Empfinden und den Fragen der Menschen unserer Zeit angemesseneren Form dargeboten werden. Die Kirche und insbesondere die Bischöfe, die Jesus Christus vor allem mit dem Dienst der Lehre betraut hat, nehmen dieses Bemühen mit Dankbarkeit an und ermutigen die Theologen zum Weiterarbeiten, das beseelt wird von einer tiefen, echten „Gottesfurcht, die der Anfang der Erkenntnis ist” (vgl. Spr 1,7). Zugleich haben sich im Bereich der nachkonziliaren theologischen Diskussionen jedoch manche Interpretationen der christlichen Moral herausgebildet, die mit der „gesunden Lehre” (2 Tim 4,3) unvereinbar sind. Absicht des Lehramtes der Kirche ist es gewiß nicht, den Gläubigen ein besonderes theologisches und schon gar nicht ein philosophisches System aufzuerlegen; aber um das Wort Gottes „heilig zu bewahren und treu auszulegen”, <4> ist es verpflichtet, die Unvereinbarkeit gewisser Richtungen des theologischen Denkens oder mancher philosophischer Aussagen mit der geoffenbarten Wahrheit kundzutun. <5> Ebd. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 10. Vgl. I. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben Dei Filius, cap. 4: DS 3018. 30. Wenn ich mich mit dieser Enzyklika an euch, Mitbrüder im Bischofsamt, wende, möchte ich die Prinzipien darlegen, die für die Unterscheidung, was der „gesunden Lehre ” widerspricht, erforderlich sind; dazu verweise ich auf jene Elemente der Sittenlehre der Kirche, die heute besonders dem Irrtum, der Zweideutigkeit oder 45 46 47 48 49 1038 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Vergessen ausgesetzt zu sein scheinen. Das sind allerdings jene Elemente, von denen die „Antwort auf die ungelösten Rätsel des menschlichen Daseins (abhängt), die seit eh und je die Herzen der Menschen im tiefsten bewegen: Was ist der Mensch? Was ist Sinn und Ziel unseres Lebens? Was ist das Gute, was die Sünde? Woher kommt das Leid, und welchen Sinn hat es? Was ist der Weg zum wahren Glück? Was ist der Tod, das Gericht und die Vergeltung nach dem Tode? Und schließlich: Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?”. <6> Diese und andere Fragen - wie z. B.: Was ist die Freiheit, und welcher Art ist ihre Beziehung zu der im Gesetz Gottes enthaltenen Wahrheit? Welche Rolle kommt dem Gewissen bei der Ausformung des sittlichen Charakters des Menschen zu? Wie kann man in Übereinstimmung mit der Wahrheit über das Gute die Rechte und konkreten Pflichten der menschlichen Person erkennen? - lassen sich in der fundamentalen Frage zusammenfassen, die der junge Mann im Evangelium Jesus stellte: „Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” Die Kirche, die von Jesus ausgesandt wurde, das Evangelium zu verkündigen und „zu allen Völkern zu gehen ... und sie zu lehren, alles zu befolgen”, was er ihr geboten hat (vgl. Mt 28,19-20), schlägt auch heute noch die Antwort des Meisters vor: Diese besitzt ein Licht und eine Kraft, die fähig sind, auch die umstrittensten und kompliziertesten Fragen zu lösen. Dieses Licht und diese Kraft treiben die Kirche dazu an, unablässig nicht nur die dogmatische, sondern auch die moralische Reflexion in einem interdisziplinären Umfeld zu entfalten, wie dies besonders für die neuen Probleme notwendig ist. <7> H. Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, Nr. 1. Genau in diesem Licht und in dieser Kraft vollbringt das Lehramt der Kirche seit jeher sein Werk der Unterscheidung, indem es die Ermahnung des Apostels Paulus an Timotheus annimmt und ihr nachlebt: „Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der Lebenden und der Toten, bei seinem Erscheinen und bei seinem Reich: Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung. Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer sucht, die den Ohren schmeicheln; und man wird der Wahrheit nicht mehr Gehör schenken, sondern sich Fabeleien zuwenden. Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle treu deinen Dienst!” (2 Tim 4,1-5; vgl. Tit 1.10.13-14). Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 43-44. 1039 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien” (Joh 8,32) 31. Die umstrittensten und unterschiedlich gelösten menschlichen Probleme in der gegenwärtigen Reflexion über die Moral sind, wenn auch in je verschiedener Weise, mit einem Grundproblem verknüpft: der Freiheit des Menschen. Ohne Zweifel ist unsere Zeit zu einem besonders lebhaften Gespür für die Freiheit gelangt. „Die Würde der menschlichen Person kommt den Menschen unserer Zeit immer mehr zum Bewußtsein”, stellte schon die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae fest. <8> Daher der Anspruch der Menschen, „daß sie bei ihrem Tun ihr eigenes Urteil und eine verantwortliche Freiheit besitzen und davon Gebrauch machen sollen, nicht unter Zwang, sondern vom Bewußtsein der Pflicht geleitet”. <9> Insbesondere das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit auf dem Weg zur Wahrheit wird zunehmend als Fundament der Rechte der menschlichen Person, in ihrer Gesamtheit betrachtet, empfunden. <10> II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 1, mit Verweis auf Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris (11. April 1963): AAS 55(1963) 279; ebd.,265, und auf Pius XII., Radiobotschaft (24. Dezember 1944): AAS37(1945)14. Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 1. Vgl. Enzyklika Redemptor Hominis (4. März 1979), Nr. 17: AAS71(1979)295-300; Ansprache an das Der geschärfte Sinn für die Würde und Einmaligkeit der menschlichen Person wie auch für die dem Weg des Gewissens gebührende Achtung stellt also sicher eine positive Errungenschaft der modernen Kultur dar. Diese an sich authentische Wahrnehmung hat vielfältige, mehr oder weniger angemessene Ausdrucksformen gefunden, von denen jedoch einige von der Wahrheit über den Menschen als Geschöpf und Ebenbild Gottes abweichen und deshalb korrigiert bzw. im Lichte des Glaubens geläutert werden müssen. <11> 5. Internationale Juristenkolloquium (10. März 1984), Nr. 4: Insegnamenti VII, 1(1984),656; Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die christliche Freiheit und die Befreiung Libertatis conscientia (22. März 1986), Nr. 19: AA579(1987)561. 32. So ist man in manchen modernen Denkströmungen so weit gegangen, die Freiheit derart zu verherrlichen, daß man sie zu einem Absolutum machte, das die Quelle aller Werte wäre. In diese Richtung bewegen sich Lehren, die jeden Sinn für die Transzendenz verloren haben oder aber ausdrücklich atheistisch sind. Dem Gewissen des einzelnen werden die Vorrechte einer obersten Instanz des sittlichen Urteils zugeschrieben, die kategorisch und unfehlbar über Gut und Böse entscheidet. Zu der Aussage von der Verpflichtung, dem eigenen Gewissen zu folgen, tritt unberechtigterweise jene andere, das moralische Urteil sei allein deshalb wahr, weil es dem Gewissen entspringt. Auf diese Weise ist aber der unabdingbare Wahrheitsanspruch zugunsten von Kriterien wie Aufrichtigkeit, Authentizität, „Übereinstimmung Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 11. 1040 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit sich selbst” abhanden gekommen, so daß man zu einer radikal subjektivistischen Konzeption des sittlichen Urteils gelangt. Wie man sogleich erkennen kann, gehört zu dieser Entwicklung die Krise um die Wahrheit. Nachdem die Idee von einer für die menschliche Vernunft erkennbaren universalen Wahrheit über das Gute verloren gegangen war, hat sich unvermeidlich auch der Begriff des Gewissens gewandelt; das Gewissen wird nicht mehr in seiner ursprünglichen Wirklichkeit gesehen, das heißt als ein Akt der Einsicht der Person, der es obliegt, die allgemeine Erkenntnis des Guten auf eine bestimmte Situation anzuwenden und so ein Urteil über das richtige zu wählende Verhalten zu fällen; man stellte sich darauf ein, dem Gewissen des einzelnen das Vorrecht zuzugestehen, die Kriterien für Gut und Böse autonom festzulegen und dementsprechend zu handeln. Diese Sicht ist nichts anderes als eine individualistische Ethik, aufgrund welcher sich jeder mit seiner Wahrheit, die von der Wahrheit der anderen verschieden ist, konfrontiert sieht. In seinen äußersten Konsequenzen mündet der Individualismus in die Verneinung sogar der Idee einer menschlichen Natur. Diese unterschiedlichen Auffassungen bilden den Ausgangspunkt jener Denkrichtungen, die eine Antinomie zwischen Sittengesetz und Gewissen, zwischen Natur und Freiheit behaupten. 33. Parallel zur Verherrlichung der Freiheit und paradoxerweise im Widerspruch dazu stellt die moderne Kultur dieselbe Freiheit radikal in Frage. Eine Reihe wissenschaftlicher Disziplinen, die unter dem Namen „Humanwissenschaften” zusammengefaßt werden, haben richtigerweise die Aufmerksamkeit auf die psychologischen und gesellschaftlichen Konditionierungen gelenkt, die die Ausübung der menschlichen Freiheit belasten. Die Kenntnis solcher Bedingtheiten und die ihnen geschenkte Aufmerksamkeit sind wichtige Errungenschaften, die in verschiedenen Daseinsbereichen, wie z. B. in der Pädagogik oder in der Rechtsprechung, Anwendung gefunden haben. Aber manche sind in Überschreitung der Schlußfolgerungen, die sich aus diesen Beobachtungen legitimerweise ziehen lassen, so weit gegangen, die Wirklichkeit der menschlichen Freiheit selbst anzuzweifeln oder zu leugnen. Erwähnt werden müssen auch einige mißbräuchliche Auslegungen der wissenschaftlichen Forschung auf anthropologischem Gebiet. Aufgrund der großen Vielfalt der in der Menschheit vorhandenen Bräuche, Gewohnheiten und Einrichtungen schließt man, wenn auch nicht immer gerade auf die Leugnung universaler menschlicher Werte, so doch zumindest auf eine relativistische Moralauffassung. 34. „Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu erlangen?” Die moralische Frage, auf die Christus antwortet, kann nicht das Problem der Freiheit ausklammern, ja sie stellt es in ihren Mittelpunkt, weil es Moral ohne Freiheit nicht gibt: „Nur frei kann der Mensch sich zum Guten hinwenden”. <12> Aber welche Freiheit ist gemeint? Vor unseren Zeitgenossen, die die Freiheit „hochschätzen und sie Ebd., Nr. 17. 56 1041 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN leidenschaftlich erstreben”, sie jedoch „oft in verkehrter Weise vertreten, als Berechtigung, alles zu tun, wenn es nur gefällt, auch das Böse”, legt das Konzil die „wahre” Freiheit dar: „Die wahre Freiheit aber ist ein erhabenes Kennzeichen des Bildes Gottes im Menschen: Gott wollte nämlich den Menschen ,der Macht der eigenen Entscheidung überlassen’ (vgl. Sir 15,14), so daß er seinen Schöpfer aus eigenem Entscheid suche und frei zur vollen und seligen Vollendung in Einheit mit Gott gelange”. <13> Wenn für den Menschen das Recht besteht, auf seinem Weg der Wahrheitssuche respektiert zu werden, so besteht noch vorher die für jeden schwerwiegende moralische Verpflichtung, die Wahrheit zu suchen und an der anerkannten Wahrheit festzuhalten. <14>In diesem Sinne behauptete Kardinal J.H. Newman, herausragender Verfechter der Rechte des Gewissens, mit Entschiedenheit: „Das Gewissen hat Rechte, weil es Pflichten hat”. <15> Gewisse Richtungen der heutigen Moraltheologie interpretieren unter dem Einfluß hier in Erinnerung gerufener subjektivistischer und individualistischer Strömungen das Verhältnis der Freiheit zum Sittengesetz, zur menschlichen Natur und zum Gewissen in neuer Weise und schlagen neuartige Kriterien für die sittliche Bewertung von Handlungen vor: es sind dies Tendenzen, die in ihrer Verschiedenheit darin übereinstimmen, die Abhängigkeit der Freiheit von der Wahrheit abzuschwächen oder sogar zu leugnen. Vgl. II, Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 2; vgl. auch Gregor XVI., Enzyklika Mirari vc>5 arbitramur (15. August 1832): Acta Gregorii Papae XVI, I, 169-174; Pius IX., Enzyklika Quanta cum (8. Dezember 1864): Pii IX P.M. Acta, I, 3, 687-700; Leone XIII., Enzyklika Liberias Praestantissimum (20. Juni 1888): Leonis XIII P.M. Acta, VIII, Romae 1889, 212-246. A Letter Addressed to His Grace the Duke of Norfolk: Certain Difßculties Feit by Anglicans in Catholic Teaching (Uniform Edition: Longman, Green and Company, London, 1868-1881), Bd. 2, S. 250. Wollen wir diese Tendenzen einer kritischen Prüfung unterziehen, die geeignet ist, nicht nur zu erkennen, was an ihnen legitim, nützlich und wertvoll ist, sondern zugleich ihre Zweideutigkeiten, Gefahren und Irrtümer aufzuzeigen, dann müssen wir sie im Lichte der grundlegenden Abhängigkeit der Freiheit von der Wahrheit prüfen, eine Abhängigkeit, die ihren klarsten und maßgebendsten Ausdruck in den Worten Christi gefunden hat: „Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien” (Joh 8,32). I. Freiheit und Gesetz „Doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen ” (Gen 2,17) 35. Im Buch Genesis lesen wir: „Gott der Herr gebot dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn wenn du davon ißt, wirst du sterben” (Gen 2,16-17). 1042 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesem Bild lehrt uns die Offenbarung, daß die Macht, über Gut und. Böse zu entscheiden, nicht dem Menschen, sondern allein Gott zusteht. Gewiß, der Mensch ist von dem Augenblick an frei, in dem er die Gebote Gottes erkennen und aufnehmen kann. Und er ist im Besitz einer sehr weitgehenden Freiheit, denn er darf „von allen Bäumen des Gartens” essen. Aber es ist keine unbegrenzte Freiheit: Sie muß vor dem „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse” haltmachen, da sie dazu berufen ist, das Sittengesetz, das Gott dem Menschen gibt, anzunehmen. Tatsächlich findet gerade in dieser Annahme die Freiheit des Menschen ihre wahre und volle Verwirklichung. Gott, der allein gut ist, erkennt genau, was für den Menschen gut ist, und kraft seiner eigenen Liebe legt er ihm dies in den Geboten vor. Das Gesetz Gottes mindert also die Freiheit des Menschen nicht und noch weniger schaltet es sie aus, im Gegenteil, es garantiert und fördert sie. Ganz anders bilden jedoch manche der heutigen kulturellen Strömungen den Ausgangspunkt zahlreicher Richtungen der Ethik, welche einen mutmaßlichen Konflikt zwischen der Freiheit und dem Gesetz in den Mittelpunkt ihres Denkens stellen. Solcher Art sind die Lehren, die den einzelnen oder sozialen Gruppen die Fähigkeit und Befugnis zuschreiben, über Gut und Böse zu entscheiden: Die menschliche Freiheit könnte „die Werte schaffen” und würde einen Primat über die Wahrheit besitzen; ja, die Wahrheit würde sogar selbst als eine Schöpfung der Freiheit angesehen. Somit würde diese also eine solche moralische Autonomie beanspruchen, die praktisch ihre absolute Souveränität bedeuten würde. 36. Der moderne Autonomieanspruch hat natürlich seinen Einfluß auch im Bereich der.katholischen Moraltheologie ausgeübt. Auch wenn diese sicher nie die menschliche Freiheit dem göttlichen Gesetz entgegensetzen noch das Vorhandensein einer letzten religiösen Grundlage der sittlichen Normen in Frage stellen wollte, wurde sie doch zu einem gründlichen Überdenken der Rolle der Vernunft und des Glaubens bei der Begründung einzelner sittlicher Normen herausgefordert, die sich auf bestimmte „innerweltliche” Verhaltensweisen gegenüber sich selbst, gegenüber den anderen und gegenüber der Sachwelt (Welt der Dinge) beziehen. Man muß anerkennen, daß am Beginn dieses Bemühens um Neubesinnung einige berechtigte Anliegen stehen, die allerdings zu einem guten Teil zur besten Tradition katholischen Denkens gehören. Vom II. Vatikanischen Konzil gedrängt, <16> wollte man den Dialog mit der modernen Kultur dadurch fördern, daß man den rationalen -und damit universal verständlichen und mitteilbaren - Charakter der dem Bereich des natürlichen Moralgesetzes zugehörigen sittlichen Normen an den Tag legte. <17> Darüber hinaus wollte man den innerlichen Charakter sittücher Forderangen bekräftigen, die aus dem natürlichen Sittengesetz hervorgehen und sich dem Willen nur kraft ihrer vorhergehenden Anerkennung durch die menschliche Vernunft und, konkret, das persönliche Gewissen als Verpflichtung auferlegen. Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 40 und Nr. 43. Vgl. Hl. Thomas v. Aquin Summa Theologiae, I-II, q. 71, a. 6; siehe auch ad 5um. 60 61 1043 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Indem jedoch die Abhängigkeit der menschlichen Vernunft von der göttlichen Weisheit und - im gegenwärtigen Zustand der gefallenen Natur - die Notwendigkeit und Tatsächlichkeit der göttlichen Offenbarung für die Kenntnis auch natürücher sittlicher Wahrheiten <18> in Vergessenheit gerieten, sind einige zu der Theorie einer vollständigen Souveränität der Vernunft im Bereich der sittlichen Normen gelangt, die sich aiif die richtige Ordnung des Lebens in dieser Welt beziehen: Diese Normen stellten den Bereich einer rein „menschlichen” Moral dar, das heißt, sie wären Ausdruck eines Gesetzes, das der Mensch sich autonom selbst gibt und das seine Quelle ausschließlich in der menschlichen Vernunft hat. Als Urheber dieses Gesetzes könnte keinesfalls Gott angesehen werden, außer in dem Sinne, daß die menschliche Vernunft ihre Gesetzgebungsautonomie aufgrund einer ursprünglichen Gesamtermächtigung Gottes an den Menschen ausübt. Diese angestrebten Überlegungen haben nun dazu geführt, gegen die Heilige Schrift und die feststehende Lehre der Kirche zu leugnen, daß das natürliche Sittengesetz Gott als seinen Urheber hat und daß der Mensch durch seine Vernunft an dem ewigen Gesetz teilhat, dessen Festlegung nicht ihm zusteht. Vgl. Pius XII., Enzyklika Humani generis (12. August 1950): AAS 42(1950)561-562. 37. Da man jedoch das sittliche Leben in einem christlichen Rahmen erhalten wollte, wurde von einigen Moraltheologen eine scharfe, der katholischen Lehre widersprechende <19> Unterscheidung eingeführt zwischen einer sittlichen Ordnung, die menschlichen Ursprungs sei und nur innerweltlichen Wert habe, und einer Heilsordnung, für die nur bestimmte Absichten und innere Haltungen im Hinblick auf Gott und den Nächsten Bedeutung hätten. Folglich gelangte man dahin, das Vorhandensein eines spezifischen und konkreten, universal gültigen und bleibenden sittlichen Gehaltes der göttlichen Offenbarung zu leugnen: Das heute bindende Wort Gottes würde sich darauf beschränken, eine Ermahnung, eine allgemeine „Paränese” anzubieten; sie mit wahrhaft „objektiven”, d. h. an die konkrete geschichtliche Situation angepaßten, normativen Bestimmungen aufzufüllen, wäre dann allein Aufgabe der autonomen Vernunft. Eine derart verstandene Autonomie führt natürlich auch dazu, daß eine spezifische Kompetenz der Kirche und ihres Lehramtes hinsichtlich bestimmter, das sogenannte „Humanum” betreffender sittlicher Normen geleugnet wird: Sie gehörten nicht zum eigentlichen Inhalt der Offenbarung und wären, als solche, im Hinblick auf das Heil nicht von Bedeutung. Konzil von Trient, Sess. VI, Dekret über die Rechtfertigung Cum hoc tempore, can. 19-21: DS 1569-1571. Eine solche Auslegung der Autonomie der menschlichen Vernunft führt, wie jeder sieht, zu Thesen, die mit der katholischen Lehre unvereinbar sind. In einem solchen Zusammenhang müssen unbedingt die Grundbegriffe der menschlichen Freiheit und des Moralgesetzes sowie ihre tiefen, inneren Beziehungen im Lichte des Wortes Gottes und der lebendigen Überlieferung der Kirche geklärt werden. Nur so wird es möglich sein, den berechtigten Ansprüchen menschlicher Vernunft dadurch zu entsprechen, daß man die gültigen Elemente einiger Strömungen 1044 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der heutigen Moraltheologie integriert, ohne das moralische Erbgut der Kirche durch Thesen zu beeinträchtigen, die aus einem falschen Autonomiebegriff herrühren. Gott wollte den Menschen „ der Macht der eigenen Entscheidung überlassen” (Sir15,14) 38. Mit den Worten aus dem Buch Jesus Sirach erklärt das U. Vatikanische Konzil die „wahre Freiheit”, die ein „erhabenes Kennzeichen des Bildes Gottes” im Menschen ist: „Gott wollte nämlich den Menschen ,der Macht der eigenen Entscheidung überlassen’, so daß er seinen Schöpfer aus eigenem Entscheid suche und frei zur vollen und seligen Vollendung in Einheit mit Gott gelange”. <20> Diese Worte weisen auf die wunderbare Tiefe der Teilhabe an der göttlichen Herrschaft hin, zu welcher der Mensch berufen ist: Sie deuten an, daß die Herrschaft des Menschen in gewissem Sinne über den Menschen selbst hinausreicht. Das ist ein Gesichtspunkt, der in der theologischen Reflexion über die als eine Art von Königtum ausgelegte menschliche Freiheit stets hervorgehoben wird. So schreibt z. B. der hl. Gregor von Nyssa: „Der Geist offenbart sein Königtum und seine Vortrefflichkeit... darin, daß er herrenlos und frei ist, sich mit seinem Willen autokratisch zu regieren. Wem anders ziemt das als einem König? ... So wurde die menschliche Natur, die geschaffen worden ist, Herrin über die anderen Geschöpfe zu sein, durch die Ähnlichkeit mit dem Herrn des Universums zu einem lebendigen Bild bestimmt, das an der Würde und dem Namen des Urbildes teilhat”. <21> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 17. Gregor von Nyssa, De hominis opificio, c. 4: PG 44, 135-136. Schon das Regieren der Welt stellt für den Menschen eine große und verantwortungsreiche Aufgabe dar, die seine Freiheit im Gehorsam gegenüber dem Schöpfer in Anspruch nimmt: „Bevölkert die Erde und unterwerft sie euch” (Gen 1,28). Von diesem Gesichtspunkt aus steht dem einzelnen Menschen wie auch der menschlichen Gemeinschaft eine gerechtfertigte Autonomie zu, der die Konzilskonstitution Gaudium et spes besondere Aufmerksamkeit widmet. Es ist dies die Autonomie der irdischen Wirklichkeiten, was bedeutet, daß „die geschaffenen Dinge und auch die Gesellschaften ihre eigenen Gesetze und Werte haben, die der Mensch schrittweise erkennen, gebrauchen und gestalten muß”. <22> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 36. 39. Doch nicht nur die Welt, sondern auch der Mensch selbst wurde seiner eigenen Sorge und Verantwortung anvertraut. Gott hat ihn „der Macht der eigenen Entscheidung” überlassen (Sir 15,14), so daß er seinen Schöpfer suche und aus freien Stücken zur Vollkommenheit gelange. Zur Vollkommenheit gelangen heißt, persönlich in sich diese Vollkommenheit aufbauen. Denn wie der Mensch, wenn er die Welt regiert, sie nach seinem Verstand und Willen gestaltet, so bestätigt, entwickelt und festigt der Mensch in sich selbst die Gottähnlichkeit, wenn er sittlich gute Handlungen vollzieht. 64 65 66 1045 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Konzil verlangt jedoch Wachsamkeit gegenüber einem falschen Begriff der Autonomie der irdischen Wirklichkeiten, einem solchen nämlich, der meint, daß „die geschaffenen Dinge nicht von Gott abhängen und der Mensch sie ohne Bezug auf den Schöpfer gebrauchen könne”. <23> Was den Menschen betrifft, so führt dann ein solcher Autonomiebegriff zu besonders schädlichen Auswirkungen und nimmt schließlich atheistischen Charakter an: „Denn das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts... überdies wird das Geschöpf selbst durch das Vergessen Gottes unverständlich”. <24> Ebd. -Ebd. Vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, I-II, q. 93, a. 3, ad 2um, zitiert von Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris (11. April 1963): AAS55(1963) 271. 40. Die Lehre des Konzils unterstreicht einerseits die aktive Rolle der menschlichen Vernunft bei der Auffindung und Anwendung des Sittengesetzes: Das sittliche Leben erfordert die Kreativität und den Einfallsreichtum, die der Person eigen und Quelle und Grund ihres freien und bewußten Handelns sind. Andererseits schöpft die Vernunft ihre Wahrheit und ihre Autorität aus dem ewigen Gesetz, das nichts anderes als die göttliche Weisheit ist. <25> Dem sittlichen Leben liegt also das Prinzip einer „richtigen Autonomie” <26> des Menschen als Person und Subjekt seiner Handlungen zugrunde. Das Sittengesetz kommt von Gott und findet immer in ihm seine Quelle: Aufgrund der natürlichen Vernunft, die aus der göttlichen Weisheit stammt, ist es zugleich das dem Menschen eigene Gesetz. Das Naturgesetz ist nämlich, wie wir gesehen haben, „nichts anderes als das von Gott uns eingegebene Licht des Verstandes. Dank seiner wissen wir, was man tun und was man meiden soll. Dieses Licht und dieses Gesetz hat uns Gott bei der Erschaffung geschenkt”. <27> Die richtige Autonomie der praktischen Vernunft bedeutet, daß der Mensch ein ihm eigenes, vom Schöpfer empfangenes Gesetz als Eigenbesitz in sich trägt. Doch die Autonomie der Vernunft kann nicht die Erschaffung der Werte und sittlichen Normen durch die Vernunft bedeuten? <28> Würde eine solche Autonomie die Leugnung der Teilhabe der praktischen Vernunft an der Weisheit des göttlichen Schöpfers und Gesetzgebers einschließen oder einer schöpferischen Freiheit das Wort reden, die je nach den historischen Umständen oder der Verschiedenheit von Gesellschaften und Kulturen sittliche Normen hervorbringt, dann stünde eine solchermaßen verfochtene Autonomie im Gegensatz zur Lehre der Kirche über die Wahrheit vom Menschen. <29> Sie wäre der Tod der wahren Freiheit: „Doch vom Baum der Erkenntnis von Gut II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 41. Hl. Thomas von Aquin, ln duo praecepta caritatis et in decem legis praecepta. Prologus: Opuscula theologica, II, n. 1129, Ed. Taurinens. (1954), 245. Vgl. Ansprache an eine Gruppe von Bischöfen aus den Vereinigten Staaten von Amerika anläßlich ihres “ad limina” Besuches, (15. Okt. 1988), Nr. 6: Insegnamenti, XI, 3 (1988), 1228. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 47. 67 68 69 70 71 72 73 1046 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Böse sollst du nicht essen; denn wenn du davon ißt, wirst du sterben” (Gen 2,17). 41. Wahre sittliche Autonomie des Menschen bedeutet in der Tat nicht Ablehnung, sondern nur Annahme des Sittengesetzes, des Gebotes Gottes: „Gott der Herr gebot dem Menschen ...” (Gen 2,16). Die Freiheit des Menschen und das Gesetz Gottes begegnen einander und sind aufgerufen, sich im Sinne des freien Gehorsams des Menschen gegenüber Gott und des unverdienten Wohlwollens Gottes gegenüber dem Menschen gegenseitig zu durchdringen. Der Gehorsam Gott gegenüber ist daher nicht, wie manche meinen, eine Heteronomie, so als wäre das moralische Leben dem Willen einer absoluten Allmacht außerhalb des Menschen unterworfen, die der Behauptung seiner Freiheit widerspricht. Wenn Heteronomie der Moral tatsächlich Leugnung der Selbstbestimmung des Menschen oder Auferlegung von Normen bedeutete, die mit seinem Wohl nichts zu tun haben, dann stünde sie im Gegensatz zur Offenbarung des Bundes und der erlösenden Menschwerdung Gottes. Eine solche Heteronomie wäre nur eine Form von Entfremdung, die der göttlichen Weisheit und der Würde der menschlichen Person widerspricht. Manche sprechen mit Recht von Theonomie oder von partizipativer Theonomie, weil der freie Gehorsam des Menschen dem Gesetz Gottes gegenüber in der Tat die Teilhabe der menschlichen Vernunft und des menschlichen Willens an der Weisheit und Vorsehung Gottes einschließt. Wenn Gott dem Menschen verbietet, „vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen”, sagt er damit, daß der Mensch diese „Erkenntnis” nicht als ursprünglichen Eigenbesitz in sich trägt, sondern nur durch das Licht der natürlichen Vernunft und der göttlichen Offenbarung, die ihm die Forderungen und Appelle der ewigen Weisheit kundtun, daran teilhat. Das Gesetz muß also Ausdruck der göttlichen Weisheit genannt werden: Indem sich die Freiheit ihm unterwirft, unterwirft sie sich der Wahrheit der Schöpfung. Darum müssen wir in der Freiheit der menschlichen Person das Abbild und die Nähe Gottes anerkennen, der „in allen gegenwärtig ist” (vgl. Eph 4,6); zugleich müssen wir die Majestät des Gottes des Alls anerkennen und die Heiligkeit des Gesetzes des unendlich transzendenten Gottes verehren. Deus semper maior. Wohl dem Mann, der Freude hat an der Weisung des Herrn (vgl. Ps 1,1-2) 42. Die der Freiheit Gottes nachgebildete Freiheit des Menschen wird durch dessen Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes nicht nur nicht verneint, sondern vielmehr bleibt sie erst durch diesen Gehorsam in der Wahrheit und entspricht der Würde des Menschen, wie das Konzil offen schreibt: „Die Würde des Menschen verlangt, daß er in bewußter und freier Wahl handle, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloßem äußerem Zwang. Eine solche Würde erwirbt der Mensch, wenn er sich aus aller Knechtschaft HI. Augustinus, Enarratio in Psalmum LXII, 16: CCL 39, 804. 1047 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Leidenschaften befreit und sein Ziel in freier Wahl des Guten verfolgt sowie sich die geeigneten Hilfsmittel wirksam und in angestrengtem Bemühen verschafft”. <30> In seinem Streben nach Gott, dem, der „allein gut ist”, muß der Mensch in freier Entscheidung das Gute tun und das Böse meiden. Aber dazu muß der Mensch das Gute vom Bösen unterscheiden können. Und das erfolgt vor allem dank des Lichtes der natürlichen Vernunft, Widerschein des Glanzes von Gottes Angesicht im Menschen. In diesem Sinne schreibt der hl. Thomas, einen Vers des 4. Psalms kommentierend: „Nachdem der Psalmist gesagt hat: Bringt rechte Opfer dar! (Ps 4,6), als ob ihn Leute nach den Werken der Gerechtigkeit gefragt hätten, fügt er hinzu: Viele sagen: ,Wer macht uns das Gute sehen?’ Und als Antwort auf die Frage sagt er: Herr, laß dein Angesicht über uns leuchten! Als wollte er sagen, daß das Licht der natürlichen Vernunft, mit der wir das Gute vom Bösen unterscheiden - wofür das Naturgesetz zuständig ist -, nichts anderes als ein Abdruck des göttlichen Lichtes in uns ist”. <31> Daraus folgt auch, warum dieses Gesetz Naturgesetz genannt wird: Es wird so genannt nicht im Blick auf die Natur der vemunftlosen Wesen, sondern weil die Vernunft, die dieses Gesetz erläßt, zur menschlichen Natur gehört. <32> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 17. Summa Theologiae, I-II, q. 91, a. 2. Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1955. 43. Das II. Vatikanische Konzil erinnert daran, daß „die höchste Norm des menschlichen Lebens das göttliche Gesetz selber ist, das ewige, objektive und universale, durch das Gott nach dem Ratschluß seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert. Gott macht den Menschen seines Gesetzes teilhaftig, so daß der Mensch unter der sanften Führung der göttlichen Vorsehung die unveränderliche Wahrheit mehr und mehr zu erkennen vermag”. <33> Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 3. Das Konzil verweist auf die klassische Lehre über das ewige Gesetz Gottes. Der hl. Augustinus definiert es als „die Vernunft oder den Willen Gottes, der gebietet, die natürliche Ordnung zu beachten, und verbietet, sie zu stören”; <34> der hl. Thomas identifiziert es mit dem „Plan der göttlichen Weisheit, die alles auf das gebotene Ziel hin bewegt”. <35> Und die Weisheit Gottes ist Vorsorge, sorgende Liebe. Es ist also Gott selber, der die ganze Schöpfung liebt und im wörtlichsten, grundlegendsten Sinn für sie sorgt (vgl. Weishl,22; 8,11). Aber Gott sorgt für die Menschen anders als für die Wesen, die keine Personen sind: nicht „von außen”, durch die Gesetze der physischen Natur, sondern „von innen”, durch die Vernunft, die, wenn sie mit Hilfe des natürlichen Lichtes das ewige Gesetz Gottes erkennt, dadurch imstande ist, dem Menschen die rechte Richtung seines freien Handelns zu weisen. <36> Contra Faustum, Buch 22, Kap. 27: PL 42, 418. Summa Theologiae, I-II, q. 93, a. 1. Vgl. ebd., I-II, 90. 4, ad 1 um. 75 76 77 78 79 80 81 1048 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf diese Weise beruft Gott den Menschen zur Teilhabe an seiner Vorsehung, denn er will die Welt mit Hilfe des Menschen selber, das heißt durch seine vernünftige und verantwortliche Sorge, leiten: nicht nur die Welt der Natur, sondern auch die Welt der menschlichen Personen. In diesem Zusammenhang steht das Naturgesetz, menschlicher Ausdruck des ewigen Gesetzes Gottes: „Im Vergleich zu den anderen Kreaturen - schreibt der hl. Thomas - ist das vernunftbegabte Geschöpf in vortrefflicher Weise der göttlichen Vorsehung unterworfen, weil es seinerseits dadurch an der Vorsehung teilhat, daß es für sich und die anderen vorsieht: darum gibt es bei ihm Teilhabe an der ewigen Vernunft, dank welcher es eine natürliche Neigung zur sittlich gebotenen Handlung und zum gebotenen Ziel hat: Diese Teilhabe des ewigen Gesetzes im vernunftbegabten Geschöpf wird Naturgesetz genannt”. <37> Ebd., I-II, q. 91, a. 2. 44. Die Kirche hat sich oft auf die thomistische Lehre vom Naturgesetz berufen und sie in ihre Moralverkündigung aufgenommen. So hat mein ehrwürdiger Vorgänger Leo XIII. die wesenhafte Unterordnung der menschlichen Vernunft und des menschlichen Gesetzes unter Gottes Weisheit und Gesetz hervorgehoben. Nachdem er ausgeführt hat, daß „das Naturgesetz in die Herzen der einzelnen Menschen geschrieben und eingemeißelt ist, da es nichts anderes ist als die menschliche Vernunft selber, insofern sie uns gebietet, das Gute zu tun, und uns zu sündigen verbietet”, verweist Leo XIII. auf die „höhere Vernunft” des göttlichen Gesetzgebers: „Aber diese Anordnung der menschlichen Vernunft hätte nicht Gesetzeskraft, wenn sie nicht Stimme und Auslegerin einer höheren Vernunft wäre, der sich unser Geist und unsere Freiheit unterwerfen müssen”. Die Kraft des Gesetzes beruht in der Tat auf seiner Autorität, Verpflichtungen aufzuerlegen, Rechte zu verleihen und gewisse Verhaltensweisen mit Lohn oder Strafe zu belegen: „Das alles könnte sich im Menschen nicht finden, würde er selbst als oberster Gesetzgeber sich die Norm für seine Handlungen geben”. Und er sagt abschließend: „Daraus folgt, daß das Naturgesetz das ewige Gesetz selbst ist, das denen eingepflanzt ist, die die Vernunft gebrauchen, und sie auf das gebührende Tun und Ziel hinlenkt; es ist dies die ewige Vernunft des Schöpfers selbst und des die ganze Welt regierenden Gottes”. <38> Der Mensch kann das Gute und das Böse erkennen dank jener Unterscheidung von Gut und Böse, die er selbst mit Hilfe seiner Vernunft vomimmt, besonders der von der göttlichen Offenbarung und vom Glauben erleuchteten Vernunft, kraft des Gesetzes, das Gott dem auserwählten Volk angefangen von den Geboten vom Sinai geschenkt hat. Israel war dazu berufen, das Gesetz Gottes als besonderes Geschenk und Zeichen der Erwählung und des göttlichen Bundes und zugleich als Gewähr für den Segen Gottes zu empfangen und zu leben. So konnte sich Mose an die Söhne Israels wenden und sie fragen: „Denn welche große Nation hätte Götter, die ihr so nah sind, wie Jahwe, unser Gott, uns nah ist, wo immer wir ihn anrufen? Oder welche große Nation besäße Gesetze und Rechtsnormen, die so sachgemäß sind wie Enzyklika Liberias praestantissimum (20. Juni 1888): Leonis XIIIP. M. Acta, VIII, Romae 1889, 219. 1049 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN alles in dieser Weisung, die ich euch heute vorlege?” (Dt« 4,7-8). In den.Psalmen begegnen wir den Gefühlen des Lobes, der Dankbarkeit und Verehrung, die das auserwählte Volk gegenüber dem Gesetz Gottes hegen soll, und wir begegnen der Ermahnung, das Gesetz kennenzulemen, darüber nachzudenken und es ins Leben zu übersetzen: „Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt, nicht auf dem Weg der Sünder geht, nicht im Kreis der Spötter sitzt, sondern Freude hat an der Weisung des Herrn, über seine Weisung nachsinnt bei Tag und Nacht” (Ps 1,1-2). „Die Weisung des Herrn ist vollkommen, sie erquickt den Menschen. Das Gesetz des Herrn ist verläßlich, den Unwissenden macht es weise. Die Befehle des Herrn sind richtig, sie erfreuen das Herz; das. Gebot des Herrn ist lauter, es erleuchtet die Augen” (Ps 19,8-9). 45. Die Kirche empfängt mit Dankbarkeit das Gesamtgut der Offenbarung und hütet es mit Liebe, indem sie es mit religiöser Achtung behandelt und durch die authentische Auslegung des Gesetzes Gottes im Lichte des Evangeliums ihre Sendung erfüllt. Darüber hinaus empfängt die Kirche als Geschenk das neue Gesetz, das die „Vollendung” des Gesetzes Gottes in Jesus Christus und in seinem Geist ist: Es ist ein „innerliches” Gesetz (vgl. Jer 31,31-33), „geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern - wie auf Tafeln - in Herzen von Heisch” (2 Kor 3,3); ein Gesetz der Vollkommenheit und der Freiheit (vgl. 2 Kor 3,17); es ist „das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus” {Röm 8,2). Von diesem Gesetz schreibt der hl. Thomas: „Dieses kann in einem doppelten Sinn Gesetz genannt werden. Zum ersten ist Gesetz des Geistes der Heilige Geist ..., der, während er in der Seele Wohnung nimmt, nicht nur durch die Erleuchtung des Verstandes hinsichtlich des zu Tuenden belehrt, sondern auch geneigt macht, mit rechter Absicht zu handeln. ... In einem zweiten Sinn kann das Gesetz des Geistes die eigentliche Wirkung des Heiligen Geistes genannt werden, das heißt der Glaube, der in der Liebe wirksam ist 0Gal 5,6); es belehrt uns also innerlich darüber, was zu tun ist ... und macht uns darin im Herzen geneigt”. <39> In Epistulam ad Romanos, c. VIII, lect. 1. Auch wenn es bei der moraltheologischen Reflexion üblich ist, das positive oder geoffenbarte Gesetz Gottes vom Naturgesetz und im Heilsplan das „alte” Gesetz vom „neuen” Gesetz zu unterscheiden, darf man nicht vergessen, daß sich diese und andere nützliche Unterscheidungen stets auf das Gesetz beziehen, dessen Urheber ein und derselbe Gott ist, so wie der Empfänger dieses Gesetzes der Mensch ist. Die verschiedenen Weisen, wie Gott sich in der Geschichte der Welt und des Menschen annimmt, schließen nicht nur einander nicht aus, sondern im Gegenteil, sie stützen und durchdringen sich gegenseitig. Sie alle haben ihre Quelle und ihr Endziel in dem weisen und liebevollen ewigen Plan, mit dem Gott die Menschen im voraus dazu bestimmt, „an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhäben” (Röm 8,29). In diesem 84 1050 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Plan liegt keinerlei Bedrohung für die wahre Freiheit des Menschen; im Gegenteil, die Annahme dieses Planes ist der einzige Weg zur Bejahung der Freiheit. „Die Forderung des Gesetzes ist ihnen ins Herz geschrieben” (Röm 2,15) 46. Ein vermutlicher Konflikt zwischen Freiheit und Gesetz stellt sich heute aufs neue mit außergewöhnlicher Wucht im Hinblick auf das Naturgesetz und besonders im Hinblick auf die Natur. In Wirklichkeit haben die Debatten über Natur und Freiheit die Geschichte der moralischen Reflexion immer begleitet; mit Renaissance und Reformation haben sich diese Debatten zugespitzt, wie man aus den Lehren des Konzils von Trient ersehen kann. <40> Von ähnlicher Spannung ist, wenn auch in einem anderen Sinn, die Gegenwart gezeichnet: Die Vorhebe für die empirische Beobachtung, die Verfahren wissenschaftlicher Verobjektivierung, der technische Fortschritt, gewisse Formen von Liberalismus haben die zwei Begriffe einander gegenübergestellt, als wäre die Dialektik - wenn nicht gar der Konflikt - zwischen Freiheit und Natur ein Strukturmerkmal der menschlichen Geschichte. Zu anderen Zeiten schien die „Natur” den Menschen vollständig ihren Dynamismen zu unterwerfen, ja selbst ihn zu determinieren. Heute noch scheinen vielen die räumlich-zeitlichen Koordinaten der sinnlich wahrnehmbaren Welt, die physisch-chemischen Konstanten, die körperlichen und seelischen Triebkräfte und die gesellschaftlichen Zwänge die einzigen wirklich entscheidenden Faktoren der menschlichen Wirklichkeit zu sein. In diesem Zusammenhang werden auch die sittlichen Tatsachen, trotz ihres eigentümlichen Charakters, oft wie statistisch erfaßbare Daten, beobachtbares Verhalten oder nur mit den Kategorien psychisch-sozialer Mechanismen erklärbar behandelt. Und so können manche Ethiker, die von Berufs wegen sich der Untersuchung der Handlungen und Haltungen des Menschen zu widmen haben, versucht sein, ihr Wissen, ja sogar ihre Verordnungen, an einer statistischen Aufarbeitung des konkreten menschlichen Verhaltens und an den Meinungen der Mehrheit in sittlichen Fragen zu messen. Vgl. Sess. VI, Dekr. über die Rechtfertigung Cum hoc tempore, cap. 1: DS 1521. Im Gegensatz dazu behalten andere Moraltheologen, auf Werteerziehung bedacht, eine Sensibilität, die Freiheit in Ehren zu halten, verstehen sie aber oft in Widerspruch oder Gegensatz zur materiellen und biologischen Natur, der gegenüber sie sich Schritt für Schritt zu behaupten hätte. Dabei treffen sich verschiedene Auffassungen darin, daß sie die kreatürliche Dimension der Natur vergessen und in ihrer Integrität verkennen. Für einige ist die Natur nur noch zum Rohmaterial für das menschliche Handeln und Können verkürzt: Sie müßte von der Freiheit von Grund auf umgeformt, ja überwunden werden, da sie Begrenzung und Verneinung der Freiheit darstellte. Für andere entstünden im maßlosen Steigern der Macht des Menschen bzw. der Ausweitung seiner Freiheit die ökonomischen, gesellschaftlichen, kulturellen und auch sittlichen Werte: Natur würde all das bedeuten, was im 1051 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen und in der Welt außerhalb der Freiheit angesiedelt ist. Diese Natur enthielte an erster Stelle den menschlichen Leib, seine Verfassung und seine Triebkräfte: Im Gegensatz zu dieser physischen Gegebenheit stünde alles „Konstruierte”, also die „Kultur” als Werk und Produkt der Freiheit. Die so verstandene menschliche Natur könnte reduziert und wie ein dauernd zur Verfügung stehendes biologisches oder gesellschaftliches Material behandelt werden. Das bedeutet letzten Endes, die Freiheit durch sich selbst zu bestimmen und sie zu einer schöpferischen Instanz ihrer selbst und ihrer Werte zu machen. Auf diese Weise hätte der Mensch letztlich nicht einmal eine Natur; er wäre an und für sich sein eigenes Daseinsprojekt. Der Mensch wäre nichts weiter als seine Freiheit! 47. In diesem Zusammenhang wurde gegen die traditionelle Auffassung vom Naturgesetz der Einwand des Physizismus und Naturalismus erhoben: Diese Auffassung würde als sittliche Gesetze behandeln, was an sich nur biologische Gesetze wären. So hätte man allzu oberflächlich manchen menschlichen Verhaltensweisen einen bleibenden, unveränderlichen Wert zugesprochen und sich angemaßt, auf dieser Grundlage allgemein gültige sittliche Normen zu formulieren. Nach Ansicht mancher Theologen würde eine solche „biologistische oder naturalistische Beweisführung” auch in einigen Dokumenten des Lehramtes der Kirche vertreten, besonders in denen, die den Bereich der Sexualethik und Ehemoral betreffen. Aufgrund einer naturalistischen Auffassung des Sexualaktes wären Empfängnisverhütung, direkte Sterilisierung, Autoerotik, voreheliche Beziehungen, homosexuelle Beziehungen sowie künstliche Befruchtung als sittlich unzulässig verurteilt worden. Doch nach Meinung dieser Theologen berücksichtigt eine moralisch negative Bewertung solcher Handlungsweisen weder den Menschen als vernünftiges und freies Wesen noch die kulturelle Bedingtheit jeder sittlichen Norm auf angemessene Weise. Der Mensch als vernunftbegabtes Wesen könne nicht nur, sondern müsse geradezu frei den Sinn seines Verhaltens selbst bestimmen. Dieses „den Sinn bestimmen” werde natürlich die vielfältigen Grenzen des Menschen in seinem leiblichen und geschichtlichen Daseinszustand berücksichtigen müssen. Es werde außerdem die Verhaltensmodelle und die Bedeutungen, die diese in einer bestimmten Kultur annehmen, zu beachten haben. Und vor allem wird es das grundlegende Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe respektieren. Gott jedoch - so behauptet man dann - hat den Menschen als freies Vemunftwesen geschaffen, er hat ihn „der Macht der eigenen Entscheidung” überlassen und erwartet von ihm eine eigenständige, vernünftige Gestaltung seines Lebens. Die Liebe zum Nächsten würde vor allem und ausschließlich Achtung vor seiner freien Selbstentscheidung bedeuten. Die Mechanismen der dem Menschen eigentümlichen Verhaltensweisen sowie die sogenannten „natürlichen Neigungen” würden - wie es heißt - höchstens eine allgemeine Orientierung für richtiges Verhalten festlegen, sie könnten aber nicht über die sittliche Bewertung der einzelnen, hinsichtlich der jeweiligen Situation sehr komplexen menschlichen Handlungen entscheiden. 1052 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 48. Angesichts einer solchen Interpretation muß die wahre, zwischen Freiheit und menschlicher Natur bestehende Beziehung aufs neue aufmerksam bedacht werden, insbesondere welchen Platz der menschliche Leib in den auf das Naturgesetz sich beziehenden Fragen einnimmt. Eine Freiheit, die den Anspruch auf Absolutheit erhebt, behandelt schließlich den menschlichen Leib wie Rohmaterial, bar jeglichen Sinnes und moralischen Wertes, solange die Freiheit es nicht in ihr Projekt eingebracht hat. Die menschliche Natur und der Leib erscheinen folglich als für die Wahlakte der Freiheit materiell notwendige, aber der Person, dem menschlichen Subjekt und der menschlichen Handlung äußerliche Voraussetzungen oder Bedingtheiten. Ihre Dynamismen könnten nicht Bezugspunkte für die sittliche Entscheidung darstellen, da der Endzweck dieser Neigungen nur „physische” Güter wären, von einigen „vor-sittliche” Güter genannt. Wer sich auf sie bezöge, um in ihnen nach einer Vemunftorientierung für die sittliche Ordnung zu suchen, müßte des Physizismus oder des Biologismus bezichtigt werden. Unter solchen Voraussetzungen läuft die Spannung zwischen der Freiheit und einer reduktionistisch verstandenen Natur auf eine Spaltung im Menschen selbst hinaus. Diese moralische Theorie entspricht nicht der Wahrheit über den Menschen und seiner Freiheit. Sie widerspricht den Lehren der Kirche über die Einheit des menschlichen Seins, dessen vernunftbegabte Seele per se et essentialiter Form des Leibes ist. Die geistige und unsterbliche Seele ist das einheitsstiftende Prinzip des menschlichen Seins; sie ist es, wodurch dieses - als Person - ein Ganzes - corpore et anima unus&1 - ist. Diese Definitionen weisen nicht nur darauf hin, daß auch der Leib, dem die Auferstehung verheißen ist, an der Herrlichkeit teilhaben wird; sie erinnern ebenso an die Einbindung von Vernunft und freiem Willen in alle leiblichen und sinnlichen Kräfte. Die menschliche Person ist, einschließlich des Leibes, ganz sich selbst überantwortet und gerade in der Einheit von Seele und Leib ist sie das Subjekt ihrer sittlichen Akte. Durch das Licht der Vernunft und die Unterstützung der Tugend entdeckt die menschliche Person in ihrem Leib die vorwegnehmenden Zeichen, den Ausdruck und das Versprechen der Selbsthingabe in Übereinstimmung mit dem weisen Plan des Schöpfers. Im Lichte der Würde der menschlichen Person - die durch sich selbst bestätigt werden muß - erfaßt die Vernunft den besonderen sittlichen Wert einiger Güter, denen die menschliche Person von Natur her zuneigt. Und da die menschliche Person sich nicht auf ein Projekt der eigenen Freiheit reduzieren läßt, sondern eine bestimmte geistige und leibliche Struktur umfaßt, schließt die ursprüngliche sittliche Forderung, die Person als ein Endziel und niemals als Konzil von Vienne, Konstitution Fidei catholicae: DS 902; Laterankonzil, Bulle Apostolici regiminis: DS 1440. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 14. 1053 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bloßes Mittel zu lieben und zu achten, wesentlich auch die Achtung einiger Grundgüter ein, ohne deren Respektierung man dem Relativismus und der Willkür verfällt. 49. Eine Lehre, welche die sittliche Handlung von den leiblichen Dimensionen ihrer Ausführung trennt, steht im Gegensatz zur Lehre der Heiligen Schrift und der Überlieferung-, Eine solche Lehre läßt in neuer Form gewisse alte, von der Kirche stets bekämpfte Irrtümer Wiederaufleben, die die menschliche Person auf eine „geistige”, rein formale Freiheit reduzieren. Diese Verkürzung verkennt die sittliche Bedeutung des Leibes und der sich auf ihn beziehenden Verhaltensweisen (vgl. 1 Kor 6,19). Der Apostel Paulus erklärt „Unzüchtige, Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, Diebe, Habgierige, Trinker, Lästerer und Räuber” für ausgeschlossen vom Gottesreich (vgl. 1 Kor 6,9-10). Diese Verdammung - die vom Konzil von Trient aufgegriffen wurde - zählt als „Todsünden” oder „infame Praktiken” einige spezifische Verhaltensweisen auf, deren willentliche Annahme die Gläubigen daran hindert, am verheißenen Erbe teilzuhaben. Tatsächlich sind Leib und Seele untrennbai-, in der menschlichen Person, im willentlich Handelnden und seinem frei überlegten Tun halten sie sich miteinander oder gehen miteinander unter. 50. Man kann nun die wahre Bedeutung des Naturgesetzes verstehen: Es bezieht sich auf die eigentliche und ursprüngliche Natur des Menschen, auf die „Natur der menschlichen Person”, die die Person selbst in der. Einheit von Seele und Leib ist, in der Einheit ihrer sowohl geistigen wie biologischen Neigungen und aller anderen spezifischen Merkmale, die für die Erreichung ihres Endzieles notwendig sind. „Das natürliche Sittengesetz drückt aus und schreibt vor die Zielsetzungen, Rechte und Pflichten, die sich auf die leibliche und geistige Natur der menschlichen Person gründen. Es kann deshalb nicht als bloß biologisch maßgebend verstanden werden, sondern muß als die Vernunftordnung definiert werden, gemäß welcher der Mensch vom Schöpfer dazu berufen ist, sein Leben und seine Handlungen zu lenken und zu regeln und im besonderen von seinem Leib Gebrauch zu machen und über ihn zu verfügen”. Zum Beispiel finden sich Ursprung und Fundament der Verpflichtung, zur absoluten Achtung des menschlichen Lebens in der der menschlichen Person eigenen Würde und nicht bloß in der natürlichen Neigung, sein physisches Leben zu erhalten. So gewinnt das menschliche Leben, das ein fundamentales Gut des Menschen ist, sittliche Bedeutung im Blick auf das Wohl der Person, das stets um seiner Vgl. Sess. VI, Dekret über die Rechtfertigung Cum hoc tempore, cap. 15: DS 1544. Das nachsynodale Apostolische Schreiben über Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche heute zitiert andere Stellen aus dem Alten und Neuen Testament, die manche an den Leib gebundenen Verhaltensweisen als Todsünden ausweisen: vgl. Reconciliatio etpaenitentia (2. Dez. 1984), Nr. 17: AAS77(1985)218-223. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 15. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden Leben und der Würde der Fortpflanzung Donum vitae (22. Februar 1987), Einf. 3: A4580(1988) 74; vgl. Paul VI, Enzyklika Humanae vitae (25. Juli 1968), Nr. 10: AAS60(1968) 487-488. 1054 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN selbst willen geltend gemacht werden muß: Während es moralisch immer unerlaubt ist, einen unschuldigen Menschen zu töten, kann es gestattet, lobenswert und sogar geboten sein, aus Nächstenhebe oder als Zeugnis für die Wahrheit das eigene Leben hinzugeben (vgl. Joh 15,13). In Wirklichkeit kann man nur in bezug auf die menschliche Person in ihrer „geeinten Ganzheit”, das heißt „als Seele, die sich im Leib ausdrückt, und als Leib, der von einem unsterblichen Geist durchlebt wird”, <41> die spezifisch menschliche Bedeutung des Leibes erfassen. Tatsächlich gewinnen die natürlichen Neigungen nur insofern sittliche Bedeutung, als sie sich auf die menschliche Person und ihre authentische Verwirklichung beziehen, die andererseits immer und nur im Rahmen der menschlichen Natur zustande kommen kann. Wenn die Kirche Manipulationen der Leiblichkeit, die deren menschliche Bedeutung verfälschen, zurückweist, dient sie dem Menschen und zeigt ihm den Weg der wahren Liebe, auf dem allein er den wahren Gott zu finden vermag. Das so verstandene Naturgesetz läßt keinen Raum für eine Trennung von Freiheit und Natur: Sie sind tatsächlich harmonisch miteinander verknüpft und sind einander zutiefst verbunden. Johannes Paul II, Apostolisches Schreiben Famüiaris consortio (22. Nov. 1981), Nr. 11: AAS 74(1982)92. „Am Anfang war das nicht so ” (Mt 19,8) 51. Der vermutete Konflikt zwischen Freiheit und Natur wirkt sich auch auf die Interpretation einiger besonderer Aspekte des Naturgesetzes aus, vor allem auf seine Universalität und Unveränderlichkeit. „Wo also sind diese Regeln aufgeschrieben -fragte sich der hl. Augustinus -... wenn nicht in dem Buch von jenem Licht, das sich Wahrheit nennt? Von da wird also jedes rechte Gesetz diktiert und überträgt sich ins Herz des Menschen, der die Gerechtigkeit wirkt, wobei es ihn nicht wieder verläßt, sondern sich ihm gleichsam einprägt, wie sich das Bild vom Ring in das Wachs einprägt, ohne aber den Ring zu verlassen”. <42> De Trinitate, XIV, 15, 21: CCL 50/A, 451.- Dank dieser „Wahrheit” schließt das Naturgesetz Universalität ein. Da es eingeschrieben ist in die Vemunftnatur der menschlichen Person, ist es jedem vernunftbegabten und in der Geschichte lebenden Geschöpf auferlegt. Um sich in seiner spezifischen Ordnung zu vervollkommnen, muß der Mensch das Gute tun und das Böse unterlassen, über die Weitergabe und Erhaltung des Lebens wachen, die Reichtümer der sinnenhaften Welt verfeinern und entfalten, das gesellschaftliche Leben pflegen, die Wahrheit suchen, das Gute tun, die Schönheit betrachten. <43> Der Graben, den einige zwischen der Freiheit der Individuen und der allen gemeinsamen Natur aufgerissen haben, verschleiert die Erfahrung der Universalität des Sittengesetzes durch die Vernunft, wie dies aus manchen philosophischen Theorien, die in der modernen Kultur großen Widerhall gefunden haben, hervorgeht. Insofern aber das Naturgesetz die Würde der menschlichen Person zum Ausdruck bringt und Vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, I-H, q. 94, a. 2. 91 92 93 1055 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Grandlage für ihre fundamentalen Rechte und Pflichten legt, ist es in seinen Geboten universal, und seine Autorität erstreckt sich auf alle Menschen. Diese Universalität sieht nicht von der Einzigartigkeit der Menschen ab, noch widerspricht sie der Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit jeder einzelnen menschlichen Person: Sie umfaßt im Gegenteil grundlegend jede ihrer freien Handlungen, die die Universalität des wahren Guten bezeugen müssen. Indem sie sich dem gemeinsamen Gesetz unterwerfen, bauen unsere Handlungen die wahre Gemeinschaft der Personen auf und verwirklichen mit der Gnade Gottes die Liebe, „das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht” (Kol 3,14). Wenn sie hingegen das Gesetz verkennen oder, mit oder ohne Schuld, auch nur darüber in Unkenntnis sind, so verletzen unsere Handlungen die Gemeinschaft der Personen zum Schaden jedes einzelnen. 52. Es ist immer und für alle recht und gut, Gott zu dienen, ihm die gebührende Verehrung zu erweisen und die Eltern zu ehren, wie es sich ziemt. Solche positive Gebote, die anordnen, manche Handlungen zu vollbringen und bestimmte Verhaltensweisen zu üben, verpflichten allgemein; sie sind „unveränderlich”; <44> sie vereinigen in demselben gemeinsamen Gut alle Menschen aller Zeitalter der Geschichte, die für „dieselbe Berufung und dieselbe göttliche Bestimmung” <45> geschaffen sind. Diese universalen und bleibenden Gesetze entsprechen Erkenntnissen der praktischen Vernunft und werden durch das Gewissensurteil auf die einzelnen Handlungen angewandt. Das handelnde Subjekt eignet sich persönlich die im Gesetz enthaltene Wahrheit an: Durch die Handlungen und die entsprechenden Tugenden macht es sich diese Wahrheit seines Seins zu eigen. Die negativen Gebote des Naturgesetzes sind allgemein gültig: sie verpflichten alle und jeden einzelnen allezeit und unter allen Umständen. Es handelt sich in der Tat um Verbote, die eine bestimmte Handlung semper et pro semper verbieten, ohne Ausnahme, weil die Wahl der entsprechenden Verhaltensweise in keinem Fall mit dem Gutsein des Willens der handelnden Person, mit ihrer Berufung züm Leben mit Gott und zur Gemeinschaft mit dem Nächsten vereinbar ist. Es ist jedem und allezeit verboten, Gebote zu übertreten, die es allen und um jeden Preis zur Pflicht machen, in niemandem und vor allem nicht in sich selbst die persönliche und allen gemeinsame Würde zu verletzen. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 10; vgl. Hl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Persona humana (29. Dezember 1975), Nrt. 4: AAS68(1976)80: “Doch in Wirklichkeit bringen die göttliche Offenbarung und auch, in der ihr eigenen Ordnung, die Weisheit der natürlichen Vernunft, indem sie die echten Bedürfnisse des Menschengeschlechtes berühren, zugleich notwendigerweise die unveränderlichen Gesetze ans Licht, die in den konstitutiven Elementen der menschlichen Natur eingepflanzt sind und die als die gleichen in allen Lebewesen, die vernunftbegabt sind, zum Vorschein kommen”. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 29. Auch wenn nur die negativen Gebote immer und unter allen Umständen verpflichten, heißt das andererseits nicht, daß im sittlichen Leben die Verbote wichtiger wären als das Bemühen, das von den positiven Geboten aufgezeigte Gute zu tun. Der Grund ist vielmehr folgender: Das Gebot der Gottes- und der Nächstenhebe hat in 1056 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seiner Dynamik keine obere Grenze, wohl aber hat es eine untere Grenze: unterschreitet man diese, verletzt man das Gebot. Zudem hängt das, was man in einer bestimmten Situation tun soll, von den Umständen ab, die sich nicht alle von vornherein schon voraussehen lassen; umgekehrt aber gibt es Verhaltensweisen, die niemals, in keiner Situation, eine angemessene - das heißt, der Würde der Person entsprechende - Lösung sein können. Schließlich ist es immer möglich, daß der Mensch infolge von Zwang oder anderen Umständen daran gehindert wird, bestimmte gute Handlungen zu Ende zu führen; niemals jedoch kann er an der Unterlassung bestimmter Handlungen gehindert werden, vor allem, wenn er bereit ist, lieber zu sterben als Böses zu tun. Die Kirche hat immer gelehrt, daß Verhaltensweisen, die von den im Alten und im Neuen Testament in negativer Form formulierten sittlichen Geboten untersagt werden, nie gewählt werden dürfen. Wie wir gesehen haben, bestätigt Jesus selber die Unumgänglichkeit dieser Verbote: „Wenn du das Leben erlangen willst, halte die Gebote! ... Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen” (Mt 19,17-18). 53. Die große Sensibilität des heutigen Menschen für Geschichtlichkeit und Kultur verleitet manche dazu, an der Unvej-änderlichkeit des Naturgesetzes und damit am Bestehen „objektiver Normen der Sittlichkeit” <46> zu zweifeln, die für alle Menschen der Gegenwart und der Zukunft gelten, wie sie bereits für jene der Vergangenheit gegolten haben: Ist es überhaupt möglich, von gewissen vernünftigen Bestimmungen, die einst in der Vergangenheit in Unkenntnis des späteren Fortschritts der Menschheit festgelegt wurden, zu behaupten, sie seien für alle von universaler und immerwährender Geltung? Vgl. ebd., Nr. 16. Es ist nicht zu leugnen, daß sich der Mensch immer und in einer bestimmten Kultur befindet, aber ebenso wenig läßt sich bestreiten, daß sich der Mensch in dieser jeweiligen Kultur auch nicht erschöpft. Im übrigen beweist die Kulturentwicklung selbst, daß es im Menschen etwas gibt, das alle Kulturen transzendiert. Dieses „Etwas” ist eben die Natur des Menschen: Sie gerade ist das Maß der Kultur und die Voraussetzung dafür, daß der Mensch nicht zum Gefangenen irgendeiner seiner Kulturen wird, sondern seine Würde als Person dadurch behauptet, daß er in Übereinstimmung mit der tiefen Wahrheit seines Wesens lebt. Wer die bleibenden konstitutiven Strukturelemente des Menschen, die auch mit seiner leiblichen Dimension Zusammenhängen, in Frage stellte, befände sich nicht nur im Konflikt mit der allgemeinen Erfahrung, sondern würde auch die Bezugnahme auf den ,Jmfang” unverständlich werden lassen, die Jesus eben dort machte, wo die soziale und kulturelle Zeitsituation den ursprünglichen Sinn und die Rolle einiger sittlicher Normen entstellt hatte (vgl. Mt 19,1-9). In diesem Sinne „bekennt die Kirche, daß allen Wandlungen vieles Unwandelbare zugrunde liegt, was seinen letzten Grund in Christus 96 1057 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hat, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit”. <47> Er ist der „Anfang”, der, nachdem er die menschliche Natur angenommen hat, sie in ihren Grundelementen und in ihrem Dynamismus der Gottes- und der Nächstenliebe endgültig erleuchtet. <48> <49> Gewiß muß für die universal und beständig geltenden sittlichen Normen die den verschiedenen kulturellen Verhältnissen angemessenste Formulierung gesucht und gefunden werden, die imstande ist, die geschichtliche Aktualität dieser Normen unablässig zum Ausdruck zu bringen und ihre Wahrheit verständlich zu machen und authentisch auszulegen. Diese Wahrheit des Sittengesetzes entfaltet sich - wie jene des Glaubensgutes („depositum fidei”) - über die Zeiten hinweg: Die Normen, die Ausdruck dieser Wahrheit sind, bleiben im wesentlichen gültig, müssen aber vom Lehramt der Kirche den jeweiligen historischen Umständen entsprechend „eodem sensu eademque sententia,m genauer gefaßt und bestimmt werden; die Entscheidung des Lehramtes wird vorbereitet und begleitet durch das Bemühen um Verstehen und um Formulierung, wie es der Vernunft der Gläubigen und der theologischen Reflexion eigen ist. <50> <47> Ebd., Nr. 10. : <48> Vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae I-II, q. 108, a. 1. Der hl. Thomas gründet den nicht bloß formalen, sondern inhaltlich bestimmten Charakter der sittlichen .Normen auch im Bereich des Neuen Gesetzes darauf, daß das Wort die menschliche Natur angenommen hat. <49> Hl. Vinzenz von Lerin(urh), Commonitorium primüm, c. 23: PL 50, 668. ^ Die Entwicklung der Sittenlehre der Kirche ist jener der Glaubenslehre ähnlich: vgl. I. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben Dei Filius, cap. 4: DS 3020 und can. 4: DS 3024. Auch für die Sittenlehre gelten die Worte, • die Johannes XXIII. bei der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils (11. Oktober 1962) gesprochen hat: “Diese zuverlässige und unwandelbare Lehre (= die christliche Lehre in ihrer ganzen Fülle), die treu zu beachten ist, muß vertieft und so dargeboten werden, daß sie den Erfordernissen unserer Zeit entspricht. In der Tat ist das Glaubensgut (depositum fidei), das heißt, die in unserer ehrwürdigen Lehre enthaltenen Wahrheiten, eine Sache, eine andere aber ist die Form, in der diese Wahrheiten ausgesagt werden, wobei sie allerdings denselben Sinn und dieselbe Bedeutung behalten sollen”: AAS54(1962)792; vgl. L'Osservatore Romano, 12. Oktober 1962, 2. II. Gewissen und Wahrheit Das Heiligtum des Menschen 54. Die Beziehung zwischen der Freiheit des Menschen und dem Gesetz Gottes hat ihren lebendigen Sitz im „Herzen” der menschlichen Person, das heißt in ihrem sittlichen Gewissen: „Im Innern seines Gewissens - schreibt das II. Vatikanische Konzil - entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes. Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird (vgl. Röm 2,14-16)”. <51> ^ Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 16. 1058 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Darum steht die Art und Weise, wie man die Beziehung zwischen Freiheit und Gesetz versteht, schließlich in engem Zusammenhang mit der Auffassung, die man über das sittliche Gewissen hat. In diesem Sinne führen die oben erwähnten kulturellen Strömungen, die Freiheit und Gesetz einander entgegensetzen und voneinander trennen und die Freiheit in götzendienerischer Weise verherrlichen, zu einer Auffassung vom sittlichen Gewissen als „schöpferische ” Instanz, eine Auffassung, die sich von der überlieferten Position der Kirche und ihres Lehramtes entfernt. 55. Nach der Meinung verschiedener Theologen habe man, zumindest in bestimmten Perioden der Vergangenheit, die Funktion des Gewissens lediglich auf die Anwendung allgemeiner sittlicher Normen auf Einzelfälle des persönüchen Lebens beschränkt gesehen. Solche Nonnen - heißt es - sind aber nicht in der Lage, die unwiederholbare Besonderheit aller einzelnen konkreten Akte der Personen in ihrer Gesamtheit zu umfassen und zu berücksichtigen; sie können in gewisser Weise bei einer richtigen Bewertung der Situation behilflich sein, sie können aber nicht an die Stelle der Personen treten und ihre Aufgabe übernehmen, eine persönliche Entscheidung über ihr Verhalten in bestimmten Einzelfällen zu treffen. Ja, die vorgenannte Kritik an der traditionellen Interpretation der menschlichen Natur und ihrer Bedeutung für das sittliche Leben verleitet einige Autoren zu der Behauptung, diese Normen seien nicht so sehr ein bindendes objektives Kriterium für die Urteile des Gewissens, als vielmehr eine allgemeine Orientierung, die in erster Linie dem Menschen hilft, seinem persönlichen und sozialen Leben eine geregelte Ordnung zu geben. Darüber hinaus enthüllen sie die dem Phänomen des Gewissens eigene Komplexität: Diese steht in tiefem Zusammenhang mit dem gesamten psychologischen und affektiven Bereich und mit den vielfältigen Einflüssen der gesellschaftlichen und kulturellen Umgebung des Menschen. Andererseits wird der Wert des Gewissens hochgepriesen, das vom Konzil als „Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist”, <52> definiert wurde. Diese Stimme - so wird gesagt - veranlasse den Menschen nicht so sehr zu einer peinlich genauen Beachtung der universalen Normen, als zu einer kreativen und verantwortlichen Übernahme der persönlichen Aufgaben, die Gott ihm anvertraut. Ebd. In dem Wunsch, den „kreativen” Charakter des Gewissens hervorzuheben, bezeichnen manche Autoren die Akte des Gewissens nicht mehr als „Urteile”, sondern als „Entscheidungen”: Nur dadurch, daß der Mensch „autonom” diese Entscheidungen trifft, könne er zu seiner sittüchen Reife gelangen. Einige vertreten auch die Ansicht, dieser Reifungsprozeß würde von der allzu kategorischen Haltung behindert, die in vielen moralischen Fragen das Lehramt der Kirche einnimmt, dessen Eingriffe bei den Gläubigen das Entstehen unnötiger Gewissenskonflikte verursachen würden. 56. Zur Rechtfertigung solcher und ähnlicher Einstellungen haben einige eine Art doppelter Seinsweise der sittlichen Wahrheit vorgeschlagen. Außer der theoretisch- 102 1059 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN abstrakten Ebene müßte die Ursprünglichkeit einer gewissen konkreteren existentiellen Betrachtungsweise anerkannt werden. Diese könnte, indem sie den Umständen und der Situation Rechnung trägt, legitimerweise Ausnahmen bezüglich der theoretischen Regel begründen und so gestatten, in der Praxis guten Gewissens das zu tun, was vom Sittengesetz als für in sich schlecht eingestuft wird. Auf diese Weise entsteht in einigen Fällen eine Trennung oder auch ein Gegensatz zwischen der Lehre von der im allgemeinen gültigen Vorschrift und der Norm des einzelnen Gewissens, das in der Tat letzten Endes über Gut und Böse entscheiden würde. Auf dieser Grundlage maßt man sich an, die Zulässigkeit sogenannter „pastoraler” Lösungen zu begründen, die im Gegensatz zur Lehre des Lehramtes stehen, und eine „kreative” Flermeneutik zu rechtfertigen, nach welcher das sittliche Gewissen durch ein partikulares negatives Gebot tatsächlich nicht in allen Fällen verpflichtet würde. Es gibt wohl niemanden, der nicht begreifen wird, daß mit diesen Ansätzen nichts weniger als die Identität des sittlichen Gewissens selbst gegenüber der Freiheit des Menschen und dem Gesetz Gottes in Frage gestellt wird. Erst die vorausgehende Klärung der auf die Wahrheit gegründeten Beziehung zwischen Freiheit und Gesetz macht eine Beurteilung dieser „schöpferischen” Interpretation des Gewissens möglich. Das Gewissensurteil 57. Derselbe Text aus dem Römerbrief, der uns das Wesen des Naturgesetzes verständlich machte, weist auch auf den biblischen Sinn des Gewissens hin, besonders in seiner spezifischen Verbindung mit dem Gesetz. „Wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, von Natur aus das tun, was im Gesetz gefordert ist, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. Sie zeigen damit, daß ihnen die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben ist; ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab, ihre Gedanken klagen sich gegenseitig an und verteidigen sich” (Röm 2,14-15). Nach den Worten des hl. Paulus stellt das Gewissen den Menschen gewissermaßen dem Gesetz gegenüber, wodurch es selber zum „Zeugen” für den Menschen wird: Zeuge seiner Treue oder Untreue gegenüber dem Gesetz, das heißt seiner fundamentalen sittlichen Rechtschaffenheit oder Schlechtigkeit. Das Gewissen ist der einzige Zeuge: Was im Innersten der menschlichen Person vor sich geht, bleibt den Augen von jedermann draußen verborgen. Es wendet sich mit seinem Zeugnis nur an die Person selber. Und nur die Person wiederum kennt die eigene Antwort auf die Stimme des Gewissens. 58. Die Bedeutung dieses inneren Dialogs des Menschen mit sich selbst wird man niemals angemessen zu schätzen wissen. In Wirklichkeit ist er jedoch der Dialog des Menschen mit Gott, dem Urheber des Gesetzes, dem ersten Vorbild und letzten Ziel des Menschen. „Das Gewissen - schreibt der hl. Bonaventura - ist gleichsam der Herold Gottes und der Bote, und was es sagt, befiehlt es nicht von sich aus, sondern als Botschaft, die von Gott stammt, wie ein Herold, wenn er den Erlaß des 1060 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Königs verkündet. Und daher rührt die verpflichtende Kraft des Gewissens”. <53> Man kann also sagen, daß das Gewissen dem Menschen selber Zeugnis gibt von der Rechtschaffenheit bzw. Schlechtigkeit des Menschen, aber zugleich, ja noch früher, ist es Zeugnis von Gott selbst, dessen Stimme und dessen Urteil das Innerste des Menschen bis an die Wurzeln seiner Seele durchdringen, wenn sie ihn fortiter et suaviter zum Gehorsam rufen: „Das sittliche Gewissen schließt den Menschen nicht in eine unüberschreitbare und undurchdringliche Einsamkeit ein, sondern öffnet ihn für den Ruf, für die Stimme Gottes. Darin und in nichts anderem besteht das ganze Geheimnis und die Würde des sittlichen Gewissens: daß es nämlich der Ort ist, der heilige Raum, in dem Gott zum Menschen spricht”. <54> In II Librum Sentent., dist. 39, a. 1, q. 3, concl.: Ed. Ad Claras Aquas, II, 907 b. Ansprache (Generalaudienz, 17. August 1983), 2: Insegnamenti, VI, 2 (1983), 256. 59. Der hl. Paulus beschränkt sich nicht auf die Anerkennung des Gewissens als „Zeuge”, sondern er enthüllt auch, auf welche Weise es eine solche Funktion erfüllt. Es handelt sich um „Gedanken”, die die Heiden in bezug auf ihre Verhaltensweisen anklagen oder verteidigen (vgl. Röm 2,15). Der Ausdruck „Gedanken” macht den eigentlichen Charakter des Gewissens offenkundig, nämlich ein sittliches Urteil über den Menschen und seine Handlungen zu sein: Es ist ein Urteil, das freispricht oder verurteilt, je nachdem, ob die menschlichen Handlungen mit dem in das Herz eingeschriebenen Gesetz Gottes übereinstimmen oder von ihm abweichen. Und genau von dem Urteil über die Handlungen, und zugleich über ihren Urheber sowie den Zeitpunkt der endgültigen Erfüllung des Urteils, spricht der Apostel Paulus in demselben Text als von „jenem Tag, an dem Gott, wie ich es in meinem Evangelium verkündige, das, was im Menschen verborgen ist, durch Jesus Christus richten wird” (Röm 2,16). Das Urteil des Gewissens ist ein praktisches Urteil, das heißt ein Urteil, das anordnet, was der Mensch tun oder lassen soll, oder das eine von ihm bereits ausgeführte Tat bewertet. Es ist ein Urteil, das die vernünftige Überzeugung, daß man das Gute heben und tun und das Böse meiden soll, auf eine konkrete Situation anwendet. Dieses erste Prinzip der praktischen Vernunft gehört zum Naturgesetz, ja es stellt dessen eigentliche Grundlage dar, insofern es jenes ursprüngliche Licht zur Unterscheidung von Gut und Übel zum Ausdruck bringt, das als Widerschein der schöpferischen Weisheit Gottes wie ein unzerstörbarer Funke (scintilla animae) im Herzen jedes Menschen strahlt. Während jedoch das Naturgesetz die objektiven und universalen Ansprüche des sittlich Guten herausstellt, ist das Gewissen die Anwendung des Gesetzes auf den Einzelfall und wird so für den Menschen zu einem inneren Gebot, zu einem Anruf, in der konkreten Situation das Gute zu tun. Das Gewissen drückt also die sittliche Verpflichtung im Lichte des Naturgesetzes aus: Es ist die Verpflichtung, das zu tun, was der Mensch durch seinen Gewissensakt als ein Gutes erkennt, das ihm hier und jetzt aufgegeben ist. Der universale Charakter des Gesetzes und der Verpflichtung wird nicht ausgelöseht, sondern vielmehr anerkannt, 103 104 1061 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenn die Vernunft deren Anwendungen in der konkreten aktuellen Situation bestimmt. Das Urteil des Gewissens bestätigt „abschließend” die Übereinstimmung eines bestimmten konkreten Verhaltens mit dem Gesetz; es ist die nächstliegende Norm der Sittlichkeit einer willentlichen Handlung und realisiert „die Anwendung des objektiven Gesetzes auf einen Einzelfall”. <55> 106 Kongregation des Hl. Offiziums, Instruktion über die “Situationsethik” Contra doctrinam (2. Februar 1956): AAS48(1956)144. 60. Wie das Naturgesetz selbst und jede praktische Erkenntnis, hat auch das Urteil des Gewissens befehlenden Charakter: Der Mensch soll in Übereinstimmung mit ihm handeln. Wenn der Mensch gegen dieses Urteil handelt oder auch wenn er bei fehlender Sicherheit über die Richtigkeit und Güte eines bestimmten Aktes diesen dennoch ausführt, wird er vom eigenen Gewissen, das die letzte maßgebliche Norm der persönlichen Sittlichkeit ist, verurteilt. Die Würde dieser Vemunftinstanz und die Autorität ihrer Stimme und ihrer Urteile stammen aus der Wahrheit über sittlich Gut und Böse, die zu hören und auszudrücken sie gerufen ist. Auf diese Wahrheit wird .vom „göttlichen Gesetz”, der universalen und objektiven Norm der Sittlichkeit, hingewiesen. Das Urteil des Gewissens begründet nicht das Gesetz, aber es bestätigt die Autorität des Naturgesetzes und der praktischen Beziehung in Beziehung zum höchsten Gut, dessen Anziehungskraft die menschliche Person erfährt und dessen Gebote sie annimmt: „Das Gewissen ist keine autonome und ausschließliche Instanz, um zu entscheiden, was gut und was böse ist; ihm ist vielmehr ein Prinzip des Gehorsams gegenüber der objektiven Norm tief eingeprägt, welche die Übereinstimmung seiner Entscheidungen mit den Geboten und Verboten begründet und bedingt, die dem menschlichen Verhalten zugrundeliegen.” <56> <56> Enzyklika Dominum et vivificantem (18. Mai 1986), Nr. 43: A4S78(1986)859; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 16; Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 3. 61. Die im Gesetz der Vernunft ausgesprochene Wahrheit über das sittlich Gute wird vom Urteil des Gewissens praktisch und konkret anerkannt, was dazu führt, die Verantwortung für das vollbrachte Gute und das begangene Böse zu übernehmen: Wenn der Mensch Schlechtes tut, bleibt das richtige Gewissensurteil in ihm Zeuge der universalen Wahrheit des Guten wie auch der Schlechtigkeit seiner Einzelentscheidung. Aber der Sprach des Gewissens bleibt in ihm auch so etwas wie ein Unterpfand der Hoffnung und des Erbarmens: Während es das begangene Übel bestätigt, erinnert es auch daran, um Verzeihung zu bitten, das Gute zu tun und unaufhörlich mit Gottes Gnade die Tugend zu üben. So offenbart sich im praktischen Urteil des Gewissens, das der menschlichen Person die Verpflichtung zum Vollzug einer bestimmten Handlung auferlegt, das Band zwischen Freiheit und Wahrheit. Deshalb zeigt sich das Gewissen mit „Urteils”-Akten, die die Wahrheit über das Gute widerspiegeln, und nicht in willkürlichen „Entscheidungen”. Und die Reife und Verantwortung dieser Urteile - und letztlich 1062 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Menschen, der ihr Subjekt ist - läßt sich nicht an der Befreiung des Gewissens von der objektiven Wahrheit zugunsten einer angeblichen Autonomie der eigenen Entscheidungen messen, sondern im Gegenteil am beharrlichen Suchen nach der Wahrheit und daran, daß man sich von ihr beim Handeln leiten läßt. Nach dem Wahren und Guten suchen 62. Das Gewissen als Urteil über eine Handlung ist nicht frei von der Möglichkeit zu irren. „Nicht selten geschieht es - schreibt das Konzil -, daß das Gewissen aus unüberwindlicher Unkenntnis irrt, ohne daß es dadurch seine Würde verliert. Das kann man aber nicht sagen, wenn der Mensch sich zuwenig darum müht, nach dem Wahren und Guten zu suchen, und das Gewissen durch Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird”. <57> Mit diesen knappen Worten bietet das Konzil eine Zusammenfassung der Lehre, welche die Kirche im Laufe von Jahrhunderten über das irrende Gewissen erarbeitet hat. <57> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 16. Gewiß, der Mensch muß, um ein „gutes Gewissen” (I Tim 1,5) zu haben, nach der Wahrheit suchen und gemäß dieser Wahrheit urteilen. Das Gewissen muß, wie der Apostel Paulus sagt, „vom Heiligen Geist erleuchtet” sein (.Röm 9,1), es muß „rein” sein (2.7hm 1,3), es darf „das Wort Gottes nicht verfälschen”, sondern muß „offen die Wahrheit lehren” (2 Kor 4,2). Andererseits ermahnt derselbe Apostel die Christen mit den Worten: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist” (Röm 12,2). Die Mahnung des Paulus hält uns zur Wachsamkeit an mit dem warnenden Hinweis, daß sich in den Urteilen unseres Gewissens immer auch die Möglichkeit des Irrtums einnistet. Das Gewissensurteil ist kein unfehlbares Urteil: es kann irren. Nichtsdestoweniger kann der Irrtum des Gewissens das Ergebnis einer unüberwindbaren Unwissenheit sein, das heißt einer Unkenntnis, derer sich der Mensch nicht bewußt ist und aus der er allein nicht herausgelangen kann. In dem Fall, wo diese unüberwindliche Unkenntnis nicht schuldhaft ist, verliert das Gewissen - so erinnert uns das Konzil - nicht seine Würde, weil es, auch wenn es uns tatsächlich in einer von der objektiven sittlichen Ordnung abweichenden Weise anleitet, dennoch nicht aufhört im Namen jener Wahrheit vom Guten zu reden, zu deren aufrichtiger Suche der Mensch aufgerufen ist. 63. Auf jeden Fall beruht die Würde des Gewissens immer auf der Wahrheit: Im Falle des rechten Gewissens handelt es sich um die vom Menschen angenommene objektive Wahrheit, im Falle des irrenden Gewissens handelt es sich um das, was der Mensch ohne Schuld subjektiv für wahr hält. Auf der anderen Seite ist es niemals zulässig, einen „subjektiven” Irrtum hinsichtlich des sittlich Guten mit der „objektiven”, dem Menschen auf Grund seines Endzieles rational einsehbaren 1063 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrheit zu vermengen oder zu verwechseln, noch den sittlichen Wert der mit wahrem und lauterem Gewissen vollzogenen Handlung mit jener gleichzusetzen, die in Befolgung des Urteils eines irrenden Gewissens ausgeführt wurde. <58> Das aufgrund einer unüberwindbaren Unwissenheit oder eines nicht schuldhaften Fehlurteils begangene Übel kann zwar der Person, die es begeht, nicht als Schuld anzurechnen sein; doch auch in diesem Fall bleibt es ein Übel, eine Unordnung in bezug auf die Wahrheit des Guten. Zudem trägt das nicht erkannte Gute nicht zu sittlicher Reifung des betreffenden Menschen bei: Es vervollkommnet ihn nicht und hilft ihm nicht, ihn geneigt zu machen für das höchste Gut. Bevor wir uns so leichtfertigerweise im Namen unseres Gewissens gerechtfertigt fühlen, sollten wir über den Psalm nach-denken: „Wer bemerkt seine eigenen Fehler? Sprich mich frei von Schuld, die mir nicht bewußt ist!” (Ps 19,13). Es gibt Schuld, die wir nicht zu erkennen vermögen und die dennoch Schuld bleibt, weil wir uns geweigert haben, auf das Licht zuzugehen (vgl. Joh 9,39-41). Vgl. Hl. Thomas von Aquin, De Veritate, q. 17, a. 4. Das Gewissen als letztes konkretes Urteil setzt seine Würde dann aufs Spiel, wenn es schuldhaft irrt, das heißt, „wenn sich der Mensch nicht müht, das Wahre und Gute zu suchen, und wenn das Gewissen infolge der Gewöhnung an die Sünde gleichsam blind wird”. <59> Auf die Gefahren der Verformung des Gewissens spielt Jesus an, wenn er mahnt: „Das Auge gibt dem Körper Licht. Wenn dein Auge gesund ist, dann wird dein Körper hell sein. Wenn aber dein Auge krank ist, dann wird dein ganzer Körper finster sein. Wenn nun das Licht in dir Finsternis ist, wie groß muß dann die Finsternis sein!” {Mt 6,22-23). II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 16. 64. In den oben wiedergegebenen Worten Jesu finden wir auch den Aufruf, das Gewissen zu bilden, es zum Gegenstand ständiger Bekehrung zum Wahren und Guten zu machen. Analog dazu ist die Aufforderung des Apostels zu verstehen, uns nicht dieser Welt anzugleichen, sondern „uns zu wandeln und unser Denken zu erneuern” (vgl. Röm 12,2). In Wirklichkeit ist das zum Herrn und zur Liebe des Guten bekehrte „Herz” die Quelle der wahren Urteile des Gewissens. Denn „damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist” {Röm 12,2), ist zwar die Kenntnis des Gesetzes Gottes im allgemeinen notwendig, aber sie genügt nicht: eine Art von „Konnaturalität” zwischen dem Menschen und dem wahrhaft Guten ist unabdingbar. <60> Eine solche Konnaturalität schlägt Wurzel und entfaltet sich in den tugendhaften Haltungen des Menschen selbst: der Klugheit und den anderen Kardinaltugenden und, grundlegender noch, in den göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. In diesem Sinne hat Jesus gesagt: „Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht” {Joh 3,21). ^ ^ Vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, I-II, q. 45, a. 2. 1064 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine große Hilfe für die Gewissensbildung haben die Christen in der Kirche und ihrem Lehramt, wie das Konzil ausführt: „Bei ihrer Gewissensbildung müssen jedoch die Christgläubigen die heiüge und sichere Lehre der Kirche sorgfältig vor Augen haben. Denn nach dem Willen Christi ist die katholische Kirche die Lehrerin der Wahrheit; ihre Aufgabe ist es, die Wahrheit, die Christus ist, zu verkündigen und authentisch zu lehren, zugleich auch die Prinzipien der sittlichen Ordnung, die aus dem Wesen des Menschen selbst hervorgehen, autoritativ zu erklären und zu bestätigen”. <61> Die Autorität der Kirche, die sich zu moralischen Fragen äußert, tut also der Gewissensfreiheit der Christen keinerlei Abbruch: nicht nur, weil die Freiheit des Gewissens niemals Freiheit „von” der Wahrheit, sondern immer und nur Freiheit „in” der Wahrheit ist, sondern auch weil das Lehramt an das christliche Gewissen nicht ihm fremde Wahrheiten heranträgt, wohl aber ihm die Wahrheiten aufzeigt, die es bereits besitzen sollte, indem es sie, ausgehend vom ursprünglichen Glaubensakt, zur Entfaltung bringt. Die Kirche stellt sich immer nur in den Dienst des Gewissens, indem sie ihm hilft, nicht hin- und hergetrieben zu werden von jedem Windstoß der Lehrmeinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert (vgl. Eph 4,14), und nicht von der Wahrheit über das Gute des Menschen abzukommen, sondern, besonders in den schwierigeren Fragen, mit Sicherheit die Wahrheit zu erlangen und in ihr zu bleiben. II. Vatikanisches konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 14. III. Grundentscheidung und konkrete Verhaltensweisen „Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe!” (Gal 5,13) 65. Das heute besonders brennende Interesse an der Freiheit veranlaßt viele Vertreter der Humanwissenschaften wie auch der Theologie, eine gründlichere Analyse ihrer Natur und ihrer Dynamik zu entwickeln. Mit Recht betont man, daß Freiheit nicht nur bedeutet, diese oder jene Einzelhandlung zu wählen, sondern sie ist, innerhalb einer solchen Wahl, auch Entscheidung über sich und Verfügung darüber, das eigene Leben für oder gegen das Gute, für oder gegen die Wahrheit, endgültig für oder gegen Gott einzusetzen. Mit Recht unterstreicht man die herausragende Bedeutung einiger Entscheidungen, die dem ganzen sittlichen Leben eines Menschen dadurch „Gestalt” verleihen, daß sie gleichsam zum Flußbett werden, in dem dann auch andere tägliche Einzelentscheidungen Platz und Entfaltung finden können. Einige Autoren schlagen freilich eine viel radikalere Revision der Beziehung zwischen Person und Handlung vor. Sie sprechen von einer „fundamentalen Freiheit”, die tiefgründiger und anders als die Wahlfreiheit ist, und ohne deren Berücksichtigung die menschlichen Handlungen weder begriffen noch korrekt bewertet werden könnten. Nach diesen Autoren käme die Schlüsselrolle im sittlichen Leben einer in 1065 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Grundoption” zu, die durch jene fundamentale Freiheit vollzogen wird, mittels der die menschliche Person über sich selbst als ganze entscheidet, und zwar nicht durch bestimmte und bewußte Wahl auf reflexer Ebene, sondern in „transzendentaler” und „athematischer” Weise. Die aus dieser Option stammenden Einzelhandlungen wären nur partiell und niemals endgültige Versuche, diese Grundoption auszudrücken; sie wären lediglich „Zeichen” oder Symptom für sie. Unmittelbarer Gegenstand dieser Handlungen ist - so heißt es - nicht das absolute Gute (dem gegenüber sich, auf transzendentaler Ebene, die Freiheit der Person äußern würde), sondern es sind die Einzelgüter (auch „kategoriale” Güter genannt). Doch nach der Meinung einiger Theologen könnte aufgrund ihrer partialen Natur keines dieser Güter die Freiheit des Menschen als Person völlig in Anspruch nehmen, auch wenn der Mensch nur durch ihre Verwirklichung bzw. ihre Zurückweisung seine Grundoption zum Ausdruck bringen kann. So wird schließlich eine Unterscheidung zwischen der Grundoption und der freien Wahl konkreter Verhaltensweisen eingeführt, eine Unterscheidung, die bei einigen Autoren genau dann die Form einer Dissoziierung annimmt, wenn sie das sittlich „Gute” und „Schlechte” ausdrücklich der transzendentalen Dimension der Grundoption Vorbehalten, während sie die Wahl einzelner „innerweltlicher” - das heißt die Beziehungen des Menschen zu sich selber, zu den anderen und zur Welt der Dinge betreffender - Verhaltensweisen als „richtig” oder „falsch” bezeichnen. Auf diese Weise scheint sich im menschlichen Handeln eine Spaltung zwischen zwei Ebenen der Sittlichkeit abzuzeichnen: die vom Willen abhängige Ordnung von Gut und Böse auf der einen und die konkreten Verhaltensweisen auf der anderen Seite, die erst infolge einer technischen Abwägung des Verhältnisses zwischen „vorsittlichen” oder „physischen” Gütern und Übeln, auf die sich die Handlung tatsächlich bezieht, als sittlich richtig oder falsch beurteilt werden. Und das geht so weit, daß ein konkretes Verhalten, obwohl frei gewählt, gleich wie ein bloßes Naturgeschehen und nicht nach den auf menschliche Handlungen zutreffenden Kriterien betrachtet wird. Das Ergebnis, zu dem man gelangt, lautet: die im eigentlichen Sinn sittliche Qualifizierung der Person hängt allein von der Grundoption ab; welche Einzelhandlungen oder konkrete Verhaltensweisen man wählt, ist für deren Ausformung ganz oder teilweise belanglos. 66. Zweifellos anerkennt die christliche Sittenlehre in ihren eigenen biblischen Wurzeln die besondere Bedeutung einer Grundentscheidung, die das sittliche Leben kennzeichnet und die Freiheit radikal Gott gegenüber in Anspruch nimmt. Es handelt sich um die Entscheidung des Glaubens, um den Gehorsam des Glaubens (vgl. Röm 16,26), in dem „der Mensch sich als ganzer Gott in Freiheit überantwortet, indem er sich ,dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft’”. <62> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 5; vgl. I. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben Dei Filius, cap. 3: 112 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser Glaube, der in der Liebe wirksam ist (vgl. Gal 5,6), kommt aus der Mitte des Menschen, aus seinem „Herzen” (vgl. Rom 10,10) und ist von daher berufen, Gutes hervorzubringen in den Werken (vgl. Mt 12,33-35; Lk 6,45; Röm 8,5-8; Gal 5,22). Im Dekalog steht über den einzelnen Geboten der fundamentale Satz: „Ich bin Jahwe, dein Gott...” (Ex 20,2), der dadurch, daß er den vielfältigen und verschiedenen Einzelgeboten den ursprünglichen Sinn aufprägt, der Moral des Bundes den Charakter der Ganzheit, Einheit und Tiefe sichert. Die Grundentscheidung Israels betrifft also das grandlegende Gebot (vgl. Jos 24,14-25; Ex 19,3-8; Mich 6,8). Auch die Moral des Neuen Bundes wird von dem grundlegenden Aufruf Jesu zu seiner „Nachfolge” beherrscht - so sagt er auch zu dem jungen Mann: „Wenn du vollkommen sein willst, ... komm und folge mir nach!” (Mt 19,21) -: Auf diesen Anruf antwortet der Jünger mit einer radikalen Entscheidung. Die evangelischen Gleichnisse vom Schatz im Acker und von der verlorenen Perle, für die einer seinen ganzen Besitz verkauft, sind beredte und wirkungsvolle Bilder für den radikalen und bedingungslosen Charakter der Entscheidung, die das Reich Gottes erfordert. Die Radikalität der Entscheidung, Jesus nachzufolgen, findet großartigen Ausdruck in seinen Worten: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verfielt, wird es retten” (Mk 8,35). Der Aufruf Jesu „komm und folge mir nach” bezeichnet den größtmöglichen Lobpreis der Freiheit des Menschen und bestätigt gleichzeitig die Wahrheit und Verpflichtung von Glaubensakten und Entscheidungen, die man Grundoption nennen kann. Einer ähnlichen Hochschätzung der menschlichen Freiheit begegnen wir in den Worten des hl. Paulus: „Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder” (Gal 5,13). Aber der Apostel fügt sogleich eine ernste Mahnung an: „Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch!”. In dieser Mahnung klingen seine vorausgegangenen Worte an: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und laßt euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen!” (Gal 5,1). Der Apostel Paulus fordert uns zur Wachsamkeit auf: Die Freiheit ist ständig von der Knechtschaft bedroht. Und genau das trifft auf einen Glaubensakt - im Sinne einer Grundoption -zu, der den oben erwähnten Tendenzen entsprechend von der Wahl der Einzelakte getrennt wird. 67. Diese Tendenzen stehen also im Gegensatz zur biblischen Lehre, welche die Grundoption als eine echte und eigentliche Entscheidung der Freiheit versteht und diese Entscheidung zutiefst mit den konkreten Einzelhandlungen verbindet. Durch die Grundentscheidung ist der Mensch befähigt, dem göttlichen Ruf folgend sein Leben auf sein Ziel auszurichten und dies mit Hilfe der Gnade anzustreben. Aber tatsächlich aus geübt wird diese Befähigung jeweils in der konkreten Wahl bestimmter Handlungen, durch die der Mensch sich aus freiem Entschluß nach dem Willen, der Weisheit und dem Gesetz Gottes richtet. Es muß deshalb festgehalten werden, daß sich die sogenannte Grundoption - insoweit sie sich von einer bloß generellen, bezüglich der konkret engagierten Festlegung der Freiheit noch unbestimmten In- 1067 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tention unterscheidet - immer durch bewußte und freie Wahlakte verwirklicht. Eben deshalb wird die Grundoption genau dann widerrufen, wenn der Mensch in sittlich schwerwiegender Materie seine Freiheit durch bewußte, in entgegengesetzte Richtung weisende Wahlakte engagiert. Die Grundoption von den konkreten Verhaltensweisen zu trennen heißt, sich mit der wesenhaften Integrität oder der leib-seelischen personalen Einheit des sittlich Handelnden in Widerspruch zu setzen. Eine Grundoption, verstanden ohne ausdrückliche Berücksichtigung der Möglichkeiten, die sie aktualisiert, und der Konkretisierungen, in denen sie zum Ausdruck kommt, wird der dem Handeln des Menschen und jeder seiner freien Wahlakte innewohnenden rationalen Zielhaftigkeit nicht gerecht. In Wirklichkeit ist die sittliche Qualität der menschlichen Handlungen nicht allein aus der Absicht, der Giundorientierung oder Grundoption abzuleiten - verstanden im Sinne einer Intention ohne klar bestimmte bindende Inhalte bzw. einer Intention, die kein tatkräftiges Bemühen hinsichtlich der verschiedenen Verpflichtungen des sittlichen Lebens entspricht. Die Sittlichkeit kann nicht beurteilt werden, wenn man absieht von der Übereinstimmung bzw. dem Widerspruch der bedachten Wahl einer konkreten Verhaltensweise mit der Würde und der integralen Berufung der menschlichen Person. Jede Handlungs wahl schließt immer eine Bezugnahme des freien Willens auf jene Güter und Übel ein, wie sie vom Naturgesetz als zu verfolgendes Gutes und zu meidendes Übel aufgewiesen werden. Im Falle der positiv gebietenden sittlichen Gebote ist es stets Aufgabe der Klugheit festzustellen, wie weit sie für eine bestimmte Situation zutreffen, indem man zum Beispiel andere, vielleicht wichtigere oder dringendere Verpflichtungen berücksichtigt. Die negativ formulierten sittlichen Gebote hingegen, das heißt diejenigen, die einige konkrete Handlungen oder Verhaltensweisen als in sich schlecht verbieten, lassen keine legitime Ausnahme zu; sie lassen keinerlei moralisch annehmbaren Freiraum für die „Kreativität” irgendeiner gegensätzlichen Bestimmung. Ist einmal die sittliche Artbestimmung einer von einer allgemeingültigen Regel verbotenen konkret definierten Handlung erkannt, so besteht das sittlich gute Handeln allein darin, dem Sittengesetz zu gehorchen und die Handlung, die es verbietet, zu unterlassen. 68. Hier gilt es, eine wichtige pastorale Überlegung anzufügen. Gemäß der Logik der oben skizzierten Positionen könnte der Mensch kraft einer Grundoption Gott treu bleiben, unabhängig davon, ob einige seiner Wahlentscheidungen und seiner konkreten Handlungen mit den spezifischen darauf bezogenen sittlichen Normen oder Regeln übereinstimmen oder nicht. Aufgrund einer anfänglichen Option für die Liebe könnte der Mensch sittlich gut bleiben, in der Gnade Gottes verharren und sein Heil erlangen, auch wenn einige seiner konkreten Verhaltensweisen aus freiem Entschluß und in schwerwiegender Sache zu den von der Kirche wieder vorgelegten Geboten Gottes entschieden und ernsthaft im Gegensatz stünden. In Wirklichkeit geht der Mensch nicht nur durch die Untreue gegenüber jener Grundoption verloren, durch die er sich „als ganzer Gott in Freiheit” überantwor- 1068 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tet. <63> Durch jede aus bedachtem Entschluß begangene Todsünde beleidigt er Gott, der ihm das Gesetz geschenkt hat, und macht sich daher dem ganzen Gesetz gegenüber schuldig (vgl. Jak 2,8-11); auch wenn er im Glauben bleibt, verliert er die „heiligmachende Gnade”, die „Liebe” und die „ewige Seligkeit”. <64> „Die einmal empfangene Gnade der Rechtfertigung - so lehrt das Konzil von Trient - kann nicht nur durch die Untreue, die den Menschen um seinen Glauben bringt, sondern auch durch jede andere Todsünde verlorengehen”. <65> II. Vatikanisches Konzil,, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung De/ Verbum, Nr. 5; vgl. Hl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung über Fragen der Sexualethik Persona humana (29. Dezember 1975), Nr. 10: AAS68(1976)88-90. Vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia (2 Dez. 1984), Nr. 17: AAS77 (1985)218-223. Sess. VI, Dekret über die Rechtfertigung Cum hoc tempore, cap. 15: DS 1544; can. 19: DS 1569. Todsünde und läßliche Sünde 69. Die Erwägungen über die Grundoption haben, wie wir bemerkten, einige Theologen veranlaßt, auch die traditionelle Unterscheidung zwischen Todsünden und läßlichen Sünden einer tiefgreifenden Revision zu unterziehen. Sie unterstreichen, daß der Widerspruch zum Gesetz Gottes, der den Verlust der heiligmachenden Gnade - und, im Falle des Todes in einem solchen Zustand der Sünde, die ewige Verdammnis - verursacht, nur das Ergebnis eines Aktes sein kann, der die Person in ihrer Totalität beansprucht, das heißt eben eines Aktes der Grundoption. Nach diesen Theologen würde sich die Todsünde, die den Menschen von Gott trennt, nur in der Zurückweisung Gottes ereignen, vollzogen auf einer nicht mit einem Wahlakt identifizierbaren und nicht durch reflektierte Bewußtheit erreichbaren Ebene der Freiheit. In diesem Sinne - so fügen sie hinzu - ist es zumindest psychologisch schwierig, die Tatsache zu akzeptieren, daß ein Christ, der mit Jesus Christus und seiner Kirche vereint bleiben will, so leicht und immer wieder Todsünden begehen kann, wie dies die „Materie” seiner Taten hin und wieder vermuten ließe. Ebenso fiele es schwer anzunehmen, der Mensch sei imstande, in kurzer Zeit die Bande der Gemeinschaft mit Gott radikal zu zerbrechen und sich im nachhinein durch aufrichtige Buße zu ihm zu bekehren. Es wäre daher notwendig - so heißt es -, die Schwere der Sünde eher am Grad zu messen, in dem sie die Freiheit der handelnden Person engagiert, als an der Materie der betreffenden Flandlung. 70. Das nachsynodale Apostolische Schreiben Reconciliatio et paenitentia hat die Bedeutung und bleibende Aktualität der Unterscheidung zwischen Todsünden und läßlichen Sünden, gemäß der Tradition der Kirche, betont. Und die Bischofssynode von 1983, aus der dieses Schreiben hervorgegangen ist, „hat nicht nur die vom Tri-dentinischen Konzil über Existenz und Natur von Todsünde und läßlicher Sünde verkündete Lehre bekräftigt, sondern hat auch daran erinnern wollen, daß jene 1069 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sünde eine Todsünde ist, die eine schwerwiegende Materie zum Gegenstand hat und die dazu mit vollem Bewußtsein und bedachter Zustimmung begangen wird”. <66> Die Aussage des Konzils von Trient hat nicht nur die „schwerwiegende Materie” der Todsünde im Auge, sondern erwähnt auch als ihre Voraussetzung „das volle Bewußtsein und die bedachte Zustimmung”. Im übrigen kennt man sowohl in der Moraltheologie wie in der Seelsorgepraxis Fälle, wo ein aufgrund seiner Materie schwerwiegender Akt deshalb keine Todsünde darstellt, weil das volle Bewußtsein oder die bedachte Zustimmung dessen, der den Akt vollbrachte, nicht gegeben war. Andererseits „muß man vermeiden, die Todsünde zu beschränken auf den Akt einer Grundentscheidung oder Grundoption („optio fundamentalis”) gegen Gott, wie man heute zu sagen pflegt, unter der man dann eine ausdrückliche und formale Beleidigung Gottes oder des Nächsten oder eine mitinbegriffene und unüberlegte Zurückweisung der Liebe versteht. Es handelt sich nämlich auch um eine Todsünde, wenn sich der Mensch bewußt und frei aus irgendeinem Grunde für etwas entscheidet, was in schwerwiegender Weise sittlich ungeordnet ist. Tatsächlich ist ja in einer solchen Entscheidung bereits eine Mißachtung des göttlichen Gebotes enthalten, eine Zurückweisung der Liebe Gottes zur Menschheit und zur ganzen Schöpfung: Der Mensch entfernt sich so von Gott und verliert die Liebe. Die Grundorientierung kann also durch konkrete Einzelhandlungen völlig umgeworfen werden. Zweifellos kann es unter psychologischem Aspekt viele komplexe und dunkle Situationen geben, die auf die subjektive Schuld des Sünders Einfluß haben mögen. Aufgrund einer Betrachtung auf psychologischer Ebene kann man jedoch nicht zur Schaffung einer theologischen Kategorie, wie gerade diejenige der „optio fundamentalis” übergehen, wenn sie so verstanden wird, daß sie auf der objektiven Ebene die traditionelle Auffassung von Todsünde ändert oder in Zweifel zieht”. <67> Die Dissoziierung von Grundoption und bedachter, diese nicht in Frage stellender Wahl bestimmter, in sich selbst oder durch die Umstände ungeordneter Verhaltensweisen, hängt also mit der Verkennung der katholischen Lehre über die Todsünde zusammen: „Mit der ganzen Tradition der Kirche nennen wir denjenigen Akt eine Todsünde, durch den ein Mensch bewußt und frei Gott und sein Gesetz sowie den Bund der Liebe, den dieser ihm anbietet, zurückweist, indem er es vorzieht, sich sich selbst zuzuwenden oder irgendeiner geschaffenen oder endlichen Wirklichkeit, irgendeiner Sache, die im Widerspruch zum göttlichen Willen steht (conversio ad creaturam - Hinwendung zum Geschaffenen). Dies kann auf direkte und formale Weise geschehen, wie bei den Sünden der Götzenverehrung, des Abfalles von Gott Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia (2. Dezember 1984), 17: AAS77(1985)221. 116 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und der Gottlosigkeit, oder auf gleichwertige Weise, wie in jedem Ungehorsam gegenüber den Geboten Gottes bei schwerwiegender Materie”. <68> 110 Ebd.-.aaO., 222. IV. Die sittliche Handlung Teleologie und Teleologismus 71. Die Beziehung zwischen der Freiheit des Menschen und dem Gesetz Gottes, die ihren tiefsten und lebendigen Sitz im sittlichen Gewissen hat, äußert und verwirklicht sich in den menschlichen Handlungen. Gerade durch seine Handlungen vervollkommnet sich der Mensch als Mensch, als Mensch, der berufen ist, aus eigenem Entschluß seinen Schöpfer zu suchen und in Zugehörigkeit zu ihm frei zur vollen und seligen Vollendung zu gelangen. <69> <69> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 17. Menschliche Handlungen sind sittliche Handlungen, weil sie das Gutsein oder die Schlechtigkeit des jene Handlungen vollziehenden Menschen selbst ausdrücken und über sie entscheiden. <70> Sie rufen nicht nur Veränderungen in dem Menschen äußerlichen Sachverhalten hervor, sondern als freie Wahlakte qualifizieren sie in sittlicher Hinsicht die Person selbst, die sie vollzieht, und bestimmen ihr geistiges Tiefenprofil, wie der hl. Gregor von Nyssa eindrucksvoll feststellt: „Alle dem Werden unterworfenen Wesen bleiben niemals sich selbst identisch, sondern gehen durch eine dauernd wirkende Veränderung zum Guten oder zum Schlechten ständig von einem Zustand in einen anderen über ... Der Veränderung unterworfen sein, heißt also unablässig geboren werden ... Aber die Geburt erfolgt hier nicht durch einen äußeren Eingriff, wie es bei den leiblichen Wesen der Fall ist... Sie ist das Ergebnis freier Wahl, und so sind wir gewissermaßen unsere eigenen Erzeuger, indem wir uns so erschaffen, wie wir wollen, und uns mit unserer Wahl die Gestalt geben, die wir wollen”. <71> <70> Vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, I-II, q. 1, a. 3: “Idem sunt actus morales et actus humani“. 191 Gregor von Nyssa. De vita Moysis, II, 2-3: PG 44, 327-328. 72. Die Sittlichkeit der Handlungen bestimmt sich aufgrund der Beziehung der Freiheit des Menschen zum wahrhaft Guten. Dieses Gute ist als ewiges Gesetz durch Gottes Weisheit begründet, die jedes Wesen auf sein Endziel hinordnet: Erkannt wird dieses ewige Gesetz sowohl durch die natürliche Vernunft des Menschen (so heißt es „Naturgesetz”) als auch - in vollumfänglicher und vollkommener Weise - durch die übernatürliche Offenbarung Gottes (dann nennt man es „göttliches Gesetz”). Das Handeln ist sittlich gut, wenn die der Freiheit entspringenden Wahlakte mit dem wahren Gut des Menschen übereinstimmen und damit Ausdruck der willentlichen Hinordnung der Person auf ihr letztes Ziel, also Gott selber, sind: Das höchste Gut, in dem der Mensch sein volles und vollkommenes Glück findet. Die 1071 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eingangsfrage in dem Gespräch des jungen Mannes mit Jesus: „Was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” (Mt 19,16), verdeutlicht in direkter Weise den wesenhaften Zusammenhang zwischen dem sittlichen Wert einer Handlung und dem letzten Ziel des Menschen. Jesus bestätigt in seiner Antwort die Überzeugung seines Gesprächspartners: Das Tun des Guten, wie es von dem geboten ist, der „allein der Gute” ist, stellt die unerläßliche Voraussetzung und den Weg zur ewigen Seligkeit dar: „Wenn du das Leben erlangen willst, halte die Gebote” (Mt 19,17). Die Antwort Jesu und der Hinweis auf die Gebote machen auch offenkundig, daß der Weg zum Ziel von der Befolgung der göttlichen Gesetze, die das menschliche Wohl schützen, vorgezeichnet wird. Nur eine Handlung, die dem Guten entspricht, kann Weg zum Leben sein. Die vemunftgeleitete Hinordnung der menschlichen Handlungen auf das wahrhaft Gute und das willentliche Streben nach diesem Gut machen die Sittlichkeit aus. Das menschliche Handeln kann also nicht allein deshalb als sittlich gut bewertet werden, weil es dazu dienlich ist, dieses oder jenes verfolgte Ziel zu erreichen, oder einfach weil die Absicht des Handelnden gut ist. <72> Das menschliche Handeln ist dann sittlich gut, wenn es die willentliche Hinordnung der menschlichen Person auf das letzte Ziel und die Übereinstimmung der konkreten Handlung mit dem wahren menschlichen Gut, wie es von der Vernunft in seiner Wahrheit erkannt wird, bestätigt und zum Ausdruck bringt. Wenn der Gegenstand der konkreten Handlung nicht mit dem wahren Gut der Person in Einklang steht, macht die Wahl dieser Handlung unseren Willen und uns selber sittlich schlecht und setzt uns damit in Gegensatz zu unserem letzten Ziel, dem höchsten Gut, das heißt Gott selber. 1 99 Vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, II-II, q. 148, a. 3. 73. Dank der Offenbarung Gottes und des Glaubens weiß der Christ um das „Neue”, von dem die Sittlichkeit seiner Taten gekennzeichnet ist; diesen kommt es zu, bestehender oder nicht bestehender konsequenter Übereinstimmung mit jener Würde und Berufung Ausdruck zu geben, die ihm durch Gnade geschenkt worden sind: In Jesus Christus und seinem Geist ist der Christ eine „neue Schöpfung”, Kind Gottes, und durch seine Handlungen bekundet er seine Übereinstimmung mit oder seine Abweichung von dem Bild des Sohnes, der der Erstgeborene unter vielen Brüdern ist (vgl. Rom 8,29), lebt er seine Treue oder Untreue gegenüber dem Geschenk des Geistes und öffnet oder verschließt er sich dem ewigen Leben, der Gemeinschaft von Schau, Liebe und Seligkeit mit Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist. <73>Christus „gestaltet uns so nach seinem Bild - schreibt der hl. Kyrillos von Alexandrien -, daß durch die Heiligung und die Gerechtigkeit und das gute und tu- <73> Das II. Vatikanisches Konzil erklärt in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute: “Das gilt nicht nur für die Christgläubigen, sondern für alle Menschen guten Willens, in deren Herzen die Gnade unsichtbar wirkt. Da nämlich Christus für alle gestorben ist und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, daß der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein”: Gaudium et spes, Nr. 22. 1072 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gendmäßige Leben die Züge seiner göttlichen Natur in uns zum Leuchten kommen ... Die Schönheit dieses Bildes erstrahlt in uns, die wir in Christus sind, wenn wir uns in den Werken als gute Menschen erweisen”. <74> Tractatus ad Tiberium Diaconum sociosque, II. Responsiones ad Tiberium Diaconum sociosque: HI. Kyrillos von Alexandrien, In D. Johannis Evangelium, vol. III, ed. Philip Edward Pusey, Bruxelles, Cultnre et Civilisation (1965), 590. In diesem Sinne besitzt das sittliche Leben einen wesenhaft „teleologischen” Charakter, weil es in der freien und bewußten Hinordnung des menschlichen Handelns auf Gott, das höchste Gut und letzte Ziel (telos) des Menschen, besteht. Das bestätigt wiederum die Frage des jungen Mannes an Jesus: „Was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” Aber diese Hinordnung auf das letzte Ziel bewegt sich nicht in einer bloß subjektivistischen Dimension, die nur von der Absicht abhinge. Sie setzt voraus, daß diesen Handlungsweisen von sich aus die Eigenschaft zukommt, auf dieses Ziel hingeordnet werden zu können, weil sie nämlich dem durch die Gebote geschützten wahren sittlichen Gut des Menschen entsprechen. Genau das spricht Jesus in der Antwort an den reichen Jüngling an: „Wenn du das Leben erlangen willst, halte die Gebote!” {Mt 19,17). Offensichtlich geht es um eine vemunftgeleitete und freie, bewußte und überlegte Hinordnung, kraft welcher der Mensch für seine Handlungen „verantwortlich” und dem Urteil Gottes unterworfen ist, des gerechten und guten Richters, der das Gute belohnt und das Böse bestraft, wie der Apostel Paulus ausführt: „Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat” (2 Kor 5,10). 74. Aber wovon hängt die moralische Bewertung des freien Handelns des Menschen ab? Wodurch wird diese Hinordnung der menschlichen Handlungen auf Gott sichergestellt? Von der Intention des handelnden Subjektes, von den Umständen -und insbesondere von den Folgen - seines Handelns, vom Objekt seines Handelns selbst? Das ist das, traditionellerweise sogenannte, Problem der „Quellen der Moralität”. Und gerade im Hinblick auf dieses Problem haben sich in den letzten Jahrzehnten neue - oder wieder erneuerte - kulturelle und theologische Strömungen offenbart, die eine sorgfältige Klärung von seiten des Lehramtes der Kirche erfordern. Einige als „teleologisch” bezeichnete ethische Theorien richten ihre Aufmerksamkeit auf die Übereinstimmung der menschlichen Handlungen mit den vom Handelnden verfolgten Zielen und mit den von ihm zu realisieren beabsichtigten Werten. Die Kriterien zur moralischen Beurteilung einer Handlung werden aus der Abwägung der zu erlangenden nicht-sittlichen und vor-sittlichen Güter und der entsprechenden zu respektierenden nicht-sittlichen und vor-sittlichen Werte gewonnen. Für manche wäre das konkrete Verhalten richtig bzw. falsch je nachdem, ob es für alle betroffenen Personen einen besseren Zustand hervorzubringen vermag oder nicht: 1073 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Richtig wäre das Verhalten, das imstande ist, die Güter zu „maximieren” und die Übel zu „minimieren”. Viele der katholischen Moraltheologen, die dieser Auffassung folgen, möchten nichts mit Utilitarismus und Pragmatismus zu tun haben, bei denen die Sittlichkeit der menschlichen Handlungen ohne Bezugnahme auf das wahre letzte Ziel des Menschen beurteilt werde. Zu Recht sind sie sich der Notwendigkeit bewußt, für die Vernunft einsichtige, immer stichhaltigere Argumente zu finden, um die Anforderungen des sittlichen Lebens zu rechtfertigen und die entsprechenden sittlichen Normen zu begründen. Und dieses Forschen ist gerade insofern legitim und notwendig, als ja die im Naturgesetz festgelegte sittliche Ordnung menschlicher Ver-nunfterkenntnis grundsätzlich zugänglich ist. Dieses Suchen entspricht im übrigen den Erfordernissen des Dialogs und der Zusammenarbeit mit den Nicht-Katholiken und den Nicht-Glaubenden, besonders in pluralistischen Gesellschaften. 75. Aber im Rahmen des Bemühens um die Erarbeitung einer solchen vernunftgemäßen Moral - deshalb manchmal auch „autonome Moral” genannt - gibt es falsche Lösungen, die insbesondere mit einem unzulänglichen Verständnis dessen zusammenhängt, was man das „Objekt” des sittlichen Handelns nennt. Einige schenken der Tatsache nicht genügend Beachtung, daß der Wille in die konkreten Wahlakte, die er vollzieht, miteinbezogen ist: diese sind Voraussetzung für sein sittliches Gutsein und für seine Hinordnung auf das letzte Ziel der Person. Andere hingegen inspirieren sich an einer Konzeption der Freiheit, die von den tatsächlichen Bedingungen ihrer Ausübung, von ihrem objektiven Bezug zur Wahrheit des Guten, von ihrer Bestimmung durch die Wahl konkreter Verhaltensweisen absieht. Nach diesen Theorien wäre also der freie Wille weder bestimmten Verpflichtungen sittlich unterworfen noch würde er durch seine Wahlakte geformt, auch wenn er für seine Handlungen und deren Folgen verantwortlich bleibt. Dieser „Teleologismus”, als Methode der Entdeckung der moralischen Norm, kann also - entsprechend den aus verschiedenen Denkströmungen entnommenen Terminologien und Geisteshaltungen - als „Konsequentialismus” oder „Proportionalismus” bezeichnet werden. Ersterer beansprucht die Kriterien für die Richtigkeit eines bestimmten Handelns, die lediglich aus den voraussehbaren Folgen einer getroffenen Wahl hervorgehen. Der zweite - unter Abwägen zwischen den Werten und den verfolgten Gütern - orientiert sich eher an der anerkannten Verhältnismäßigkeit bezüglich der guten und bösen Auswirkungen hinsichtlich des „höheren Gutes” oder des „kleineren Übels”, die in einer besonderen Situation wirklich möglich sind. Die teleologischen Ethiken (Proportionalismus, Konsequentialismus) anerkennen zwar, daß die sittlichen Werte durch Vernunft und Offenbarung aufgezeigt werden; dennoch halten sie daran fest, daß sich bezüglich konkret bestimmbarer Verhaltensweisen, die unter allen Umständen und in allen Kulturen zu diesen sittlichen Werten in Widerspruch stünden, niemals eine absolute Verbotsnorm formulieren lasse. Das handelnde Subjekt wäre selbstverständlich für die Erlangung der verfolg- 1074 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten Werte verantwortlich, dies jedoch in zweifacher Hinsicht: Die durch eine menschliche Handlung betroffenen Werte oder Güter wären einerseits moralischer Art (bezogen auf eigentlich sittliche Werte wie Gottesliebe, Wohlwollen gegenüber dem Mitmenschen, Gerechtigkeit usw.) und, in anderer Hinsicht, vor-moralischer Art, eine Ebene, die auch nichtsittlich, physisch oder ontisch genannt wird (bezogen auf Nutzen und Schaden, die sowohl dem Handelnden als auch anderen, früher oder später involvierten Personen erwachsen, wie zum Beispiel: Gesundheit bzw. ihre Beeinträchtigung, physische Unversehrtheit, Leben, Tod, der Verlust materieller Güter usw.)- In einer Welt, in der das Gute immer mit dem Übel vermischt und jede gute Wirkung mit anderen schlechten Auswirkungen verbunden wäre, müßte man die Sittlichkeit der Handlung in differenzierter Weise beurteilen: ihr sittliches „Gutsein” aufgrund der sich auf sittliche Güter beziehenden Absicht des Subjektes, ihre „Richtigkeit” aufgrund ihrer vorhersehbaren Wirkungen oder Folgen und deren Verhältnis zueinander. Konkrete Verhaltensweisen müßten daher als „richtig” bzw. „falsch” bewertet werden, ohne daß es deshalb schon möglich wäre, den Willen der Person, der sie wählt, als sittlich „gut” oder „schlecht” zu bezeichnen. Auf diese Weise könnte eine Handlung, die, im Widerspruch zu einer universellen Verbotsnorm, als vor-moralisch bezeichnete Güter direkt verletzt, als sittlich zulässig bewertet werden, falls sich die Absicht des Subjektes, gemäß „verantwortlicher” Abwägung der bei der konkreten Handlung auf dem Spiel stehenden Güter, auf den in der gegebenen Situation für entscheidend gehaltenen sittlichen Wert richtet. Die Bewertung der Folgen der Handlung aufgrund der Verhältnismäßigkeit des Aktes bezüglich seiner Auswirkungen und der Auswirkungen untereinander würde lediglich die vor-moralische Ordnung betreffen. Über die sittliche Artbestimmtheit der Handlungen, d. h. über ihre Güte oder Schlechtigkeit, würde allein die Treue der Person zu den höchsten Werten der Liebe und Klugheit entscheiden, ohne daß solche Treue notwendigerweise mit Entscheidungen unvereinbar wäre, die bestimmten sittlichen Einzelverboten widersprechen. Auch im Falle schwerwiegender Materie müßten diese letzteren als stets relative und Ausnahmen unterliegende Handlungsnormen angesehen werden. Gemäß dieser Sichtweise würde dann die bewußte Einwilligung in bestimmte Verhaltensweisen, die in der traditionellen Moral als unerlaubt gelten, auch nichts objektiv sittlich Schlechtes einschließen. Der Gegenstand der freien menschlichen Handlung 76. Diese Theorien gewinnen vielleicht aufgrund ihrer Verwandschaft mit der naturwissenschaftlichen Denkweise eine gewisse Überzeugungskraft; das wissenschaftliche Denken bemüht sich zu Recht, das technische und wirtschaftliche Schaffen aufgrund der Berechnung der Ressourcen und der Gewinne, der Verfahrensweisen und ihrer Auswirkungen zu ordnen. Es will von den Zwängen einer voluntaristischen und willkürlichen Pflichtmoral befreien, die sich als unmenschlich erweisen würde. 1075 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Derartige Theorien sind jedoch der Lehre der Kirche nicht treu, wenn sie glauben, die freie und bedachte Wahl von Verhaltensweisen, die den Geboten des göttlichen und des Naturgesetzes widersprechen, als sittlich gut rechtfertigen zu können. Diese Theorien können sich nicht auf die katholische moralische Tradition berufen: wenn es wahr ist, daß sich in dieser letzteren eine Kasuistik entwickelt hat, die darauf bedacht ist, in einigen konkreten Situationen die besseren Möglichkeiten für das Gute zu erwägen, so ist ebenso wahr, daß dies nur jene Fälle betriffi, in denen das Gesetz unbestimmt war und daher die absolute Gültigkeit der moralischen negativen Gebote, die ohne Ausnahme verpflichten, nicht in Frage stellte. Die Gläubigen sind verpflichtet, die spezifischen, von der Kirche im Namen Gottes, des Schöpfers und Herrn, vorgelegten und gelehrten sittlichen Gebote anzuerkennen und zu ach-ten. <75>Wenn der Apostel Paulus die Erfüllung des Gesetzes in dem Gebot zusammenfaßt, den Nächsten zu heben wie sich selbst (vgl. Röm 13,8-10), schwächt er damit nicht die Gebote ab, sondern er bestätigt sie vielmehr, da er deren Forderungen und Gewicht offenlegt. Die Gottesliebe und die Nächstenliebe sind nicht zu trennen von der Einhaltung der Gebote des Bundes, der im Blut Jesu Christi und durch die Gabe des Geistes erneuert wurde. Es gereicht den Christen zur Ehre, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen (vgl. Apg 4,19; 5,29) und dafür auch das Martyrium auf sich zu nehmen, wie es die heiligen Männer und Frauen des Alten und Neuen Testamentes getan haben; sie wurden als heilig anerkannt, weil sie eher ihr Leben hingegeben haben als diese oder jene im Widersprach zum Glauben oder zur Tugend stehende konkrete Einzelhandlung auszuführen. Vgl. Konzil von Trient, Sess. VI. Dekret über die Rechtfertigung Cum hoc tempore, can. 19: DS 1569. Man vergleiche auch: Clemens XI., Konstitution Unigenitus Dei Filius (8. September 1713) gegen die Irrtümer von Pascasio Quesnel, Nr. 53-56: DS 2453-2456. 77. Um vernunftgemäße Kriterien für die rechte sittliche Entscheidung bereitzustellen, berücksichtigen die erwähnten Theorien die Absicht und die Folgen des menschlichen Handelns. Gewiß müssen sowohl die Absicht - wie Jesus in offenem Gegensatz zu den Schriftgelehrten und Pharisäern, die ohne auf das Herz zu achten, gewisse äußere Werke pedantisch vorschrieben, mit besonderem Nachdruck betont (vgl. Mk 7,20-21; Mt 15,19) -, als auch die infolge einer einzelnen Handlung erlangten Güter und vermiedenen Übel entscheidend in Erwägung gezogen werden. Es handelt sich um eine Forderung der Verantwortlichkeit. Aber die Erwägung dieser Folgen - ebenso wie der Absichten - genügt nicht für die Bewertung der moralischen Qualität einer konkreten Wahl. Die Abwägung der als Folge einer Handlung vorhersehbaren Güter und Übel ist keine angemessene Methode, um bestimmen zu können, ob die Wahl dieses Verhaltens „ihrer Artbestimmung nach” oder „in sich selbst” sittlich gut oder schlecht, erlaubt oder unerlaubt ist. Die vorhersehbaren Folgen gehören zu jenen Umständen des Aktes, die zwar die Schwere einer schlechten Handlung modifizieren, jedoch nicht ihre moralische Spezies verändern können. 125 1076 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im übrigen weiß jeder, wie schwierig - oder, besser, wie unmöglich - es ist, alle Folgen und alle im vor-moralischen Sinne guten bzw. schlechten Auswirkungen der eigenen Handlungen zu bewerten: ein erschöpfendes vernünftiges Kalkulieren ist nicht möglich. Wie soll man Proportionen ausmachen, die von einer Bewertung ab-hängen, deren Kriterien im Dunkeln verbleiben? Wie könnte man aufgrund derart fraglicher rechnerischer Überlegungen eine absolute Inpflichtnahme rechtfertigen? 78. Der sittliche Charakter der menschlichen Handlungen ist zunächst einmal und fundamental von dem durch den freien Willen vernunftgemäß gewählten Gegenstand abhängig, wie es auch die scharfsinnige, noch immer gültige Analyse des hl. Thomas aufweist. <76> Um den Gegenstand einer Handlung, der sie sittlich spezifiziert, erfassen zu können, muß man sich daher in die Perspektive der handelnden Person versetzen. Das Objekt des Willensaktes ist ja ein frei gewähltes Verhalten. Insofern es mit der Vemunftordnung übereinstimmt, ist es Ursache der Güte des Willens, macht es uns sittlich vollkommener und hilft uns, unser letztes Ziel im vollkommenen Guten, der ursprünglichen Liebe, zu erkennen. Unter „Objekt” einer bestimmten sittlichen Handlung kann man daher nicht einen Prozeß oder ein Ereignis rein physischer Ordnung verstehen, die danach zu bewerten wären, daß sie einen bestimmten Zustand in der äußeren Welt hervorrufen. Das Objekt ist das unmittelbare Ziel einer freien Wahl, die den Willensakt der handelnden Person prägt. In diesem Sinne gibt es, wie der Katechismus der katholischen Kirche lehrt, „konkrete Verhaltensweisen, die zu wählen immer falsch ist, weil ihre Wahl die Ungeord-netheit des Willens einschließt, das heißt ein sittliches Übel”. <77> „Es geschieht nicht selten - schreibt der hl. Thomas von Aquin -, daß der Mensch in guter Absicht, aber in nichtsnutziger Weise handelt, weil ihm der gute Wille fehlt. Zum Beispiel, wenn einer stiehlt, um einen Armen zu ernähren: Obwohl in diesem Fall die Absicht recht ist, fehlt hier die Richtigkeit eines angemessenen Willens. Kurz und gut, die gute Absicht entschuldigt keineswegs die Ausführung böser Werke. ,Einige legen uns in den Mund: Laßt uns Böses tun, damit Gutes entsteht. Diese Leute werden mit Recht verurteilt’ {Röm 3,8)”. <78> Vgl. Summa Theologiae, I-II, q. 18, a. 6. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1761. In duo praecepta caritatis et in decem legis praecepta. De dilectione Dei: Opuscula theologica, II, n. 1168, Ed. Taurinens. (1954), 250. Der Grund, warum die gute Absicht nicht genügt, sondern es auch der richtigen Wahl der Werke bedarf, liegt darin, daß die menschliche Handlung von ihrem Gegenstand beziehungsweise davon abhängt, ob dieser Gegenstand auf Gott, also den, der „allein ,der Gute’ ist”, hingeordnet werden kann oder nicht und so die Vollkommenheit der menschlichen Person bewirkt. Eine Handlung ist daher gut, wenn ihr Gegenstand (Objekt) dem Gut der Person, unter Respektierung der für sie sittlich bedeutsamen Güter, entspricht. Die christliche Ethik, die dem Gegenstand sittlicher Handlungen eine ganz besondere Beachtung schenkt, lehnt es also nicht ab, die in- 126 127 128 1077 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nere „Teleologie” des Handelns in Betracht zu ziehen, insofern auf die Förderung des wahren Gutes der Person gerichtet; sie hält aber fest, daß letzteres nur dann wahrhaftig verfolgt wird, wenn die wesentlichen Aspekte der menschlichen Natur respektiert werden. Die ihrem Gegenstand nach gute menschliche Handlung besitzt auch die Eigenschaft, auf das letzte Ziel hingeordnet werden zu können. Eben diese Handlung erlangt dann ihre letzte und entscheidende Vollkommenheit, wenn der Wille sie durch die Liebe tatsächlich auf Gott hinordnet. In diesem Sinne lehrt der Patron der Moraltheologen und Beichtväter: „Es genügt nicht, gute Werke zu tun, sie müssen gut getan werden. Damit unsere Werke gut und vollkommen sind, müssen wir sie mit dem klaren Ziel tun, daß sie Gott gefallen”. <79> <79> Das „in sich Schlechte”: Man darf nicht Böses tun, ... damit Gutes entsteht (vgl. Röm 3,8). 79. Zurückgewiesen werden muß daher die für teleologische und proportionalisti-sche Theorien typische Ansicht, es sei unmöglich, die bewußte Wahl einiger Verhaltensweisen bzw. konkreter Handlungen nach ihrer Spezies - ihrem „Objekt” -als sittlich schlecht zu bewerten, ohne die Absicht, mit der diese Wahl vollzogen wurde, oder ohne die Gesamtheit der vorhersehbaren Folgen jener Handlungen für alle betroffenen Personen zu berücksichtigen. Das vorrangige und entscheidende Element für das moralische Urteil ist das Objekt der menschlichen Handlung, das darüber entscheidet, ob sie auf das Gute und auf das letzte Ziel, das Gott ist, hingeordnet werden kann. Ob dies so ist, erkennt die Vernunft im Sein des Menschen selbst, verstanden in seiner vollumfänglichen Wahrheit, und damit unter Berücksichtigung seiner natürlichen Neigungen, seiner Triebkräfte und seiner Zweckbestimmtheiten, die immer auch eine geistige Dimension besitzen: Genau das sind die Inhalte des Naturgesetzes und damit die geordnete Gesamtheit der „Güter für die menschliche Person”, die sich in den Dienst des „Gutes der Person” stellen, des Gutes, das sie selbst und ihre Vollendung ist. Das sind die von den Geboten (des Dekalogs) geschützten Güter, der nach dem hl. Thomas das ganze Naturgesetz enthält. <80> Hl. Alfons Maria von Liguori, Pratica di amar Gesu Cristo, VII, 3. ^ Vgl. Summa Theologiae, I-II, q. 100, a. 1. 80. Nun bezeugt die Vernunft, daß es Objekte menschlicher Handlungen gibt, die sich „nicht auf Gott hinordnen” lassen, weil sie in radikalem Widersprach zum Gut der nach seinem Bild geschaffenen Person stehen. Es sind dies die Handlungen, die in der moralischen Überlieferung der Kirche „in sich schlecht” (intrinsece malum), genannt wurden: Sie sind immer und an und für sich schon schlecht, d. h. allein schon aufgrund ihres Objektes, unabhängig von den. weiteren Absichten des Handelnden und den Umständen. Darum lehrt die Kirche - ohne im geringsten den Einfluß zu leugnen, den die Umstände und vor allem die Absichten auf die Sittlichkeit 1078 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN haben daß „es Handlungen gibt, die durch sich selbst und in sich, unabhängig von den Umständen, wegen ihres Objekts immer schwerwiegend unerlaubt sind”. <81> Das Zweite Vatikanische Konzil bietet im Zusammenhang mit der Achtung, die der menschlichen Person gebührt, eine ausführliche Erläuterung solcher Handlungsweisen anhand von Beispielen: „Was zum Leben selbst in Gegensatz steht, wie jede Art von Mord, Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord; was immer die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt, wie Verstümmelung, körperliche oder seelische Folter und der Versuch, psychischen Zwang auszuüben; was immer die menschliche Würde angreift, wie unmenschliche Lebensbedingungen, willkürliche Verhaftung, Verschleppung, Sklaverei, Prostitution, Mädchenhandel und Handel mit Jugendlichen, sodann auch unwürdige Arbeitsbedingungen, bei denen der Arbeiter als bloßes Erwerbsmittel und nicht als freie und verantwortliche Person behandelt wird: all diese und andere ähnliche Taten sind an sich schon eine Schande; sie sind eine Zersetzung der menschlichen Kultur, entwürdigen weit mehr jene, die das Unrecht tun, als jene, die es erleiden. Zugleich sind sie in höchstem Maße ein Widerspruch gegen die Ehre des Schöpfers”. <82> Über die in sich sittlich schlechten Handlungen und im Blick auf kontrazeptive Praktiken, mittels derer vorsätzlich unfruchtbar gemacht wird, lehrt Papst Paul VI.: „Wenn es auch in der Tat zuweilen erlaubt ist, ein sittliches Übel hinzunehmen, in der Absicht, damit ein größeres Übel zu verhindern oder ein höheres sittliches Gut zu fördern, ist es doch nicht erlaubt, nicht einmal aus sehr schwerwiegenden Gründen, das sittlich Schlechte zu tun, damit daraus das Gute hervorgehe (vgl. Rom 3,8), d. h. etwas zum Gegenstand eines positiven Willensaktes zu machen, was an sich Unordnung besagt und daher der menschlichen Person unwürdig ist, auch wenn es in der Absicht geschieht, Güter der Person, der Familie oder der Gesellschaft zu schützen oder zu fördern”. <83> <81> Nachsynodales Apostol. Schreiben Reconciliatio et paenitentia (2. Dezember 19S4), Nr. 17: AA.$77(1985)221; vgl. Paul VI., Ansprache an die Mitglieder der Kongregation vomHeiligsten Erlöser (September 1967): AA5'59(1967) 962: “Man muß vermeiden, die Gläubigen zu verleiten, anders darüber zu denken, so als wären nach dem Konzil heute einige Verhaltensweisen erlaubt, die die Kirche früher für in sich schlecht erklärt hatte. Wer sieht nicht, daß daraus ein bedauerlicher sittlicher Relativismus entstehen ■ würde, der leicht das ganze Erbe der Lehre der Kirche in Frage stellen könnte?” <82> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 27. 1W Enzyklika Humanae vitae (25. Juli 1968), Nr. 14: /L45'60(1968)490-491. 81. Wenn die Kirche das Bestehen „in sich schlechter” Handlungen lehrt, greift sie die Lehre der Heiligen Schrift auf. Der Apostel stellt kategorisch fest: „Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben” (7 Kor 6,9-10). Wenn die Akte in sich schlecht sind, können eine gute Absicht oder besondere Umstände ihre Schlechtigkeit zwar abschwächen, aber nicht aufheben: Sie sind „irreparabel” schlechte Handlungen, die an und für sich und in sich nicht auf Gott 1079 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und auf das Gut der menschlichen Person hinzuordnen sind: „Wer würde es im Hinblick auf die Handlungen, die durch sich selbst Sünden sind (cum iam opera ipsa peccata sunt) - schreibt der hl. Augustinus wie Diebstahl, Unzucht, Gotteslästerung, zu behaupten wagen, sie wären, wenn sie aus guten Motiven (causis bo-nis) vollbracht würden, nicht mehr Sünden oder, eine noch absurdere Schlußfolgerung, sie wären gerechtfertigte Sünden?”. <84> <84> Contra mendacium, VII, 18: PL 40, 528; vgl. Hl. Thomas von Aquin, Quaestiones quodlibetales, IX, q. 7, a. 2; Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1753-1755. Darum können die Umstände oder die Absichten niemals einen bereits in sich durch sein Objekt sittenlosen Akt in einen „subjektiv” sittlichen oder als Wahl vertretbaren Akt verwandeln. 82. Im übrigen ist die Absicht dann gut, wenn sie auf das wahre Gut der Person im Blick auf ihr letztes Ziel gerichtet ist. Die Handlungen aber, die sich aufgrund ihres Objektes nicht auf Gott „hinordnen” lassen und „der menschlichen Person unwürdig” sind, stehen diesem Gut immer und in jedem Fall entgegen. In diesem Sinne bedeutet die Beachtung der Normen, die solche Handlungen verbieten und semper et pro semper, das heißt ausnahmslos, verpflichten, nicht nur keine Beschränkung für die gute Absicht, sondern sie ist geradezu der fundamentale Ausdruck guter Absicht. Die Lehre vom Objekt als Quelle der Sittlichkeit ist authentische Ausdrucksform der biblischen Moral des Bundes und der Gebote, der Liebe und der Tugenden. Die sittliche Qualität menschlichen Handelns hängt von dieser Treue zu den Geboten ab, die Ausdmck von Gehorsam und Liebe ist. Und deshalb - wir wiederholen es noch einmal - muß die Meinung als irrig zurückgewiesen werden, es sei unmöglich, die bewußte Wahl einiger Verhaltensweisen bzw. konkreter Handlungen ihrer Spezies nach als sittlich schlecht zu bewerten, ohne die Absicht, aufgrund welcher diese Wahl vollzogen wurde, oder ohne die Gesamtheit der vorhersehbaren Folgen jener Handlung für alle betroffenen Personen zu berücksichtigen. Ohne diese Vernunftbestimmtheit der sittlichen Qualität menschlichen Handelns wäre es unmöglich, eine „objektive sittliche Ordnung” <85> anzunehmen und irgendeine von inhaltlichen Gesichtspunkten bestimmte Norm festzulegen, die ausnahmslos verpflichtet; und das zum Schaden der Brüderlichkeit unter den Menschen und der Wahrheit über das Gute und ebenso zum Nachteil der kirchlichen Gemeinschaft. <85> II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 7. 83. Im Problem der Sittlichkeit des menschlichen Handelns und besonders in der Frage nach der Existenz in sich schlechter Handlungen konzentriert sich, wie man sieht, gewissermaßen die Frage nach dem Menschen selbst, nach seiner Wahrheit und den sich daraus ergebenden sittlichen Konsequenzen. Dadurch, daß die Kirche anerkennt und lehrt, daß es konkret bestimmbare menschliche Handlungen gibt, die in sich schon schlecht sind, bleibt sie der vollen Wahrheit über den Menschen treu 1080 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und achtet und fördert ihn damit in seiner Würde und Berufung. Sie muß infolgedessen die oben dargelegten Theorien, die dieser Wahrheit zuwiderlaufen, zurückweisen. Brüder im Bischofsamt, wir dürfen uns jedoch nicht nur dabei aufhalten, die Gläubigen über die Irrtümer und Gefahren einiger ethischer Theorien zu belehren. Wir müssen vor allem den faszinierenden Glanz jener Wahrheit aufzeigen, die Jesus Christus selber ist. In ihm, der die Wahrheit ist (vgl. Joh 14,6), vermag der Mensch vermittels seiner guten Taten seine Berufung zur Freiheit im Gehorsam gegenüber dem göttlichen Gesetz, das im Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe zusammengefaßt ist, voll zu begreifen und vollkommen zu leben. Und das alles geschieht durch die Gabe des Heiligen Geistes, des Geistes der Wahrheit, der Freiheit und der Liebe: In ihm ist es uns gegeben, uns das Gesetz zu eigen zu machen und es als Treibkraft wahrer persönlicher Freiheit zu begreifen und zu leben. „Das vollkommene Gesetz ist das Gesetz der Freiheit” (Jak 1,25). 1081 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapitel III „Damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird” (1 Kor 1,17) Das sittlich Gute für das Leben der Kirche und der Welt „Zur Freiheit hat uns Christus befreit” (Gal 5,1) 84. Die grundlegende Frage, die die oben erwähnten Moraltheorien mit besonderer Eindringlichkeit stellen, ist die nach der Beziehung zwischen der Freiheit des Menschen und dem Gesetz Gottes, letztendlich die Frage nach der Beziehung zwischen Freiheit und Wahrheit. Gemäß christlichem Glauben und der Lehre der Kirche führt „nur die Freiheit, die sich der Wahrheit unterwirft, die menschliche Person zu ihrem wahren Wohl. Das Wohl der Person besteht darin, sich in der Wahrheit zu befinden und die Wahrheit zu tun”} Die Konfrontation zwischen der Position der Kirche und der heutigen gesellschaftlichen und kulturellen Situation deckt unmittelbar die dringende Notwendigkeit auf, daß gerade im Hinblick auf diese grundlegende Frage von seiten der Kirche selbst eine intensive Pastoralarbeit entwickelt werden muß: „Dieser wesentliche Zusammenhang zwischen der Wahrheit, dem Guten und der Freiheit ist der modernen Kultur größtenteils abhanden gekommen, und darum besteht heute eine der besonderen Forderungen an die Sendung der Kirche zur Rettung der Welt darin, den Menschen zur Wiederentdeckung dieses Zusammenhanges zu führen. Die Frage des Pilatus: „Was ist Wahrheit?” wird auch heute an der trostlosen Ratlosigkeit eines Menschen sichtbar, der häufig nicht mehr weiß, wer er ist, woher er kommt und wohin er geht. Und so erleben wir nicht selten das erschreckende Abgleiten der menschlichen Person in Situationen einer fortschreitenden Selbstzerstörung. Wollte man gewissen Stimmen Gehör schenken, so scheint man nicht mehr die unzerstörbare Absolutheit auch nur eines einzigen sittlichen Wertes anerkennen zu dürfen. Allen Augen offenkundig ist die Verachtung des empfangenen und noch ungeborenen menschlichen Lebens; die ständige Verletzung der Grundrechte der Person; die ungerechte Zerstörung der für ein wirklich menschliches Leben notwendigen Güter. Ja, es ist noch viel Bedenklicheres geschehen: Der Mensch ist nicht mehr davon überzeugt, allein in der Wahrheit das Heil finden zu können. Die rettende, heilbringende Kraft des Wahren wird angefochten, und allein der - freilich jeder Objektivität beraubten - Freiheit wird die Aufgabe zugedacht, autonom zu entscheiden, was gut und was böse ist. Dieser Relativismus führt auf theologischem Gebiet zum Mißtrauen in die Weisheit Gottes, die den Menschen durch das Sittengesetz leitet. Den Geboten des Sittengesetzes stellt man die sogenannten konkreten Situationen entge- <86> <86> Ansprache an die Teilnehmer am Internationalen Kongreß fiir Moraltheologie (10. April 1986), 1: Insegnamenti IX, 1 (1986), 970. 1082 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen, weil man im Grunde nicht mehr daran festhält, daß das Gesetz Gottes immer das einzige wahre Gut des Menschen ist”. <87> Ebd., 2: aaO., 970-971. 85. Die Aufgabe der prüfenden Unterscheidung von seiten der Kirche angesichts dieser ethischen Theorien beschränkt sich nicht auf deren Entlarvung und Ablehnung, sondern zielt darauf ab, allen Gläubigen mit großer Liebe bei der Formung eines sittlichen Gewissens beizustehen, das zu urteilen und zu wahrheitsgemäßen Entscheidungen zu fuhren vermag, wie der Apostel Paulus mahnend schreibt: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist” (Röm 12,2). Ihren festen Halt - ihr pädagogisches „Geheimnis” - findet diese Arbeit der Kirche nicht so sehr in den Lehraussagen und Pastoralen Aufrufen zur Wachsamkeit als vielmehr darin, daß sie den Blick unverwandt auf den Herrn Jesus richtet. So blickt die Kirche Tag für Tag mit unermüdlicher Liebe auf Christus, da sie sich völlig bewußt ist, daß allein bei ihm die wahre und endgültige Antwort auf die sittlichen Fragestellungen liegt. Besonders im gekreuzigten Jesus findet sie die Antwort auf die Frage, die heute so viele Menschen quält: Wie nur kann der Gehorsam gegenüber den allgemeinen und unveränderlichen sittlichen Normen die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit respektieren und nicht ein Angriff auf ihre Freiheit und Würde werden? Die Kirche macht sich jene Gewissensauffassung zu eigen, die der Apostel Paulus von der an ihn ergangenen Sendung hatte: „Denn Christus hat mich ... gesandt..., das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird ... Wir verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit” (.1 Kor 1,17.23-24). Der gekreuzigte Christus offenbart den authentischen Sinn der Freiheit, er lebt ihn in der Fülle seiner totalen Selbsthingabe und beruft die Jünger, an dieser seiner Freiheit teilzuhaben. 86. Vernünftige Überlegung und alltägliche Erfahrung zeigen die Schwäche, von der die Freiheit des Menschen gezeichnet ist. Sie ist wirkliche, aber begrenzte Freiheit: sie hat ihren absoluten und bedingungslosen Ausgangspunkt nicht in sich selbst, sondern in der Existenz, innerhalb der sie sich findet und die für sie gleichzeitig eine Grenze und eine Möglichkeit darstellt. Es ist die Freiheit eines Geschöpfes, das heißt geschenkte Freiheit, die als Keim empfangen und verantwortungsvoll zur Reife gebracht werden soll. Sie gehört wesentlich zu jenem geschaffenen Ebenbild Gottes, das die Würde der menschlichen Person begründet: in ihr hallt die ursprüngliche Berufung wider, mit welcher der Schöpfer den Menschen zum wahren Gut und, mehr noch, mit der Offenbarung Christi dazu berufen hat, durch Teilhabe am göttlichen Leben selbst mit ihm in Freundschaft einzutreten. Sie ist zugleich unveräußerlicher 137 1083 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eigenbesitz und umfassende Öffnung gegenüber jedem Seienden, indem sie aus sich herausgeht, um den anderen kennenzulemen und zu heben. <88> Die Freiheit hat also ihre Wurzel in der Wahrheit vom Menschen und ihre Zielbestimmung in der Gemeinschaft. 1 -3D Vernunft und Erfahrung sprechen nicht nur von der Schwäche der menschlichen Freiheit, sondern auch von ihrem Drama. Der Mensch entdeckt, daß seine Freiheit rätselhafterweise dazu neigt, diese Öffnung für das Wahre und Gute zu mißbrauchen und daß er es zu oft tatsächlich vorzieht, endliche, begrenzte und vergängliche Güter zu wählen. Ja mehr noch, in den Irrtümem und negativen Entscheidungen spürt der Mensch den Anfang einer radikalen Auflehnung, die ihn die Wahrheit und das Gute zurückweisen läßt, um sich zum absoluten Prinzip seiner selbst aufzuwerfen: „Ihr werdet Gott” (Gen 3,5). Die Freiheit muß also befreit werden. Christus ist ihr Befreier Er „hat uns zur Freiheit befreit” (Gal 5,1). 87. Zunächst offenbart Christus, daß die ehrliche und offene Anerkennung der Wahrheit die Bedingung einer authentischen Freiheit ist. „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen” (Joh 8,32). <89> Die Wahrheit macht frei gegenüber der Macht und verleiht die Kraft zum Martyrium. So spricht es Jesus vor Pilatus aus: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege” (Joh 18,37). So sollen die wahren Anbeter Gottes diesen „im Geist und in der Wahrheit” anbeten (Joh 4,23): durch diese Anbetung werden sie frei. Der Zusammenhang mit der Wahrheit und die Anbetung Gottes werden in Jesus Christus als der tiefsten Wurzel der Freiheit offenbar. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 24. ^ Vgl. Enzyklika Redemptor Hominis (4. März 1979), Nr. 12: AAS71(1979)280-281. Des weiteren offenbart Jesus mit seiner eigenen Existenz und nicht bloß mit Worten, daß sich die Freiheit in der Liebe, das heißt in der Selbsthingabe, verwirklicht. Er, der sagt: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt” {Joh 15,13), geht aus freien Stücken der Passion entgegen (vgl. Mt 26,46) und gibt in seinem Gehorsam gegenüber dem Vater am Kreuz sein Leben für alle Menschen hin (vgl. Phil 2,6-11). Auf diese Weise ist die Betrachtung des gekreuzigten Jesus der königliche Weg, den die Kirche Tag für Tag gehen muß, wenn sie den ganzen Sinn der Freiheit verstehen will: die Selbsthingabe im Dienst an Gott und den Brüdern. Die Gemeinschaft mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn ist dann die unversiegbare Quelle, aus der die Kirche unablässig schöpft, um in der Freiheit zu leben, sich hinzugeben und zu dienen. In seinem Kommentar zu dem Vers aus dem 100. Psalm „Dient dem Herrn mit Freude!” sagt der hl. Augustinus: „Im Hause des Herrn ist die Knechtschaft frei. Frei, da nicht der Zwang, sondern die Liebe den Dienst auferlegt ... Die Liebe mache dich zum Knecht (Diener), wie die Wahrheit dich frei gemacht hat... Du bist zugleich Diener und frei: Diener, weil du dazu geworden bist, frei, weil du von Gott, deinem Schöpfer, geliebt wirst; ja, frei 1084 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auch, weil es dir gegeben ist, deinen Schöpfer zu lieben ... Du bist Diener des Herrn und du bist Befreiter des Herrn, Suche nicht eine Freiheit, die dich fortträgt vom Hause deines Befreiers!” <90> Enarratio in Psalmum XCIX, 7: CCL 39, 1397. Auf diese Weise ist die Kirche und jeder Christ in ihr dazu berufen, teilzuhaben am Königtum Christi am Kreuz (vgl. Joh 12,32), an der Gnade und an der Verantwortung des Menschensohnes, der „nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele” (Mt 20,28). <91> Jesus ist also die lebendige und personifizierte Synthese von vollkommener Freiheit und unbedingtem Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes. Sein gekreuzigter Leib ist die volle Offenbarung der unlösbaren Bande zwischen Freiheit und Wahrheit, so wie seine Auferstehung vom Tode die erhabenste Verherrlichung der Fruchtbarkeit und heilbringenden Kraft einer in Wahrheit gelebten Freiheit ist. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 36; vgl. Enzyklika Redemptor Hominis (4. März 1979), Nr. 21: A4571( 1979)316-317. Im Licht wandeln (vgl. 1 Joh 1,7) 88. Die Gegenüberstellung, ja die radikale Trennung von Freiheit und Wahrheit ist Folge, Äußerung und Vollendung einer anderen, noch schwerwiegenderen und schädlicheren Dichotomie, die den Glauben von der Moral trennt. Diese Trennung ist Gegenstand einer der vordringlichsten pastoralen Sorgen der Kirche im heutigen Säkularisierungsprozeß, in dem viele, allzu viele Menschen denken und leben, „als ob es Gott nicht gäbe”. Wir stehen einer Mentalität gegenüber, die oft auf tiefgreifende, weitreichende Weise und bis in die letzten Winkel der Gesellschaft hinein die Haltungen und Verhaltensweisen sogar der Christen beeinflußt, deren Glaube dadurch entkräftet wird und seine Ursprünglichkeit als eigenständiger Maßstab für das eigene Selbstverständnis und das Handeln im persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Leben verliert. Die von denselben Gläubigen übernommenen Beurteilungs- und Entscheidungskriterien stellen sich im Rahmen einer ent-christlichten Kultur tatsächlich oft so dar, als hätten sie mit den Kriterien des Evangeliums nichts zu tun oder stünden sogar im Widerspruch zu ihnen. Es ist nun dringend notwendig, daß die Christen die Eigenständigkeit ihres Glaubens und ihre Urteilskraft gegenüber der herrschenden, ja sich aufdrängenden Kultur wiederentdecken: „Denn einst wart ihr Finsternis - so belehrt uns der Apostel Paulus -, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des Lichts! Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor. Prüft, was dem Herrn gefällt, und habt nichts gemein mit den Werken der Finsternis, die keine Frucht bringen, sondern deckt sie auf! ... Achtet also sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht töricht, sondern klug. Nutzt die Zeit, denn diese Tage sind böse” (.Eph 8,8-11.15-16; vgl. 1 Thess 5,4-8). 1085 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist dringend notwendig, das wahre Antlitz des christlichen Glaubens zurückzugewinnen und wieder bekannt zu machen; dies ist ja nicht lediglich eine Summe von Aussagen, die mit dem Verstand angenommen und bestätigt werden müssen. Er ist vielmehr eine gelebte Kenntnis: von Christus, ein lebendiges Gedächtnis seiner Gebote, eine Wahrheit, die gelebt werden muß. Ein Wort wird schließlich nur dann wahrhaft angenommen, wenn es in die Handlungen übergeht, wenn es in die Praxis umgesetzt wird. Der Glaube ist eine Entscheidung, die die gesamte Existenz in Anspruch nimmt. Er ist Begegnung, Dialog, Liebes- und Lebensgemeinschaft des Glaubenden mit Jesus Christus, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (vgl. Joh 14,6). Er schließt einen Akt des Vertrauens und der Hingabe an Christus ein und gewährt uns zu leben, wie er gelebt hat (vgl. Gal 2,20), das heißt in der je größeren Liebe zu Gott und zu den Brüdern. 89. Der Glaube besitzt auch einen sittlichen Inhalt: er schafft und verlangt ein konsequentes Engagement des Lebens, er unterstützt und vollendet die Annahme und Einhaltung der göttlichen Gebote. Wie der Evangelist Johannes schreibt, „Gott ist Licht, und keine Finsternis ist in ihm. Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und doch in der Finsternis leben, lügen wir und tun nicht die Wahrheit... Wenn wir seine Gebote halten, erkennen wir, daß wir ihn erkannt haben. Wer sagt: Ich habe ihn erkannt, aber seine Gebote nicht hält, ist ein Lügner, und die Wahrheit ist nicht in ihm. Wer sich aber an sein Wort hält, in dem ist die Gottesliebe wahrhaft vollendet. Wir erkennen daran, daß wir in ihm sind. Wer sagt, daß er in ihm bleibt, muß auch leben, wie er gelebt hat” (i Joh 1,5-6; 2,3-6). Durch das sittliche Leben wird der Glaube zum „Bekenntnis”, und das nicht nur vor Gott, sondern auch vor den Menschen: es wird ein Zeugnis abgelegt. „Ihr seid das Licht der Welt - hat Jesus gesagt -. Eine Stadt, die auf einem Berg hegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man steht es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen” (Mt 5,14-16). Das sind vor ahem jene der Nächstenhebe (vgl. Mt 25,31-46) und der wahren Freiheit, die sich in der Selbsthingabe kundtut und lebt. Bis zur völligen Selbsthingabe, wie es Jesus getan hat, der am Kreuz „die Kirche gehebt und sich für sie hingegeben hat” (Eph 5,25). Das Zeugnis Christi ist Quelle und Maß (Paradigma) für das Zeugnis des Jüngers, der aufgerufen ist, denselben Weg einzuschlagen: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach” (Lk 9,23). Dem Anspruch des evangelischen Radikalismus entsprechend kann die Liebe den Glaubenden zum äußersten Zeugnis des Martyriums bringen. Über das Vorbild des am Kreuz sterbenden Jesus schreibt Paulus an die Christen von Ephesus: „Ahmt Gott nach als seine gehebten Kinder und hebt einander, weil auch Christus uns gehebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt” (Eph 5,1-2). 1086 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Martyrium, Verherrlichung der unverletzlichen Heiligkeit des Gesetzes Gottes 90. In der bedingungslosen Achtung gegenüber jenen unaufgebbaren Forderungen, die sich aus der Personwürde eines jeden Menschen ergeben, jenem von den sittlichen Normen verteidigten Anspruch, welche die in sich schlechten Handlungen ausnahmslos verbieten, erstrahlt die Beziehung zwischen Glaube und Moral in ihrem ganzen Glanz. Die Universalität und Unwandelbarkeit der sittlichen Norm machen die Würde der Person, das heißt die Unverletzlichkeit des Menschen, auf dessen Antlitz der Glanz Gottes erstrahlt, offenbar und stellen sich gleichzeitig in den Dienst ihres Schutzes (vgl. Gen 9,5-6). Die Unannehmbarkeit der „teleologischen”, „konsequenzialistischen” und „proportionalistischen” ethischen Theorien, die die Existenz negativer, bestimmte Verhaltensweisen betreffender sittlicher, ausnahmslos geltender Normen leugnen, findet beredte Bestätigung im Faktum des christlichen Martyriums, das das Leben der Kirche stets begleitet hat und noch immer begleitet. 91. Bereits im Alten Bund begegnen wir eindrucksvollen Zeugnissen einer Treue zum heiligen Gesetz Gottes, die mit der freiwilligen Annahme des Todes bezahlt wurde. Beispielhaft ist die Geschichte der Susanna: Den beiden ungerechten Richtern, die sie für den Fall, daß sie sich geweigert hätte, ihrem unreinen Begehren zu Willen zu sein, mit dem Tode bedrohten, antwortete sie: „Ich bin bedrängt von allen Seiten: Wenn ich es tue, so droht mir der Tod; tue ich es aber nicht, so werde ich euch nicht entrinnen. Es ist besser für mich, es nicht zu tun und euch in die Hände zu fallen, als gegen den Herrn zu sündigen!” (Dan 13,22-23). Susanna, die es vorzieht, „unschuldig” in die Hände der Richter zu fallen, bezeugt nicht nur ihren Glauben und ihr Gottvertrauen, sondern auch ihren Gehorsam gegenüber der Wahrheit und der Absolutheit der sittlichen Ordnung: durch ihre Bereitschaft, das Martyrium auf sich zu nehmen, bekundet sie, daß es nicht recht ist, das zu tun, was das göttliche Gesetz als Übel bewertet, um dadurch irgendein Gut zu erlangen. Sie wählt für sich den „besseren Teil”: ein ganz klares und kompromißloses Zeugnis für die Wahrheit des Guten und für den Gott Israels; so tut sie in ihren Handlungen die Heiligkeit Gottes kund. An der Schwelle zum Neuen Testament weigerte sich Johannes der Täufer, das Gesetz des Herrn zu verschweigen und mit dem Bösen zu paktieren, „er opferte sein Leben für die Gerechtigkeit und die Wahrheit” <92> und wurde so auch als Märtyrer Vorläufer des Messias (vgl. Mk 6,17-29). Deswegen „wurde derjenige in das Dunkel des Kerkers eingeschlossen, der gekommen war, um von dem Licht Zeugnis zu geben, und der von eben diesem Licht, das Christus ist, gewürdigt wurde, Licht, das Tagesgebet am Gedenktag der Enthauptung Johannes des Täufers. 142 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN im Dunkel leuchtet, genannt zu werden. Und im eigenen Blut wurde derjenige getauft, dem es zuteil geworden war, den Erlöser der Welt zu taufen”. <93> Im Neuen Bund begegnen wir zahlreichen Zeugnissen von Jesu Jüngern, angefangen mit dem Diakon Stefanus (vgl. Apg 6,8-7,70) und dem Apostel Jakobus (vgl. Apg 12,1-2), die als Märtyrer starben, um ihren Glauben und ihre Liebe zum Erlöser zu bezeugen und um ihn nicht zu verleugnen. Darin sind sie dem Herrn Jesus gefolgt, der vor Kajaphas und Pilatus „das gute Bekenntnis abgelegt” hat (7 Tim 6,13), und haben die Wahrheit seiner Botschaft durch die Hingabe ihres Lebens bestätigt. Zahllose andere Märtyrer nahmen eher die Verfolgungen und den Tod auf sich, als die götzendienerische Tat zu begehen und vor dem Standbild des Kaisers Weihrauch zu verbrennen (vgl. Offb 13). Sie lehnten es sogar ab, einen derartigen Kult vorzutäuschen und gaben damit das Beispiel für die sittliche Verpflichtung, sich auch nur einer einzigen konkreten Verhaltensweise zu enthalten, wenn sie der Liebe Gottes und dem Zeugnis des Glaubens widerspräche. In ihrem Gehorsam vertrauten sie, wie Christus selbst, ihr Leben dem Vater an und stellten es ihm anheim, der sie vom Tod zu befreien vermochte (vgl. Hebr 5,7). Hl. Beda Venerabilis, Homeliarum Evangelii Libri, II, 23; CCL 122, 556-557. Die Kirche legt das Beispiel zahlreicher Heiliger vor, die die sittliche Wahrheit gepredigt und bis zum Martyrium verteidigt oder den Tod einer einzigen Todsünde vorgezogen haben. Indem die Kirche sie zur Ehre der Altäre erhob, hat sie ihr Zeugnis bestätigt und ihre Überzeugung für richtig erklärt, wonach die Liebe zu Gott auch unter den schwierigsten Umständen die Einhaltung seiner Gebote und die Weigerung, sie zu verraten - und sei es auch mit der Absicht, das eigene Leben zu retten - verbindlich einschließt. 92. Als Bekräftigung der Unverbrüchlichkeit der sittlichen Ordnung kommen im Martyrium die Heiligkeit des Gesetzes Gottes und zugleich die Unantastbarkeit der persönlichen Würde des nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffenen Menschen zum Leuchten: Es ist eine Würde, die niemals, und sei es auch aus guter Absicht, herabgesetzt oder verstellt werden darf, wie auch immer die Schwierigkeiten aussehen mögen. Mahnend gibt uns Jesus mit größter Strenge zu bedenken: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber seine Seele verliert?” (Mk 8,36). Das Martyrium entlarvt jeden Versuch, einer in sich schlechten Handlung, und sei es auch unter „Ausnahme”-Bedingungen, einen „humanen Sinn” verleihen zu wollen, als illusorisch und falsch; mehr noch, es enthüllt offen das wahre Gesicht der sittlich schlechten Handlung: sie ist eine Verletzung der „Menschlichkeit” des Menschen, und zwar mehr noch bei dem, der das Unrecht begeht, als bei dem, der es erleidet. <94> Das Martyrium ist daher auch Verherrlichung des vollkommenen „Menschseins” und des wahren „Lebens” der menschlichen Person, wie der Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 27. 143 144 1088 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hl. Ignatius von Antiochien bezeugt, als er sich an die Christen Roms, des Ortes seines Martyriums, wendet: „Habt Mitleid mit mir, Brüder: Hindert mich nicht daran zu leben, wünscht nicht, daß ich sterbe ... Laßt mich zum reinen Licht gelangen; wenn ich dorthin gelangt bin, werde, ich wahrhaft Mensch sein. Laßt mich das Leiden und Sterben meines Gottes nachahmen”.143 93. Das Martyrium ist schließlich eiti leuchtendes Zeichen der Heiligkeit der Kirche: die mit dem Tod bezeugte Treue zum heiligen Gesetz Gottes ist feierliches Zeugnis und missionarischer Einsatz usque ad sanguinem, auf daß nicht der Glanz der sittlichen Wahrheit in den Gewohnheiten und Denkweisen der Menschen und der Gesellschaft um seine Leuchtkraft gebracht werde. Ein solches Zeugnis bietet einen außerordentlich wertvollen Beitrag, damit man - nicht nur in der bürgerlichen Gesellschaft, sondern auch innerhalb der kirchlichen Gemeinschaften - nicht in die gefährlichste Krise gerät, die den Menschen überhaupt heimsuchen kann: die Verwirrung in bezug auf Gut und Böse, was den Aufbau und die Bewahrung der sittlichen Ordnung der einzelnen und der Gemeinschaften unmöglich macht. Die Märtyrer und, im weiteren Sinne, alle Heiligen der Kirche erleuchten durch das beredte und faszinierende Beispiel eines ganz von dem Glanz der sittlichen Wahrheit umgeformten Lebens jede Epoche der Geschichte durch das Wiederbeleben des sittlichen Empfindens. Durch ihr hervorragendes Zeugnis für das Gute sind sie ein lebendiger Vorwurf für all jene, die das Gesetz überschreiten (vgl. Weish 2,12), und lassen in ständiger Aktualität die Worte des Propheten neu erklingen: „Weh euch, die ihr das Böse gut und das Gute böse nennt, die ihr die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis macht, die ihr das Bittere süß macht und das Süße bitter” (Jes 5,20). Wenn das Martyrium den Höhepunkt des christlichen Zeugnisses für die sittliche Wahrheit bildet, zu dem nur vergleichsweise wenige berufen sein können, so gibt es dennoch ein kohärentes Zeugnis, das alle Christen täglich zu geben bereit sein sollen, auch auf Kosten von Leiden und schweren Opfern. In der Tat ist der Christ angesichts der vielfältigen Schwierigkeiten, welche die Treue zur Unbedingtheit der sittlichen Ordnung auch unter den gewöhnlichsten Umständen verlangen kann, mit der im Gebet erflehten göttlichen Gnade zu mitunter heroischem Bemühen aufgerufen, wobei ihn die Tugend des Starkmutes stützen wird, mit deren Hilfe er - wie der heilige Gregor der Große lehrt - sogar „die Schwierigkeiten dieser Welt im Blick auf den ewigen Siegespreis lieben kann”.146 94. In diesem Zeugnis für die Unbedingtheit des sittlich Guten stehen die Christen nicht allein: Sie finden Bestätigung im sittlichen Bewußtsein der Völker und in den großen Traditionen der Religions- und Geistesgeschichte des Abendlandes und des Orients, nicht ohne beständiges und geheimnisvolles Wirken des Geistes Gottes. Für alle gelte der Ausspruch des lateinischen Dichters Juvenal: „Betrachte es als das 145 146 Ad Romanos, VI, 2-3: Patres Apostolici, hrsg. F.X. Flink, I, 260-261. Moralin in Job, VII, 21, 24: PL 75, 778: “huius mundi aspera pro aetemis praemiis amare”. 1089 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allergrößte Vergehen, das eigene Überleben dem Ehrgefühl vorzuziehen und aus Liebe zum leiblichen Leben die eigentlichen Gründe des Lebens zu verlieren”. <95> Die Stimme des Gewissens hat stets unmißverständlich darauf hingewiesen, daß es sittliche Wahrheiten und Werte gibt, für die man das Leben hinzugeben bereit sein müsse. Im Wort und vor allem im Opfer des Lebens für den sittlichen Wert anerkennt die Kirche eben das Zeugnis für jene bereits in der Schöpfung vorhandene Wahrheit, die auf dem Antlitz Christi voll erstrahlt: „Wir wissen - schreibt der hl. Justinus - daß die Anhänger der stoischen Lehre gehaßt und getötet wurden, da sie - wie auch zuweilen die Dichter - zumeist in ihren Äußerungen über Fragen der Moral, den Beweis der Wahrheit geliefert haben, aufgrund des Keimes des göttlichen Logos, der dem ganzen Menschengeschlecht eingepflanzt ist”. <96> <95> “Summum crede nefas animam praeferre pudori et propter vitam vivendi perdere causas!": Juvenal, Satirae, VIII, 83-84. <96> Apologia II, 8: PG 6, 457-458. Die allgemeinen und unveränderlichen sittlichen Normen im Dienst der menschlichen Person und der Gesellschaft 95. Die Lehre der Kirche und insbesondere ihre Festigkeit in der Verteidigung der universalen und dauernden Geltung der sittlichen Gebote, die die in sich schlechten Handlungen verbieten, werden nicht selten als Zeichen einer unerträglichen Unnachgiebigkeit kritisiert, vor allem angesichts enorm komplexer und konfliktanfälliger Situationen des heutigen Lebens des einzelnen und der Gesellschaft: eine Unnachgiebigkeit, die zu einem mütterlichen Empfinden der Kirche im Widerspruch stünde. Diese lasse es, so sagt man, an Verständnis und Barmherzigkeit fehlen. Aber in Wahrheit kann die Mütterlichkeit der Kirche niemals von ihrem Sendungsauftrag als Lehrerin abgetrennt werden, den sie als treue Braut Christi, der die Wahrheit in Person ist, immer ausführen muß: „Als Lehrerin wird sie nicht müde, die sittliche Norm zu verkünden ... Diese Norm ist nicht von der Kirche geschaffen und nicht ihrem Gutdünken überlassen. In Gehorsam gegen die Wahrheit, die Christus ist, dessen Bild sich in der Natur und der Würde der menschlichen Person spiegelt, interpretiert die Kirche die sittliche Norm und legt sie allen Menschen guten Willens vor, ohne ihren Anspruch auf Radikalität und Vollkommenheit zu verbergen”. <97> Wahrhaftes Verständnis und echte Barmherzigkeit bedeuten in Wirklichkeit Liebe zur menschlichen Person, zu ihrem wahren Wohl, zu ihrer authentischen Freiheit. Und dies kommt gewiß nicht dadurch zustande, daß man die sittliche Wahrheit verbirgt oder abschwächt, sondern indem man sie in ihrer tiefen Bedeutung als Ausstrahlung der ewigen Weisheit Gottes, die uns in Christus erreicht, und als Dienst am Menschen, am Wachstum seiner Freiheit und an der Erreichung seiner Seligkeit darlegt. <98> <97> Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 33: .4/1374(1982)120. <98> Vgl. ebd., 34: aaO., 123-125. 1090 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ebenso kann die klare und kraftvolle Darstellung der sittlichen Wahrheit niemals von einem tiefen und aufrichtigen, von geduldiger und vertrauensvoller Liebe geprägten Respekt absehen, dessen der Mensch auf seinem moralischen Weg bedarf, welcher sich oft wegen Schwierigkeiten, Schwäche und schmerzhafter Situationen als mühsam erweist. Die Kirche kann niemals von dem „Grundsatz der Wahrheit und der Folgerichtigkeit” absehen, aufgrund dessen sie „es nicht duldet, gut zu nennen, was böse ist, und böse, was gut ist”. <99> Paul VI. hat geschrieben-. „Es ist eine hervorragende Form der Liebe zu den unsterblichen Seelen, wenn man in keiner Weise Abstriche von der heilsamen Lehre Christi macht. Dies jedoch muß immer von Geduld und Liebe begleitet sein, für die der Herr selbst in seinem Umgang mit den Menschen ein Beispiel gegeben hat. Er ist gekommen, nicht um zu richten, sondern um zu retten (vgl. Joh 3,17); ganz sicher war er unversöhnlich mit der Sünde, aber er war barmherzig mit dem Sünder”. <100> Nachsynodales. Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia (2. Dezember 1984), Nr. 34: AAS77(1985)272. 1 S9 Enzyklika Humanae vitae (25. Juli 1968), Nr. 29: AAS60(1968)501. 96. Die Festigkeit der Kirche bei der Verteidigung der'universalen und unveränderlichen sittlichen Normen hat nichts Unterdrückendes an sich. Sie dient einzig und allein der wahren Freiheit des Menschen: Da es außerhalb der Wahrheit oder gegen sie keine Freiheit gibt, muß die kategorische, das heißt unnachgiebige und kompromißlose Verteidigung des absolut unverzichtbaren Erfordernisses der personalen Würde des Menschen Weg und sogar Existenzbedingung für die Freiheit genannt werden. Dieser Dienst wendet sich an jeden Menschen, insofern er in der Einzigartigkeit und Unwiederholbarkeit seines Seins und seiner Existenz gesehen wird. Nur im Gehorsam gegenüber den universalen sittlichen Normen findet der Mensch eine volle Bestätigung der Einzigartigkeit seiner Person und die Möglichkeit wirklichen sittlichen Wachstums. Und eben darum wendet sich dieser Dienst an alle Menschen: nicht nur an die einzelnen, sondern auch an die Gemeinschaft, an die Gesellschaft als solche. Diese Normen bilden in der Tat das unerschütterliche Fundament und die zuverlässige Gewähr für ein gerechtes und friedliches menschliches Zusammenleben und damit für eine echte Demokratie, die nur auf der Gleichheit aller ihrer, in den Rechten und Pflichten vereinten Mitglieder entstehen und wachsen kann. Im Hinblick auf die sittlichen Normen, die das in sich Schlechte verbieten, gibt es für niemanden Privilegien oder Ausnahmen. Ob einer der Herr der Welt oder der Letzte, „Elendeste” auf Erden ist, macht keinen Unterschied: Vor den sittlichen Ansprüchen sind wir alle absolut gleich. 97. So erschließen die sittlichen Normen, und an erster Stelle jene negativen, die das Tun des Schlechten verbieten, ihre Bedeutung und ihre zugleich personale und soziale Kraft: indem sie die unverletzliche Personwürde jedes Menschen schützen, dienen sie der Erhaltung des menschlichen Sozialgefüges und seiner richtigen und 1091 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fruchtbaren Entwicklung. Besonders die Gebote der zweiten Tafel des Dekalogs, an die auch Jesus den jungen Mann im Evangelium erinnert (vgl. Mt 19,18), stellen die Grundregeln jedes gesellschaftlichen Lebens dar. Diese Gebote werden in allgemeinen Worten formuliert. Aber die Tatsache, daß „Anfang, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen die menschliche Person ist und auch sein muß”, <101> gestattet und ermöglicht ihre Präzisierung und Erläuterung in einem ausführlicheren Verhaltenskodex, In diesem Sinne sind die sittlichen Grundregeln des gesellschaftlichen Lebens mit bestimmten Forderungen verbunden, die sowohl die öffentlichen Gewalten wie die Bürger befolgen müssen. Ungeachtet der manchmal guten Absichten und der oft schwierigen Umstände sind die staatlichen Amtsträger und die einzelnen Individuen niemals befugt, die unveräußerlichen Grundrechte der menschlichen Person zu verletzen. Nur eine Moral, die Normen anerkennt, die immer und für alle ohne Ausnahme gelten, kann darum das ethische Fundament für das gesellschaftliche Zusammenleben sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene gewährleisten. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 25. Die Moral und die Erneuerung des gesellschaftlichen und politischen Lebens 98. Angesichts der schwerwiegenden Formen sozialer und wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und politischer Korruption, von denen ganze Völker und Nationen heimgesucht werden, wächst die Empörung unzähliger mit Füßen getretener und in ihren menschlichen Grundrechten gedemütigter Personen, und immer verbreiteter und heftiger macht sich das Verlangen nach radikaler persönlicher und gesellschaftlicher Erneuerung bemerkbar, die allein imstande ist, Gerechtigkeit, Solidarität, Wahrhaftigkeit und Transparenz zu gewährleisten. Sicher bleibt noch ein langer und mühsamer Weg zurückzulegen; zahlreiche, gewaltige Anstrengungen müssen unternommen werden, damit eine solche Erneuerung verwirklicht werden kann; Grund dafür sind auch die Vielfalt und Schwere der Ursachen, welche die heutigen ungerechten Zustände in der Welt erzeugen und nähren. Aber wie die Geschichte und die Erfahrung jedes einzelnen lehren, kann man unschwer an der Wurzel dieser Situationen eigentlich „kulturelle” Ursachen entdecken, das heißt Ursachen, die mit bestimmten Auffassungen vom Menschen, von der Gesellschaft und von der Welt Zusammenhängen. Tatsächlich steht im Mittelpunkt der kulturellen Frage das sittliche Empfinden, das seinerseits auf dem religiösen Empfinden beruht und sich in ihm vollendet. <102> Vgl. Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 24: A4S83(1991)821~822. 99. Allein Gott, das höchste Gut, bildet die unverrückbare Grundlage und unersetzbare Voraussetzung der Sittlichkeit, also der Gebote, im besonderen jener negativen 1092 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebote, die immer und auf jeden Fall die mit der Würde jedes Menschen als Person unvereinbaren Verhaltensweisen und Handlungen verbieten. So begegnen sich das höchste Gut und das sittlich Gute in der Wahrheit: der Wahrheit über Gott, den Schöpfer und Erlöser, und der Wahrheit über den von ihm geschaffenen und erlösten Menschen. Nur auf dem Boden dieser Wahrheit ist es möglich, eine erneuerte Gesellschaft aufzubauen und die komplizierten und drückenden Probleme, die sie erschüttern, zu lösen, zuallererst jenes Problem der Überwindung der verschiedenen Formen von Totalitarismus, um der authentischen Freiheit der Person den Weg zu ebnen. „Der Totalitarismus entsteht aus der Verneinung der Wahrheit im objektiven Sinn: Wenn es keine transzendente Wahrheit gibt, in deren Gefolge der Mensch zu seiner vollen Identität gelangt, gibt es kein sicheres Prinzip, das gerechte Beziehungen zwischen den Menschen gewährleistet. Ihr Klasseninteresse, Gruppeninteresse und nationales Interesse bringt sie unweigerlich in Gegensatz zueinander. Wenn die transzendente. Wahrheit nicht anerkannt wird, dann triumphiert die Gewalt der Macht und jeder trachtet, bis zum Äußersten von den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln Gebrauch zu machen, um ohne Rücksicht auf die Rechte des anderen sein Interesse und seine Meinung durchzusetzen ... Die Wurzel des modernen Totalitarismus liegt darum in der Verneinung der transzendenten Würde des Menschen, der sichtbares Abbild des unsichtbaren Gottes ist. Eben deshalb, aufgrund seiner Natur, ist er Träger von Rechten, die niemand verletzen darf: weder der einzelne, noch die Gruppe, die Klasse, die Nation oder der Staat. Auch die gesellschaftliche Mehrheit darf das nicht tun, indem sie gegen eine Minderheit vorgeht, sie ausgrenzt, unterdrückt, ausbeutet oder sie zu vernichten versucht”. <103> <103> Ebd., Nr. 44: aaO.,84S-849. Vgl. Leo XIII., Enzyklika Libertas praestantissimum (20. Juni 1888): Deshalb besitzt der untrennbare Zusammenhang zwischen Wahrheit und Freiheit -Ausdruck der wesenhaften Bande zwischen Weisheit und Willen Gottes - eine äußerst wichtige Bedeutung für das Leben der Menschen im sozio-ökonomischen und sozio-politischen Bereich. Das ergibt sich aus der Soziallehre der Kirche - die „in den Bereich ... der Theologie und insbesondere der Moraltheologie gehört” <104> - und aus ihrer Darlegung von Geboten, die das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben nicht nur im Hinblick auf allgemeine Haltungen, sondern auch auf genau bestimmte Verhaltensweisen und konkrete Handlungen regeln. Leonis XIII P.M. Acta, VIII, Romae 1889, 224-226. 100. So betont der Katechismus der katholischen Kirche zunächst, daß „auf wirtschaftlichem Gebiet die Achtung der Menschenwürde die Tugend der Mäßigung erfordert, um die Anhänglichkeit an die Güter dieser Welt zu zügeln; die Tugend der Gerechtigkeit, um die Rechte des Nächsten zu wahren und ihm zu geben, was ihm zusteht; und die Solidarität gemäß der Goldenen Regel und der Freigebigkeit des Herrn, denn ,er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 41: A4V80(1988)571. 1093 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN reich zu machen’ (2 Kor 8,9)” <105>, um dann eine Reihe von Verhaltensweisen und von Handlungen, die der menschlichen Würde widersprechen, beim Namen zu nennen: Diebstahl, vorsätzliches Zurückbehalten entliehener oder abhanden gekommener Gegenstände, Geschäftsbetrug (vgl. Dm 25,13-16), ungerechte Löhne (vgl, Dtn 24,14-15; Jak 5,4), Preiserhöhung durch Ausnützen der Unwissenheit und Not anderer (vgl. Am 8,4-6), Aneignung des Gesellschaftsvermögens eines Unternehmens zur privaten Nutzung, schlecht durchgeführte Arbeiten, Steuerbetrug, Fälschung von Schecks und Rechnungen, übermäßige Ausgaben, Verschwendung usw. <106> Und weiter: „Das siebte Gebot verbietet Handlungen und Unternehmungen, die aus irgendeinem Grund - aus Egoismus, wegen einer Ideologie, aus Profitsucht oder in totalitärer Gesinnung - dazu führen, da $ Menschen geknechtet, ihrer persönlichen Würde beraubt oder wie Waren gekauft, verkauft oder ausgetauscht werden. Es ist eine Sünde gegen ihre Menschenwürde und ihre Grundrechte, sie gewaltsam zur bloßen Gebrauchsware oder zur Quelle des Profits zu machen. Der hl. Paulus befahl einem christlichen Herrn, seinen christlichen Sklaven ,nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als geliebten Bruder’ zu behandeln (Phlm 16)”. <107> <105> Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2407. <106> Vgl. ebd.. Nr. 2408-2413. <107> Ebd., Nr. 2414. 101. Im politischen Bereich gilt es hervorzuheben, daß Wahrhaftigkeit in den Beziehungen zwischen Regierenden und Regierten, Transparenz in der öffentlichen Verwaltung, Unparteilichkeit im Dienst am Staat, Achtung der Rechte auch der politischen Gegner, Schutz der Rechte der Angeklagten gegen summarische Verfahren und Verurteilungen, richtige und gewissenhafte Verwendung der öffentlichen Gelder, Ablehnung zweifelhafter oder unerlaubter Mittel, um die Macht um jeden Preis zu erobern, festzuhalten und zu vermehren, Prinzipien sind, die ihre erste Wurzel -wie auch ihre einzigartige Dringlichkeit - im transzendenten Wert der Person und in den objektiven sittlichen Erfordernissen für das Funktionieren der Staaten haben. <108> Wenn sie nicht eingehalten werden, zerbricht das Fundament des politischen Zusammenlebens, und das ganze gesellschaftliche Leben wird dadurch fortschreitend beeinträchtigt, bedroht und der Auflösung preisgegeben (vgl. Ps 14,3-4; Offb 18,2-3.9-24). Nach dem Niedergang der Ideologien in vielen Ländern, die die Politik mit einem totalitären Weltbild verbanden - unter ihnen vor allem der Marxismus -, zeichnet sich heute eine nicht weniger ernste Gefahr ab angesichts der Verneinung der Grundrechte der menschlichen Person und der Auflösung der im Herzen jedes Menschenwesens wohnenden religiösen Frage in politische Kategorien: Es ist die Gefahr der Verbindung zwischen Demokratie und ethischem Relativismus, die dem bürgerlichen Zusammenleben jeden sicheren sittlichen Bezugspunkt nimmt, ja mehr noch, es der Anerkennung von Wahrheit beraubt. Denn „wenn <108> Vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), Nr. 42: AAS81(1989)472-476. 1094 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN es keine letzte Wahrheit gibt, die das politische Handeln leitet und ihm Orientierung gibt, dann können die Ideen und Überzeugungen leicht für Machtzwecke mißbraucht werden. Eine Demokratie ohne Werte verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus”. In allen Bereichen des persönlichen, familiären, gesellschaftlichen und politischen Lebens leistet also die Moral - die sich auf die Wahrheit gründet und sich in der Wahrheit der authentischen Freiheit öffnet - nicht nur dem einzelnen Menschen und seinem Wachstum im Guten, sondern auch der Gesellschaft und ihrer wahren Entwicklung einen ursprünglichen, unersetzlichen und äußerst wertvollen Dienst. Gnade und Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes 102. Auch in den schwierigsten Situationen muß der Mensch die sittlichen Normen beachten, um den heftigen Geboten Gottes gehorsam und in Übereinstimmung mit der eigenen Personenwürde zu sein. Sicherlich verlangt die Harmonie zwischen Freiheit und Wahrheit mitunter durchaus ungewöhnliche Opfer und wird um einen hohen Preis erlangt: er kann auch das Martyrium einschließen. Doch wie unsere allgemeine und tägliche Erfahrung beweist, ist der Mensch versucht, diese Harmonie zu zerbrechen: „Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse ... Ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will” (Rom 7,15.19). Woher rührt letztlich diese innere Spaltung des Menschen? Die Geschichte seiner Schuld nimmt ihren Anfang, sobald er nicht mehr den Herrn als seinen Schöpfer anerkennt und in vollkommener Unabhängigkeit selber darüber entscheiden möchte, was gut und was böse ist. „Ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse” (Gen 3,5): das ist die erste Versuchung, auf die alle anderen Versuchungen folgen; ihnen nachzugeben, ist der Mensch aufgrund der Wunden des Sündenfalls noch leichter geneigt. Doch die Versuchungen können besiegt, die Sünden können vermieden werden, weil uns der Herr zusammen mit den Geboten die Möglichkeit schenkt, sie zu befolgen: „Die Augen Gottes schauen auf das Tun der Menschen, er kennt alle ihre Taten. Keinem gebietet er zu sündigen, und die Betrüger unterstützt er nicht” (Sir 15,19-20). Die Befolgung des Gesetzes Gottes kann in bestimmten Situationen schwer, sehr schwer sein: niemals jedoch ist sie unmöglich. Dies ist eine beständige Lehre der Tradition der Kirche, wie sie vom Konzil von Trient formuliert wurde: „Niemand aber, wie sehr er auch gerechtfertigt sein mag, darf meinen, er sei frei von der Beachtung der Gebote,, niemand jenes leichtfertige und von den Vätern unter (Androhung des) Anathema verbotene Wort benützen, die Vorschriften Gottes seien für einen gerechtfertigten Menschen unmöglich zu beobachten. ,Denn Gott befiehlt nichts Unmögliches, sondern wenn er befiehlt, dann mahnt er, zu tun, was man kann, und zu erbitten, was man nicht kann’, und er hilft, daß man kann; ,seine Ge- 161 Enzyklika Centesimus atmus (1. Mai 1991), Nr. 46: zL4S83(1991)850. 1095 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bote sind nicht schwer’ (1 Joh 5,3), sein Joch ist sanft und (seine) Last leicht’ (Mt 11,30)”. <109> Konzil von Trient, Sess. VI, Dekret über die Rechtfertigung Cum hoc tempore, cap. 11: DS 1536; vgl. can, 18: DS 1568. Der bekannte Text des hl. Augustinus, den das Konzil im erwähnten Abschnitt zitiert, stammt aus De natura et gratia, 43, 50 (CSEL 60, 270). 103. Mit Hilfe der göttlichen Gnade und durch die Mitwirkung der menschlichen Freiheit steht dem Menschen immer der geistliche Raum der Hoffnung offen. Im rettenden Kreuz Jesu, in der Gabe des Heiligen Geistes, in den Sakramenten, die aus der durchbohrten Seite des Erlösers hervorgehen (vgl. Joh 19,34), findet der Glaubende die Gnade und die Kraft, das heilige Gesetz Gottes immer, auch unter größten Schwierigkeiten, zu befolgen. Wie der hl. Andreas von Kreta sagt, wurde das Gesetz „durch die Gnade neu belebt und, in harmonischer und fruchtbarer Verbindung, in ihren Dienst gestellt, ohne Vermischung und Verwirrung ihrer je besonderen Eigenschaften; und doch hat er auf göttliche Weise das früher belastende und tyrannische Gesetz in eine leichte Last und eine Quelle der Freiheit verwandelt.” <110> Allein im Erlösungsgeheimnis Christi gründen die „konkreten” Möglichkeiten des Menschen. „Es wäre ein schwerwiegender Irrtum, den Schluß zu ziehen ..., die von der Kirche gelehrte Norm sei an sich nur ein „Ideal”, das dann, wie man sagt, den konkreten Möglichkeiten des Menschen angepaßt, angemessen und entsprechend abgestuft werden müsse: nach „Abwägen der verschiedenen in Frage stehenden Güter”. Aber welches sind die „konkreten Möglichkeiten des Menschen?” Und von welchem Menschen ist die Rede? Von dem Menschen,, der von der Begierde beherrscht wird, oder von dem Menschen, der von Christus erlöst wurdel Schließlich geht es um folgendes: um die. Wirklichkeit der Erlösung durch Christus. Christus hat uns erlöst\ Das bedeutet: Er hat uns die Möglichkeit geschenkt, die ganze Wahrheit unseres Seins zu verwirklichen; Er hat unsere Freiheit von der Herrschaft der Begierde befreit. Und auch wenn der erlöste Mensch noch sündigt, so ist das nicht der Unvollkommenheit der Erlösungstat Christi anzulasten, sondern dem Willen des Menschen, sich der jener Tat entspringenden Gnade zu entziehen. Das Gebot Gottes ist sicher den Fähigkeiten des Menschen angemessen: Aber den Fähigkeiten des Menschen, dem der Heilige Geist geschenkt wurde; des Menschen, der, wiewohl er in die Sünde verfiel, immer die Vergebung erlangen und sich der Gegenwart des Geistes erfreuen kann”. <111> <110> Oratio I: PG 97, 805-806. <111> Ansprache an die Teilnehmer an einem Kurs über verantwortliche Elternschaft (l.März 1984), 4: Insegnamenti VII, 1 (1984)583. 104. Hier öffnet sich dem Erbarmen Gottes mit dem sich bekehrenden Sünder und dem Verständnis für die menschliche Schwäche der angemessene Raum. Dieses Verständnis bedeutet niemals, den Maßstab von Gut und Böse aufs Spiel zu setzen und zu verfälschen, um ihn an die Umstände anzupassen. Während es menschlich ist, daß der Mensch, nachdem er gesündigt hat, seine Schwäche erkennt und wegen 1096 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seiner Schuld um Erbarmen bittet, ist hingegen die Haltung eines Menschen, der seine Schwäche zum Kriterium der Wahrheit vom Guten macht, um sich von allein gerechtfertigt fühlen zu können, ohne es nötig zu haben, sich an Gott und seine Barmherzigkeit zu wenden, unannehmbar. Eine solche Haltung verdirbt die Sittlichkeit der gesamten Gesellschaft, weil sie lehrt, an der Objektivität des Sittengesetzes im allgemeinen könne gezweifelt und die Absolutheit der sittlichen Verbote hinsichtlich bestimmter menschlicher Handlungen könne geleugnet werden, was schließlich dazu führt, daß man sämtliche Werturteile durcheinanderbringt. Vielmehr müssen wir die Botschaft aufnehmen, die uns das biblische Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner übermittelt (vgl. Lk 18,9-14). Der Zöllner hätte vielleicht die eine oder andere Rechtfertigung für die von ihm begangenen Sünden anführen können, die seine Verantwortlichkeit verringerte. Doch sein Gebet hält sich nicht bei solchen Rechtfertigungen auf, sondern hat die eigene Unwürdigkeit angesichts der unendlichen Heiligkeit Gottes im Auge: „Gott, sei mir Sünder gnädig!” (Lk 18,13). Der Pharisäer hingegen rechtfertigt sich ganz allein, vielleicht indem er für jede einzelne seiner Verfehlungen eine Entschuldigung findet. Wir werden also mit zwei verschiedenen Haltungen des sittlichen Gewissens des Menschen aller Zeiten konfrontiert. Der Zöllner stellt uns ein „reuevolles” Gewissen vor Augen, das sich der Hinfälligkeit der eigenen Natur voll bewußt ist und in den eigenen Mängeln, welch subjektive Rechtfertigungen es auch immer geben mag, eine Bestätigung der eigenen Erlösungsbedürftigkeit sieht. Der Pharisäer stellt uns ein „selbstzufriedenes” Gewissen vor, das sich einbildet, das Gesetz ohne Gnadenhilfe befolgen zu können, und davon überzeugt ist, kein Erbarmen nötig zu haben. 105. Von allen wird große Wachsamkeit verlangt, sich nicht von der Haltung des Pharisäers anstecken zu lassen, die den Anspruch erhebt, das Bewußtsein von der eigenen Begrenztheit und Sünde aufzuheben, und die heute in dem Versuch, die sittliche Norm den eigenen Fähigkeiten und den eigenen Interessen anzupassen, und sogar in der Ablehnung des Normbegriffes selbst besonders zum Ausdruck kommt. Umgekehrt entfacht das Annehmen des „Mißverhältnisses” zwischen dem Gesetz und den Fähigkeiten des Menschen - den Fähigkeiten der sittlichen Kräfte des sich selbst überlassenen d. h.Menschen - die Sehnsucht nach der Gnade und bereitet den Boden für ihren Empfang. „Wer wird mich aus diesem dem Tod verfallenen Leib erretten?”, fragt sich der Apostel Paulus. Und mit einem freudigen und dankbaren Bekenntnis antwortet er: „Dank sei Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!” (.Röm 7,24-25). Dasselbe Bewußtsein treffen wir im folgenden Gebet des hl. Ambrosius von Mailand an: „Der Mensch ist nichts wert, wenn du ihn nicht aufsuchst. Vergiß den Schwachen nicht, denke daran, daß du mich aus Staub geformt hast. Wie soll ich mich aufrecht halten können, wenn du mich nicht ununterbrochen im Blick hast, um diese Tonerde zu festigen, so daß meine Festigkeit auf deinen Blick Zurückzufuhren ist? Verbirgst du dein Gesicht, bin ich verstört (Ps 104,29): Wehe mir, wenn du 1097 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mich anblickst! Du kannst bei mir nur Verderbtheiten durch Vergehen sehen; es ist weder von Vorteil verlassen noch gesehen zu werden, denn wenn wir gesehen werden, sind wir Grund zur Abscheu. Wir dürfen jedoch annehmen, daß Gott jene nicht zurückweist, die er sieht, denn er macht die rein, die er anblickt. Vor ihm ein alle Schuld versengendes Feuer (vgl. Joel 2,3)”. <112> 103 De interpellatione David, IV, 6, 22: CSEL 32/2, 283-284. Moral undNeuevängelisierung' 106. Die Evangelisierung ist die stärkste und aufregendste Herausforderung, der sich die Kirche von ihren Anfängen an zu stellen hat. Tatsächlich entstammt diese Herausforderung nicht so sehr den gesellschaftlichen und kulturellen Situationen, mit denen die Kirche sich im Laufe der Geschichte auseinandergesetzt hat, als vielmehr dem Auftrag des auferstandenen Jesus Christus, der den eigentlichen Grund für die Existenz der Kirche bestimmt: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!” (Mk 16,15). Was wir jedoch derzeit, wenigstens bei zahlreichen Völkern, erleben, ist eigentlich eine außerordentliche Herausforderung an die „Neu-Evangelisierung”, das heißt an die Verkündigung des immer neuen und immer Neues vermittelnden Evangeliums, eine Evangelisierung, die neu sein muß, „neu in ihrem Eifer, neu in ihren Methoden und neu in ihren Aussageweisen”. <113> Die Entchristlichung, die auf ganzen Völkern und Gemeinschaften lastet, die einst von Glauben und christlichem Leben erfüllt waren, zieht nicht nur den Verlust ,des Glaubens oder zumindest seine Bedeutungslosigkeit für das Leben nach sich, sondern notgedrungen auch einen Verfall oder eine Trübung des sittlichen Empfindens: und das zum einen wegen des fehlenden Sinns für die Ursprünglichkeit der Moral des Evangeliums, zum anderen wegen der Verdunkelung fundamentaler sittlicher Grandsätze und Werte. Heute so weit verbreitete subjektivistische, utilitaristische und relativistische Tendenzen treten nicht einfach als pragmatische Positionen mit Gewohnheitscharakter auf, sondern unter theoretischem Gesichtspunkt als feste Konzeptionen, die ihre volle kulturelle und gesellschaftliche Legitimität beanspruchen. <113> Ansprache an die Bischöfe des CELAM (9. März 1983), III: Insegnanienti, VI, 1(1983)698. 107. Die Evangelisierung - und damit die „Neuevangelisierung” - schließt auch die Verkündigung und das Anbieten einer Moral ein. Jesus selbst hat, als er das Reich Gottes und seine rettende Liebe verkündete, zum Glauben und zur Umkehr aufgerufen (vgl. Mk 1,15). Und mit den anderen Aposteln spricht Petrus, als er die Auferstehung des Jesus von Nazaret von den Toten verkündet, von einem neuen Leben, das es zu leben, von einem „Weg”, dem es zu folgen gilt, um Jünger des Auferstandenen zu sein (vgl. Apg 2,37-41; 3,17-20). Wie im Falle der Glaubenswahrheiten, ja in noch höherem Maße, bekundet eine Neuevangelisierang, die Grundlagen und Inhalte der christlichen Moral darlegt, ihre 1098 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Authentizität und verströmt gleichzeitig ihre ganze missionarische Kraft, wenn sie sich durch das Geschenk nicht nur des verkündeten, sondern auch des gelebten Wortes vollzieht. Insbesondere ist es das Leben in Heiligkeit, das in so vielen demütigen und oft vor den Blicken der Menschen verborgenen Gliedern des Volkes Gottes erstrahlt, was den schlichtesten und faszinierendsten Weg darstellt, auf dem man unmittelbar die Schönheit der Wahrheit, die befreiende Kraft der Liebe Gottes, den. Wert der unbedingten Treue, selbst unter schwierigsten Umständen, angesichts aller Forderungen des Gesetzes des Herrn wahrzunehmen vermag. Darum hat die Kirche in ihrer weisen Moralpädagogik stets die Glaubenden eingeladen, in den heiligen Männern und Frauen und zuallererst in der Jungfrau und Gottesmutter, die „voll der Gnade” und „ganz heilig” ist, das Vorbild, die Kraft und die Freude zu suchen und zu finden, um ein Leben gemäß den Geboten Gottes und den Seligpreisungen des Evangeliums zu führen. Das Leben der Heiligen - es ist Spiegelbild der Güte Gottes, der „allein der Gute ist” - stellt nicht nur ein echtes Glaubensbekenntnis und einen Impuls für seine Mitteilung an die anderen dar, sondern auch eine Verherrlichung Gottes und seiner unendlichen Heiligkeit. Das heiligmäßige Leben führt so zur Vollendung in Wort und Tat des einen und dreifachen Amtes, des munus propheticum, sacerdotale et regale, das jeder Christ bei der Wiedergeburt in der Taufe „aus Wasser und Geist” {Joh 3,5) als Geschenk empfängt. Das sittliche Leben besitzt den Wert eines „Gottesdienstes” (Röm 12,1; vgl. Phil 3,3), der aus jener unerschöpflichen Quelle von Heiligkeit und Verherrlichung Gottes gespeist wird, die die Sakramente, insbesondere die Eucharistie, sind: Denn durch die Teilnahme am Kreuzesopfer hat der Christ Gemeinschaft mit der Opferliebe Christi und wird dazu befähigt und verpflichtet, dieselbe Liebe in allen seinen Lebenshaltungen und Verhaltensweisen zu leben. In der sittlichen Existenz offenbart und verwirklicht sich auch der königliche Dienst des Christen: Je mehr er mit Hilfe der Gnade dem neuen Gesetz des Heiligen Geistes gehorcht, desto mehr wächst er in der Freiheit, zu der er im Dienst der Wahrheit, der Liebe und der Gerechtigkeit berufen ist. 108. Am Ursprung der neuen Evangelisierung und des neuen sittlichen Lebens, das sie in ihren Früchten der Heiligkeit und des missionarischen Engagements darlegt und weckt, steht der Geist Christi, Prinzip und Kraft der Fruchtbarkeit der heiligen Mutter Kirche, wie uns Paul VI. in Erinnerung bringt: „Ohne Wirken des Heiligen Geistes wird die Evangelisierung niemals möglich sein”. Dem Geist Jesu, der vom demütigen und bereiten Herzen des Glaubenden aufgenommen wird, ist also das Erblühen und Gedeihen des sittlichen Lebens des Christen und das Zeugnis der Heiligkeit in der großen Vielfalt der Berufungen, der Gaben, der Verantwortlichkeiten und der Lebensbedingungen und -Situationen zu verdanken: es ist der Heilige Geist - betonte bereits Novitian und brachte damit den authentischen Glauben der Kirche zum Ausdruck - „der den Jüngern in Herz und Geist Festigkeit verliehen hat, 167 Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 75: A4S68( 1976)64. 1099 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der ihnen die Geheimnisse des Evangeliums erschlossen hat, der ihnen Erleuchtung für die göttlichen Dinge gegeben hat; von ihm haben sie Stärkung erfahren, so daß sie weder vor Gefängnissen noch vor Ketten um des Namens des Herrn willen mehr Angst hatten; ja sie treten auf eben diese Mächte und Leiden der Erde, bewaffnet und gestärkt durch ihn; in sich tragen sie die Gaben, die eben dieser Geist spendet und der Kirche, der Braut Christi, als wertvollen Schmuck weitergibt. In der Tat ist er es, der in der Kirche Propheten erweckt, die Lehrer anleitet, die Zungen lenkt, Zeichen und Heilungen vollbringt, wunderbare Werke hervorbringt, die Unterscheidung der Geister ermöglicht, jede andere Geistesgabe zuteilt und ordnet und somit durch alles und in allem die Kirche des Herrn auf vollendete Weise zur Vollkommenheit führt”. <114> De Trinitate, XXIX, 9-10: CCL 4, 70. Im lebendigen Zusammenhang dieser Neuevangelisierung, die „den Glauben, der in der Liebe wirksam ist” (Gal 5,6), hervorbringen und fördern soll, und im Blick auf das Wirken des Heiligen Geistes können wir jetzt begreifen, welcher Platz in der Kirche, die Gemeinschaft der Gläubigen ist, der Reflexion über das sittliche Leben gebührt, wie es die Theologie in Gang bringen und entwickeln muß, ebenso wie wir nun den Auftrag und die eigentliche Verantwortung der Moraltheologen darlegen können. Der Dienst der Moraltheologen 109. Zur Evangelisierung und zum Zeugnis eines Glaubenslebens bemfen ist die ganze Kirche, die am munus propheticum des Herrn Jesus durch das Geschenk seines Geistes teilhat. Dank der ständigen Anwesenheit des Geistes der Wahrheit in ihr (vgl. Joh 14,16-17) „kann die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen Geist haben (vgl. 1 Joh 2,20.27), im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie ,von den Bischöfen bis zum letzten gläubigen Laien’ ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert”. <115> II. Vatikanisches Konzil, Dogmat. Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 12. Um ihre prophetische Sendung auszuüben, muß die Kirche ihr Glaubensleben ständig wiedererwecken und „neu beleben” (vgl. 2 Tim 1,6), insbesondere durch immer tiefere Reflexion, die sich unter der Führung des Heiligen Geistes mit dem Inhalt des Glaubens selber auseinandersetzt. Im Dienst dieser „gläubigen Erforschung des Glaubensverständnisses” steht in besonderer Weise die „Berufung” des Theologen in der Kirche: „Unter den durch den Geist in der Kirche entfachten Berufungen - so lesen wir in der Instmktion Donum veritatis - zeichnet sich die des Theologen aus, dessen Aufgabe darin besteht, in Gemeinschaft mit dem Lehramt ein immer tieferes Verständnis des Wortes Gottes, wie es in der inspirierten und von der lebendigen Tradition der Kirche getragenen Schrift enthalten ist, zu gewinnen. Der Glaube 168 169 1100 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN strebt von seiner Natur her nach Erkenntnis, denn er enthüllt dem Menschen die Wahrheit über seine Bestimmung und den Weg, sie zu erreichen. Obwohl diese ge-offenbarte Wahrheit all unser Reden überschreitet und unsere Begriffe angesichts seiner letzten Endes unergründlichen Erhabenheit (vgl. Eph 3,19) unvollkommen bleiben, so fordert sie doch unsere Vernunft, dieses Geschenk Gottes, zum Erfassen der Wahrheit auf, in ihr Licht einzutreten und so fähig zu werden, das Geglaubte in einem gewissen Maß auch zu verstehen. Theologische Wissenschaft, die sich um das Verständnis des Glaubens in Antwort auf die Stimme der sie ansprechenden Wahrheit bemüht, hilft dem Volk Gottes, gemäß dem Auftrag des Apostels (vgl. 1 Petr 3,15) dem, der nach seiner Hoffnung fragt, Rede und Antwort zu stehen”. <116> Für die Identitätsbestimmung der Theologie und folglich für die Verwirklichung ihrer eigentlichen Funktion ist es äußerst wichtig, ihren inneren und lebendigen Zusammenhang mit der Kirche, ihrem Geheimnis, ihrem Leben und ihrer Sendung anzuerkennen: „Die Theologie ist kirchliche Wissenschaft, weil sie in der Kirche wächst und über die Kirche handelt... Sie steht im Dienst der Kirche und muß sich daher dynamisch einbezogen fühlen in die Sendung der Kirche, besonders in ihre prophetische Funktion”. <117> Aufgrund ihrer Natur und ihres Dynamismus kann die authentische Theologie nur durch eine überzeugte und verantwortliche Teilnahme und „Zugehörigkeit” zur Kirche als „Glaubensgemeinschaft” blühen und sich entfalten, so wie dieser Kirche und ihrem Glaubensleben das Ergebnis der Forschung und theologischen Vertiefung zum Nutzen gereicht. <116> Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen Domun veritatis (24. Mai 1990), Nr. 6: AAS82(1990)1552. <117> Ansprache an die Professoren und Studenten der Päpstlichen Universität Gregoriana (15. Dezember 1979), 6: lnsegnamenti 11,2(1979)142. 110. Was wir über die Theologie im allgemeinen gesagt haben, kann und muß erneut für die Moraltheologie vorgetragen werden, insofern sie begriffen wird in ihrer Eigentümlichkeit als wissenschaftliche Reflexion über das Evangelium als Geschenk und Gebot neuen Lebens, über das Leben, das „von der Liebe geleitet, sich an die Wahrheit hält” (vgl. Eph 4,15), über das heiligmäßige Leben der Kirche, in welchem die Wahrheit des zu seiner Vollendung gebrachten Guten glänzt. Nicht nur im Bereich des Glaubens, sondern auch und untrennbar davon im Bereich der Moral greift das Lehramt der Kirche ein, dessen Aufgabe es ist, „durch das Gewissen der Gläubigen bindende Urteile jene Handlungen zu bezeichnen, die in sich selber mit den Forderungen des Glaubens übereinstimmen und seine Anwendung im Leben fördern, aber auch jene Handlungen, die aufgrund ihres inneren Schlechtseins mit diesen Forderungen unvereinbar sind”. <118> Durch die Verkündigung der Gebote Gottes und der Liebe Christi lehrt das Lehramt der Kirche die Gläubigen auch konkrete Einzelgebote und verlangt von ihnen, sie gewissenhaft als sittlich verpflichtend zu betrachten. Außerdem übt das Lehramt ein wichtiges Wächteramt aus, indem es <118> Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen Domun veritatis (24. Mai 1990), Nr. 16: MS82(1990)1557. 1101 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Gläubigen vor möglichen, auch nur implizit vorhandenen Irrtümem warnt, wenn ihr Gewissen nicht dahin gelangt, die Richtigkeit und Wahrheit der vom Lehramt der Kirche gelehrten sittlichen Regeln anzuerkennen. Hinzu kommt hier die besondere Aufgabe ah derer, die im Auftrag der zuständigen Bischöfe in den Priesterseminaren und an den Theologischen Fakultäten Moraltheologie lehren. Sie haben die schwere Pflicht, die Gläubigen - besonders die künftigen Seelsorger - über alle Gebote und über die praktischen Normen zu unterweisen, die die Kirche mit Autorität verkündet. <119> Die Moraltheologen sind aufgerufen, unbeschadet der möglichen Grenzen menschlicher, vom Lehramt vorgelegter Beweisführungen die Argumentation seiner Verlautbarungen zu vertiefen, die Berechtigung seiner Vorschriften und ihren verpflichtenden Charakter zu erläutern, indem sie deren gegenseitigen Zusammenhang und ihre Beziehung zum Endziel des Menschen aufzeigen. <120> Den Moraltheologen fällt die Aufgabe zu, die Lehre der Kirche darzulegen und bei der Ausübung ihres Amtes das Beispiel einer loyalen, inneren und äußeren Zustimmung zur Lehre des Lehramtes sowohl auf dem Gebiet des Dogmas wie auf dem der Moral zu geben. <121> Den Moraltheologen wird es, wenn sie ihre Kräfte zur Zusammenarbeit mit dem hierarchischen Lehramt vereinen, ein Anliegen sein, die biblischen Grundlagen, die ethischen Inhalte und die anthropologischen Begründungen, auf denen die von der Kirche vorgelegte Morallehre und Sicht des Menschen aufruhen, immer klarer herauszustellen. Vgl. C/C, can. 252, § 1; 659, § 3. Vgl. I. Vatikanisches Konzil, Dogmat. Konstitution über den katholischen Glauben Dei Filius, cap. 4: DS 3016. Vgl. Paul VI., Enzyklika Humanae vitae (25. Juli 1968), Nr. 28: AASöOf 1968)501. 111. Der Dienst, den die Moraltheologen in der heutigen Zeit zu leisten aufgerufen sind, hat nicht nur für das Leben und die Sendung der Kirche, sondern auch'für die menschliche Gesellschaft und Kultur eine äußerst wichtige Bedeutung. Ihnen obhegt es, in tiefer und lebendiger Verbindung mit der biblischen Theologie und der Dogmatik in wissenschaftlicher Reflexion „den dynamischen Aspekt zu unterstreichen, der die Antwort bestimmt, die der Mensch in seinem Wachstumsprozeß in der Liebe, innerhalb der Heilsgemeinschaft auf den göttlichen Anruf geben soll. Auf diese Weise wird die Moraltheologie eine ihr innewohnende geistliche Dimension annehmen, die den Forderungen nach voller Entfaltung der imago Det, des Gottesbildes, das im Menschen ist, und den Gesetzen des in der christlichen Aszetik und Mystik beschriebenen geistlichen Prozesses entspricht”. <122> Hl. Kongregation für das Katholische Erziehungswesen, La fonnazione teologica dei futuri sacerdoti (22. Februar 1976), Nr. 100. Siehe die Nr. 95-101, die die Perspektiven und Bedingungen für eine fruchtbare Arbeit zur theologisch-moralischen Erneuerung darlegen. Sicher sehen sich die Moraltheologie und ihre Lehre heutzutage einer besonderen Schwierigkeit gegenüber. Da die Moral der Kirche notwendigerweise eine normative Dimension einschließt, kann sich die Moraltheologie nicht auf ein nur im Rahmen der sogenannten Humanwissenschaften erarbeitetes Wissen beschränken. Wäh- 173 174 175 176 1102 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rend sich diese mit dem Phänomen der Sittlichkeit als historisches und soziales Faktum beschäftigen, ist hingegen die Moraltheologie, die sich zwar der Human-und Naturwissenschaften bedienen muß, nicht den Ergebnissen der empirisch-formalen Beobachtung oder des phänomenologischen Verständnisses untergeordnet. Tatsächlich muß die Zuständigkeit der Humanwissenschaften in der Moraltheologie stets an der ursprünglichen Frage gemessen werden: Was ist gut bzw. böse? Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? 112. Der Moraltheologe muß darum im Rahmen der heute überwiegend naturwissenschaftlichen und technischen Kultur, die den Gefahren des Relativismus, des Pragmatismus und des Positivismus ausgesetzt ist, sorgfältig unterscheiden. Vom theologischen Standpunkt her sind die moralischen Prinzipien nicht vom geschichtlichen Augenblick abhängig, in dem sie entdeckt werden. Die Tatsache, daß manche Gläubige handeln, ohne die Lehren des Lehramtes zu befolgen, oder ein Verhalten zu Unrecht als sittlich richtig ansehen, das von ihren Flirten als dem Gesetz Gottes widersprechend erklärt worden ist, kann kein stichhaltiges Argument darstellen, um die Wahrheit der von der Kirche gelehrten sittlichen Normen zurückzuweisen. Die Bestätigung der sittlichen Normen fällt nicht in die Zuständigkeit der empirisch-formalen Methoden. Ohne die Gültigkeit solcher Methoden zu verneinen, aber auch ohne ihre eigene Perspektive auf diese zu beschränken, betrachtet die Moraltheologie in Treue zum übernatürlichen Sinn des Glaubens vor allem die geistliche Dimension des. menschlichen Herzens und seine Berufung zur göttlichen Liebe. Während die Humanwissenschaften nämlich wie alle experimentellen Wissenschaften ein empirisches und statistisches Konzept von „Normalität” entfalten, lehrt der Glaube, daß eine solche Normalität die Spuren eines Falles des Menschen aus der Höhe seines ursprünglichen Zustandes in sich trägt, daß sie also von der Sünde angegriffen ist. Einzig und allein der christliche Glaube weist dem Menschen den Weg der Rückkehr zum „Anfang” (vgl. Mt 19,8), ein Weg, der häufig sehr verschieden ist von dem der empirischen Normalität. So können die Humanwissenschaften unbeschadet des großen Wertes der Erkenntnisse, die sie anbieten, nicht als die entscheidenden Wegweiser für das Aufstellen sittlicher Normen angesehen werden. Es ist das Evangelium, das die ganze Wahrheit über den Menschen und über den sittlichen Weg enthüllt und so die Sünder erleuchtet und ermahnt und ihnen von der Barmherzigkeit Gottes kündet, der unablässig wirkt, um sie zu bewahren sowohl vor der Verzweiflung darüber, daß sie das göttliche Gesetz nicht erkennen und befolgen können, als auch vor der falschen Meinung, sich ohne Verdienst retten zu können. Es erinnert sie darüber hinaus an die Freude der Vergebung, die allein die Kraft dazu verleiht, im sittlichen Gesetz eine befreiende Wahrheit, eine Gnade zur Hoffnung, einen Lebensweg zu erkennen. 113. Die Sittenlehre schließt die bewußte Übernahme dieser intellektuellen, geistlichen und pastoralen Verantwortlichkeiten ein. Deshalb haben die Moraltheologen, die den Auftrag zur Unterweisung in der Lehre der Kirche annehmen, die schwere 1103 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufgabe, die Gläubigen zu diesem sittlichen Unterscheidungsvermögen, zum Einsatz für das wahre Gute und zur vertrauensvollen Hinwendung zur göttlichen Gnade zu erziehen. Auch wenn Auseinandersetzungen und Meinungskonfhkte im Rahmen einer repräsentativen Demokratie normale Ausdrucksformen des öffentlichen Lebens darstellen mögen, so kann die Sittenlehre gewiß nicht von der einfachen Befolgung eines Entscheidungsverfahrens abhängen: Sie wird überhaupt nicht durch die Befolgung von Regeln und Entscheidungsverfahren demokratischer Art bestimmt. Der von kalkuliertem Protest und Polemik bestimmte, durch die Kommunikationsmittel herbeigeführte Dissens steht im Widerspruch zur kirchlichen Gemeinschaft und zum richtigen Verständnis der hierarchischen Verfassung des Volkes Gottes. Im Widerstand gegen die Lehre der Hirten ist weder eine legitime Ausdrucksform der christlichen Freiheit noch der Vielfalt der Gaben des Geistes zu erkennen. In diesem Fall haben die Hirten die Pflicht, ihrem apostolischen Auftrag gemäß zu handeln und zu verlangen, daß das Recht der Gläubigen, die katholische Lehre rein und unverkürzt zu empfangen, immer geachtet wird: „Da er nie vergessen wird, daß auch er ein Glied des Volkes Gottes ist, muß der Theologe dieses achten und sich bemühen, ihm eine Lehre vorzutragen, die in keiner Weise der Glaubenslehre Schaden zufügt”. <123> Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen Donum veritatis (24. Mai 1990), Nr. 1: A4S82(1990)1554; vgl. besonders Nr. 32-39, die dem Problem des Dissenses gewidmet sind: Ebd., aaO., 1562-1568. Unsere Verantwortlichkeit als Hirten 114. Die Verantwortung gegenüber dem Glauben und dem Glaubensleben des Volkes Gottes lastet ganz besonders und wesentlich auf den Bischöfen, woran uns das II. Vatikanische Konzil erinnert: „Unter den hauptsächlichsten Ämtern der Bischöfe hat die Verkündigung des Evangeliums einen hervorragenden Platz. Denn die Bischöfe sind Glaubensboten, die Christus neue Jünger zuführen; sie sind authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer. Sie verkündigen dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben und erklären sie im Licht des Heiligen Geistes, indem sie aus dem Schatz der Offenbarung Neues und Altes Vorbringen (vgl. Mt 13,52). So lassen sie den Glauben fruchtbar werden und halten die ihrer Herde drohenden Irrtümer wachsam fern (vgl. 2 Tim 4,1-4)”. <124> Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 25. Es ist unsere gemeinsame Pflicht und zuvor noch unsere gemeinsame Gnade, als Hirten und Bischöfe der Kirche die Gläubigen das zu lehren, was sie auf den Weg des Herrn führt, so wie es einst der Herr Jesus mit dem jungen Mann des Evangeliums gemacht hat. In der Antwort auf seine Frage: „Was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” hat Jesus auf Gott, den Herrn der Schöpfung und des Bundes, verwiesen; er hat die bereits im Alten Testament geoffenbarten sittlichen 1104 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebote in Erinnerung gerufen; er hat auf deren Geist und Radikalität hingedeutet, als er ihn zur Nachfolge in Armut, Demut und Liebe aufforderte: „Komm und folge mir nach!” Die Wahrheit dieser Lehre hat ihr Siegel am Kreuz im Blut Christi ausgedrückt erhalten: Sie ist im Heiligen Geist zum neuen Gesetz der Kirche und jedes Christen geworden. Diese „Antwort” auf die Fragen der Moral wird von Jesus Christus in besonderer Weise uns Bischöfen der Kirche anvertraut, die wir aufgerufen sind, sie zum Gegenstand unserer Unterweisung zu machen, anvertraut in der Erfüllung unseres munus propheticum. Zugleich muß sich unsere Verantwortung als Hirten gegenüber der christlichen Sittenlehre auch in der Form des munus sacerdotale erfüllen: Das geschieht, wenn wir den Gläubigen die Gaben der Gnade und Heiligung spenden als Mittel zum Gehorsam gegenüber dem heiligen Gesetz Gottes und wenn wir durch unser ständiges und vertrauensvolles Gebet die Gläubigen stärken, damit sie den Anforderungen des Glaubens treu sind und dem Evangelium gemäß leben (vgl. Kol 1,9-12). Die christliche Sittenlehre muß vor allem heute einen der bevorzugten Bereiche unserer pastoralen Wachsamkeit, der Ausübung unseres munus regale, bilden. 115. Es ist in der Tat das erste Mal, daß das Lehramt der Kirche die Grundelemente dieser Lehre mit einer gewissen Ausführlichkeit darlegt und die Erfordernisse der in komplexen und mitunter kritischen praktischen und kulturellen Situationen absolut notwendigen pastoralen Unterscheidung aufzeigt. Im Licht der Offenbarung und der beständigen Lehre der Kirche und insbesondere des II. Vatikanischen Konzils habe ich kurz an die wesentlichen Züge der Freiheit, die mit der Würde der menschlichen Person und mit der Wahrheit ihrer Handlungen verbundenen Grundwerte in Erinnerung gerufen, um so im Gehorsam gegenüber dem Sittengesetz eine Gnade und ein Zeichen unserer Gotteskindschaft in dem einen Sohn (vgl. Eph 1,4-6) erkennen zu können. Insbesondere werden mit dieser Enzyklika Bewertungen einiger gegenwärtiger Tendenzen der Moraltheologie vorgelegt. Diese teile ich hier mit im Gehorsam gegenüber dem Wort des Herrn, der Petrus beauftragt hat, seine Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), zur Erleuchtung und Hilfe für unsere gemeinsame Aufgabe der Unterscheidung der Geister. Jeder von uns weiß um die Bedeutung der Ixhre, die den Kern dieser Enzyklika darstellt und an die heute mit der Autorität des Nachfolgers Petri erinnert wird. Jeder von uns kann den Ernst dessen spüren, worum es mit der erneuten Bekräftigung der Universalität und Unveränderlichkeit der sittlichen Gebote und insbesondere derjenigen, die immer und ohne Ausnahme in sich schlechte Akte verbieten, nicht nur für die einzelnen Personen, sondern für die ganze Gesellschaft geht. In Anerkenntnis dieser Gebote vernehmen das Herz des Christen und unsere pasto-rale Liebe den Anruf dessen, der „uns zuerst geliebt hat” (7 Joh 4,19). Gott verlangt von uns, heilig zu sein, wie er heilig ist (vgl. Lev 19,2), vollkommen zu sein - in Christus -, wie er vollkommen ist (vgl. Mt 5,48): Die anspruchsvolle Festigkeit des 1105 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebotes beruht auf der unerschöpflichen barmherzigen Liebe Gottes (vgl. Lk 6,36), und das Ziel des Gebotes ist es, uns mit der Gnade Christi auf den Weg der Fülle des Lebens der Kinder Gottes zu führen. 116. Wir haben als Bischöfe die Pflicht, darüber zu wachen, daß das Wort Gottes zuverlässig gelehrt wird. Meine Mitbrüder im Bischofsamt, es gehört zu unserem Hirtenamt, über die getreue Weitergabe dieser Morallehre zu wachen und die passenden Maßnahmen zu ergreifen, damit die Gläubigen vor jeder Lehre und Theorie, die ihr widersprechen, geschützt werden. In dieser Aufgabe werden wir alle von den Theologen unterstützt; die theologischen Meinungen bilden jedoch weder die Regel noch die Norm für unsere Lehre. Ihre Autorität beruht, mit dem Beistand des Heiligen Geistes und in der Gemeinschaft cum Petro et sub Petro, auf unserer Treue zu dem von den Aposteln empfangenen katholischen Glauben. Als Bischöfe haben wir die schwerwiegende Verpflichtung, persönlich darüber zu wachen, daß in unseren Diözesen die „gesunde Lehre” (1 Tim 1,10) des Glaubens und der Moral gelehrt wird. Eine besondere Verantwortung obliegt den Bischöfen im Hinblick auf die katholischen Institutionen. Ob es sich um Organe für die Familien- oder Sozialpastoral oder um Einrichtungen handelt, die sich dem Unterricht oder der medizinischen Betreuung und Krankenpflege widmen, die Bischöfe können diese Strukturen errichten und anerkennen und ihnen eine Reihe von Verantwortlichkeiten übertragen; das entbindet sie jedoch niemals von ihren eigenen Verpflichtungen. Sie haben gemeinsam mit dem Heiligen Stuhl die Aufgabe, Schulen, <125> Universitäten, <126> Krankenhäusern sowie anderen medizinischen und sozialen Einrichtungen, die sich auf die Kirche berufen, die Bezeichnung „katholisch” zuzuerkennen oder, in Fällen schwerwiegender Nichtübereinstimmung, abzuerkennen. Vgl. CIC, can. 803, § 3. Vgl. CIC, can. 808. 117. Im Herzen des Christen, in der verborgensten Mitte des Menschen, klingt immer wieder die Frage an, die eines Tages der junge Mann des Evangeliums an Jesus richtete: „Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” (Mt 19,16). Es ist freilich notwendig, daß ein jeder diese Frage an den „guten” Meister richtet, denn er ist der Einzige, der in jeder Situation, unter den verschiedensten Umständen im Vollbesitz der Wahrheit zu antworten vermag. Und wenn Christen an ihn die Frage richten, die aus ihrem Gewissen aufsteigt, antwortet der Herr mit den Worten des Neuen Bundes, die er seiner Kirche anvertraut hat. Wir sind nun einmal, wie der Apostel von sich sagt, gesandt, „das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird” (1 Kor 1,17). Darum besitzt die Antwort der Kirche auf die Frage des Menschen die Weisheit und Macht des gekreuzigten Christus, die sich hingebende Wahrheit. 179 180 1106 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn die Menschen der Kirche Gewissensfragen stellen, wenn sich in der Kirche die Gläubigen an die Bischöfe und Hirten wenden, dann findet sich in der Antwort der Kirche die Stimme Jesu Christi, die Stimme der Wahrheit über Gut und Böse. In dem von der Kirche verkündeten Wort erklingt im Innersten der Menschen die Stimme Gottes, der „allein der Gute” (Mt 19,17), der allein „die Liebe” (1 Joh 4,8.16) ist. Dieses zugleich hebenswürdige wie auch anspruchsvolle Wort wird in der Salbung mit dem Geist zu Licht und Leben für den Menschen. Wiederum ist es der Apostel Paulus, der uns einlädt, Vertrauen zu haben, denn „unsere Befähigung stammt von Gott. Er hat uns fähig gemacht, Diener des Neuen Bundes zu sein, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes ... Der Herr aber ist der Geist, und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit. Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn” (2 Kor 3,5-6.17-18). 1107 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schluß Maria, Mutter der Barmherzigkeit 118. Am Ende dieser Erwägungen vertrauen wir uns selber, die Leiden und Freuden unseres Daseins, das sittliche Leben der Gläubigen und der Menschen guten Willens, die Forschungen der Fachleute für Ethik und Moraltheologie Maria, der Mutter Gottes und Mutter der Barmherzigkeit, an. Maria ist die Mutter der Barmherzigkeit, weil Jesus Christus, ihr Sohn, vom Vater als Offenbarung der Barmherzigkeit Gottes gesandt wurde (vgl. Joh 3,16-18). Er ist nicht gekommen zu verdammen, sondern zu vergeben, Barmherzigkeit zu üben (vgl. Mt 9,13). Und die größte Barmherzigkeit liegt darin, daß er unter uns weilt, und ihm in dem Anruf, der an uns ergeht, zu begegnen und, zusammen mit Petrus, ihn als den „Sohn des lebendigen Gottes” (Mt 16,16) zu bekennen. Keine Sünde des Menschen vermag die Barmherzigkeit Gottes auszulöschen, vermag sie daran zu hindern, ihre ganze siegreiche Kraft zu verströmen, sobald wir um sie flehen. Ja, gerade die Sünde läßt noch stärker die Liebe des Vaters erstrahlen, der, um den Knecht loszukaufen, seinen Sohn geopfert hat: <127> Seine Barmherzigkeit für uns ist Erlösung. Zur Vollendung gelangt diese Barmherzigkeit im Geschenk des Geistes, der das neue Leben erzeugt und erfordert macht. So zahlreich und groß die von der Schwachheit und Sünde des Menschen ihm entgegengesetzten Hindernisse auch sein mögen, der Geist, der das Antlitz der Erde erneuert (vgl. Ps 104,30), macht das Wunder der vollkommenen Erfüllung des Guten möglich. Diese Erneuerung, die dazu befähigt, zu tun, was gut, edel, schön ist, was Gott gefällt und seinem Willen entspricht, ist gewissermaßen das Erblühen des Geschenkes der Barmherzigkeit, das von der Knechtschaft des Bösen befreit und die Kraft schenkt, nicht mehr zu sündigen. Durch das Geschenk des neuen Lebens macht uns Jesus zu Teilhabern seiner Liebe und führt uns im Geist zum Vater. <127> 119. Das ist die trostreiche Gewißheit des christlichen Glaubens, der er seine tiefe Menschlichkeit und seine außerordentliche Einfachheit verdankt. In den Diskussionen über die neuen und komplexen moralischen Fragen kann manchmal der Anschein aufkommen, die christliche Moral sei an sich zu schwierig, nur mühsam zu begreifen und fast unmöglich zu praktizieren. Das stimmt nicht, denn sie besteht, um es mit der Schlichtheit des Evangeliums zu sagen, darin, Jesus Christus zu folgen, sich ihm zu überlassen, sich von seiner Gnade verwandeln und von seiner Barmherzigkeit erneuern zu lassen, die uns durch das Leben in der Gemeinschaft seiner Kirche erreichen. „Wer leben will - erinnert uns der hl. Augustinus -, der weiß, wo leben und woher leben. Nähere dich ihr, glaube mir, schließe dich ihr an, um lebendig gemacht zu werden. Fliehe nicht aus der Gemeinschaft ihrer Glieder”. <128> Das le- <128> “O inaestimabilis dilectio caritatis: ut servum redimeres, Filium tradidisti”: Missale Romamim, In Resurrectione Domini, Praeconium paschale. In lohcinnis Evangelium Tractatus, 26, 13: CCL, 36, 266. 1108 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bensnotwendige Wesen der christlichen Moral kann, mit dem Licht des Geistes, jeder Mensch verstehen, auch der weniger gebildete, ja vor allem wer sich ein „einfältiges Herz” (vgl. Ps 86,11) zu bewahren vermag. Andererseits entbindet diese Einfachheit nach dem Evangelium nicht davon, sich der Komplexität der Wirklichkeit zu stellen, sondern kann uns in ihr wahres Verständnis einführen, weil die Nachfolge Christi nach und nach die Wesensmerkmale der authentischen christlichen Sittlichkeit aufdecken und zugleich die Lebenskraft zu ihrer Verwirklichung geben wird. Es ist Aufgabe des Lehramtes der Kirche, darüber zu wachen, daß sich der Dynamismus der Nachfolge Christi organisch entwickelt, ohne daß die sittlichen Forderungen mit allen ihren Konsequenzen verfälscht oder getrübt werden. Wer Christus liebt, hält seine Gebote (vgl. Joh 14,15). 120. Maria ist auch Mutter der Barmherzigkeit, weil Jesus ihr seine Kirche und die ganze Menschheit anvertraut. Als sie zu Füßen des Kreuzes Johannes als Sohn annimmt, als sie zusammen mit Christus den Vater für jene um Vergebung bittet, die nicht wissen, was sie tun (vgl. Lk 23,34), erfährt Maria in vollkommener Fügsamkeit gegenüber dem Geist die Fülle und Universalität der Liebe Gottes, die ihr das Herz weitet und sie fähig macht, das ganze Menschengeschlecht zu umfangen. So ist sie zur Mutter von uns allen und jedes einzelnen von uns geworden, eine Mutter, die für uns die göttliche Barmherzigkeit erlangt. Maria ist leuchtendes Zeichen und faszinierendes Vorbild moralischen Lebens: „Ihr Leben allein ist Vorbild für alle”, schreibt der hl. Ambrosius, <129> der sich besonders an die Jungfrauen wendet, aber letztlich in einem offenen Horizont an alle folgendes feststellt: „Die erste brennende Sehnsucht zu lernen verleiht der Adel des Meisters. Und wer ist edler als die Mutter Gottes, oder glanzvoller als die, die vom Glanz selbst erwählt wurde?” <130> Maria lebt und verwirklicht ihre Freiheit dadurch, daß sie sich Gott hingibt und in sich die Hingabe Gottes empfängt. Sie hütet in ihrem jungfräulichen Schoß den menschgewordenen Sohn Gottes bis zum Augenblick der Geburt, sie nährt ihn, sie zieht ihn auf und begleitet ihn in jener höchsten Haltung der Freiheit, die das vollständige Opfer des eigenen Lebens ist. Mit ihrer Selbsthingabe tritt Maria voll in den Plan Gottes ein, der sich der Welt hingibt. Während sie die Geschehnisse, die sie nicht immer versteht, in ihrem Herzen bewahrt und darüber nachdenkt (vgl. Lk 2,19), wird sie zum Vorbild all derer, die das Wort Gottes hören und es befolgen (vgl. Lk 11,28) und verdient den Namen „Sitz der Weisheit”. Diese Weisheit ist Jesus Christus selbst, das ewige Wort Gottes, das den Willen des Vaters offenbart und vollkommen erfüllt (vgl. Hebr 10,5-10). Maria lädt jeden Menschen ein, diese Weisheit aufzunehmen. Auch uns weist sie wie die Diener während der Hochzeit in Kana in Galiläa an: „Was er euch sagt, das tut!” (Joh 2,5). De Virginibus, üb. II, cap. 15: PL 16, 222. Ebd., üb. II, cap. 7: PL 16, 220. Maria teilt unsere menschliche Situation, aber in völliger Transparenz für die Gnade Gottes. Obwohl sie die Sünde nicht kannte, ist sie in der Lage, mit jeder Schwäche 183 184 1109 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mitzuleiden. Sie versteht den Sünder und liebt ihn mit mütterlicher Liebe. Eben deshalb steht sie auf der Seite der Wahrheit und teilt die Last der Kirche, alle Menschen beständig auf die moralischen Forderungen hinzuweisen. Aus demselben Grund nimmt sie es nicht hin, daß der Sünder von jemandem irregeführt wird, der ihn zu heben vorgibt, indem er seine Sünde rechtfertigt; denn sie weiß, daß auf diese Weise das Opfer Christi, ihres Sohnes, um seine Kraft gebracht würde. Keine Lossprechung, die durch gefällige Lehren, auch solche philosophischer oder theologischer Art, ungeboten wird, vermag den Menschen wahrhaft glücklich zu machen: Allein das Kreuz und die Herrlichkeit des auferstandenen Christus vermögen seinem Gewissen Frieden und seinem Leben Rettung zu schenken. O Maria, Mutter der Barmherzigkeit, wache über alle, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird, damit der Mensch nicht vom Weg des Guten abirrt, nicht das Bewußtsein für die Sünde verliert, damit er wächst in der Hoffnung Gottes, „der voll Erbarmen ist” (Eph 2,4), damit er aus freiem Entschluß die guten Werke tut, die von Ihm im voraus bereitet sind (vgl. Eph 2,10), und damit er so mit seinem ganzen Leben „zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt” {Eph 1,12) sei. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 6. August, dem Fest der Verklärung des Herrn des Jahres 1993, dem fünfzehnten meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II 1110 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Gedenken an einen treuen und hochherzigen Hirten Predigt am 15. Todestag von Papst Paul VI. in Castel Gandolfo, 6. August Liebe Schwestern und Brüder! Heute, am Fest der Verklärung des Herrn, sammeln wir uns im Gebet zum Gedächtnis meines verehrten Vorgängers Papst Paul VI. am Jahrestag seines heiligen Todes. Fünfzehn Jahre sind seit jenem 6. August 1978, dem Tag seines Hinscheidens aus diesem Leben, vergangen. Fünfzehn Jahre zählt auch die Zeit seines Pontifikates, das am 21. Juni 1963 begann, vor nun ungefähr 30 Jahren. Tatsachen, die die Bedeutung unserer heutigen Gedächtnisfeier unterstreichen. Doch es gibt noch einen weiteren Grund, warum wir uns ihm bei dieser Eucharistie besonders nahe fühlen. Am vergangenen 11. Mai wurde hier in Rom sein Seligsprechungsprozeß offiziell eingeleitet. Es ist der Wunsch aller, daß er bald zu einem glücklichen Abschluß gelange. Die Liebe zu diesem Papst, dem Propheten der „Kultur der Liebe”, verbindet sich mit dem Dank an Gott, daß er uns in ihm. einen treuen und hochherzigen Hirten geschenkt hat, der beständig darauf bedacht war, mit Güte und Festigkeit auf die Anforderungen hinzuweisen, die das Evangelium stellt. Ein starker Glaube war seine Stütze in jedem Augenblick seines nicht leichten kirchlichen Dienstes. In diesem Zusammenhang kommen uns die Worte in Erinnerung, die er am 29. Juni 1978, gut einen Monat vor seinem Tod, gesprochen hat und die gleichsam eine Art öffentliches Testament darstellen: „Auch wir”, sagte er, „glauben wie Paulus sagen zu können: ,Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe meinen Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.’” „Ich habe den Glauben bewahrt.” Beten wir, daß im Leben aller Glaubenden nie die Treue zum Evangelium nachlasse. Beten wir, daß der Herr uns gewähre, diesen seinen Diener sehr bald zur Ehre der Altäre erhoben zu sehen. Diese Bitten vertrauen wir Maria an, die als Mutter der Kirche anzurufen Paul VI. uns gelehrt und aufgefordert hat. In dieser inneren Einstellung wollen wir zum Altar des Herrn treten, um das Opfer unserer Erlösung teilzunehmen. 1111 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Armut war ihr Reichtum Schreiben an die Klausurschwestem der Klarissinen zum 800. Geburtstag der hl. Klara vom 11. August Liebe Klausurschwestem! 1. Vor 800 Jahren wurde dem Adeligen Favarone di Offreduccio Klara von Assisi geboren. Diese „neue Frau”, wie sie in einem kürzlich verfaßten Brief die Generalminister der Franziskanischen Familie genannt haben, hat als „kleines Pflänzchen” im Schatten des heiligen Franziskus gelebt, der sie zu den Gipfeln der christlichen Vollkommenheit geführt hat. Die Feier eines solchen, wahrhaft dem Evangelium entsprechenden Menschen will vor allem eine Einladung zur Neuentdeckung der Kontemplation und jenes geistlichen Weges sein, von dem nur die Mystiker eine tiefe Erfahrung besitzen. Liest man ihre alte Biographie und ihre Schriften - die „Lebensform”, das Testament und die vier Briefe, die uns von den vielen an die heilige Agnes von Prag gerichteten Briefen erhalten gebheben sind -, so wird man dort derart in das Geheimnis des dreieinigen Gottes und Christi, des menschgewordenen Wortes versenkt, daß man wie betäubt bleibt. Die Schriften sind so stark von der in ihr durch den glühenden und langen Blick auf Christus, ihren Herrn, geweckten Liebe geprägt, daß man nicht leicht wiedergeben kann, was nur das Herz einer Frau erfahren konnte. 2. Der kontemplative Weg Klaras, der mit einer Vision des „Königs der Herrlichkeit” enden sollte (Proc. TV, 19: FF 3017), beginnt vor allem mit ihrer gänzlichen Hingabe an den Geist des Herrn nach der Art Mariens bei der Verkündigung: Er beginnt also mit jenem Geist der Armut (vgl. Lk 1,48), der in ihr nichts anderes mehr zurückläßt als den einfachen auf Gott gerichteten Blick. Für Klara ist die so heiß geliebte und in ihren Schriften so oft zitierte Armut der Reichtum der Seele, die, der eigenen Güter entkleidet, sich „dem Geist des Herrn und seinem heiligen Wirken” öffnet (vgl. Reg. S. Ch. X,10: FF 2811), wie ein leeres Gefäß, in das Gott die Fülle seiner Gaben ergießen kann. Die Parallele Maria -Klara erscheint in der ersten Schrift des heiligen Franziskus auf, in der „Lebensform”, die er Klara gab: „Durch göttliche Anregung habt ihr euch zu Töchtern und Dienerinnen des allerhöchsten großen Königs, des himmlischen Vaters gemacht, euch dem Heiligen Geist vermählt und entschieden, der Vollkommenheit des heiligen Evangeliums nachzuleben” (Forma vivendi, in Reg. S. CA. VI,3: FF 2788). Klara und ihre Mitschwestem wurden „Bräute des Heiligen Geistes” genannt, ein in der Geschichte der Kirche nicht verwendeter Ausdruck, wo die Schwester und Nonne immer als „Braut Christi” bezeichnet wird. Doch hier klingen einige Ausdrücke aus der Verkündigungserzählung des heiligen Lukas an (vgl. Lk 1,26-38), die zu Schlüsselworten werden, um die Erfahrung Klaras auszudrücken: der „Höchste”, 1112 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der „Heilige Geist”, der „Sohn Gottes”, die „Magd des Herrn” und endlich die „Überschattung”, die für Klara die Verhüllung bedeutet, da ihre abgeschnittenen Haare zu Füßen des Altares der Jungfrau Maria von Porziunkola niederfallen, „gleichsam vor dem Brautgemach” (vgl. Leg. S. Ch. 8: FF 3170-3172). 3. Das „Wirken des Geistes des Herrn”, der uns in der Taufe geschenkt wurde, erschafft im Christen das Antlitz des Sohnes Gottes. In der Einsamkeit und im Schweigen, die Klara als Lebensform für sich und ihre Mitschwestem innerhalb der äußerst armen Mauern ihres Klosters auf halbem Weg zwischen Assisi und Porziunkola wählt, löst sich der Vorhang des Rauchs der irdischen Worte und Dinge auf, und die Gemeinschaft mit Gott wird Wirklichkeit: Liebe, die geboren wird und sich hinschenkt. Klara ermahnt, in der Kontemplation über das Kind von Bethlehem geneigt: „Weil dieser Blick in ihm den Glanz der ewigen Herrlichkeit erblickt, das Morgenrot des ewigen Lichts und den makellosen Spiegel, trag jeden Tag deine Seele in diesen Spiegel. ... Schau die Armut dessen an, der in die Krippe gelegt und in armselige Windeln gehüllt wurde. O wunderbare Demut und Armut, die uns staunen läßt! Der König der Engel, der Herr des Himmels und der Erde hegt in einer Krippe” {Brief TV, 14.19-21: FF 2902.2904). Sie wird sich nicht einmal darüber klar, daß auch ihr Schoß als gottgeweihte Jungfrau und „arme Jungfrau”, dem „armen Christus” verbunden, (vgl. Brief 2, 18: FF 2878) durch die Kontemplation und Umwandlung zu einer Wiege des Sohnes Gottes wird {Proc. IX,4: FF 3062). Die Stimme dieses Kindes aber ist es, die in einer Stunde großer Gefahr - als das Kloster in die Hände der muslimischen Truppen im Sold Kaiser Friedrichs n. zu fallen droht - ihr versichert: „Ich werde euch immer beschützen!” (Leg. S. Ch. 22: FF 3202). In der Weihnachtsnacht 1252 versetzt das Jesuskind Klara weit weg von ihrem Bett der Krankheit und Liebe, dorthin, wo es weder Raum noch Zeit gibt, und erfüllt sie mit einer mystischen Erfahrung, die sie in den unermeßlichen Abgrund Gottes versetzt. 4. Wenn Katharina von Siena die Heilige voll Mitleid mit dem Blut Christi ist, die große Teresa die Frau, die von „Wohnung” zu „Wohnung” bis zur Schwelle des Großen Königs in der Seelenburg eilt, Therese vom Jesuskind aber jene, die in evangeliumsgemäßer Einfachheit den kleinen Weg geht, so ist Klara die leidenschaftlich in den armen Gekreuzigten Verliebte, mit dem sie sich absolut identifizieren möchte. In einem ihrer Briefe drückt sie sich wie folgt aus: „Schau, daß Er um deinetwillen sich zum Objekt der Verachtung gemacht hat und folge seinem Beispiel, indem Du dich aus Liebe zu ihm in dieser Welt verächtlich machst. Sieh deinen Bräutigam, den Schönsten aller Menschenkinder, verachtet, geschlagen und am ganzen Körper wiederholt gegeißelt, und wie er am Ende unter den schrecklichsten Schmerzen am Kreuze stirbt. Schau und betrachte ihn und suche ihn nachzuahmen. Wenn Du mit 1113 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihm leidest, wirst Du mit ihm herrschen; wenn Du mit ihm weinst, wirst Du Dich mit ihm freuen; wenn Du mit ihm am Kreuz der Trübsale stirbst, wirst Du mit ihm die himmlischen Wohnungen im Glanz der Heiligen besitzen, und Dein Name wird im Buch des Lebens aufgeschrieben sein” (Brief 2,19-22: FF 2879-2880). Klara trat mit kaum 18 Jahren ins Kloster ein und starb mit 59 nach einem Leben der Leiden, des nie verminderten Gebetes, der Einschränkungen und Buße. Aus diesem „brennenden Verlangen nach dem armen Gekreuzigten” heraus war aber nichts für sie eine Last. An ihrem Lebensende sagt sie sogar Br. Rainaldo, der ihr beistand: „Im langen Martyrium einer so schweren Krankheit ... ist mir, seit ich die Gnade meines Herrn Jesus Christus durch seinen Diener Franziskus kennengelemt habe, keine Pein lästig gewesen, keine Buße schwer, und keine Krankheit hart, lieber Bruder” (Leg. S. Ch. 44: FF 3247). 5. Doch der, der am Kreuze leidet, ist auch der, der die Herrlichkeit des Vaters widerspiegelt und in seinem Ostern alle mit sich zieht, die ihn gebebt haben, bis zum Teilen seiner Leiden aus Liebe. Die zarte Achtzehnjährige, die von zu Hause in der Nacht zum Palmsonntag 1212 flieht, läßt sich auf das Abenteuer der neuen Erfahrung ohne Zögern ein und glaubt an das Evangelium, das ihr von Franziskus gezeigt wurde, und an nichts anderes. Sie ist ganz versenkt, mit den Augen des Leibes und denen des Herzens, in den armen und gekreuzigten Christus und erfährt die Vereinigung, die sie umwandelt. Sie schreibt an Agnes von Prag: „Versetze deine Augen vor den Spiegel der Ewigkeit, versetze deine Seele in den Glanz der Herrhchkeit, versetze dein Herz in den, der Abglanz des göttlichen Wesens ist, und verwandle dich innerlich durch die Kontemplation in das Bild seiner Gottheit. Dann wirst auch Du das erfahren, was einzig seinen Freunden Vorbehalten ist, und Du wirst die geheime Süßigkeit verkosten, die Gott von Anfang an jenen Vorbehalten hat, die ihn heben. Wirf auch nicht einen Bbck auf die Verführungen, die in dieser trügerischen und unruhigen Welt den Bünden Fallstricke legen, wenn sie ihr Herz daran hängen. Liebe vielmehr mit Deinem ganzen Wesen den, der aus Liebe zu Dir sich hingegeben hat” (Brief 3, 12-15: FF 2888-2889). In das Kloster von San Damiano eingeschlossen, in einem von Armut, Mühe, Trübsal und Krankheit, aber auch von schwesterücher Gemeinschaft so intensiv gekennzeichneten Leben, daß es in der Sprache der „Lebensform” mit dem Namen „heihge Einheit” bezeichnet wird (Anfängliche Bulle 18: FF 2749); kennt Klara die reinste Freude, die je ein Geschöpf erfahren durfte: jene, in Christus in vollkommener Vereinigung mit den drei göttüchen Personen zu leben, so daß sie gleichsam in den unaussprechlichen Lebenskreis der dreifältigen Liebe eintritt. 6. Das Leben der heiügen Klara war unter der Anleitung des heiligen Franziskus kein eremitisches Leben, auch wenn es kontemplativ war und in Klausur gelebt wurde. Um sie, die wie die Vögel des Himmels und die Lilien des Feldes leben wollte (Mt 6,26.28), versammelte sich ein erster Kern von Schwestern, denen Gott 1114 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allein genügte. Diese „kleine Herde”, die sich rasch vergrößerte - im August 1228 zählte man schon wenigstens 25 Klarissenklöster (vgl. Brief von Kardinal Rainaldo: AFH 5, 1912, 444-446) - hatte keinerlei Furcht (vgl. Lk 12,32): Der Glaube war für sie Grand zu ruhiger Sicherheit mitten in aller Gefahr. Klara und ihre Schwestern besaßen ein Herz so groß wie die Welt: Als Kontemplative legten sie für die ganze Menschheit Fürbitte ein. Als Menschen, die für die täglichen Probleme eines jeden aufgeschlossen waren, verstanden sie es, jede Pein auf sich zu nehmen: da war niemand, der eine Sorge hatte, leiden oder sich ängstigen mußte oder verzweifelte, der nicht im Herzen dieser betenden Frauen ein Echo fand. Klara weinte und bat den Herrn für ihre gebebte Stadt Assisi, die von der Trappen des Vitale von Aversa belagert wurde, und sie erreichte die Befreiung der Stadt vom Krieg; sie betete jeden Tag für die Kranken, und heilte sie viele Male mit einem Kreuzzeichen. Überzeugt davon, daß es kein apostoüsches Leben gibt, ohne sich in die durchbohrte Seite Christi am Kreuz zu versenken, schrieb sie an Agnes von Prag mit den Worten des heihgen Paulus: „Ich schätze Dich als Mitarbeiterin Gottes” (Rom 16,3) und Stütze für die schwachen und schwankenden Glieder seines unaussprechhchen Leibes” (Brief 3, 8: FF 2886). 7. Klara von Assisi wird auch von einer besonderen Art Ikonographie, die seit 1600 viel Erfolg hatte, oft mit der Monstranz in der Hand dargestebt. Die Szene erinnert, wenn auch in feierlicherer Form, an die bescheidene Wirklichkeit dieser Frau, die schon sehr krank war, aber sich von zwei Schwestern gestützt vor dem Ziborium aus Silber, das die Eucharistie enthielt, niederwarf (vgl. Leg. S. Ch. 21: FF 3201), das sich vor der Tür des Speisesaales befand, als sich draußen die Wut der Truppen des Kaisers austobte. Klara lebte von diesem Brot, das sie freilich nach dem Brauch ihrer Zeit nur siebenmal im Jahr empfangen durfte. Auf dem Bett ihrer Krankheit stickte sie Korporale und schickte sie den armen Kirchen des Tals von Spoleto. Tatsächlich war das ganze Leben Klaras eine Eucharistie, weil sie ebenso wie Franziskus von ihrer Klausur aus ständig Gott im Gebet dankte, mit Lob, Flehen und Fürbitte, mit Weinen, sich hinschenken und Opfern. Alles wurde von ihr angenommen und dem Vater in Vereinigung mit der unendbchen „Danksagung” des eingeborenen Sohnes, des Kindes, des Gekreuzigten und Auferstandenen, der zur Rechten des Vaters lebt, dargebracht. Bei dieser Jubiläumsfeier, hebe Schwestern, wendet sich die Aufmerksamkeit der ganzen Kirche mit wachsendem Interesse der lichtvollen Gestalt eurer heißgeliebten Mutter zu. Mit wieviel größerem Eifer müßte sich da euer Blick auf sie richten, um aus ihrem Beispiel Anregung zu schöpfen, den der Gnade des Herrn entsprechenden Schwung in täglicher Hingabe an die Aufgaben des kontemplativen Lebens zu vermehren, aus dem die Kirche so viel Kraft für ihr missionarisches Wirken in der heutigen Welt bezieht. Christus, unser Herr, sei euer Licht und die Freude eurer Herzen! 1115 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesen Wünschen erteile ich euch allen zum Zeichen tiefer Verbundenheit einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, den 11. August, liturgischer Gedenktag der heiligen Klara von Assisi des Jahres 1993, dem 15. meines Pontifikates Joannes Paulus PP. II Glückwunschbotschaft anläßlich der Eidesleistung des Königs der Belgier, Albert II. vom 11. August Bei Gelegenheit der Eidesleistung Ihrer Majestät als König der Belgier sende ich Ihnen herzliche Glückwünsche für Sie persönlich, für Königin Paola sowie die Mitglieder der königlichen Familie. Ich bitte den Herrn, er möge Ihre Majestät bei Ihrer Sendung zum Dienst am ganzen belgischen Volk in Fortsetzung des von König Baudouin unternommenen Werkes zur Förderung der Solidarität unter all Ihren Landsleuten erleuchten. Ich rufe auf Ihre Majestät, auf Ihre Majestät die Königin, auf die Regierung und auf alle Belgier die Segnungen des Herrn herab. Joannes Paulus PP. II. Echte und dauerhafte Einheit auf dem Fundament eines gemeinsamen Erbes aufbauen Botschaft an die Jugendlichen der Welt zum VIII. Weltjugendtag am 15. August 1993 in Denver (USA) vom 15. August 1992 „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10) Liebe Jugendliche! 1. Nach den Treffen in Rom, Buenos Aires, Santiago de Compostela und Tschen-stochau setzt unsere Pilgerfahrt ihren Weg auf den Straßen der Zeitgeschichte fort. Die nächste Etappe wird Denver, im Herzen der Vereinigten Staaten, sein, wo inmitten der felsigen Berge des Colorado im August 1993 der VIII. Weltjugendtag stattfinden wird. Wie bereits bei den vorausgegangenen Begegnungen werden sich dort - gemeinsam mit vielen jungen Amerikanern - Jugendliche aus allen Nationen versammeln, um den lebendigen Glauben oder zumindest die begeisterte Suche der jugendlichen Welt der fünf Kontinente zu vertreten. 1116 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese wiederkehrenden Kundgebungen wollen kein traditioneller Brauch sein, kein Ereignis, das seine Rechtfertigung in der Wiederholung sieht; sie entstehen vielmehr aus einem tiefen Bedürfnis, das seinen Ursprung im Herzen des Menschen hat und sich im Leben der pilgernden und missionarischen Kirche widerspiegelt. Die Weltjugendtage und -treffen kennzeichnen willkommene Augenblicke des Innehaltens: Sie dienen den Jugendlichen dazu, sich über ihre innersten Wünsche zu befragen, deren kirchlichen Sinn zu vertiefen und mit wachsender Freude und wachsendem Mut den gemeinsamen Glauben an den gestorbenen und auferstandenen Christus zu verkünden. Es sind Augenblicke, wo viele von ihnen mutige und erleuchtete Entscheidungen treffen, die dazu beitragen können, die Zukunft der Geschichte der starken und gleichzeitig sanften Führung des Heiligen Geistes anzuvertrauen. Wir wohnen in der Welt einem „Aufeinanderfolgen von Herrschaften” bei, einer sich abwechselnden Reihe von Versuchen politischer Einheit, die' bestimmte Menschen in bezug auf andere Menschen durchsetzen. Die Ergebnisse liegen klar auf der Hand. Es ist nicht möglich, eine echte und dauerhafte Einheit aufzubauen, die auf Zwang und Gewalt basiert. Ein solches Ziel kann nur erreicht werden, wenn man auf dem Fundament eines gemeinsamen Erbes angenommener und geteilter Werte aufbaut, wie zum Beispiel die Achtung der menschlichen Würde, die Annahme des Lebens, die Verteidigung der Menschenrechte und die Öffnung zum Transzendenten und zu den Dimensionen des Geistes. Unter dieser Perspektive möchte das Weltjugendtreffen, indem es auf die Herausforderungen der sich verändernden Zeit antwortet, Same und Vorschlag einer neuen Einheit sein, die über die politische Ordnung hinausgeht und diese erleuchtet. Es gründet in der Erkenntnis, daß nur der Urheber des menschlichen Herzens in der Lage ist, angemessen auf die in diesem enthaltenen Erwartungen zu antworten. Das Weltjugendtreffen wird dann zur Ankündigung des Christus, der auch zu den Menschen dieses Jahrhunderts sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). 2. So stehen wir inmitten des Themas, das die vertiefenden Gedanken und Überlegungen während dieses Jahres der Vorbereitung auf das nächste „Welttreffen” leiten wird. In den einzelnen Sprachen gibt es verschiedene Begriffe, die das ausdrücken, was der Mensch auf keinen Fall verlieren möchte, das, was seine Erwartungen, seine Wünsche, seine Hoffnungen darstellt; aber keinem Wort wie dem Begriff „Leben” gelingt es in jeder Sprache, auf eindrückliche Art und Weise das zusammenzufassen, wonach der Mensch am meisten strebt. „Leben” bezeichnet die Gesamtheit der erwünschten Güter und gleichzeitig das, wodurch diese möglich, erreichbar und dauerhaft werden. 1117 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ist nicht die Geschichte des Menschen von der quälenden und dramatischen Suche nach etwas oder jemandem gekennzeichnet, das oder der in der Lage ist, ihn vom Tod zu befreien und ihm das Leben zu versichern? Die menschliche Existenz kennt Augenblicke der Krise und Müdigkeit, der Enttäuschung und Dunkelheit. Es ist dies eine Erfahrung der Unzufriedenheit, die ganz klar in der Literatur und im Film der heutigen Zeit zum Ausdruck kommt. Im Licht ähnlicher Ängste ist es einfacher, die besonderen Schwierigkeiten der Heranwachsenden und Jugendüchen zu verstehen, die sich mit sorgenvollem Herzen anschicken, jener Gesamtheit von verführerischen Verheißungen und dunklem Unbekannten zu begegnen, die das Leben ist. Jesus ist gekommen, um eine endgültige Antwort auf die Sehnsucht nach Leben und Unendlichem zu geben, die der himmlische Vater in uns eingeschrieben hat, als er uns erschuf. Auf dem Höhepunkt der Offenbarung erklärt das menschgewordene Wort: „Ich bin das Leben” (Joh 14,6), und: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben” (Joh 10,10). Welches Leben? Die Absicht Jesu ist klar: Das Leben Gottes, das alle Sehnsüchte übertrifft, die im Herzen des Menschen entstehen können (vgl. 1 Kor 2,9). Durch die Gnade der Taufe sind wir ja bereits Kinder. Gottes (vgl. ! Joh 3.1-2). . Jesus ist den Menschen entgegengekommen, er hat Kranke und Leidende geheilt, vom Teufel Besessene befreit und Tote auferweckt. Er hat sich selbst am Kreuz geschenkt, ist auferstanden und hat sich als Herr des Lebens offenbart: Urheber und Quelle des unvergänglichen Lebens. 3. Die tägliche Erfahrung sagt uns, daß das Leben trotz des Hungers nach Güte, der in unserem Herzen verankert ist, und dem Wunsch nach Leben, der uns zutiefst beseelt, von der Sünde gezeichnet und vom Tod bedroht ist. Wenn wir nur ein wenig auf uns und auf die Niederlagen achten, denen die Existenz uns aussetzt, entdecken wir, daß alles in uns über uns hinausstrebt und alles uns einlädt, die Versuchung der Oberflächlichkeit oder der Verzweiflung zu überwinden. Und genau dann ist der Mensch gerufen, Jünger jenes Anderen zu werden, der ihn unendlich anzieht, um endlich in das wahre Leben einzutreten. Es gibt betrügerische Propheten und falsche Lehrer des Lebens. Einige von ihnen lehren, aus dem Körper, der Zeit und dem Raum herauszutreten, um in das „wahre Leben” eintreten zu können. Sie verurteilen die Schöpfung und führen im Namen eines betrügerischen Spiritualismus Tausende von Jugendlichen auf die Straßen einer unmöglichen Befreiung, die sie am Ende noch mehr allein läßt und zum Opfer der eigenen Illusion und des eigenen Übels macht. Scheinbar im Gegensatz zu diesen laden die Meister des „flüchtigen Augenblickes” dazu ein, jede instinktive Neigung und Begierde zu befriedigen mit dem Ergebnis, das Individuum in eine unruhige Beklemmung zu drängen, die von der gefährlichen Flucht zu einem betrügerischen und künstlichen Paradies, wie es die Droge ist, begleitet wird. 1118 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es gibt auch Lehrer, die den Sinn des Lebens ausschließlich in der Suche nach Erfolg sehen, im Anhäufen von Geld, in der Entwicklung der persönlichen Fähigkeiten und dabei weder auf die Bedürfnisse des Nächsten noch auf Werte achten: oftmals nicht einmal auf den grundlegenden Wert des Lebens selbst. Diese und andere falsche Lehrer des Lebens, die auch in der heutigen Welt zahlreich vorhanden sind, schlagen Ziele vor, die nicht nur nicht sättigen, sondern oftmals den Durst, der in der Seele des Menschen brennt, verschärfen und verschlimmern. Wer kann also die Erwartungen des Menschen messen und befriedigen? Wer, wenn nicht derjenige, der - Urheber des Lebens - die Erwartung stillen kann, die er selbst in unser Herz eingepflanzt hat? Er nähert sich jedem, um die Hoffnung zu geben, die nicht betrügt; er, der gleichzeitig der Weg und das Leben ist: der Weg, um in das Leben einzutreten. Allein sind wir nicht fähig, das zu verwirklichen, wozu wir geschaffen worden sind. Es gibt ein Erbe in uns, durch dessen Auswirkung wir uns als unfähig erfahren. Aber der Sohn Gottes, der unter die Menschen gekommen ist, hat versichert: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6). Nach einem eindrucksvollen Ausspruch des hl. Augustinus hat Christus „einen Ort schaffen wollen, wo es jedem Menschen möglich ist, dem wahren Leben zu begegnen”. Dieser „Ort” ist sein Leib und sein Geist, wo die ganze menschliche Wirklichkeit, die erlöst und der vergeben ist, erneuert und vergöttlicht wird. 4. Das Leben eines jeden wurde erdacht und gewollt, noch bevor es die Welt gab, und mit gutem Grund können wir mit dem Psalmisten wiederholen: „Herr, du hast mich erforscht, und du kennst mich ... du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter” (Ps 139,1.13). Dieses Leben, das von Anfang an in Gott war (vgl. Joh 1,4), ist Leben, das sich schenkt, das nichts für sich behält und das sich frei, ohne sich etwas vorzubehalten, mitteilt. Es ist Licht, „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet” (Joh 1,9). Es ist Gott, der gekommen ist, sein Zelt mitten unter den Menschen aufzuschlagen (vgl. Joh 1,14), um uns den Weg der Unsterblichkeit zu zeigen, der den Kindern Gottes zu eigen ist, und ihn uns zugänglich zu machen. Im Geheimnis seines Kreuzes und seiner Auferstehung hat Christus den Tod und die Sünde zerstört und die unendliche Entfernung überwunden, die zwischen jedem Menschen und dem neuen Leben in ihm bestand. „Ich bin die Auferstehung und das Leben”, erklärt er. „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben” (Joh 11,25 f.). Christus verwirklicht all das, indem er seinen Geist, den Geber des Lebens, in den Sakramenten spendet, besonders in der Taufe, dem Sakrament, das aus der zerbrechlichen und dem Tod geweihten Existenz, die wir von den Eltern erhielten, einen Weg zur Ewigkeit macht; im Sakrament der Buße, die durch die Vergebung der Sünden beständig das göttliche Leben in uns erneuert; in der Eucharistie, dem „Brot 1119 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Lebens” (vgl. Joh 6,34), das die „Lebenden” nährt und ihre Schritte auf der irdischen Pilgerfahrt stärkt, so daß sie mit dem Apostel Paulus sagen können: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir” (Gal 2,20). 5. Das neue Leben, das Geschenk des auferstandenen Herrn ist, strahlt dann in jedem Bereich menschlicher Erfahrung aus: in der Familie, der Schule, am Arbeitsplatz, in den Aktivitäten des Alltags und in der Freizeit. Es beginnt hier und jetzt zu erblühen. Zeichen seiner Gegenwart und seines Wachsens ist die Liebe: „Wir wissen, daß wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind”, bestätigt der hl. Johannes, „weil wir die Brüder lieben” (1 Joh 3,14) mit einer tätigen Liebe und in der Wahrheit. Das Leben erblüht im Geschenk seiner selbst an die anderen, je nach Berufung eines jeden einzelnen: im Priestertum, in der gottgeweihten Jungfräulichkeit, in der Ehe, so daß alle im Geiste der Solidarität die erhaltenen Gaben besonders mit den Armen und Notleidenden teilen können. Derjenige, der „von oben wiedergeboren” wird, wird so fähig, „das Reich Gottes zu sehen” (vgl. Joh 3,3) und sich dafür einzusetzen, soziale Strukturen aufzubauen, die des Menschen und jedes Menschen würdig sind, sowie die Kultur des Lebens gegenüber jedweder Bedrohung des Todes zu fördern und zu verteidigen. 6. Liebe Jugendliche, Ihr sprecht eine Frage aus, die viele Eurer Freunde oft an Euch richten: Wie und wo können wir diesem Leben begegnen, wie und wo können wir es leben? Die Antwort könnt Ihr selbst finden, wenn Ihr versucht, treu in der Liebe Christi zu bleiben (vgl. Joh 15,9). Ihr werdet dann die Wahrheit seines Wortes erfahren: „Ich bin ... das Leben” (Joh 14,6) und allen diese freudige Verkündigung der Hoffnung bringen können. Er hat Euch zu seinen Botschaftern gemacht, den ersten Evangeli-satoren Eurer Zeitgenossen. Der nächste Weltjugendtag in Denver wird uns eine günstige Gelegenheit bieten, gemeinsam über dieses Thema nachzudenken, das für alle von großem Interesse ist. Darum ist es notwendig, sich auf dieses wichtige Treffen vorzubereiten, vor allem indem man um sich schaut und so etwas wie eine Bestandsaufnahme all jener „Orte” macht, wo Christus als Quelle des Lebens gegenwärtig ist. Das können die Pfarrgemeinden sein, die Gruppen und Apostolatsbewegungen, die Klöster und religiösen Häuser, aber auch einzelne Personen, durch die es ihm gelingt, so wie es damals mit den Jüngern von Emmaus geschah, die Herzen zu erwännen und sie der Hoffnung zu öffnen. Liebe Jugendliche, fühlt Euch, hochherzig, unmittelbar in das Unternehmen der neuen Evangelisierung einbezogen, die uns alle verpflichtet. Verkündet Christus, „der für alle gestorben (ist), damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde” (2 Kor 5,15). 7. Ihr, liebe Jugendliche der Vereinigten Staaten, die Ihr den nächsten Weltjugendtag beherbergt, habt die Freude, in der Begegnung mit den vielen Jugendlichen, die aus allen Teilen der Welt als Pilger in Euer Land kommen werden, ein Geschenk 1120 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Geistes zu sehen. Schon jetzt bereitet Ihr Euch durch geistliche und organisatorische Aktivitäten, die für jedes Mitglied Eurer kirchlichen Gemeinschaften von Bedeutung sind, darauf vor. Ich wünsche von ganzem Herzen, daß ein solch außerordentliches Ereignis dazu beitragen möge, in jedem die Begeisterung und Treue für Christi Nachfolge wachsen zu lassen und freudig seine Botschaft - Quelle des neuen Lebens - anzunehmen. Ich vertraue Euch darum Maria an, durch die wir den Urheber des Lebens, Jesus Christus, Gottes Sohn und unseren Herrn, erhalten haben. Voll Zuneigung segne ich Euch alle. Aus dem Vatikan am 15. August 1992, Fest der Aufnahme Marias in den Himmel. Joannes Paulus PP. II 700 Jahre Heiliges Haus Loreto Brief an Erzbischof Pasquale Macchi, Päpstlicher Legat für den Wallfahrtsort Loreto, vom 15. August 1. Das heilige Haus von Loreto, der erste international bekannte, der Jungfrau Maria gewidmete Wallfahrtsort und einige Jahrhunderte lange echter marianischer Mittelpunkt der Christenheit, erfreute sich zu allen Zeiten besonderer Aufmerksamkeit seitens der römischen Päpste, die ihn oft zum Ziel ihrer Pilgerfahrten und zum Gegenstand ihrer Hirtensorge machten. Mir selbst war es beschieden, mich zweimal innerhalb dieser gesegneten Mauern im Gebet zu sammeln. Anläßlich der nunmehr unmittelbar bevorstehenden Feierlichkeiten zum - einer alten Tradition gemäßen - siebenhundertjährigen Bestehen dieses eng mit dem Apostolischen Stuhl verbundenen Heiligtums bietet sich mir die Gelegenheit, meine tiefe Verehrung für die dort und in der ganzen Welt so sehr gewürdigte, allerheiligste Jungfrau neuerlich zu bekräftigen. Wenn es sich um religiöse Angelegenheiten handelt, ist eine Jahrhundertfeier nie ein rein chronologisches Ereignis, sondern vielmehr ein Augenblick der Gnade, in der man dankbar der Vergangenheit gedenkt und mit neuer Dynamik in die Zukunft blickt. In unseren Fall wird diese Zielsetzung durch die Tatsache hervorgehoben, daß das Jubiläum in einen Augenblick fällt, wo die gesamte Christenheit sich auf die 2000-Jahr-Feier der Geburt des Erlösers vorbereitet. Maria war, historisch betrachtet, die Morgenröte, die dem Aufgang der Sonne der Gerechtigkeit - Christi, unseres Gottes - voranging; sie erfüllt weiterhin, wann immer man ein neues Kommen des Herrn in der Gnade erwartet, diese mystische Rolle im Leben der Kirche. Wie die Kirche während der letzten Tage der liturgischen Zeit des Advents ihre ganze Aufmerksamkeit auf Maria richtet, aus der der Herr geboren wird, so wird uns nun das laure- 1121 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tanische Jubiläum helfen, während dieses „Advents”, der uns dem Weihnachtsfest des Jahres 2000 entgegenführt, das Gleiche zu tun. Maria - schrieb der hl. Bernhard - ist der „königliche Weg”, auf dem Christus uns entgegengekommen ist und auf dem jetzt wir ihm entgegengehen können” (vgl. 1. Adventspredigt, 5, Zisterzienserverlag, Rom, 1996, S. 174). Sie ist also auch der „königliche Weg” zur Vorbereitung auf das große Ereignis des zweiten christlichen Jahrtausends. 2. Das heilige Haus von Loreto ist nicht nur eine „Reliquie”, sondern auch ein kostbares und konkretes Bildnis. Es ist bekannt, daß die Ikonen immer, besonders für die Gläubigen der orientalischen Kirchen, von außerordentlicher Bedeutung waren und als Zeichen galten, mittels dessen man im Glauben eine Art „geistlicher Berührung” mit dem Geheimnis herstellt, um die Worte des hl. Augustinus zu gebrauchen (vgl. Predigt, Nr. 52, 6, 16, PL 38, 360). Die Ikone „verkörpert” insofern die Wirklichkeit im eigentlichen Sinn des Wortes, als sie diese vergegenwärtigt und wirksam macht. Je älter eine Ikone ist und je größeren Anteil sie am Leben, am Leiden und an den historischen Ereignissen eines Volkes oder einer Stadt gehabt hat, desto größer ist die Gnade, die sie ausstrahlt. Es handelt sich hier um etwas, das seine letzte Erklärung im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen findet. Wie ich in meiner Enzyklika Redemptoris Mater feststellte, sind die Ikonen „Bilder, die den Glauben und den Gebetsgeist des einfachen Volkes bezeugen, das ein Gespür für die beschützende Gegenwart der Muttergottes hat” (Nr. 33). Nun, das gilt in gewisser Hinsicht auch für des heilige Haus von Loreto, dessen Geschichte nicht nur mit der Region der Marken, welche es in sich birgt, eng verbunden ist, sondern auch für die Geschichte der ganzen italienischen Nation, die in Loreto als letztes bedeutsames Ereignis im Jahr 1985 eine wichtige kirchliche Versammlung abhielt. Darüber hinaus hat die gesamte katholische Kirche der Madonna von Loreto Unzählige Kirchen, Kapellen, Bildstöcke und Bilder gewidmet. Wir stehen also hier vor einer vom Glauben und von der Verehrung, von Generationen von Pilgern geweihten Ikone, wobei diese Pilger mit ihren Händen und ihren Knien sogar die Steine geformt haben. Die weltweite Bedeutung dieses Wallfahrtsortes wird auch durch die Tatsache bestätigt, daß die Madonna von Loreto,- von meinem Vorgänger Benedikt XV. zur Schutzpatronin der Luftfahrt erklärt, überall von den Luft-reisenden angerufen wird und. so in einer friedvollen Umarmung alle Erdteile ideell vereint. Wir lassen also der historischen Forschung die volle, ihr gebührende Freiheit, den Ursprung des Wallfahrtsortes und der Tradition von Loreto zu klären, können jedoch mit Recht behaupten, daß seine Bedeutung nicht nur an seiner Herkunft gemessen werden kann, sondern auch an dem, was er hervorgebracht hat. Christus selbst lehrt uns diesen Maßstab, wenn er die Apostel einlädt, jeden Baum nach seinen Früchten zu beurteilen (vgl. Mt 7,16). 3. Das heilige Haus von Loreto ist eine „Ikone”, die keine abstrakte Wahrheit, sondern ein Ereignis und ein Geheimnis darstellt: die Menschwerdung des Wortes 1122 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes. Wenn man den verehrten Raum betritt, liest man immer bewegten Herzens über dem Altar die Worte: „Hic Verbum caro factum est” - Hier ist das Wort Fleisch geworden. Die Menschwerdung, deren man in diesen geheiligten Mauern gedenkt, gewinnt mit einem Schlag ihre echte biblische Bedeutung wieder; es handelt sich nicht nur um eine Lehraussage über das Einswerden zwischen Göttlichem und Menschlichem, sondern vielmehr um ein zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort vorgefallenes Ereignis, wie es die Worte des Apostels auf wunderbare Weise darlegen: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt” (Gal 4,4). Diese Frau ist Maria; sie ist sozusagen der physische und zugleich spirituelle „Raum”, in dem die Menschwerdung stattfand. Doch auch das Haus, in dem sie lebte, ist eine fast plastische Erinnerung an dieses konkrete Ereignis. „In Loreto” - sagte ich vor einigen Jahren während des Angelus, am Tag der unbefleckten Empfängnis - „denkt man über die Geburt Christi, des Göttlichen Wortes, nach und entdeckt sie wieder; über sein einfaches, verborgenes Leben auf Erden - für uns und mit uns. In Loretö wird die geheimnisvolle Wirklichkeit von Weihnachten und der Heiligen Familie in gewisser Weise greifbar und zum persönlichen, innerlich bewegenden und wandelnden Erlebnis” (.Angelus vom 8. Dezember 1987). Das Geheimnis der Menschwerdung vollzog sich im Lauf einiger Augenblicke; diese schließen die großen Aussagen in sich, welche das Heiligtum von Loreto in der Kirche wachhalten soll. Es handelt sich dabei um: 1. Den Gruß des Engels, d. h., die Verkündigung; 2. die Antwort aus dem Glauben, das „Fiat” Marias; 3. das erhabene Ereignis der Menschwerdung des göttlichen Wortes. Wir können diese Augenblicke in drei Worten zusammenfassen: Gnade, Glaube und Heil. Der gleichen Worte bediente sich der Apostel zur Beschreibung des christlichen Geheimnisses: „Aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet” (Eph 2,8). Die christliche Frömmigkeit hat diese drei Augenblicke auf hervorragende Weise im Gebet des Angelus zum Ausdruck gebracht, das wir aufgrund seines Inhaltes als das eigentliche laurentanische Gebet betrachten können: „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft ... Siehe, ich bin die Magd des Herrn ... Und das Wort ist Fleisch geworden...”. 4. Der Bericht der Verkündigung mit seinem Höhepunkt „voll der Gnade” sagt die grundlegende Wahrheit aus, die den Anfang von allem bildet: Die Beziehung Gottes zum Geschöpf schließt das freie Geschenk, die freie und souveräne Entscheidung Gottes ein, eben all das, was die biblische Ausdrucksweise unter „Gnade” versteht. Die Gnade Gottes ist die letzte Erklärung der Größe Marias und nach ihr ihres keuschen Bräutigams, des hl. Josef und der gesamten Kirche. Die Gnade, die Maria empfangen hat, ist nicht nur etwas Gewolltes, ein an sie gerichteter Erweise der Gunst Gottes, sondern etwas Wirkliches; sie ist die ihr im voraus, im Hinblick auf den Tod ihres Sohnes geschenkte Gnade Christi und letzten Endes der Heilige Geist 1123 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN selbst. Wenn man so sagt, sie sei „voll der Gnade”, so erklärt man gleichzeitig, daß sie voll des Heiligen Geistes ist. Das Heilige Haus von Loreto, wo sozusagen noch die Anrede „Gegrüßet seist du, voll der Gnade” widerhallt, ist daher vorzüglich dazu geeignet, nicht nur eine Betrachtung über die Gnade anzustellen, sondern diese auch zu empfangen, zu intensivieren und, sollte sie in Verlust geraten sein, mittels der Sakramente wiederzufinden, vor allem im Sakrament der Versöhnung, das im Leben dieses Wallfahrtsortes stets einen so wichtigen Platz eingenommen hat. 5. Der zweite Augenblick des Geheimnisses der Menschwerdung, wie ich vorher angedeutet habe, der des „Fiat”, d. h. des Glaubens: „Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast” (Lk 1,38). Und Elisabet nahm sicher auf diesen Augenblick bezug, als sie Maria wenig später „selig” nannte, weil sie geglaubt hatte (vgl. Lk 1,45). Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt uns, die wahre Größe Marias mehr noch in ihrem Glauben als in ihren Privilegien wahrzunehmen. Sie war die erste Glaubende des Neuen Bundes; sie ging den „Pilgerweg des Glaubens” (Lumen Gentium, Nr. 58). Dank ihres Glaubens empfing sie, wie der hl. Augustinus sagt, Christus „zuerst in ihrem Geist und dann erst in ihrem Leib” (Predigt Nr. 215, 4, PL 38, 1074). Die zweite Botschaft, die in den Mauern des heiligen Hauses widerhallt, ist also die des Glaubens. In Loreto ist der Glaube Marias geradezu ansteckend, ein Glaube, der nicht nur Zustimmung des Verstandes zu einer geoffenbarten Wahrheit ist, sondern auch Gehorsam, freudige Hineinnahme Gottes in das eigen Leben und ein rückhaltloses und hochherziges „Ja” zu seinem Plan. In der Redemptoris Mater stellte ich fest, daß der Glaube Marias ständig im christlichen Volk weitergegeben wird, auch „durch die werbende und ausstrahlende Kraft der großen Heiligtümer, in denen nicht nur einzelne oder örtliche Gruppen, sondern bisweilen ganze Nationen und Kontinente die Begegnung mit der Mutter des Herrn suchen, mit derjenigen, die selig ist, weil sie geglaubt hat” (Nr. 28). Das gilt auf ganz besondere Weise für das Heiligtum von Loreto. Zahllos sind die einfachen Gläubigen und die von der Kirche heiliggesprochenen Menschen, die in den Mauern des Hauses von Loreto ihre „Verkündigung” erlebten, d. h. die Offenbarung der Pläne Gottes für ihr Leben und die, die Beispiel Marias folgend, vor Gott ihr endgültiges „Fiat” und ihr „Siehe, ich bin der Magd des Herrn” ausgesprochen haben. Der hl. Leo der Große stellt fest, daß „die Kinder der Kirche von Christus bei seiner Geburt gezeugt wurden” (Predigt Nr. VI, 2: PL 54, S. 213) und die Konstitution Lumen Gentium bekräftigt, daß Maria „sogar Mutter der Glieder Christi (ist), denn sie hat in Liebe mitgewirkt, daß die Gläubigen in der Kirche geboren würden, die dieses Hauptes Glieder sind” (Nr. 53). Damit wird ausgesagt, daß das „Ja” Marias in gewissem Sinn auch uns galt. Indem sie das Haupt empfing, „empfing” sie - d. h. dem Buchstaben nach, „nahm sie mit ihm”, zumindest objektiv gesprochen - auch uns an, die wir seine Glieder sind. In diesem Licht betrachtet, erscheint das heilige 1124 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Haus von Nazaret als das Haus aller, in dem auf geheimnisvolle Weise auch wir empfangen wurden. Von ihm kann man sagen: „Jeder ist dort geboren” (Ps 87,2). 6. Der dritte Augenblick schließlich ist der der Menschwerdung des göttlichen Wortes, d. h. das Kommen unseres Heiles. Der Angelus erinnert an diesen Augenblick mit den erhabenen Worten des Prologs: „Und das Wort ist Heisch geworden und hat unter uns gewohnt”. Indem sie im Glauben die Gnade annimmt, wird Maria wahre Mutter Gottes und Abbild der Kirche. „Jede glaubende Seele - schreibt der hl. Ambrosius - empfängt und zeugt das Wort Gottes ... Wenngleich es dem Heisch nach nur eine Mutter Christi gibt, zeugen dennoch alle Seelen Christus, wenn sie das Wort Gottes aufnehmen” (Kommentar zum Lukasevangeliumm 11,26 CSEL, 32, 4,S. 164). Worin besteht also die Botschaft, zu deren Verbreitung in aller Welt das Heilige Haus von Loreto als „Heiligtum der Menschwerdung” beitragen muß? Es ruft uns das Heil in seinem Anfangsstadium ins Gedächtnis, das, wie bekannt, immer besonders beeindruckend ist; es macht irgendwie den in der Geschichte einzigartigen Augenblick gegenwärtig, in dem die große Neuheit in die Welt einbrach. Das Heilige Haus hilft uns also, angesichts eines solchen Geheimnisses das gebührende Staunen, die Anbetung und Schweigen wiederzufinden; es trägt dazu bei, aus der Zweitausend-Jahr-Feier des Christentums, die in Kürze bevorsteht, eine Gelegenheit zur Wiederentdeckung der ungeheuren Bedeutung der Menschwerdung des göttlichen Wortes für den Glauben und des Leben der Christen zu machen. Selbst der in Loreto auffallende Gegensatz zwischen den kahlen Innenwänden des heiligen Hauses und seiner großartigen Marmorverkleidung an der Außenseite hilft uns, manche Aspekte des Geheimnisses des Menschwerdung zu verstehen! „Er, der reich war, wurde um euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen” (2 Kor 8,9). Nichts bringt die transzendente Größe der Werke Gottes besser zum Ausdruck als der Verzicht auf alle Größe und das Fehlen jeder menschlichen Aufmachung. Die Schmucklosigkeit des Heiligen Hauses von Nazaret verkündet die Blöße des Kreuzes und das Geheimnis der Menschwerdung schließt schon den Kern des Ostergeheimnisses in sich. Es handelt sich um ein und dasselbe Geheimnis der Entblößung und der „kenosis”, das Maria zutiefst mit ihren Sohn verbunden hat (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 17). Ein Aspekt, der im Heiligtum von Loreto auf besondere Weise gepflegt werden muß, ist die Rolle des Heiligen Geistes im ersten Augenblick des Heils. Ihm ist es zu danken, daß die Menschwerdung einerseits das Ostergeheimnis verkündet und andererseits bereits auf Pfingsten anspielt. Unter Bezugnahme auf das Ende des zweiten Jahrtausends schrieb ich im meiner Enzyklika Dominum et vivificantem: „Die Kirche kann sich darauf in keiner anderen Weise als im Heiligen Geist vorbereiten. Was in der , Fülle der Zeit’ durch das Wirken des Geistes geschah, kann heute nur durch sein Wirken im Gedächtnis der Kirche neu erwachen” (Nr. 51). Und wo könnte man wirksamer von der Rolle des Heiligen Geistes sprechen, der Leben 1125 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schenkt, als im Heiligtum von Loreto, das an den Augenblick und an den Ort erinnert, an dem er das erhabenste seiner lebensspendenden Werke vollbrachte, indem er im Schoß Marias der Menschennatur des Erlösers das Leben schenkte? 7. Was wir soeben gesagt haben, hilft Uns! besser zu verstehen, worin in der neuen religiösen Situation von heute die Aufgabe der großen Wallfahrtsorte und insbesondere Loretos bestehen könnte: Sie dürfen sich nicht Nebensächlichkeiten widmen, sondern müssen, ganz im Gegenteil, Orte sein, zu denen man pilgert, um nicht so sehr „Gnaden”, sondern um vielmehr „die Gnade” zu empfangen. Will man heute auf die neuen Herausforderungen der Säkularisierung eingehen, so ist es notwendig, daß die Wallfahrtsorte der Evangelisierung dienen und echte Hochburgen des Glaubens in dem Sinn des Wortes seien, den es auf den Lippen Jesu hatte: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium” (Mk 1,15). „Man könnte vielleicht - schrieb ich weiterhin in der Redemptoris Mater - von einer eigenen , Geographie’ des Glaubens und der marianischen Frömmigkeit sprechen, die all diese Orte einer besonderen Pilgerschaft des Gottesvolkes umfaßt” (Nr. 28). Es ist bekannt, welche vorrangige Rolle bei der ersten Evangelisierung Europas einige große Abteien als Zentren der Spiritualität und als echte Ausgangspunkte für die Verbreitung des Glaubens spielten: Die großen Wallfahrtsorte - heute auch dank der größeren Reisefreudigkeit der Menschen zu Orten vermehrten Zulaufs geworden - sind im Hinblick auf die neue Welle der Evangelisierung, deren dringende Notwendigkeit für Europa und für die ganze Welt wir jetzt wahmehmen, zu einer analogen Aufgabe berufen. Dazu ist das kluge und eifrige Wirken der an den Wallfahrtsorten Tätigen und der geistlichen Begleiter der Pilger erforderlich. Deshalb kann man nicht genügend auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Pa-storal hinweisen, die für die großen Herausforderungen und die Zeichen der Zeit aufgeschlossen ist und sich, vor allem was die wirksame Verwaltung der Sakramente und die Zentralität des Wortes Gottes betrifft, an den vom Konzil und den in letzter Zeit von kirchlichen Lehramt veröffentlichten Richtlinien inspiriert. Wie viele Menschen haben aus Neugierde einen Wallfahrtsort besucht und sind verwandelt und innerlich erneuert heimgekehrt, weil sie ein erleuchtendes Wort vernommen haben! Das Wort, das Gott durch den Mund des Propheten spricht, gilt ganz besonders für die Wallfahrtsorte: „Mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker genannt” (Jes 56,7). Die Ausstrahlung der Wallfahrtsorte wird mehr und mehr an ihrer Fähigkeit gemessen, auf die wachsende, vom Menschen in der Hast des heutigen Lebens wahrgenommenen Sehnsucht nach einer wortlosen Begegnung mit Gott und mit sich selbst einzugehen. - Welche Gnaden kann gerade eine solche Begegnung beim heiligen Haus von Naza-ret vermitteln, wo Maria und Jesus selbst einen großen Teil ihrer Zeit dem schweigenden und verborgenen Gebet widmeten! 1126 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mein Anliegen ist daher die Verwirklichung dessen, was ich bei der vorhin erwähnten Gelegenheit wünschte: „In Loreto empfangen tagtäglich unzählige Scharen aus aller Welt die Sakramente der Buße und der Eucharistie, und viele kehren um vom Unglauben zum Glauben, von der Sünde zur Gnade, von der Lauheit und Oberflächlichkeit zum geistlichen Eifer und zur Zeugnispflicht. Loreto ist ein Ort des Friedens für die Seele, der besonderen Begegnung mit Gott, der Zuflucht für den, der die Wahrheit und den Sinn seines eigenen Lebens sucht” (Angelus vom 8. Dezember 1987). 8. Ich habe gesagt, daß die Wallfahrtsorte mehr und mehr zu Orten werden müssen, an denen man die Erfahrung des Wesentlichen, der Absolutheit Gottes machen kann. Trotzdem dürfen dort die alltäglichen Lebensprobleme nicht vergessen werden. Der Gedanke an das verborgene Leben in Nazaret ruft höchst konkrete Fragen ins Gedächtnis, die den Erfahrungen jedes Mannes und jeder Frau ähnlich sind: Das Wissen um die Heiligkeit der Familie und damit sofort eine ganze Reihe von Werten, die heute so sehr bedroht-sind, nämlich die Treue; die Achtung für das Leben; die Erziehung der Kinder; das Gebet, das die christlichen Familien innerhalb der Wände des Heiligen Hauses, der ersten und vorbildlichen Hauskirche der Geschichte wiederentdecken können. Ich erinnere mich der Worte, mit denen mein Vorgänger Paul VI. die von ihm so genannte „Lehre von Nazaret” zum Ausdruck brachte: „Nazaret möge uns lehren, was die Familie ist, möge uns seine Gemeinschaft der Liebe lehren, ihre strenge und einfache Schönheit, ihren heiligen und unverletzlichen Charakter; wir wollen von Nazaret lernen, wie beglückend und unersetzlich die: von ihr empfangene Persönlichkeitsbildung ist; wir sollen lernen, daß ihre Funktion der Ursprung und die Grundlage des gesellschaftlichen Lebens ist” (Ansprache Pauls VI. in Nazaret, 5. Januar 1964). Das Heilige Haus möge gleichzeitig auch die Größe der Berufung zum gottgeweihten Leben und zur Jungfräulichkeit um des Himmelreiches willen in Erinnerung rufen, die hier, in der Person Marias, der Jungfrau und Mutter, ihre erste Verwirklichung fand. Den jungen Menschen schließlich, die in großer Zahl zum Haus der Mutter pilgern, möchte nochmals die bereits bei einer anderen Gelegenheit ausgesprochenen Worte zurufen: „Geht Maria entgegen, geht mit Maria ... Laßt in euren Herzen ihr ,Fiat’ widerhallen” (Macerata, 19. Juni 1993). Mögen die Jugendlichen im Licht der Lehren des Hauses von Nazaret sich mit neuem Eifer als katholische Laien dafür einsetzen, daß Christus wieder in den Herzen, in den Familien, in der Kultur und in der Gesellschaft lebendig werde (vgl. ebd.). Auf die berechtigten Bemühungen unserer Zeit um die Anerkennung der Rolle, welche der Frau in Gesellschaft und Kirche zusteht, kann auch hier auf die geeignetste Weise näher eingegangen werden. Aufgrund der Tatsache, daß Gott „seinen Sohn (sandte), geboren von einer Frau” (Gal 4,4), hat jede Frau in Maria eine Würde erlangt, wie es sie größer nicht geben kann (vgl. Mulieris Dignitatem, Nr. 3-5). 1127 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Darüber hinaus kann keine theoretische Überlegung die Würde der menschlichen Arbeit besser zum Ausdruck bringen als die einfache Tatsache, daß der Sohn Gottes in Nazaret gearbeitet hat und „Sohn des Zimmermannes” (vgl. Mt 13,55) genannt werden wollte. Der christliche Arbeiter, der seine Berufung angesichts des Heiligen Hauses überdenkt, entdeckt auch eine andere wichtige Wahrheit: die Arbeit adelt nicht nur den Menschen und macht ihn zum Teilnehmer am Schöpfungswerk Gottes, sondern kann auch ein echter Weg zur Verwirklichung der fundamentalen Berufung zur Heiligkeit sein (vgl. Laborem exercens, Nr. 24-27). Wie könnte man es schließlich unterlassen, auf die „Entscheidung zugunsten der Armen” anzuspielen, welche die Kirche mit dem Konzil getroffen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8) und in der Folgezeit immer klarer bekräftigt hat? Die kahlen und einfachen Wände des Heiligen Hauses erinnern uns sichtbar daran, daß Gott selbst in Maria diese Entscheidung zum ersten Mal getroffen hat, in ihr, die, wie ein schöner Konzilstext sagt: „Sie ragt unter den Demütigen und Armen des Herrn hervor, die das Heil mit Vertrauen von ihm erhoffen und empfangen (ebd., Nr. 55). Und im Hinblick auf dieses Thema der Armut und des Leidens: In der Geschichte des Heiligtums nahmen die Kranken einen Ehrenplatz ein, zählten zu den ersten Pilgern zum Heiligen Haus und verbreiteten seinen Ruhm unter der Bevölkerung. Auch heute ist es ihre Anwesenheit, insbesondere im sogenannten „weißen Zug”, die an diesem Wallfahrtsort das Erleben einiger bewegender Augenblicke des Glaubens und der tiefen Frömmigkeit mögüch macht. Wo könnten die Kranken schließlich bessere Aufnahme finden als im Haus Marias, welche die lauretanische Litanei als „Heil der Kranken” und „Trösterin der Betrübten” anruft? In ihrer Nähe entdeckt der Kranke, daß „leiden besonders empfängüch und offen werden (läßt) für das Wirken der heilbringenden Kräfte Gottes” (Salvifici doloris, Nr. 23). 9. Mein Wunsch ist es, daß der ruhmreiche Wallfahrtsort des Heiligen Hauses, der während der 2000 Jahre, die nun zu Ende gehen, eine so bedeutende Rolle im Leben des christlichen Volkes spielte, diese auch im herannahenden dritten Jahrtausend spiele und, wie in der Vergangenheit, eines des erhabensten marianischen Zentren der Christenheit sei. „Möge dieses Heiligtum von Loreto - sagte mein Vorgänger Johannes XXIII. anläßlich seines historischen Besuches - immer sozusagen ein zur Welt hin offenes Fenster sein und geheimnisvolle Stimmen wachrufen, welche die Heiligung der Seelen, der Familien und der Völker verkünden” (Acta Apostolicae Sedis, 54 [1962] S. 726). Die Jungfrau von Loreto möge von ihrem Hügel aus alle Völker segnen, insbesondere jene, die auf der anderen Seite der Adria, wo die Tradition von Loreto so lebendig ist, heute vom Bruderkrieg heimgesucht werden! Möge sie schließlich unter ihrem Mantel alle Christen mit einer mütterlichen Geste vereinigen und so in diesem - der Tradition nach aus dem Orient stammenden - Heiligtum die ihm innewohnende ökumenische Bemfung neu aufleben lassen. 1128 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Indem ich Ihnen mitteile, daß ich auch beabsichtige, unter bestimmten Bedingungen den Besuchern dieses Wallfahrtsortes in seinem Jubiläumsjahr einen besonderen Ablaß zu gewähren, erteile ich Ihnen, lieber Mitbruder, den Mitgliedern der Päpstlichen Delegation und der Kommunität der Kapuziner, der Stadt Loreto und allen Pilgern, welche das Heiligtum besuchen oder an seinen Feierlichkeiten teilnehmen, als Unterpfand himmlischer Gnaden meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 15. August, Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel, im Jahr 1993, dem fünfzehnten meines Pontifikats. Für ein friedliches und vertrauensvolles Zusammenleben aller Bürger Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen estnischen Botschafters beim Hl. Stuhl, Tiit Matsulevits, am 28. August Herr Botschafter! Es ist mir eine besondere Freude, aus Ihren Händen das Schreiben entgegenzunehmen, mit dem der Präsident der Republik Estland, Seine Exzellenz Herr Lennart Meri, Sie, Exzellenz, als seinen außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter beglaubigt. Hierin sehe ich eine willkommene Bestätigung von ehrlicher gegenseitiger Achtung und aufrichtiger Freundschaft, die zwischen dem Heiligen Stuhl und Ihrer Heimat entstanden ist, nachdem der Heilige Stuhl die neue Republik am 10. Oktober 1921 anerkannt und 1933 die diplomatischen Beziehungen aufgenommen hat. Auch wenn die Beziehungen in weit zurückliegenden Zeiten den Anfang genommen haben, als Estland noch wesentlicher Bestandteil von Livland war, begann auf diese Weise ein beispielhafter Dialog zwischen dem Heiligen Stuhl und Estland. Die katholische Gemeinschaft, auch wenn sie nur eine beschränkte Anzahl von Gläubigen aufwies, fühlte sich frei inmitten von mehrheitlichen und auf estländischer Erde fest verwurzelten Konfessionen. Im Jahre 1924 wurde Seine Exzellenz Msgr. Antonio Zecchini, der von 1922 an Apostolischer Delegat für die Baltischen Länder war, zum ersten Apostolischen Administrator für Estland ernannt. Dann wurde 1931 der deutsche Jesuit Pater Eduard Profittlich zum Apostolischen Administrator ernannt. Er nahm die estländische Staatsangehörigkeit an und wurde sodann mit dem Titel „Erzbischof von Adrianopoli von Emimont” ausgezeichnet. Seine pastorale Tätigkeit, von allen anerkannt - und angeregt von einem ökumenischen Geist, der den Zeiten von intensivem und brüderlichem Dialog zwischen den christlichen Kirchen vorausging -, wurde 1941 infolge der von seinem Land ein Jahr zuvor erlittenen ausländischen Besatzung unterbrochen. 1129 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Von dem Augenblick an, als sich der Horizont der eigenen Unabhängigkeit verfinsterte und Msgr. Profittlich auf das Leiden des Martyriums zuging, dessen Ausgang immer noch ein Geheimnis für die katholische Kirche und für seine Familie ist, wurde der Dialog abgebrochen, der, Gott sei gedankt, jetzt wieder fortgesetzt werden kann. Nach der Ernennung eines Apostolischen Nuntius in Tallinn in der Person von Msgr, Justo Mullor Garcia, der zugleich zum Apostolischen Administrator von Estland „ad nutum Sanctae Sedis” bestellt ist, und mit der Ernennung Eurer Exzellenz zum Botschafter beim Heiligen Stuhl zeichnet sich dieser Dialog als sehr verheißungsvoll ab. Im Blick auf einen Austausch von freundschaftlichem und gegenseitigen Wohlwollen kündigt sich auch der Besuch an, den ich in Kürze der Hauptstadt von Estland abstatten werde. In der Tat erfreut mich der Gedanke, daß auch ich bald die herbeigesehnte Gelegenheit haben werde, die Stadt Tallinn zu besuchen, geschichtsträchtig und ebenso reich an charakteristischem Profil, wo die Turmspitzen der Kirchen, in denen man betet, sich mit den Wachtürmen abwechseln, von wo aus die Esten durch lange Jahrhunderte die Zeichen der Hoffnung oder von Angst, die vom Baltikum kamen, zu deuten versuchten. Auch der Papst bereitet sich vor, jenes Stadtbild zu bewundern, das eine ganze Geschichte einschließt und einen deutlichen ökumenischen Willen versinnbildlicht. Er schickt sich vor allem an, den Menschen zu begegnen, die die Tradition des Landes hüten, das für den Glauben und für die Freiheit ebenso offen ist wie für das Meer und dessen umfassende Dynamik von Arbeit und menschlichem Austausch. Es ist mir besonders angenehm, an die Begegnungen zu denken, die ich außer mit dem Präsidenten der Republik, dem meinen ehrerbietigen Gruß im voraus zu übermitteln ich Sie bitte, mit allen christlichen Gemeinschaften haben werden, angefangen natürlich mit derjenigen der Katholiken. In der Kirche der heiligen Petrus und Paulus und in Sankt Nikolaus wie auch auf dem eindrucksvollen Platz, der inmitten der Altstadt die Geschichte der Nation hütet, werde ich in Gemeinschaft mit den Esten für Estland beten. Ich werde zu den Esten darüber sprechen, was mich wie so viele von ihnen im Herzen bewegt und was der Grund meiner Mission ist. Wir werden über das Wort Christi sprechen und über die unermeßlichen Möglichkeiten, die es allen bietet, die - wie auch Ihre Mitbürger - einen dauerhaften Frieden suchen, der in der Wahrheit und der Gerechtigkeit gründet. Der Gang der historischen Entwicklungen hat immer wieder dazu geführt, daß auch Minderheiten verschiedener Nationalität in einem Staatswesen Zusammenleben. In der von der Kirche stets betonten Sicht zeichnet sich eine moderne und in der Anerkennung der Menschenrechte gereifte Gesellschaft auch dadurch aus, daß sie ein friedliches und vertrauensvolles Zusammenleben aller Bürger ermöglicht und ethnischen, kulturellen und religiösen Minderheiten die volle und ungehinderte Ausübung der ihnen zukommenden Rechte gewährleistet. Die Kirche kann nicht aufhören, wahre Eintracht und friedliches gesellschaftliches Zusammenleben zwischen den Bürgern zu fördern, da wir ja alle Söhne und Töchter des einen Vaters im Himmel 1130 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sind und von demselben Christus Heil und Erlösung empfangen haben (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag,. 1. Januar 1989). Ich kenne die Leiden, die die Menschen in Estland auch in der jüngsten Vergangenheit haben ertragen müssen, und die Hoffnungen, die sie für die Zukunft hegen. Mir sind sowohl der Aufschwung bekannt, mit dem sie versuchen, Ziele eines wachsenden Wohlstandes zu erreichen, als auch die Probleme, die diesen Dynamismus bremsen können: die Anwesenheit ausländischer Streitkräfte auf nationalem Gebiet, die Beziehungen mit ethnischen und kulturellen Minderheiten, die die Geschichte zahlenmäßig wichtig werden ließ, die Anbahnung zu einer neuen Art von Wirtschaft, die gleichzeitig Herausforderungen verschiedenen Ursprungs, denen die Institution Familie ausgesetzt ist, die wachsende Öffnung für den Tourismus und den Austausch mit geographisch und kulturell entfernten Ländern, die neuen Geistesströmungen und die Verhaltensweisen, die um die nicht immer umsichtige, wohl aber stets großzügige Zustimmung der Jugendlichen ringen. Herr Botschafter! Für die richtige Lösung dieser und anderer Probleme - die in meinem Gebet in Rom eingeschlossen sind und die auch in jenes aufgenommen werden, das ich in Tallinn an Gott richten werde - spreche ich heute meine innigsten Wünsche aus. In dem ihm eigenen Maß und unter Mitwirkung auch der katholischen Esten wird sich der Heilige Stuhl einsetzen, um einen aktiven Beitrag zu leisten beim Suchen nach wirksamen und dauerhaften Lösungen zum Wohle aller Beteiligten. Mit diesen Empfindungen wünsche ich Ihnen, Exzellenz, eine fruchtbare Tätigkeit, getragen von Gottes reichem Segen. Aus dem Vatikan, am 28. August 1993 Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes Brief an Kardinal Hans Hermann Groer, Erzbischof von Wien, anläßlich des 10. Jahrestages des Pastoralbesuches in Österreich vom 31. August Lieber Herr Kardinal! „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ” (Lk 1,45). Diese Worte aus dem Lukasevangelium über die allerseligste Jungfrau Maria standen im Mittelpunkt der Betrachtungen über Leben und Sendung Mariens und unsere eigene Berufung als Christen, als wir am Heiligtum von Mariazell ganz Österreich der Gottesmutter in besonderer Weise anempfohlen haben. In dankbarer Erinnerung gehen meine Gedanken zu diesen an geistlichen Erfahrungen so reichen Tagen meines Pastoralbesuches in ihrem geliebt Land zurück, und 1131 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit freudiger Genugtuung habe ich Kenntnis von den Feierlichkeiten erhalten, mit denen an diesem 13. September meines Besuches vor 10 Jahren gedacht wird. In der Tat können die Erinnerung an die großen Taten Gottes, wie sie Maria im Ma-gnificat besingt, und die großherzige Antwort, die der Ruf Gottes in ihrem Herzen gefunden hat, auch uns heute mit freudiger Dankbarkeit erfüllen. Denn „wie die Mutter Jesu, im Himmel schon mit Leib und Seele verherrlicht, Bild und Anfang der in der kommenden Weltzeit zu vollendenden Kirche ist, so leuchtet sie auch hier auf Erden in der Zwischenzeit bis zur Ankunft des Herrn als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voran” (Lumen Gentium, Nr. 28). Wenn ich mich heute an die in Wien versammelten Gläubigen wende, die gemeinsam mit ihren Bischöfen und zahlreichen Priestern die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau für ihr Land, für ihre Familien, für ihren eigenen Lebens- und Glaubensweg anrufen, so lade ich sie herzlich dazu ein, mit ihrem gläubigen Lebenszeugnis auch zukünftig der Welt erfahrbar zu machen, daß Maria der sichere Weg ist, der uns mit unseren berechtigten Wünschen und Hoffnungen, mit unseren Sorgen und Leiden zu ihrem Sohn führen kann in das Heiligtum seines hebenden Herzens, damit er seinen Brüdern und Schwestern den Vater zeige, das selige Ziel unseres Weges. Wir wollen in diesen Tagen des Gedenkens an die Wiedergewinnung der vollen staatlichen Freiheit Österreichs der mütterlichen Fürsprache Mariens aber auch das Wohl und die Freiheit der ganzen Kirche und aller Gläubigen anvertrauen. In ihre Hände legen wir die Sehnsucht der Menschheit nach verläßlichem Frieden, nach Gerechtigkeit und wahrer Brüderlichkeit unter den Völkern in Nah und Fern. Während ich Sie, Heber Herr Kardinal, bitten darf, allen in Wien versammelten Mit-brüdem im Bischofsamt, den Priestern und Ordensleuten sowie allen Christgläubigen meine besten Wünsche und Grüße zu übermitteln, erteile ich Ihnen allen auf die Fürsprache der aHersehgsten Jungfrau und Gottesmutter Maria von Herzen meinen Apostohschen Segen. Aus dem Vatikan, am 31. August 1993 Eine in Zielen und Werken übereinstimmende Gemeinschaft Brief an Präsidenten des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen, Miloslav Vlk (Erzbischof von Prag), vom 1. September l.Das Symposium der europäischen Bischöfe, das in den kommenden Tagen in Prag stattfinden wird, erinnert mich vor allem an den 22. April 1990, als ich im Heiligtum von Velehrad, im nahegelegenen Mähren, die Einberufung einer Sonderkonferenz der Bischöfe für Europa ankündigte. Seitdem ist nicht viel Zeit vergangen, aber dennoch ist es im europäischen Raum zu bedrohfichen und bedeutungsvollen Ereignissen gekommen. Im gesellschaftlichen und politischen Bereich setzt sich der 1132 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN große Befreiungsprozeß der Mittel- und Osteuropäischen Staaten fort, dessen Auswirkungen zutiefst auch das betreffen, was einst das Zentrum des kommunistischen Machtsystems war. Gleichzeitig aber haben sich die Konflikte unter den sich hinsichtlich ihrer geographischen Lage und ihrer kulturellen Traditionen nahestehenden Völkern verschärft, was in einigen Fällen zu Kriegs Situationen von unglaublicher Grausamkeit führte. Die wirtschaftliche Entwicklung und der europäische Integrationsprozeß, die sich - wie es schien - nach und nach auf den gesamten Kontinent ausweiten sollten, sind bedauerlicherweise zum Stillstand gekommen, während die Plage der Arbeitslosigkeit überall in Europa ständig bedrohlicher wird. Im religiösen und kirchlichen Bereich war die Synodentagung ein besonderer Moment der Gnade, dessen Früchte wir mit viel Weisheit reifen lassen müssen. Dazu können wir bereits die Erneuerung und Stärkung der Struktur des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen zählen, dem nun die Präsidenten eben dieser Konferenzen angehören. 2. Es ist notwendig, daß die in den verschiedenen europäischen Nationen vertretenen Kirchen Gottes eine starke in Zielen und Werken übereinstimmende Gemeinschaft bilden, und sich des „kairos” dieses letzten Jahrzehnts des zweiten christlichen Jahrtausends bewußt werden, in dem Christus, der Herr aller Zeiten, uns zu neuem Eifer der Verkündigung und des Zeugnisses aufruft. Wenn wir diese zweitausend Jahre zurückverfolgen, kommen wir nicht umhin, den Plan Gottes darin zu erkennen, daß Europa, obwohl es nicht der Ort der ersten Ankunft Christi war, dennoch jener Kontinent ist, in dem das Christentum die tiefsten Wurzeln geschlagen hat. Die Apostelgeschichte berichtet, daß der Völkerapostel - den ein Mazedonier im Traum gebeten hatte (vgl. Apg 16,9) - sich nicht ohne den besonderen Eingriff des Heiligen Geistes auf den Weg der Evangelisierung machte, der ihn in die Mitte der römisch-griechischen Welt führte. Unverkennbar ist auch der Einfluß der Vorsehung auf dem entsprechenden Weg des Petrus, der von Jerusalem nach Antiochia reisend schließlich Rom zu seinem definitiven Sitz machte, indem er sie mit seinem Märtyrertod kennzeichnete. Seitdem ist das Christentum eng mit Europa verwurzelt, das somit auch zum „missionarischen” Kontinent schlechthin geworden ist. Leider fehlt es heute nicht an starken, der Evangelisation entgegenwirkenden Strömungen, die versuchen, die christlichen Wurzeln unserer Zivilisation bloßzulegen und somit drohen, die wichtigste Quelle des europäischen Humanismus versiegen zu lassen. Dieser besorgniserregenden Aussicht müssen wir mit neuem Evangelisationseifer begegnen, indem wir uns die Aufforderung des Apostels voll und ganz zu eigen machen: „Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!” {Röm 12,21). 3. Deshalb, verehrter Bmder, scheint das für dieses achte Symposium der europäischen Bischöfe ausgewählte Thema ganz besonders treffend zu sein: „Das Evangelium mit Freiheit und Solidarität leben”. 1133 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es greift jenen grundlegenden und entscheidenden Gedanken der Neuevangelisierung Europas^ wieder auf, der im Mittelpunkt der Bischofssynode stand und der seit 1982 das Hauptargument eurer Symposien darstellt; es befaßt sich mit ihm unter dem Aspekt der Suche nach Freiheit, Wahrheit und Gemeinschaft, die, wie es in der Abschlußerklärung der Synode heißt: „die tiefste, älteste und dauerhafteste Instanz des europäischen Humanismus ist, die auch in ihrer modernen und zeitgenössischen Phase weiterhin wirksam ist” (Nr. 4). Die gleiche Erklärung unterstreicht, daß die Beziehung zwischen Freiheit und Wahrheit, und zwischen Freiheit und Solidarität nicht als gegenseitige Antithese verstanden werden soll - wie es in der europäischen Kultur allzu oft der Fall war und ist - sondern vielmehr im Sinn von enger Verbindung und notwendiger Wechselbeziehung. Ebenso können wir nie den Ursprung und den lebendigen Kern der Wahrheit, der Freiheit und der Gemeinschaft, die Person Jesu Christi, aus den Augen verlieren (vgl. ebd.). 4. Euer Symposium wird demnach vor allem über die Art und Weise nachdenken, wie die Kirche - das Geschenk Gottes empfangend und in sich selbst das Evangelium in der Wahrheit, der Freiheit und der Gemeinschaft lebend - im heutigen Europa, mit dem Licht und der Kraft des Geistes, missionarisch tätig sein kann. Diese kirchliche Dimension der Neuevangelisierung muß allerdings, dem Willen des Herrn und den Anforderungen der augenblicklichen Situation in Europa entsprechend, von einer grundlegenden ökumenischen Sorge gekennzeichnet sein. Ganz besonders notwendig ist auch ein authentisches theologisches Verständnis der Wandlungen in Europa, um die Zeichen der Zeit in den Glauben aufzunehmen. Unter anderem muß auf die moralische Verfassung des Menschen in Europa hingewiesen werden, der weitgehend von Relativismus und Permissivität beeinflußt wird, wodurch die Stimme des Gewissens selbst erstickt und somit jede objektive Abgrenzung zwischen Gutem und Bösem verhindert wird: In diesem Werk der Neuevangelisation müssen demnach auf mutige Weise jene moralischen Werte unterstrichen werden, die in den konkreten Situationen des Lebens die Wahrheit des nach dem Ebenbild Gottes geschaffenen Menschen zum Ausdruck bringen: Nur durch ihre vollkommene Achtung ist Cs möglich, wahre Freiheit und wirkliche Solidarität zu erlangen. Angesichts der Schwierigkeiten, die den Weg der europäischen Völker zum Aufbau ihres „gemeinsamen Hauses” erschweren, in dem sie in Frieden zusammen leben, sich integrieren und sich gegenseitig bereichern können, wird es stets dringlicher - in der neuen Evangelisierung - der Soziallehre der Kirche angemessene Aufmerksamkeit zu widmen. Unter anderem hilft sie, auf korrekte Weise den Wert der eigenen nationalen Identität zu erkennen, und ihn in einer gemeinschaftlichen Perspektive zu leben. Außerdem erinnert sie Europa an seine unausweichlichen Pflichten gegenüber den ärmeren Völkern in der Welt. 1134 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Verehrter Bruder, die Überzeugung unseres Glaubens, daß die Evangelisation, weit mehr als unser Werk, die Kraft des Geistes ist, der durch unsere Schwäche wirkt, gibt uns Zuversicht und Mut in allen Teilen Europas und über jegliche Schwierigkeiten hinaus, die Zeugen Christi zu sein. Möge die Gemeinschaft, die die Schwesterkirchen der verschiedenen europäischen Gebiete vereint, in diesem heutigen Symposium zur Erneuerung und Steigerung jenes Gabenaustauschs anregen, zu dem es erfreulicherweise bereits auf der europäischen Bischofssynode kam. Während meines Pastoralbesuchs in den geliebten Ostseeländem werde ich im Geiste bei eurer Arbeit zugegen sein, und bereits jetzt erteile ich allen Teilnehmern - den Bischöfen, den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen, den Laien -wohlwollend meinen Apostolischen Segen. Castel Gandolfo, 1. September 1993 Joannes Paulus PP. II Telegramm zur Einweihung des Priesterseminars in Moskau an den Apostolischen Administrator für den europäischen Teil Rußlands, Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz, zur Einweihung des Priesterseminars in Moskau vom 1. September Zum Anlaß der Einweihung des Großen Seminars für den europäischen Teil Rußlands in Moskau möchte ich Ihnen, verehrter Bruder im Bischofsamt, den oberen und den Seminaristen meinen Gruß und Glückwunsch sowie die Versicherung meines inständigen Gebets übermitteln. Ich wünsche, daß Seminaristen mit einer soliden Vorbereitung in den theologischen Disziplinen und einer guten geistlichen Ausbildung imstande sein werden, den neuen Bedürfnissen der katholischen Gemeinden zu begegnen, um in ihnen christliches Leben neu zum Blühen zu bringen. Ich bin sicher, daß besondere Sorge dem Studium der reichen geistlichen Tradition Rußlands zukommen wird und auch der Entwicklung notwendiger guter Beziehungen zur orthodoxen Kirche. Zum Unterpfand von Gottes reichlicher Gnade erteile ich von Herzen allen Anwesende meine besonderen Segen, der auch für die Wohltäter dieses Werkes und für alle Priester, Diakone und Gläubigen der Apostolischen Administratur gilt. Joannes Paulus PP. II 1135 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Hinblick auf die dramatischen Wandlungen der Weltlage Ansprache an den Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika beim Heiligen Stuhl bei der Überreichung seines Beglaubigungsschreibens am 2. September Herr Botschafter! , Ich freue mich, Sie im Vatikan willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, worin Sie zum außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika ernannt werden. Mit großer Freude erinnere ich mich an meinen jüngsten Besuch in Ihrem Land anläßlich der Feier des Achten Weltjugendtages. In Denver habe ich von den Hoffnungen und Sorgen der Amerikanischen Jugend erfahren: in ihrer Lebendigkeit und ihren Idealen habe ich eine unerschöpfliche Quelle für die Zukunft Ihres Landes erkennen können. Der Anblick von so vielen jungen Leuten aus aller Welt hat auch die schwere Verantwortung der internationalen Führungspersönlichkeiten nachdrücklich in Erinnerung gerufen, der zukünftigen Generation die Möglichkeit schaffen zu müssen, mit ihren Gaben zum Aufbau von gerechteren und harmonischeren Beziehungen zwischen allen Mitgliedern der Menschenfamilie beizutragen. In Ihrer Ansprache, Herr Botschafter, haben Sie all die vielen dringenden und ungelösten Probleme angesprochen, mit denen die internationale Gemeinschaft in der heutigen Zeit konfrontiert wird. Viele dieser Probleme sind in den letzten Jahren aufgrund der dramatischen Wandlungen der Welttage noch dringlicher geworden. Tragischerweise hat die Öffnung der Mauer, die Ost und West in zwei Lager geteilt hatte, die schändlichen Mauern der Armut, Gewalt und politischen Unterdrückung noch offensichtlicher werden lassen, die große Bereiche der Menschheit immer noch voneinander trennen. Das neue Zeitalter, das sich vor uns aultut, ruft uns zu einem neuen Sinn der kollektiven sittlichen Verantwortung auf: Wenn wir uns für eine ganzheitliche menschliche Entfaltung, für die Wahrung der Menschenrechte und der Freiheit einsetzen, Regierungsformen ermutigen, an der möglichst viele Bürger Anteil haben, und wenn wir wirksame Strukturen zu einer gerechten Lösung von Unstimmigkeiten zwischen den Nationen und den verschiedenen ethnischen und sozialen Gruppen schaffen, wird diese Verantwortung konkret. Diese Herausforderungen haben eine grundsätzlich sittliche Dimension, und sie verlangen eine Antwort, die über engstirnige Eigeninteressen oder rein strategische Berechnungen hinauszugehen vermag. Wie ich in der Enzyklika Centesimus Annus festgestellt habe, ist „sich die Welt von heute immer mehr bewußt, daß die Lösung der ernsten nationalen und internationalen Probleme nicht nur eine Frage der Wirtschaft oder der Rechts- oder Gesellschaftsordnung ist, sondern klare sittlich-religiöse Werte sowie Änderung der Gesinnung, des Verhaltens und der Strukturen erfordert” (Nr. 60). Neue Formen der Solidarität und der praktischen Zusammenarbeit zwischen den Nationen sind unerläßlich bei der Suche nach wirksamen Mitteln, um Situationen 1136 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Ungerechtigkeit und Gewalttätigkeiten, die die menschliche Würde bedrohen und die Menschenrechte verletzen, ein Ende zu setzen. Aufgrund ihres großen Einflusses in der internationalen Gemeinschaft spielen die Vereinigten Staaten in diesem Prozeß eine wichtige Rolle und ich vertraue darauf, daß Ihre Landsleute sich darum bemühen werden, mit derselben Entschlußkraft auf die Herausforderungen zu antworten, durch die sie sich in Vergangenheit so oft ausgezeichnet haben. Ganz besonders wichtig ist diesbezüglich die verantwortungsvolle Ausübung der Freiheit durch Völker, die erst kürzlich von verschiedenen Formen politischer Unterdrückung befreit wurden. Wegen ihrer langen Tradition der Achtung vor der Freiheit und ihrer Bereitschaft, diese auch unter großen Opfern zu bewahren, haben die Vereinigten Staaten von Amerika die Bemühungen vieler Entwicklungsländer inspiriert, ein stabiles demokratisches Leben aufzubauen. Wahre Freiheit verlangt jedoch in jedem Fall einen aufrechten Bezug zur Wahrheit (vgl. Redemptor hominis, Nr. 12). Nur durch die Annahme der Wahrheit kann die Freiheit in aller Fülle erreicht werden (vgl. Joh 8,32). Die Suche nach der Freiheit kann niemals losgelöst von der Achtung vor der Wahrheit über den Menschen und seine wahre Identität erfolgen. Andernfalls wird das Freiheitsideal schnell leer und oberflächlich und kann sogar als Vorwand zu Expansion, Unterdrückung und Gewalt benutzt werden. Denn „wenn es keine letzte Wahrheit gibt, die das politische Handeln leitet und ihm Orientierung gibt, können die Ideen und Überzeugungen leicht für Machtzwecke mißbraucht werden. Eine Demokratie ohne Werte verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus” (Centesimus an-nus, Nr. 46). Die sittliche Stärke einer Demokratie wird von ihrer Fähigkeit abhängen, die Freiheit zu schützen und diese zugleich mit den nötigen ethischen Grundlagen zu versehen. Und genau bei dieser wichtigen Aufgabe, die sittlichen Forderungen einer gerechten Sozialordnung wahrzunehmen, fühlen sich die Christen dazu verpflichtet, gemeinsam mit allen Menschen guten Willens ihren besonderen Beitrag zum Leben der Nation zu leisten. Die Sorge um das Gemeinwohl ist stets die Triebkraft der bemerkenswerten Integration der amerikanischen Katholiken in das Leben ihres Landes gewesen. Diese Sorge hat sich konkret im Netz der Schulen, Krankenhäuser und sozialer Dienste ausgedrückt, durch das die Kirche üblicherweise sucht, verantwortungsvolle Bürger auszubilden und den Armen und Bedürftigen zu helfen. Heute wie je erwarten die Katholiken zu Recht, daß ihre Stimme in Diskussionen um die Probleme, die sich der Amerikanischen Gesellschaft stellen, vernommen wird. Sie verstehen, daß diese Probleme nicht einfach nur durch den Ausgleich von Partikularinteressen auf der Grundlage der politischen Macht streitender Gruppen, entschieden werden dürfen, sondern vielmehr aufgrund der Wertung und Integration dieser Interessen im Rahmen einer ganzheitlichen und von Kriterien der Gerechtigkeit und Sitte inspirierten Sicht des Gemeinwohls. Das Bedürfnis nach einer solchen verantwortungsvollen moralischen Sicht habe ich in Denver unterstrichen, als ich meine Überzeugung ausdrückte, daß „die Amerika- 1137 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ner die Intelligenz und den Willen (besitzen), die Herausforderung anzunehmen und sich mit neuer Energie für die Förderung der Wahrheiten einzusetzen, worauf ihr Land errichtet ist und wodurch es groß wurde” (Begrüßungsansprache auf dem Stapleton Airport, Nr. 3). Vorrangig ist hierbei die Achtung vor dem Recht auf Leben, das das allererste jener unveräußerlichen Rechte ist, mit denen uns der Schöpfer beschenkt hat. In Ihrer Gegenwart, Herr Botschafter, möchte ich heute gern die Worte wiederholen, die ich an Ihre amerikanischen Landsleute in Denver gerichtet habe: „Die Großzügigkeit und Vorsehung Gottes hat eine riesige Verantwortung auf das Volk und die Regierung der Vereinigten Staaten gelegt. Diese Bürde ist jedoch auch die Chance zu wahrer Größe. Mit Milhonen Menschen auf der ganzen Welt teile ich die tiefe Hoffnung, daß die Vereinigten Staaten in der gegenwärtigen internationalen Lage keine Anstrengungen scheuen werden, um die wahre Freiheit voranzubringen und Menschenrechte und Solidarität zu fördern” (ebd., Nr. 6). Ich freue mich, Sie meiner Gebete für das amerikanische Volk und meines Vertrauens versichern zu können, daß der Allmächtige Gott Ihre Nation auf den Wegen des wahren Friedens mit Freiheit und Gerechtigkeit für alle leiten wird. Ich grüße Sie von Herzen und versichere Sie der bereitwilligen Zusammenarbeit der Institutionen des Hl. Stuhls. Auf Sie und ihre Familie rufe ich von Herzen Gottes reichen Segen herab. Den Sinn für Gemeinsamkeit und Solidarität unter den Völkern verstärken Botschaft an Kardinal Edward I. Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen, anläßlich des internationalen Gebetstreffens in Mailand vom 19. bis 22. September vom 16. September Mit besonderer Freude lasse ich meinen herzlichen Gruß und den Ausdruck meiner Hochachtung den hohen Vertretern der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sowie der großen Weltreligionen zukommen, die zu einem internationalen Treffen des Gebetes für den Frieden in Mailand versammelt sind, wie es die Gemeinschaft von Sant’ Egidio angeregt hat. Die Friedens wallfahrt, die aus dem historischen Ereignis von Assisi im Oktober 1986 entstanden ist, hat bereits mehrere Städte Europas und . des Mittelmeerraumes berührt und Vertreter verschiedener religiöser Bekenntnisse miteinbezogen. Nun aber erlebt sie eine weitere, bedeutungsvolle Etappe. In Assisi kam am Ende eines denkwürdigen Tages natürlicherweise der Wunsch auf, auf dem Weg der Suche nach dem Frieden, „einem Weg, den wir gemeinsam gehen müssen” (O.R.dt., 1986, Nr. 45), fortzuschreiten. Ich freue mich feststellen zu können, daß der damals eingeschlagenen Weg weitergeht und in wachsendem Maß Männer und Frauen verschiedener Religionen und Kulturen an- 1138 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zieht, die alle eins sind in dem einen Verlangen nach dem großen Geschenk des Friedens. Im „Geist von Assisi”, der in diesen Jahren zu dementsprechenden Zusammenkünften angeregt hat, grüße ich Sie, Herr Kardinal, und bitte Sie, den Veranstaltern und den Mitgliedern der Gemeinschaft von Sant’ Egidio sowie den Gläubigen der Erzdiözese des hl. Ambrosius mit ihrem Erzbischof, Kardinal Carlo Maria Martini, die euch aufgenommen haben, meinen herzlichen Dank auszusprechen. Gewiß haben sich im Vergleich zur ersten Begegnung in Assisi die Zeiten und die geschichtlichen Umstände geändert: Zu Ende ist die traurige Zeit, wo die Menschheit in zwei Blöcke gespalten war. Nicht verschwunden sind aber die bitteren Wurzeln der Feindschaft, und auch der unmenschliche Lärm des Krieges ist noch nicht vorbei. Ja, wir sehen in unseren Tagen mit erschütternder Leichtigkeit regionale Konflikte ausbrechen, die Schrecken und Tod verbreiten. Nur wenige hundert Kilometer vom Domplatz in Mailand entfernt, wo das Gebetstreffen stattfindet, wird auf dem Gebiet des früheren Jugoslawien weiter gekämpft in einem schrecklichen Krieg, vor dem die Welt ohnmächtig zu sein scheint. Nichts darf jedoch die Suche nach dem Frieden entmutigen. Mit Nachdruck muß erneut betont werden, daß er nicht unmöglich ist: Der Frieden ist ein Geschenk Gottes, das in die Hände der Menschen gelegt ist. Neben den Schatten und Sorgen kann die Welt allerdings auch verheißungsvolle Zeichen des Friedens erblicken. Ich denke an den gerade vor einem Jahr Unterzeichneten Vertrag in Mozambique. Ich denke ferner an das jüngste Abkommen zwischen den Israeü und Palästinensern. Wir müssen wirklich „dem Herrn danken” -sagte ich beim Angelus am vergangenen 12. September -, „daß er das Herz mutiger Verantwortlicher dazu inspiriert hat, Mißtrauen, Ängste und schwere objektive Schwierigkeit zu überwinden und endlich einen konkreten und konstruktiven Weg zum Wohl ihrer Völker und ihrer Region einzuschlagen”. Die Menschheit sucht auch nach neuen sozialen Gleichgewichten. Deshalb ist es so notwendig und dringlich, die Freude und den Willen wiederzuentdecken, gemeinsam voranzugehen und eine solidarische Welt aufzubauen, wobei Einzelinteressen von Gruppen, Volksstämmen, und Nationen überwunden werden. Welch wichtige Aufgabe können hier die Religionen übernehmen! Sie sind zwar arm an menschlichen Mitteln, aber reich an dem universalen Streben, das in der aufrichtigen Gottesbeziehung seine Wurzel hat. Alle Religionen erinnern die Frauen und Männer dieser Welt daran, daß es eine gemeinsame Bestimmung gibt: die eine Familie Gottes zu bilden. Lautet doch das Thema des Treffens: „Die Erde der Menschen, ein Ruf zu Gott.” Es geht um eine sehr wichtige Überlegung. Denn wir wollen den Sinn für Gemeinsamkeit und Solidarität unter den Ländern der Menschen neu bekräftigen, doch das wird nur möglich, wenn man sich an dem ausrichtet, der über allen waltet. Sie, Herr Kardinal, beauftrage ich, jedem der Anwesenden und allen an dem Treffen Beteiligten den Ausdruck meiner herzlichen Verbundenheit zu übermitteln, verstärkt 1139 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN durch die Bitte an den himmlischen Vater, den Frauen und Männern unserer Zeit zu helfen, daß sie endlich den Weg des Friedens einschlagen. Aus dem Vatikan, 16. September 1993 Joannes Paulus PP. II Berufungen als Früchte der Evangelisierung Ansprache an die Verantwortlichen der Charismatischen Emeuerungsbewegung am 18. September Liebe Freunde im Herrn! Mit großer Freude begrüße ich euch, die Verantwortlichen der Katholischen Charismatischen Emeuerungsbewegung, zusammen mit Bischof Paul Cordes, den ich vor einigen Jahren beauftragt hatte, die Emeuerungsbewegung zu begleiten und ihre katholische Identität zu unterstützen und zu fördern. Herzlich heiße ich die Bischöfe und die zahlreichen Priester willkommen, die an eurem Treffen teilnehmen. Ihr habt soeben Tage geistlicher Einkehr in Assisi beendet, in der Stadt des hl. Franziskus und der hl. Klara, deren Geburtstags vor achthundert Jahren wir in diesem Jahr gedenken. Diese großen Gestalten der Heiligkeit in der Kirche haben sich die Worte des hl. Paulus zu eigen gemacht: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir” (Gal 2,20). Ist das nicht das Ideal und das Ziel, an dem sich die Charismatische Erneuerungsbewegung inspiriert? Ist es nicht das Lebensprogramm, das sich eure Gebetsgruppen und Gemeinschaften unter der Führung des Heiligen Geistes zur Auflage gemacht haben? Mögen das Beispiel und die Fürsprache der großen Heiligen von Assisi euren Vorsatz stärken, stets in der Liebe und dem Dienst am Evangelium zu wachsen, „um zum vollkommenen Menschen zu werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darzustellen” (vgl. Eph 4,13). Auf dem letzten Weltjugendtag in Denver habe ich mit den dort anwesenden jungen Menschen über die Worte gesprochen, die der Herr an den Propheten Jesaja richtet: „Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen?” (Jes 6,8). Wir haben über diese Worte in bezug auf die Berufungen zum priesterlichen und geweihten Leben in den Ordensgemeinschaften im Zusammenhang mit der Neuevangelisierung nachgedacht. Es ist heute eine Tatsache im Leben der Kirche, daß viele Berufungen im Herzen der verschiedenen Bewegungen und Gemeinschaften entstehen und heranreifen. Ich möchte euch darin bestärken, in der Katholischen Charismatischen Emeuerungsbewegung dieser besonderen Art der Liebe Gottes zu seinem Volk große Aufmerksamkeit zu widmen. Die vom Gebet begleitete Antwort eurer Mitglieder - und derer, die euch angeschlossen sind - auf diese Gnade wird ein weiteres klares Zeichen da- 1140 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für sein, daß eure Emeuerungsbewegung teilhat am Leben und an der Sendung der Kirche, des sichtbaren Leibes Christi (vgl. 1 Kor 12,27). Euer Gebet und euer Einsatz ist heute eine dringende Notwendigkeit für die Kirche. Laßt uns gemeinsam unseren himmlischen Vater für all das preisen, was er in eurem Leben getan hat, und laßt uns seine Gnade erbitten, damit euer Apostolat reiche Früchte tragen möge. Als Zeichen meiner Ermutigung erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Von oben mehr Überblick Ansprache an das 31. Geschwader der italienischen Luftwaffe in Castel Gandolfo am 19. September Herr Kommandant, meine Herren Offiziere und Unteroffiziere des 31. Geschwaders der italienischen Luftwaffe! Mit Freuden begegne ich euch zusammen mit euren Familienangehörigen, und ich spreche euch erneut meine Hochachtung und Dankbarkeit aus. Während dieses Jahres hatte ich bei meiner pastoralen Sendung zahlreiche Gelegenheiten, mich eures geschätzten beruflichen Dienstes zu bedienen. Gewiß würde der heilige Petrus und mehr noch der heilige Paulus, wenn sie heute wiederkämen, sich gern eurer Hilfe bedienen. Die Apostel fühlen sich gedrängt vom Auftrag Christi: Geht hin! ... Verkündet! ... Und der Papst muß gehorchen! Herzlichen Dank euch allen für den Dienst, den ihr leistet. Wenn ich mich heute unter euch, dem Flugpersonal, befinde, so kommen mir die Anblicke Italiens aus der Luft in den Sinn, denn wir müssen es ja oft gemeinsam überfliegen. Ich meine, es tut gut, gelegentlich ein Land aus der Höhe zu betrachten. Gewiß nicht, um den Schwierigkeiten und Problemen auszuweichen, die es bedrängen. Ganz im Gegenteil! Diese verlangen allen eine echte Beschäftigung mit den Fragen ab, zumal wenn die Würde der einzelnen und das Gemeinwohl auf dem Spiele stehen. Freilich bleibt zugleich immer wahr, daß wir eine Wirklichkeit aus einer umfassenden Sicht betrachten sollen, wenn wir sie angemessen verstehen wollen, wobei wir natürlich keinen einzelnen Aspekt absolut setzen dürfen. Wenn wir die Wirklichkeit aus der Höhe betrachten, sind wir eingeladen, ihre wirkliche Dimension zu bedenken. Niemand darf also sich selbst als Maßstab für alle Dinge betrachten, vielmehr sollte jeder ehrenhaft genug sein, um sich mit der Wahrheit und ihren konkreten Anforderungen auseinanderzusetzen. Jede Person und jede Gesellschaft wird mehr sich selbst und reifer, wenn sie sich von „oben” zu betrachten weiß, wenn der „Himmel” sich im Herzen und Bewußtsein der Menschen widerspiegelt. Vergessen wir nicht, daß Jesus uns gelehrt hat, jeden Tag zu sprechen: „Wie im Himmel, so auf Erden” {Mt 6,10). Vielleicht vermögen die Flieger diese Dinge besser zu verstehen als andere! 1141 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vielen Dank, meine Herren Offiziere und Unteroffiziere, für eure geschätzte Mitarbeit. Wie in jedem Jahr, so habe ich auch heute die Freude, meine Dankbarkeit dem ganzen Geschwader auszusprechen, während ich einigen von euch besondere Auszeichnungen überreiche. Dies gilt symbolisch als Ehre für alle und soll euch ermutigen, mit eurem Dienst weiter hochherzig der Sache des Menschen und des Friedens zu dienen. Immer soll euch der Apostolische Segen begleiten, den ich gern euch selbst und euren Lieben erteile. Nationale Identität, Demokratie und Gemeinwohl Schreiben an Kardinal Camillo Ruini, Präsident der italienischen Bischofskonferenz, anläßlich der XLII. Sozialen Woche in Turin vom 21. September 1. Anläßlich der XLII. Sozialen Woche, die vom 28. September bis zum 2. Oktober in Turin stattfmdet, möchte ich Ihnen sowie Kardinal Giovanni Saldarini, Erzbischof von Turin, den Berichterstattern, dem wissenschaftlichen Organisationskomitee der Versammlung und allen Teilnehmern meine herzlichen Grüße senden und zugleich erneut meine Wertschätzung für die Initiative aussprechen, die qualifizierte Vertreter der Kultur vereint und sie mit der Vertiefung spezifischer Aspekte des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens im Licht der christlichen Werte beschäftigt. In dieser Sicht erweist sich das gewählte Thema „Nationale Identität, Demokratie und Gemeinwohl” als besonders bedeutsam für das Suchen nach einer richtigen Antwort auf grundlegende Fragen nach dem wahren Wohl der Gesellschaft. Die Auseinandersetzung, welche die Sozialen Wochen auf verschiedenen Ebenen anregen, wird dann zu einer Quelle der Bereicherung für die Kultur sowie die politische Praxis Italiens und trägt zum Aufbau einer erneuerten Gesellschaft bei. Dazu ist aber der Bezug auf den Vorrang der geistigen und moralischen Werte unerläßlich. Dieser Bezug wird gewiß bei den Arbeiten der Sozialen Woche in voller Übereinstimmung mit der Hauptsorge der Kirche wiederkehren, die - wie ich in der Enzyklika Centesimus annus betont habe - „wenn sie dem Menschen Gottes Heil verkündet, wenn sie ihm durch die Sakramente das göttliche Leben anbietet und vermittelt, wenn sie seinem Leben durch die Gebote der Gottes- und Nächstenliebe Orientierung gibt, zur Bereicherang der Würde des Menschen beiträgt” (Nr. 55). 2. Die italienische Gesellschaft macht einen Prozeß starker sozialer und wirtschaftlicher Umwandlung durch, verbunden mit einer Phase tiefer reichender Überprüfung der bürgerlichen und politischen Identität. In einem solchen Prozeß muß man sich notwendigerweise nach der einheitlichen nationalen Dimension fragen, in der sich, geschichtlich betrachtet, allmählich eine Gesellschaft wiedererkannt hat, die schon immer - wie die italienische - gegliedert und unterschiedlich war. Sie befindet sich heute, nicht anders als es in anderen Ländern geschieht, vor neuen Problemen, die eine Verheutigung ihrer Institutionen er- 1142 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN forderlich macht. Unter den derzeitigen Verhältnissen kann da eine gediegene christliche Bildung sichere Orientierungen bieten, um den „Wandel” zu begünstigen und die neuen und oft tragischen Situationen der Unsicherheit, Ungerechtigkeit und des Randdaseins zu überwinden.. Nach dem christlichen sozialen Denken bildet die Nation, das heißt „jene umfassende Gemeinschaft, welcher der Mensch aufgrund besonderer kultureller und historischer Bindungen angehört” {Laborem exercens, Nr. 19), eine menschliche Wirklichkeit von grundlegendem Wert, zumal sie das Recht auf eine eigene Identität und eine besondere Entwicklung hat. Wenn in einer Nation, und das ist derzeit in Italien der Fall, die Politik in einer Krise steckt, dann muß eben diese ihre eigene Rolle zurückbekommen; so wie auch die bürgerliche Gesellschaft, der Markt und die Institutionen neu ihr Umfeld und ihre Rolle erhalten müssen. Wenn man dagegen einen Verfall des Sinns für den Staat erlebt, dann muß eben dieser Sinn verstärkt werden. 3. Die kritische Stunde, die die italienische Nation durchmacht, muß für die Katholiken wie für alle verantwortlichen Bürger eine Zeit hochherzigen und kräftigen Einsatzes sein. Eine ruhige Bewertung des seit der Einheit Italiens bis heute zurückgelegten Weges zeigt deutlich, wieviel Positives bei der Überwindung der Begrenzungen und Schwierigkeiten erreicht wurde. Man kann vor allem nicht leugnen, daß in den letzten 50 Jahren die Beteiligung aller Bürger an den politischen Entscheidungen und an der Wahl der eigenen Regierenden gesichert war. Das Wachsen des nationalen Zusammenhalts hängt im übrigen von einer immer umfangreicheren Beteiligung des Volkes ab, nicht aber von Plänen, die „Oligarchien” an der Spitze entwerfen. Die nationale Identität muß sich nämlich auf die Auswertung der Lebenskraft gründen, die an der Peripherie, und nicht nur in den zentralen Machtgruppen vorhanden ist. Das wird von unverzichtbaren Werten wie der Menschenwürde gefordert, vom Recht auf wirksame Beteiligung aller und von der Möglichkeit integraler Entwicklung des ganzen Menschen und jedes Menschen, endlich von der ausdrücklichen Anerkennung der Menschenrechte (vgl. Centesimus annus, Nr. 47). 4. Die zahlreichen Probleme, die sich heute in Italien stellen, erfordern einen motivierten Wandel, der das Wohl aller verwirklichen kann, denn auf der Grundlage des Gemeinwohls entfaltet sich der Sinn für die nationale Identität und findet zugleich die Demokratie ihre fortschreitende Erfüllung. Die Darlegung der Soziallehre der Kirche kann hier die Zukunft der italienischen Nation erhellen. Das Gemeinwohl verlangt einen radikalen Wandel der Ausrichtung: eine Ethik, die nicht individualistisch ist, sondern auf Beteiligung und auf das Teilen miteinander hinarbeiten will. Will man die sozialen Reformen in diesem Sinn ausrichten, sind besonders die Grundsätze der Subsidiarität und Solidarität zu beachten. Der erste fordert, daß eine Gesellschaft höherer Stufe sich nicht in das innere Leben einer Gesellschaft untergeordneter Stufe einmischt und sie so ihrer Zuständigkeiten beraubt, sie vielmehr im 1143 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Notfall unterstützt und ihr hilft, ihr Wirken mit dem der anderen sozialen Kreise im Hinblick auf das Gemeinwohl zu koordinieren (vgl. Centesimus annus, Nr. 48; CCC, 1883-1885.1894); zum Grundsatz der Subsidiarität gehört daher ein konkretes Nachdenken über das Verhältnis zwischen nationalem Zentralismus und örtlicher Autonomie. Die Solidarität ist dann eine Haltung, die den einzelnen und der Gesellschaft gestattet, eine echte Kultur der Rechte und Pflichten zu erarbeiten, vor allem was die Beteiligung am bürgerlichen Leben und jene angeht, die mit der Leitung und Regierung des Staates verbunden sind. Aufgrund der transzendenten Würde eines jeden Menschen ist der Aufbau einer neuen Kultur möglich, in der jedem einzelnen Bürger in lebendigerer Weise der Sinn des Zusammenlebens mit den anderen durch ein enges Geflecht von positiven Einwirkungen aufeinander zwischen den verschiedenen Bereichen des bürgerlichen Zusammenlebens erschlossen wird: angefangen bei den persönlichen Bereichen, über die einer Kategorie oder Gruppe, bis zu den größeren, die nationale Dimensionen und die alle betreffenden Interessen vertreten. Die Solidarität macht die „feste und beharrliche Entschlossenheit (konkret), sich für das Gemeinwohl einzusetzen, das heißt für das Wohl aller und eines jeden, damit alle wirklich für alle verantwortlich sind” (Laborem exercens) Dazu gehört ein persönliches Eintreten für die gerechte Verteilung der Lasten, die sich aus der Führung der Gemeinschaft ergeben; für eine Beschäftigungspolitik sowie ein Modell der Entwicklung und des sozialen Wohlstandes, die die Logik des reinen Marktes zu überwinden wissen. 5. In unseren Tagen ergibt sich eine gewisse Schwierigkeit, den Begriff des Gemeinwohls und der Folgen zu erfassen, die sich logisch daraus ableiten. Daher ist es nützlich und notwendig, daß die Katholiken die wirksamsten Formen finden, diesen für das soziale Zusammenleben einer jeden einzelnen Nation und der ganzen Welt fundamentalen Grundsatz zu bekräftigen. Dazu müssen sie sich, wie das Zweite Vatikanische Konzil betont hat, für die Förderung aller jener Bedingungen des sozialen Lebens zusammen einsetzen, die den einzelnen Bürgern gestatten, auf bestmögliche Weise ihre Selbstverwirklichung zu erreichen. Das setzt zumal voraus, daß jeder die Möglichkeit erhält, seine eigene Präsenz und Stimme innerhalb der Institutionen zur Geltung zu bringen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 6). Noch bevor man aber Vorschläge für den konkreten Einsatz macht, ist ein vertieftes Bedenken der Probleme notwendig, die die heutige soziale Situation einem jeden Menschen guten Willens stellt; eine Vertiefung von hohem lehrmäßigem und kulturellem Rang, gegründet sowohl auf die wissenschaftliche Kenntnis der Fragen als auch auf ihre Prüfung in der Lehre der Kirche zu diesem Thema. 6. Wie für die „europäische Integration”, das Thema der XLI. Sozialen Woche, so bleibt für die Entwicklung einer echten „nationalen Identität”, die sich an der Demokratie inspiriert und am Gemeinwohl ausrichtet, die Förderung einer reicheren 1144 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kultur notwendig, in der jede Dimension des Menschen Berücksichtigung und Verwirklichung findet. Denn „das gesamte menschliche Tun hat seinen Platz in einer Kultur und erfolgt in Wechselwirkung mit ihr. Für eine angemessene Gestaltung dieser Kultur braucht es die Einbeziehung des ganzen Menschen ... Darum wird die erste und wichtigste Arbeit im Herzen des Menschen vollbracht. Die Art und Weise, wie er sich um den Aufbau seiner Zukunft bemüht, hängt von der Auffassung ab, die er von sich selbst und seiner Zielbestimmung hat” (Centesimus annus, Nr. 51). Diese summarischen Hinweise mögen genügen, um die Wichtigkeit der XLII. Sozialen Woche in dieser historischen Stunde zu unterstreichen und jeden auf den Sinn des eigenen Bemühens um die Zukunft Italiens hinzuweisen. Im Geiste präsent, verspreche ich mein Gebet für einen fruchtbaren Verlauf des Kongresses, während ich auf alle Teilnehmer das Licht von oben herabrufe und gern den erbetenen Apostolischen Segen erteile. Aus dem Vatikan, 21. September 1993 Joannes Paulus PP. II Ja zur Förderung der Qualität von Radio- und TV-Produktion Ansprache an die Teilnehmer des „Premio Italia” am 23. September Meine Damen und Herren! 1. Mit Freude empfange ich Sie hier, die Sie aus zahlreichen Ländern zum vielbeachteten „Premio Italia” gekommen sind. Ich möchte zunächst Ihrem Generalsekretär, Piergiorgio Branzi, für die freundlichen Worte danken, die er in Ihrem Namen an mich und an Sie alle gerichtet hat. Ich möchte auch alle Persönlichkeiten der Welt der Kultur, die Vertreter der europäischen Rundfunk- und Femsehunion und hier besonders die Direktoren der RAI begrüßen, der italienischen Rundfunk- und Femsehanstalt, die seit nahezu einem halben Jahrhundert verdienstvoll eine kulturelle Einrichtung fördert. Der „Premio Italia” wurde 1948 mit der Teilnahme von vierzehn Organisationen in Capri gestiftet, um den besten Rundfunksender im Wettbewerb zu prämieren. 1957 wurde auch das Fernsehen in den Wettbewerb miteinbezogen. Seither ist die Zahl der Teilnehmer auf sechzig Anstalten aus achtunddreißig verschiedenen Ländern angestiegen. Hauptziel des „Premio Italia” ist laut Artikel Nr. 1 Ihres Statuts „die Förderung der Qualität von Rundfunk- und Femsehproduktion” und außerdem „die Anregung zum Studium, zu Diskussionen und zur Erkenntnis der kulturellen und kreativen Probleme, die diese beiden Ausdrucksmittel mit sich bringen”. 1145 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Daß diese Absichten belohnt worden sind, ist leicht aus der Vielfalt an Werken des Rundfunks und Fernsehens ersichtlich, die im Laufe dieser Jahre am Wettbewerb teilgenommen haben, und auch aus der Kreativität ihrer Autoren im Bereich der Musik, des Dokumentarfilms und der Fiktion, aus dem eine Reihe internationaler Kunstwerke hervorgegangen ist. Einer der Verdienste des „Premio Italia” ist auch der Ansporn zum Erfahrungsaustausch unter den im Rundfunk und Fernsehen Tätigen sowie der Beitrag, den er zur besseren Kenntnis der kulturellen und natürlichen Reichtümer der Halbinsel leistet dank eines regelmäßigen Ortswechsels der Veranstaltung von einer Kunststadt in die andere und von einem Ende der Insel an das andere. 2. Erlauben Sie mir, Ihnen meine Zufriedenheit über die Bemühungen auszudrücken, die Sie aufbringen, damit sich Rundfunk und Fernsehen auf die beste Weise entwickeln. Zuweilen scheinen die Gestalter von Rundfunk- und Fernsehprogrammen unter den technologischen, wirtschaftlichen und oft auch politischen Bedingungen zu resignieren und sich den sogenannten Marktgesetzen anzupassen. Sie aber haben einen ausgezeichneten Rahmen gefunden, innerhalb dessen sich' ein Werk entwickeln kann, das - wie die Rundfunk- und Femsehkommunikation - von hohem kulturellen Wert ist. Vielleicht erweckte die Kirche zuweilen den Eindruck, nicht genügend empfänglich zu sein für die konkreten Schwierigkeiten, denen Sie in Ihrer Tätigkeit begegnen. Es mag scheinen, sie begnüge sich damit, die Gefahren und das Fehlverhalten aufzuzeigen, die ein unverantwortlicher Gebrauch von so einflußreichen Kommunikationsmitteln im Bewußtsein der einzelnen - und vor allem der Wehrlosen unter ihnen -sowie im Bewußtsein der ganzen Gesellschaft verursachen kann. Und doch ist das die Aufgabe der Kirche, denn ihre Sorge steht im Dienst des Menschen. Das ist ihre Pflicht, die sie zu erfüllen hat. Ihr Einschreiten geschieht daher nicht unbedingt im Hinblick auf die konkrete Bedeutung der Dinge. 3. Doch eben weil die Kirche sich zutiefst um den Menschen und seine - auch unausgesprochenen - Bedürfnisse sorgt, möchte sie die Aufmerksamkeit derer, die für die Kommunikationsmittel arbeiten, auf Ideale lenken, die edel und menschenwürdig sind. Die Kirche schätzt die unermeßlichen Möglichkeiten, die die Massenmedien bieten, doch sie ist nicht davon überzeugt, daß sie so gering ausgeschöpft werden sollten, wie es bisweilen der Fall ist. Aus diesem Grund ermutigt sie nicht nur alle Anstrengungen zur technischen und künstlerischen Verbesserung der Qualität von Ründfunk- und Femsehproduktion, sondern auch, was noch wichtiger ist, die Bemühungen um eine Verbesserung ihrer menschlichen Qualität. Die Kirche appelliert an das Gewissen der einzelnen, die in der sozialen Kommunikation tätig sind, und ebenso an die Regierungschefs und all jene, an die die Rundfunk- und Fernsehprogramme gerichtet sind. Sie ruft sie auf, unbedingt qualitativ bessere Rundfunk- und Fernsehprogramme zu fordern. Die Zuhörerschaft sollte nicht nur als passive Empfänger einer Hut von Botschaften angesehen werden, die 1146 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Anspruch erheben, in ihrem Dienst zu stehen, aber viel zu oft zur Manipulation und Ausnutzung tendieren. 4. Meine Damen und Herren, ich möchte unser Treffen mit einem Wort der Ermutigung und Hoffnung abschließen. Ich bitte Sie dringend, wie ich oft andere gebeten habe: „Haben Sie keine Angst!” Geben Sie nicht auf, nehmen Sie die Marktgesetze nicht als die einzigen an, die zählen, und nennen Sie nicht Realismus das, was zuweilen nichts anderes ist als Kapitulation. Ihnen stehen wunderbare Werkzeuge zur Verfügung. Gewiß sind Sie nicht allmächtig, doch Sie besitzen Ihr Talent und guten Willen, wie es Ihr Einsatz und Ihre Leistungen zeigen. Verlieren Sie die Hoffnung nicht. Das Gute und Schöne hat unwiderstehliche Anziehungskraft. Es gibt Einen, der über das Schicksal des Menschen wacht. Während ich Gottes Segen auf Ihre Arbeit herabrufe, möchte ich die Worte wiederholen, die ich bereits vor zwei Jahren zu Ihren Kollegen der Europäischen Rund-funkunion gesprochen habe, die im Vatikan anläßlich des sechzigsten Gründungsjubiläums von Radio Vatikan zu ihrer zweiundvierzigsten Generalversammlung zusammengetreten waren: „Ich möchte Sie in Ihrer täglichen Arbeit ermutigen. Ich sehe, wie schwierig und vielschichtig sie ist. Aber ich sehe auch das unermeßliche Gute, das Sie tun können. Indem Sie ein hohes Ideal vom Menschen aufrechterhalten, können Sie außerordentlich wirksam sein beim Aufbau einer wahrhaft menschenwürdigen Gesellschaft.” Mit dem Herzen zu Gott reisen Predigt bei der Eucharistiefeier für die verstorbenen Päpste Paul VI. und Johannes Paul I. am 28. September „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen” (Ps 23,1). 1. Unter den Augen des Guten Hirten, der über seine Kirche wacht und sie mit sicherer Hand durch die Geschichte führt, wollen wir heute der Päpste Paul VI. und Johannes Paul I. gedenken, die vor 15 Jahren, beide innerhalb eines Monats, in die ewige Heimat abberufen wurden. Papst Paul VI. ist lebhaft im Gedächtnis geblieben nicht nur wegen der eindrucksvollen Spuren, die er aufgrund seines Dienstes an der Kirche in den schwierigen Jahren der nachkonziliaren Erneuerung hinterlassen hat, sondern auch dank des Zeugnisses eines heiligmäßigen Lebens, das noch immer allgemein als solches empfunden wird und das mit der Einleitung seines Seligsprechungsprozesses allen vor Augen geführt wurde. 2. Nicht weniger lebhaft ist die Erinnerung an Papst Luciani, der gerade heute vor 15 Jahren zur endgültigen Begegnung mit Gott abberufen wurde. Er hatte nicht genügend Zeit gehabt, um seine seltenen Gaben der Intelligenz und des Herzens voll 1147 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und ganz zum Ausdruck zu bringen, doch seine Einfachheit und seine gewinnende Wärme, die den einen Monat seiner Ausübung des Petrusamtes kennzeichnen, bleiben uns in leuchtender Erinnerung. Ich erinnere mich seiner gerne in der ihm so teuren Rolle des „Katecheten”, indem ich an die gewinnende Art und Weise denke, mit der er den bei der Audienz anwesenden Gläubigen die göttlichen Tugenden erklärte. Er verstand es, die erhabensten Wahrheiten mit einfachen Worten wiederzugeben, die das Herz berührten. Das Thema, das er am Tag von seinem Tod behandelte, war die Liebe. Was heißt „lieben”?, fragte er. Die Antwort war ebenso einfach wie einprägsam: „Liebe heißt, mit dem Herzen dem geliebten Objekt entgegeneilen, zu ihm reisen (...) Gott heben heißt also, mit dem Herzen zu ihm reisen. Welch schöne Reise” (Insegnamenti di Giovanni Paolo I, 1979, S. 95). Er fügte dann hinzu, daß es sich um eine geheimnisvolle, weil ganz und gar von der Initiative Gottes umschlossene Reise handelt: Man kann sie nicht einmal antreten, „wenn Gott nicht zuerst die Initiative ergreift” (ebd., S. 96). 3. Diese Betrachtung über die „Reise” oder besser über das Leben als „Reise der Liebe” war die beste Vorbereitung auf seinen unmittelbar bevorstehenden Tod. Wir wissen nicht, in welchem Ausmaß er sein Herannahen fühlte, aber als tiefgläubiger Mensch war er sicher auf ihn gut vorbereitet, da er rückhaltlos das glaubte, was wir soeben im Evangelium vernommen haben: „Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, (werden) das ewige Leben haben” (Joh 6-,40). Er glaubte also an das, was er wenige Stunden später erfahren sollte und was die Totenliturgie uns so nachhaltig einschärft: „Deinen Gläubigen, Herr, wird das Leben nicht genommen, sondern verwandelt.” Wir gedenken seiner heute zugleich mit seinem großen Vorgänger und erinnern uns beider nicht nur als zweier außerordentlicher Hirten der Kirche, sondern auch als Zeugen der Auferstehung für diese unsere Zeit, die trotz all ihrer großen Errungenschaften - gerade was den Sinn des Lebens betrifft - die Erfahrung beängstigender Widersprüche macht. Während wir diese Päpste dankbaren Herzens der erbarmenden Liebe des Herrn empfehlen, wollen wir gerne Erben ihres Zeugnisses sein und erflehen für sie und für die gesamte Menschheit die Gnade, in Christus den Weg des Lebens zu finden. Mut zum, Frieden haben Schreiben an den Erzbischof von Sarajevo, Vinko Puljic, anläßlich des interreligiösen Gebetstreffens vom 29. September An meinen verehrten Bruder Vinko Puljic, den Erzbischof von Sarajevo! In meinem Gedächtnis ist die Erinnerung an das außerordentliche Gebetstreffen stets lebendig, zu dem wir uns vor etwa acht Monaten, am 9. und 10. Januar, in 1148 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Assisi zusammengefunden hatten, um für Europa und vor allem für den Balkan das große Geschenk des Friedens von Gott zu erflehen. Die inständigen Bitten, die wir damals zum Himmel emporgesandt haben, wie auch das Gebet all jener, die entsprechend der an sie gerichteten Aufforderung auf dem gesamten Kontinent sich durch einstimmige Teilnahme dieser Initiative anschlossen, sind bestimmt nicht ungehört verhallt. Dennoch haben sie es bisher nicht bewirkt, den von Egoismus genährten Widerstand, der in zu vielen Herzen zu finden ist, endgültig zu überwinden. Die durch Haß entstandenen Abgründe müssen durch Liebe überbrückt werden. Deshalb gilt es auszuharren im Gebet und mit erneutem Nachdruck Ihn, der „Pläne des Heils und nicht des Unheils” hat, zu bitten, endlich jenen, die auf ihn vertrauen, „eine Zukunft und eine Hoffnung” {Jer 29,11) zu geben. Dementsprechend ist daher für die ersten Oktobertage ein neues Gebetstreffen vorgesehen, das in Sarajevo stattfinden soll, jener Stadt, die so hart von den derzeitigen Kriegsereignissen gezeichnet ist. Ich wünsche, daß dieses Treffen vor der Welt ein edles Zeugnis des Glaubens und mutiger Hoffnung abgeben möge. Mögen Sie, verehrter Bruder, die Teilnehmer meiner geistigen Verbundenheit im Gebet für die Wiederherstellung des Friedens in der ganzen Region versichern. Seit über einem Jahr sind wir bedauerlicherweise Zeugen einer erschreckenden Entwicklung, wo eine Greueltat auf die andere folgt: Tausende von Toten in den Kampfgebieten, noch zahlreichere Opfer unter der Zivilbevölkerung, vergewaltigte Frauen, gepeinigte Kinder, unbeschreibliche Verbrechen, die jeden ethischen Grundsatz und alle menschenrechtlichen Abkommen mißachten. Dazu kommen Verwüstungen jeder Art: geschändete Kirchen und Moscheen, dem Erdboden gleichgemachte Kunstdenkmäler und Kulturstätten, in gemeiner Weise zerstörte Krankenhäuser, Kliniken und Wohnungen. Diese Tragödie trifft uns alle und erbittert uns zutiefst: nicht nur diejenigen, die durch den Verlust ihrer Angehörigen, durch die erlittenen Verletzungen, durch den ihnen zugefügten Schaden direkt betroffen sind; sondern auch uns alle, die wir durch die Medien Zeugen der entsetzlichen Folgen eines scheinbar grenzenlosen Hasses sind. Die internationale Gemeinschaft und die Kirchen können nicht schweigen angesichts derartiger Auswüchse, die das menschliche Gewissen befragen: „Was hast du deinem Bruder getan?” (vgl. Gen 4,10). Der Bischof von Rom hat es seinerseits nicht versäumt, seit Ausbruch des Konflikts diese Frage aufzugreifen, indem er alle Beteiügten aufforderte, Mut zum Frieden zu haben, und die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um eine Förderung des Friedensprozesses und um die Ehlfeleistung für die Opfer des Krieges unterstützte. Insbesondere hat er in jeder Weise versucht, den Dialog mit den Glaubens-brüdem zu diesem Thema wiederaufzunehmen, indem er jeden aufforderte, bei der Suche nach geeigneten Lösungen für die Wiederherstellung eines so wichtigen Gutes keine Mühe zu scheuen. Denn in dieser Hinsicht darf ein gemeinsames Bemühen aller, denen Christus „seinen Frieden” auf Erden anvertraut hat, nicht fehlen. 1149 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gegenüber dem Wort des himmlischen Meisters muß man sich unweigerlich fragen: Tun wir genug für diesen Frieden? Beten wir genug zusammen? Das ist es, was vor allem gebraucht wird: ein großangelegtes kraftvolles gemeinsames Gebet, damit dort, „wo die Sünde mächtig wurde, die Gnade übergroß werde” (vgl. Röm 5,20). Frieden ist Gnade, er ist Geschenk Gottes: Damit wollen wir unermüdlich Zusammenarbeiten. Das durch diesen Krieg, der seit vielen Monaten einen großen Teil des Balkans heimsucht, verursachte Leid trägt unser Gebet noch inständiger zu demjenigen empor, der „uns den Frieden gibt” (vgl. Joh 14,27), damit er die Herzen von Haß und Gewalt befreie und sie für Gefühle gegenseitiger Toleranz und Anteilnahme öffne. Auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien leben Völker alter Tradition und Kultur: Es gibt dort sowohl katholische als auch orthodoxe Christen, Muslime und Juden. Die Unterschiede zwischen ihnen dürfen kein Anstoß zu Haß und Vergeltung sein, sondern allenfalls Anlaß zu gegenseitiger Bereicherung. Die Vergangenheit hat bewiesen, daß gute nachbarschaftliche Beziehungen möglich waren. Diese Beziehungen wurden durch ein lebhaftes patriotisches Empfinden gefördert, das jeden Bürger veranlaßte, sich trotz unterschiedlicher Religionszugehörigkeit als integrierender Bestandteil ein und derselben Nation zu fühlen. Patriotismus ist nämlich die rechtschaffene und berechtigte Liebe der eigenen Identität als Mitgüed einer bestimmten nationalen Gemeinschaft. Das Gegenteil von Patriotismus ist Nationalismus: Während der Patriotismus, da er das hebt, was sein eigen ist, auch das achtet, was anderen gehört, verachtet der Nationalismus alles, was nicht sein eigen ist. Er versucht, sich das Eigentum anderer anzueignen, wenn es ihm nicht gelingt, es zu zerstören. Unser Gebet für den Frieden auf dem Balkan muß sich heute auf diese tiefgreifendere Dimension des Konflikts konzentrieren, die dem Herzen des Menschen inne-wohnt. Gefühle wie Haß, Vergeltung und Gewalttätigkeit, die den Ausgangspunkt von Kriegshandlungen bilden, gehen von unserem Herzen aus. Bitten wir den Herrn um die Wandlung der Herzen, die Überwindung des Hasses und die Achtung vor den Rechten der Menschen und der Nationen, die in ihrer Verschiedenheit den unerschöpflichen Reichtum des „Humanen” in der Vielfalt ihrer kulturellen, gesellschaftlichen und historischen Ausdrucksformen kundtun. Die Geschichte lehrt uns, daß die wahren menschlichen Werte, auch wenn sie vorübergehend mit Füßen getreten und unterdrückt werden, doch letzten Endes überlegen sind: Das Gute siegt schließlich über das Böse, die Liebe über den Haß, die Weisheit über den Wahn der Kriege. Die gesamte Kirche - insbesondere jenige, die ihren Glauben an Christus auf dem alten Kontinent bezeugt - erhebe inständig ihr Gebet zu Gott, damit der Friede bald wieder unter die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kroatien, unter all diejenigen zurückkehren möge, die auf dem Balkan aufgerufen sind, gemeinsam eine Zukunft des Wohlstands und des Fortschritts aufzubauen. 1150 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Empfehlen wir ein solch edles und dringendes Anliegen der Mutter Christi, der Königin des Friedens, an. Sie wollen wir während des Rosenkranzgebets im kommenden Oktober inständig bitten, damit zu jenen so schwergeprüften Völkern endlich wieder die Freude des erneuten Einvernehmens für einen Weg zu wirkungsvoller Eintracht und Frieden zurückkehren möge. Rufen wir alle Fleiligen, die einen besonderen Beitrag in der Heilsgeschichte auf dem Balkan geleistet haben, um ihre Hilfe an: die heiligen Brüder Cyrill und Methodius, die Apostel der slawischen Völker; den heiügen Sava, Vater der serbischorthodoxen Kirche; den heiligen Nikolaus Tavelic und den seligen Augustin Kazo-tic, die von der Kirche in Kroatien verehrt werden, und, und näher, die zahlreichen Märtyrer, die in ganz Mitteleuropa während der Verfolgungen der jüngsten atheistischen Diktatur ihre Treue zu Christus bezeugt haben. Trotz der großen derzeitigen Schwierigkeiten werden wir das Vertrauen in die Menschheit nicht verlieren, da wir all unsere Hoffnung auf Gott setzen, „denn er hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab” (vgl. Joh 3,16), Jesus Christus, unseren Herrn; „Er vereinigte die beiden Teile und riß durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder” (Eph 2,14): er ist „unser Friede” (ebd.). Auf Sie, verehrter Mitbruder, und auf alle, die sich zum Gebet um das Geschenk des Friedens versammeln, rufe ich den Segen des allmächtigen und barmherzigen Gottes herab. Aus dem Vatikan, am 29. September 1993 Joannes Paulus PP. II Friedliche Zukunft in Gerechtigkeit und Solidarität Aufruf zum Frieden in den Balkanländem am 2. Oktober Während wir hier in der Benediktionsaula zum Rosenkranzgebet versammelt sind, lade ich euch ein, euch geistig mit all denen zu vereinen, die in Sarajevo an dem Gebetstreffen für den Frieden teilnehmen, das der verdienstvolle Erzbischof Vinko Pulijc und die Verantwortlichen der drei religiösen Gemeinschaften dieser Stadt, die muslimische, die orthodoxe und die jüdische, einberufen haben. Ich grüße alle, die mich in diesen leidgeprüften Ländern über Radio hören, sehr herzlich und versichere sie meines Gebets und meiner Solidarität und die der gesamten katholischen Kirche in der Welt. Zum wiederholten Mal möchte ich ihnen heute sagen, daß sie nicht allein sind und nicht allein bleiben werden. Wir wissen um ihr langes Leiden, und es ist unser eifriges Bestreben, ihnen zu helfen. Nie kann eine Zukunft auf der Gewalt und Überwältigung der Schwächsten und Schutzlosesten gebaut werden. Alle sollen mithelfen 1151 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN beim Aufbau eines menschlicheren Zusammenlebens, indem sie erkennen, daß die Gmndlagen dazu Achtung, Gerechtigkeit, Solidarität und Brüderlichkeit sind. Jungfrau Maria, Königin des Friedens, dein mildes und ermutigendes Lächeln erhelle unsem Weg! Heute abend übergeben wir dir unsere Anliegen, und wir wollen es während des ganzen Rosenkranzmonats Oktober tun. Du kannst von deinem göttlichen Sohn das große Geschenk des Friedens für die Völker in Bosnien-Herzegowina und den Balkanländem erlangen. Wir bitten dich, Mutter, schütze sie mit deiner mütterlichen Liebe! Ein treuer Diener der Kirche Sizilien und Roms Predigt während der Exequien für Kardinal Francesco Carpino am 7. Oktober Meine Herren Kardinale, geliebte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Nach langer, leidvoller Krankheit hat uns unser Bruder Kardinal Francesco Carpino verlassen, um in das Reich des Himmels einzugehen. Er war mit seinen achtundachtzig Jahren schon hochbetagt, und wir wissen sehr gut, daß, über eine gewisse Grenze hinaus, das Leben sich für jeden Menschen unaufhaltsam seinem Ende zuneigt; dennoch veranlaßt uns der Tod eines um seiner langen Dienstzeit am Hl. Stuhl und in der Kirche verdienten Menschen zum Nachdenken. Das Buch der Weisheit ermahnt uns: „Ehrenvolles Alter besteht nicht in einem langen Leben und wird nicht an der Zahl der Jahre gemessen, ... mehr als Greisenalter wiegt ein Leben ohne Tadel” (Weish 4,8-9). Im Fall von Kardinal Carpino können wir mit Recht sagen, daß sein Alter aus beiden Gründen „ehrenvoll” war: einerseits aufgrund seiner vielen Lebensjahre und andererseits aufgrund seiner rechtschaffenen Lebensführung. In dieser Liturgiefeier, während der wir zu seinem Andenken das heilige Meßopfer darbringen und mit Zuneigung und Dankbarkeit seiner Arbeit gedenken, die er in verschiedenen Ämtern leistete, kommen uns die vielsagenden und tröstenden Worte des hl. Paulus in den Sinn: „Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn” (Rom 14,7-8). Ja, so ist es in der Tat! Nachdem er für den Herrn gelebt hatte, ist Kardinal Carpino auch für den Herrn gestorben, von seiner barmherzigen Liebe gestützt und dann in die Umarmung seiner unendlichen Güte aufgenommen. Sicher, wenn wir dem Geheimnis des Todes gegenüberstehen, wandern unsere Gedanken voller Sorge zu der Wahrheit, an die uns die Apostel erinnern, und der zufolge jeder von uns vor Gott Rechenschaft über sich selbst ablegen muß (vgl. Rom 14,12); aber gleichzeitig tröstet uns das, was er auf der eben verlesenen Seite 1152 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu uns sagt, demnach „Gott aber seine Liebe zu uns darin erwiesen hat, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht gemacht sind, werden wir durch ihn erst recht vor dem Gericht Gottes gerettet werden” (vgl. Röm 5,8-9). Wir vertrauen darauf, daß unser verstorbener Bruder durch Christus „gerettet” worden ist, dem er als Priester, Bischof und Kardinal im Lauf seines langen Lebens treu gedient hat. 2. Er wurde am 18. Mai 1905 in Palazzolo Acreide bei Syrakus geboren und absolvierte das Gymnasium im Seminar von Noto; später besuchte er das Päpstliche Hauptseminar in Rom, und erlangte an der Lateranuniversität den Doktortitel für Philosophie und Theologie sowie das Diplom für Kirchenrecht. Nach seiner Priesterweihe im August 1927 lehrte er zwei Jahre lang Philosophie und Theologie am Seminar von Noto, und schüeßlich wurde er als Nachfolger von Msgr. Domenico Tardini an die Lateranuniversität berufen, wo er bis 1951 den Lehrstuhl für Sakramentstheologie innehatte. Er verfaßte mehrere Abhandlungen über die Sakramente der Eucharistie und der Buße und schrieb zahlreiche Artikel für theologische Zeitschriften und Enzyklopädien. Während dieser Zeit widmete er sich auch anderen Aufgaben im Vikariat, in der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung und dem damaligen Heiligen Officium. Er machte sich in ganz besonderem Maße für seinen sorgfältigen und hochherzigen Einsatz zugunsten von Flüchtlingen und Verfolgten zur Zeit des Weltkriegs verdient. Im Februar 1951 beförderte Pius XII. ihn zum Koadjutor von Msgr. Emesto Filippi, dem Erzbischof von Monreale, dessen Nachfolger er bald darauf wurde. Zehn Jahre lang widmete er sich mit großer Hingabe dem Hirtenamt für die Förderung des religiösen und sozialen Lebens. 1961 rief Papst Johannes XXIU. ihn nach Rom zurück und ernannte ihn zum Assessor der damaligen Konsistorialkongregation; aufgrund dieses Amtes war er im Juni 1963 Sekretär des Konklaves, in dem Paul VI. zum Papst gewählt wurde. Nachdem er sich zahlreichen Aufgaben in verschiedenen Organen der römischen Kurie gewidmet hatte - er übte auch für kurze Zeit das Amt des Pro-Präfekten der Kongregation für die Sakramentenordnung aus - wurde er 1967 zum Erzbischof von Palermo ernannt und in den Kardinalsstand erhoben. Im Oktober 1970 trat er von seinem Hirtenamt als Verwalter der Erzdiözese zurück und widmete sich anderen anspruchsvollen Aufgaben in der Kongregation für die Bischöfe, im Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur und im Govematorat des Staates der Vatikanstadt. 3. Wenn wir heute für Kardinal Carpino beten und im Geiste sein langes Leben zurückverfolgen, das auch von akuten und doch verheimlichten Leiden gezeichnet war, können und sollten wir uns an jene Ermahnung erinnern, mit der er sich von seiner geliebten Erzdiözese Palermo verabschiedete, und sie uns zu eigen machen: Mit er- 1153 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN griffener Stimme legte er allen ans Herz, stets der dreifachen Verpflichtung der Liebe, des Friedens und der Einheit treu zu bleiben. Überdenken wir diese Ermahnung nochmals im Licht der Botschaft der Seligpreisungen, die wir eben gehört haben. Während die Geschichte der Menschheit ihren dramatischen Weg geht, vorbei an stets neuen Errungenschaften und nie überwundenen Gegensätzen, schlägt uns der himmlische Lehrmeister ein wirksames und sicheres Lebensprogramm vor, in dem er die Armen im Geiste seüg preist, nämlich die, die dem Mysterium in Demut gegenüberstehen, die Sanftmütigen, die Leidtragenden, die Barmherzigen, die Reinen im Herzen, diejenigen, die sich für den Frieden verwenden, die nach Gerechtigkeit hungern und dursten, die wegen Gottes Reich verfolgt werden. Während seines langen Lebens hat sich Kardinal Carpino stets an diesen ewigen Worten orientiert. Sein Dienst, den er mit unerschütterlichem Glauben und in vollkommener Hingabe an die Kirche und den Menschen geleistet hat, ist eine beredte Bestätigung für das, was uns die Liturgie so maßgeblich in Erinnerung ruft; „Die Hoffnung aber läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist” (Röm 5,5). Liebe Brüder und Schwestern! Während wir das Heilige Meßopfer für ihn darbringen, wollen wir dafür beten, daß Kardinal Francesco Carpino alsbald, an der Seite des Allerhöchsten, die ewige Glückseligkeit, für die allein wir erschaffen sind, erlangen möge. Im Geheimnis seines Todes im Herrn fordert uns heute unser beklagter Bruder auf, mit neugewonnener Zuversicht auf dieses höchste Ziel zu schauen: „Gnade und Erbarmen wird seinen Auserwählten, Belohnung seinen Heiligen zuteil werden” (vgl. Weish 4,15). Amen. Wachsendes Verständnis und enge Zusammenarbeit zwischen den christlichen Kirchen Ansprache bei der Sonderaudienz für norwegische Pilger am 8. Oktober Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, Liebe Schwestern und Brüder in Christus! Mit Freude heiße ich die Teilnehmer der Pilgerfahrt willkommen, die anläßlich der 150-Jahrfeier der Wiedererrichtung der Kirche in eurem Land veranstaltet wurde. Meine besonderen Grüße gelten Bischof Gerhard Schwenzer von Oslo, Bischof Gerhard Goebel von der Territorialprälatur Tromsö und Pater Georg Müller von der Territorialprälatur Trondheim. Unsere heutige Begegnung weckt lebhafte Erinnerungen an meine Pastoraireise nach Norwegen vor vier Jahren. Ich konnte aus erster Hand die tiefen Spuren erleben und öffentlich anerkennen, die tausend Jahre christlichen Lebens in der norwegischen Gesellschaft hinterlassen haben. Am Ankunftstag sagte ich in Oslo: „Eure 1154 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sorge um Bedürftige, Behinderte, Alte und Schwache, euer Eintreten für die Rechte der Frauen und der Minderheiten, eure Bereitschaft, euren Wohlstand mit den Armen der Welt zu teilen, die Großzügigkeit, mit der ihr eure Grenzen für Flüchtlinge geöffnet habt, und der Beitrag Norwegens zum Frieden in der Welt - all das sind Werte, die eurem christlichen Erbe, der , Taufgnade’ Norwegens, entspringen” (Predigt bei der Messe in Oslo, Nr. 4, vom 1. Juni 1989). Dieses Jubiläum ist eine passende Gelegenheit für alle Norweger, dem allmächtigen Gott zu danken für die reiche Ernte der guten Werke, die der Glaube an das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus während der Jahrhunderte hervorgebracht hat. Für Katholiken ist es eine Zeit, sich über die Wiederherstellung und fortschreitende Ausbreitung der Religionsfreiheit zu freuen, die sich zu wachsendem gegenseitigen Verständnis und engerer Zusammenarbeit zwischen den christlichen Kirchen und den kirchlichen Gemeinschaften entwickelt hat. Jede Jubiläumsfeier lädt uns auch ein, mit Hoffnung in die Zukunft zu blicken. In den jüngsten Jahren wurde Norwegen durch die Ankunft so vieler Einwanderer bereichert, die in der Kirche willkommene Aufnahme und sofortige Hilfe in ihren Nöten gefunden haben. Während sie die bestehenden pastoralen Herausforderungen annimmt, nutzt die Kirche in eurem Land die außerordentliche Gelegenheit zum geistlichen Wachstum und zur Vertiefung des Bewußtseins, die Gemeinschaft aller Glieder des Leibes Christi im Heiligen Geist zu sein, durch den die Liebe Gottes, des Vaters, in unsere Herzen ausgegossen ist (vgl. Röm 5,5). Liebe Freunde! Ich bete darum, daß diese Romwallfahrt euren Entschluß bestärke, das Geschenk des Glaubens mit anderen zu teilen. Ich rufe euch auf, immer froher Zeugnis vom Evangelium zu geben, „dem wahren Wort des Evangeliums” (Kol 1,5), das den eigentlichen Sinn des Lebens und der Bestimmung des Menschen offenbart. Seid zusammen mit euren Schwestern und Brüdern anderer christlicher Gemeinschaften Boten jener herrlichen Wahrheit in eurer Gesellschaft und ermutigt alle Norweger zu einer Erneuerung des Glaubens an Christus und zur Verpflichtung gegenüber den Werten des Evangeliums, welche die Geschichte eures Landes geformt haben. Der hl. Olaf, der weise König und treue Jünger Christi, stütze euch und eure Mitbürger auf dem Weg der Treue gegenüber eurer Taufgnade. Mit großer Liebe im Herrn erteile ich euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gott schütze Norwegen! Gott schütze das ganze norwegische Volk! 1155 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr sollt Verkünder und Zeugen des Evangeliums unter den Völkern sein! Ansprache bei der Sonderaudienz für die Teilnehmer der ungarischen nationalen Pilgerfahrt am 9. Oktober Liebe Pilger aus Ungarn! 1. Herzlich grüße ich euch alle, die ihr nach Rom zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus gekommen seid. Ihr wolltet damit meinen Pastoralbesuch in Ungarn in Erinnerung rufen und ihn mit einer nationalen Pilgerfahrt erwidern. Von Herzen danke ich euch, daß ihr in Treue jene Tage im Gedächtnis bewahrt. Ebenso wünsche ich, daß euch auch die heutige Begegnung im Glauben an Christus sowie in der Treue zu seiner Kirche und zum Nachfolger Petri bestärke. In besonderer Weise grüße ich euren Kardinal Läzlö Paskai, Erzbischof von Eszter-gom-Budapest, den Leiter dieser Pilgerfahrt. Ich danke für die herzlichen Worte, die er auch in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ebenso heiße ich Erzbischof Istvän Seregely, den Vorsitzenden der Ungarischen Bischofskonferenz, sowie alle anwesenden Mitbrüder im Bischofsamt willkommen. Mit Freude darf ich feststellen, daß bei dieser Audienz all die Bischöfe anwesend sind, in deren Diözesen ich die heilige Eucharistie feiern konnte. Ich danke euch, den Priestern und Gläubigen sowie dem ganzen ungarischen Volk, für eure Mühe, mit der ihr meinen Besuch vorbereitet habt. Ihr habt mich mit großer Herzlichkeit empfangen, durch eure Heimat begleitet und meine Worte dankbar entgegengenommen. Einen herzlichen Gruß richte ich an Staatssekretär Miklös Pälos, der von seiten der ungarischen Regierung die Vorbereitungen dieser Fahrt geleitet hat, sowie an Sän-dor Kresztes, den Botschafter der Republik Ungarn beim Hl. Stuhl. Vor einem Jahr hatte ich bereits die Gelegenheit, den Leitern und Vertretern der Ungarischen Streitkräfte anläßlich ihrer Wallfahrt nach Rom für den bei meinem Besuch geleisteten wertvollen Dienst zu danken. Über Sie, Herr Staatssekretär, möchte ich meine Anerkennung auch gegenüber den anderen Autoritäten der Republik Ungarn zum Ausdruck bringen, die für den reibungslosen und geordneten Verlauf meines Besuches Sorge getragen haben. 2. In Ungarn habe ich euren Glauben und euren Eifer gesehen, ich war über das beeindruckende Erlebnis des gemeinsamen Betens erfreut, und ich habe durch euren Glauben Zuspruch erhalten, wie auch ich euch trösten und ermutigen wollte (vgl. Röm 1,12). Seid jederzeit stark im Glauben, unerschütterlich in der Hoffnung und opferbereit in der Liebe! Bestärkt einander in der Treue zu Christus und seiner Kirche. Nützt eifrig und zielbewußt die Möglichkeiten, die die wiedererlangte Freiheit eurem Land und eurer Kirche gewährleistet. Befestigt und vertieft in euch, in den Familien und in den Verbänden das christliche Leben gemäß dem Wahlspruch, den 1156 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihr zum Grundgedanken meines Pastoralbesuches gewählt habt: Unser Leben ist Christus. Mit großer Freude und Genugtuung erinnere ich mich, daß außer euren Gläubigen und euren jenseits der Landesgrenzen lebenden ungarischen Schwestern und Brüdern auch viele Gläubige aus den benachbarten Ländern an den Veranstaltungen teilgenommen haben: Deutsche, Österreicher, Kroaten, Slowenen, Rumänen, Ruthe-nen, Slowaken, Ukrainer. So wurde mein Pastoralbesuch zu einem beredten Zeugnis einer in gegenseitigen Verständnis zwischen verschiedenen Nationalitäten und Kulturen sich vollziehenden Begegnung; er war ein Zeichen brüderlicher Gemeinschaft der Kinder Gottes innerhalb der Kirche Jesu Christi. Dieses Verständnis wollt ihr heute erneut bestätigen durch die Anwesenheit von Gläubigen aus Gebieten außerhalb Ungarns, darunter aus Siebenbürgen, der Slowakei und Vojvodina. Inmitten von Krisen und Spannungen unseres Zeitalters sind solche Bekundungen von großer Bedeutung. Ich weiß auch, daß euer Land und besonders die gläubigen Menschen mit opferbereiter Nächstenliebe diejenigen aufnehmen, die aus den Nachbarländern infolge furchtbarer Kriege zu fliehen gezwungen oder vertrieben worden sind. Seid immer entschlossen und konsequent im Bekenntnis und in der Verwirklichung der im Evangelium geforderten Liebe durch Verständnis, Geduld, Vergebung und Wohlwollen. Respektiert jederzeit die individuellen und gemeinschaftlichen Rechte und Werte anderer Menschen sowie die verschiedenen religiösen und nationalen Gemeinschaften. So werdet ihr unter den Menschen der Länder Mittel- und Osteuropas, die so viel Leid erfahren mußten, zu Zeugen von Liebe und Frieden. Und ihr könnt dazu beitragen, daß auch euren in anderen Ländern lebenden Landsleuten Anerkennung und Achtung zuteil werden. 3. Ein besonderes Erlebnis war für mich die unmittelbare Begegnung mit den Jugendlichen im Volksstadion in Budapest. Ihr Optimismus und ihre Begeisterung nähren in uns die Hoffnung, daß Gott auch jetzt für die Zukunft der Kirche sorgt. Sie sind eure Hoffnung und die wahre Kraft der Kirche. Macht ihnen Mut, damit sie durch ihr Engagement das Leben der Kirche bereichern und innerhalb von Verbänden und Organisationen die geeignete Form finden, um durch deren Hilfe authentische Zeugen und Verkünder des Evangeliums werden zu können. In diesem Zusammenhang möchte ich euch an die Priester- und Ordensberufe erinnern, deren die Kirche auch in Ungarn so sehr bedarf. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: „Berufe zu fördern ist Aufgabe der gesamten christlichen Gemeinde; sie erfüllt sie vor allem durch ein wirklich christliches Leben” (Optatam totius, Nr. 2). Den wichtigsten Beitrag dazu leisten einmal die Familien, die gleichsam zum ersten Seminar werden; zum anderen die Pfarrgemeinden, an deren Leben die Jugendlichen selbst teilnehmen. Auch die Lehrer und die katholischen Verbände sollen die ihnen anvertrauten jungen Menschen so zu erziehen suchen, daß sie den göttlichen Ruf wahrnehmen und ihm bereitwillig folgen. Schließlich sollen die Priester selbst ihren apostolischen Eifer vor allem in der Förderung der geistlichen Berufe zeigen. Auch die 1157 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bischöfe bitte ich herzlich, die Förderung von Berufungen anzuspomen, alle Anstrengungen zu unternehmen und diejenigen, „die nach ihrem Urteil zum Anteil des Herrn berufen sind, väterlich zu unterstützen, ohne dabei irgendein Opfer zu scheuen” (Optatam totius, Nr. 2). Herzlich bitte ich euch, Bischöfe und Priester, seid unermüdlich in eurem Dienst der Verkündigung des Evangeliums, damit die Frohbotschaft und die Werte des christlichen Lebens allen Menschen vermittelt werden können. In diesem Zusammenhang wünsche ich von Herzen, daß die durch das Apostolische Schreiben Hungarorum gens vom 31. Mai 1993 vorgenommene Umstrukturierung eurer Diözesen zu einer Erleichterung und zugleich weiteren Intensivierung eurer Pastoralarbeit im Rahmen der Neuevangelisierung beitragen möge. Dabei soll euch der „Katechismus der Katholischen Kirche” eine unentbehrliche Hilfe sein, der vor kurzem herausgegeben wurde. Mit Freude habe ich vernommen, daß dieser Wegweiser des katholischen Glaubens in Kürze auch in ungarischer Übersetzung erscheint. Ich möchte euch alle ermutigen, liebe Bischöfe, Priester und Gläubige! Tut alles, damit die durch die demokratische Gesetzgebung,gesicherten Rechte in allen Bereichen des kirchlichen Lebens zur vollen Geltung und Entfaltung kommen. Setzt euch dafür ein, daß möglichst viele katholische Schulen errichtet werden und dem Religionsunterricht ein gebührender Platz in den verschiedenen Schulformen gewährleistet werde. Das Unterrichtsfach Religion und die Vertiefung des christlichen Lebens ist von grundlegendem Wert und kann zu einer guten menschlichen Bildung eines jeden einen Beitrag leisten; ja, es dient gerade durch die daran teilnehmende Jugend dem Aufbau der Moral in Gesellschaft und Nation, 4. Dieser euer Besuch ist wie so viele ungarische Pilgerreisen mit dem Fest Magna Domina Hungarorum verbunden, zu deren Ehren eine Kapelle im Petersdom errichtet wurde und die ich in Anwesenheit eurer Bischöfe eingeweiht habe. In dieser Basilika hat ihr auch jetzt das heilige Meßopfer zu Ehren Marias dargebracht. Damit habt ihr von der altehrwürdigen und in der Tradition eurer Nation verwurzelten Verehrung der Muttergottes Zeugnis abgelegt, die durch alle Jahrhunderte hindurch nicht nur eine Kraftquelle des Glaubens und der Hoffnung war, sondern die Kirche in eurem Land mit dem Stuhl Petri und dessen Nachfolger innig verband. Der Fürbitte der Magna Domina Hungarorum empfehle ich die Kirche und alle Menschen in Ungarn. Gottes Schutz und Beistand begleite euch auf eurem Glaubens- und Lebensweg. Dazu erteile euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1158 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fundamentale Bedeutung des Martyriums für die Kirche Predigt bei der Seligsprechungsfeier am 10. Oktober 1. „Ich kann alles in dem, der mich stark macht” (Phil 4,13). Dies sind Worte des Apostels Paulus, die von der Kirche heute auf die Lippen der Märtyrer gelegt werden, die in unserem Jahrhundert erneut Zeugnis für eine überraschende Kraft gegeben haben. Alles kann ich in Christus! In Christus, dem Gekreuzigten. Die erlösende Kraft findet sich in seiner Todesangst, in seinem Tod und in seinem Opfer. Es ist die Kraft der Liebe. Einer Liebe, die stärker ist als der Tod; einer Liebe, die Leben schenkt, die sich voll in der Auferstehung geoffenbart hat. Alles vermögen wir im gekreuzigten und auferstandenen Christus, sagen uns die neuen Seligen. Er hat uns den Geist des endgültigen Zeugnisses geschenkt, und stark in diesem Geist sind wir dem Tod entgegengetreten. Möge unser Tod Same des Lebens werden, möge der Same, der stirbt, Frucht bringen. Die Kirche spürt diese Worte der Märtyrer, die sie heute seligspricht. Sie betrachtet voll Verehrung ihr Zeugnis. Die Kirche grüßt euch Selige: „Selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich” {Mt 5,10). Der Papst fuhr in Spanisch fort: 2. „Gott, unserem Vater, sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit” (Phil 4,20). Mit diesen Worten des heiligen Paulus - hebe Brüder im Bischofsamt, hohe Autoritäten und Hebe Gläubige - stehen uns die Märtyrer der Kirche von Spanien vor Augen, denen wir mit großer Freude die Ehre der Altäre zugebilligt haben. Sie alle waren als treue Diener und Dienerinnen des Herrn gleichsam Abgesandte des Königs, die, wie wir im Gleichnis des Evangeliums gehört haben, auch „mißhandelt und getötet worden sind” {Mt 22,6). Diese Abgesandten waren die beiden Bischöfe und die sieben Schulbrüder, die in Almena die Palme des Martyriums erlangten. Don Diego Ventaja Milan, Bischof von Almena, und Don Manuel Medma Olmos, Bischof von Guadix, waren vor allem das lebendige Bild des Guten Hirten, der die Schafe hebt, der sie in der Stunde der Gefahr nicht verläßt, und der am Ende das Leben für sie hingibt. Und sie gaben es hin nach dem Beispiel Christi, indem sie ihren Henkern verziehen. Wie Augenzeugen berichtet haben, sagte Msgr. Ventaja denen, die ihn töten wollten: „Gott möge euch vergeben, wie ich euch aus ganzem Herzen vergebe, und dies möge das letzte Blut sein, das ihr vergießt”. 3. Zeugen Jesu Christi waren auch die Schulbrüder vom Kolleg La Salle in Almena: Aurelio Maria, Jose Cecilio, Edmigio, Amalio, Valerio Bemardo, Teodomiro Joaquln und Evencio Ricardo. Ihr Leben, dem Herrn durch die drei Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsam geweiht, war bereits durch ihre bescheidene und stille Arbeit im Unterricht geformt. Mit den Worten des heiligen Paulus 1159 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hätten sie wiederholen können: „Ich weiß im Überfluß zu leben und Mangel zu leiden. In jedes und alles bin ich eingeweiht” (Phil 34,12). Diese Ordensleute, die sich die Lehren und das Beispiel ihres Gründers, des hl. Johannes Baptist de La Salle vor Augen hielten, wußten sehr gut, daß sie trotz ihrer selbstlosen Arbeit, Kinder und Jugendliche christlich zu erziehen, jeder Art von Beleidigung und Verfolgung ausgesetzt waren. Aurelio Maria rief bei der Nachricht vom Martyrium der Brüder von Turon in Asturien aus: „Könnten doch auch wir unser Ja sagen und unser Blut für ein so hohes Ideal vergießen! Verdoppeln wir unseren Eifer als religiöse Erzieher, um so einer solchen Ehre würdig zu werden.” 4. Ähnliche Gefühle lebten im Herzen von Pater Pedro Poveda Castroverde, dem Gründer des Theresianischen Institutes, der es ebenfalls verstand, sein Zeugnis bis zum Blutvergießen durchzuhalten. Sein größtes Bestreben war immer, dem Willen des Vaters wie Jesus zu entsprechen. „Herr, ich möchte denken, was du möchtest, daß ich denke - lesen wir in seinen Schriften -, möchte wollen, was du möchtest, daß ich will; möchte ich reden, was du möchtest, daß ich rede, und möchte arbeiten, wie du möchtest, daß ich arbeite” (Tagebuch ,15.3.1933). Beim Propheten Jesaja haben wir gehört: „Ja, die Hand des Herrn mht auf diesem Berg” (25,10a). Tatsächlich erhielt der neue Selige zu Füßen der Jungfrau in Cova-donga in seiner tiefen Liebe zur Jungfrau Maria die Anregung zu seinem apostolischen Eifer. Er konzentrierte sich auf die Förderung der evangelisierenden Anwesenheit der Christen in der Welt - vor allem vom Schul- und Kulturbereich -, und er tat das in einem Geist tiefen Empfindens mit der Kirche, bedingungsloser Treue und des hochherzigen Einsatzes. So verstand es ebenfalls Victoria Diez y Bustos de Molina, die in ihrer hingebungsvollen Arbeit als Lehrerin die Spiritualität des Theresianischen Institutes zu leben verstand, in der sie sich ganz Gott hingab mit den Worten: „Wenn es notwendig wird, das Leben hinzugeben, um Christus, unserem göttlichen Vorbild, gleichzuwerden, dann höre ich heute noch auf, für die Welt dazusein, denn mein Leben ist Christus und Sterben mein Gewinn”. Diese Selige ist ein Beispiel der Offenheit für den Geist und der apostolische Fmchtbarkeit. Sie verstand es, sich in ihrer Arbeit als Erzieherin in einer ländlichen Gemeinde zu heiligen, und nahm zugleich teil an den Tätigkeiten in der Pfarrei, zumal an der Katechese. Die Freude, die sie auf alle ausstrahlte, war der treue Widerschein jener bedingungslosen Hingabe an Jesus, die sie zu dem höchsten Zeugnis führte, ihr Leben für das Heil vieler zu opfern. Der Papst fuhr in Italienisch fort: 5. Heute freut sich die Kirche auch über die beiden italienischen Ordensschwestern, die einen Teil dieser zahlreichen Schar der Sehgen bilden. Sie haben zwar nicht für Christus ihr Blut vergossen, aber dennoch das Martyrium der täglichen Pflicht ge- 1160 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kannt, die sie mit ausnahmsloser Treue und heroischer Beständigkeit ausgeübt haben. Die Kirche grüßt dich, Schwester Maria Francesca von Jesus, Gründerin der Kapu-ziner-Terziarinnen von Loano, weil du aus deinem Leben einen ständigen Dienst für die Letzten gemacht und die besondere Liebe bezeugt hast, die Gott für die Kleinen und Schwachen hegt. Du bist getreu den Spuren des Franziskus gefolgt, der in die Armut des Evangeliums verliebt war, und hast nicht nur gelernt, den Armen zu dienen, sondern selber arm zu werden, und du hast deinen geistlichen Töchtern diesen besonderen Weg der Evangelisierung aufgezeigt. Mit dem Wachsen des Institutes wurde diese anfängliche Inspiration zum tiefreichenden missionarischen Eifer, der dich und dein Werk nach Lateinamerika geführt hat, wo einige deiner geistlichen Töchter bereits mit dem Opfer des Lebens jenen Dienst für die Armen besiegelt haben, der das deiner Kongregation anvertraute Charisma zum Vorteil der ganzen Kirche bildet. Heute grüßen wir dich als erste Selige von Uruguay. Setze dein prophetisches Zeugnis der Liebe auch heute auf den vielfältigen Feldern des Apostolates fort, auf denen die Kongregation arbeitet und dazu beiträgt, jedem Menschen, und zumal den Leidenden und Verlassenen, die universale Einladung zum himmlischen Hochzeitsmahl bekannt zu machen (vgl. Mt 22,9). 6. Die Kirche grüßt auch dich, Maria Crocifissa, die treue Tochter der heiligen Klara, des bescheidenen Pflänzleins des Franziskus! Du hast dein Leben Ihm gleichförmig gemacht, der aus Liebe zum Menschen sich ans Kreuz nageln ließ. Du hast dein Leben im Haus des Herrn eingepflanzt, so daß du immer in den Vorhöfen der Liebe in Treue zur heiligen Dreifaltigkeit gelebt hast (vgl. Ps 23,6). In einem kurzen Leben warst du ständig bemüht, das Antlitz des Geliebten zu suchen, auf den du gehofft hast (vgl. Jes 25,9). Du hast es im Antlitz der Armen gefunden, die an deine Liebe appellierten; du hast es in den Mitschwestem gesehen, die deiner Sorge und deiner Autorität anvertraut waren; du hast Jesus gehört innerhalb der Mauern des Klosters von Ostra Vetere, das deine Weihe behütet hat. Doch noch intensiver hast du ihn nahe gespürt in der täglichen Begegnung mit ihm beim eucharistischen Gastmahl in dem Bewußtsein: Wer sein Fleisch ißt und sein Blut trinkt, wird wirklich zur Wohnung des Allerhöchsten und wird ewig leben. So warst du in der Befolgung der goldenen Regel der evangelischen Räte anbetend zu Füßen des Kreuzes unseres Erlösers, Schülerin der unbefleckten Jungfrau, die du kindlich verehrt hast. Armut, Keuschheit und Gehorsam, gelebt in franziskanischer Einfachheit und Freude, waren das Werkzeug, das dich sicher gemacht hat, alles in dem vollbringen zu können, der stark macht (vgl. Phil 4,13). Nun aber schaust du die Herrlichkeit deines Herrn. 7. Heute nimmt euch der Petersdom und der Petersplatz als Märtyrer und Selige in Empfang, ihr angesehenen und geliebten Kämpfer des Glaubens, und dies ist der 1161 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tag, an dem ihr selbst die feierliche Liturgie begeht. Ihr selbst verkündet den Ruhm Gottes mit den Worten aus dem Buch des Propheten Jesaja: „Seht unseren Gott; auf ihn haben wir gehofft” (Jes 25,9). Eure Hoffnung voll Unsterblichkeit hat sich erfüllt (vgl. Weish 3,4). „Der Herr ist euer Hirt” (vgl. Ps 22,1) ... und für immer werdet ihr in seinem Hause wohnen. Leuchtende Zeichen der Heiligkeit der Kirche und Vorbilder für christliches Leben Ansprache an die zu den Seligsprechungen nach Rom gekommenen Pilger am 11. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! Sehr geehrte Vertreter der Behörden, liebe Söhne und Töchter! 1. Mit Freude treffe ich heute euch alle, die ihr gestern an der Seligsprechung von zwei Bischöfen und sieben Brüdern der Christlichen Schulen teilgenommen habt, die alle zu Beginn des spanischen Bürgerkriegs in Almeria den Märtyrertod erlitten. Bei dieser Gelegenheit möchte ich besonders die Gruppe spanischer Bischöfe begrüßen und vor allem die Pilgergruppen aus Almeria und Guadix, den Diözesen der neuen Seligen. In ihren Biographien tritt in einzigartiger Weise ihr unermüdlicher apostolischer Einsatz hervor, mit dem sie den Glauben ihrer Diözesanen in Zeiten der Krise und der politischen Spannungen gestärkt und angefacht haben; das führte sie bis zur heldenhafte Hingabe ihres Lebens, wie sich aus den erhaltenen Zeugenaussagen ergibt. Einen herzlichen Gruß möchte ich auch an die Brüder des hl. La Salle richten, die von einer zahlreichen Gruppe von Alumnen und Ex-Alumnen begleitet sind und bei der Seligsprechung dieser sieben Märtyrer des Kollegs San Jose in Almeria dabei waren. , ' 2. Wie ich schon in der Enzyklika Veritatis splendor dargelegt hatte, ist das Martyrium „ein leuchtendes Zeichen der Heiligkeit der Kirche: die mit dem Tod bezeugte Treue zum heiligen Gesetz Gottes ist feierliches Zeugnis und missionarischer Einsatz usque ad sanguinem, auf daß nicht der Glanz der sittlichen Wahrheit in den Gewohnheiten und Denkweisen der Menschen und der Gesellschaft um seine Leuchtkraft gebracht werde. Ein solches Zeugnis bietet einen außerordentlich wertvollen Beitrag, damit man - nicht nur in der bürgerlichen Gesellschaft, sondern auch innerhalb der kirchlichen Gemeinschaften - nicht in die gefährlichste Krise gerät, die den Menschen überhaupt heimsuchen kann: die Verwirrung in bezug auf Gut und 1162 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Böse, was den Aufbau und die Bewahrung der sittlichen Ordnung der einzelnen und der Gemeinschaften unmöglich macht” (Nr. 93). 3. Ein gemeinsames Kennzeichen der neuen Seligen war ihr Einsatz im Unterricht. Die beiden Bischöfe trugen damals - einer nach dem anderen - die Verantwortung für die „Schulen des Ave Maria” von Don Andres Manjön. Die Lehrtätigkeit der Brüder der Christlichen Schulen wurde erleuchtet durch ein Leben in innigster Vereinigung mit Gott und auch durch die Liebe zu ihren Schülern. Man kann nicht daran zweifeln, daß ihre Arbeit als Lehrer - vor allem in schwierigen Zeiten - ein Beispiel und Antrieb für euch alle als christliche Erzieher sind in einer Zeit, die von religiöser Gleichgültigkeit und Säkularismus gekennzeichnet ist. In dieser Stunde möchte ich mich auch an die Familienväter und -mütter als erste und Hauptverantwortliche für die Erziehung ihrer Kinder wenden. Die Mitarbeit und Teilnahme am Vorgehen der Kirchenzentren ist eine unverzichtbare Pflicht, damit die Jugend durch sie eine umfassende, auf soliden christlichen und menschlichen Prinzipien gegründete Ausbildung erhält und auf ihre künftige Einfügung in das berufliche und soziale Leben vorbereitet wird. In der festen Hoffnung, daß die spanische Gesellschaft die Fackel des Glaubens hochhält, für den diese Seligen das Martyrium erlitten, rufe ich auf alle ihren Schutz herab, besonders auf die Diözesen Almeria und Guadix und auf die Kollegien des hl. La Salle. Der Papst fuhr auf Italienisch fort: 4. Meine Gedanken richten sich nun an die Pilger, die hierher gekommen sind anläßlich der Seligsprechung von Maria Crocifissa Satellico, einer Klarissin, und von Maria Francesca von Jesus, Gründerin der Kapuziner-Terziarinnen von Loano. Liebe Brüder und Schwestern! Das Lob- und Danklied, das sich in diesen Tagen zum Herrn erhebt für das Vorbild der Heiligkeit und Tugend dieser beiden geistlichen Töchter von Franziskus und Klara, ist eine erneute Aufforderung, sie nachzuahmen in ihrem Leben nach dem Evangelium und in ihrem Zeugnis der Nächstenliebe, von dem ihr ganzes Dasein geprägt war. Die Berufung von Gott zur Weihe im Ordensstand erreichte Anna Maria Rubatto in den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als sie bereits neununddreißig Jahre alt war und bedeutende Erfahrung in der Arbeit und Solidarität gesammelt hatte. Seit den bescheidenen Anfängen der ersten Gründung in Loano, wo sie von Kapuzinerpatres geistlich betreut wurde, war der unermüdliche Dienst für die Armen das ständige Bemühen der neuen Kongregation und das beredteste Zeichen ihrer großen Liebe zum armen und gekreuzigten Christus. Die missionarische Berufung aber, die den letzten Lebensabschnitt der neuen Seligen prägte, ist auch heute noch eine der Grundlagen des Ordens, die in der apostolischen Arbeit und Hilfstätigkeit in Lateinamerika und Äthiopien ihren Ausdruck findet. 1163 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Auch Maria Crocifissa Satellico, die während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelebt hat, bietet uns eine Botschaft, die nichts von ihrer Aktualität verloren hat: Sie spricht zu uns von der Notwendigkeit der Sammlung, des Gebets und der Buße für ein christliches Leben, das in den echten Werten des Evangeliums wurzelt. Sei es als einfache Ordensfrau wie auch später als Äbtissin ihres Klosters verstand es die selige Maria Crocifissa, immer in voller Übereinstimmung mit den Hirten der christlichen Gemeinschaft zu leben, und sie ließ Gott selber - durch die Stimme der Kirche - ihr den Weg der Vollkommenheit zeigen. Die Stille und der Friede der Klausur minderten nicht ihre Liebe zu den Menschen, sondern sie bewahrten die Intensität ihrer spirituellen Erfahrung. Ihr Beispiel führt uns erneut und eindrucksvoll den Wert einer Berufung zum Leben in Klausur vor Augen, besonders das der franziskanischen Tradition der Klarissen, die gerade dieses Jahr den 800. Jahrestag der Geburt der hl. Klara begehen. 6. Liebe Brüder und Schwestern! Die Kirche jubelt heute über die Verkündung dieser neuen Gruppe von Seligen. Wenn ihr in eure Heimat zurückkommt, werdet ihr die Erinnerung an die großen Feiern mitnehmen, an denen ihr in diesen Tagen teilgenommen habt. Auf eurem Weg möge euch die himmlische Fürbitte der Zeügen des Glaubens und des Evangeliums stützen, die nun zur Ehre der Altäre erhoben sind. Es begleite euch auch der mütterliche Schutz Marias, der Königin der Märtyrer und der Jungfrauen, und zugleich mein Apostolischer Segen. Zur Heiligung aller beitragen Ansprache an die Teilnehmer des theologischen Studienkongresses über die Lehren des seligen Josemaria Escrivä de Balaguer am 14. Oktober 1. Mit Freude empfange ich euch bei Gelegenheit des „Theologischen Studienkongresses über die Lehren der seligen Josemaria Escrivä”, der in diesen Tagen, etwas mehr als ein Jahr nach Escriväs Seligsprechung, am Römischen Athenäum vom Heiligen Kreuz, stattgefunden hat. Ich begrüße den Großkanzler, Msgr. Alvaro del Portillo, und den Rektor der Hochschule, Msgr. Ignazio Carrasco de Paula; ich begrüße ferner das Organisationskomitee, die Redner und euch alle, die ihr an diesem wichtigen Studienkongreß teilgenommen habt. 2. Die Geschichte der Kirche und der Welt verläuft unter dem Wirken des Heiligen Geistes, der durch die freie Mitarbeit der Menschen alle Ereignisse auf die Erfüllung des Heilsplanes Gottes, des Vaters, hinlenkt. Evidente Äußerung dieser göttlichen Vorsehung ist alle Jahrhunderte hindurch die ständige Gegenwart von Männern Frauen, die in Treue zu Christus mit ihrem Leben und mit ihrer Botschaft die verschiedenen Epochen der Geschichte erhellen. 1164 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unter diesen bedeutenden Gestalten nimmt der selige Josemaria Escrivä einen hervorragenden Platz ein, der, wie ich am Tag seiner feierlichen Seligsprechung betonen durfte, der zeitgenössischen Welt die universale Berufung zur Heiligkeit und den Wert in Erinnerung gerufen hat, den die Berufsarbeit in den gewöhnlichen Verhältnissen eines jeden gewinnen kann. Das Wirken des Heiligen Geistes hat über die Heiligung der Seelen hinaus die ständige Erneuerung der Kirche zum Ziel, damit sie wirksam die ihr von Christus anvertraute Aufgabe erfüllen kann. In der jüngsten Geschichte des kirchlichen Lebens besitzt dieser Emeuerungsprozeß einen grundlegenden Bezugspunkt: das II. Vatikanische Konzil, bei dem die Kirche, in den Personen ihrer Bischöfe versammelt, erneut über den Kern ihres Dienstes nachgedacht hat, um das Evangelium der Welt in einer Weise verkünden zu können, daß es das Leben der Menschen, die Kulturen und Völker entscheidend beeinflußt. Die Konzilsarbeiten und die daraus sich ergebenden Dokumente hatten als gemeinsames Kennzeichen das volle Bewußtsein vom Heil, das Christus erwirkt und gewonnen hat. Von daher ergibt sich das Sendungsbewußtsein, das die Texte der ökumenischen Versammlung und alle späteren Äußerungen des Lehramtes hervorheben; jener Sinn für die Sendung, auf den ich mich noch kürzlich in der Enzyklika Veritatis Splendor bezogen habe. 3. Das tiefe Bewußtsein, mit dem sich die Kirche heute darüber klar ist, daß sie im Dienst einer Erlösung steht, die alle Dimensionen des menschlichen Leben betrifft, ist unter der Führung des Heiligen Geistes durch einen schrittweisen intellektuellen und geistlichen Fortschritt vorbereitet worden. Die Botschaft des seligen Josemaria, der ihr die Tage eures Kongresses gewidmet habt, bildet einen der bezeichnendsten charismatischen Impulse in diese Richtung, ausgehend gerade von einem einzigartigen Bewußtwerden der universalen Strahlungskraft, die die Gnade des Erlösers besitzt. In einer seiner Homilien bemerkte der Gründer des Opus Dei: „Der Aufmerksamkeit Christi ist nichts fremd. Streng theologisch gesprochen ... kann man nicht sagen, es gebe Wirklichkeiten - edle und gute, oder auch gleichgültige -, die ausschließlich profan wären: denn das Wort Gottes hat seine Wohnung mitten unter den Menschenkindern aufgeschlagen, es hat Hunger und Durst gehabt, mit seinen Händen gearbeitet, Freundschaft und Gehorsam gekannt und auch Schmerz und Tod erfahren” (Josemaria Escrivä. E Gesü che passa, Verlag Ares, Mailand 1982, 4. Auflage, Nr. 112). Aufgrund dieser lebendigen Überzeugung lud der selige Josemaria die Männer und Frauen aus den verschiedensten sozialen Verhältnissen ein, sich zu heiligen und zur Heiligung der anderen beizutragen, indem sie das gewöhnliche Leben heiligten. In seiner priesterlichen Tätigkeit erfuhr er in der Tiefe den Wert einer jeden Seele und die Macht, die das Evangelium besitzt, die Gewissen zu erleuchten und zu einem ernsthaften und tatkräftigen christlichen Einsatz in der Verteidigung der Personen und ihrer Würde hinzuführen. In seinem Buch Cammino schrieb der Selige: „Diese weltweiten Krisen sind Krisen der Heiligen. - Gott will eine Handvoll Menschen, 1165 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die bei allem menschlichen Tun zu ihm gehören - Dann wird der Friede Christi im Reich Christi herrschen” (Josemaria Escrivä. Cammino, Verlag Ares, Mailand 1984, 18. Auflage, Nr. 301). 4. Wieviel Kraft besitzt diese Lehre angesichts der harten, aber zugleich anziehenden Aufgabe der Neuevangelisierung, zu der die ganze Kirche aufgerufen ist! Auf eurem Kongreß hattet ihr Gelegenheit, über die verschiedenen Aspekte dieser geistlichen Lehre nachzudenken. Ich fordere euch auf, darin fortzufahren, weil Josemaria Escrivä de Balaguer wie andere große Gestalten der zeitgenössischen Geschichte der Kirche eine Quelle der Anregung, auch für das theologische Denken sein kann. Tatsächlich schreitet die theologische Forschung, die einen unerläßlichen Mittlerdienst im Verhältnis von Glauben und Kultur leistet, voran und wird reicher, wenn sie unter dem Antrieb der großen Zeugen des Christentums aus der Quelle des Evangeliums schöpft. Der selige Josemaria aber gehört zweifellos zu ihnen. Wir dürfen im übrigen nicht vergessen, daß die Bedeutung der Gestalt des seligen Josemaria Escrivä nicht nur von seiner Botschaft herkommt, sondern auch von der apostolischen Gruppe, die er ins Leben gerufen hat. In den 65 Jahren seit ihrer Gründung hat die Prälatur des Opus Dei, eine unlösliche Einheit von Priestern und Laien, dazu beigetragen, in vielen Kreisen die Heilsbotschaft Christi vernehmbar zu machen. Als Hirten der universalen Kirche erreicht mich das Echo dieses Apostolates, und ich ermuntere alle Mitglieder der Prälatur des Opus Dei, in treuer Anhänglichkeit an den Geist des Dienstes für die Kirche auszuharren, der das Leben des Gründers immer geprägt hat. Mit diesen Gedanken rufe ich auf alle die Fülle himmlischer Gaben herab, als deren Unterpfand ich von Herzen euch und allen, die sich von der Lehre und dem Beispiel des seligen Josemaria Escrivä de Balaguer anregen lassen, meinen Segen. Gemeinsame ethische Grundeinstellung erforderlich Grußbotschaft an das europäische Bischofstreffen in Brixen vom 14. Oktober Seiner Exzellenz dem hochwürdigsten Herrn Dr. Wilhelm Egger OFMCap, Bischof von Bozen-Brixen Mit Genugtuung habe ich von der Initiative der CCEE Kenntnis erhalten, in Brixen ein Treffen von Bischöfen aus europäischen Diözesen zu organisieren, in denen verschiedene Volks- und Sprachgruppen Zusammenleben. Wie ich bereits in meiner Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 1989 betont habe, gilt es, zwei allgemeine Prinzipien zu beachten: „Das erste Prinzip ist die unveräußerliche Würde jeder menschlichen Person, ohne Unterschied gleich welcher rassischen, ethnischen, kulturellen und nationalen Herkunft oder welchen religiösen Bekenntnisses. Das zweite Prinzip betrifft die grundlegende Einheit des Menschengeschlechtes, das seinen Ursprung in einem einzigen Schöpfergott hat” (Nr. 3). 1166 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Um aus Europa wirklich eine versöhnte Gemeinschaft werden zu lassen, bedarf es einer verbindenden ethischen Grundeinstellung aller Menschen. Hier fällt uns eine enorme Aufgabe zu, nämlich zu ermuntern, damit aus der Gemeinschaft der Gläubigen das Beste für das Gemeinwohl der gesamten Gesellschaft gemacht wird. Als Kirche müssen wir im Dienst der Einheit und der Verständigung in den Diözesen und Pfarreien mit gutem Beispiel vorangehen. Im Interesse einer glaubwürdigen und überzeugenden Verwirklichung dieser Ziele erteile ich allen hierzu Verantwortlichen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Joannes Paulus PP. II Kuba braucht Liebe und Versöhnung Ansprache an die Bischöfe des Ständigen Ausschusses der Kubanischen Bischofskonferenz während einer Eucharistiefeier am 14. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! Mit Gefühlen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe wollen wir die heilige Messe als Zeichen tiefer Verbundenheit zwischen dem Nachfolger Petri und den Bischöfen Kubas feiern und Gott danken für das stete Wachstum und Erstarken ihrer Kirchengemeinden. In Gedanken bin ich den übrigen Bischöfen, Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen und gläubigen Laien nahe, die Tag für Tag ein wunderbares Zeugnis ihres christlichen Glaubens geben. Ebenso kenne ich sehr wohl eure Besorgnis wegen der geistig-religiösen Situation und der materiellen Not, unter der das geliebte kubanische Volk leidet, und weiß zugleich, was die Kraft der Solidarität durch die Caritas und andere Organisationen zur Zeit vollbringt. In dieser Hinsicht hofft der Hl. Stuhl inständig, daß angesichts höchster humanitärer Not die inneren und äußeren Probleme, die der gesamten kubanischen Bevölkerung so schwer zu schaffen machen, möglichst bald überwunden werden können. Zusammen mit euch ermutige ich alle Kubaner zum brüderlichen Dialog, der auf der Suche nach der objektiven Wahrheit und nach dem Gemeinwohl beruht und es möglich machen wird, daß alle Söhne und Töchter Kubas aus ihrer eigenen Lage und Verantwortung heraus daran teilnehmen. Das ist der Sinn der Botschaft, die ihr als Bischöfe Kubas kürzlich an euer Volk gerichtet habt, das von seinen Hirten eine umsichtige Orientierung im Lichte des Evangeliums und der Soziallehre der Kirche erwartet. Eure pastorale Sorge beruht - wie es die eigentliche Sendung der Kirche ist - einzig und allein darauf, ein Klima der Liebe und Versöhnung zu schaffen als unerläßliche Gmndlage für das Wohl des ganzen Landes. Für dieses Ziel arbeiten bereits die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und gläubigen Laien, zu denen, wie ich hoffe, bald noch andere hinzukom- 1167 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN men mögen, die durch neue und heiligmäßige Berufungen zum Wachstum dieser Kirchengemeinden beitragen können. Mit der Jungfrau „Virgen de la Caridad del Cobre” bitten wir den Herrn, daß er das Herz aller Kubaner, die dem Herzen des Papstes stets so nahe sind, wieder neu belebe, damit sie in einem Klima gegenseitigen Vertrauens, brüderlicher Liebe und Friedens für die Gerechtigkeit und Eintracht arbeiten. Meine tiefe Zuneigung und mein Segen begleite sie immer. Hilfe bei der Suche nach dem Sinn des Lebens Grußworte an die Mitglieder des Generalkapitels der Maristen-Schulbrüder am 15. Oktober Liebe Brüder! 1. Es ist mir eine Freude, euch anläßlich eures Generalkapitels, das nunmehr zu Ende geht, willkommen zu heißen. Ich begrüße euren neuen Generaloberen, Bruder Benito Arbues, den Generalvikar und die Ratsmitglieder, denen ich meine Ermutigung und meine Wünsche für die Erfüllung der Aufgaben ausspreche, die ihnen jetzt im Dienst ihrer Kongregation anvertraut sind. Unsere Begegnung ist eine günstige Gelegenheit, um euch der Achtung der Kirche für euch als Ordensmänner und Erzieher zu versichern. Euer Zeugnis für das Ordensleben, nach dem Beispiel des seligen Marcellin Champagnat, eures Gründers, ist für die Ortskirchen alter Tradition ebenso wertvoll wie für die jungen Kirchen: Dem Dienst für Gott und für sein Volk geweihte, in Demut in Einfachheit lebende Männer sind ein bedeutsames Zeichen, das der zeitgenössischen Gesellschaft den von Christus für die Menschheit aufgetanen Weg weist. Es ist mir daran gelegen, insbesondere einige eurer Brüder zu erwähnen, die seit langer Zeit unter schwierigen Bedingungen leben und deren Treue ich meine Hochachtung zolle. 2. Eure Kongregation wurde in einer Zeit, wo der Bildungsmangel weit verbreitet war, zu erzieherischen Zwecken gegründet. Wenn sich auch die Verhältnisse geändert haben, so bleiben dennoch ungeheure Nöte bestehen. Haltet eure Begeisterung für die Erziehung von kleinen und größeren Kindern und Studenten aufrecht. Ihr habt ihnen viel zu bieten, wenn ihr die schulische und akademische Qualität eures Unterrichts mit der Kraft des Glaubens bereichert, Schulen leitet oder auch in einem anderen Rahmen an der katechetischen Pastoral mitwirkt. Wir wissen, wieviele Jugendliche heute tastend nach dem Sinn ihres Lebens suchen. In ihnen den Glauben erwecken, heißt wirklich an der Sendung mitarbeiten, die der Herr seiner Kirche anvertraut hat. 3. Ich will auch die Tatsache betonen, daß eure Kongregation in mehr als achtzig Ländern der fünf Erdteile vertreten ist und spreche den Wunsch aus, es mögen sich 1168 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN viele Jugendliche euch anschließen, um euer Werk weiterzuentwicklen. Von allen Seiten erreicht die Kirche der Aufruf, bei der Jugenderziehung mitzuwirken. Die großen Schulorden gehören zu den besten Antworten auf diese Erwartungen, insbesondere dann, wenn sie, wie es dem Charisma eures Instituts entspricht, im Dienst der ärmsten Familien stehen. 4. Liebe Brüder, möge die Jungfrau Maria, die täglich eurem Ordensleben Anregung gibt und euch leitet, euer Apostolat fruchtbar machen und treu gegenüber dem Wort, das vom Herrn kommt! Ihre Fürbitte sowie die des seligen Marcellin Champagnat rufe ich inständig für euch an. Aus ganzem Herzen segne ich euch sowie alle Mari-stenbrüder und die jungen Menschen, zu deren Dienst Sie berufen sind. Für eine ganzheitliche Förderung der Menschen Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika am 15. Oktober Meine Herren Kardinäle, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Priester, Ordensleute und Laien! 1. Es ist mir eine Freude, heute, zum Abschluß der 3. Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, mit euch zusammenzutreffen. Diese Dienststelle der römischen Kurie gibt im Interesse der Gemeinschaft der Diözesen der betreffenden Nationen mit dem Apostolischen Stuhl den Tätigkeiten der Kirche auf dem Kontinent der Hoffnung Anregung und Förderung. Herzlich danke ich Kardinal Bemardin Gantin für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Eure Arbeitssitzungen wurden genau ein Jahr nach der Konferenz von Santo Domingo abgehalten, die ich selbst am 12. Oktober 1992 eröffnen konnte - auch zum 500jährigen Gedenken an die Ankunft der Botschaft Christi. Die Gedächtnisfeier war wirklich ein für den gegenwärtigen Augenblick kirchlichen Lebens sehr bedeutsames Ereignis, denn die Kirche wollte, weit entfernt von jeder ihrer Sendung fremden Motivierung, das Andenken an den Beginn der Verkündigung des Glaubens und des Evangeliums Jesu sowie der Gründung und der Entwicklung jener großartigen Wirklichkeit - nämlich der kirchlichen Gemeinden Lateinamerikas - begehen. Für all das danken wir dem erbarmenden Gott aus ganzem Herzen, sollten jedoch der Tatsache eingedenk sein, daß das Werk der Evangelisierung, das die Kirche an der Schwelle des Jahres 2000 in Lateinamerika erwartet, nicht weniger dringend ist und nicht geringeren Mut erfordert. Die Kirche ist berufen, Protagonist des dritten christlichen Jahrtausends zu sein. Dafür ist es von lebenswichtiger Bedeutung, daß sie stets ihrer katholischen Identität treu ist, sich in ihren Menschen und Strukturen zutiefst erneuert, sich bedingungslos einsetzt für die 1169 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganzheitliche Förderang der Männer und Frauen Lateinamerikas und der Welt ein Aussehen zeigt, das wahrhaft vom Evangelium geprägt ist. 2. In diesem Sinn können die Beschlüsse der 4. Vollversammlung des lateinamerikanischen Episkopats „die Pastoral jedes Diözesanbischofs orientieren” (Brief an die Diözesanbischöfe Lateinamerikas, 10.11.1992). Sicher konnten nicht alle heute in Lateinamerika anzutreffenden pastoralen Probleme während der Konferenz von Santo Domingo auf erschöpfende Weise behandelt werden. Andererseits müssen die Richtlinien für die Pastoral ständig revidiert und von den Episkopaten gemeinsam mit den übrigen Gliedern des Volkes Gottes bereichert werden. In diesem Sinn ist dem CELAM (Rat des Lateinamerikanischen Episkopats) eine besondere Sendung im Rahmen der gesamtheitlichen Pastoral als „Organ für Kontaktfindung, Reflexion, Zusammenarbeit und Dienst an den Bischofskonferenzen Lateinamerikas” (Statuten des CELAM, Art. 1) auferlegt. 3. Die während der vergangenen Tage vorgenommene Wertung der Konferenz von Santo Domingo kann Hinweise zur intensiveren und allseitigen Verbreitung der Resultate dieser bedeutsamen Bischofsversammlung geben. Es ist angebracht, die in den Beschlüssen dieser Versammlung zusammengefaßten „pastoralen Richtlinien” aufmerksam und nuanciert zu vertiefen und im Hinblick auf die in unseren Tagen erforderliche Evangelisierung anzuwenden. Zur genauen Auslegung des doktrinären Inhalts und für die Festlegung der pastoralen Prioritäten der Neuevangelisierang ist der Katechismus der Katholischen Kirche ein providentielles und bedeutsames Werkzeug. Im Rahmen eines vollständigen und erfolgreichen Planes für die Neuevangelisierung gibt es einige Anliegen, die - was Lateinamerika betrifft - vertieft und einer eingehenderen Prüfung unterzogen werden sollten. Unter anderem ist es notwendig, besondere Aufmerksamkeit der Pastoral unter den Armen, den Eingeborenen und den Afro-Amerikanem zu schenken und auch für größere innerkirchliche Solidarität Sorge zu tragen. Diese Anliegen veranlassen mich, die Bedeutung der hier vertretenen Hilfsorganisationen sowie die Notwendigkeit einer zunehmenden und gut koordinierten Zusammenarbeit zu betonen, vor allem hinsichtlich der Aussendung der in der Pastoral Engagierten (vgl. Motu proprio Decessoris No-stri, II). Angesicht der Vermehrung und der aggressiven Propaganda der Sekten in Lateinamerika sind die Gegenwart der Kirche und ihr Einsatz für eine erneuerte Evangelisierung erforderlich. Dabei muß sie für die Verkündigung und die Bewahrung des Glaubens über eine größere Anzahl gut vorbereiteter Helfer verfügen, vor allem „in den empfindlichsten Bereichen, wie bei den Ein- und Auswanderern, den priesterlosen Gemeinden, wo die religiöse Unwissenheit vorherrscht, unter den einfachen und den von materiellen und familiären Problemen bedrängten Menschen” (Conclusiones, 141). Bei dieser gesamtpastoralen Aktivität ist dafür zu sorgen, daß alle Bewegungen, kirchliche Vereinigungen und Apostolats gruppen voll engagiert werden und aktiv 1170 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN teilnehmen. Sie können auf diese Weise, den Richtlinien der Hierarchie Folge leistend, auf einheitliche Art und Weise am Wachstum und an der Festigung jeder einzelnen Teilkirche mitwirken, indem sie diese mit der Vielfalt ihrer Charismen und Dienste bereichern. 4. Es ist mir eine Freude, nochmals betonen zu können, daß ich bei meinen Reisen nach Lateinamerika lebendigen und dynamischen Ortskirchen begegnete, die sich auch, vom Heiligen Geist erfüllt, darauf vorbereiten, zur Evangelisierung in andere Kontinente zu gehen. Deshalb ist eine Evangelisierung Lateinamerikas durch zahlreiche und heiligmäßige, in ihrer Berufung gefestigte Priester und Ordensleute die auch auf erwachsene und sehr gut vorbereitete, im apostolischen und sozio-politi-schen Bereich tätige Laien zählen können, um so notwendiger. Sie sollen vor allem die christliche Kultur so verbreiten, daß „Jesus Christus gestern, heute und in Ewigkeit” (Hebr 13,8) „das Leben und die Hoffnung Lateinamerikas sei” (vgl. Dokument von Santo Domingo, III). Unserer Lieben Frau von Guadalupe, dem Stern der Evangelisierung, empfehle ich die Früchte eurer Arbeit, während ich euch als Unterpfand der unablässigen göttlichen Hilfe aus ganzem Herzen den Apostolischen Segen spende. Auf dich, Herr, habe ich meine Hojfnung gesetzt Ansprache beim Konzert des Mitteldeutschen Rundfunks in der Audienzhalle anläßlich des 15. Jahrestages der Papstwahl am 16. Oktober Lebhaft danke ich Herrn Kardinal Bernardin Gantin für die herzlichen Glückwünsche, die er im Namen des Kardinalskollegiums, der hier anwesenden bischöflichem Mitbrüder und der Prälaten der Römischen Kurie, der Obrigkeiten, des beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps und all jener an mich gerichtet hat, die - was ich hochschätze - freundlicherweise an dieser Veranstaltung zum 15. Jahrestag meiner Wahl auf den Stuhl Petri teilnehmen wollten. In deutscher Sprache fuhr der Papst fort: Voller Bewunderung und in großer Anerkennung für die hervorragende musikalische Aufführung wende ich mich an die Organisatoren dieses Konzertes, das vom Mitteldeutschen Rundfunk dargeboten wurde. Mein herzlicher Dank geht an Herrn Dr. Udo Reiter, den Intendanten und an seine Mitarbeiter, an den Dirigenten, Herrn Daniel Nazareth, den Leiter des Chores, Herrn Gert Frischmuth sowie an die Solisten und die Mitglieder des Orchester und des Chores für die eindrucksvolle Darbietung. Die jährliche Wiederkehr meiner Wahl zum Bischof von Rom und zum Nachfolger Petri ruft in mir die Erinnerung wach an bedeutende Geschehnisse und Augenblicke. 1171 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vor allem aber erneuert sich in mir das Bewußtsein des von mir geforderten Dienstes. In Italienisch sagte der Papst: Die Aufgabe, die Kirche im Dienst der Evangelisierung, der Heiligung und der Liebe zum Mitmenschen zu leiten, beschäftigt natürlich meinen Geist mehr als jeder andere Gedanke in der ständigen Sorge, die Einheit unter den verschiedenen Teilkirchen aufzubauen. Die Förderung von Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden unter den Nationen in einer von so vielen Spannungen gekennzeichneten Epoche fügt den mit dem Petrusdienst verbundenen Sorgen und Mühen noch weitere hinzu. „Servi inutiles sumus - Wir sind unnütze Knechte.” Eben deshalb möchte ich euch alle inständig bitten, für mich in besonderer Weise zu Gott zu beten, damit mir die notwendige Kraft geschenkt werde, daß ich mich im Dienst der Kirche nach dem Beispiel des Apostels Paulus aufopfere, ja „aufreibe” (vgl. 2 Kor 12,15). Dafür rufe ich vor allem die heiligen Schutzpatrone von Rom, die Apostel Petrus und Paulus, an und all jene, die das Evangelium in der Welt verkündet haben. Ich bitte in besonderer Weise die Heiligen, die den Glauben in unserm europäischen Kontinent gefestigt haben, unter ihnen besonders die heilige Hedwig heute an ihrem 750. Todestag. Sie war eine herausragende Gestalt im Apostolat, das sie vorzugsweise in Schlesien unter der polnischen und deutschen Bevölkerung ausgeübt hat. Der Papst sagte wiederum in Deutsch: Wir begehen heute auch den 750. Todestag der heiligen Hedwig (Edvige). Sie wird, wie keine andere Gestalt in der Kirche, von den Gläubigen in Polen und Deutschland in gleicher Weise verehrt. Neben ihrem segensreichen Wirken in der Familie war sie mit Klugheit, Weitblick und Festigkeit ausgestattet, um ihren Gemahl bei der Vertiefung des christlichen Lebens in Schlesien zu unterstützen. Sie hat christliche Nächstenhebe nicht propagiert, sondern getan. Hierin sei sie allen Gläubigen ein Vorbild. Der Papst sagte weiter in Italienisch: Wir danken mit euch dem Herrn heute abend, angeregt von den Texten der musikalischen Darbietungen: vom Stabat Mater von Penderecki, das heißt von der Figur Marias unter dem Kreuz, der Zeugin für den Glauben an den Erlöser und Teilhaberin an seinem Leiden für die Rettung der Welt; von der Messe in C-Dur von Beethoven, der den liturgischen Text vertonen wollte in der Absicht, in den Ausführenden und in den Hörem das reügiöse Gefühl zu erwecken und zu festigen; vom Text des Te Deum, dessen Dankesworte ich im Herzen mitgebetet habe, während ich den eindrucksvollen Tönen und vielfältigen, ausgefeilten Klängen der Partitur von Bruckner folgte. 1172 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir danken zusammen dem Herrn und, von der Hoffnung gestärkt, gehen wir weiter den Weg, den er uns führt: „In te, Domine, speravi, non confundar in aetemum -Auf dich, o Herr, habe ich, meine Hoffnung gesetzt, in Ewigkeit werde ich nicht zuschanden.” In der Kirche gibt es weder Fremde noch Ausländer Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs am 21. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt und im Priestertum, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude heiße ich euch herzlichst willkommen und grüße in euch die Vertreter aller Kontinente, die hergekommen sind, um an der jährlichen Vollversammlung des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs teilzunehmen. Ich danke dem Präsidenten, Erzbischof Giovanni Cheli, für seine freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Das Thema der Migrationen gewinnt zunehmend an Aktualität. Der Mensch ist ja heute derart mit dem Phänomen der Mobilität konfrontiert, daß es fast eine tägüche Erfahrung in unserem Leben und unserer Kultur geworden ist. Große Menschenmassen sind jetzt, von verschiedenen Beweggründen angetrieben, auf den Straßen der Welt unterwegs. 2. Krieg, Hunger, Unterentwicklung, Arbeitslosigkeit und die Mißachtung der Menschenrechte zwingen leider etliche Millionen von Menschen, ihr Heim zu verlassen und ein leidvolles, manchmal sogar tragisches Exil auf sich zu nehmen. Die menschliche Würde wird durch die Existenz von Flüchtlingslagern, wiederholte fremdenfeindliche Zwischenfälle Immigranten gegenüber und den Mangel an Solidarität für Nomadenvölker gedemütigt. Zudem bewirken die Anforderungen der Weltwirtschaftslage die zunehmende Abwanderung von Arbeitern und qualifizierten Kräften von einem Land in das andere. Manche Menschen sind aufgrund der besonderen Natur ihrer Arbeit ständig unterwegs, wie beispielsweise Millionen von Seeleuten und saisongebundenen Landarbeitern. Außerdem begünstigen die Problemlosigkeit der Beförderung, zusammen mit der größeren Freizeit, die uns heute zur Verfügung steht, das Reisen zu vergnügungsmäßigen und kulturellen Zwecken ebenso wie aus religiösen Gründen. In enger Zusammenarbeit mit den Ortskirchen befaßt sich euer Dikasterium mit der Aufgabe, für all diese Kategorien von Migranten zeitgemäße Mittel und Wege zu finden, damit keinem Menschen die notwendige geistige und liturgische Nahrung fehle, und um den Segen einer ständigen Evangelisierung, die Wahrung seiner Würde und den Schutz seiner Rechte zu gewährleisten. 1173 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Liebe Brüder und Schwestern, ich ermuntere euch, auch weiterhin diesen Weg zu gehen und die wachsenden Anforderungen der Menschen von heute stets mit großer Aufmerksamkeit zu verfolgen. Aus gutem Grund habt ihr euch entschlossen, während dieser Vollversammlung über „Die Aufgabe des Päpstüchen Rates im Hinblick auf die zunehmende Mobilität des Menschen in der heutigen Zeit” nachzudenken. Von der denkwürdigen Eingebung ausgehend, die meine Vorgänger veranlaßte, dieses Dikasterium ins Leben zu rufen, habt ihr das gegenwärtige Wirken einer kritischen Überprüfung unterziehen wollen, um zu erkennen, wieviel Neues es in diesem breiten und dringlichen Pastoralbereich gibt. In der Tat werden die Völkerbewegungen in ihren verschiedenen Ausdrucksweisen und Beweggründen zahlreiche Fragen gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Natur auf, die eine eingehendere ethische Analyse erfordern. Im Licht des Glaubens und der kirchlichen Soziallehre müssen sowohl für das Recht der Menschen, sich uneingeschränkt bewegen zu können, als auch für die Pflicht der Staaten, das Wohl aller Bürger zu schützen, angemessene Regelungen gesucht werden. Insbesondere sollten, mit Rücksichtnahme auf die berechtigte Unabhängigkeit jedes Staates Vorbeugungsmaßnahmen getroffen werden, um neue Zwangsauswanderungen, die Ursache unbeschreiblicher Not und Konflikte sind, zu vermeiden. Die in eurer Begegnung gereiften Vorschläge werden mit Sicherheit gültige Hinweise zur Lösung dieser zweifellos aktuellen Probleme liefern. Eure Arbeit ist durch die wertvolle Unterstützung der' Ortskirchen und Pastoralarbeiter, die ihr sinnvollerweise konsultiert habt, bereichert worden. Der klärende Beitrag, den man von der Kirche hinsichtlich ihrer diesbezüglichen Lehre erwartet, wird umso mehr geschätzt werden, wenn er von der Anpassung pa-storaler Methoden und Einrichtungen an die veränderten Umstände der heutigen Zeit begleitet ist. Es wird eure Aufgabe sein, euch einerseits mit der Bearbeitung, der Vervollständigung der apostolischen Optionen zu befassen, die die kanonische Gesetzgebung und die spezifischen Anweisungen zum Thema der menschlichen Mobilität bereits vorsehen, und andererseits nach nützlichen Mitteln zu suchen, durch die der Rat seine Eingriffe wirkungsvoll gestalten kann. 4. Unter den positiven Begleiterscheinungen der heutigen Mobilität ist der Beitrag hervorzuheben, den sie für die Einheit der Menschenfamilie trotz der Verschiedenheit der religiösen Überzeugungen und Traditionen leistet. Es ist daher angebracht, daß der Dialog und die gegenseitige Aufnahme eine universale Dimension annehmen - ohne Unterschiede der Rassen-, Religions- und Staatszugehörigkeit. Daher habt ihr auf eurer Vollversammlung mit Recht von einem Dienst der Aufnahme gesprochen, mit praktischen Hinweisen auf die bereits wirksamen bestehenden Strukturen. Wie könnten wir uns nicht an diese Worte des Apostels Paulus erinnern: „Darum nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes” (Röm 15,7)1 Eine gastfreundliche Pfarrgemeinde bietet auch dem gelegentli- 1174 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen Besucher die Möglichkeit, die Freundschaft der Glaubensgemeinschaft zu erfahren, die für alle offen ist, die niemanden ausschließt oder als Fremden betrachtet. Umso eher noch kann der Immigrant, der sich innerhalb der Pfarrgemeinde niederläßt, dort so seine neue geistige Heimat wiederfinden, die ihm sofort das Gefühl vermittelt, Mitglied einer solidarischen und brüderlichen Familie zu sein. Wenn dann die geordnete pastorale Organisation die zahlreichen von der Mobilität betroffenen Gruppen tatsächlich nicht erreichen kann, sollte ihrem Anrecht auf Evangelisation und ein geregeltes christliches Leben durch besondere Initiativen und geeignete, den Personen und Umständen entsprechende Strukturen nach besten Kräften entsprochen werden. Nochmals möchte ich darauf hinweisen, daß das Heil der Seelen der oberste Grundsatz jeder möglichen Organisation ist: salus animarum suprema lex. 5. Ich halte es für meine Pflicht, in diesem Zusammenhang den Beitrag zu erwähnen, den die internationalen Organisationen durch rechtliche Abkommen und Hilfsprogramme zu stets angemesseneren Formen der Aufnahme all derer leisten, die von der Mobilität betroffen sind. Der Päpstliche Rat hat großes Interesse für ein so lobenswertes Engagement und beabsichtigt, in gemeinsamer und steter Dienstbereitschaft gegenüber den Migranten und der gesamten Gesellschaft seinen Beitrag zu leisten. Liebe Brüder und Schwestern, in dieser Hinsicht ist euer Päpstlicher Rat aufgerufen, seine Gedanken auf die Zukunft zu richten, um mit dem Rat und der Hilfe der Teilkirchen und ihrer Pastoralarbeiter, insbesondere der diesem schwierigen pastoralen Bereich vorstehenden bischöflichen Kommissionen, den Ausgang der augenblicklichen Entwicklungen in Betracht zu ziehen. Ihr wißt sehr wohl, wie wichtig und welch ein vielsagendes Zeichen wahrer Zivilisation unser aufmerksames Interesse für die Welt der Emigranten ist. Die Art und Weise, wie eine Gemeinschaft oder ein Staat den Fremden sieht und sich ihm gegenüber verhält, ist nicht nur ein Anzeichen von Zivilisation, sondern von einem richtigen oder falschen Gottesbegriff. Für Jesus ist der Fremde einer seiner kleinen Brüder (vgl. Mk 9,42): ein Fremder für die anderen, aber nicht für ihn. Der Unbekannte, der nach Gastfreundschaft verlangt, oder der Auswanderer, der um Aufnahme bittet - sie sind für Jesus Mitglieder seiner eigenen Familie. Einen Mitmenschen aufnehmen bedeutet, mit ihm unsere Städte, unsere Gesetze, unsere Zeit und unsere Freundschaften teilen. Der Fremde, den wir aufnehmen, ist gleichzeitig der Nächste, den wir von ganzem Herzen lieben und dem wir dienen müssen: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen” (Mt 25,35), dies wird uns der Herr am Tag des Jüngsten Gerichts sagen. Darin liegt der Kernpunkt des Evangeliums. 6. Daher ist der Auftrag, zu dem euer Dikasterium im Namen der Kirche berufen ist, von großer Dringlichkeit. Liebe Brüder und Schwestern, ihr sollt das Wachstum der Glaubens-, Gebets- und Liebesgemeinschaft unter all jenen fördern, die durch die 1175 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Umstände des modernen Lebens veranlaßt sind, aufgrund ihrer Arbeit oder zur Erholung, aufgrund ihres Lebensstils oder lediglich zum Überleben unterwegs zu sein. Ihr könnt diese Aufgabe erfüllen, wenn ihr euch in allen Situationen mit dem Evangelium in Einklang zu bringen versteht. Meine Lieben, möge der Herr euer hochherziges Bemühen unterstützen, das ihr täglich einsetzt, damit alle Menschen, die unterwegs sind gastfreundliche Aufnahme finden und Solidarität aufkommen lassen. Möge Maria, der Stern der Evangelisation, euch helfen, mit Mut und Zuversicht diesen so wichtigen Dienst für die Missionstätigkeit der Kirche zu leisten. Auch meine Ermunterung, unterstützt von meinem besonderen Apostolischen Segen, begleite euch. Die göttliche Weisheit lehren und verkünden Predigt bei der Messe zu Beginn des neuen akademischen Jahres der Päpstlichen Universitäten am 22. Oktober 1. „Vielmehr verkünden wir das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes” (2 Kor 2,7). Wir beginnen heute mit dem Werk der Weisheit. Die kirchlichen Universitäten Roms und der ganzen Welt haben die Aufgabe, die göttliche Weisheit zu verkünden. Aber um die göttliche Weisheit zu vermitteln, muß man sie zuvor aufnehmen: im eigenen Verstand, im Herzen und im Willen. Man muß das Wort des lebendigen Gottes aufnehmen. „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn” (Hebr 1,1-2). Er ist das Wort des Vaters - das Wort, eines Wesens mit dem Vater. So spricht der Sohn, der „am Herzen des Vaters ruht” (Joh 1,18), von Gott. Ausgehend vom Wort, erreicht das Werk des Geistes, der „alles, auch die Tiefen Gottes ergründet” (vgl. 1 Kor 2,10), seinen Höhepunkt: der Heilige Geist, der Geist der Wahrheit, der Beistand. 2. „Wir verkünden ... Weisheit Gottes” (1 Kor 2,7). Wir sprechen nicht nur von der göttlichen Weisheit. Wir verkünden die Weisheit! Aber jede menschliche Weisheit kann nur stottern, wenn es darum geht, das Geheimnis der göttlichen Weisheit, das „vor allen Zeiten” in Gott verborgene Geheimnis (7 Kor 2,7) zu verkünden, in das er selbst uns eingeführt hat durch die Menschwerdung des Wortes. Hier, vor dem Geheimnis des Wortes, machen das Wissen und die Weisheit des Menschen halt. Hier, vor diesem entscheidenden Punkt steht aller menschlicher 1176 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glaube still: vor dem, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat” (i Kor 2,9). Und hier ruft uns das menschgewordene Wort auf, am Geheimnis der göttlichen Weisheit teilzuhaben. Der Gipfel dieses Rufes ist das Kreuz: „Denn ich hatte mich entschlossen - schreibt der Apostel -, nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten” (1 Kor 2,2). Das menschgewordene Wort lädt uns ein, an der göttlichen Weisheit teilzuhaben. Die apostolische Botschaft ist ihrem inneren Wesen nach „Erweis von Geist und Kraft..., damit sich euer Glaube nicht auf Menschenweisheit stütze, sondern auf die Kraft Gottes” (vgl. 1 Kor 2,5). Das ist die österüche Kraft des Kreuzes und der Auferstehung Christi. 3. Die „Theologie” steht also im Mittelpunkt des Dienstes, den zu leisten die kirchlichen Universitäten und Einrichtungen in Rom und in der ganzen Welt berufen sind. Die „Theologie” steht also im Mittelpunkt des Dienstes der Kirche als besondere Teilhabe - durch den Glauben - an der göttlichen Weisheit, eine Teilhabe, zu welcher der Mensch durch die Macht des lebendigen Gottes berufen ist. „... durch die Propheten; in dieser Endzeit aber ... durch den Sohn” (Hebr 1,1-2). Das ist der Mittelpunkt. Aber dieser zentrale Punkt ist nicht geschlossen, nicht isoliert und auf einen engen Raum beschränkt. Er ist in alle Richtungen hin offen. Er übersteigt das menschliche Wissen und durchdringt es gleichzeitig bis in die äußerste Tiefe. Im Glauben wissen wir, daß das innerste Wesen ah dessen, was existiert, das Geheimnis Gottes, des Schöpfers, ist. Und das geheimste Innerste des menschlichen Herzens hegt im göttlichen Geheimnis des Sohnes, der in der Macht des Geistes der Wahrheit kommt. Wenn der Mensch zur Teilhabe an diesem Geheimnis berufen ist, dann ist uns nach diesem Grundsatz die ganze geschaffene Welt als Aufgabe geschenkt und gesteht worden. Und auch der Mensch ist sich selbst gegeben worden: als Aufgabe, die nach und nach in dieser Welt, in der Geschichte, die sich entwickelt, zu bewältigen ist. 3. Die Tätigkeit der Päpstlichen Universitäten in Rom und in der ganzen Kirche ist gekennzeichnet durch einen besonderen wechselseitigen Einfluß des Denkens und des Wortes. Die Arbeit der Universitäten besteht in einem besonderen wechselseitigen Einfluß des Sprechens und des Hörens: des schöpferischen Sprechens, das tiefer in die Wahrheit eindringt. Und das gleiche geschieht beim Hören. Das Sprechen dient dem Hören, und das Hören ist auch ein zunehmendes inneres Sprechen. Auf diese Weise trägt das fleischgewordene Wort Frucht im Menschen, in uns allen. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr diese große Familie bildet: Ihr seid berufen, zu sprechen und jede dem Menschen bekannte Wahrheit zu verkünden. Und ihr seid berufen zu lehren, während ihr aus den Quellen der ewigen Weisheit schöpft. Der 1177 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herr helfe euch, euren Dienst mit Liebe zu erfüllen. Mit diesem Wunsch grüße ich euch alle. Mein achtungsvoller Gruß richtet sich vor allem an die Herren Kardinalpräfekten der beteiligten Kongregationen und an die Großkanzler der kirchlichen Kultureinrichtungen. Ich begrüße auch die Dozenten, die nach dem Beispiel des göttlichen Meisters berufen sind, Lehrer der Wahrheit zu sein. Und euch Studenten und Studentinnen heiße ich herzlich willkommen. Ihr seid aus verschiedenen Ländern und so vielen Ordensgemeinschaften und Kongregationen nach Rom gekommen, um euren Bildungsweg an den Päpstlichen Universitäten und Hochschulen zu erweitern und zu vervollständigen. Ich wünsche allen, daß die Begeisterung, mit der ihr dieses akademische Jahr beginnen wollt, begleitet wird von dem ausdauernden Bemühen, mit Gottes Hilfe in der menschlichen, kulturellen und geistlichen Bildung zu wachsen. Eure Suche und die Tätigkeit der Universitäten wird so zur gleichen Zeit ein „Aufbauen”. Ihr werdet euer Leben fest auf der Wahrheit, die Christus ist, aufbauen. 4. Christus, der Herr, spricht darüber im Text des heutigen Evangeliums. Der Herr gebe, daß dieses „Aufbauen” auf Felsengrund und nicht auf Sand geschieht (vgl. Mt 7,24-26). Liebe Brüder und Schwestern! Es ist notwendig, daß wir uns alle von der heiligen „Betroffenheit” erfassen lassen, welche die Worte Christi begleitet hat: ein Staunen, das seine Lehre hervorrief. Er allein ist die göttliche Botschaft, die imstande ist, im Geist und im Herzen jedes einzelnen diese heilbringende Betroffenheit zu wecken. Möge es auch uns heute gegeben sein, „mit Betroffenheit” sein Wort des Heils zu hören und aufzunehmen (vgl. Mt 7,28)! Möge es uns gegeben sein, mit ihm jeden Tag zu leben. Möge es uns gegeben sein, Christus nachzufolgen! Amen. Welch kostbares Gut: die Brüderlichkeit der Priester Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Kongregation für den Klerus am 22. Oktober Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofsamt und im Priestertum! 1. Besonders gern empfange ich euch heute, gemeinsam mit den Mitgliedern, Fachleuten und Mitarbeitern der Kongregation für den Klerus, die zu ihrer Vollversammlung vereint sind. Dankbar bin ich dem Präfekten der Kongregation, Kardinal Jose Sanchez, für die Worte, worin er dargestellt hat, welche Überlegungen in diesen Tagen gemacht 1178 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wurden, und ich danke auch dem Sekretär, Msgr. Crescenzio Sepe, für seine wertvolle Mitarbeit. Ich möchte euch vor allem meine dankbare Genugtuung zum Ausdruck bringen für die Arbeit, die ihr geleistet habt, eine Arbeit, die den ganzen Episkopat an Themen von erstrangiger Bedeutung mitbeteiligt hat. Zugleich möchte ich euch alle ermutigen, damit möglichst bald den Bischöfen und durch sie allen Priestern ein Direktorium für das Leben, den Dienst und die ständige Weiterbildung der Priester vorgelegt werden kann. Wie ihr gut wißt, wurde ein solches Direktorium von einem guten Teil der Bischöfe in aller Welt erbeten, abgesehen von der ordentlichen Versammlung der Bischofssynode von 1990 sowie von zahlreichen Priestern, die in der Seelsorge stehen. In dieser unserer Zeit, die von einem weit verbreiteten, wenn auch nicht immer ausgedrückten Durst nach Werten gekennzeichnet ist, wird es um so dringlicher, daß die Diener des Altares geistig stets die Größe ihrer Berufung vor Augen haben und so ausgebildet sind, daß sie in Treue und Fachkenntnis ihren pastoralen und missionarischen Dienst ausüben. 2. Der Herr sagt zum Propheten Jeremia: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt” (Jer 1,5). Für ein echt priesterliches Leben ist es absolut notwendig, ein klares Bewußtsein von der eigenen Berufung zu haben. Das Priestertum ist ein Geschenk, das von Gott kommt nach dem Beispiel der Berufung Christi, des Hohenpriesters des Neuen Bundes. „Keiner nimmt sich eigenmächtig diese Würde, sondern er wird von Gott berufen, so wie Aaron” (Hebr 5,4). Es geht also nicht um eine „Funktion”, sondern um eine „Berufung”, die frei und ausschließlich von Gott kommt, der, wie er den Menschen ins Dasein, ihn so auch zum Priestertum ruft, nicht ohne die Mittlerschaft der Kirche. Durch Auflegung der Hände des Bischofs und das Weihegebet macht sie ihn also zum Diener und Fortsetzer des Heilswerkes, das er durch Christus im Heiligen Geist vollbracht hat. Das Zweite Vatikanische Konzil macht darauf aufmerksam, daß „das Priestertum der Amtspriester zwar die christlichen Grundsakramente voraussetzt; aber durch ein eigenes Sakrament übertragen wird. Dieses zeichnet die Priester durch die Salbung des Heiligen Geistes mit einem besonderen Merkmal und macht sie auf diese Weise dem Priester Christus gleichförmig, so daß sie in der Person des Hauptes Christus handeln können” (Presbyterorum ordinis, Nr. 2). Indem er „in der Person des Hauptes Christus” {ebd.\ auch Nm. 6.12; Scicrosanctum Concilium, Nr. 33; Lumen Gentium, Nm. 10.28.37) handelt, verkündet der Priester das Wort Gottes, feiert die Eucharistie und spendet die barmherzige Liebe des verzeihenden Gottes. So wird er Werkzeug des Lebens, der Erneuerung und des echten Fortschritts für die Menschheit. 1179 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als Diener der wesentlichen Heilstaten stellt er allen Menschen nicht vergängliche Güter zur Verfügung, auch keine sozio-politischen Pläne, sondern vielmehr das übernatürliche und ewige Leben, und er lehrt, die Ereignisse der Geschichte in der Sicht des Evangeliums zu verstehen und zu deuten. Das ist die vorrangige Aufgabe des Priesters auch im Bereich der neuen Evangelisierung, die Priester erfordert, welche als Erstverantwortliche vereint mit den Bischöfen für eine solche neue Aussaat des Evangeliums „radikal und integral ins Geheimnis Christi eingetaucht sind” (Pastores dabo vobis, Nr. 18). 3. Das Priestertum der geweihten Diener nimmt am einzigen Priestertum Christi teil, der durch die Darbringung seines ein für allemal am Kreuz vollbrachten Opfers zum Priester und Fürbitter bestellt wurde (vgl. Hebr 7,27). Will man ein angemessenes Verständnis des Weihepriestertums gewinnen und alle Fragen zu Identität, Leben, Dienst und ständiger Weiterbildung der Priester korrekt aufgreifen, muß man sich immer den Opfercharakter der Eucharistie vor Augen halten, deren Diener sie sind. In der Eucharistiefeier leuchtet in ganz einzigartiger Weise die Identität des Priesters auf. Sie bildet den Angelpunkt der Gleichgestaltung mit Christus sowie das Fundament eines geordneten Gebetslebens und einer echten pastoralen Liebe. 4. Dem Erlöser, Haupt und Hirten der Kirche gleichgestaltet, muß der Priester das deutliche Bewußtsein haben, in einer neuen Weise Diener Christi für sein Volk zu sein (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 21). Es geht um ein „Bewußtsein der Pastoral als Dienst”, wie es nur dem eigen ist, der in Nachahmung des Guten Hirten „gesandt” ist, Führer und Hirt der Herde zu sein in der freudigen und unverkürzten Hingabe an alle Mitmenschen, zumal an jene, die am meisten der Liebe und Barmherzigkeit bedürfen. 5. In der Nachahmung des göttlichen Meisters ist der Priester aufgerufen, seinen eigenen Willen hinzuschenken und gleichsam eine Verlängerung des „gehorsamen Christus” zu werden für das Heil der Welt. Das Beispiel Christi ist Licht und Kraft für die Bischöfe und die Priester. Der Bischof aber schafft seinerseits mit seinem eigenen Gehorsam gegenüber dem Apostolischen Stuhl und seiner Gemeinschaft mit der ganzen Körperschaft der Bischöfe die günstigsten Voraussetzungen zum Aufbau der gleichen Beziehungen zum Presbyterium und zu jedem seiner Mitglieder. Nach dem Beispiel des Verhältnisses Jesu zu den Jüngern muß der Bischof seine Priester als Söhne, Brüder und Freunde behandeln und sich vor allem für ihre Heili-gungdnteressieren, aber auch für ihre physische Gesundheit, ihre Unbeschwertheit, ihre berechtigte Ruhe sowie ihre Betreuung in jedem Abschnitt und jeder Situation ihres Lebens. Das alles vermindert nicht nur nicht seine Autorität als Hirte, sondern stellt sie um so besser heraus, da er im Geist echten Dienstes es versteht, die un-übertragbaren und persönlichen - zuweilen auch harten und komplexen - Verantwortungen der Leitung zu übernehmen. 1180 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein derart beispielhaftes Verhalten nährt das Vertrauen der Priester und regt ihren Willen zu geordneter Zusammenarbeit und aufrichtiger Brüderlichkeit an. Welch kostbares Gut ist die Brüderlichkeit der Priester! Sie bietet Erleichterung in den Schwierigkeiten, in der Einsamkeit, bei Unverständnis und Mühen und begünstigt nach dem Beispiel der apostolischen Urgemeinde Einheit und Frieden, „um die Einheit des Geistes vor Gott zu verkünden und vor den Mitmenschen zu bezeugen” (Johannes Paul IIKatechese vom 1. Sept. 1993, in: O.R.dt., 10.9.93). 6. In einem solchen Klima tatkräftiger priesterlicher Gemeinschaft kann sich auch am besten die ständige Weiterbildung der Priester entfalten und reiche Frucht bringen. Dafür muß gutes und qualifiziertes Personal vorgesehen werden. Beim Werk der Weiterbildung verknüpfen sich positiv der maßgebende und zugleich brüderliche Eifer des Bischofs für seine Priester und bei diesen das Bewußtsein, ständig die unermeßliche Gabe der Berufung und die Verantwortung für ihren Einsatz im Dienstamt vertiefen zu wollen. Das war ein Thema, das im Mittelpunkt eurer Überlegungen bei der derzeitigen Vollversammlung stand und das entsprechenden Ausdruck im „Direktorium” finden wird, das ihr vorbereitet. 7. Tatsächlich muß die Heiligung des Klerus das Hauptanliegen in jedem Plan für die Ausbildung der Priester sein. Wenn es nämlich wahr ist, daß, das Wort und die Sakramente kraft des Geistes wirken, den sie übermitteln, so ist zugleich wahr, daß, wenn sie das Leben des Dieners umwandeln, er selbst gleichsam zum lebendigen Evangelium wird. Der beste Zeuge des Evangeliums ist immer der Heilige. Zumal das Gebet ist für den Priester notwendig, um sich selbst und die ihm anvertrauten Menschen zu heiligen. Das innere Prinzip, die Tugend, die sein geistliches Leben formt und leitet, ist die pastorale Liebe, die aus dem barmherzigen Herzen Jesu, des Erlösers, entspringt. Der wesentliche Inhalt dieser pastoralen Liebe ist die radikale Selbsthingabe an die Kirche. Die Kirche stellt daher das Hauptinteresse des gut gebildeten und reifen Priesters dar. Die priesterliche Existenz ist ja ein Aspekt des wunderbaren Geheimnisses vom Mystischen Leib - deswegen kann sie auch nicht mit rein menschlichen Maßstäben richtig verstanden werden. Je mehr zum Beispiel die Kirche unter Führung des Geistes in die Wahrheit des Priestertums Christi eindringt, desto mehr wird sie sich froh bewußt, welches Geschenk der heilige Zölibat ist, der dann immer weniger im Licht einer wenn auch edlen Disziplin erscheint, sondern sich weit auf die Horizonte einer einzigartigen Entsprechung zum Weihesakrament hin öffnet (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 50). Der kirchliche Zölibat bildet für die Kirche einen Schatz, den es mit aller Sorgfalt zu hüten gilt und der vor allem heute als Zeichen des Widerspruchs für eine Gesellschaft hinzustellen ist, die wieder zu den höheren und entscheidenden Werten des Daseins zurückgerufen werden muß. Die derzeitigen Schwierigkeiten dürfen nicht auf ein derart kostbares Geschenk verzichten lassen, das sich die Kirche ununterbrochen seit der Zeit der Apostel zu 1181 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eigen gemacht und wobei sie auch andere schwierige Zeiten überwunden hat, die seine Beibehaltung behinderten. Wir wollen auch heute die konkreten Situationen gläubig.und demütig bedenken, ohne anthropologische, soziologische oder psychologische Kriterien in den Vordergrund zu schieben, die vorgeben, die Probleme zu lösen, in Wirklichkeit sie aber nur maßlos ausweiten. Die Logik des Evangeliums hat sich bewährt. Sie zeigt klar, daß die edelsten Ziele immer schwer zu erreichen sind. Daher gilt es zu wagen, aber nicht nachzugeben! Es bleibt darum auch immer dringend, den Weg einer mutigen und einprägsamen Berufungspastoral einzuschlagen in der Sicherheit, daß es der Herr nicht an Arbeitern für seine Ernte fehlen läßt, wenn den Jugendlichen hohe Ideale und konkrete Beispiele einer ernsten Berufsauffassung von Konsequenz, Hochherzigkeit und bedingungsloser Hingabe vorgestellt werden. Tatsächlich ist das Priestertum ein Geschenk von oben, dem man durch dankbare Annahme entsprechen soll, indem man es hebt und es anderen weiterschenkt. Es darf nicht als eine rein menschliche Wirklichkeit betrachtet werden, als wäre es Ausdruck einer Gemeinschaft, die sich demokratisch ihren Hirten wählt. Es muß vielmehr im Licht des souveränen Willens Gottes gesehen werden, der seine Hirten in Freiheit erwählt. Christus hat gewollt, daß seine Kirche sakramental und hierarchisch strukturiert ist, und daher ist es niemandem erlaubt, das zu ändern, was der göttliche Stifter festgelegt hat. 8. Am Kreuz hat der Hohe und Ewige Priester seiner heiligsten Mutter den Johannes als Sohn anvertraut, dem Johannes aber als unschätzbares Erbe seine Mutter gegeben. Seit jenem Tag hat sich zwischen der seligen Jungfrau Maria und jedem Priester ein einzigartiges geistliches Band gebildet, dank dessen sie ihren mit Vorzug geliebten Söhnen den Antrieb erlangen und schenken kann, immer hochherziger den Erfordernissen der geistlichen Hingabe des priesterlichen Dienstes zu entsprechen (vgl. Johannes Paul II, Generalaudienz vom 30.6.93, in: O.R.dt., 9.7.93). Liebe Brüder, vertrauen wir ihr, der Königin der Apostel, die Priester der ganzen Welt an; empfehlen wir ihrem mütterlichen Herzen alle, die sich vorbereiten, um Priester zu werden; legen wir vertrauensvoll in ihre Hände unsere bescheidenen, aber aufrichtigen Vorsätze, uns in jeder Weise für ihr Wohl einzusetzen. Möge sich jeder Priester veranlaßt fühlen, sich selbst der unbefleckten Jungfrau zu weihen: Er wird dann gewiß den Frieden, die Freude und die pastorale Fruchtbarkeit erfahren, die ihren Ursprung darin haben, daß wir ihre Söhne sind. Das ist mein Wunsch, der zum Gebet wird. Er ist begleitet von einem besonderen Apostolischen Segen, den ich gern euch allen hier Anwesenden erteile und den Priestern, die überall in der Welt arbeiten. 1182 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Recht auf eine sichere Umwelt Ansprache an die Teilnehmer der Versammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 22. Oktober Geehrte Männer und Frauen der Wissenschaft, meine Damen und Herren! 1. Es ist für mich eine große Freude, euch zu begegnen, den Teilnehmern der Arbeitsgemeinschaft „Chemische Gefahren in Entwicklungsländern”, organisiert von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften und der Unterstützung der Schwedischen Wenner-Gren Stiftung. Schon die Nennung des Themas eurer Tagung stellt die Bedeutung und das Zeitentsprechende Ihrer Überlegungen heraus. Wer muß nicht tief betroffen sein beim Anblick der schon vorhandenen und sich immer weiter ausbreitenden Gefahr der Umweltverschmutzung und weiterer Nebenwirkungen der Produktion und der Verwendung von Chemikalien? So werden Ihre Diskussionen, die auf höchstem Niveau wissenschaftlicher Fachkenntnis erfolgen, von großer Bedeutung sein für die wachsende Sorge der Öffentlichkeit um ihre Umwelt. Ich bin zuversichtlich, daß die Veröffentlichung Ihrer Studien und Vorschläge für die entsprechenden Agenturen und die Regierungen in den industrialisierten und in den Entwicklungsländern von Interesse sein werden. 2. In den meisten industrialisierten Ländern ist man auf die Risiken für Menschen und Umwelt aufmerksam geworden, die von Menschen hergestellten Chemikalien verursachen. In einigen Ländern sind Regelungen getroffen worden. Doch in den Entwicklungsländern, wo die meisten chemischen Gefahren ihren Ursprung haben -beim Import von chemischen Substanzen und Technologien - wird durch das Fehlen von fachlicher Erfahrung und von notwendigen Infrastrukturen eine wirksame Kontrolle oft schwierig oder unmöglich. Nur sehr wenige Länder besitzen eine spezifische Gesetzgebung, die den Umgang mit giftigen Chemikalien und ihre Verwendung regelt. Weitere Probleme in Entwicklungsländern betreffen die Einführung von Industrien, die in hohem Maße die Umwelt verschmutzen und nicht der strengeren Kontrolle unterliegen, die in entwickelten Ländern ausgeübt wird. Es ist aber ein ernsthafter Mißbrauch und eine Beleidigung der menschlichen Solidarität, wenn Industrieunternehmen in den reicheren Ländern aus der wirtschaftlichen und gesetzgeberischen Schwäche ärmerer Länder Vorteil ziehen und Produktionsanlagen schaffen oder weite Flächen besetzen, die auf die Umgebung und die Gesundheit des Volkes negative Auswirkungen haben. Die Antwort kann gewiß nicht ein Verbot der Importe und Technologien sein, die die Entwicklungsländer brauchen, zumal wenn diese mit der Produktion von Nahrung zu tun haben oder mit dem Aufbau von grundlegenden Industrien: „Auch die Völker oder Nationen selbst haben ein Recht auf ihre eigene volle Entwicklung” 1183 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (,Sollicitudo rei socicilis, Nr. 32). Tatsächlich gehört eine Entwicklung, die die geforderten Vorbedingungen für die Ausübung der Grundrechte schafft, in den Bereich der universal geltenden Menschenrechte hinein. Sie folgt unmittelbar aus der Tatsache, daß die Güter der Schöpfung für alle bestimmt sind. 3. Obwohl Ihre Arbeitsgemeinschaft vorwiegend wissenschaftlich und technisch ausgerichtet ist, so ist sie doch auch für die Kirche von großem Interesse: nicht in dem Sinn, als ob die Kirche eine besondere wissenschaftliche Zuständigkeit auf diesem Gebiet besäße, wohl aber in dem Sinn, daß das, was hier in Frage steht, nicht getrennt werden kann vom ethischen und moralischen Charakter der Entwicklung, die zu diesem Problem geführt hat. Ein Grundprinzip für die Beschäftigung der Kirche mit der Entwicklung ist prägnant in den Worten meines Vorgängers Papst Paul VI. ausgesprochen: „Entwicklung ist nicht einfach gleichbedeutend mit wirtschaftlichem Wachstum. Wahre Entwicklung muß umfassend sein, sie muß den ganzen Menschen im Auge haben und die gesamte Menschheit” (Populorum progressio, Nr. 14). Das heißt nicht, daß der Christ eine größere Verfügbarkeit von materiellen Gütern und die Verbreitung von Industrien, die diese produzieren, negativ einschätze. Wie ich anderswo geschrieben habe, bedeutet es vielmehr: „Entwicklung kann nicht nur im Gebrauch, in der Beherrschung und im wahllosen Besitz der geschaffenen Dinge und der Produkte des menschlichen Fleißes bestehen, sondern vielmehr in der Unterordnung des Besitzes, der Herrschaft und des Gebrauchs unter die göttliche Ebenbildlichkeit des Menschen und unter seine Berufung zur Unsterblichkeit” (Sollicitudo rei socialis, Nr. 29). Die Geistnatur des Menschen und seine transzendente Berufung schließen eine grundlegende Solidarität zwischen den Menschen ein, weshalb wir alle füreinander verantwortlich sind. Achtung vor der natürlichen Umgebung sowie der richtige und mäßige Gebrauch der Güter der Schöpfung sind ein Teil der moralischen Verpflichtungen eines jeden einzelnen gegenüber den anderen. Diese Wahrheit gilt auch für die Beziehungen zwischen Völkern und Nationen. In diesem Zusammenhang läßt sich das Thema Ihrer Diskussionen nicht von seinen moralischen Aspekten trennen. Nur schwer kann man das Gewicht der moralischen Verpflichtung überschätzen, die den entwickelten Ländern obliegt, den Entwicklungsländern bei ihren Bemühungen zur Lösung ihrer Probleme mit der chemischen Verschmutzung und den Gefahren für die Gesundheit zu helfen. 4. Die internationale Gemeinschaft ihrerseits sollte globale Abmachungen hinsichtlich der Produktion gefährlicher Substanzen, des Handels und des Umgangs mit ihnen weiter vorantreiben. In der Botschaft zum Weltfriedenstag 1990 habe ich geschrieben: „Die Begriffe eines geordneten Universums und eines gemeinsamen Erbes zielen beide auf die Notwendigkeit eines besser international koordinierten Umgangs mit den Gütern der Erde hin” (Nr. 9). Zumal in Beziehung zur Umwelt habe ich bemerkt: „Das Recht auf eine sichere Umwelt stellt sich heute immer mehr als 1184 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ein Recht dar, das in eine verbesserte Charta der Menschenrechte Aufnahme finden muß” (ebd. Nr. 9). Die Umweltkonferenz der Vereinten Nationen im Jahre 1992 in Rio de Janeiro hat Schritte in dieser Richtung, dazu in Kapitel 19 der Agenda 21 verschiedene Aktionen unternommen, die besonders für in Entwicklung befindliche Regionen bedeutsam sind. Der Hl. Stuhl stimmt gern dem Vorschlag in Agenda 21 zu, der die Einrichtung eines internationalen Forums für chemische Sicherheit empfiehlt mit dem Ziel, Entwicklungsländern Hilfe zu bieten, damit sie auf diesem Gebiet fachkundiger und fähiger werden. 5. Die Menschheitsfamilie steht in ihrem Verhältnis zur natürlichen Umwelt an einem Scheideweg. Es ist nicht nur notwendig, die Bemühungen um die Hinführung zu einem deutlichen Bewußtsein der Solidarität und der gegenseitigen Abhängigkeit der Völker der Erde zu verstärken. Notwendig ist auch die Betonung der gegenseitigen Abhängigkeit der verschiedenen Ökosysteme sowie des Gleichgewichts dieser Systeme für das Überleben und Wohlbefinden der Menschen. Rein nützlichkeitsbestimmte oder ästhetische Zugänge zur Natur können keine ausreichende Grundlage für eine echte Ausbildung des Umweltbewußtseins bieten. Wir müssen alle lernen, die Umweltfrage mit gediegenen ethischen Überzeugungen anzugehen, wozu auch Verantwortung, Selbstkontrolle, Gerechtigkeit und brüderliche Liebe gehören. Für Glaubende ergibt sich dieser Ausblick unmittelbar aus ihrem Verhältnis zu Gott, dem Schöpfer alles dessen, was da ist. Für Christen wird die Achtung vor dem Werk der Hände Gottes noch durch ihre sichere Hoffnung auf die Wiederherstellung aller Dinge in Jesus Christus verstärkt, in dem „Gott mit seiner ganzen Fülle wohnen wollte, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut” (Kol 1,19-20). 6. Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bei Ihrem Einsatz ermutigen. Ich bete, daß Ihre Arbeitsgemeinschaft erfolgreich Leitlinien für die Kontrolle der Probleme der chemischen Umweltverschmutzung und die daraus folgenden Gefahren für die Gesundheit in den Entwicklungsländern Vorschlägen und begründete Empfehlungen für den Schutz der Umwelt, die Nahrungskette und die Gesundheit der Menschen in verschiedenen Teilen der Welt geben kann. Auf Sie alle rufe ich die Fülle des Segens Gottes herab. Die Krankheit im Licht des Evangeliums sehen Ansprache bei der Spezialaudienz für eine Vertretung von AISTOM am 23. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es freut mich besonders, daß ich euch heute anläßlich des zweiten Jahrzehnts der Gründung eurer wohlverdienten Körperschaft begegnen kann. Ihr vertretet die zahlreichen Mitglieder des italienischen Verbandes zur Betreuung der schwer Magen- 1185 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kranken, eines Verbandes von Freiwilligen, der 1973 mit Unterstützung des nationalen Institutes für Tumore in Mailand entstand. Einen jeden von euch hier Anwesenden heiße ich wärmstem willkommen und danke herzlich eurem Präsidenten, dem lieben Professor Crucitti, für die höflichen Grußworte, die er soeben, auch in eurem Namen, an mich gerichtet hat. 2. Wie mit recht eben bemerkt wurde, besteht das Hauptziel von AISTOM darin, die Lebensqualität der schwer Magenkranken zu verbessern und ihre aktive Präsenz in der Gesellschaft zu erleichtern. Wenn ich euren Verband wegen seiner wichtigen humanitären Leistungen ehre, die er seit 20 Jahren den Personen zukommen läßt, die von dieser besonderen Form von Krankheit betroffen sind, dann möchte ich euch, meine Lieben, zugleich ermuntern, eure Bemühen in der Forschung und Vertiefung der Problemstellungen fortzusetzen, die- mit dieser Krankheit verbunden sind. Es soll euer ständiges Anhegen sein, eine wirksame Eingliederung der Patienten in die Gemeinschaft zu fördern, indem ihr eng mit den anderen sozialen Strukturen zusammenarbeitet, so daß alle Möglichkeiten; die diese Magenkranken noch besitzen, zum Tragen kommen können. Deshalb leistet eure Organisation über den geordneten täglichen Dienst hinaus - den unmittelbaren Bedürfnissen der Kranken zu entsprechen - eine bedeutsamen Tätigkeit, um die öffentliche Meinung aufgeschlossen zu machen, damit diese unsere Brüder und Schwestern angemessen angenommen und eingeschätzt werden und vor allem im Maß des Möglichen einen würdigen Platz finden in den Lebens- und Produktionsverhältnissen des Wohngebietes. Ihr sollt immer vom Bewußtsein erfüllt sein, das Leben in jedem Augenblick und unter allen Umständen als einen erstrangigen Wert zu betrachten, der angenommen und geachtet, verteidigt und gefördert werden muß zum eigenen Vorteil und dem der anderen. 3. Gewiß weiß jeder, daß die Krankheit für alle eine harte Erfahrung.des Schmerzes und des innerlichen Ringens bedeutet. Man spürt seine Grenzen und kann sich manchmal sogar überflüssig Vorkommen. Lebt man aber eine solche Erfahrung in der Sicht des Evangeliums, dann gewinnt sie eine neue Bedeutung und einen geistlich und menschlich bereichernden Wert. Das Leiden in Geduld und gelehriger Hingabe an Gott wird für den Glaubenden nicht nur eine Quelle des Verdienstes für das ewige Leben, sondern auch eine providentielle Schule des persönlichen Wachsens und Reifens. Die geduldige Annahme des Schmerzes wird dann zum überzeugenden Zeugnis für die vertrauensvolle Öffnung auf den Herrn hin, der es nicht unter seiner Würde hielt, unsere Lage als Menschen zu teilen, und der den schmerzlichen Weg des Leidens und Todes gegangen ist. Die christliche Annahme des Schmerzes ist freilich sehr verschiedenen von der passiven Ergebung. Die Haltung des Christen wird ständig von einer vollen Erwartung der Hoffnung inspiriert. Er weiß die wenn auch geheimnis- und mühevolle Gegenwart auszüwerten, indem er sich im Geist der Sohnschaft den unergründlichen gött- 1186 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen Plänen überläßt, auch wenn das dem menschlichen Geist in seinen begrenzten Möglichkeiten des Verstehens hart erscheint. 4. In diesem weiten und nicht leicht zu meisternden Feld findet ihr, hebe Brüder und Schwestern, euren apostohschen und missionarischen Aufgabenbereich. Es handelt sich um eine echte Sendung, die euch, die freiwilligen Helfer, dahin führt, täglich das „Evangelium der Hoffnung” zahlreichen in Schwierigkeiten geratenen Mitmenschen zu verkünden. Diese Sendung ruft vor allem euch, hebe magenkranken Freunde auf, denen Gott in seiner geheimnisvollen Vorsehung eine konkrete Anteilnahme an seinem universalen Heilsplan abverlangt. Ich wünsche, daß die Zwanzigjahrfeier des Verbandes bei einem jeden zur Vertiefung des Bewußtseins der Werte beiträgt, an denen die Solidarität sich inspiriert. Ich rufe dafür die mächtige Fürbitte Mariens an, der Trösterin der Betrübten und Hilfe der Christen, während ich von Herzen einem jeden von euch, euren Lieben und allen Mitgliedern eures Verbandes einen besonderen Apostohschen Segen erteile. Lehrer, die vor allem Zeugen sind Ansprache an die Theatiner und Theatinerinnen am 23. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Über diese Begegnung mit euch, die ihr die Theatinerfamihe mit ihren beiden Zweigen der Regularkleriker und der Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis bildet, freue ich mich sehr. Vor etwa 200 Jahren erklärte Pius VI. den heroischen Grad der Tugenden von Or-sola Benincasa. So erwähnte es der Generalobere, P. Gabriele Darida, dem ich für seine tiefempfundenen Worte danke. Dieser glückliche Gedenktag und die heutige Begegnung rufen eure Kongregationen erneut zu einer heilsamen Vertiefung in ihre Identität auf, so daß das Charisma der verehrten Gründer mit neuem Eifer im Heute der Kirche und der Gesellschaft gelebt werden kann. 2. Der hl. Kajetan von Thiene verkündete mit seinem Leben, daß der Hauptweg jeder echten Erneuerung in der Kirche der Weg der Heiligkeit ist. Wie er das ihm vom Herrn geschenkte Charisma wunderbar Frucht bringen ließ, indem er jenen Geist echter Reform verwirklichte, der im Konzil von Trient seinen maßgeblichsten Ausdruck fand, so ruft das gleiche Charisma heute euch zum Einsatz in der Neuevangelisierung auf, einer Aufgabe, die zugleich den tiefsten Absichten des Zweiten Ökumenischen Vatikanischen Konzils völlig entspricht. Liebe Regularkleriker, ich spreche euch meine Freude über den von euch bekräftigten Vorsatz aus, eurem Stifter volle Treue zu wahren, dessen Ideale ihr in der heutigen Zeit neu lebendig machen wollt. Unsere Zeit braucht insbesondere Lehrer, die vor allem Zeugen sind. In seiner Weisheit schrieb Paul VI.: „Die heutige Welt ... 1187 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN möge die Frohbotschaft nicht aus dem Munde trauriger und entmutigter Verkünder hören, die ungeduldig und ängstlich sind, sondern von Dienern des Evangeliums, deren Leben Glut ausstrahlt, die als erste in sich die Freude Christi aufgenommen haben und die entschlossen sind, ihr Leben einzusetzen, damit das Gottesreich verkündet und die Kirche in das Herz der Welt eingepflanzt werde” (Evangelii nunti-andi, Nr. 80). Der Papst fuhr in Spanisch fort: 3. Das Charisma eurer Gründerin, liebe Theatinerinnen von der Unbefleckten Empfängnis, bleibt weiter in euch lebendig. Die Feier dieses frohen Gedenktages bildet eine Einladung, die der Herr an euch richtet, euren fruchtbaren kirchlichen Dienst aus der Heiligkeit des Lebens und dem apostolischen Einsatz heraus weiterzuführen. Die jetzige Jahrhundertfeier lädt euch ein, euch noch lebendiger der Herausforderungen bewußt zu werden, vor denen die Kirche in unseren Tagen steht. Ihr seid heute die Erben jenes geistlichen Impulses, den Sr. Orsola Benincasa allen, die auf der Suche nach Licht und Trost an sie herantraten, zu vermitteln verstand. Ich ermutige euch daher, eure pädagogische, missionarische, katechetische und soziale Arbeit fortzusetzen und dafür zu sorgen, daß das Gedankengut eurer Zentren und Häuser, die in der ganzen Welt verteilt sind, sich immer von den Forderungen des Evangeliums und der Treue zum Lehramt der Kirche prägen läßt. Diesem Geist getreu, habt ihr in euren Konstitutionen das Motto des Lebens eurer Gründerin geprägt, das nach eurem Willen auch das eure sein soll: „Da Maria unser Vorbild der Hingabe an Gott ist, möchten wir sie nachahmen und die Weihe an Gott als freudigen Dienst leben, um in der Welt Zeuginnen der Liebe des Vaters und erneuernder Sauerteig im Leben der Kirche zu sein” (Art. 10). Der Papst schloß in Italienisch: 4. Meine Lieben! Erflehen wir nun gemeinsam die.Fürbitte des hl. Kajetan und der ehrwürdigen Orsola, damit auf eure guten Vorsätze die überreiche Gnade des Herrn herabkomme. Euch immer begleiten und stützen soll auch der Apostolische Segen, den ich von Herzen euch, den Anwesenden, und der ganzen Theatinerfamilie erteile. Die Kinder zum Evangelium des Lebens hinführen Botschaft zum Weltmissionssonntag am 24. Oktober 1993 vom 18. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Mit diesen Worten drückt Jesus Sinn und Zweck seines Kommens in die Welt aus. In ihrer fast 2000jährigen Geschichte hat sich die Kirche immer zur Trägerin dieser 1188 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Botschaft gemacht und in der Welt die Kultur des Lebens verbreitet. Geführt von Christus und bestärkt vom Geist, hört sie Lebens zu verkünden. Diese Frohbotschaft wird demnächst, Mitte August, beim VIII. Welttag der Jugend in Denver (USA) wieder kraftvoll erklingen. Sie ist die Heilsbotschaft vom Reich Gottes und richtet sich an alle Gläubigen. Wie ich in der Enzyklika Redemptoris missio unterstrichen habe, ist „das Reich Gottes nicht eine Anschauung, eine Doktrin, ein Programm, das man frei ausarbeiten kann; sondern vor allem eine Person, die das Antlitz und den Namen Jesu von Nazaret trägt, Abbild des unsichtbaren Gottes” (Nr. 18). In der Tat kann er, der gesagt hat; „Ich bin das Leben” (Joh 14,6), den unstillbaren Hunger des menschlichen Herzens nach Leben voll erfüllen und kraft der Taufe die Existenz des Menschen im Leben Gottes verwurzeln. 2. Hinführung zum Evangelium des Lebens: Genau darin besteht die große Aufgabe der christlichen Familie und Gemeinden in der Jugenderziehung von der ersten Kindheit an. Dieser grundlegende Gedanke inspirierte 1843 den damaligen Bischof von Nancy, Charles Forbin-Janson, zur Gründung des Werkes der Heiligen Kindheit, einer Institution, die in diesem Jahr ihr 150. Jubiläum begeht. Der kirchliche Dienst dieses Werkes, das später mit dem Titel „Päpstlich” ausgezeichnet wurde, erweist sich in allen Kontinenten heute immer wertvoller und providentieller. Es verhilft den Kindern zu neuem missionarischem Schwung zugunsten Gleichaltriger. Es setzt sich für das Recht der Kinder ein, in ihrer Würde als Menschen und Glaubende zu wachsen, und es hilft ihnen vor allem bei der Verwirklichung ihres eigenen Wunsches, Gott kennen und lieben zu lernen und ihm zu dienen. Die Mitarbeit der Kinder und Jugendlichen beim Werk der Evangelisierung ist heute mehr denn je notwendig; die Kirche setzt große Hoffnungen auf ihre Fähigkeit, die Welt zu verändern. 3. Im Blick auf den kommenden Weltmissionssonntag möchte ich die Gläubigen der ganzen Welt und insbesondere die Eltern, die Erzieher, die Katecheten sowie die Ordensleute einladen, in der Erziehung Wert auf die Hinwendung zur Mission zu legen, wohlwissend, daß der Missionsgeist schon im zarten Alter eingepflanzt werden muß. Wenn die Kinder in Familie, Schule und Pfarrei in angemessener Weise angeleitet werden, können sie zu Missionaren ihrer Altersgenossen werden und auch der Erwachsenen. Mit dem Eifer ihrer Unschuld und hochherziger Bereitschaft können sie ihre jungen Freunde und Freundinnen für den Glauben begeistern und bei den Erwachsenen die Sehnsucht nach einem eifrigen und freudigeren Glaubensleben aufkommen lassen. Ihre Begeisterung für die Mission muß mit dem Gebet genährt werden, der unerläßüchen Kraftquelle für die Reifung in der Erkenntnis Gottes und des kirchlichen Bewußtseins; muß begleitet sein von einer großherzigen, auch materiellen Beteiligung zur Überwindung der Schwierigkeiten weniger gutgestellter Kinder. In diesem Geist werden die Spenden anläßlich des diesjährigen Missionssonntags u. a. auch dafür bestimmt werden, die Not der in unmenschlichen Verhält- 1189 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nissen lebenden Kinder in aller Welt zu lindem lind ihnen die Freude des Heranwachsens im Glauben des Evangeliums zu ermöglichen. Ich bin überzeugt, dem doppelten Einsatz für die Evangelisierung und menschliche Fördemng, für den es die Kinder zu sensibilisieren gilt, könnten auch neue Berufe für das Priester- und Ordensleben entspringen; denn - so habe ich in der schon zitierten Enzyklika Redemptoris missio betont - „der Glaube wird stark durch Weitergabe” (Nr. 2). Die Sorge und Pflege der Missionsberufe stellen ein aktuelles und dringliches Problem dar. Es wächst die Zahl der Menschen, denen die Kirche die Heilsbotschaft bringen muß, jedoch „die Verkündigung des Evangeliums erfordert Verkündiger, die Ernte braucht Arbeiter, Mission geschieht vor allem durch Männer und Frauen, die sich lebenslang dem Dienst des Evangeliums geweiht haben und bereit sind, in alle Welt zu gehen, um allen das Heil zu bringen” (ebd., Nr. 79). 4. Bei dieser besonderen Gelegenheit möchte ich: erneut aus ganzem Herzen im Namen der Weltkirche allen Missionaren und Missionarinnen danken, den Ordensleuten wie den Laien. Sie arbeiten mit Eifer und Schwung und zuweilen auch um den Preis ihres Lebens, an der Front der Evangelisierung und des Dienstes am Menschen. Ihr Zeugnis, nicht selten heroisch, erwächst aus tiefer Treue zu Christus und seinem Evangelium; es ist ein Beispiel, ein Symbol und eine heilsame Herausforderung aller Christen; es ist eine Einladung an alle, durch den gelebten Glauben ihrem Leben vollen Sinn zu geben. Die Missionare setzen ihre ganze physische und spirituelle Energie für die Ausbreitung des Evangeliums der Hoffnung ein. Durch sie wiederholt Christus, der Erlöser des Menschen, den Menschen immer wieder seine Botschaft: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.” Es ist daher richtig, daß sich am Weltmissionssonntag alle Katholiken im Geist um die Missionare scharen und ihnen mit konkreter Solidarität ihre Sympathie und Bereitschaft zur Mitarbeit bezeugen. Schwere und dringende Aufgaben stellen sich heute im Zusammenhang mit der Evangelisierung und der menschlichen Fördemng. Ich persönlich gewann davon einen nachhaltigen Eindruck während meiner Pastoraireisen in die verschiedenen Kontinente. Es bedarf geistlicher Unterstützung und konkreter Solidarität, also auch materieller Hilfen. Mögen sich die Herzen und Hände der Gläubigen, vor allem der wirtschaftlich besser Gestellten, für einen hochherzigen Beitrag zu jenem „Solidaritätsfonds” öffnen, mit dem das Werk der Glaubensverbreitung den Erfordernissen der Missionare zu entsprechen sucht. Zu den dringendsten zählen sicherlich der Bau von Kirchen und Kapellen, in denen sich die Gläubigen zur Eucharistiefeier versammeln können; die Ausbildung und der Unterhalt der Priesteramtskandidaten und Katecheten; die Herausgabe religiösen Schrifttums, wie der Bibel, nationaler Katechismen und liturgischer Texte in der jeweiligen Landessprache. Wünschenswert wäre ein hochherziger Wettstreit der christlichen Gemeinden nach dem Vorbild der Urchristen, von denen die Apostelgeschichte (Apg 4,32) sagt: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele; keiner nannte etwas von 1190 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam.” Sie lebten nach dem Wort des Herrn: „Geben ist seliger als nehmen” (ebd., 20,35). Möge für die Kirche das gegenseitige Teilen erneut zur Quelle neuer Gemeinschaft und prophetischer Nächstenliebe werden! 5. Modell dieser Gottes- und Menschenliebe ist Maria, die Mutter Christi und der Gläubigen. Ihr vertraue ich alle an, die sich der Erfüllung des Sendungsauftrags ihres göttlichen Sohnes widmen. Sie stehe den Missionaren und Missionaiinnen in ihrem apostolischen Einsatz und ihren Schwierigkeiten bei; sie sporne die Mitarbeiter und Wohltäter zu verstärkter Bereitschaft an, die geistlichen und materiellen Güter mit den Bedürftigen zu teilen. Allen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen, der in diesem Jubüäums-jahr des Missionswerkes der Kinder mit besonders froher Liebe allen Kindern gilt, vornehmlich den kranken, den armen und verlassenen. Aus dem Vatikan, am Herz-Jesu-Fest, 18. Juni 1993, im 15. Jahr meines Pontifikats Joannes Paulus PP. II Aufforderung zum Frieden und zum Teilen Ansprache an die Bischöfe der CELRA (Konferenz der lateinischen Bischöfe in den arabischen Gebieten) bei ihrer Jahresversammlung am 28. Oktober Seligkeit, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Nach eurer Begegnung im letzten Jahre in Kairo wolltet ihr euch zur 43. Generalversammlung der lateinischen Bischöfe in den arabischen Gebieten in Rom versammeln. Ich bin glücklich, euch empfangen zu dürfen während eurer Arbeiten, bei denen ihr zahlreiche miteinander verbundene Themen behandelt, um euren Gemeinschaften neuen Schwung zu geben unter Berücksichtigung der besonderen Situationen eurer verschiedenen Länder. Diese Tage bieten euch Gelegenheit, gemeinsam zu beten, den Beistand des Heiligen Geistes für eure Gemeinschaften anzurufen und eure pastoralen Sorgen und Freuden zu teilen. Ihr wollt eure Bemühungen vereinen, um eure Aktionen miteinander abzustimmen und dem Volk Gottes immer besser zu dienen. So kommen eure brüderlichen Bande zum Ausdruck und werden verstärkt. Mögen die Apostel Petrus und Paulus, die Säulen der Kirche, euch bei all eurem Bemühen leiten. 2. Nach der Reflexion über einen besonderen Aspekt der Verkündigung des Evangeliums, die Katechese nämlich, wollt ihr nun neue Wege vorbereiten, um das Glau- 1191 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bensleben der Katholiken im Vorderen Orient am Vorabend des 21. Jahrhunderts zu stützen und neu zu beleben. Die Fragen, die ihr behandelt habt, sind wichtig. Tatsächlich sind mehrere Länder der Region seit langer Zeit brudermörderischen Kämpfen ausgesetzt, die ganze Bevölkerungsgruppen verarmen und hungern lassen. Die Botschaft Christi, die weiterzugeben ihr beauftragt seid, ist eine Aufforderung zu jenem tiefen Frieden, den allein der Herr schenken kann, zugleich aber ein Aufruf zum Teilen innerhalb der christlichen Gemeinschaften, um die Elendssituationen zu überwinden, die den Menschen entstellen und seine Würde beeinträchtigen. Ich ermutige daher euch und die Christen eurer Diözesen, prophetische Gesten zu setzen, damit nie wieder der Krieg als Druckmittel auf die Menschen eingesetzt wird zum Schaden des Dialogs, der jedem einzelnen und jedem Volk seine Anerkennung verschafft. 3. Auch wenn die Gläubigen eurer Diözesen wenig zahlreich sind, drängt sie doch ihre Berufung aufgrund der Taufe, sich innerhalb ihrer Völker unermüdlich in den Dienst einer neuen Welt zu stellen, wo die Bruderhebe als Erstling des kommenden Reiches herrscht. Das setzt voraus, daß man sein Land zärtlich hebt und sich als Bürger im öffentlichen Leben engagiert, um an den Tätigkeiten der irdischen Stadt und am sozialen Leben teilzunehmen in Achtung vor den rehgiösen Empfindungen und Überzeugungen der anderen, denn „der Platz, den Gott ihnen bestimmt hat, ist so schön, daß es ihnen nicht erlaubt ist, zu desertieren” (Brief an Diognet). Für die Gläubigen ist es eine edle Art der Verkündigung des Evangeliums, wenn sie ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten, an erster Stelle bemüht, Erbauer des Friedens zu sein, eines Geschenks, das Christus seinen Jüngern am Ende seines Lebens hinterlassen hat (vgl. Joh 14,27), damit sie so ihren Menschenbrüdem in Liebe dienen. 4. Ich ermahne euch zur Verstärkung aller Formen der Zusammenarbeit auf sozialem und kirchlichem Gebiet mit den Hirten und Gläubigen der verschiedenen katholischen Riten, die in den arabischen Gebieten vertreten sind und für euer Land einen Reichtum bilden. Ferner lade ich im Geist des HL Vatikanischen Konzils auch eure Gemeinschaften ein, sich in Demut und Geduld in der „ökumenischen Bewegung” (Unitatis redintegratio, Nr. 4) zu engagieren, damit die Bemühungen und Initiativen für die Einheit der Christen intensiver werden. Alle unternommenen Schritte sollen der Mahnung des Apostels entsprechen: „Folgt nach dem Beispiel Christi dem Weg der Liebe” (Eph 5,2)! Daran werden wir als seine Jünger erkannt, und es wird für alle Menschen ein Zeugnis sein. 5. Euer Dienst ist zuweilen schwierig, vor allem in Ländern, wo tatsächlich die Freiheit der Religion und des Gottesdienstes noch nicht umfassend gesichert ist. Ich bete dafür, daß die Christen ohne Unterlaß ein Beispiel der Toleranz und des Dialogs mit den anderen Religionen geben, obwohl es noch keine greifbaren Ergebnisse gibt, und daß sie aktiv mit den Anhängern dieser Religionen Zusammenarbeiten. Im Geheimnis der Herzen ist der Heilige Geist am Werk, um dem menschlichen Bemühen Fruchtbarkeit zu schenken auf Wegen, die Gott will, denn er schenkt dem durch die 1192 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeugen des Evangeliums in die Erde gesenkten Samen die Fruchtbarkeit (vgl. 1 Kor 3,6). Ich wünsche von Herzen, daß die Gemeinschaften der Christen auch immer die Möglichkeit haben, sich zur Feier der Sakramente zu versammeln, weil das für die Festigung des Glaubens ihrer Mitglieder notwendig ist, und daß sie in Freiheit Zeugnis für Christus, den Erlöser des Menschen, ablegen können. Am Ende unserer Begegnung lade ich euch ein, eifrig euren Dienst weiterzuführen. Möge keine Schwierigkeit euch entmutigen! Ich bitte euch ferner, den Priestern eurer Diözesen, die für euch nach einem Wort des heiligen Ignatius von Antiochien „eine kostbare geistliche Krone” bilden {An die Magnesier, 13,1), den Ordensmän-nem und Ordensfrauen und allen euren Gläubigen die herzliche Ermutigung des Papstes auszusprechen. Aus ganzem Herzen erteile ich euch und allen Mitgliedern eurer Gemeinschaften meinen Apostolischen Segen. Die unvergängliche Bedeutung der Kirchenväter: 50 JahreSources chretiennes Ansprache an die Mitarbeiter des „Institut des Sources chretiennes” am 30. Oktober Hochwürdiger, lieber Herr Pater, liebe Freunde! 1. Mit Freude empfange ich Sie aus Anlaß des fünfzigjährigen Gründungsjubiläums der Schriftenreihe „Sources chretiennes”. Ich kann mir Ihre Gefühle berechtigten Stolzes in einem solchen Augenblick leicht vorstellen und teile sie gerne. Das vor einem halben Jahrhundert von den (nachmaligen) Kardinälen Jean Danielou und Henri de Lubac zusammen mit P. Claude Mondesert gegründete Werk hat also Frucht getragen, eine deutlich sichtbare Frucht, wie die Veröffentlichung des vierhundertsten Bandes der Textsammlung heute beweist. Diese Entfaltung der patristi-schen Studien Hegt mir sehr am Herzen, denn ohne eine ständige Rückbesinnung auf die Tradition unserer Väter im Glauben gibt es keine echte Formung des christhchen Verständnisses. Wie ich bereits am Beginn meines Pontifikats in dem Schreiben Patres Ecclesiae sagte, „greift die Kirche ständig auf ihre (d. h. der Kirchenväter) - von Weisheit und einer immerwährenden Jugendfrische erfüllten - Schriften zurück und macht die Erinnerung an sie immer wieder lebendig” (2. Januar 1980). 2. Der Schriftenreihe „Sources chretiennes” ging es von Anfang an um die Verwirklichung einer wissenschaftlichen Arbeit, der ich gern meine Anerkennung ausspreche, erlaubt sie doch der größtmögüchen Leserzahl, den Reichtum der christUchen Überlieferung, die Größe und Schönheit des Glaubens unserer Vorfahren kennenzu-lemen und auszukosten. Nach den Maurinem im 18. Jahrhundert und nach Abbe Migne im vorigen Jahrhundert hat Ihre Schriftenreihe der Edition patristischer Texte in Frankreich einen neuen entscheidenden Anstoß gegeben. Ich bin sicher, daß aHe 1193 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihre Freunde, die die Liebe zu den Wissenschaften mit der Sehnsucht nach Gott verbinden, sich heute freuen, die schönen Ergebnisse, die Sie erzielt haben, zu sehen. Groß ist die Zahl derer, die durch ihre Einsatzbereitschaft dazu beigetragen haben, „Sources chretiennes” den Status einer wissenschaftlichen Textsammlung von weltweit anerkanntem Ruf zu geben. Anzuerkennen ist die Demut, die Geduld und die hartnäckige Ausdauer derartiger Arbeiten. Die Texterstellung, angefangen von der Erforschung der handschriftlichen Überlieferung, die Übersetzung, die sich um getreue Wiedergabe dieses Textes bemüht, die Zusammenstellung kritischer Apparate und detaillierter Indices, die Abfassung von Einführungen und erläuternden Anmerkungen - alles trägt dazu bei, dem heutigen Leser ein Denken von gestern, dem aber bleibender Wert zukommt, nahezubringen. 3. Die Kirchenväter haben unablässig über das Geheimnis Christi nachgedacht und versucht, das, was sie selber empfangen haben, an ihre Zeitgenossen weiterzugeben. Sie verstanden es, dem kulturellen Milieu ihrer Zeit gegenüber frei zu bleiben und ihm seine wahre Bedeutung zu geben. Ich denke hier an den hl. Justinus und sein berühmtes Wort von den semina Verbi (Samen des Wortes). In den besten Realisierungen und Errungenschaften der heidnischen Welt fanden sich Anhaltspunkte für die Verkündigung des Evangeliums. 4. Eines der Hauptverdienste der Väter sowie der Grund für ihren bleibenden Wert war, daß sie zu ihrer Zeit die Einheit des Alten und des Neuen Testamentes in der Person Christi erkannt und dargelegt haben. Wie man weiß, faßte der hl. Augustinus diese Grundidee der christlichen Exegese in dem Axiom zusammen: „Novum Te-stamentumin Vetere latebat; Vetus nunc in Novo patet” (Das Neue Testament war im Alten verborgen; nun ist uns das Alte im Neuen zugänglich). Er ließ sich dabei von den Intuitionen der ersten Christengeneration inspirieren, insbesondere des hl. Paulus und seiner Reflexion über das Gleichnis, „Rückwirkung des Ereignisses der Menschwerdung”, wie es Kardinal de Lubac so treffend formulierte. 5. Als Exegeten beider Testamente setzten die Kirchenväter auch den Anfang der theologischen Reflexion und der ersten großen dogmatischen Formulierungen. Sie ermöglichten es dem christlichen Glauben, sich die rationale Ausdrucksform zu geben, die ihn für die aus dem Heidentum stammenden Denkformen erfaßbar machen sollte. Sie waren die ersten Theologen, denn sie verstanden es, das Mysterium Christi eingehend zu untersuchen, indem sie auf Kenntnisse zurückgriffen, die dem Denken ihrer Zeit entliehen waren, und diese, wenn erforderlich, ohne zu zögern umgestalteten, um ihnen einen allumfassenden Inhalt zu geben. Es ist daher zum Großteil den Kirchenvätern zu verdanken, daß das Zweite Vatikanische Konzil von der Theologie sagen konnte, daß sie „auf dem geschriebenen Wort Gottes, zusammen mit der Heiligen Überheferung, wie auf einem bleibenden Fundament ruht” (Dogmatische Konstitution Del Verbum, Nr. 24). 1194 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Das verstandesmäßige Begreifen der Geheimnisse des Glaubens würde für das christliche Leben nicht genügen, wenn es nicht eine geistliche Erfahrung gäbe, die von der Praktizierung der Sakramente und dem gesamten liturgischen Leben genährt wird. Nun, auch was diesen Punkt betrifft, liefern uns die Väter die Frucht ihrer kontemplativen Betrachtung über das fleischgewordene Wort. Wenn der hl. Leo in der Weihnachtsnacht seine Homilie mit den von ihm niedergeschriebenen Worten beginnt: „Hodie Christus natus est”, erinnert er seine anwesenden Hörer und seine künftigen Leser daran, daß das Geheimnis Christi zugleich einer Zeit und allen Zeiten angehört. In der liturgischen Handlung identifiziert sich das „hodie” Gottes - weil Er es so will - mit dem „hodie” des Menschen. Möge daher die Veröffentlichung der größten patristischen Texte das Nachdenken über die Geheimnisse des Lebens des Herrn, die Wahrnehmung ihrer Aktualität im Leben der Christen und den Lobpreis an den Ewigen Gott für das allen Menschen heute und allezeit angebotene Heil erleichtern! 7. Mögen die heiligen Lehrer der abendländischen Kirche und der Kirche des Ostens, Zeugen ein und desselben Glaubens, Ihnen weiterhin beistehen! Möge Ihnen jeden Tag die Leidenschaft des Forschers und die Freude des Lesers als Erbgut von dem zuteil werden, der die wahre Weisheit ist und der sich nur finden läßt, um noch weiter gesucht zu werden! Ich nehme mit großer Freude Anteil an der Feier des frohen Ereignisses des fünfzigjährigen Bestehens von „Sources chretiennes” und spreche Ihnen meine herzlichen Wünsche für die Fortführung des vor einem halben Jahrhundert in Lyon begonnenen Werkes aus. Von ganzem Herzen erteile ich Ihnen meinen Apostolischen Segen. Vorbilder der apostolischen undpriesterlichen Berufung Predigt bei der Eucharistiefeier im römischen Seminar „Redemptoris Mater” am 31. Oktober „Wir sind euch freundlich begegnet: Wie eine Mutter für ihre Kinder sorgt” (i Thess 2,7). 1. Verehrte Brüder im Bischofsamt und Priestertum, liebe Jugendliche! Jeder Priester müßte sich die eben vernommenen Worte des hl. Paulus zu eigen machen können. Das Bild der Mutter, das er auf sich anwendet, ist tatsächlich eines der eindrucksvollsten, um die Schönheit des Priesterberufes zum Ausdruck zu bringen. Es weist nicht nur auf eine seltene Innigkeit der Zuneigung und Hingabe hin, sondern läßt auch an die innere Verbindung zwischen dem apostolischen Dienst und dem Geheimnis der neuen „Geburt” in Christus durch den Heiligen Geist denken (vgl. Joh 3,5-8). 1195 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als Träger des „göttlichen Wortes der Predigt” versteht sich der Apostel als Werkzeug dieser geistlichen Wiedergeburt. Er inkarniert für seine Mitmenschen die „Mütterlichkeit” der Kirche. Da er berufen ist, sie in Christus durch das Evangelium zu zeugen (vgl. 1 Kor 4,15), fühlt er sich ihnen gegenüber mit gutem Recht als „Vater” und „Mutter” zugleich und ist bereit, ihnen nicht nur das Evangelium, sondern „sogar sein Leben” zu schenken (vgl. 1 Thess 2,8). 2. Welcher Unterschied zwischen diesem Bild vom Apostolat und jenem, das sich aus dem beiden anderen Lesungen ergibt, die eindringliche und strenge Mahnungen vortragen! Sie richten sich an die Priester des Alten Bundes, an die Schriftgelehrten und Pharisäer, doch sie weisen auf Abwege hin, die immer auch in unserem Dienst uns bedrohen. „Ihr seid abgewichen vom Weg und habt viele zu Fall gebracht durch eure Belehrung” (Mal 2,8). Dieses Wort des Propheten Maleachi betont die große Verantwortung der Diener des Altares und des Wortes. Ihre Inkonsequenz wiegt doppelt schwer, weil sich damit das Ärgernis verbindet. Wehe denen, die die Erzieher des Volkes Gottes sein müßten, ihm aber statt dessen zum Hindernis werden! Nicht weniger hart sind die Worte Jesu für jene, die sich auf die Kathedra des Mose gesetzt haben, nicht als demütige Diener des Wortes Gottes, sondern begierig nach dem Beifall der Menschen. Bei ihnen erscheinen Wort und Leben in schreiendem Gegensatz: Sie lehren Dinge, die sie selbst nicht tun, sie legen Lasten auf, die sie selbst nicht zu tragen wagen, sie beanspruchen einen Titel - den eines „rabbi” -, der ihnen nicht zukommt, weil „nur einer der Meister ist, nämlich Christus” (vgl. Mt 23,10). 3. Das Wort Gottes zeigt uns damit auf der einen Seite das echte Vorbild der apostolischen und priesterlichen Berufung und auf der anderen die möglichen Entgleisungen. Es paßt also für diese meine Begegnung mit euch, den Verantwortlichen und den Klerikern des römischen Seminars, das wie diese Kapelle benannt ist: „Redemptoris Mater”. Alles erinnert uns an das Jahr der Erlösung, es erinnert uns an die Rundschreiben Redemptor hominis, Redemptoris Mater, Redemptoris custos und auch an Redemptoris missio. Ich begrüße euch also, Leiter und Seminaristen von „Redemptoris Mater”, in dieser Kapelle, die der „Mutter des Erlösers” (Redemptoris Mater) geweiht ist. Ich begrüße Kardinal Camillo Ruini, der in einem gewissen Sinn der Erstverantwortliche für euer Seminar ist, weil dieses zwar eine besondere missionarische Ausrichtung hat, aber doch ein Seminar der Diözese Rom bleibt. Ich begrüße den Rektor, Msgr. Giulio Salimei, und den Pater Spiritual, Msgr. Maximino Romero de Lema. Ich danke den beiden, daß sie diese wichtigen Aufgaben in der Leitung des „Redemptoris Mater”-Seminars nach so vielen Jahren der Arbeit an der Römischen Kurie und im Vikariat übernommen haben. Ich begrüße euch alle und jeden einzelnen, liebe Jugendliche, die ihr euch auf das Priestertum vorbereitet. 1196 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist bedeutsam und wichtig, daß ihr eure Berufung auf dem neokatechumenalen Weg entdeckt habt und euren Bildungsweg weitergeht, indem ihr, wie es eure Pflicht ist, den Weisungen folgt, die die Kirche für alle Priesterkandidaten aufstellt. Das Ziel, dem ihr zustrebt, ist eine tiefreichende Verwurzelung in Christus, begleitet von der herzlichen Anhänglichkeit an die Kirche. Dies ist die unerläßliche Grundlage für eine echte priesterliche Ausbildung und der Garant für den Segen Gottes auf diesem priesterlichen und neokatechumenalen, missionarischen und apostolischen Weg. Ich erfahre deshalb mit Freude, daß viele andere Berufungen wie eure auf dem Weg eurer Spiritualität erblühen, auf dem neokatechumenalen Weg, nicht nur hier in Rom, sondern in anderen Orten und verschiedenen Ländern Europas und der ganzen Welt. Tatsächlich bildet gerade die Vertiefung des geistlichen Lebens in der Übernahme des „Radikalismus” des Evangeliums für das Werden einer Berufung das fruchtbarste Erdreich. Gott hört nicht auf, zu berufen, doch nur die tiefinnere Verbundenheit mit Christus läßt seine Stimme vernehmen und sie annehmen in der Bereitschaft, ihr beharrlich zu folgen. 4. Wir müssen uns tief bewußt sein, daß wir keinen Glauben „zeugen” können, wenn wir nicht selbst zuvor vom Glauben „gezeugt” sind. Paulus konnte Christus verkünden, auch weil er in aller Wahrheit sagen konnte: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus in mir” (Gal 2,20). So konnte er Christus verkünden, weil er zuvor von Christus gezeugt, von Christus bekehrt, von Christus geformt worden war. Er beanspruchte daher keinen unangemessenen Titel wie den, den das heutige Evangelium verbietet, wenn er sich als „Vater” seiner Gemeinde empfand und auch be-zeichnete, denn seine Vaterschaft war nichts anderes als die durchscheinende Offenbarung der Vaterschaft Gottes. Und gleichzeitig nannte er sich „Mutter”. Ja, er gab sogar der apostolischen „Mutterschaft”, die ihm dieser Gemeinde gegenüber eigen war, einen gewissen Vorzug. Das Geheimnis des Priestertums muß daher in seiner inneren Verbindung mit dem Geheimnis Christi verstanden werden. Es ist Aufgabe der ganzen Kirche, Christus irgendwie in der Geschichte der Menschen „sichtbar” zu machen, aber es ist Aufgabe des Priesters, der „in der Person Christi” zu handeln berufen ist, ihn als „Hirten” und „Haupt” seines Volkes darzustellen. Der Priester muß daher eine von Christus erfüllte, ja von Christus „ergriffene” (vgl. Phil 3,12) Person sein. Ihm obliegt ein wirklich „großer” Dienst, auch wenn zu dieser Größe zugleich die Demut der Dienstbereitschaft gehört: „Der Größte unter euch sei euer Knecht” (Mt 23,11). 5. Meine Lieben, ich freue mich, dieses göttliche Opfer mit euch feiern zu können, und ich opfere es dem Herrn auf für eure Beharrlichkeit. Gott möge euch helfen, auf den Wegen der Heiligkeit und der Freude jenen Völkern entgegenzugehen, zu denen seine Vorsehung euch führen wird. Es ist gut, daß der Kardinalvikar uns diesen Sonntag ffeigehalten hat für die Begegnung mit dem „Redemptoris-Mater”-Seminar, 1197 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das gleichsam eine Pfarrei von Rom ist. Es löhnte sich diesen freien Sonntag mit dem römischen „Redemptoris-Mater”-Seminar zu verbringen. Stützen möge euch Maria, die heilige Mutter des Erlösers. Wenn ihr euch ihr anvertraut, werdet ihr euch wirklich „ruhig und froh” fühlen wie „Kinder in den Armen der Mutter” (vgl. Antwortpsalm). Sie erwirke euch die Gnade, euch mit der Glut des Apostels Paulus für das Reich Gottes zu verausgaben in voller Treue und im Gehorsam gegenüber der Kirche, die auch Mutter ist, wie uns die ganze Tradition und das II. Vatikanum lehren; sie ist auch Mutter nach dem Vorbild der Mutter Christi. Es ist diese Kirche, die uns zeugt, die uns zum Glauben gezeugt hat. In dieser Kirche seid ihr berufen, Priester zu sein und eure ganzes Leben lang zu dienen. Amen. Im Gebet für alle Verstorbenen vereint Predigt beim Totengedächtnis auf dem „Campo Verano” am Fest Allerheiligen, 1. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir feiern heute wie in jedem Jahr das eucharistische Opfer hier, auf dem alten römischen Friedhof des Verano. Wir feiern es an der Vigil des Andenkens an unsere heben Verstorbenen, während wir das Geheimnis der Heiligkeit am Fest Allerheiligen betrachten. Das ist ein großer Tag für die auf Erden pilgernde Kirche; ein Tag besonderer Nähe zu denen, die vor uns über diese Erde gegangen sind und nun „vor dem Lamm stehen” (vgl. Offb 7,9). Ihre Herzen sind voll von der Herrlichkeit Gottes. Ein ruhmvoller Tag ist das Fest Allerheiligen, das uns an das Heil erinnert, das in der Menschheitsgeschichte dank des Blutes des Erlösers zur Erfüllung gekommen ist. „Eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen ... Wer sind sie, und woher sind sie gekommen? ... Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht” (vgl. Offb 7,9.13-14). Der Tag Allerheiligen - Tag der vollendeten Erlösung, das große Fest des Lammes Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt. 2. Dieser Tag ist in meinem Gedächtnis unauslöschlich eingeprägt. Am Fest Allerheiligen habe ich nämlich vor 47 Jahren die Gabe des Priestertums Christi empfangen und bin Diener der Eucharistie geworden. Ich denke mit bleibender Verehrung an jene, die mich auf dem Weg zu diesem Dienstamt begleitet haben. Mit ihnen vereinige ich mich im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen. In diesen Tagen, am ersten und zweiten November durfte ich den Weg vollenden, der einen Neupriester zur Feier seiner ersten heiligen Messe führt: also von der Meßfeier mit meinem Bischof (dem Kardinal Adam Stephan Sapieha) bei der Priesterweihe, bis zur ersten Messe, die wir „eigene” nennen könnten, doch eine Messe, 1198 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kann nie als „eigene” bezeichnet werden, weil sie immer Opfer Christi und der ganzen Kirche, seines mystischen Leibes ist. Die heilige Messe bildet damit ein tiefes Eingehen in das Geheimnis aller Heiligen, wie auch ein Zugehen auf jene, die am Reinigungsort leiden und „das Antlitz Gottes suchen” (vgl. Ps 23). Jede heilige Messe verkündet, was in der heutigen Liturgiefeier im Antwortpsalm vorgetragen wird: „Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt” (Ps 24,1). Ja! Das Erlösungsopfer Christi umfaßt alles und alle. Im Bewußtsein der eigenen Grenzen erfährt der Priester bei der Feier der Messe immer ein Geschenk, das ihn unendlich überragt. 3. Am Morgen des Gedächtnistages an alle verstorbenen Gläubigen durfte ich die Eucharistie feiern gemeinsam mit „den Menschen, die das Antlitz Gottes suchen” (vgl. Ps 24,6), vereint mit allen, wie es die Liturgie betont, die ihn sehen „wie er ist” (i Joh 3,2). Vor den Augen meiner Seele bleibt immer der Ort gegenwärtig, die Krypta unter der Kathedrale des Wawel in Krakau, wo die sterblichen Überreste von Königen, großen Feldherren und prophetischen geistigen Führern aus meiner Nation ruhen. Die Kathedrale ist ganz durchdrungen von ihrer Präsenz und ihrem Zeugnis, so wie man in der Petersbasilika eindrucksvoll die geistliche Anziehungskraft spürt, die von den Gräbern der Päpste aus geht. Sie sind Zeugen der Geschichte, in der alle Nationen von Geschlecht zu Geschlecht zusammen mit der Kirche „das Antlitz des Gottes Jakobs” suchen (vgl. Ps 24,6), denn wie der heilige Augustinus in Erinnerung ruft, bleibt das Herz des Menschen unruhig, bis es ruht in Gott (vgl. Bekenntnisse, 1,1). 4. Dieser Tag, der Tag der ersten heiligen Messe, währt für immer. Und zwar nicht nur im Gedächtnis: Er verewigt sich in der Eucharistie Christi, die dieselbe bleibt gestern, heute und immer. Sie verlängert sich im priesterlichen Dienst - als Grundlage für die Berufung eines jeden Bischofs, und zumal des Bischofs von Rom. Wenn ich das euchäristische Opfer also hier auf dem „Campo Verano” feiere, dann möchte ich im gemeinsamen Gebet alle Friedhöfe Roms und alle umfassen, die dort ruhen. Nicht nur die Toten dieser Stadt, die man die „ewige” nennt, sondern zugleich „alle ihre Bewohner” (Ps 24,1): alle, wo immer ihre irdischen Überreste beigesetzt sind, wo immer sie begraben sind, zuweilen sogar ohne die ihrem Leib geschuldete Achtung (und die Orte dieser Art sind leider nicht wenige). Sie alle umfaßt das Erlösungsopfer Christi. Sie sind gegenwärtig in diesem Opfer der Kirche, die Fürbitte für die Toten einlegt. Es ist ja das Opfer, das ganz und gar Opfer Christi und zugleich ganz und gar Opfer für die Menschen ist: für die Lebenden und die Verstorbenen. 5. „Wer sind sie und woher sind sie gekommen?” (Offb 7,13). Von überall her, von überall her. „Mein Herr, du weißt es” (Offb 7,14) Wo immer sie herkommen, alle „haben ihre Kleider gewaschen und sie im Blut des Lammes weiß gemacht” (Offb 7,14). Und nun stehen sie vor Dir, o Gott. 1199 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herr, mögen sie das Antlitz des Vaters, mögen sie Dich schauen können, den lebendigen Gott. Mögen sie Gott schauen, wie er ist. Amen! Ein anspruchsvoller Aufruf zur Heiligkeit Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien am 8. November Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde, Mitglieder und Mitarbeiter des Päpstlichen Rates für die Laien! 1. Gern empfange ich euch anläßlich der 14. Vollversammlung eures Dikasteriums, und ich danke euch, daß ihr hier eure Treue und Verfügbarkeit zum Dienst an der Kirche und ihrer Sendung zum Ausdruck bringt. Besonders glücklich bin ich, daß ich in eurer Gegenwart Kardinal Pironio, dem Präsidenten eures Rates, meine Glückwünsche aussprechen kann, denn er begeht in diesen Tagen den 50. Jahrestag seiner Priesterweihe. Wir danken gemeinsam für alles, was der Herr ihn im Verlauf der Jahre seines Dienstes in hochherziger Hingabe und mit leuchtendem Glauben vollbringen ließ. 2. Das Thema eurer Vollversammlung ist im Rahmen der Zuständigkeit des Rates für die Laien von zentraler Bedeutung: Die Beteiligung der gläubigen Laien am Leben der Kirche. Es geht um die Berufung der Getauften, die am Leben und an der Sendung Christi selber teilhaben: Tatsächlich ist die Kirche aufgerufen, ihren Herrn in der Geschichte und in der Welt präsent zu machen. In seiner Reflexion über das Volk Gottes und zumal über die gläubigen Laien, hat das II. Vatikanische Konzil die Situation der letzteren gut dargelegt: „Durch die Taufe Christus einverleibt, zum Volk Gottes gemacht und des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig, üben sie zu ihrem Teil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt aus” (Lumen Gentium, Nr. 31). Die Berufung der Laien - ihr „in Christus sein” - ist vor allem ein anspruchsvoller Aufruf zur Heiligkeit: Sie sollen sich mit dem priesterlichen Opfer Christi vereinigen, der sich gänzlich hingibt und die Welt dem Vater darbringt. Nur der in die Herzen ausgegossene Geist kann für diese innerliche Teilnahme öffnen. Dann aber bilden sie, stark geworden durch die Gnade der Sakramente, erleuchtet durch das Wort Gottes, das heilige und königliche Volk, das dem Herrn gehört, und alle Gläubigen können und sollen heute das Licht, das in die Welt gekommen ist (vgl. Joh 1,19) als vertrauenswürdige Zeugen sichtbar machen. Eure Versammlung möchte eine Bilanz der Anwendung der Lehren und Weisungen des Konzils über die Beteiligung der Laien am Leben der Kirche ziehen; ich glaube, daß eure Reflexion sich vor allem auf folgenden zentralen Gedanken des II. Vatikanischen Konzils stützt: Die Taufe führt in die Gnadenordnung ein, sie be- 1200 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN freit die Menschen von ihrer Lage als Sünder, um sie zu „Söhnen im Sohn” zu machen. Hier hegt die eigentliche Quelle alles Tuns und aller Verantwortung in der Kirche. 3. Weit davon entfernt, eine bloß theoretische Reflexion zu sein, gestatten diese grundlegenden Tatsachen, die verschiedenen Aspekte der Tätigkeit der Laien besser einzuordnen und gewisse Ungleichgewichte zu vermeiden. Es besteht die Versuchung, die Beteiligung am Leben der Kirche nur nach den Gesetzen und der Wirksamkeit im irdischen Sinn aufzufassen, oder nach einer Logik der Macht, die dem Geist der Kirche fremd ist. Es ist wahr, daß die Kirche ein Geheimnis der Gemeinschaft mit dem Leben Gottes ist, zugleich ist sie aber die sichtbare und sehr konkrete Gemeinschaft der Glaubenden, die wie jeder soziale Körper strukturiert sein und zahlreichen Notwendigkeiten entsprechen muß. Es kommt dann darauf an, die Aufgaben jeweils am besten zu verteilen. In ihrer Verschiedenheit müssen die Bewegungen und Verbände der Gläubigen oder die Gemeinschaften den Kriterien der Kirchlichkeit entsprechen, die euer Rat oft verdeutlichen und aufwerten muß (vgl. Christifideles laici, Nr. 30). Andererseits seid ihr sehr wohl in der Lage, den Reichtum der Ortskirchen mit ihrer verschiedenen Gestalt zu kennen und geistliche und materielle Kräfte zur Beteiligung einzuladen, wobei ihr freilich immer in der Einheit der Catholica bleiben müßt. Durch alle Bemühungen um gegenseitige Information, um Reflexion und Organisation könnt ihr zugleich die Früchte feststellen, die die zahlreichen Reben des Weinstocks jetzt bald 30 Jahre seit dem Konzil bringen. Die Geschichte der Kirche in unserem Jahrhundert ist reich an Kreativität und wunderbarer Hochherzigkeit, die vor allem bei den engagierten Laien in ihrem Dienst und in ihrer Sendung sichtbar werden. Die Quelle des Ganzen ist, wie ich hier nur wiederholen kann, die immer tiefere Verwurzelung in Christus und die Verbindung mit dem Opfer, in dem er die Menschheit dem Vater darbringt. Wir danken dem Herrn für den weiten Umfang des Werkes, das vom ganzen Volk Gottes und zumal von den gläubigen Laien vollbracht worden ist. 4. In einer entscheidenden Stunde der Geschichte, unter den sich wandelnden Verhältnissen der Welt und angesichts schöner oder trauriger neuer Erscheinungen unserer Zeit ruft der Herr alle Gläubigen auf, sein Heil denen zu verkünden, die auf seine Frohbotschaft warten. Im vergangenen Sommer haben wir in Denver eine Zeit der Gnade für das Evangelium erlebt, das von den Jugendlichen aufgenommen und ihnen anvertraut ist. Die Qualität der von zahlreichen Jugendlichen gemachten Erfahrung bei Gelegenheit ihres Welttages verdankt viel der wichtigen Arbeit des Päpstlichen Rates für die Laien. Ich danke euch dafür, und ich danke dem Herrn für die Früchte dieser Veranstaltung. 5. Die Aufgaben der Anregung, die eurem Rat übertragen bleiben, lassen euch der Ausbildung der Laien große Wichtigkeit zumessen: Es geht um die menschliche und christliche Ausbildung. Es geht aber nicht so sehr darum, sich um technische Fach- 1201 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kundigkeit zu kümmern, die gewiß unerläßlich ist, sondern vielmehr um die Wek-kung eines immer größeren Engagements der Gläubigen in der Welt, wo sie leben, sie zur Verfügbarkeit für den Dienst, zum Austausch der Gaben von einer Region der Welt zur anderen aufzurufen, zugleich aber zur Aneignung der Grundlagen der christlichen Botschaft, denn sie sind oft jene Zeugen, die am direktesten im Kontakt mit ihren Zeitgenossen stehen, die das Evangelium noch nicht angenommen haben. Ich bin glücklich in dem Wissen, daß eurer Vollversammlung ein Symposium über den Katechismus der Katholischen Kirche folgen wird, ein besonderes Werkzeug für die Ausbildung und die Evangelisierung. Ihr werdet den Nutzen dieses Werkzeugs heraussteilen, wenn die Einheit im Glauben und im Leben in der Nachfolge Christi gesichert werden sollen. 6. Am Ende dieser Begegnung wünsche ich, daß eure Versammlung und das Symposium, das ihr folgt, starke Zeiten im Wirken eures Rates werden: Erneuert euren eigenen missionarischen Schwung und den der Menschen, die in all den Bewegungen arbeiten. Angesichts der angstvollen Fragen unserer Brüder und Schwestern nach dem Sinn des Lebens und der menschlichen Existenz, laßt sie die Neuheit Christi entdecken, des Erlösers des Menschen und der Grundlage unserer Hoffnung. Auf euch hier Versammelte und alle, deren Beteiligung am Leben der Kirche ihr anregt, rufe ich die Fürbitte Unserer Lieben Frau herab, der Mutter Christi und Mutter der Kirche und ich erteile euch aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Seit 45 Jahren fruchtbare Zusammenarbeit Ansprache an die Teilnehmer an der XXVII Konferenz der FAO am 11. November Herr Vorsitzender, Herr Generaldirektor, meine Damen und Herren! 1. Es ist für mich eine große Freude, die bedeutenden internationalen Führungskräfte auf dem Gebiet der Ernährung und Landwirtschaft zu begrüßen, die an der XXVH. Konferenz der FAO teilnehmen. Unsere Begegnung, die schon traditionell geworden ist, stellt ein Zeichen der bestehenden Zusammenarbeit zwischen dem Hl. Stuhl und der FAO dar. Trotz ihrer unterschiedlichen Sendungen und Anliegen wollen beide ernsthaft der Sache des Menschen dienen und die Würde des Menschen fördern. Die Menschenwürde verlangt aber, daß unter keinen Umständen und aus keinem Grund die Menschen ihres grundlegenden Rechtes auf Nahrung beraubt werden. Wie die internationale von der FAO und der Weltgesundheitsorganisation veranstaltete Konferenz des letzten Jahres zum Thema Nahrung in Erinnerung rief, ist das Recht auf Nahrung ein direkter Ausdruck des Rechtes auf Leben. Zur Ernährung gehört tatsächlich nicht lediglich die Erfüllung physischer Bedürfnisse. Zu ihr gehört es zugleich, jeder Person die Möglichkeit des Zugangs zu aus- 1202 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN reichender und gesunder Nahrung zu verschaffen sowie an ihrer Produktion und Verteilung mitwirken zu dürfen (vgl. Ansprache an die internationale Konferenz fiir Ernährung, 5. Dezember 1992: O.R.dt., 1,1993, S.13). Das Recht auf Nahrung meint damit die Möglichkeit, voll an der Harmonie der Schöpfung beteiligt zu sein. 2. Unsere Begegnung heute ist besonders bedeutsam, weil sie 45 Jahre nach der Aufnahme offizieller Beziehungen zwischen dem Apostoüschen Stuhl und der FAO stattfindet. Am 23. November 1948 entschied die Konferenz bei ihrer vierten Sitzung, den Hl. Stuhl zur Teilnahme an der Tätigkeit der Organisation mit dem Status eines „Ständigen Beobachters” zuzulassen. Wenn die Konferenz dem Hl. Stuhl diesen Status zuerkannte - der im Vergleich zum Verhältnis mit anderen Institutionen des Systems der Vereinten Nationen einmalig ist -, so erkannte sie damit die spezifische Natur des Hl. Stuhles als das zentrale und oberste Organ der Leitung der Katholischen Kirche an, die in der ganzen Welt eine Sendung des Dienstes an der Menschheit wahmimmt im Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden, soziale Harmonie und Entwicklung einsetzt. Wie gut bekannt ist, bildet die internationale Aktivität des Hl. Stuhles einen Teil seiner Sendung, nämlich allen Völkern ohne Unterschied die „Frohbotschaft” zu verkünden mit dem einzigen Ziel, dem Menschen in seiner Würde als Person zu dienen und damit zum Gemeinwohl der ganzen Menschheitsfamilie beizutragen. Der besondere Status, dessen sich der Hl. Stuhl erfreut, spiegelt weiter die spezifische Natur seines Beitrags zu den Anhegen und der Tätigkeit der FAO wider. Ohne sich auf technische und spezialisierte Fragen einzulassen, wünscht der Hl. Stuhl, jene ethischen Richtlinien beizusteuem, die hinter den Werten stehen, welche im Leben der internationalen Gemeinschaft Grund gewonnen haben und all ihre Tätigkeiten leiten sollten, eingeschlossen wie bei der FAO jene, die ihrer Natur nach mehr technisch sind. Dies ist die notwendige Gmndlage für eine Bestimmung der Bedingungen und Mittel, die für eine geordnete Koexistenz der Menschheit nötig sind. 45 Jahre lang hat es der Hl. Stuhl nie daran fehlen lassen, diese besondere Mitarbeit anzubieten, und er möchte sie auch heute weiterführen, da ein Wechsel in der Leitung der Organisation stattgefunden hat. Ich ergreife daher diese Gelegenheit, um meine Dankbarkeit dem Generaldirektor Edouard Souma meine Dankbarkeit auszusprechen, der in diesen langen Jahren die FAO geführt und geleitet hat, so daß sie den sich wandelnden weltweiten Realitäten begegnen konnte. Seine bemerkenswerten beruflichen Fähigkeiten und seine umfassende Erfahrung werden jetzt seinem Heimatland Libanon zugute kommen, das heute in der Einheit seines Volkes die solide Basis für den nationalen Wiederaufbau, die friedliche Koexistenz und die Neuentdeckung seiner eigenen Tradition zurückgewinnen möchte. Dem neu gewählten Generaldirektor, Jacques Diouf, spreche ich meine besten Wünsche für den Erfolg seiner Arbeit in den kommenden Jahren bei der FAO und in der ganzen internationalen Gemeinschaft aus. Seine Kenntnis der Situation in den Entwicklungsländern, seine Erfahrung auf dem Gebiet der multilateralen Diplomatie 1203 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und sein Einsatz für die internationale Entwicklung versprechen eine fruchtbare Tätigkeit zugunsten der ganzen ländlichen Welt, zumal zugunsten jener, die bisher von den landwirtschaftlichen Verbesserungen weniger Vorteil hatten, wie die kleinen Landwirte der ärmsten Länder. 3. Wie vor 50 Jahren in Hot Springs, wo die Konferenz der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft die Grundlagen der FAO legte, findet die derzeitige Tagung der Konferenz zu einer Zeit statt, da die internationale Gemeinschaft tiefreichende Wandlungen hinter sich hat und fast täglich neue Entwicklungen erlebt. Heute wie damals sind neue Akteure auf der Weltbühne und neue internationale Beziehungen sind nötig, neue Probleme sind aufzugreifen und entsprechende Antworte zu geben. Solche Antworten werden gefordert von jenem universalen gemeinsamen Gut, das in der Bereitstellung aller für die Entwicklung der Einzelnen, der Völker und der ganzen Menschheitsfamilie nötigen Möglichkeiten besteht. Die wichtigen Entscheidung, die ihr zu fällen habt, können zur Verbesserung der Notlage von Millionen von Menschen beitragen, die konkrete Aktionen erwarten, welche ihre Situation der Unterentwicklung, der Armut und des Hungers ändern können. Schon auf der Konferenz von Hot Springs wurde anerkannt, daß „die erste Ursache von Hunger und Unterernährung die Armut ist” (Konferenz der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft, Entschließung XXTV). Heute muß das gleiche Bewußtsein all eure Arbeit anregen. Es besteht ein dringendes Bedürfnis zu fragen, warum nach so vielen Jahren weiter die Armut Ursache von Hunger und Unterernährung ist. Vielleicht wurde zu oft vergessen, daß dazu dem Armen „ob Einzelperson oder Nation, Bedingungen angeboten werden (müssen), die tatsächlich annehmbar sind” (Centesimus annus, Nr. 52). Die jetzige XXVII. Konferenz betont den universalen Charakter der FAO, was die Zahl ihrer Mitgliederstaaten angeht, und es wird auf die Zulassung einer erheblichen Zahl neuer Mitglieder hingewiesen. Doch sollte dieser universale Charakter, wie ihr euch bewußt seid, nicht nur in Zahlen verstanden oder als Darstellung einer Art von Gleichheit gedeutet werden. Vielmehr sollte man ihn mit den verschiedenen Situationen innerhalb der Länder und zwischen ihnen vergleichen: den Wohlstand der einen und die extreme Armut der anderen. In der universalen Geltung der FAO spiegelt sich daher die Wirklichkeit einer gespaltenen Welt wider, in der oft die Selbstsucht weniger es den Schwächeren nicht gestattet, voll an den Bodenschätzen und anderen Gütern, am Handel, an wissenschaftlichen Entdeckungen und den Wohltaten der neuen Technik teilzuhaben; all dies kann bewirken, das gleiche Recht eines jeden Volkes zu leugnen, „mit am Tisch des gemeinsamen Mahles zu sitzen” (Sollicicitudo rei socialis, Nr. 33). Liegt es nicht ebenfalls an dieser Selbstsucht, diesem Mangel an Teilen und Gemeinschaft zwischen den Ländern, daß ein großer Teil der Menschheit unter Hunger und Unterernährung leidet, so daß sie sogar ihre Hoffnung auf das Leben selber gefährdet sieht? 1204 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Euer täglicher Einsatz in den verschiedenen Tätigkeiten der FAO bezeugt, daß Hunger und Unterernährung nicht einfach das Ergebnis von Naturkatastrophen sind, sondern auch die Folgen von einzelnen und kollektiven Haltungen, die - ob es sich um Aktionen oder Unterlassungen handelt - vom Willen und Tun des Menschen ab-hängen. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die es verhindern, daß alle Einzelnen genügend Nahrung besitzen, obwohl die auf dieser Konferenz geprüften Daten wieder einmal zeigen, daß die Weltproduktion ausreicht, um dem Anspruch der Weltbevölkerung als ganzer zu genügen. Die weitere Aussicht nämlich, die ein genaues Studium der FAO für diese Arbeiten bietet, zeigt gerade ein ausgewogeneres Verhältnis in der Welt zwischen der Produktion von landwirtschaftlichen Lebensmitteln und dem Bevölkerungswachstum, das derzeit stationär zu sein oder zu einer langsamen Abnahme gegenüber heute tendiert (vgl. FAO Konferenz, Landwirtschaft um das Jahr 2010, Doc. C. 93/94). Als Folge erscheint die Lösung noch weniger gerechtfertigt, die in der Beschränkung der Zahl der Teilnehmer am „gemeinsamen Mahl” statt in der Vermehrung des zu teilenden Brotes besteht! Die weiter bestehenden Ungleichgewichte zwischen verschiedenen Teilen der Erde - und damit die Krisen oder der Nahrungsmangel - können also nicht allein mit dem unterschiedlichen Wachstumsniveau erklärt werden, das die entwickelten und die sich entwickelnden Länder trennt. Sie müssen vielmehr der Wirkung der Wirtschaftspolitik und zumal der Agrarpolitik einzelner Länder oder Gruppen von Ländern zugeschrieben werden, deren Auswirkungen weltweit für die Produktionsniveaus, für Handel und Verteilung Bedeutung gewinnen und daher die Verfügbarkeit von Landwirtschafts- und Nahrungsprodukten betreffen. Das heißt, daß die Liste der Prioritäten im Kampf gegen Hunger und Unterernährung auf nationaler und internationaler Ebene zu ändern ist. Während nämlich die Selbstversorgung mit Nahrung ein gültiges Ziel der Entwicklung eines gegebenen Landes bleibt, gewinnt die ausgewogene Verteilung der Güter größere Bedeutung, so daß sie auch wirklich zumal für die sehr Armen verfügbar sind. Die Übernahme von Kriterien der Solidarität und des Teilens, einer verhältnismäßig größeren und selbstloseren Bereitschaft von seiten der reichsten Länder und der Hauptproduzenten ist eine mehr denn je notwendige Bereitschaft zu einer Zeit, da die von den jüngsten weltweiten wirtschaftlichen Tendenzen bestimmten Kriterien von den schwächeren Wirtschaften strukturelle Anpassungen verlangen, die kurzfristig die Grundrechte ganzer Völker aufs Spiel setzen und in einzelnen Fällen sogar die tatsächliche Verfügbarkeit eines Angebots von Nahrungsmitteln gefährden. Außerdem erfordert der Kampf gegen Hunger und Unterernährung, daß alle Länder Zusammenkommen, um neue und bindende Regelungen zu übernehmen, die den gewandelten Bedürfnissen des Handels und des internationalen Austausches dienen und nicht den Interessen einer kleinen Gruppe von Ländern. Auf diese Weise wird es möglich sein, deutliche Anzeichen des Protektionismus in seinen verschiedenen Formen zu vermeiden - des Haupthindernisses für den Handel, weil er tatsächlich 1205 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Marktschranken für Entwicklungsländer aufrichtet. Daher sollte so bald wie möglich die Bewegung für eine neue Welthandelsordnung, die den landwirtschaftlichen Fortschritt in Entwicklungsländern nicht benachteiligt, operativ werden und damit die Integration ihres Potentials in die Wirtschaft der reichen Länder gefördert werden. Die Verfolgung des Ziels einer anhaltenden Entwicklung erfordert daher das Herausfinden eines guten Gleichgewichts zwischen den Produktionsforderungen, die der Kampf gegen den Hunger stellt, sowie der Notwendigkeit der Erhaltung der Umwelt und der Bewahrung der großen Verschiedenheit der Schätze der Schöpfung. Mit einem solchen Kriterium kann die FAO immer deutlicher den Aufgaben entsprechen, einen Teil der Entschließungen der Konferenz von Rio in die Praxis umzusetzen, und damit auch den kommenden Generationen einen wirklichen Dienst leisten. Meine Damen und Herren! 5. Es ist klar, daß Entscheidungen, die zur Solidarität zwischen den Ländern führen, in unerläßlicher Arbeit dafür konkret gemacht werden müssen, daß Güter und Bodenschätze für die unmittelbare und künftige Verwendung durch die am meisten Bedürftigen verfügbar gemacht werden. Die Stabilität der internationalen Koexistenz erfordert das, und auch die Voraussetzungen für einen echten Frieden verlangen es. Diese Pflicht erfordert ferner, eine sorgfältige Überprüfung der Anhegen und Ziele aller Institutionen des Systems der Vereinten Nationen, so daß die Weisungen der Charta der Vereinten Nationen voll verwirklicht werden, wo es heißt, daß zur Schaffung der „Voraussetzungen der Stabilität und des Wohlergehens, die für friedliche und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Völkern notwendig sind ... die Vereinten Nationen die Vorbedingungen für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und Entwicklung fördern werden” (Art. 55). Und trotz der Tatsache, daß die Methoden und Mittel genauer werden müssen, darf man nicht vergessen, daß noch kürzlich das Gebot, ausreichende Nahrung zu garantieren, das aber durch Konfliktsituationen bedroht war, zur wichtigsten Motivation der internationalen Hilfsaktion wurde. So reift innerhalb der internationalen Gemeinschaft der Gedanke des humanitären Eingreifens. Weit davon aber entfernt, das Recht der Stärkeren zu sein, muß das von der Überzeugung ausgehen, daß solches Eingreifen und sogar die Einmischung -weil objektive Situationen es erfordern - die Antwort auf eine moralische Verpflichtung sind, nämlich einzelnen, Völkern oder völkischen Gruppen zu Hilfe zu kommen, deren grundlegendes Recht auf Nahrung verweigert wurde, so daß sogar ihre Existenz bedroht wird. 6. Auf eurer Arbeit lastet daher eine schwere Verantwortung, und eure Entscheidungen werden nicht nur technische Folgen haben, sondern auch weitere zahlreiche menschliche Auswirkungen. Versucht sicherzustellen, daß alle Menschen und zumal 1206 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jene, die auf dem Lande leben und arbeiten, sich weiter auf die Tätigkeit der FAO verlassen können. Möge der allmächtige Schöpfer der Welt eure Ausdauer stärken und euer Wirken erleuchten. Initiativen zur Förderung der Einheit des Glaubens Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre am 19. November Ehrwürdige Brüder! 1. Gern treffe ich mich mit euch am Ende dieser eurer Vollversammlung, die gewissermaßen einen Knotenpunkt des Einsatzes eurer Kongregation im Dienst des Stuhles Petri und der Gesamtkirche darstellt. Ich danke Kardinal Ratzinger für seine im Namen aller zum Ausdruck gebrachten Empfindungen und für den Überblick über die in diesen Tagen geleistete Arbeit. Mit großer Aufmerksamkeit und Anteilnahme verfolge ich stets die Entwicklung eurer Forschungen und eurer Tätigkeiten, vor allem bei den wöchentlichen Begegnungen mit eurem Kardinalpräfekten und dem Herrn Sekretär. Aber ich schätze es besonders, mich in regelmäßigen Abständen auch mit euch, den Mitgliedern des Di-kasteriums, zu treffen, um euch noch direkter sagen zu können, wie viel mir an eurer Arbeit gelegen ist. 2. Vor allem möchte ich euch bei dieser Gelegenheit danken für das bedeutsame Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Communio. Mit diesem Schreiben beabsichtigte die Kongregation, den richtigen Begriff von „Communio” ins Licht zu stellen, auf das Geheimnis der Kirche in der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils und der außerordentlichen Bischofssynode von 1985 bezogen, wo die zentrale Stellung dieses Begriffs für eine richtige Sicht der Kirche unterstrichen wurde. In der Tat waren sofort nach dem Zweiten Vatikanum die Begriffe „Communio” (Gemeinschaft) und „Volk Gottes” unter denen, die am meisten das Interesse des theologischen Denkens anzogen. Aber neben der wirklichen Vertiefung der Ekklesiologie neigte man nach dem Konzil auch zu einer abwertenden Interpretation dieser Schlüsselbegriffe und lief folglich Gefahr, die katholische Ekklesiologie zu verändern. Der Begriff „Communio” (Gemeinschaft) wurde in horizontalem, soziologischem Sinn verstanden, und es schlich sich der Gedanke an eine Kirche ein, der auf einen Verband von Ortskirchen verkürzt war. Mit diesem Dokument wurde den Bischöfen, den Theologen und allen Gläubigen ein maßgebender Beitrag zur Glaubenslehre geboten, damit die Gemeinschaft der Gläubigen an allen Orten und zu allen Zeiten nicht nur als horizontales und äußeres Element gelebt wird, sondern als eine innere Gnade und zugleich als sichtbares Zei- 1207 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen für das Geschenk des Herrn, der allein die Einheit des Menschengeschlechtes zu verwirklichen vermag, indem er jede Schranke und jede von Sünde und menschlicher Schwäche verursachte Grenze überwindet. 3. Kürzlich hat eure Kongregation auch eine Instruktion über einige Aspekte des Gebrauchs der sozialen Kommunikationsmittel in der Förderung der Glaubenslehre herausgegeben, einen wertvollen Beitrag für die Einheit der Kirche, die sich ja vor allem auf den Glauben gründet. Dieses Dokument, das auf die Veröffentlichung der Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen vom Mai 1990 folgte, hat in organischer Form die Gesetzgebung der Kirche über den Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel und besonders über die Bücher bei der Förderung der Glaubenslehre aufgegriffen. Es ruft die kirchenrechtlichen Normen in Erinnerung und gibt Erklärungen dazu, legt dar und bestimmt, wie vorzugehen ist, und will so den Hirten beim Erfüllen ihrer Aufgabe Ermutigung und Hilfe bieten. Die Mittel der sozialen Kommunikation leisten dem Diener der Kirche bei der Verbreitung der Botschaft Christi in der Tat einen bedeutenden Dienst. Die Kirche verfolgt mit großem Interesse die Fortschritte, die auf diesem Gebiet gemacht werden, und lobt das, was die Bischöfe trotz Schwierigkeiten aller Art in dieser Hinsicht schon tun. Der Text der Kongregation beschränkt sich auf den disziplinären Aspekt, das heißt auf die organische Darstellung des bestehenden Rechts. Aber da ja in der Kirche das Recht eine Stütze ist für die Wahrheit und die Freiheit, hat die Instruktion große Bedeutung. Die diesbezüglichen Normen stellen in der Tat eine Garantie für die Freiheit aller dar: sowohl für die der einzelnen Gläubigen, die das Recht haben, die Botschaft des Evangeliums rein und unverkürzt zu empfangen, wie auch für die der pastoralen Mitarbeiter, der Theologen und aller katholischen Publizisten, die ebenfalls das Recht haben, ihre Gedanken zu verbreiten, wenn sie nur den Glauben, die Sitten und die Achtung gegenüber den Hirten unverfälscht bewahren. 4. Ich nehme die Gelegenheit wahr, meine Zufriedenheit auch noch im Hinblick auf eine andere Initiative auszudrücken, die sich in die eben angedeutete Perspektive der Förderung der Einheit der Kirche einfügt; sie war 1982 von der Vollversammlung eures Dikasteriums ergriffen worden, hat sich aber erst in den folgenden Jahren weiterentwickelt. Es handelt sich um die Begegnungen mit den Vorsitzenden der Glaubenskommissionen der Bischofskonferenzen in den verschiedenen Kontinenten. Das letzte Treffen, das Asien betraf, wurde vom 2. bis 5. März dieses Jahres in Hongkong gehalten. Gleichartige Treffen fanden vorher in Lateinamerika statt (1984), für Afrika (1987) und für Europa (1989). Wie ich in der Botschaft bemerkte, die ich an die Teilnehmer der erwähnten Versammlung schrieb, bin ich der Meinung, daß solche Begegnungen „dem besonderen Dienst der Bischöfe als den hauptsächlichen Glaubenslehrem in ihren Gemeinschaften Unterstützung und sichere Wegweisung bieten können, so daß das ganze Volk 1208 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes aus einer klaren Darstellung der katholischen Lehre Nutzen ziehen und in der Erkenntnis der unerschöpflichen Reichtümer Christi wachsen kann”. 5. In diesem Zusammenhang halte ich es ferner für passend, ein besonderes Wort des Dankes zu sagen für alle Zusammenarbeit, die ihr in vieler Hinsicht den anderen Dikasterien anbietet in der beständigen Sorge, der Kirche jene Einheit des Glaubens sicherzustellen, die aus der Treue zur Person Christi erwächst und die durch die beständige Meditation des Wortes Gottes und einen fortgesetzten und geduldigen Dialog gefestigt werden kann. Ich möchte auch die Bedeutung erwähnen, die ich dem beimesse, was eure Kongregation tut zur gründlichen Untersuchung der vielfältigen Probleme der Moraltheologie, die ihr aus den verschiedenen Teilen der Welt unterbreitet werden. Mir sind die Studien bekannt, die hinsichtlich neuer Fragen im Zusammenhang mit den Problemen der Empfängnisverhütung, der Sterilisation, der Abtreibung, der Organübertragung und Gewebeverpflanzung, der Krankenpflege im Endstadium, des Todes und der Euthanasie unternommen wurden. Durch diese Studien war es möglich, den einzelnen Bereichen der Kirche Antworten und Hinweise über manchmal sein-komplexe und schwierige Probleme anzubieten. Ich empfehle euch, in dieser Richtung mit Mut und Ausdauer fortzufahren, sei es auch inmitten der Schwierigkeiten, die eine solche Aufgabe mit sich bringt. 6. Während ich meine Freude über die intensive Arbeit zum Ausdruck bringe, die in diesen vier Tagen geleistet wurde, möchte ich vor allem meine Wertschätzung kundtun für die Studie, die ihr über die Beziehung zwischen Glaube und Philosophie unternehmt, ein Thema, an dem mir besonders viel liegt. Zum Abschluß dieser Begegnung, die es uns gestattete, gemeinsam auf den zurückgelegten Weg zu schauen und daraus Ermutigung und Antrieb für die zukünftigen Aufgaben zu schöpfen, vertraue ich euer Bemühen Maria an, dem erhabenen Vorbild betenden Hörens auf das Wort des Herrn, und als Unterpfand meiner dankbaren Zuneigung erteile ich euch von Herzen meinen Segen. Das Leben ist ein Geschenk der Liebe Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Konferenz, veranstaltet vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst am 20. November 1. Mit Freude begrüße ich euch alle, die Teilnehmer an dieser jährlichen internationalen Konferenz, veranstaltet vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst. Das Thema ist wegen der Komplexität seiner Aspekte wie auch wegen der zahlreichen daran interessierten Menschen äußerst wichtig und aktuell, nämlich: „Das Kind ist die Zukunft der Gesellschaft.” Mit Hochachtung und Zuneigung grüße ich Kardinal Fiorenzo Angelini, den Präsidenten des Päpstüchen Rates, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er im 1209 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Meine lebhafte Anerkennung gilt den Organisatoren dieser Tagung wie auch den namhaften Gelehrten, Wissenschaftlern, Forschem und Fachleuten, die zur tieferen Erforschung der komplexen und vielfältigen Probleme, die mit dem Leben und der Person des Kindes verbunden sind, ihren Beitrag geleistet haben. Mein Gruß gilt ferner den Vertretern der Regierungen sowie der nationalen und regionalen Organisationen, der nicht regierungsamtlichen internationalen Organisationen - zumal dem Generaldirektor des Fonds des WeltkinderhilfsWerks der Vereinten Nationen (UNICEF), dem Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie den Vertretern der verdienten Einrichtungen und Institute auf dem Gebiet der Kinderbetreuung. 2. Die Jahre, in denen wir leben, bieten trotz des Fortbestehens sehr schwerwiegender und dringender Probleme neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Kinder: Man braucht nur an die steigende Bedeutung zu denken, die der internationalen Zusammenarbeit zugemessen wird, an die Abmachungen zur nuklearen Abrüstung, zur Verminderung der Militärausgaben und an die Politik des Umweltschutzes. In diesen Zusammenhang gehören die internationale Abmachung über die Rechte der Kinder, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. November 1989 gebilligt wurde, und der Weltgipfel für die Kinder. Er hat mit einer Erklärung, unterschrieben von höchsten Vertretern aus 135 Ländern, einen Aktionsplan ins Werk gesetzt, der bis zum Jahre 2000 die gegenwärtige Rate der Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren um ein Drittel und die der Sterblichkeit ihrer Mütter um die Hälfte verringern will. Dieser Plan sieht ferner vor, die notwendige Ernährung sicherzustellen, das Analphabetentum zu vermindern und an erster Stelle jene Kinder zu betreuen, die Opfer örtlicher Konflikte und schmerzvoller Auswanderungen geworden sind. Die Kirche hat bereitwillig die Einladung angenommen, ihre Institutionen in dieses umfassende Programm einzubeziehen, und wünscht, daß die erwähnte internationale Abmachung bald zum ersten „universalen Traktat” über die Menschenrechte werden kann. Dazu erneuere ich eine dringende Aufforderung an die Verantwortlichen der Staaten, die Ratifizierung dieser Abmachung zu beschleunigen, deren Durchführung eine bedeutende Antwort auf das Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd der Welt darstellt, das die Ursache so vieler Leiden und ständiger internationaler Unstabilität ist. 3. Die Erwachsenen von morgen sind die Kinder von heute. Diese elementare Wahrheit zu mißachten setzt nicht nur die Zukunft des Kindes aufs Spiel, sondern die der Gesellschaft als solcher. Es ist daher ein wirksames Bemühen um den Schutz und die Förderung der Kinder notwendig. Dies erfordert den Beitrag der Forschung und Wissenschaft, den Einsatz angemessener Mittel und vor allem auf individueller und sozialer Ebene die Zurückgewinnung der grundlegenden Werte eines guten und geordneten sozialen Zusam- 1210 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menlebens, angefangen - wie die erwähnte internationale Abmachung nachdrücklich betont - beim Wert der Familie, der ursprünglichen Zelle der Gesellschaft, um dann die weiteren vielfältigen Garantien für die ganzheitliche Reifung des Kindes zu erreichen. 4. Die zahlreichen verdienten nationalen und internationalen Organe, die sich mit der Betreuung der schwächsten und am meisten verlassenen Kinder beschäftigen, können gewiß nicht allein der wachsenden Not gerecht werden, die ganze Massen von Kindern quält. Solidarität ist die wirklich angemessene Antwort auf eine solche Bitte um Hilfe. Zu dieser Antwort sind alle Menschen aufgerufen, zumal aber jene mit einer Lebensauffassung, die sie in jeder menschlichen Person das Bild Gottes und gleichsam einen Widerschein des Antlitzes Christi erkennen läßt, einen Widerschein, der besonders lebendig und sichtbar sich in den unschuldigen Zügen der Kinder zeigt. Es ist bezeichnend, daß in der Predigt Christi die Kinder als Beispiel des Verhaltens auch für die Erwachsenen aufscheinen. Als er eines Tages die Natur und die Erfordernisse seines Reiches erklären wollte, rief Jesus ein Kind herbei, stellte es in die Mitte der Jünger und sagte: „Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte. Und wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf’ (Mt 18,3-5). Daher hat die Kirche, von ihren Anfängen an bis heute, in ihrer besonderen Aufgeschlossenheit für die Rechte der Schwächsten immer den Kindern durch wohltätige Institutionen nahegestanden. Solche Werke wurden von Menschen ins Leben gerufen, die der Geist mit einem besonderen Charisma für den Schutz, die Erziehung, Entwicklung und Ausbildung des Kindes ausgerüstet hatte, an erster Stelle das Päpstliche Werk der Heiligen Kindheit, das in diesem Jahr auf 150 Jahre seines Bestehens zurückschaut. 5. Die internationale Konferenz, die heute zu Ende geht, hat in einer konstruktiven Synthese zahlreiche Vorschläge gesammelt, die ebenso viele auf dem Gebiet der Kinderbetreuung einzuschlagende Wege aufzeigen. Ein Element aber läßt alle diese Vorschläge an einem Punkt Zusammentreffen und ihre Einheit finden: die Erkenntnis, daß, wie das Leben ein Geschenk der Liebe ist, so vor allem beim Kind die Förderung, der Schutz und die harmonische Reifung des Lebens unbedingt von der Liebe getragen sein müssen. Die Rechte des Kindes lassen sich in dem Recht zusammenfassen, geliebt zu werden, und die Gesellschaft wird nicht behaupten können, sie schütze und verteidige das Kind und begleite es in seiner Entwicklung, wenn sie nicht ein erneutes Bewußtsein von der Pflicht, das Kind zu heben, zur Grundlage ihrer Initiativen macht. Auch die Wissenschaft, die Liebe zum Wissen ist, hat die Aufgabe, zum Dienst der Liebe an den Kleinsten zu werden; und vereint mit der Wissenschaft müssen alle öffentlichen und privaten Institutionen nach den Grundsätzen echter Liebe vorgehen, 1211 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN so daß sie ein Wirken programmieren und koordinieren können, das den Kindern Schutz und Entwicklung garantiert. 6. Ich denke mit lebhafter Wertschätzung an die zahllosen Formen von Verbänden, die von den Hirten, von weiblichen und männlichen Ordensinstituten, von Laiengruppen und -institutionen und Organisationen von. Freiwilligen getragen werden. In vortrefflichster Weise nehmen sie sich, oft auch im verborgenen, der Kinder an. Möge doch, das ist mein Wunsch, in allen das Bewußtsein wachsen, daß durch die Erfüllung der Pflichten der Gerechtigkeit und Liebe gegenüber den Kindern eine harmonischere und solidarischere Gesellschaft von Erwachsenen heranwächst. Die heiligste Jungfrau, die zu ihrer Freude den zum „Kind” gewordenen Sohn Gottes gebären und in ihren Armen halten durfte, die ihn dann an Weisheit, Alter und Gnade vor Gott und den Menschen wachsen sah (vgl. Lk 2,52), möge einem jeden helfen, seinen eigenen Beitrag für die Kleinsten zu leisten, in tätiger Liebe, im Beispiel, das mitreißt, und im Gutsein, das sich hinschenkt. Mit diesen Wünschen mfe ich auf alle den Segen Gottes als Unterpfand für jede gewünschte Hilfe und Tröstung herab. Das erste moralische Kriterium ist die Achtung vor dem Menschen Ansprache an die Teilnehmer der Arbeitsgruppe über das Erbgut des Menschen, veranstaltet von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, am 20. November Exzellenzen, hochwürdige Patres, meine Damen und Herren! 1. Ihre Arbeitstage zum Thema „Die gesetzlichen und ethischen Aspekte in bezug auf das Erbgut des Menschen” vollziehen sich in einer besonders „günstigen Stunde. Kürzliche Mitteilungen über Experimente in der Genetik des Menschen haben die Gemeinschaft der Wissenschaftler und zugleich zahlreiche Zeitgenossen erregt. Angesichts der raschen Fortschritte der Wissenschaft scheint die Reflexion über Ethik und Recht bei derart schwerwiegenden Fragen an diesem Jahrhundertende recht dringend. 2. Von Anfang an möchte ich die zahlreichen Bemühungen der Wissenschaftler, Forscher und Ärzte begrüßen, die das Erbgut des Menschen zu entschlüsseln und seine Entwicklungsstufen zu analysieren suchen, um eine bessere Kenntnis der Molekularbiologie und der genetischen Gmndlagen zahlreicher Krankheiten zu gewinnen. Man kann diese Studien nur ermuntern, vorausgesetzt, daß sie neue Perspektiven für genetische Sorgfalt und Therapie eröffnen unter Achtung des Lebens und der Integrität der Subjekte und daß sie darauf ausgerichtet sind, die individuelle Heilung von geborenen oder vor der Geburt stehenden Patienten sicherzustellen, die von Krankheiten meist tödlicher Art betroffen sind. Man darf sich freilich nicht verheh- 1212 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN len, daß solche Entdeckungen Gefahr laufen, zur Auswahl unter den Embryonen verwendet zu werden, wobei man jene ausmerzt, die von genetischen Krankheiten betroffen oder Träger von pathologischen genetischen Eigenheiten sind. Die ständige Vertiefung der Kenntnisse über das Lebendige ist an sich etwas Gutes, denn das Suchen nach der Wahrheit gehört zur Hauptberufung des Menschen und bildet das erste Lob für den, „der den werdenden Menschen geformt (hat), als er entstand, und die Entstehung aller Dinge kennt” (2 Makk 7,23). Die menschliche Vernunft mit unzähligen Fähigkeiten und verschiedenen Tätigkeiten ist zugleich wissenschaftliche und ethische Vernunft. Sie ist fähig, die Verfahren experimenteller Erkenntnis der Schöpfung durchzuführen und zugleich das Gewissen an die Forderungen des Moralgesetzes im Dienste an der Würde des Menschen zu erinnern. Das Streben nach Erkenntnis darf daher nicht, wie man zuweilen zu denken geneigt ist, zum einzigen Motiv und zur einzigen Rechtfertigung der Wissenschaft werden, auch auf die Gefahr hin, das Ziel des ärztlichen Vorgehens zu gefährden: nämlich untrennbar voneinander das Wohl des Menschen und das der ganzen Menschheit anzustreben. Weil sie uns das unendlich Große ebenso wie das unendlich Kleine entdecken läßt und eindrucksvolle Ergebnisse erzielt, ist die Wissenschaft verführerisch und anziehend. Doch müssen wir daran erinnern, daß, wenn sie das biologische Funktionieren und das aufeinander Einwirken der Moleküle erklären kann, sie doch nicht von sich aus die letzte Wahrheit aussagen und das Glück aufweisen kann, das der Mensch zu erreichen wünscht. Sie kann auch nicht die moralischen Kriterien diktieren, um zum Guten zu gelangen. Tatsächlich liegen diese letzteren ja nicht auf der Ebene technischer Möglichkeiten, und sie leiten sich auch nicht von den Ergebnissen der experimentellen Wissenschaften her; sie müssen vielmehr „in der der menschlichen Person eigenen Würde gesucht werden” (Veritatis splendor, Nr. 50). 3. Der Plan, das menschliche Erbgut in seinen Abläufen zu enträtseln und seine makromolekulare Struktur zu studieren, um die genetische Karte jeder Person aufzustellen, läßt Ärzte und Biologen über Kenntnisse verfügen, bei denen gewisse Anwendungen das ärztliche Gebiet überschreiten können. Er kann den Menschen mit furchtbaren Bedrohungen belasten. Es genügt, an die vielfältigen Formen der Eugenik oder der Diskriminierung zu denken, die mit der möglichen Verwendung der planenden Medizin verbunden sind. Soll die der Person geschuldete Achtung gesichert werden, so ist die ganze Gemeinschaft der Menschheit angesichts der neuen Forschungen zur Verantwortung aufgerufen. Je nach ihrer Zuständigkeit müssen die geistlichen Familien, die Moralisten, die Philosophen, die Juristen und die staatlichen Autoritäten darüber wachen, daß jeder wissenschaftliche Fortschritt die Integrität des Menschenwesens als „ununterdrückbare Forderung” achtet (Veritatis splendor, Nr. 13). 4. Wir müssen also die moralischen Probleme berücksichtigen, die nicht das Wissen selbst berühren, sondern die Mittel zum Erwerb des Wissens und dessen mögliche 1213 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oder voraussichtliche Anwendungen. Wir wissen ja, daß man heute in der Lage ist, Wissen über das menschliche Erbgut zu gewinnen, ohne dabei die Integrität des Subjekts zu verletzen. Das erste moralische Kriterium, das alle Forschung leiten muß, ist daher die Achtung vor dem Menschenwesen, über das man forscht. Doch gewisse Entdeckungen, die sich als technische Leistungen und Erfolge der Wissenschaftler darstellen, können den Grund einer gewissen Spannung für den wissenschaftlichen Geist selbst bilden: Es weckt auf der einen Seite die Bewunderung vor der erwiesenen Genialität, andererseits die oft begründete Furcht, daß dadurch die Würde des Menschen schwer verletzt und bedroht wird. Diese Spannung ist eine Ehre für den, der über die Werte nachdenkt, die seine Entscheidungen bei der Forschung leiten, denn sie beweist das ethische Empfinden, das natürlicherweise in jedem Gewissen vorhanden ist. 5. Der Kirche kommt es nicht zu, die wissenschaftlichen und technischen Kriterien der ärztlichen Forschung festzulegen. Doch es kommt ihr wohl zu, im Namen ihrer Sendung und ihrer jahrhundertelangen Überlieferung die Grenzen in Erinnerung zu rufen, innerhalb derer jeder Fortschritt ein Gut für den Menschen bleibt, denn die Freiheit muß immer auf das Gute hingeordnet werden. Die Kirche sieht in Christus den vollkommenen Menschen, das Vorbild schlechthin für jeden Menschen und den Weg zum ewigen Leben; sie möchte Wege zum Überlegen anbieten, um ihre Brüder und Schwestern aufzuklären über das, was den Menschen betrifft, und um die moralischen Werte aufzuweisen, die zum Handeln notwendig sind. Sie bilden zugleich unerläßliche Bezugspunkte für die Forscher, die Entscheidungen treffen müssen, bei denen es um das Gespür für den Menschen geht. Nur die Offenbarung eröffnet uns nämlich die integrale Kenntnis des Menschen, die die philosophische Weisheit und die wissenschaftlichen Disziplinen zwar fortschreitend und wunderbar erfassen können, aber immer in ungewisser und unvollständiger Weise. 6. Jedes Menschenwesen muß „vom Augenblick seiner Empfängnis an als Person geachtet” und als solche betrachtet werden (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Donum vitae, Nm. 2.8), als Person, die aus einem Leib und einer geistigen Seele besteht und den ihr eigenen Wert besitzt (vgl. Jer 1,5): Das ist für die Kirche das Prinzip, das die Entfaltung der Forschung leitet. Die Person des Menschen bestimmt sich nicht nach dem, was sie heute oder in Zukunft tut, auch nicht nach dem, was man in ihrem Erbgut vorausseheh kann, sondern von den wesentlichen Fähigkeiten des Seins und von den Fähigkeiten her, die mit ihrer Natur verbunden sind. Ist es einmal befruchtet, kann man das neue Wesen nicht mehr auf sein genetisches Erbe verkürzen, das nur seihe biologische Grundlage bildet und Träger der Lebenshoffnung des Subjektes ist. So sagt Tertullian: „Deijenige, der Mensch werden muß, ist bereits Mensch” (Apologeticum, IX,8). Auf wissenschaftlichem Gebiet wie auf allen Gebieten ist für die richtige moralische Entscheidung eine Gesamtsicht des Menschen notwendig, also ein Konzept, welches das Sichtbare und 1214 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Greifbare überschreitet und den transzendenten Wert anerkennt und das in Betracht zieht, was den Menschen als geistiges Wesen konstituiert. Den Embryo also als bloßes Objekt zur Analyse oder zum Experimentieren betrachten bedeutet daher einen Angriff auf die Würde der Person und des Menschengeschlechts. Niemandem steht es nämlich zu, den Anfang des Menschseins bei einem Einzelwesen festzusetzen, denn das liefe darauf hinaus, daß man sich über seinesgleichen eine maßlose Macht anmaßt. 7. In keinem Abschnitt seines Wachstums darf der Embryo daher Versuchen unterworfen werden, die nicht seinem Wohle dienen, auch keinen Experimenten, die unausweichlich entweder seine Zerstörung oder Amputationen oder nicht wiedergutzumachende Verletzungen mit sich bringen würden, denn damit würde zugleich die menschliche Natur beeinträchtigt und verwundet. Das genetische Erbe ist ein Schatz, der einem einmaligen Wesen zugehört oder zugehören kann, welches das Recht auf Leben und auf vollständige menschliche Entwicklung hat. Unbedachte Manipulationen an den Keimzellen oder an den Embryonen, die das Erbgut, den Träger der charakteristischen Eigenheiten der Art und des Individuums, in seinen spezifischen Abläufen verändern, bringen der Menschheit ernste Gefahren, nämlich genetische Mutationen, welche unweigerlich die physische und geistige Integrität nicht nur der Wesen zu verändern drohen, an denen diese Umwandlungen vorgenommen werden, sondern auch die von Personen künftiger Generationen. Wird es nicht auf sein Wohl ausgerichtet, so läuft das Experimentieren am Menschen, das zunächst eine Errungenschaft in der Ordnung der Erkenntnis zu sein schien, Gefahr, zu einer Entstellung des echten Sinns und Wertes des Menschlichen zu führen. Moralisches Kriterium für die Forschung bleibt nämlich immer der Mensch in seinem zugleich körperlichen und geistigen Sein. Der Sinn für das Ethische setzt das Einverständnis voraus, sich nicht in Forschungen zu engagieren, die die Würde des Menschen beleidigen und sein integrales Wachstum behindern würden. Das heißt aber nicht, die Forscher zur Unwissenheit zu verurteilen, sie sind im Gegenteil zur Verdoppelung ihres Scharfsinns aufgerufen. Mit einem ausgeprägten Sinn für den Menschen werden sie neue Wege der Erkenntnis finden und damit den unschätzbaren Dienst leisten, den die Menschengemeinschaft von ihnen erwartet. Der Einsatz der prognostischen Medizin, die mit der Abfolge des menschlichen Erbgutes einsetzt, stellt weitere heikle Probleme. Es geht vor allem um die erklärte Zustimmung des erwachsenen Subjekts, an dem die genetische Forschung vorgenommen werden soll, ebenso um die Wahrung des Geheimnisses über Elemente, die bekannt werden könnten und Auswirkungen auf die Person selbst und ihre Nachkommen haben. Man wird also auch nicht die heikle Frage umgehen dürfen, Personen von den gefundenen Daten Mitteilung zu machen, Daten, die in latenter Form das Vorhandensein genetischer Krankheiten beweisen und ungünstige Prognosen für die Gesundheit der betreffenden Person ergeben. 1215 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Die Kirche möchte die Gesetzgeber an die ihnen auferlegte Verantwortung hinsichtlich des Schutzes und der Förderung der Menschen erinnern, denn die geplante Analyse des menschlichen Erbgutes eröffnet Wege, die viel versprechen, doch sie schließen zugleich vielfältige Risiken ein. Der Embryo muß von den Gesetzen der Nationen als Rechtssubjekt anerkannt werden, weil man sonst die Menschheit in Gefahr bringt. Mit dem Schutz des Embryos schützt die Gesellschaft jeden Menschen, der in diesem kleinen und schutzlosen Wesen jemanden erkennt, der auch er selbst zu Beginn seiner Existenz gewesen ist. Mehr als alles andere verlangt diese Gebrechlichkeit des Menschen in seinen Anfängen die Sorge der Gesellschaft, der es zur Ehre gereicht, wenn sie die Achtung ihrer schwächsten Mitglieder garantiert. Sie antwortet damit auf die Grundforderung von Gerechtigkeit und Solidarität, die die Menschheitsfamilie eint. 9. Am Ende unserer Begegnung möchte ich die Gemeinschaft der Wissenschaftler erneut aufrufen, daß der Sinn für den Menschen und die moralischen Werte die Grundlage für ihre Entscheidungen auf dem Gebiet der Forschung bleiben. Mögen, so ist es mein Wunsch, die Überlegungen Ihrer Arbeitsgruppe den Forschem und den Verfassern deontologischer und gesetzgeberischer Dokumente Bezugspunkte bieten. Meine Dankbarkeit gilt allen, die in unterschiedlicher Weise zu diesen Studientagen beigetragen haben. Ich danke Ihnen, die Sie Ihren Beitrag zum reichen Gedankenaustausch geleistet haben, lebhaft für Ihre Beteiligung an dieser Forschungsgruppe, von der man zahlreiche Früchte erwarten darf, und ich bitte den Allmächtigen, Ihnen bei Ihren Bemühungen um die moralischen Aspekte ebenso wie bei Ihren Forschungen beizustehen. Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch (Joh 20,1) Botschaft an die Jugend der Welt zur Feier des IX. und X. Weltjugendtages am Palmsonntag 1994 bzw. 1995 in den Diözesen und zur großen internationalen Begegnung mit den Jugendlichen der ganzen Welt in Manila am 15. Januar 1995 vom 21. November 1993 „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 20,21). Liebe Jugendliche! 1. „Friede sei mit euch” {Joh 20,19). mit diesem bedeutungsvollen Gruß stellt sich der auferstandene Herr den Jüngern vor, die nach seinem Leiden voll Furcht und verwirrt waren. Mit ebenso intensiven und tiefen Empfindungen wende ich mich nun an euch, während wir uns zur Feier des IX. und X. Welttags der Jugend anschicken. Wie es bereits eine schöne Gewohnheit geworden ist, werden sie am Palmsonntag 1994 und 1216 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1995 stattfinden, während die große internationale Begegnung, die die Jugendlichen aus der ganzen Welt um den Papst versammelt sieht, für Manila, die Hauptstadt der Philippinen, im Januar 1995 festgelegt ist. Bei den voraufgehenden Begegnungen, die unseren Weg des Überlegens und Betens gekennzeichnet haben, hatten wir wie die Jünger die Möglichkeit, den auferstandenen Herrn zu „sehen”, was zugleich glauben und erkennen, gleichsam „berühren” bedeutet (vgl. 1 Joh 1,1). Wir haben ihn „gesehen” und als Meister und Freund angenommen in Rom 1984 und 1985, als wir die Pilgerfahrt vom Zentrum und Herzen des Katholizismus aus unternommen haben, um von der Hoffnung Rechenschaft zu geben, die in uns ist (vgl. 1 Petr 3,15), und sein Kreuz durch die Straßen der Welt getragen haben. Wir haben ihn innig gebeten, auf unserem täglichen Weg bei uns zu bleiben. Wir haben ihn in Buenos’Aires 1987 „gesehen”, als wir gemeinsamen mit den Jugendlichen aller Kontinente, zumal aus Lateinamerika, „die Liebe Gottes zu uns erkannt und an sie geglaubt” (vgl. 1 Joh 4,16) und verkündet haben, daß seine Offenbarung wie eine Sonne, die Licht schenkt und wärmt, unsere Hoffnung nährt und unsere Freude am missionarischen Einsatz für den Aufbau der Kultur der Liebe erneuert. Wir haben ihn 1988 in Santiago de Compostela „gesehen”, wo wir sein Antlitz erkannt und ihn als Weg, Wahrheit und Leben (vgl. Joh 14,6) anerkannt haben, als wir mit dem Apostel Jakobus über die alten christlichen Wurzeln Europas meditiert haben. Wir haben ihn 1991 in Tschenstochau „gesehen”, als wir nach Niederlegung der Mauern alle gemeinsam, Jugendliche aus Ost und West, unter dem liebevollen Blick der himmlischen Mutter die Vaterschaft Gottes durch den Geist verkündet und uns in Ihm als Geschwister erkannt haben: „Ihr habt den Geist von Söhnen empfangen” (vgl. Röm 8,15). Wir haben ihn noch kürzlich in Denver, im Herzen der Vereinigten Staaten von Amerika, „gesehen”, wo wir ihn auf dem Antlitz des heutigen Menschen gesucht haben in einem von den bisherigen Abschnitten substantiell verschiedenen, aber wegen der Tiefe der Gehalte nicht weniger begeisternden Zusammenhang, wobei wir das Geschenk des Lebens in Fülle erfahren und verkostet haben: „... ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Während wir in Geist und Herz das wunderbare und unvergeßliche Schauspiel dieser großen Begegnung mitten in felsigen Bergen bewahren, geht unsere Pilgerfahrt weiter und verweilt diesmal in Manila auf dem weiten asiatischen Kontinent, das dann zum Kreuzungspunkt des X. Welttags der Jugend wird. Das Verlangen, „den Herrn zu sehen”, wohnt immer im Herzen des Menschen (vgl. Joh 12,21) und treibt ihn unablässig an, sein Antlitz zu suchen. Auch wenn wir uns aufmachen, geben wir diesem Sehnen Ausdruck und wiederholen mit dem Pilger zum Sion: „Dein Antlitz, Herr, will ich suchen” (Ps 27,8). 1217 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Sohn Gottes kommt uns entgegen, nimmt uns auf und zeigt sich uns. Er wiederholt für uns, was er den Jüngern am Abend des Ostertages sagte: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 20,21). Wieder einmal ist es Jesus Christus, der die Jugendüchen der ganzen Welt zusammenruft, Er, der Mittelpunkt unseres Lebens, die Wurzel unseres Glaubens, der Grund unserer Hoffnung und die Quelle unserer Liebe. Von Ihm gerufen fragen sich die Jugendlichen in jedem Winkel der Erde nach dem eigenen Einsatz für die neue Evangelisierung aufgrund der Sendung, die den Aposteln anvertraut wurde, und an der jeder Christ kraft seiner Taufe und seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Kirche teilzunehmen berufen ist. 2. Berufung und missionarischer Einsatz der Kirche entspringen dem zentralen Geheimnis unseres Glaubens: dem Paschamysterium. Tatsächlich erschien Jesus „am Abend dieses Tages” (Joh 20,19) den Jüngern die sich aus Furcht vor den Juden hinter verschlossenen Türen verbarrikadiert hatten. Nachdem er seine grenzenlose Liebe erwiesen hatte, indem dr das Kreuz umfing und sich selbst als Opfer der Erlösung für alle Menschen darbrachte - und er hatte dazu gesagt: „Niemand hat eine größere Liebe, als wenn er das Leben für seine Freunde hingibt” (vgl. Joh 15,13) - tritt der göttliche Meister wieder unter die Seinen, unter jene, die er am meisten geliebt und mit denen er sein irdisches Leben verbracht hatte. Es ist eine außerordentliche Begegnung, bei der sich die Herzen für das Glück der zurückgewonnenen Gegenwart Christi nach den Ereignissen seines tragischen Todes und seiner glorreichen Auferstehung öffnen. Die Jünger „freuten sich, als sie den Herrn sahen” (vgl. Joh 20,20). Ihm unmittelbar nach seiner Auferstehung begegnen, bedeutete für die Apostel, gleichsam mit Händen zu greifen, daß seine Botschaft keine Lüge und seine Verheißungen nicht in den Sand geschrieben waren. Er, der Lebendige und in seinem Glanz Strahlende, bildet den Beweis für die allmächtige Liebe Gottes, die den Ablauf der Geschichte unsrer Einzelexistenzen radikal ändert. Die Begegnung mit Jesus ist daher ein Ereignis, das dem lieben der Menschen Sinn gibt und es umwandelt, indem es den Geist für Horizonte echter Freiheit öffnet. Auch diese unsere Zeit hegt „nach der Auferstehung”. Sie ist „der günstige Augenblick”, „der Tag des Heiles” (vgl. 2 Kor 6,2). Der Auferstandene kehrt zü uns zurück mit der Fülle der Freude und der Überfülle des Reichtums seines Lebens. Die Hoffnung wird zur Gewißheit, denn wenn er den Tod besiegt hat, können auch wir hoffen, eines Tages in der Fülle der Zeiten über den Tod zu triumphieren und endgültig Gott schauen zu dürfen. 3. Doch die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn spiegelt nicht nur einen Augenblick persönlicher Freude wider. Sie ist vielmehr der Augenblick, wo sich in seiner ganzen Fülle die Berufung zeigt, die jedem Menschenwesen gilt. Stark im Glauben an den auferstandenen Christus, sind wir alle eingeladen, die Tore des Lebens 1218 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weit zu öffnen, ohne Angst und Unsicherheit, um das Wort aufzugreifen, das Weg, Wahrheit und Leben ist (vgl. Joh 14,6) und es mutig der ganzen Welt zuzurufen. Das uns angebotene Heil ist ein Geschenk, das man nicht eifersüchtig verbergen darf. Es ist wie das Licht der Sonne, die ihrer Natur nach die Finsternisse vertreibt; wie das Wasser einer reinen Quelle, das sich unwiderstehlich aus dem Herzen des Felsens ergießt. „So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab” (vgl. Joh 3,16). Jesus, der vom Vater der Menschheit gesandt wurde, teilt jedem Glaubenden die Fülle des Lebens mit (vgl. Joh 10,10), wie wir während des kürzlichen Jugendtages in Denver betrachtet und verkündet haben. Sein Evangelium muß Mitteilung und Sendung werden. Die missionarische Berufung ruft jeden Christen auf und wird zum eigentlichen Wesen jedes konkreten und lebensmäßigen Glaubenszeugnisses. Es geht um eine Sendung, die ihren Ursprung im Plan des Vaters hat, einem Plan der Liebe und des Heiles, der in der Kraft des Geistes Wirklichkeit wird, ohne den alle unsere apostolische Initiative zum Mißerfolg verurteilt ist. Gerade um die Jünger für die Ausführung einer solchen Sendung zu befähigen, sagt Jesus ihnen: „Empfangt den Heiligen Geist” (Joh 20,22). Er überträgt damit der Kirche seine eigene Heilssendung, denn das Paschamysterium sollte weiter jedem Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten unseres Planeten mitgeteilt werden. Vor allem ihr Jugendliche seid aufgerufen, Missionare dieser neuen Evangelisierung zu werden, indem ihr täglich das Wort, das Heil schenkt, bezeugt. 4. Ihr erlebt höchst persönlich die Unruhe der heutigen historischen Stunde, die so voll von Hoffnung aber auch Ungewißheit ist, und in der man. zuweilen leicht den Weg verfehlen kann, der zur Begegnung mit Christus führt. Zahlreich sind nämlich die Versuchungen unserer Tage und die Verführungen, die die im Herzen eines jeden erklingende göttliche Stimme zum Schweigen bringen möchten. Dem Menschen unseres Jahrhunderts, euch allen, liebe Jugendliche, die ihr nach der Wahrheit hungert und dürstet, bietet sich, die Kirche als Weggefährtin an. Sie bietet die ewig gültige Botschaft des Evangeliums und zugleich eine begeisternde apostolische Aufgabe an: Vorkämpfer der neuen Evangelisierung zu sein. Als treue Hüterin und Deuterin des ihr von Christus übermittelten Glaubensgutes möchte sie den Dialog mit den neuen Generationen aufnehmen; sie möchte sich ihren Bedürfnissen und Erwartungen zuwenden, um in ehrlichem und offenem Dialog die besten Einstellungen zu suchen und zu den Quellen des göttlichen Heiles zu gelangen. Den Jugendlichen vertraut die Kirche die Aufgabe an, der Welt die Freude zuzurufen, . die aus der Begegnung mit Christus stammt. Liebe Freunde, laßt euch von Christus verführen; nehmt seine Aufforderung an und folgt ihm. Geht hin und predigt die erlösende Frohbotschaft (vgl. Mt 28,19); tut es mit einem Herzen voll Glück 1219 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und werdet Vermittler der Hoffnung in einer Welt, die nicht selten zur Verzweiflung versucht ist, Vermittler des Glaubens in einer Gesellschaft, die sich zuweilen mit dem Unglauben abfindet; Vermittler der Liebe mitten in den täglichen Ereignissen, in denen oft die Logik des unbändigsten Egoismus herrscht. 5. Um die Jünger nachahmen zu können, die vom Wehen des Geistes erfüllt ihren eigenen Glauben an den Erlöser, der alle hebt und mit seinem Heil beschenken will, ohne Zögern verkündeten (vgl. Apg 2,22-24. 32-36), müssen wir zu neuen Menschen werden, den alten Menschen ablegen, den wir in uns tragen, und uns in der Tiefe durch die Kraft des Geistes des Herrn erneuern lassen. Ein jeder von euch ist in die Welt gesandt, zumal zu den eigenen Altersgenossen, um ihnen mit dem Zeugnis des Lebens und der Werke die Botschaft des Evangeliums von der Versöhnung und vom Frieden zu vermitteln: „Wir bitten euch im Namen Christi: laßt euch mit Gott versöhnen” (vgl. 2 Kor 5,20). Zu dieser Versöhnung ist vor allem jeder Christ einzeln für sich aufgerufen, der seine eigene Identität als Jünger des Sohnes Gottes findet und ständig erneuert, im Gebet und im Empfang der Sakramente, zumal jener der Buße und Eucharistie. Doch dazu ist zugleich die ganze Menschheitsfamilie aufgerufen. Heute mitten im Herzen unserer Gesellschaft Missionar sein bedeutet auch, möglichst gut die Kommunikationsmedien für diese religiöse und pastorale Aufgabe einsetzen. Wenn ihr zu eifrigen Vermittlern des Wortes, das rettet, und zu Zeugen der Osterfreude geworden seid, werdet ihr auch zu Erbauern des Friedens in einer Welt, die diesen Frieden als Utopie betrachtet und oft seine tiefen Wurzeln vergißt. Die Wurzeln des Friedens - das wißt ihr gut - hegen im Herzen eines jeden, wenn er sich dem Wunsch des auferstandenen Erlösers zu öffnen weiß: „Friede sei mit euch” (Joh 20,19). Im Blick auf das Heraufkommen des dritten christlichen Jahrtausends ist euch Jugendlichen besonders die Aufgabe anvertraut, Vermittler der Hoffnung und Stifter des Friedens zu sein (vgl. Mt 5,9) in einer Welt, die immer mehr glaubwürdige Zeugen und folgerichtige Verkünder braucht. Versteht es, zum Herzen eurer Altersgenossen zu sprechen, die nach Wahrheit und Glück dürsten in ständigem, wenn auch oft unbewußtem Suchen nach Gott. 6. Liebe Jungen und Mädchen der ganzen Welt! Während mit dieser Botschaft amtlich der Weg zum IX. und X. Welttag der Jugend beginnt, möchte ich erneut meinen herzlichen Gruß an jeden von euch richten, zumal an alle, die auf den Philippinen leben: 1995 findet ja das Welttreffen der Jugend mit dem Papst zum erstenmal auf dem asiatischen Kontinent statt, der so reich an Überlieferungen und Kultur ist. Es ist eure Aufgabe, Jugendliche der Philippinen, dieses Mal eure zahlreichen Freunde aus der ganzen Welt willkommen zu heißen. Die junge Kirche Asiens ist besonders aufgerufen, in die Begegnung in Manila ein lebendiges und begeistertes Glaubenszeugnis einzubringen. Ich wünsche ihr, daß sie dieses Geschenk, das Christus selbst ihr machen möchte, aufzugreifen weiß. 1220 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN An euch alle aber, Jugendliche der ganzen Welt, richte ich die Aufforderung, euch geistig auf die kommenden Welttage einzustellen. Begleitet und geführt von euren Hirten innerhalb der Pfarreien und Diözesen, in den kirchlichen Verbänden, Bewegungen und Gruppen, macht euch bereit, die Samenkörner der Heiligkeit und Gnade anzunehmen, die euch der Herr gewiß in großherziger Fülle schenken wird. Ich wünsche, daß die Feier dieses Tages für euch alle eine besondere Gelegenheit der Bildung und des Wachsens in der persönlichen und gemeinshaftlichen Kenntnis Christi wird; möge sie zum inneren Antrieb werden, euch in der Kirche dem Dienst an euren Mitmenschen zu widmen, um die Kultur der Liebe aufzubauen. Maria, der im Abendmahlssaal anwesenden Jungfrau, der Mutter der Kirche (vgl. Apg 1,14), vertraue ich die Vorbereitung und den Ablauf der kommenden Welttage an: sie möge uns das Geheimnis vermitteln, wie wir ihren Sohn in unser Leben aufnehmen können, um alles zu tun, was er uns sagen wird (vgl. Joh 2,5). Aus dem Vatikan, 21. November 1993, dem Hochfest unseres Herrn Jesus Christus, des Königs des Weltalls. Joannes Paulus PP. II Fünfundzwanzig Jahre Humanae VITAE Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses zum 25. Jahrestag der Enzyklika Humanae vitae am 26. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Gedächtnis zum 25. Jahrestag der Enzyklika Humanae vitae, das vom Päpstlichen Rat für die Familie in sinnvoller Zusammenarbeit mit dem Institut für Studien über Ehe und Familie vorbereitet wurde, bietet mir Gelegenheit, erneut das Andenken des Dieners Gottes, Paul VI., meines verehrten Vorgängers, zu ehren, der mit der Veröffentlichung dieses Dokuments von so hohem Wert in einer der heikelsten und schwersten Stunden seines Pontifikates apostolischen Mut, Liebe zur Wahrheit und echte Treue zu Gott und zum Menschen bewiesen hat. Da er nämlich „Gott mehr als den Menschen” (vgl. Apg 5,29) gehorcht hat, wurde er zugleich zum Deuter der unverkürzten Wahrheit über den Menschen; er hat den Sinn und die Würde der ehelichen und der Familienliebe im Licht des Planes Gottes verteidigt. Ich begrüße alle Anwesenden in Dankbarkeit gegen Kardinal Lopez Trujillo, der mir die Themen des Kongresses vorgestellt hat, mit einem besonderen Gedanken der Wertschätzung aber auch für alle, die unter euch für die Lehre der Familienpastoral an den Theologischen Fakultäten und den höheren Instituten für Theologie verantwortlich sind. 1221 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Es tröstet uns die Feststellung, daß in der Gemeinschaft der Katholiken heute der von dem großen Papst der Menschheit geleistete Dienst mehr anerkannt wird, trotz des anspruchsvollen Charakters der von ihm bekräftigten Lehre und des heftigen Widerstandes, den einige ihm entgegengesetzt haben. Dieses zeigen die nicht wenigen Feiern, die zum 25. Jahrestag der Enzyklika in einzelnen Diözesen und Nationen oder auch auf internationaler Ebene veranstaltet worden sind. Unter den qualifizierten Initiativen ist zweifellos diese Begegnung zu nennen, die sich nicht nur eine vertiefte theologische Reflexion vorgenommen hat, sondern auch für die Seelsorge einen spezifischen Beitrag anbieten will. Die Lehre von Humanae vitae berührt nämlich wesentliche Aspekte der Erfahrung, die die Eheleute als ihren Weg der Heiligung zu leben berufen sind. Eine besondere pastorale Aufmerksamkeit von seiten der Kirche ist daher nur zu verständlich. Dazu ist zu betonen: „Der Beitrag an Erhellung und Vertiefung, zu dem die Theologen in Erfüllung ihres besonderen Auftrages berufen sind, hat einen unvergleichlichen Wert und stellt eine einzigartige und sehr verdienstvolle Hilfe für die Familie und die gesamte Menschheit dar” (Familiaris consortio, Nr. 31). 3. Humanae vitae fordert die Eheleute auf, sich ein klares Bewußtsein über die Würde und den Wert zu bilden, den für sie und für die Gemeinschaft die Ausübung der verantwortlichen Vater- und Mutterschaft besitzt (Humanae vitae, Nr. 10). Dieses Bewußtsein gehört in den Rahmen jener Liebe, die nach einem Wort des Zweiten Vatikanischen Konzils „Göttliches und Menschliches in sich eint und die Gatten zur freien gegenseitigen Übereignung ihrer selbst führt” (Gaudium et spes, Nr. 49). Das Prinzip der Verantwortung bei der Weitergabe des Lebens wird daher nicht negativ gleichsam als Zügel für die Hochherzigkeit der Liebe dargestellt, sondern vielmehr als Ausdruck und zugleich Frucht der Hingabe. In diesem Sinn hat Humanae vitae die Bedingungen für eine erlaubte Geburtenregelung formuliert: „Wenn also ernsthafte Beweggründe, die der körperlichen und seelischen Verfassung der Ehegatten oder äußeren Ümständen entspringen, dafür vor-liegeh, zwischen den Geburten der einzelnen Kinder Abstände eintreten zu lassen, ist es nach kirchlicher Lehre erlaubt, sich für den Gebrauch der Ehe in den unfruchtbaren Perioden an die natürliche, den Zeugungsfunktionen innewohnende Gesetzmäßigkeit zu halten und so eine Geburtenregelung vorzunehmen, ohne dabei aber die sittlichen Grundsätze zu verletzen” (Humanae vitae, Nr. 16). 4. Dieses Lehrschreiben, das auf dem Gebiet der Glaubenslehre immer beibehalten wurde, hat später auch von seiten der Wissenschaft eine wichtige Bestätigung gefunden. In den letzten Jahren hat es nämlich eine bezeichnende. Bestätigung der „natürlichen Methoden” gegeben, wie es sich bei Gelegenheit der internationalen Begegnung gezeigt hat, die im vergangenen Dezember vom Päpstlichen Rat für die Familie über die natürlichen Methoden zur Regelung der Fruchtbarkeit veranstaltet wurde, aber auch bei weiteren Kongressen. Viele nicht konfessionsgebundene internationale Or- 1222 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganisationen erkennen heute die Gültigkeit dieser Methoden für die verantwortliche Ausübung der Zeugungsfähigkeit an. Mit noch mehr Grund können und müssen sie daher vertrauensvoll von einer Familienpastoral vorgelegt werden, die jeden Aspekt eines gesunden und ausgeglichenen Ehelebens beachtet. 5. Die Tragweite von Humanae vitae zeigt sich ferner in ihrem vollen Ausmaß im Licht der kürzlich veröffentlichten Enzyklika Veritatis splendor, welche die objektiven Erfordernisse des Moralgesetzes und das innere BeziehungsVerhältnis zwischen Wahrheit und Freiheit betont hat. Wie Jesus sagt, ist es die Wahrheit, die wahrhaft frei macht (vgl. Joh 8,32).Wenn sie voll und ganz dem Plan Gottes über die Ehe anhangen, fühlen sich die Eheleute nicht in ihrer Liebe verarmt, sie erfahren im Gegenteil die Fülle ihrer gegenseitigen Hingabe. So tritt im Abstand von 25 Jahren Humanae vitae in ihrem Wert hervor als neues pädagogisches Angebot auf der Linie einer vollen Menschlichkeit, in der die eheliche Liebe als ganzheitliche, treue und fruchtbare Hingabe verstanden wird (vgl. Humanae vitae, Nr. 9). Die Ehepaare, die in der Weitergabe des Lebens diese Praxis der Treue zum Plan Gottes leben, sind bereits in allen Gegenden der Erde sehr zahlreich, auch außerhalb des Bereiches der Kirche. Sie verkünden mit ihrem stillen und gelösten Zeugnis die volle Vereinbarkeit zwischen den Forderungen, die der Schöpfer der menschlichen Natur einschrieben hat, und jenen der Person, zwischen der Harmonie des Ehepaares und der geschuldeten Achtung vor dem Plan Gottes über die Weitergabe des menschlichen Lebens. 6. Auf der anderen Seite bekräftigen die Sorgen infolge der in den letzten Jahres festgestellten beunruhigenden Ergebnisse auf dem Gebiet der künstlichen Zeugung und der demographischen Politik die richtige und heilsame Stellungnahme der von der Offenbarung erleuchteten katholischen Moral. Wie könnte jemand, der sich heute mit Recht um die Achtung vor der Schöpfung sorgt, nicht eine wenigstens gleiche Achtung fordern, wenn es sich um eine Person und um die Zeugung des Menschen handelt? Wie kann jemand, den die Auswüchse medizinischer Inanspruchnahme der menschlichen Sexualität und ihre mögliche Manipulierung alarmieren nicht die Harmonie zwischen menschlicher Natur und Person anerkennen, die von der Kirche in diesem prophetischen Dokument ihres Lehramtes vorgelegt wird? Man muß als Horizont echten Fortschritts alle Erfordernisse einer „Ökologie des Menschen” aufzugreifen wissen, zu der die Achtung vor der Natur des Menschen in jeder ihrer Dimensionen im Rahmen einer Solidarität gehört, die auch für die Schwächsten und Schutzlosesten aufgeschlossen ist. Die Probleme der letzteren können in der großen Auseinandersetzung zwischen reichen und armen Völkern niemals legitim durch Bedingungen gelöst werden, die mit den Waffen des biotechnologischen Fortschritts und mit der Übermacht der starken Wirtschaftsgefüge über die schwachen aufgezwungen werden. Notwendig ist dagegen, alle Erfordernisse der Gerechtigkeit und Solidarität zu erfüllen, die sich aus solchen Situationen ergeben, ausgehend von der geschuldeten Achtung vor der 1223 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Würde einer jeden menschlichen Person, wie arm und an den Rand geraten sie auch sein mag. Jedem müssen Lebensverhältnisse gesichert sein, die ihm ein Leben nach dem Moralgesetz gestatten. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Die Kirche bleibt der Lehre Christi treu und wird nicht müde, zu fordern, daß allen Eheleuten, zu welchem Volk auch immer sie gehören, ermöglicht wird, sich als „freie und verantwortliche Mitarbeiter des Schöpfergottes” zu fühlen, und daß dies für sie, auch in den Schwierigkeiten des täglichen Lebens, „eine Quelle großer Freude” sein könne (Humanae vitae, Nr. 1). Die Hirten der Kirche, die Erzieher und die Männer der Wissenschaft, die für diese unübersteigbaren Werte aufgeschlossen sind, werden bemüht sein, den jungen Menschen und den Ehepaaren den menschlichen und göttlichen Reichtum der echten Selbsthingabe zu erschließen, wenn „die Sexualität in ihrer echt und voll menschlichen Dimension geachtet und gefördert wird” (Familiaris consortio, Nr. 32). Dieses Bemühen, das Glaubende und Menschen guten Willens vereint, wird zum echten Dienst an der Verteidigung des Menschen und an der Förderung der Kultur des Lebens als unerläßliche Voraussetzung dafür, daß in der Welt die Kultur der Liebe und der Solidarität Einzug hält. Möge Gott die Bemühungen stärken, die in diesem Sinn in der Kirche ständig unternommen werden, und sie mit reichen Früchten segnen. Jedem von euch, liebe Brüder und Schwestern, gilt mein lebhafter Dank für euren geschätzten Beistand. Begleiten möge diese meine Gedanken mein Apostolischer Segen. Charismen der Ordensleute sind Gaben des Geistes für das Volk Gottes Ansprache an die Teilnehmer am internationalen Kongreß der Generaloberen am 26. November 1. Mit Freude heiße ich euch, liebe Brüder und Schwestern, anläßlich des von der Union der Generaloberen angesetzten internationalen Kongresses willkommen und begrüße jeden von euch herzlich. Insbesondere möchte ich Kardinal Eduardo Marti-nez Somalo, den Präfekten der Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens, begrüßen und ihm für seine edlen Worte danken. Auch danke ich dem Präsidenten der Union der Generaloberen, P. Flavio Roberto Carraro, für die Ergebenheit, die er im Namen aller Teilnehmer kundgetan hat. Ich grüße die anwesenden Bischöfe, die zahlreichen Generaloberen, die Delegierten der Lateinamerikanischen Konföderation der Ordensleute (CLAR) und der Union der Europäischen Konferenzen der höheren Ordensoberen (UCESM), die Vorsitzenden der Konferenzen auf nationaler Ebene und die Vertreter der Dikasterien der Römischen Kurie. 1224 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese eure Versammlung ist durch eine weltweite Dimension und eine umfassende Perspektive gekennzeichnet, die sie der Vorbereitung durch die höchsten Verantwortlichen der verschiedenen Ordensinstitute verdanken. Sie verlief sicher in einem Klima der intensiven Vorbereitung auf die ordentliche Versammlung der Bischofssynode, die im nächsten Jahr stattlinden wird. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, im Hinblick auf dieses Ereignis eine nutzbringende Dokumentation zusammenzustellen. 2. Aufgrund der Anforderungen einer umfassenden Erneuerung, die ihm die veränderten sozio-kulturellen Bedingungen an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends auferlegen, macht heute das Ordensleben eine der bedeutsamsten Erfahrungen seiner Geschichte. Die nächste Versammlung der ordentlichen Bischofssynode wird die Glieder der Kirche - Hirten, Klerus, Gottgeweihte und Gläubige - sicher dazu veranlassen, sich dieser einzigartigen Stunde bewußt zu werden, damit sie nicht die Gelegenheit für eine echte Rückkehr zu den Quellen des Evangeliums versäumen: Jesus Christus ist die erhabenste Bezugsperson aller Ordensleute und des ganzen Volkes Gottes. In ihm muß man den hervorragendsten Gottgeweihten erblicken, der, in die Welt gesandt, die Jünger ruft, damit sie seine bedingungslose Selbsthingabe an den himmlischen Vater und an die Gläubigen nachahmen. In der Synagoge von Nazaret bezieht Jesus, wie uns der Evangelist Lukas (vgl. Lk 4,16-19) berichtet, die messianische Prophezeiung Jesajas auf sich: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir ...” (Jes 61,1). Dort wird er als „der Geweihte” im Vollsinn des Wortes, als der Gesalbte Gottes, der „Christus”, bezeichnet. Damit ist eine einzigartige Gegenwart des Heiligen Geistes in ihm gegeben, die seine Sendung unlösbar mit seiner Salbung verbindet. Wie ich im Apostolischen Schreiben Pasto-res dabo vobis erinnerlich machte, befindet sich „der Geist nicht nur ,über’ dem Messias, sondern er ,erfüllt’, er ,durchdringt’ ihn, er erreicht ihn in seinem Sein und Wirken. Denn der Geist ist der Anfang der ,Weihe’ und der,Sendung’ des Messias” (Nr. 19). In diesem Licht betrachtet, sind die Ordensleute tatsächlich Gottes Eigentum und schöpfen im Heiligen Geist aus dem Quell der Heiligkeit und der apostolischen Ganzhingabe. 3. In der Kirche bildet jede Weihe von ihrer Natur her eine bedingungslose und lebensnotwendige Einheit mit der Sendung. Sie findet in der Praxis der evangelischen Räte ihren Ausdruck und will vor dem Volk Gottes ein Zeugnis für das Evangelium der Seligpreisungen sein (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31). Damit wird ein Lebensstil vorausgesetzt, der zusammen mit Verzicht und Opfer schwerwiegende Verpflichtungen einschließt und eine ständige und entsprechende Askese erfordert. Der wahre Grund für diese Wahl ist jedoch eigentlich nicht die Aufstellung des Programms für ein Leben der Abtötung, sondern die rückhaltlose Entscheidung für Christus. Sie läßt eine echte Aufwertung des Kreuzes und die persönliche, faszinie- 1225 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rende Entdeckung des unergründlichen Geheimnisses Jesu Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen, zu. Der apostolische Glaube sieht in „dem Gottgeweihten” kurzhin das menschgewordene Wort Gottes, den wahren Erlöser des Menschen. Jesus, der Christus* ist der allgemeingültige Maßstab; er gibt dem Menschen den echten Lebenszweck an und schenkt ihm die zu seiner Verwirklichung nötigen Gaben. In ihm, dem neuen Adam, wird die ganze menschliche Wirklichkeit dank einer eschatologischen Sinngebung erleuchtet, und ihre Horizonte erstrecken sich über die Zeithinaus. So können wir mit dem hl. Paulus wiederholen: „Für mich ist Christus das Leben” (Phil 1,21); „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir” (Gal 2,20); „Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung” (2 Kor 5,17). Wh sind also mit dem Apostel der Überzeugung, daß Gott es sich in der Ökonomie der Fülle der Zeiten vorgenommen hat, „in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist” (Eph 1,10). Diese Auffassung von einem Glauben, der alles einschließt, ist der wahre Grund für die Rückhaltlosigkeit des gottgeweihten Lebens und verleiht ihm Anreiz und Freude. Wenn Jesus Christus tatsächlich der Mittelpunkt des Lebens und der Geschichte ist, lohnt es sich, ihm treu nachzufolgen und am faszinierenden Geheimnis seiner Erlösung auch dann teilzunehmen, wenn diese Teilnahme Schwierigkeiten und Verzichte mit sich bringt. 4. Aus diesen Reflexionen über das Geheimnis Christi, liebe Brüder und Schwestern, ergeben sich zahlreiche Blickpunkte der Erneuerung. Ich möchte hier kurz einige davon hervorheben, die als Richtlinien für die Vorbereitung der nächsten Synode nützlich sein könnten. Jesus Christus ist die erhabenste Bezugsperson für alle Gläubigen, aber insbesondere für jene, die dazu berufen sind, zu bezeugen, „daß die Welt nicht ohne den Geist der Seligpreisungen verwandelt und Gott dargebracht werden kann” (Lumen Gen-tium, Nr. 31). „Die Ordensleute - ermahnt das Konzil - sollen sorgfältig darauf achten, daß durch sie die Kirche wirklich von Tag zu Tag mehr den Gläubigen wie den Ungläubigen Christus sichtbar mache, wie er auf dem Berg in der Beschauung weilt oder wie er den Scharen das Reich Gottes verkündigt oder wie er die Kranken und Schwachen heilt und die Sünder zum Guten bekehrt oder wie er Kinder segnet und allen Wohltaten erweist, immer aber dem Willen des Vaters gehorsam ist, der ihn gesandt hat” (ebd., Nr. 46). Die Erneuerung muß daher voll und ganz zu diesem Ziel führen, und das in Eile. Die Kirche braucht tatsächlich nicht Ordensleute, die vom Säkularismus und von den Lockungen der zeitgenössischen Welt geblendet sind; sie bedarf vielmehr mutiger Zeugen und unermüdlicher Apostel des Gottesreiches. 5. Als erster Grundwert ist daher die Spiritualität zu pflegen, wie sie dem typischen Charisma eines jeden Instituts entspricht. Eine besonders innige, inhaltsreiche und 1226 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unerschütterliche Bindung an den Heiligen Geist ist in einem gottgeweihten Leben die Grundlage für alles übrige. Die Gegenwart Gottes wird sichtbar, wenn die Ordensleute Zeichen und Träger seiner übernatürlichen Liebe sind. „Diener” der göttlichen Liebe zu sein ist die Quelle jedes Dienstes: Die untrennbare Verbindung von Sendung und Weihe ändert nichts an der Tatsache, daß der Weihe der Vorrang gebührt, ist sie doch eine vorsorgliche Initiative Gottes, der aussendet: „... ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt” (Joh 15,16). Wie nötig ist doch heute echte Spiritualität! Auch viele glaubende Menschen fühlen sich hilflos, sind fast von Vergänglichem, von Gleichgültigkeit, Relativismus und Individualismus, vom Mangel an Transzendenz und vom Verlust des Sündenbewußtseins überwältigt, also von Erscheinungen, welche anscheinend die Kulturen unserer Zeit kennzeichnen. Von den Ordensinstituten erwartet man sich neuen apostolischen Eifer; man erwartet sich also, daß sie nicht nur als Einzelpersonen, sondern als Gemeinschaft an der Neuevangelisierung mitwirken, die an sie hohe Anforderungen stellt. Dazu kann es nur kommen, wenn die Ordensleute in der geistlichen Erneuerung ihre erste und lebenswichtige Aufgabe sehen. Aus einer solchen Emeuemng wird die ganze Kirche, dessen bin ich sicher, neue Kraft schöpfen, und die Krise der Berufungen, die in manchen Teilen der Welt besorgniserregende Formen angenommen hat, wird dann befriedigende Lösungen finden. Das Konzil hat bereits auf entsprechende Weise daran erinnert, daß auch die besten Anpassungen der Ordensinstitute ohne Erfolg bleiben, „wenn sie nicht durch eine geistliche Erneuerung beseelt werden; dieser gebührt darum auch in der Förderung äußerer Werke der Vorrang” (Perfectae caritatis, Nr. 2). 6. Ein anderer wichtiger Aspekt, der besondere Erwähnung verdient, ist der Einsatz der Ordensleute in der Neuevangelisierung, dieser großen Herausforderung unseres Jahrhunderts, zu der die ganze Gemeinde der Getauften berufen ist. Der wirtschaftliche Fortschritt, die Umgestaltungen im gesellschaftlichen und politischen Kontext, die Erwartungen der Jugendlichen, die radikalen Umwandlungen, die sich in der Mentalität der Menschen vollziehen, erfordern von den Trägem der Evangelisierung und insbesondere von den Gottgeweihten die Fähigkeit, die Verkündigung der Wahrheit Christi zeitgemäß zu gestalten, damit jedermann in die Lage versetzt werde, in Jesus den Erlöser des Menschen mit seinen konkreten Problemen und seinen spezifischen Schwierigkeiten zu sehen. Im Zusammenhang mit diesen Bemühungen, die eine Angelegenheit der ganzen Kirche sind, ist es angezeigt, dank der Förderung neuer Methoden und Formen der Zusammenarbeit die geistlichen Beziehungen zwischen Ordensleuten und Laien zu vertiefen und zu klären, um so in unserer Zeit die Verkündigung Christi zu fördern. 7. Schließlich muß daran erinnert werden, daß die Charismen der Ordensleute spezifische Gaben des Geistes für das Volk Gottes sind. 1227 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die außerordentliche Synode von 1985 - zwanzig Jahre nach dem Konzil abgehalten - hat daran erinnert, daß „die Ekklesiologie der Gemeinschaft die zentrale und grundlegende Idee der Konzilsdokumente” ist und „nicht auf rein organisatorische Fragen oder auf Probleme, die nur die Befehlsgewalt betreffen, beschränkt werden kann” (Schlußbericht, II, Kap. 1). Die Förderung eines intensiveren kirchlichen Gemeinschaftsbewußtseins unter den Ordensleuten, Priestern und Laien und eines vielfältigen Austausches der geistlichen und apostolischen Werte wird für eine solche Ekklesiologie der Gemeinschaft von nicht geringem Nutzen sein. Sie wird die Charismen der Ordensleute realistischer an die einzelnen Teilkirchen binden, wo die Berufung und Sendung der Laien und des Diözesanklerus ihren Ausdruck finden; auf diese Weise werden die Dynamik und die Werte der Universalität der Kirche, welche die Ordensleute verbreiten, auch den Teilkirchen zugute kommen. 8. Liebe Brüder und Schwestern, mögt ihr und die Ordensinstitute, in deren Vertretung ihr daran teilnehmt, den internationalen Kongreß über „Das gottgeweihte Leben heute” als kostbares Geschenk Gottes für seine Kirche und für die ganze Welt betrachten. Eure Gründer haben es verstanden, zu ihrer Zeit mit Mut und Heiligkeit die Botschaft des Evangeliums darzustellen. Nun ist es ihren geistlichen Söhnen und Töchtern’ auferlegt, in Treue zur Eingebung des Geistes ihr Zeugnis über die Zeiten hinweg zu verlängern, indem sie ihrer Kreativität in voller Treue zum ursprünglichen Charisma und in ständiger Aufmerksamkeit den Erfordernissen des Augenblicks gegenüber nachstreben. Maria, die Königin der Jungfrauen, das konkrete Vorbild des gottgeweihten Lebens, möge euch bei dieser schwierigen und umfassenden Aufgabe der Erneuerung leiten und begleiten und den guten Ausgang der nächsten Synode erflehen. Sie, die unbefleckte Jungfrau, das erhabenste Vorbild des Gehorsams im Glauben, bitte ich, in der Kirche dem Zeugnis für die evangelischen Räte neue Kraft zu verleihen, damit die Schönheit des christlichen Antlitzes im Geist der Seligpreisungen vor den Augen aller aufleuchte. Maria möge daher auch den Hirten beistehen, damit dank ihrer Auffassung vom gottgeweihten Leben und dessen Einschätzung seine Gegenwart und Sendung inmitten des Volkes Gottes gestärkt werden. Mit diesen Wünschen, liebe Brüder und Schwestern, versichere ich euch nochmals meines ständigen Gedenkens vor dem Herrn und erteile euch meinen besonderen Apostolischen Segen zur Unterstützung eures täglichen Bemühens, dem keuschen, armen und gehorsamen Christus nachzufolgen. 1228 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirchlicher Sozialdienst: Betreuung kranker Lourdespilger Ansprache an die Pilger der UNITALSI zum 90. Jahrestag ihrer Gründung am 27. November Liebe Pilger der UNITALSI! 1. Mit Freude heiße ich euch alle herzlich willkommen, die ihr hier um den Nachfolger des Petrus versammelt seid, um der 90 Jahre seit der Gründung eures Verbandes, der Krankentransporte nach Lourdes betreut, zu gedenken. Ich begrüße besonders euren Nationalpräsidenten Erzbischof Alessandro Plotti von Pisa, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er im Namen von euch allen an mich gerichtet hat. Ich begrüße den nationalen kirchlichen Assistenten und seine Mitarbeiter, wie auch die Führungskräfte und alle, die Zeit und Kraft für die von eurer Organisation getragenen Tätigkeiten opfern. Eure Institution entstand als wirksame karitative Initiative, „als ein ganz besonderes Liebeswerk”, wie es der hl. Papst Pius X. bezeichnet hat. Im Verlauf dieser Jahre zählte das Werk Persönlichkeiten in seinen Reihen, die wegen ihres hervorragenden christlichen Zeugnisses bekannt und geachtet waren. Ich denke zum Beispiel an einige kirchliche Assistenten: vor allem an den ersten in der zeitlichen Reihenfolge: Bischof Radini Tedeschi; dann an Angelo Roncalli, der Papst wurde und den Namen Johannes XXIII. annahm; ferner an Don Pirro Scavizzi, der, wie Papst Johannes, zu den Dienern Gottes zählt. Eure Organisation entstand als Initiative von Laien, hebe Brüder und Schwestern, und sie hat sich während dieser neun Jahrzehnte bemüht, den Kranken kostenlos und hochherzig zu dienen und ihnen wie der barmherzige Samariter nahe zu sein. In der UNITALSI finden sich, in ihren geistlichen Absichten und im apostolischen Einsatz harmonisch vereint, Ärzte, ärztliche Mitarbeiter, Krankenpfleger/innen, Priester und Pilger, alle von dem Wunsch erfüllt, jene Aufnahmebereitschaft in die Praxis umzusetzen, die einen guten Schutz bilden für echte menschliche Werte, wie die Würde des Lebens, die Solidarität, das Miteinanderteilen und der Primat Gottes im Leben. Vielleicht ist gerade dies einer der eigentlichen Gründe dafür, daß sich zahlreiche Jugendliche eurem Apostolat begeistert anschließen und sich in tatkräftiger Verfügbarkeit anbieten, um sich so zugleich zum Kreuz Christi hinführen zu lassen, den sie in seinen leidenden Gliedern, die sie betreuen, erblicken. 2. „Das Wunder des Glaubens”, dieses Thema habt ihr für das Überdenken der 90 Jahre der UNITALSI gewählt. Ihre Ursprünge sind bekanntlich mit der Bekehrungserfahrung von Giovanni Battista Tomassi verbunden, der sich im Jahre 1903 als Pilger nach Lourdes begab. Das mütterüche Lächeln der Weißen Frau in der Grotte von Massabielle änderte sein Leben und bewirkte, daß er sich von dieser Stunde an den ärmsten Kranken widmete, die durch die Wallfahrt nach Lourdes den Trost im Glauben suchten. Ihnen wollte er ihre Beschwerden erleichtern. 1229 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser Geist der Anfänge kennzeichnet noch heute die Struktur eures Verbandes, der in zahlreichen Diözesen Italiens verbreitet ist. Wie es im Vorwort zu den Statuten heißt, „stellt er sich den Bischöfen zur Verfügung, um die Kränken zu betreuen und zu pflegen an erster Stelle durch die geistliche, moralische und kirchliche Bildung ihrer Anhänger, damit sie in ständigem Einsatz nicht nur demütige Diener/innen der Kranken auf den Pilgerreisen sind, sondern vor allem Vorbilder christlichen Lebens^ und liebevoller Betreuung auch in der Pfarreien und Diözesen, soweit das die von den Bischöfen approbierten organisatorischen Grenzen gestatten”. 3. Liebe Brüder und Schwestern, Gott vergelte euch alles, was ihr diskret und hochherzig für leidende und hilfsbedürftige Menschen tut. Der kirchliche Geist, der in der Vergangenheit die UNITALSI geleitet hat, möge weiter die Grundlage eures gegenwärtigen und zukünftigen Einsatzes sein. Ihr wißt gut, daß euer spontaner Dienst „als gute Samariter” mit Recht als soziale Tätigkeit bezeichnet werden kann; ja, „er läßt sich auch als Apostolat bezeichnen, und zwar immer dann, wenn er Motiven entspringt, die eindeutig auf das Evangelium zurückgehen, und besonders, wenn er in Verbindung mit der Kirche geschieht” (Salvifici doloris, Nr. 29). Widmet euch daher dieser Form des Apostolates mit allem Eifer. Nährt ihn durch Zeiten des Gebets. Wachst dank einer systematischen Katechese im Glauben, so daß der von euch als Freiwillige oder Kranke geleistete Dienst eine fruchtbare Schule der Bekehrung, der geistlichen Erneuerung sowie eines echten und glaubwürdigen christlichen Zeugnisses wird. 4. Die katechetische Hilfe, die euer Verband für das nächste Jahr der Tätigkeit anbietet, befaßt sich mit der Familie, dem wahren Heiligtum, zu dem hin ihr euch als Pilger begeben müßt, um in ihr die grundlegenden Werte der Liebe, der Verantwortung, der Annahme und der gegenseitigen Stütze in der Hingabe und Treue neu zu entdecken und zu festigen. Das Jahr 1994 wird das Internationale Jahr der Familie sein, und das ganze Volk Gottes wird seine Aufmerksamkeit auf diese kleine ursprüngliche Zelle der Kirche richten, diese lebendige Ikone der Heils- und Erlöserliebe Gottes. In diesem Sinn könnt auch ihr dank eures besonderen apostolischen Wirkens unter den Kranken einen wertvollen Beitrag leisten, damit, „auf dem Weg zu diesem Heiligtum, das die Familie ist”, ein jeder besser seine eigene Rolle und Sendung innerhalb der Gemeinschaft der Kirche und innerhalb der Gesellschaft verstehen kann. Liebe Brüder und Schwestern! Der Herr begleite euch allzeit auf der Pilgerfahrt des Lebens. Setzt euer Apostolat unermüdlich fort; seid Zeugen für den großen Heilswert des Leidens, und bringt allen, denen ihr begegnet, vor allem den Leidenden, Erleichterung und Frieden. Die unbefleckte Jungfrau helfe euch immer und überall, eure Augen vertrauensvoll zum Himmel zu erheben, von wo wir den überreichen Lohn erwarten, den Gott denen Vorbehalten hat, die ihn lieben. 1230 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich danke euch, meine Lieben, im Namen der Kirche, für euer Zeugnis und für euren wertvollen Dienst. Von Herzen gern erteile ich den Apostolischen Segen euch, den hier Anwesenden, aber zugleich der ganzen Familie der UNITALSI. Im Blut Jesu wird jeder Konflikt an der Wurzel geheilt Ansprache an eine Gruppe von Bischöfen aus dem Balkan bei der Feier der hl. Messe in der Privatkapelle am 29. November Ehrwürdige Mitbrüder, wir sind hier um den Altar des Herrn versammelt, um das Mysterium Crucis, das Mysterium Pacis - das Geheimnis des Kreuzes, das Geheimnis des Friedens zu feiern. Die Eucharistie enthält unter den einfachen Zeichen einen solchen Reichtum an Gemeinschaft und Liebe, der unser Vorstellungsvermögen weit übersteigt, jedoch in uns sichere Hoffnung und neuen apostolischen Eifer weckt. Beim Brotbrechen vertieft sich unser Blick auf die Welt und die irdischen Geschicke, und dort, wo die Finsternis des Bösen und der menschlichen Widersprüche die Hoffnung zu unterdrücken drohen, flammt in den Herzen das Licht der Wahrheit wieder auf, und der Glaubende kann von neuem den Sinn des Lebens und der Geschichte erkennen. Die Kirche wird aus der Eucharistie geboren und wiedergeboren. Hier holt sie sich jeden Tag ihre Berufung als ,Dienerin’ der Liebe Christi, als einfache und mutige Magd des Evangeliums der Versöhnung. Meine Lieben, die Kirche ist der einzige Hintergrund unseres Dienens: In ihr wird durch das Blut Jesu, unseres wahren Friedens, jeder menschliche Konflikt an seiner Wurzel geheilt. Bringt also voll Vertrauen die Freude und Hoffnung, die Trauer und Angst der euch anvertrauten Gemeinden zu diesem Altar. Der Heilige Geist, der Jesus zur Rettung aller Menschen geheiligt hat, erneuere für euch und für eure Teilkirchen das Geschenk der Einheit und des Friedens. Beten wir in diesem Sinn auch für unsere serbisch-orthodoxen Brüder. Heute beginnt die Novene zur Vorbereitung auf das Hochfest der Unbefleckten Empfängnis: Während wir uns anschicken, die Eucharistie zu feiern, bitten wir die Mutter Gottes, immer über unseren kirchlichen Weg zu wachen. 1231 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaft der Nationen - Ziel politischer Zusammenarbeit in Europa Ansprache an den Ministerrat der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) am 30. November Exzellenzen! 1. Mit lebhafter Freude empfange ich Sie heute abend am Ende Ihres ersten Arbeitstages. Ich danke Ihnen aus ganzem Herzen, daß Sie bereit waren, zu mir zu kommen, und sich die Zeit genommen haben, einige der Sorgen des Papstes zu teilen, der mit großer Besorgnis die noch schlecht gesicherten Wege des neuen Europas verfolgt, von dem die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ein überzeugter Urheber gewesen ist. 2. Die jährliche Zusammenkunft des Rates der Außenminister der Länder, die heute die KSZE bilden, gestattet Ihnen eine Bewertung der Entwicklung dieses Kontinents mit seinen fruchtbaren kulturellen und menschlichen Kräften. Es ist aber zugleich Ihre Aufgabe, im Rahmen des Möglichen Spannungen und Konflikten zuvorzukommen und vor allem mutig die Lösung der Krisen zu versuchen, die den noch in Gang befindlichen europäischen Aufbau brüchig machen. Wenn ich Sie hier sehe, denke ich spontan daran, daß Europa „Öffnung” bedeutet! Tatsächlich wirken für die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ebenfalls Nationen mit, die zu anderen Kontinenten gehören, wie Kanada und die Vereinigten Staaten, oder auch Staaten Zentralasiens. Die KSZE ist daher der natürliche Rahmen für die Verwirklichung einer großen Gemeinschaft von Nationen, die für die übrigen Kontinente und zumal für die Länder des Mittelmeerraumes offen sind. 3. Das von der Charta von Paris 1990 gewollte neue Europa besteht weder in der Annexion eines Teils des Kontinents durch einen anderen noch im Ersatz einer ideologischen Konfrontation durch eine wirtschaftliche. Europa müßte durch die Erarbeitung gemeinsamer Projekte gekennzeichnet sein, hinter denen die Werte stehen, welche die KSZE seit 1975 beharrlich gefördert hat. Wenn Europa die Würde der Personen und der Völker in den Mittelpunkt seiner Bemühungen stellt, kann es, wie die jüngste Erfahrung zeigt, zur Beseitigung der verschiedenen Totalitarismen beitragen, die sein Antlitz allzu viele Jahre hindurch entstellt haben. 4. Gerade deswegen möchte ich Ihnen sagen, mit welchem Schmerz ich von den neuen, immer noch dramatischen Nachrichten Kenntnis nehme, die uns aus der ehemaligen jugoslawischen Föderation und zumal aus Bosnien-Herzegowina erreichen. Man darf nicht seine eigene Souveränität bekräftigen oder die eigenen Rechte beanspruchen, indem man die seiner Mitmenschen mit Füßen tritt! Man hatte gemeint, auf europäischem Boden nie wieder Krieg zu erleben. Wer hätte Vorhersagen können, daß rassistische Ansprüche und verwerfliche Nationalismen erneut ihre 1232 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schlagworte auf diesem Kontinent würden ertönen lassen? Was soll man von dem grausamen Anblick ganzer Dörfer sagen, die dem Erdboden gleichgemacht wurden, von ihrer Bevölkerung, die roh mißhandelt und verschleppt worden ist? Dies ruft mit Härte eine Vergangenheit in Erinnerung, die die Geschichte der Menschen geschändet hat! Und doch geschieht das nur wenige Kilometer von hier entfernt. Alle Welt weiß darum und sieht es. So muß die KSZE weiter ein politisches, und moralisches Urteil über den Verlauf der jugoslawischen Krise abgeben: nur so kann sie den Skandal der Gleichgültigkeit angesichts unerträglicher Ereignisse vermeiden und die Gesamtheit der Staaten verpflichten, sich bewußt zu werden, daß sie direkt betroffen sind, sobald die grundlegenden Rechte einer Person oder eines Volkes auf dem Spiele stehen. Das schlimmste Übel, das dem heutigen Europa passieren könnte, wäre das Sich-Abfmden mit dem Krieg, der Millionen von Männern und Frauen, zumal auf dem Balkan und im Kaukasus, grausam quält. Es ist möglich, dem ein Ende zu setzen, wenn man Mittel ergreift, die die Regeln des Rechtes durchsetzen. Die hochherzige humanitäre Hilfe, die der Bevölkerung von Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien und anderen Republiken der früheren Föderation Jugoslawien gewährt wird, dürfte die politisch Verantwortlichen nicht davon dispensieren, weiter nach echten Lösungen zu suchen, um dem Übermaß an Gewaltanwendung und Haß ein Ende zu setzen, die zu nichts führen und durch nichts zu rechtfertigen sind. Die KSZE hat die Aufgabe, die Voraussetzungen für eine globale und kontrollierte gemeinsame Sicherheit zu schaffen. Doch es ist bereits klar, daß es dazu niemals kommen wird, wenn man die mit Gewalt erreichten Landgewinne anerkennt, wenn die „ethnische Säuberung” - die nichts anderes als Völkermord ist - zur Methode wird oder wenn die elementarsten Regeln des Menschenrechts offen verletzt werden. In Bosnien-Herzegowina wie in Serbien oder Kroatien gibt es Frauen und Männer die den Frieden wollen; man läßt sie nicht genug zu Wort kommen. Diese Volksgruppen, welche die Geschichte daran gewöhnt hat, Prüfungen durchzustehen und sich wieder aufzurichten, besitzen menschliche und geistige Gaben; geben wir ihnen die Chance, sich im Dialog und in Verhandlungen zur Geltung zu bringen. 5. Exzellenzen, gestatten Sie mir, es noch einmal zu wiederholen, und heute vor den höchsten Verantwortungsträgem der europäischen Diplomatie, daß die Stunde gekommen ist - und wir wollen wünschen, daß es nicht bereits zu spät ist -, den Menschen und Völkern einen Hauch von Hoffnung zu geben; es ist die Stunde gekommen, die Voraussetzungen zu schaffen, daß die Prinzipien und Aufgaben, die so glücklich in Helsinki, Wien und Paris von den Teilnehmern an der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa definiert und unterschrieben wurden, wirklich von allen angewandt werden, damit sie den gleichen Wert für alle und unter allen Umständen haben. 1233 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufgrand ihrer Geschichte, ihrer geographischen Ausdehnung und ihrer großen kulturellen Verschiedenheit kann sich die KSZE nicht damit begnügen, nur ein Werkzeug unter anderen zur Wahrung des Friedens zu sein. Sie muß einen wirklichen Antrieb liefern, daß sich alle in ihr vereinten Nationen als Gemeinschaft erweisen, die jene humanistischen und moralischen Werte teilt, welche aus diesem Kontinent einen Bezugspunkt für so viele andere Völker gemacht haben. So werden sich die Völker, die Sie vertreten, noch mehr geeint und für ihre Zukunft solidarisch verantwortlich fühlen. Der Gedanke einer „Gemeinschaft von Nationen” muß Wirklichkeit werden. 6. Der Haß hat unter den Nationen nie das letzte Wort. Getrennte europäische Völker haben sich wieder vereint; gestern noch feindliche Länder arbeiten heute zusammen. Der politische Wille, das Verständnis der Geschichte und die Großmut der Herzen erlauben es, gemeinsam große Projekte der Zusammenarbeit und Entwicklung zu unternehmen. Hier muß freilich eine'Tatsache berücksichtigt werden: die Wiedergeburt von Nationen, die lange Jahre hindurch daran gehindert waren, ihren Willen kundzutun, in Freiheit zu leben und ihre Identität auszudrücken. Dennoch muß vermieden werden, daß auf eine nur durch Angst vereinte Gemeinschaft von Nationen eine durch Partikularismen gespaltene Gemeinschaft'folgt; daß eine fälschlich geeinte internationale Gemeinschaft von einer fälschlich gespaltenen Gemeinschaft abgelöst wird. Gewiß sind die berechtigten Ansprüche der Menschen und Völker auf Freiheit anzuerkennen; doch heute wie gestern müssen sich auch alle ihrer Pflichten ebenso wie ihrer Rechte bewußt sein und müssen der Solidarität den Vorrang geben für den Aufbau einer wirklichen Gemeinschaft der Nationen. 7. Auf diesem ausgedehnten Kontinent ist Platz sowohl für die großen wie für die kleinen Nationen. Jede besitzt ihre Rechte und Pflichten. Jede muß die anderen achten. Sichergestellt werden muß die Erziehung aller zur Freiheit. Die Glaubenden, und vor allem die katholische Kirche, möchten dazu beitragen durch Gewissensbildung, zumal der Jugendlichen, und durch das Bestehen auf der. gebieterischen Notwendigkeit der Versöhnung unter den Völkern - mit einem Wort, sie möchten die moralischen und religiösen Werte fördern, auf denen die Fundamente des gemeinsamen Hauses Europa solide ruhen können. Diese Aufgabe möchte die katholische Kirche voranbringen in enger Zusammenarbeit mit den übrigen christlichen Gemeinschaften und den Gläubigen aus anderen Traditionen. Es geht darum, das gesamte geistige Geflecht Europas wieder zusammenzüfügen. Exzellenzen, ich vertraue Ihrer Reflexion diese wenigen Gedanken an, die mir die europäische Geschichte von gestern und heute nahelegen. Ich bete zu Gott, daß er jedem von Ihnen die Tugenden und den Mut einflößt, die für alle jene unerläßlich sind, deren Aufgabe nicht nur darin besteht, ihre Mitmenschen zu führen, sondern auch darin, in ihnen genügend Begeisterung zu wecken, daß sie sich auf dem Weg des Friedens einsetzen. Sie haben in gewisser Weise eine prophetische Sendung! 1234 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gestatten Sie mir, von diesem vatikanischen Hügel aus Sie an die Worte des heiligen Paulus, des Völkerapostels, zu erinnern: „Laßt uns nach dem streben, was zum Frieden und zum Aufbau der Gemeinde beiträgt” (Röm 14,19). Möge der allmächtige Gott Europa segnen! Möge er ihm die Gnade schenken, der Welt ein Beispiel der Eintracht und der Solidarität zu bieten! Zur Aufgabe, Rolle und Würde der Frau in Kirche und Gesellschaft Ansprache an die Teilnehmer des Nationalkongresses zum Thema „Frau, Neuevangelisierung und Humanisierung des Lebens” am 4. Dezember Herr Kardinal, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt und Priestertum, liebe Schwestern! 1. Mit tiefer Freude heiße ich euch in dieser Audienz willkommen bei Gelegenheit des Nationalkongresses unter der Schirmherrschaft der bischöflichen Kommission der Italienischen Bischofskonferenz (CEI) für Arbeit und soziale Probleme, der zum 5. Jahrestag des Apostolischen Schreibens Mulieris dignitatem über die Würde und Berufung der Frau das Thema behandelt: „Frau, Neuevangelisierung und Humanisierung des Lebens.” Besonders dankbar bin ich dem Präsidenten der CEI, Kardinal Camillo Ruini, dem Generalsekretär, Msgr. Dionigi Tettamanzi, und dem Präsidenten der bischöflichen Kommission, Msgr. Santo Quadri, die bei dieser Gelegenheit die Initiative zum Nachdenken über ein Dokument ergriffen haben, das ein dringender Aufruf sein wollte und heute noch ist, die ganze Wahrheit über die Frau und zumal ihre unerläßliche Aufgabe beim Aufbau der Kirche und bei der Entwicklung der Gesellschaft zu vertiefen. Dankbar bin ich ferner der Präsidentin des italienischen Zentrums für Frauen, Dr. Maria Chiaia, die als Ausdruck des Empfindens der Anwesenden das gemeinsame Empfinden aufrichtiger und tatkräftiger Treue gegenüber dem Nachfolger des Petrus bekräftigt hat. 2. In Mulieris dignitatem habe ich zwischen der anfänglichen Sichtweise auf die Erschaffung des Mannes und der Frau „nach Gottes Bild und Gleichnis”, wie sie in der Genesis beschrieben wird, und der endzeitlichen Sichtweise auf den Bräutigam und die Braut, wie sie in der Geheimen Offenbarung geschildert werden, die Szenen des Evangeliums gestellt, wo Jesus den Frauen begegnet, und aus der Lehre des Meisters die Wahrheit des Planes Gottes von der Frau erhoben, um daraus die notwendigen Folgerungen für die spezifischen Aufgaben der Frau, ihre Rolle und ihre Würde abzuleiten. 1235 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Sendung, die in diesem weisen Plan der Frau anvertraut wird, wurzelt in der Tiefe ihres personalen Seins, die sie an Würde zwar dem Mann gleichstellt, sie aber auch von ihm durch die spezifischen Reichtümer des Frauseins unterscheidet: Die Frau „stellt (nämlich) einen Eigenwert dar als menschliche Person und gleichzeitig als jene konkrete Person in ihrem Frausein unabhängig von dem kulturellen Rahmen, in dem jede sich befindet, und unabhängig von ihren geistigen, psychischen und körperlichen Merkmalen, wie zum Beispiel Alter, Bildung, Gesundheit, Arbeit, verheiratet oder ledig” (Mulieris dignitatem, Nr. 29). Bei eurer Begegnung habt ihr passend auf jenen Abschnitt aus Mulieris dignitatem zurückgegriffen, wo es heißt, daß „Gott ihr den Menschen anvertraut” (ebd., Nr. 30). Das Schreiben möchte gewiß nicht den Menschen von seiner Verantwortung befreien, es betont aber jene Verantwortlichkeiten, die sich für die Frau aus den besonderen Gaben ergeben, deren Trägerin sie ist, vor allem aus ihrer besonderen Berufung, sich selbst in Liebe hinzugeben. „Die Würde der Frau ist eng verbunden mit der Liebe, die sie gerade in ihrer Fraulichkeit empfängt, und ebenso mit der Liebe, die sie ihrerseits schenkt... Die Frau kann sich nicht selbst finden, wenn sie nicht den anderen ihre Liebe schenkt” (ebd., Nr. 30). 3. Die Botschaft des Evangeliums von der Würde und Berufung der Frau begegnet heute einem neuen kulturellen Empfindungsvermögen, das auch außerhalb des Glaubenshorizontes mit Recht den Wert des Frauseins neu entdeckt hat und in steigendem Maße unannehmbaren Diskriminierungen Gerechtigkeit widerfahren läßt sowie auf alte und neue, offene und verborgene Formen der Gewaltanwendung gegenüber Frauen reagiert, von denen die Geschichte aller Zeiten bis in unsere Tage hinein reichlich Zeugnis gibt. Doch neben dieser positiven Tatsache steht die zu Besorgnis Anlaß gebende Szene der geistigen Verkümmerung und der Kulturkrise, die den heutigen Menschen erfaßt hat und unweigerlich ihre gefahrvollen Auswirkungen auch auf ein echtes und ausgewogenes Verständnis der Rolle und Sendung der Frau haben muß. Es geht um eine Verlorenheit und Krise persönlichen und sozialen Charakters, die den Menschen der Gefahr aussetzen, den Weg der ethischen Gleichgültigkeit, der hedonistischen Betäubung und der manchmal aggressiven Selbstbestätigung zu beschreiten, der jedenfalls von der Logik echter Liebe und Solidarität weit entfernt ist. Angesichts einer derart Besorgnis erregenden Situation kann man die Dringlichkeit und Aktualität einer neuen Evangelisierung gut verstehen, die den Männern und Frauen unserer Zeit die Liebe verkündet, die Gott uns in Christus geoffenbart hat, und sie der zärtlichen Liebe versichert, mit der er ständig unseren Weg begleitet. Es ist also eine Verkündigung der Freude und Hoffnung, die das bedrückende Empfinden des Alleinseins, zu dem oft das Fehlen von Sicherheit, die vielfältige Gesamtheit des modernen Lebens und die Angst vor der Zukunft hinzukommen, herausreißt. Es ist aber zugleich eine anspruchsvolle Verkündigung, die zur hochherzigen Annahme des Planes und der Einladung Gottes ermuntert und nicht zögert, die „Wahrheit über 1236 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Menschen” in ihrer Ganzheit auszurichten, wie sie sich im Licht der Vernunft ergibt, voll aber von Dem offenbart wurde, der „Weg, Wahrheit und Leben” für die Menschen ist (vgl. Joh 14,6). Den Teilnehmern an der Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa habe ich gesagt: „Die Evangelisierung ist immer der Weg gemäß dieser Wahrheit. In der heutigen Stunde der Geschichte aber muß die Evangelisierung als eigene Aufgabe diese Wahrheit vom Menschen aufgreifen und alle verschiedenen Formen anthropologischer Verkürzung überwinden” (vgl. Insegnamenti, XIV, 2, S. 1375). Im apostolischen Schreiben dagegen wollte ich einen der bedeutendsten Punkte der neuen Evangelisierung entfalten: die theoretische und praktische Bekräftigung der Würde und Berufung der Frau gegenüber jeder anthropologischen Verkürzung oder Verdrehung. 4. Die Frauen unserer Zeit können sich selbst bis auf den Grund wiederfinden sowie ihre Würde und Berufung wahren, wenn sie auf Christus hören, „die Synthese von Wahrheit, Freiheit und Gemeinschaft” (Schlußerklärung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa, 4). Aus dieser lebendigen „Synthese” hat das bedeutsame intellektuelle, ethische und geistliche Forschen zahlreicher Männer und Frauen im Verlauf der Jahrhunderte Anregung geschöpft. Sie haben das Evangelium meditiert und sind zu Ergebnissen gelangt, die in ihrem Reichtum, wenn man ihn sachlich und ohne ideologische Zwänge auf sich wirken läßt, auch im Licht der rechten Einsicht, die dem Lehramt der Kirche zukommt, einen bedeutenden Beitrag zur Wiederentdeckung der fraulichen Gaben im Raum der Kirche und in dem des Sozialen leisten können. Es geht um eine Reflexion, die, soll sie fruchtbar sein, nie den Kontakt mit dem verlieren darf, was Jesus während seines irdischen Lebens getan und gesagt hat. Er spiegelt in seinem Verhalten gegenüber den Frauen, denen er auf dem Weg seines messianischen Dienstes begegnet, den ewigen Plan Gottes wider, der eine jede von ihnen geschaffen hat, sie auserwählt, sie hebt und ihr eine besondere Sendung anvertraut. Auf eine jede von ihnen ist nicht weniger wie auf jeden Mann die tiefe Wahrheit anzuwenden, an die uns das Konzil bei der menschlichen Person erinnert hat. Sie ist „das einzige Geschöpf auf Erden, das Gott um seiner selbst willen gewollt hat” (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24). Jede erbt von Anfang an die ihr als Frau eigene Personwürde. Jesus bekräftigt diese Würde, erneuert sie und macht daraus ein Stück seiner Erlösungsbotschaft. 5. Jedes Wort, jede Geste Christi gegenüber einer Frau müssen ferner im Horizont des Geheimnisses seines Todes und seiner Auferstehung gesehen werden. Die Begegnung mit der Ostergnade des Auferstandenen gestattet den Frauen die Erfahrung und Verkündigung des Wertes der Gemeinschaft, ja die Förderung der Kultur der Gemeinschaft, die der Mensch unserer Zeit äußerst dringend braucht. Diese Kultur „entsteht nur dann, wenn ein jeder die dem Nächsten eigene Würde und die Unterschiede als Reichtum wahmimmt, ihm dieselbe Würde ohne Gleich- 1237 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN macherei zuerkennt und bereit ist, die eigenen Fähigkeiten und Gaben mitzuteilen” {Schlußerklärung, 4). ■ , Dazu ist dringend notwendig, wie ich im apostolischen Schreiben Christifideles laici betont habe, „eine sorgsame und tiefergehende Untersuchung der anthropologischen Fundierung des Frauseins und des Mannseins” zu entwickeln, wobei man zu versuchen hat, „die personale Identität der Frau in ihrer Beziehung, Verschiedenheit und Komplementarität zum Mann zu präzisieren* und das nicht nur im Hinblick auf die Rolle, die sie übernehmen, und die Aufgaben, die sie erfüllen soll, sondern auch und tiefer noch im Hinblick auf ihre Struktur und auf ihre personale Bedeutung” {ebd., Nr. 50). Auf dieser Grundlage wird es dann möglich sein, von der theoretischen Anerkennung der aktiven und verantwortlichen Präsenz der Frau in der Kirche zu konkreten Taten überzugehen (vgl. ebd., Nm. 51.52). 6. Zur Durchführung der dringenden Aufgabe der neuen Evangelisierung braucht die Kirche christliche Frauen, ihren Missionseifer, sie braucht ihr „Prophetentum”, um den modernen Menschen dem auferstandenen Herrn, dem Lebendigen, begegnen zu lassen. Liebe Schwestern, die Kirche ruft und sendet euch, das Evangelium vom Leben zu verkünden; sie sendet euch, allen zu verkünden, daß das Leben ein Geschenk ist, das wir immer in Liebe annehmen, hüten und mit Achtung hegen müssen; es ist ein Geheimnis, dem wir immer mit religiösem Sinn und dankbarem Staunen begegnen müssen. Die besondere Rolle der Frau bei der Weitergabe des Lebens muß als Grundlage des besonderen Einfühlungsvermögens der Frau gegenüber dem Leben und dem Wachstum des Menschen betrachtet werden. Mit dieser Rolle ist zugleich klare ethische Verantwortung verbunden. Angesichts der Herausforderungen unserer Zeit, die mit Zärtlichkeit so geizig und andererseits so von Spannungen erfüllt ist, wird dringlicher denn je, „daß jener Genius der Frau zutage tretender die Sensibilität für den Menschen, eben weil er Mensch ist, unter allen Umständen sicherstellt” (Mulieris dignitatem, Nr. 30). 7. Seid also Missionarinnen des Evangeliums vom Leben, damit die soziale, wirtschaftliche und politische Kultur unserer Zeit ihre eigene ethische Dimension gewinnt (vgl. CL, 51). Die Erarbeitung einer anders gearteten Kultur des Menschen und des sozialen Zusammenlebens ist eine große Aufgabe, die entschlossen und mutig angegangen werden muß. Diese Aufgabe stellt sich mit neuem Nachdruck infolge der Erkenntnis der Unfähigkeit der modernen Ideologien, die Kraft aufzubringen, das soziale Zusammenleben im Zeichen der Würde und Berufung des Menschen aufzubauen. Dieses „Prophetentum” paßt vor allem zur Frau, die heute aufgerufen ist, eine andere Kultur des Menschen und seiner Stadt zu erarbeiten. Angesichts dieser gewaltigen Aufgaben, zu denen euch die Vorsehung des Herrn beruft, stellt sich euch Maria als ständiges Beispiel des ganzen Reichtums des Frauseins, der besonderen Ursprünglichkeit der Frau, so wie Gott sie gewollt hat, dar. Laßt euch von ihr anregen und führen. 1238 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesem Wunsch erteile ich euch aus ganzem Herzen meinen Segen, in den ich gern alle Frauen Italiens einschließe. Maria, komm und mach alles neu! Gebet vor der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am 8. Dezember 1. Unbefleckte Mutter, Heil des römischen Volkes! Du bist die Morgenröte des neuen Lebens in der ganzen Schöpfung und deshalb ruft das christliche Volk dich schon immer als „Morgenstern” an. Wenn man den Himmel über Rom besonders im Monat Dezember in der Zeit betrachtet, wo die Nacht dem Tag weicht, erblicken wir zuerst die Morgendämmerung, die von dir spricht. Die Morgendämmerung ist dein Kennzeichen geworden im Gedächtnis und in der Vorstellung der Glaubenden, hier in Rom und an so vielen anderen Orten der Erde. Du bist der Morgenstern, der Stern der „alten” und der „neuen” Evangelisierung, der zuerst hierher nach Rom gelangte und dann nach Norden, nach Osten und nach Westen zog. 2. Als wir in diesem Jahr die baltischen Länder besuchten, dachten wir an jene Orte, zu denen am Anfang dieses Jahrtausends die Verkündigung des Evangeliums gelangte und sich dann mit dem Evangelisierungsstrom aus Konstantinopel zusammentraf. Während wir dann die Vereinigten Staaten, Yukatan in Mexiko und die Karibischen Inseln besuchten, dankten wir Gott für das Licht des Evangeliums, das den Atlantik überquert hatte. Im Norden und im Süden dieses großen Kontinents hat uns der Stern der Evangelisierung geführt. Du hast uns geführt, Unbefleckte Jungfrau, gegenwärtiges Zeichen der Hoffnung inmitten des christlichen Volkes von Amerika. Heute auf dem Spanischen Platz denken wir an all das voll Dankbarkeit gegenüber deinem Sohn, gegenüber dir, Heil des römischen Volkes. 3. Unbefleckte Mutter der neuen Schöpfung! Du bis als erste von deinem Sohn erlöst worden, um mit uns den Pilgerweg des Glaubens bis zum Kreuz auf Golgota zu gehen. Du, die erste und vollkommene Zeugin des ganzen göttlichen Geheimnisses der Erlösung und der Erneuerung des Menschen und der Welt, wende heute deine Augen uns zu. Wende deine Augen auf diese Stadt, die das große Erbe der Apostel in sich birgt. Schau auf Rom, das heute vor nicht wenige und nicht leichte soziale und verwaltungstechnische Probleme gestellt ist. 1239 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rom möchte die Ordnung der Gerechtigkeit und des Friedens unter diesem Volk festigen, das dein ist, o Heil des römischen Volkes. Sitz der Weisheit, schau auf uns; wir sind gekommen, um dir Erwartungen vorzutragen und um deine Fürsprache zu bitten. Schau auf Italien, das unter denselben sozialen Schwierigkeiten wie die Ewige Stadt leidet und Wege einer gerechten und solidarischen Erneuerung sucht. 4. Schau auf das Europa vom Atlantik bis zum Ural, auf diesen Kontinent, der seit einigen Jahren gleichsam neu ist, aber in sich das Erbe der alten Spaltungen trägt. Schau auf die Balkanländer, wo der Bruderkrieg immer noch andauert. Schau auf die weiten russischen Steppen Osteuropas. Komm, Mutter von Kazan, Mutter von Czemichov, Mutter von Vladimir, als Pilgerin unter die Nationen, die das Volk sind, das dich liebt. Schau auf uns! Komm als Pilgerin zu uns vom Osten zum Westen. Von den slawischen Ländern, von dem Tor der Morgenröte in Vilnius, von Aglona nach Siluva und Tschenstochau, quer über das germanische Erbe nach Frankreich, Spanien und Portugal. Mutter von Lourdes und von La Salette, Mutter von Covadonga und Pilar, von Kevelaer und Altötting, von Mariazell und von Einsiedeln. Bleibe bei uns, während das zweite Jahrtausend nach der Geburt des Wortes des Allerhöchsten in der Nacht von Betlehem dem Ende zugeht. Bleibe bei uns, während wir uns bemühen, den Abstand zu verringern, der im Laufe der Jahrhunderte die Frucht der von Rom ausgegangenen Evangelisierung und das christliche Erbe von Griechenland und Byzanz getrennt hat. Schau auf uns, die wir uns sorgen um die Gerechtigkeit und den Frieden entlang der Küsten des Mittelmeers, insbesondere im mittleren Osten, von Israel über die arabischen Länder bis zum schwergeprüften Libanon. 5. Blick auf uns, Christen, und hilf uns, die Einheit auf der ganzen Erde besonders auf dem alten Kontinent wiederzufinden, dem Schmelztiegel alter Zivilisationen, wo Petrus und Paulus ihr Apostolat begannen, nachdem sie von Jerusalem über Antiochien gekommen waren. Schau mit uns auf das Afrika des hl. Augustinus, einst eine blühende Oase des Evangeliums. Hilf uns beim Dialog mit den Glaubenden an den einen Gott, die heute diese Länder bewohnen. Schau mit uns auf Schwarzafrika, das auf vielen Wegen zu Christus geht und sich jetzt auf die Feier der Sondersynode für Afrika vorbereitet. 6. Blick mit uns in den Femen Osten, auf die Philippinen, wo der nächste Weltjugendtag stattfinden wird, nach Ozeanien, Australien und Neuseeland. 1240 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schau mit uns auf den riesigen asiatischen Erdteil, wo Christus noch wenig bekannt ist und wo wir die Begegnung mit den Brüdern und Schwestern suchen, die Anhänger des alten Erbes des Buddhismus, des Hinduismus, des Taoismus, des Shintois-mus und des Konfuzanismus sind. Mutter, glaubst du vielleicht, daß diese Völker dich nicht kennen und nichts von dir wissen? Mögen auch sie in dir den Morgenstern sehen! Sei auch ihnen das Licht der Verkündigung der Herrlichkeit Christi, dem sie noch nicht begegnet sind, der aber am Horizont ihres Suchens und Strebens steht. 7. Maria, laß uns an deiner Wallfahrt durch die Länder von Mittel- und Südamerika teilnehmen, wo du so gut bekannt bist und so sehr geliebt wirst. Von Guadalupe in Mexiko zur Aparecida in Brasilien; von Lujän in Argentinien zur Caridad del Cobre in Cuba; von Coromoto in Venezuela nach Cepacabana in Bolivien und zu vielen anderen Orten. Laß uns deinem Pilgerweg durch Nordamerika zu folgen: nach Kanada, in das Land, das dir besonders treu ist; in die Vereinigten Staaten, deren Patronin du, Unbefleckte Jungfrau, bist! Dank deiner Gegenwart bleibt die Kirche immer jung und verjüngt sich immer von neuem. Wie könnte ich nicht an das wunderbare Erlebnis des Jugendwelttages in Denver denken? Maria, sei mit uns Pilgerin auf den Straßen der Welt und noch mehr von Generation zu Generation. Dank den jungen Menschen ist die Kirche jung, und sie wird es immer von neuem. Das ist für uns besonders augenscheinlich nach den Erfahrungen von Rom, von Buenos Aires, von Santiago de Compostela, von Jasna Gora und von Denver. 8. Und am Ende unserer Wallfahrt durch die Kontinente, Länder und Generationen kehren wir hier zum Spanischen Platz zurück, wo du sichtbar bleibst unter dem gläubigen Volk der Ewigen Stadt! Neben Gott, „Pater constitutionis omnium”, „dem Vater, der nach den schönen Worten des hl. Anselm „alles ins Dasein gerufen hat”, bist du die „Mater restitutio-nis omnium”, die „Mutter, die alles neu macht”. Auf dich richtet sich der Blick des Glaubens und der Hoffnung. Du bist nach Christus unsere größte Liebe. Du erlaubst uns, durch alle Erfahrungen hindurch zum neuen Anfang zu gelangen. Und du erwartest uns jenseits der Schwelle des neuen Jahrtausends, damit Christus „derselbe gestern, heute und in Ewigkeit” ist! (Hebr 13,8). 1241 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschenwürde und Religionsfreiheit Ansprache an die Teilnehmer des IX. internationalen juristischen Kolloquiums veranstaltet vom „Institut beider Rechte” an der Päpstlichen Lateranuniversität am 11. Dezember Hochwürdigster P. Rektor, geehrte Professoren, meine Damen und Herren! 1. Ich freue mich darüber, daß ihr das IX. internationale juristische Kolloquium, das vom „Institut beider Rechte” an der Päpstlichen Lateranuniversität veranstaltet wurde, mit dieser Begegnung abschließen wolltet. Eure Anwesenheit bestärkt die Zuwendung zur Kathedra des Petrus und eure Treue zu seinem Lehramt. Diese kennzeichnen die lange Tradition dieser Institution des Heiligen Stuhles, die Juristen beider Rechte, dem der Kirche und dem der bürgerlichen Gesellschaft, in einer Ausrichtung heranbilden soll, die zugleich historisch und modern ist. Euch allen gilt mein herzlicher,Gruß. Lebhaften Dank spreche ich P. Umberto Betti OFM, dem Rector magnificus der Lateranuniversität aus, der mir so herzlich die Empfindungen und guten Wünsche von euch allen zum Ausdruck gebracht hat. Dankbar denke ich auch an die Dekane der Fakultäten für kirchliches und ziviles Recht, die Professoren Domingo Andres Gutierrez und Gian Luigi Falchi, die dieses Kolloquium organisiert und geleitethaben. 2. Bei den Arbeiten des Kongresses habt ihr den aktuellen Wert der römisch-kanonischen Verwurzelung jenes Rechtes in Erinnerung gerufen, welches die christlichen Gemeinschaften des östlichen Mittelmeerraumes kennzeichnet. Zeugnis dafür ist die zahlreiche Präsenz von Gelehrten aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen, die fachkundig und eifrig ihren Beitrag zur Vertiefung des Themas geleistet haben. Bekanntlich hat das Christentum von seinen Ursprüngen an einen gesunden laizistischen Charakter der Strukturen der bürgerlichen Gesellschaft anerkannt und der grundlegenden Unterscheidung zwischen zeitlicher und geistlicher Ordnung zugestimmt. Aus dieser Haltung hat sich seit dem Toleranzedikt auch die Anerkennung der Religionsfreiheit ergeben. Das Bewußtsein vom Unterschied zwischen den Aufgaben des Staates und der Sendung der Kirche, das Evangelium zu verkünden, hat es den christlichen Gemeinschaften im Orient erlaubt, ihre spezifische Identität im Verlauf der Jahrhunderte zu wahren. Erhalten blieb die Autonomie des Eigenrechtes, das sich bereits seit der Zeit der ersten Konzilien gebildet hatte und nach der juristischen Tradition von Byzanz strukturiert war. Es maß den lokalen Rechtsordnungen neuen und nachdrücklicheren Wert zu. Diese Besonderheit blieb bis in unsere Tage trotz des historischen, religiösen und politischen Auf und Ab erhalten, das diese Gebiete zumal seit dem siebten Jahrhundert erfaßt hat. Zeugnis dafür sind die vielfältigen Riten, die das li- 1242 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN turgische Leben der verschiedenen christlichen Gemeinschaften dieses Kulturrrau-mes kennzeichnen und sich auf die kirchliche Disziplin ebenso wie auf das Familien- und Eherecht ausgewirkt haben. Eure Arbeiten haben herausgestellt, daß die christlichen Gemeinschaften, die im Glauben und im Festhalten an den eigenen Überheferungen und die eigene Kultur treu gebheben sind, auch mit sehr schwierigen Verhältnissen fertig wurden und das Verschwinden pohtischer Mächte oder auch die Abfolge verschiedener Regierungsformen überdauert haben. Auch angesichts erheblicher Störungen waren die Christen des östhchen Mittelmeerraumes immer loyal bereit, das Zusammenleben der unterschiedlichen sozialen, kulturellen und religiösen Gruppen in der Bevölkerung zu fördern: Beispiele dafür bilden die Übersetzungen der alten Gesetzestexte aus der byzantinischen Zeit oder weiter ausgreifend der Versuch, das römische Recht mit anderen Juristischen Traditionen bei Erbregelungen, Nachfolge- und Prozeßfragen zu verbinden. Die einzige Tendenz, die bei veränderten Zeiten und Verhältnissen unverändert bheb, ist der nachdrückliche Schutz der grundlegenden Verfügungen des Ehe- und Familienreehtes, ferner der Normen für die Organisation der Kirche. Wir stellen also den bewußten Schutz der Familie als Urzelle der Gesellschaft fest und den der Kirche als Gemeinschaft des Heiles. 3. Aus der Geschichte ziehen wir also die Lehre, daß jede Gemeinschaft das natürliche und vorrangige Recht hat, kollektiv und in organisierter Form der eigenen religiösen Dimension in ihren verschiedenen Aspekten, nachzuleben. Das Recht auf Religionsfreiheit ist tatsächlich jenes Recht, das an der Wurzel aller anderen Rechte und jeder weiteren Freiheit steht, weil es in der Würde des Menschenwesens begründet ist. Der Mensch ist nämlich seiner Natur nach ein soziales Wesen und braucht Beziehungen zu den anderen um seine eigenen Gaben voll entfalten zu können (vgl. Gaudium et spes, Nr. 12). Dieses besondere Verhältnis des Menschen zu seinem Schöpfer gestattet ihm, sich in seiner geistigen und rationalen Natur voll zu verwirklichen; das heißt, Teil jener natürlichen Ordnung zu sein, deren Autonomie die christliche Offenbarung anerkannt hat. So sagt auch der heilige Thomas: „Das göttliche Recht, das aus der Gnade stammt, hebt das menschliche Recht nicht auf, das aus der natürlichen Vernunft stammt” (Summa theologica. II-II, q 10, a. 10). Im gereiften Bewußtsein dieser Wirklichkeit betonen auch heute noch die christlichen Gemeinschaften des östhchen Mittelmeerraumes ihre eigene Autonomie. Obwohl sie in einem Gebiet leben, wo Gesellschaftsentwürfe bestehen, die von unterschiedlichen religiösen Glaubensauffassungen ausgehen, sind sie sich bewußt, daß die Würde des Menschen eine einzige, unteilbar und unwiederholbar ist und als solche mit fester Entschlossenheit geachtet und garantiert werden muß. Die Kirche hat ihrerseits immer betont, daß beim Einsatz für die Bereicherung des Gemeinwohls einer zivilen Gesellschaft das Mitwirken aller notwendig ist, die einen Teil von ihr bilden, auch wenn sie nach unterschiedlichen Glaubensauffassungen 1243 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN leben. Die Zugehörigkeit zu einer Religion kann niemals einen Grund zur Diskriminierung bieten; und niemand darf sich im eigenen Land bloß als Gast fühlen dürfen. In diese Sichtweise gehören auch die Abmachungen, die der Heilige Stuhl mit einigen Ländern des östlichen Mittelmeerraumes getroffen hat, um die volle Achtung vor der Identität der Christengemeinden und der Autonomie der Sendung der Kirche sicherzustellen, die in diesen Ländern lebt und wirkt. Für die Christen, die in solchen Verhältnissen leben, sind infolge der tiefreichenden sozialen Wandlungen die nur traditionell anerkannten Garantien ungenügend geworden, denn sie betreffen nur persönliche Situationen oder Aspekte individueller Gottesverehrung. Die Religionsfreiheit darf sich nämlich nicht auf die Freiheit des Kultes beschränken, zu ihr gehört auch das Recht auf Nicht-Diskriminierung bei Ausübung der übrigen Rechte und der Freiheit, die zu jeder menschlichen Person gehört, ob man sie nun individuell oder in eine Gemeinschaft eingefiigt betrachtet. Diese Sicht wurde mit Nachdruck auch kürzlich noch auf internationaler Ebene bekräftigt, und die Staaten wurden daraufhin aufgefordert, eventuell gegenteilige Verordnungen in ihrem Inneren zu ändern (vgl. UNO-Komitee für Menschenrechte, allgemeine Bemerkung Nr. 22(48), art 18, Doc. CCPR/C/CRP. I/Add.26, 22. Juli 1993). 4. Zu bemerken ist, daß in einigen Ländern die Ausübung der Religionsfreiheit den Angehörigen der Religion der Mehrheit zugestanden wird, die übrigen Bürger anderen Glaubens sie aber nur mit vielen Einschränkungen ausüben dürfen. Eine reife Auffassung des Staates und seiner rechtlichen Ordnung, die sich nach dem richtet, was das allgemeine Bewußtsein der Menschheit in den Normen für die internationale Gemeinschaft zum Ausdruck gebracht hat, erfordert das Bemühen, eine gleiche Behandlung für jede Person sicherzustellen, unabhängig von ihrer ethnischen, sprachlichen, kulturellen und religiösen Herkunft (vgl. Ansprache in der „Freundschaftshalle” in Khartoum: O.R.dt., 11. Febr. 1993). Daher besitzen die Christen des östlichen Mittelmeerraumes trotz ihres Status als Minderheit das Recht auf Achtung ihrer Identität auch in rechtlicher Hinsicht, und dies darf nicht als Zugeständnis, und auch nicht als Ergebnis äußerer Eingriffe betrachtet werden. Eine wirksame Gegenseitigkeit schließt heute notwendig die Achtung der Normen ein, die auf internationaler Ebene zu den Rechten der menschlichen Person aufgestellt worden sind, und sie darf nicht länger auf dem Vorzugs wege aufgrund besonderer Abmachungen zwischen den Staaten verwiesen bleiben, wie es im Verlauf der Geschichte der Fall war. Die aufrichtigen Bemühungen der Menschen, die an Gott glauben, sind verbunden mit der gegenseitigen Abhängigkeit der Interessen, Situationen und Kulturen, eine wirksame Garantie für die Beendigung von Diskriminierungen und Einschränkungen sowie für die Förderung eines im Klima der Toleranz erfolgenden Dialogs, der zugleich interreligiös und interkulturell ist. So kann immer besser auch den Christen des östlichen Mittelmeerraumes eine Zukunft gesichert werden, die ihre besondere Identität wahrt sowie die menschliche Person und ihre grundlegenden Rechte achtet. 1244 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesem Wunsch, geehrte Professoren und hebe Brüder, erbitte ich inständig den Segen des Allmächtigen für eure wichtige Arbeit als Forscher und Dozenten und reiche Gnaden für die Tätigkeit des „Institutes beider Rechte”. Zeugnisse der Väter verbinden Ost und West Ansprache an das Päpstliche Institut für die Ostkirchen am 12. Dezember 1. Ich hatte den lebhaften Wunsch, liebe Brüder, die ihr die Gemeinschaft des Päpstlichen Instituts für die Ostkirchen bildet, zum Abschluß der Feier des fünfund-siebzigjährigen Bestehens dieses angesehenen akademischen Instituts unter euch zu weilen. Von meinem Vorgänger Benedikt XV. als „Stätte höherer Studien über die Ostkirchen” gegründet (Motu Proprio Orientis catholici: AAS9[1917]531-532), sollte es nach seinem Willen sowohl für die Christen der lateinischen Kirche bestimmt sein, die ihren Dienst bei den Ostkirchen ausüben wollten, als auch für die Ostchristen selbst, die Katholiken und die Orthodoxen. Er bezeichnete auch die Lehrmethode, die am Institut befolgt werden sollte, nämlich: jeweils parallele Darlegung der katholischen und der orthodoxen Lehre. 2. Mein Gruß gilt, wie dem Kardinalstaatssekretär, so vor allem dem Großkanzler, Kardinal Achille Silvestrini, dem ich meine besten Wünsche für den vollen Erfolg bei seiner neuen Aufgabe ausspreche. Ich grüße auch Kardinal Lourdusamy, seinen Vorgänger. Und für die bisher mit so viel Hingabe und Fachkenntnis geleistete Arbeit möchte ich meine Anerkennung auch Kardinal Pio Laghi, Präfekt der Kongregation für das Katholische Bildungswesen, aussprechen und in seiner Person allen Präfekten des gleichen Dikasteriums, die vor ihm die gleiche Aufgabe am Orientalischen Institut erfüllt haben. Große Dankbarkeit möchte ich ferner dem hochwürdigsten Pater Peter-Hans Kolvenbach, Generaloberer der Gesellschaft Jesu und Vizekanzler des Institutes, aussprechen und durch ihn der ganzen Gesellschaft Jesu, die das Institut für die Ostkirchen mit so viel Liebe leitet. Dank sei sodann dem Rektor, den Dozenten und dem nicht im Lehrdienst beschäftigten Personal. Ein herzlicher besonderer Gruß soll endlich den katholischen und orthodoxen Schülern, den Studenten und Studentinnen gelten, die aus diesem Institut eine Gemeinschaft des Lebens und des Denkens machen und die Grundlagen für eine Zukunft legen, die die Christen aus Ost und West immer mehr im Dienst an der heilbringenden Wahrheit vereint sehen soll. 3. In diesen 75 Jahren haben sie mit ganzer Hingabe einen langen Abschnitt auf dem Weg des gegenseitigen Kennenlemens zurückgelegt und im Hören auf den Heiligen Geist, der Gemeinschaft bewirkt, wichtige Schritte auf den einen Meister und Herrn hin getan, der sie unablässig zur Einheit ruft, „damit die Welt glaubt” (Joh 17,21), Dieses Instimt hat durch streng wissenschaftliche Vertiefung in das ostkirchliche Erbe nicht wenig zum ökumenischen Weg beigetragen. Zugleich hat gerade der 1245 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fortschritt im Ökumenismus mitgeholfen, das Institut in seiner Ausrichtung und Arbeitsweise auf den heutigen Stand zu bringen und zu vervollständigen; Wir dürfen nicht vergessen, daß ein Päpstliches Institut sich nicht damit begnügt, zur Vertiefung der Kenntnis beizutragen. Es bildet vielmehr ein kostbares Werkzeug im Dienst der Kirche, um neue Ziele aufzuzeigen und durch eine vertiefte Ausbildung diese Ziele so zu verfolgen, daß sie wirklich erreicht werden. 4. Das Päpstliche Institut für die Ostkirchen ist also innerhalb der katholischen Kirche ein Ort, wo neue Horizonte eröffnet werden. Aber wie sieht die Landschaft aus, die sich heute in der Geographie des Ökumenismus abzeichnet? Was zeigt sich dem Wächter, der nach dem Wort des Ezechiel (vgl. Ez 33,1-9) dazu berufen ist, das Volk zu mahnen? Es zeigt sich vor allem ein großes Sehnen nach Einheit: In der Gnaderiökonomie hat Gott seine vielfältigen Gaben und Charismen „wie er will” (1 Kor 12,11) ausgeteilt und teilt sie weiter in verschiedenen Weisen und Maßen aus. Dies tut er „zum gemeinsamen Nutzen”, (ebd. 12,7), damit alle den anderen die eigenen Gaben mitteilen und von den anderen deren Gaben erhalten. Alle Gaben, die von Christus und seinem Geist herkommen, stehen in einer inneren Verbindung mit der einen Kirche und streben auf sie hin. In dem Maße also, wie man diesen Gaben treu ist, trägt man zugleich real, wenn auch nicht sichtbar, zur Einheit bei. Die katholische Kirche kann sich also angesichts der in den anderen Kirchen vorhandenen Gaben nur freuen. Wir dürfen nicht die Lehre des Konzils vergessen; es betont, daß „von der einen und von der anderen Seite bestimmte Aspekte des offenbarten Mysteriums manchmal besser verstanden und deutlicher ins Licht gestellt wurden, und zwar so, daß man bei jenen verschiedenartigen theologischen Formeln oft mehr von einer gegenseitigen Ergänzung als von einer Gegensätzlichkeit sprechen muß” (Unitatis redinte-gratio, Nr. 17). Bei unterschiedlichen theologischen Auffassungen muß man sich also fragen, immer unter Berücksichtigung der Autorität einer bestimmten Lehre oder Äußerung des Lehramtes, ob es sich nicht nur um unterschiedliche Akzentsetzungen handelt, die sich einander annähem und zusammengebracht werden können und müssen, um so in einer höheren Harmonie ihre Einheit zu finden. 5. Wenn die ökumenische Bewegung zuweilen nur langsam voranzukommen scheint, so geht das zum Teil auf die Tatsache zurück, daß wir uns zu oft der Vergangenheit zuwenden und uns zu wenig vom Geist anleiten lassen, uns neue Ausblicke vorzustellen mit einer Kreativität, wie sie den Heiligen eigen ist. Das Konzilsdekret über die katholischen Ostkirchen sagt hinsichtlich der in seinem Text enthaltenen Rechtsbestimmungen, daß sie „nur für die gegenwärtigen Verhältnisse gelten, bis die katholische Kirche und die getrennten Ostkirchen zur Vollendung der Gemeinschaft zusammenfinden” (Orientalium Ecclesiarum, Nr. 30). Die Kirche ist sich also durchaus bewußt, daß das, was jeweils in Aussicht genommen wird, und das, was schon erreicht ist, nur einen gewissen Zeitraum gilt. 1246 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Um die Samenkörner der Einheit-Wachsen zu lassen, muß sich die Kirche daher so verhalten, daß sie, , während sie ein Gesetz aufstellt, schon die Hoffnung verspürt, es möge von neuen Erkenntnissen übertroffen werden, von anspruchsvolleren Hoffnungen, von Wahrhaftigkeit und Treue, die etwas kosten, aber auch begeistern, und die unsere Unbeweglichkeit aufsprengen, so daß am Ende das möglich und erreichbar wird, was bis gestern noch ganz unvorstellbar erschien. 6. Diesen Auftrag erteilt der Bischof von Rom heute euch, liebe Brüder vom Päpstlichen Institut für die Ostkirchen. Ihr müßt diejenigen sein, die den Kirchen helfen, aus ihrem Erbe „Neues und Altes” (Mt 13,52) hervorzuholen und das aufzuzeigen, was in den kostbaren Schatzkammern der verschiedenen Überlieferungen die Wahrheit heller aufleuchten lassen kam, damit sie für den Christen von heute ein sicherer Weg zu einem immer volleren Leben in Christus sei. Damit das geschieht, seid ihr aufgerufen, ohne Zusammenhänge zu beeinträchtigen und Gegensätzlichkeiten hervorzuheben, Forscher und Erzieher zugleich zu sein. Für jeden Gläubigen führt die Wahrheit schon ihrer Natur nach zur Freiheit (vgl. Joh 8,32); dem „Christus hat uns zur Freiheit befreit” (Gal 5,1). Dies gilt vor allem heute: Während der Mensch aus allen Teilen der Welt nach dem tiefen Sinn des Daseins fragt, ist die theologische Wissenschaft berufen, zur Weisheit zu werden und das Leben zu befruchten. Hört also die Bitten, die eindringlichen Fragen des heutigen Menschen; stellt sie den alten Zeugnissen der Väter und der Heiligen aus Ost und West gegenüber: So werdet ihr ihm entdecken helfen, daß es sich nicht nur um die immer geltenden Wahrheiten handelt, sondern daß auch die Fragen, zwar in verschiedener Form, aber mit eindrucksvoller Stetigkeit auf die schon immer in Ost und West gestellten Fragen zurückzuführen sind. Verschafft uns wieder die Kenntnis dieser Schätze, und helft uns, sie als die unseren zu empfinden. Doch um dies zu leisten, müßt ihr immer tiefer die Heiligkeit von gestern und den Anruf unserer heutigen Zeit kernen, damit es auch dem Heute gelingen möge, die Blüte der Heiligkeit aus dem Erdreich der Kirche hervorzubringen, diesem seit jeher gleichen Erdreich, fruchtbarer geworden durch das Erbe der Generationen. Ihr werdet uns helfen, stärker den Geschmack an der Kontinuität zu finden. Während man oft meint, man müsse jeden Tag wieder von vorne anfangen, müßt ihr auf dem ruhmvollen Weg des Ostens, aber auch mit den wunderbaren Reichtümem des Westens allen den Stolz zurückgeben, Kinder der alten Väter in Christus und Teilhaber an ihrem Erbe zu sein. 7. Wirkt darauf hin, daß die euch anvertrauten jungen Menschen gute Erzieher all derer werden, die in ihren Ländern ihre Rückkehr nach Osteuropa erwarten, das heute zu ahnen und zu hoffen beginnt, den Gemeinschaften der Gläubigen wieder Bestand geben zu können. Mögen sie den immer drängenderen Erwartungen ihrer Völker zu entsprechen wissen. 1247 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir bieten diesen Dienst unseren Brüdern, den Patriarchen und Bischöfen der Ostkirchen, an: denen, die schon in voller Gemeinschaft mit der Kirche von Rom stehen, und denen, die sich auf dem Weg zur Einheit befinden; hier in Rom besteht eine Gemeinschaft von Menschen, die gemeinsam suchen, die dazu erzogen sind, Gott zu suchen und ihn anzurufen für alle Christen und für die ganze Welt. Und sie suchen ihn in den Ostkirchen: In ihren „Werten von ehrwürdigem Alter leuchtet eine Überlieferung auf, die über die Kirchenväter bis zu den Aposteln zurückreicht. Sie bildet ein Stück des von Gott geoffenbarten und ungeteilten Erbgutes der Gesamtkirche” (Orientalium Ecclesiarum, Nr. 1). Alle, die hergeschickt werden, sind willkommen: Katholiken, sowohl der lateinischen wie der Ostkirchen, Orthodoxe und andere christliche Brüder. Sie werden im Studium, im gemeinsamen Leben und im gegenseitigen Kennenlemen immer neue Gelegenheiten finden, sich zu schätzen und zu lieben, und sie werden dann diese Erfahrung in ihre Kirchen übertragen. 8. Liebe Dozenten, vermittelt diesen jungen Menschen die Freude über das Zirkulieren des Glaubensgutes, Freude am umfassenden Charakter des Glaubens und der Theologie: Die Erforschung der Einzelheiten sei eine Schule der Methodik, um den universalen Charakter des Glaubens besser zu verstehen und seine Zusammenfassung in der einen Person Christi, wahrer Gott und wahrer Mensch, Sohn des Vaters. So wird der Heilige Geist einen jeden zur Gemeinschaft mit der Heiligsten Dreifaltigkeit führen und ihn vor der Zersplitterung in viele einzelne Probleme hüten, in denen man sich leicht steril festfährt. Wirkt dahin, daß der Student in der Zeit seines Verweilens in eurem Institut eine genaue Kenntnis des christlichen Ostens in seiner Vollständigkeit erwirbt: Wenn dies für die Studenten der lateinischen Kirche nützlich ist, dann wird es besonders für die der Ostkirchen von Nutzen sein, denn sie werden auf diese Weise befähigt, die Traditionen der verschiedenen Kirchen zu schätzen, die das bunte Mosaik des christlichen Ostens ausmachen. Dies mag eine umfassendere interdisziplinäre Tätigkeit und eine gemeinsame Arbeit der Dozenten notwendig machen: Zögert nicht, sie zu unternehmen, damit eure Bemühungen zum Vorteil eurer Schüler reiche Frucht bringen. Wirkt darauf hin, daß die Liturgie die Väter ins Spiel bringt, und daß die Lektüre der Väter hilft, die Heilige Schrift neu zu lesen. Die Theologie schließlich sei die kontemplative Synthese dieses „Lebens in Christus”, die eng verbunden ist mit der Spiritualität, ja ein Ganzes mit ihr bildet nach dem glücklichen Vorbild, das dem Orient und dem Okzident einmal gemeinsam war. 9. Als Benedikt XV. vorschrieb, im Päpstlichen Institut für die Ostkirchen „sollte die katholische und die orthodoxe Lehre gleichen Schritt halten” (Motu proprio Ori-entis, zit. Werk S. 530), zeigte er den ausgezeichneten Weg einer Lehrweise auf, die, heute um neue Perspektiven und Methoden bereichert, gewiß zum Austausch der Gaben zwischen den Kirchen Christi führen wird. 1248 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich rufe den Segen Gottes auf dieses liebe Institut für die Ostkirchen herab und grüße in euch gern eine Schaltstelle der Begegnungen und der Hoffnungen, den kleinen Ausdruck einer bereits intensiveren Gemeinschaft unter den Christen, die sich gewiß ausbreiten und die Kirchen durchdringen wird, zum größeren Ruhm Gottes und zum Wohl der Menschen. Am Ende der Ansprache fügte der Papst hinzu: Ich möchte hinzufügen, daß auch ich im Stillen gewissermaßen ein verborgener Schüler dieses Institutes bin, wenigstens einiger Professoren, die mir beim Lesen und Untersuchen von Texten der großen orientalischen griechischen und russischen Schriftsteller helfen. Ich bin, wie gesagt, ein heimlicher Schüler oder Student, so, wie die Kirche des Ostens lange Zeit hindurch im Untergrund lebte. Ich kannte den Untergrundcharakter dieser Kirche auch aus persönlicher Erfahrung. Ich erinnere mich, daß man in Krakau nicht einmal von der Existenz der griechisch-katholischen Kirche schreiben durfte, ich meine die griechisch-katholische Kirche der Ukraine. Die Gläubigen waren da, und ich habe sie besucht, doch man durfte nicht öffentlich sagen, daß der Papst bei ihnen war, daß der Papst gesprochen hatte, daß diese Kirche existierte. Nun ist diese Untergrundsituation zu Ende, und wir können etwas lauter sprechen. Aber man sprach eigentlich immer laut, denn die Stimme aus dem Untergrund war lauter als alle Stimmen, die nicht aus dem Untergrund kamen. Mag sein, daß es mit der Stimme des Papstes, obschon nicht aus dem Untergmnd, ähnlich war-. Danken wir Gott! Ich muß ferner sagen, daß ich auch ein keineswegs unvorbereiteter Schüler bin, weil ich nicht nur höre, sondern auch Fragen, recht scharfe Fragen stelle. Dann habe ich noch ein Geschenk, eine Gabe für euer Institut. Dieses Geschenk, eine Ikone, hat für mich einen sehr hohen Wert, weil sie mir zu Beginn meines Pontifikates vom Vertreter des Patriarchats von Moskau, von Metropolit Juvenalj, dargeboten wurde. In dieser schwierigen und tragischen Stunde ist das Geschenk um so bedeutsamer. Es soll nun Eigentum eures Institutes und allen zugänglich sein. Es mußte ein wenig in meinem Haus verborgen bleiben, wie die verborgene Untergrundkirche, doch es ist besser, daß es sich nun hier in der Öffentlichkeit befindet. Und weil das Institut päpstlichen Rechtes ist, verläßt die Ikone ja nicht den päpstlichen Bereich, sie bleibt daheim. Es ist immer noch bewundernswert, wie weitsichtig Papst Benedikt XV. während des ersten Weltkrieges war. Improvisierte Worte des Papstes bei der Begegnung mit den Dozenten in der Bibliothek: Das Wort des Rector magnificus gilt viel, und er hat mir gesagt, dieser Besuch des Päpstlichen Instituts für die Ostkirche wiege den Besuch einer Pfarrei in Rom auf, sogar noch mehr. Ich bin damit einverstanden. Was die Mühe angeht, stimmt es wohl, doch es ist eine Mühe, die uns zugleich erleichtert und Kopf und Herz erheben läßt. 1249 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dann habe ich gehört, wie er viel vom Osten oder eher vom europäischen Osten gesprochen hat, doch das genügt nicht im Hinblick auf den Mittleren Osten: den Libanon und aridere Länder, die hier zahlreich vertreten sind. Sie sind so etwas wie unser aller Vaterland. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir aus dem Nahen Osten stammen. Und wenn Petrus aus Jerusalem über Antiochien nach Rom geflohen ist, so war das seine Schuld. Wir können sagen, daß er es war, der das Problem zwischen der Ost- und der Westkirche geschaffen hat. Er hat es gewissermaßen geschaffen, doch es war eine „glückliche Schuld”, wie man sagt, ein „guter Fehler”. Dank seiner und aller unserer Brüder im Osten, die den gleichen Glauben festhalten, ist uns Hoffnung geschenkt, ,die christliche Hoffnung, vereint zu werden, weil wir eins sind. Es ist eine Torheit, zu sagen, wir seien getrennt, getrennte Brüder. Es stimmt zwar, wenn man auf die Kleider schaut: ein wenig getrennt, ein wenig verschieden, ein wenig anders. Das stimmt, doch ich bekenne den gleichen Glauben, und es gibt nur diesen. Ich kann nicht annehmen, daß die Kirche getrennt ist, die Kirche Christi ist eine. Wenn es Spaltungen gibt, so ist das etwas anderes, sie müssen überwunden werden; doch die Kirche ist. eine, die Kirche Christi im Osten und Westen kann nur eine sein, eine und geeint. Das sage ich zum Abschluß, bevor ich zum anderen Institut gehe, und- ich wünsche euch, daß es bei euch gut weitergeht. Und ich füge hinzu: Mut, Mut. Ich wünsche euch großen Mut, eurem Rektor, allen Professoren, allen Studenten und am Ende auch dem armen Papst. Familie - Umfeld der Liebe Predigt bei der Messe mit den Studenten und Professoren der päpstlichen Universitäten und Hochschulen am 14. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. In der heutigen Adventsliturgie kehrt das Gleichnis vom Weinberg des Herrn wieder. „Geh und arbeite heute im Weinberg!” (Mt 21,28): Von den zwei Söhnen sagt einer sofort „Ja, Herr!”, ging aber nicht; der andere, der nicht gehen wollte, gehorchte später doch, weil es ihn reute. In einem anderen Gleichnis wird die gleiche Aufforderung an die Knechte gerichtet, die zu verschiedenen Tageszeiten zur Arbeit gerufen werden. Doch erst im Dialog mit den Aposteln am Vorabend seines Leidens enthüllt Christus die volle Bedeutung des Gleichnisses vom Weinberg: „Ich bin der wahre Wein-Stock, und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt” (Joh 15,1-2). Obwohl das Gleichnis vor dem Ostergeschehen erzählt wurde, besitzt es einen tiefen adventlichen Sinn. 1250 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Es ist wahr, die Adventsliturgie erinnert mehr an die falschen Wege, die Wüste, die trockene Erde, die fruchtbar wird durch den „heilbringenden Tau” (vgl. Jes 45,8). Darauf beziehen sich die Texte des Propheten Jesaja und auch in gewisser Weise die erste Lesung von heute aus dem Buch Zefanja. Jedoch die strenge Atmosphäre des Advents und der Wüste, wo sich der Dienst Johannes’ des Täufers entfaltet, bahnt sich der Weinberg, ja der Weinstock, Christus, den Weg. Der Sohn Gottes kommt in die Welt, um der Weinstock zu werden und in uns den Beginn des neuen Lebens einzupflanzen. Ihn erwarten und wollen wir aufnehmen in der Weihnachtsnacht als „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet” (Joh 1,9) und als das von ihn gebrachte „Leben in Fülle” (vgl. Joh 10,10). Darüber haben wir während des Treffens in Denver nachgedacht (vgl. Joh 10,10). „Blickt auf zu ihm, so wird euer Gesicht leuchten - ruft der Psalmist -, und ihr braucht nicht zu erröten” (Ps 34,6). Wir warten deshalb auf die Weihnachtsnacht, wo unsere Gesichter vom großen Geheimnis „leuchten” werden, wenn wir zu ihm aufblicken. Wir gehen zur Grotte von Bethlehem, um den Immanuel, den Gott-mit-uns, zu finden, der gekommen ist, sein Leben .hinzugeben für seine Freunde (vgl. Joh 15,13). 3. In der Freude von Weihnachten erahnt man den Sieg des Lebens über den Tod in der Auferstehung; man erahnt das Licht vom Berg Tabor, wo der Sohn Gottes sich vor den Augen der Jünger verwandeln und sein Antlitz verwandeln und sein Gesicht wie die Sonne leuchten wird (vgl. Mt 17,2). Er ist das Licht, das Welt nicht erkannt hat (vgl. Joh 1,5), der Glanz, der die Finsternis der Nacht vertreibt, in die das Leben der Menschen auf Erden eingetaucht ist. So haben auch wir eine deutliche Beziehung zu Veritatis splendor, wovon eure Studienkollegen am Anfang sprachen. Dieses Licht, dieser Glanz der Wahrheit, ist zu uns gekommen, es ist die Mitte unserer Herzen geworden. Es ist nicht allein der Lichtstrahl, der „jeden Menschen erleuchtet”, der in diese Welt kommt, sondern auch Licht, welches das Menschenleben umwandelt. Wir sind gerufen, in ihm zu wandeln und uns an ihm zu nähren, denn es ist unsere Speise unter der Form von Brot und Wein geworden. Christus, die Eucharistie, ist der Weinstock, der uns das Leben gibt (vgl. Joh 15,1). 4. Das Sakrament der Versöhnung, das die Verbindung mit Christus, dem Weinstock, sicherstellt, bewirkt, daß die Rebzweige immer reiche Frucht tragen. Jesus sagt dazu: „Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt ... Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht” {Joh 15,4-5). Hier schlägt das Herz des Advents. Dazu ruft Johannes der Täufer auf, dessen Stimme in der Wüste erklingt und alle einlädt, die krummen Wege gerade zu machen/die Hügel zu ebnen und die Täler aufzufüllen. Zu uns kommt der, welcher seine Gnade in unser Dasein einpflanzen will, um es zu veredeln und zu heiligen. 1251 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hier ist der, auf den wir während unseres ganzen Lebens warten und der in jedem Advent vor uns steht. 5. Liebe Brüder und Schwestern! In diesem Zusammenhang kommt mir Denver (USA) in den Sinn, wo der letzte Weltjugendtag stattgefunden hat, der als Thema das Christus-Wort hatte: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Diese Aussage ist eng mit dem Gleichnis vom Weinstock und den Reben verbunden. Insgesamt war das Treffen in Denver eine große Überraschung, welche die Jugend der Gesellschaft, vor allem der amerikanischen Gesellschaft, bereitet hat. Man hat festgestellt, daß sich die Leute in jenen Tagen außergewöhnlich freundlich verhielten, und sich keine Gewaltakte oder Überfälle ereigneten, was heutzutage sehr oft geschieht. Es gab keine Gesetzwidrigkeiten. Denver war ein lebendiges Bild des Weinbergs, den der himmlische Vater pflegt, indem er durch seinen Sohn in die Herzen neues Leben einpflanzt. Es war eine wichtige Begegnung der Anhänger Christi, die von der Freude durchdrungen waren, beisammen zu sein: Nicht nur Jugendliche des amerikanischen Kontinents, sondern auch Jungen und Mädchen aus allen übrigen Teilen der Welt waren dort, nicht nur aus Nord- und Lateinamerika und Europa, sondern auch aus Asien. Anwesend waren auch Jugendliche aus Kasachstan und Novosibirsk. Alle waren von der Freude durchdrungen, die Gegenwart Christi zu spüren, des wahren Weinstocks, der ein neues Leben in Fülle gibt, das Perspektiven eröffnet, für die es sich wirklich zu leben lohnt. Dieser Tag in Denver war für uns alle ein Beweis, daß das Leben für alle wert ist, gelebt zu werden. Das Treffen war eine starke Bekräftigung des Lebens. Gestärkt durch das Ja, das Christus ist, trugen die jungen Menschen diese Freude in sich und hatten die Kraft mutig und entschlossen nein zu sagen zur modernen Gesellschaft, die oft, aber nicht immer und überall eine Gesellschaft des Hedonismus, der Heuchelei und Gewalt ist; sie konnten nein sagen zur „Zivilisation des Todes”, und sie taten es kraftvoll, aber ohne Gewalt. 6. Das Treffen in Denver hat eine Jugend gezeigt, die imstande ist, die Welt zu „überraschen” durch den Reichtum ihrer Werte, durch den Lebensmut und durch ihr Zeugnis des Friedens und der Solidarität. Wer hat all das getan? Wem schulden wir diese große Wandlung? Gewiß verdanken wir sie Christus, aber die Baumeister dieser Erneuerung sind vor allem die jungen Menschen selbst, die Bewegungen, Gruppen und Gemeinschaften, in denen sich „die göttliche Pflanzung” durch das Wirken des Heiligen Geistes entfaltet, der im Herzen eines jeden ruft: „Abba, Vater!” Vor zwei Jahren hatte ich Gelegenheit, all das bei dem Treffen in Jasna Göra in Polen hervorzuheben. Wie sollte man deshalb nicht erkennen, daß der geheimnisvolle Sturm, der im Abendmahlssaal von Jerusalem und zuvor schon in Bethlehem begonnen hatte, immer noch über die Welt hinwegzieht? In der Welt ist die Gesellschaft im Zeichen der Liebe anwesend, die sich von keiner „Gegenbewegung” beherrschen läßt. 1252 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Jugendlichen gehen in die Zukunft mit der Kraft ihrer neuen Energie und den Blick auf Christus gerichtet. Ihre Gesichter „leuchten”, sie „erröten nicht”, und die „Schmach, Mensch zu sein, die leider von verschiedenen „Lehrern des Mißtrauens” unserer Epoche eingeflößt wird, macht dem Licht, das Christus ist, Platz. Die nicht selten auch in den Massenmedien auftretende Lüge macht der Wahrheit Platz! Die trügerischen Lebenswege wandeln sich in Straßen, die in Christus, „dem Weg, der Wahrheit und dem Leben” (vgl. Joh 14,6), konvergieren. Ich möchte gern einige Erwägungen hinsichtlich der Erfahrung von Denver in der Petersbasilika in Rom mitteilen, denn hier hat das erste Weltjugendtreffen stattgefunden, und von hier hat sich in der Welt die gewaltige Welle der Neuevangelisierung der Jugend ausgebreitet. Das nächste Weltjugendtreffen ist bekanntlich in Manila auf den Philippinen im Januar 1995. Während ich an all das denke, schaue ich auf euch, liebe Professoren und Studenten der Hochschulen der Ewigen Stadt, und ich grüße euch alle herzlich. Ich grüße euch, Kapläne. Ich habe durch euer Bezeugen erfahren, daß die Einrichtung der Studentenseelsorge in Rom sehr fortgeschritten ist. Dafür möchte ich dem Vikar von Rom und dem ganzen Vikariat danken, vor allem den Seelsorgern wie auch den Laienmitarbeitem. Ich bitte den Herrn, jedem einzelnen ein neues Bewußtsein der eigenen christlichen Identität einzuflößen. Das Evangelium ist die Gute Nachricht, deren Kraft in keiner Generation nachläßt, sondern immer alles wiedererweckt und alles neu macht. Wir danken den Rektoren der italienischen Universitäten, die heute abend unter uns weilen wollten, und ich danke ihnen persönlich. 7. Der Prophet Zefanja sagt: „An jenem Tag brauchst du dich nicht mehr zu schämen, wegen all deiner schändlichen Taten, die du gegen mich verübt hast. Ja, dann entferne ich aus deiner Mitte die überheblichen Prahler ... Ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk, das seine Zuflucht sucht beim Namen des Herrn” (Zef 3,11-12). Der Prophet spricht hier von einem großen Wandel, der zur Zeit des Messias eintreten wird. Gott wird in Christus einen Neuen Bund mit der Menschheit schließen, einen Bund des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Dank seiner Treue zum ihm, wird der Mensch die innere Freiheit wiedergewinnen. Alle in der Vergangenheit begangenen Sünden des Götzendienstes werden ausgemerzt, und endlich wird die Treue zu dem herrschen, der diesen engen Bund mit dem Menschen geschlossen hat. Das Leben wird sich erneuern und den Antrieb zu einer neuen Gesellschaft geben, wo jeder menschliche Lebensbereich umgewandelt wird: von der Familie zur Politik, von der Wirtschaft zu den internationalen Beziehungen. Denn Christus sagt: „Seht, ich mache alles neu” (Ojfb 21,5). Diese Worte sollen sich auch auf die Sorgen der italienischen Gesellschaft beziehen, die in den vergangenen Monaten ein wenig erschüttert ist über besorgniserregende Tatsachen. Diese Befürchtungen werden auch von euch Universitätsangehörigen Roms und ganz Italiens geteilt. Aber wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren. Gewiß ist das italienische Volk mit seinen großen Reichtümem bereit und stark genug, diese schwierigen Si- 1253 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tuationen zu überwinden, um eine bessere Zukunft für die Menschen, die Gemeinschaften und die Jugend zu schaffen, eine Zukunft, die seiner großen Vergangenheit würdig ist. Zweitausend Jahre nach der Ankunft Christi sind wir Zeugen der großen Schritte, welche die Menschheit zur christlichen „Neuheit” hin gemacht hat. Wir wissen aber auch, daß noch ein weiter Weg zurückzulegen ist. Dieses Bewußtsein ruft die Verantwortlichkeit eines jeden auf den Plan. Und ihr junge Menschen sollt daran denken, daß ihr schon zum dritten Jahrtausend gehört. Wir älteren müssen langsam dahingehen und auch die großen Verantwortlichkeiten der gesamten Menschheit, von Europa, Italien und allen übrigen Ländern der Welt, überlassen. Darum ist es so wichtig, daß diese Welttreffen mit der Jugend alle zwei Jahre stattfinden. Wir hoffen, daß die Vorsehung es uns erlaubt, in diesem Sinn fortzuschreiten. 8. Liebe Brüder und Schwestern! Wir feiern im Jahr 1994 das Jahr der Familie. Die Initiative kommt von der Organisation der Vereinten Nationen. Die Kirche greift sie auf und fügt' sie in den Vorbereitungszyklus auf das große Jubiläumsjahr 2000 ein. Wie das Jahr der Erlösung und das Marianische Jahr wird aüch das nächste eine Art Heiliges Jahr als Vorbereitung auf das große Ziel des dritten christlichen Jahrtausends hin sein. Das Jahr der Familie wird in Nazaret am 26. Dezember, dem Fest der Heiligen Familie, mit einer Eucharistiefeier des Päpstlichen Legaten eröffnet. Kann es für den Menschen ein interessanteres Thema als die Familie geben, verstanden als Umfeld der Liebe und als „großes Sakrament”, wie Paulus im Brief an die Epheser (vgl. 5,32) schreibt? Außerdem ist es schwierig, ein Thema zu finden, das für den Advent angemessener und mit Weihnachten enger verbunden wäre. Ich denke an die hier anwesenden Familien, besonders an die jungen, und ich wünsche allen, daß sie dank der . gesegneten Advents- und Weihnachtszeit dem Geheimnis der göttlichen Liebe näher kommen können, die sich in der Geschichte ge-offenbart hat und unter uns in der Gestalt der Heihgen Familie gegenwärtig ist. 9. Wir denken natürlich an den hl. Josef, den ersten Mann, dem Gott das große Geheimnis der Menschwerdung anvertraut hat. Dieses Geheimnis ist eine Einladung und Herausforderung, die in der Nacht von Betlehem jeden Mann und jede Frau, die Familie und durch sie die Gesellschaften und Nationen berührt. „Bückt auf zu ihm, so wird euer Gesicht leuchten” (Ps 34,6). Man best die Freude des großen Geheimnisses auf dem Gesicht Marias, welche die Mutter des menschgewordenen Gottes geworden ist. Man üest sie auch auf dem Gesicht Josefs, ihres Bräutigams, die Freude, weil ein Mensch geboren ist: der Sohn Gottes. Geboren für uns, damit wir in ihm Kinder Gottes werden (vgl. Joh 1,12). „Alma Redemptoris Mater”, singt die Kirche in der Adventszeit. „Erhabene Mutter des Erlösers, du allzeit offene Pforte des Himmels, du Stern des Meeres, komm zu Hilfe dem gefallenen Volk, das sich zu erheben sucht. Zum Staunen der Natur hast du deinen heiligen Schöpfer geboren. Jungfrau vor und hach der Geburt; aus Gab- 1254 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN riels Mund nahmst du den Graß entgegen, erbarme dich der Sünder.” Die Kirche betrachtet die jungfräuliche Mutterschaft Marias und vertraut ihrem mütterlichen Herzen das Volk an, „das sich zu erheben sucht”. Sie übergibt ihr die Gefahren, die zum Schicksal der Menschen, der Familien und der Gesellschaft gehören. „Komm zu Hilfe dem gefallenen Volk”, ruft die Kirche. Die Menschheit will nicht verlorengehen, sondern sich erheben! Aber um sich erheben zu können, muß sie jedes Hilfsmittel in Bewegung setzen. Sie muß sich vor allem auf die übermenschliche Macht stützen, die zu ihr in der Person Jesu Christi, des Erlösers der Welt, kommt. Weihnachtsbaum - ein Symbol des Lebens Ansprache bei der Sonderaudienz für die Pilgerfahrt der Diözese Graz-Seckau anläßlich des 775jährigen Bestehens der Diözese und der feierlichen Übergabe des Christbaumes auf dem Petersplatz am 18. Dezember Liebe Schwestern und Brüder! 1. Die Diözese Graz-Seckau feiert in diesem nunmehr zu Ende gehenden Jahr ihr 775jähriges Bestehen. Mit der großen Pilgerfahrt nach Rom möchte die Diözese das Jubiläumsjahr feierlich beenden. Diese Pilgerfahrt ist verbunden mit der Übergabe des Christbaumes auf dem Petersplatz, der in diesem Jahr aus dem Bundesland Steiermark kommt und der von mehr als tausend Bewohnern Eures Landes hierher begleitet worden ist. Zu dieser Sonderaudienz grüße ich Euch alle sehr herzlich. Mein besonderer Graß gilt den Vertretern der Diözese Graz-Seckau, an ihrer Spitze unserem verdienten Mitbruder Johann Weber, sowie den Vertretern des Bundeslandes Steiermark und der Hauptstadt Graz unter Leitung des Landeshauptmannes Dr. Josef Krainer. Zugleich danke ich für die sehr freundlichen BegrüßungsWorte. 2. Eure gemeinsame Anwesenheit ist ein beredtes Zeichen für den aufrichtigen und vertrauensvollen Dialog, der die Kirche mit den staatlichen Behörden und gesellschaftlichen Kräften der Steiermark traditionell verbindet. Ein augenfälliger Beweis dafür war der am 26. Juni dieses Jahres von der Diözese angeregte „Tag der Steiermark”, der von Parteien, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen mitgetragen und gestaltet wurde. Sichtbarer Ausdruck des ökumenischen Bemühens in Eurem Land war auch das Mitwirken befreundeter kirchlicher Gemeinschaften. Zum Diözesanjubüäum konnte auch das altehrwürdige Priesterseminar nach seiner Renovierung wieder eröffnet werden, eines der historisch und künstlerisch bedeutsamsten Gebäude Eures Heimatlandes. Die Berufung zum Priestertum sowie geeignete äußere Gegebenheiten für eine gründliche theologische und spirituelle Ausbildung und das Gebet aller um Priesterberufe sind wesentliche Voraussetzungen dafür, daß die Kirche in Eurem Lande 1255 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auch künftig die Frohe Botschaft verkündet und Ihr in der Nachfolge Christi miteinander leben könnt. 3. Einen besonders herzlichen Willkommensgruß richte ich an alle unter Euch, auf die die Initiative zu diesem wunderbaren Weihnachtsgeschenk zurückgeht; sie kam aus der Region „Grebenzen” im Norden Eures Bundeslandes, die um das Stift St. Lambrecht herum gelegen ist. Der Christbaum aus den steirischen Wäldern, den Ihr aus Eurer Heimat nach Rom gebracht habt, ist Zeichen der Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri und der ganzen Weltkirche. Mir ist wohl bekannt, daß die Bewohner Eures Landes ihr Brot durch harte Arbeit verdienen müssen und nicht wenige gerade in diesen Weihnachtstagen in Sorge um ihre Arbeitsplätze sind. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die sozialen Probleme, die in diesem Augenblick die westlichen Industriegesellschaften bedrücken, sind mir durchaus bewußt. In der Freude über die heutige Begegnung wollen wir Eure Landsleute nicht vergessen, die von großer Sorge und von oft verborgener Not heimgesucht sind. Dabei sind es vor allem auch die Diözese Graz-Seckau und das Bundesland Steiermark, die große Werke der Barmherzigkeit geleistet haben und leisten, sei es für notleidende Menschen in Eurem eigenen Land, sei es für die unter den Schrecken des Krieges leidenden Menschen in den benachbarten Ländern wie auch für die Notleidenden in der Dritten Welt. Nehmt hierfür stellvertretend für Eure Landsleute meinen tief empfundenen Dank entgegen. 4. Der schöne Brauch, einen grünen Baum zu Weihnachten zu schmücken und in den Wohnungen aufzustellen, ist ein Symbol des Lebens, der Lebensfreude und der Zuversicht (vgl. Ijob 14,7). Dies alles hat seinen Urgrund in Christus, der das Licht der Welt ist (vgl. Joh 1,9). Wenn Gott uns in der Gestalt eines Menschen, ja eines Kindes, begegnen will, dann müssen auch wir Ihm entgegengehen. Wir müssen uns auf den Weg machen wie die Hirten von Betlehem, wie die Weisen aus dem Morgenland. Wir dürfen nicht wie teilnahmslose oder skeptische Zuschauer abseits stehen und uns mit dem bequemen Alltag einer äußerlich mehr oder weniger funktionierenden Welt zufriedengeben. Wir müssen eintreten in die Wirklichkeit und in das Heilswirken unseres Gottes, der ein Kind geworden ist und damit unser aller Bruder bleibt. Meine aufrichtigen Wünsche für ein gesegnetes Weihnachtsfest sowie meine Fürbitte für Gottes treues Geleit im neuen Jahr gelten Euch, Euren Familien und Gemeinden, besonders aber allen, die in diesen Tagen von schwerer Sorge um ihre Zukunft und ihre Existenz bedrückt sind. Euch und allen Bürgern der Steiermark erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1256 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschenwürde im Krankenhaus Ansprache an die Ordensmänner und Ordensfrauen beim Besuch in der Universitätsklinik „Umberto I.” am 19. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich, mit euch, die ihr hier in der Universitätsklinik „Umberto I.” einen so geschätzten Dienst verrichtet, wie in einer Familie Zusammentreffen zu können. Eure eifrige und diskrete Tätigkeit macht in unmittelbarer Weise die unendliche Liebe des himmlischen Vaters zu jedem leidenden Menschen gegenwärtig und ist ein greifbares Zeichen für die Aufmerksamkeit der kirchlichen Gemeinschaft so vielen kranken Brüdern und Schwestern gegenüber. Ich danke P. Ludovico Napoli für den freundlichen Willkommensgruß und die guten Wünsche zum nahen Weihnachtsfest, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat. Ich erwidere sie von Herzen und rufe auf alle reichen himmlischen Trost und die Kraft des Heiligen Geistes herab, damit ihr euren Dienst als „gute Samariter” in selbstloser Hochherzigkeit fortsetzen könnt. 2. Weihnachten, das wir in einigen Tagen feiern, ist unter anderem ein bedeutungsvoller Anruf an uns, mit offenem Herzen jeden Menschen aufzunehmen, hat doch das Göttliche Wort die Schwachheit des Menschen angenommen und sie zu ewiger Würde erhoben (vgl. Präfation von Weihnachten, III). Das Drängende dieser Berufung, die allen Gläubigen gemeinsam ist, wird noch dringlicher für euch, Schwestern und Brüder, die ihr bei der Arbeit im Krankenhaus täglich Menschen begegnet, die besonders schwach und geprüft sind. Wenn die Kirche von „Humanisierung” der Krankenhäuser spricht, hat sie dabei gewiß nicht irgendeine bestimmte Ideologie oder Philosophie im Sinn, sondern einzig das Beispiel des Bundes, den ihr Herr und Meister endgültig mit dem Menschen geschlossen hat, als er dessen Leiden und Schmerzen auf sich nahm. Die Liturgie erinnert uns in passender Weise daran, heißt es doch in einer Präfation: „Noch heute kommt er jedem an Leib und Geist verwundeten Menschen zu Hilfe und gießt das Öl des Trostes und den Wein der Hoffnung in seine Wunden” (Präfation, VIII). Wenn der Kranke, der in ein Krankenhaus kommt, nicht in seiner Einzigartigkeit als Person aufgenommen würde - vor allem von denen, die ihr Leben am Evangelium orientieren -, sondern nur als „Nummer” oder „klinischer Fall” gälte, dann würde er in seiner Menschenwürde sehr gedemütigt. Man liefe dabei Gefahr, die eigene Aufgabe zwar mit Geschick zu erfüllen, doch unfähig, den Leidenden mit echter Aufnahmebereitschaft anzunehmen. Wie kann man sich für die Gesundheit des Nächsten einsetzen, ohne ihm in seinem ganzen Menschsein zur Seite zu stehen und den in seinem Innersten sich befindlichen unverzichtbaren Wunsch nach Gesundheit und Glück zu erspüren? Mit der technischen und organisatorischen Effizienz sollte also 1257 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN immer jene ergänzende, frei geschenkte Liebe verbunden sein, die sich von echter und christlicher Solidarität nährt. 3. Liebe Schwestern und Brüder, das Weihnachtsfest, an dem wir wieder die Offenbarung der Güte Gottes und seiner Liebe zu den Menschen feiern (vgl. Tit 3,4), läßt die Bedeutung eurer Sendung an den Krankenbetten, im Kontakt mit den Kranken und ihren Familien noch deutlicher erkennen. Ihr sollt denen, die leiden und oft einsam sind, und ihren Angehörigen wie auch denen, die in den verschiedenen Abteilungen des Krankenhauses arbeiten, geschwisterliche Aufnahme bieten, diskret für sie verfügbar sein und ihnen aufmerksam zuhören; all das als Zeugnis der Güte und Liebe des menschgewordenen Gottessohnes. Wenn die neue medizinische Wissenschaft sich manchmal der Virulenz der Krankheit gegenüber als unterlegen erkennen muß, so kann man doch - „menschlich” -leben, hoffen und geheilt werden. Auch der Tod gewinnt in diesem Zusammenhang Sinn in Frieden und großer Würde. So wird das Menschsein, erhellt von dem Licht, das der Welt in der Geburt Christi aufgeleuchtet ist, zu einem unerschöpflichen Reichtum. Bei eurer so erlesenen Aufgabe helfe euch Maria, die im Schweigen das Geheimnis des menschgewordenen Wortes betrachtet hat. Sie, die Trösterin der Betrübten, erlange euch neue Kraft, euren kostbaren Dienst zum Wohl der Kranken fortzusetzen. Mit diesem Wunsch erteile ich euch einen besonderen Apostolischen Segen und weite ihn auch auf eure Ordensgemeinschaften und auf alle die aus, denen ihr jeden Tag an dieseni Ort des Leidens und der Hoffnung begegnet. Vom Sinn des Leidens Ansprache an das Krankenhauspersonal und die Patienten beim Besuch in der Universitätsklinik „Umberto I.” am 19. Dezember Herr Rektor, liebe Brüder und Schwestern der römischen Universitätsklinik „Umberto I.”! 1. Es freut mich sehr, daß ich wenige Tage vor der Feier des Weihnachtsgeheimnisses zu euch kommen kann. Ich möchte euch vor allem von Herzen gute Wünsche zu den kommenden Festen entbieten und euch meines ständigen Gedenkens im Gebet versichern. Vor allem in der Heiligen Nacht, in der wir im Glauben wieder das Geheimnis der Geburt Jesu erleben, werde ich für euch beten. Von Herzen danke ich Herrn Professor Tecce, dem Rektor dieser eurer Universität, für die freundlichen Worte, mit denen er mich im Namen der Verantwortlichen in der Verwaltung, der Ärzte und des gesamten Pflegepersonals, der Kapläne und der Ordensschwestern willkommen geheißen hat. Herzlich erwidere ich seine Wünsche und möchte betonen, daß ich mit großer Aufmerksamkeit zugehört habe, als er die Pläne und Hoffnungen schilderte, die das Le- 1258 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ben dieses eures Universitätskrankenhauses erfüllen, das dieses Jahr die Jahrhundertfeier seines Bestehens begeht. Hundert Jahre sind viel, und es ist angebracht, ein wenig innezuhalten, um in Gedanken zurückzukehren zu den angesehenen Persönlichkeiten, die in diesem Hospitalzentrum gewirkt und seinen Namen nicht nur in Italien, sondern auch über die Grenzen des Landes hinaus berühmt gemacht haben. Ihr Zeugnis bleibt ein anregender Bezugspunkt für alle, die sich heute der Aufgabe widmen, die Sendung dieses Hauses weiterzuführen: den Dienst an dem durch Krankheit beeinträchtigten Leben. Ich gebe dem Wunsch Ausdruck, daß diese bedeutende Einrichtung des Gesundheitsdienstes, ein Ort des Leidens, aber auch tiefen menschlichen Erlebens und geistlicher Erfahrung, dank der Mitwirkung aller sich immer mehr durch Solidarität und aufmerksame, konkrete Hilfsbereitschaft für den kranken Menschen auszeichne. Euch, hebe Kranke, gilt ein besonders herzlicher Gruß. Ich bin eins mit euch in eurer Hoffnung auf Heilung, nehme im Geist an eurem Leiden teil und wünsche euch, es möge bald ein Ende nehmen, damit jede und jeder sobald wie möglich nach Hause und zur Familie zurückkehren könne. 2. Die Liturgie des heutigen vierten Adventssonntags legt uns den Bericht des Evangeliums über die Verkündigung vor. Maria, die Jungfrau von Nazaret, nimmt mit vollkommener Bereitschaft den göttlichen Willen an, den der Engel ihr kundgetan hat, und durch unermeßliche Gnade schickt sie sich an, Mutter des Erlösers zu werden: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben” (Lk 1,31). Gerade durch die Menschwerdung des eingeborenen Sohnes gibt Gott sich der Welt kund, nicht als höchstes Wesen, fern und ohne Anteilnahme, sondern als der Vater, der um das Leid der Menschheit weiß und es auf sich nimmt und mit dem Menschen und für den Menschen leidet. Das Geheimnis der Menschwerdung, Geheimnis des Heils, auf die Passion hin ausgerichtet, den Tod und die Auferstehung Christi, enthüllt also die unendliche Liebe des Schöpfers, der sich ganz eins macht mit seinem Geschöpf. Er geht denen, die leiden und von den Plagen des Lebens gezeichnet sind, entgegen, stellt sich an ihre Seite, stützt und tröstet sie, schenkt jedem Erbarmen, Mitleid und echten Trost. Im Leiden Christi hat das menschliche Leiden seinen Höhepunkt erreicht. Es ist „in eine völlig neue Dimension und Ordnung eingetreten: Es ist mit der Liebe verbunden worden” (Salvifici doloris, 18). Indem er das Leiden auf sich nahm, hat der Gekreuzigte allem Leiden der Welt die Perspektive der wahren Hoffnung eröffnet. So ist das Kreuz nun verwandelt: Es wird zum Heilswerkzeug. Hier zeigt sich die wahre Allmacht Gottes: nicht eine „wundertätige” und glanzvolle Allmacht, sondern die Allmacht des Kreuzes, eine gekreuzigte Allmacht, die aus dem Tod das Leben entspringen läßt. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Vor dem Hintergrund des Kreuzes und in der geistlichen Atmosphäre des Weihnachtsfestes sind wir aufgefordert, uns bewußt zu 1259 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden, daß auch die bittere Erfahrung des Leidens Werte in sich birgt, die für unser Leben von höchster Bedeutung sind. Die Erfahrung des Leidens kann uns nämlich helfen, daß die Hoffnung stärker und neu belebt wird. Dem Geheimnis der menschlichen Gebrechlichkeit gegenüber erweckt der Glaube den Wunsch nach einem volleren und höheren Wohlbefinden, das die Gesundheit des Leibes und der Seele umfaßt, den Wunsch nach einem größeren und endgültigen Heil, wie es Gott für die Menschen aller Zeiten bereithält. Die Prüfung des Leidens kann die liebevolle Aufmerksamkeit andern gegenüber wachsen und umfassender werden lassen. Das Leiden offenbart ja das Ungesicherte des Lebens, seine Schwächen: So hilft uns die Entdeckung unserer eigenen Grenzen die Grenzen des Nächsten begreifen und läßt uns die Notwendigkeit erkennen, den andern in bereitwilliger und solidarischer Verfügbarkeit entgegenzugehen. Das alles nimmt zweifellos dem menschlichen Leiden nicht seine Tragik, aber es kann das Vertrauen stärken, daß das Leiden zur „Epiphanie” der Auferstehung und zu einem Auftauchen der göttlichen Dimension in der gebrechlichen Menschennatur wird. So laßt uns, meine Lieben, den Blick zu unserem Erlöser erheben, der, wie er selbst versichert, jede Träne aus unseren Augen wischen und uns in die neue Welt aufnehmen wird, in der es keinen Tod, keine Trauer, keine Klage und keine Angst und Sorge mehr gibt (vgl. Offb 21,4). 4. Liebe Brüder und Schwestern! In dieser inneren Haltung richten wir den Blick voll Glauben auf das Kind von Betlehem. Möge die Feier des nahen Weihnachtsfestes auch für jeden von euch eine Gelegenheit sein, geistlich neuen Mut zu fassen. Das Licht, das über denen aufleuchtete, die auf dunkler Erde wohnten (vgl. Jes 9,1), leuchte in euer Leben hinein und erfülle es mit Trost. Das ist mein Wunsch für die ganze Familie des Krankenhauses „Umberto I.”, für die akademischen Lehrer, die Ärzte, das Personal und für die Kranken und ihre Familien. Über jeden rufe ich durch die Fürsprache Mariens, der Mutter Gottes und Mutter jedes Menschen, den Schutz Gottes herab. Von Herzen segne ich euch alle. Vatikanisches Fernsehzentrum feierte lOjähriges Bestehen Ansprache an das Vatikanische Fernsehzentrum am 20. Dezember Meine Lieben! 1. Ich freue mich, daß ich euch alle herzlich willkommen heißen kann - leitende Verantwortliche, Journalisten, Mitarbeiter und technisches Personal -, die ihr euren Dienst beim Vatikanischen Fernsehzentrum leistet. Ich danke dem Herrn Präsiden- 1260 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten, Dr. Emilio Rossi, für die freundlichen Worte, die er soeben in euer aller Namen an mich gerichtet hat. In den eben zu Ende gegangenen ersten zehn Jahren seines Bestehens hat dieses euer Zentrum an Millionen von Menschen in aller Welt in Bild und Wort Informationen vermittelt, die es ermöglichten, die Arbeit des Nachfolgers Petri in seinem universalen Dienst aus der Nähe zu verfolgen. Wie erwähnt, wurde das Vatikanische Fernsehzentrum 1983 eingerichtet mit der Aufgabe, durch die Inanspruchnahme der audiovisuellen Mittel dazu beizutragen, daß die Anwesenheit der Kirche und der christlichen Kultur sich in der Welt weiterentwickeln. 2. Bei anderer Gelegenheit konnte ich bereits hervorheben, daß die sozialen Kommunikationsmittel „ein besonderes Geschenk Gottes sind, ein Geschenk, das für das Zeitalter der Menschheitsgeschichte, in dem wir leben, enorme Bedeutung hat” {Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, 1992: O.R.dt., 31.1.92, S. 7). Sie geben die Möglichkeit, daß das Evangelium, durch Bild und Wort über den Äther verbreitet, weit über ein begrenztes Gebiet hinaus gelangen kann. Wie sollte der Papst nicht Interesse haben für jene, die, nahe bei ihm, auf einem für die Evangelisierung so vielversprechenden Gebiet tätig sind? Ich bin euch also dankbar für euren qualifizierten Dienst, der das Zentrum instand setzt, in angemessener Weise zu arbeiten, und der mit Vertrauen in die Zukunft blicken läßt. Ihr verrichtet euren Dienst sozusagen im Haus des Papstes und folgt ihm auch auf seinen apostolischen Reisen und seinen Pilgerwegen über die Welt auf den Spuren Christi, des Erlösers des Menschen. Ich weiß wohl, daß ihr einen Organismus von bescheidenem Ausmaß bildet, aber ich kenne auch die Hingabe, mit der ihr eure Tätigkeit mit großer und anerkannter beruflicher Tüchtigkeit und aus tiefem christlichen Glauben entfaltet. Ihr seid euch dessen bewußt, daß die von euch aufgenommenen Bilder und Worte, vor allem dann, wenn sie größeren Rundfunk-und Femsehuntemehmen zur Verfügung gestellt werden, einen äußerst weitgespannten Empfängerkreis in allen Teilen der Welt erreichen. Die heutige Zivilisation braucht sehr notwendig Worte der Hoffnung, eine Stimme, aus der die bleibenden Ideale des Daseins vernehmbar werden, die über die einfache Alltäglichkeit hinausgehen. In diesem Sinn macht euch euer täglicher, nicht leichter Dienst - verbunden mit den Talenten und der Hochherzigkeit, die euch auszeichnen - und in den Dienst des Gottesreiches gestellt, zu Verkündigern und Aposteln Christi, der das Licht und das Leben des Menschen ist. Seid euch dessen bewußt, meine Lieben, und laßt das Bewußtsein dieser eurer Sendung in euch immer mehr zunehmen. 3. Euer Zentrum will und muß sich durch ein stufenweises und gut durchdachtes Wachsen entfalten, mit dem Ziel, die größtmögliche Anzahl von Menschen in jedem Winkel der Erde zu erreichen, von den Ländern des europäischen Ostens bis nach Lateinamerika und zu den Entwicklungsländern mit ihren jungen kirchlichen Gemeinschaften. 1261 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Herr segne diese eure Vorhaben und unterstütze euch, damit ihr durch eure Arbeit und euer Leben stets hochherzige Zeugen für die größte aller Nachrichten sein könnt, für die von Christus, dem Heil der Welt. 4. Unsere heutige Begegnung findet wenige Tage vor Weihnachten statt, dem Fest des Lichtes und des Erscheinens der „Gnade Gottes, die allen Menschen Rettung bringt” (vgl. Tit 2,11). Auch ihr seid berufen, dieses Licht, die Güte und Liebe Gottes auszubreiten und zu bezeugen. Seid euch dessen immer bewußt, und seid in Demut stolz darauf. In diesem Sinn wünsche ich jedem von euch und euren Familien schöne und frohe Weihnachten und ein an himmlischen Gaben reiches Jahr. Euch allen einen besonderen Apostolischen Segen. Vatikanischer Jahresrückblick 1993 Ansprache an die Römische Kurie am 21. Dezember 1. „O wunderbarer Tausch!” „O aclmirabile commercium!” Dieser Ausdruck, der irgendwie den Gipfel der Weihnachtszeit bezeichnet, findet sich in der Liturgiefeier des ersten Tages des Neuen Jahres, obwohl sein Inhalt schon vom Beginn dieser gesegneten Zeit an sehr wohl präsent ist. „O wunderbarer Tausch!”: Das verkündet vor allem die Nacht der Geburt des Herrn: „Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch Gott werden könne”: Dieser Gedanke kehrt oft in den Schriften der Kirchenväter des Ostens und des Westens wieder und wurde so zum festen Punkt des-Glaubens und der Lehre der Kirche. Die Liturgie übernimmt diese Ankündigung gleichsam als Leitmotiv. Insbesondere tun das die alten östlichen Liturgien, die bei der Darstellung der eucharistischen Gaben die Tatsache betonen, daß sie als von Gott empfangene Gaben dargebracht werden: „Tibi ex tuis” (Dir aus Deinen Gaben). Das gleiche tut die römische Liturgie, zumal im Gefolge der nachkonziliaren Erneuerung, wenn sie bei der Opferung das Brot und den Wein als Geschenk Gottes und zugleich als Frucht der menschlichen Arbeit darbringt. Es gilt erneut: „Dir aus Deinen Gaben.” Dieses Opferbewußtsein kehrt in verschiedener Weise auch in der Literatur wieder. Der polnische Dichter Jan Kochanowski hat im sechsten Jahrhundert geschrieben: „Dein ist tatsächlich alles auf dieser Erde, was der Mensch als sein Eigentum betrachtet. Daher loben wir dich mit dankbarem Herzen, o Herr, weil wir nichts Besseres zu opfern besitzen” (vgl. Piesni, Ksiegi wtöre, Piesn XXV, w 5-8). Der Mensch bleibt sich also im Verlauf der Jahrhunderte und durch die Generationen hindurch beim Darbringen seiner Gaben an Gott bewußt, daß er nur das darbringt, was er von ihm empfangen hat. Eben deswegen bringt er es dar. Die Tatsache der Darbringung zeigt, daß er sich bewußt ist, als Opfer ein empfangenes Geschenk darzubringen. Dieses Bewußtsein war bereits in der Nacht von Betlehem da. Die Hirten zeigten es, 1262 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN als sie Gaben für das Kind mitbrachten, wie es später auch die Weisen aus dem Orient taten. 2. Warum spreche ich heute bei diesem besonderen Anlaß von all dem? Ich tue es, um in die Stimmung der Feste einzütreten, die uns nahe bevorstehen, aber auch, um mich in die Atmosphäre dieser unserer jährlichen Begegnung zu versetzen. Ich treffe heute nämlich die Vertreter der Römischen Kurie und des Vikariates der Kirche in Rom; ich begegne daher denen, die das Umfeld bilden, in dem ständig der Austausch der Gaben erfolgt, auch in dem Sinn, den die Konzilskonstitution Lumen Gentium anspricht (vgl. Nr. 13). Dieser Austausch der Gaben bildet die Kirche in ihren verschiedenen Kreisen. Im Mittelpunkt befindet sich Rom, befindet ihr euch, verehrte Herren Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, gottgeweihte Personen und Laienmitarbeiter, die hier anwesend sind, und alle, die mit euch täglich Zusammenarbeiten. Man kann nicht umhin - zumal nach den Worten des Kardinaldekans, dem ich für den Ausdruck seiner Empfindungen danke -, an die Liturgie zu denken und an den Ausdruck „Dir aus Deinen Gaben” zu erinnern oder an jeden anderen lateinischen Ausdruck, der das Verbundensein des Geschenkes Gottes mit der Arbeit der Menschenhände betont. Diese Verbundenheit vollzieht sich ständig an eurem Arbeitsplatz, wo ihr mit dem Bischof von Rom zusammenarbeitet. Heute möchte der Papst euch dafür danken. Die beste Form des Dankes besteht aber darin, diese ganze Mühe und Zusammenarbeit dem Gottmenschen zu Füßen zu legen, der in Betlehem geboren wurde, sie in die Hände der Mutter Gottes und ihres Bräutigams, des hl. Josef, zu legen, wie es die Hirten in Betlehem und später die Weisen aus dem Orient getan haben: „Dir aus Deinen Gaben.” 3. Das Jahr 1993, das im Verlauf der Weihnachtsoktav zu Ende geht, war ein reiches Jahr, und es fallt mir schwer, nicht wenigstens an einige „Reichtümer” zu erinnern, die es uns geschenkt hat. Hier ist vor allem die zweite Synode der Kirche in Rom zu erwähnen, eine nachkonziliare Synode nach jener anderen im Pontifikat von Johannes XXIII. im Jahre 1960 kurz vor dem II. Vatikanischen Konzil. Der Charakter der kürzlichen Synodenversammlung war deutlich nachkonziliar, und das wurde auch zu Recht im Schluß dokument betont. Es genügt, das „Buch der Synode” durchzugehen, um dies festzustellen. In ihm findet die Kirche in Rom, die sich von 1987 bis 1993 aktiv mit der Synode beschäftigt hat, eine getreue Beschreibung ihrer Situation, aber auch ihrer Bedürfnisse und Bestrebungen, ihrer Projekte und apostolischen Pläne. Diese letzten sind nicht nur für die Diözese Rom wichtig, sondern für die ganze Kirche, der Rom dienen möchte. Rom und sein Bischof stehen im Dienst der kirchlichen Gemeinschaften der ganzen Welt: Dies wurde im zu Ende gehenden Jahr durch zahlreiche Besuche bekräftigt: in Italien, wo ich besonders an Sizilien denke, und außerhalb. Schon beim Besuch der römischen Pfarreien, die im allgemeinen mit verschiedenen Mitgliedern des Kardinalskollegiums verbunden sind, kann der Papst gewissermaßen die Stimme der na- 1263 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hen und fernen Kirchen vernehmen, zu denen die Kardinale gehören, die auch ihrerseits den Dienst des Petrusnachfolgers ausüben, den „Petrusdienst”. 4. Im zu Ende gehenden Jahr konnte ich die Kirchen in Benin, Uganda und Sudan in Afrika besuchen, dem Kontinent, der sich auf die Sonderversammlung der Bischofs-sysnode vorbereitet, die vom 10. April bis zum 8. Mai des kommenden Jahres in Rom stattfindet. Es war nicht das erste Mal, daß sich der Papst nach Afrika begeben hat; vielleicht wird es auch nicht das letzte Mal sein. Afrika ist gastfreundlich: Es nimmt den Papst gern auf und ist bereit, dafür jedes auch wirtschaftliche Opfer auf sich zu nehmen. Dies ist eine Besonderheit, die es im edlen Sinn auszeichnet. Afrika ist arm, doch zugleich reich durch den Reichtum, mit dem Christus uns alle reich gemacht hat, als er um unseretwillen arm wurde (vgl. 2 Kor 8,9). Dies soll nicht heißen, man dürfe in Afrika die Probleme der sozialen Gerechtigkeit verschweigen, nicht nur die im Inneren, sondern auch die auf Ebene der interkontinentalen Beziehungen; im Gegenteil müssen wir davon reden. Reden müssen wir auch von den Problemen, die unsere Beziehungen zu den Anhängern der großen Religion des Islam betreffen, um zu versuchen, sie offenen Geistes aufzugreifen, um mögliche Lösungen zu finden. Mein Besuch von nur einem Tag im Sudan gehört in diesen Zusammenhang. Die Gastfreundschaft der Hausherren war echt, und ich bin ihnen dafür dankbar. Die Autoritäten haben schätzenswerte Versprechungen formuliert, die das Leben der katholischen Gemeinschaften in dieser Nation betreffen. Ich spreche zugleich den lebhaften Wunsch aus, sie möchten praktisch verwirklicht werden als Zeichen eines konstruktiven Dialogs mit der Welt des Islam. Besonders bedeutsam war die Begegnung mit der Kirche dieser Nation, der der Papst eine würdige Tochter des Sudan als Selige schenken konnte, Giuseppina Bakita, die am 17. Mai 1992 auf dem Petersplatz zur Ehre der Altäre erhoben wurde. Der Papst hat sie ihrem irdischen Vaterland als erste Patronin zurückgeschenkt. So steht nun neben den Märtyrern von Uganda diese arme sudanesische Sklavin, die von Christus auf nur ihm bekannten Wegen zur Heiligkeit geführt worden ist. Der Reichtum Afrikas liegt nicht nur in seiner Gastfreundschaft, sondern auch in seinen Heiligen, deren Zahl ansteigt. Das ist nun eine große Freude für die Kirche in Rom und für die Synode der afrikanischen Bischöfe, die in ihre Endphase tritt. 5. Hier möchte ich ein Wort über meine Rückkehr in das Land von Christoph Kolumbus hinzufügen; Ich habe mich erst nach Sevilla zum Internationalen Eucharisti-schen Kongreß begeben und dann nach Huelva und an die Orte, wo Kolumbus sich mit seiner Mannschaft auf die entscheidende Fahrt über den Ozean vorbereitete, auch wenn er nicht wußte, wohin diese Expedition ihn führen sollte. Meine Präsenz in Spanien gewann im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum fünften Jahrhundert seit Beginn der Evangelisierung Amerikas besondere Bedeutung. Diese Evangelisierung kam seit 1492 voran dank der geistigen Kräfte, die Kolumbus im Verlauf seiner verschiedenen Expeditionen mitbrachte, und dann dank jener Kräfte, über die die Kirche in Spanien damals verfügte. Wir dürfen nicht vergessen, daß es die Zeit 1264 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN war, in der der hl. Ignatius von Loyola, die hl. Teresa von Avila und der hl. Johannes vom Kreuz hervortraten. Es war die Zeit, in der die Schule von Sala-manca zu großem Glanz aufzusteigen begann und die Grundlagen des modernen internationalen Rechtes legte. Doch schon zuvor hatte dies in einem gewissen Sinn die Akademie in Krakau durch ihren Sprecher auf dem Konzil von Konstanz getan. Die Präsenz des Papstes auf spanischem Boden wurde zumal in Madrid begeistert begrüßt bei Gelegenheit der Weihe der Kathedrale zu „Unserer Lieben Frau de la Al-mudena” und der Heiligsprechung des Gründers der theresianischen Familie, Enrique de Ossö y Cervellö. Bei diesem Abschnitt des „Fünften Jahrhunderts seit Kolumbus” haben sich auch die Proteste abgeschwächt, und es erhob sich zumal in Madrid ein Chor der Begeisterung für die Kirche und ihre Sendung in der heutigen Welt. Die Spanier haben mich mit ihrer Begeisterung überrascht, zumal die Jugendlichen. Gott sei für all das gedankt. Es war wie ein Vorgeschmack der Erfahrung von Denver. 6. Denver war tatsächlich die große Überraschung des Jahres 1993. Der Welttag der Jugend, der von Zeit zu Zeit an verschiedenen Orten der Erde stattfindet - der letzte hatte in Jasna Göra in Polen 1991 stattgefunden -, fand dieses Jahr in Denver in den Vereinigten Staaten am Fuß des Felsengebirges statt. Im Verlauf der apostolischen Reise, die mich nach Denver geführt hat, konnte ich die Besuche zum fünften Jahrhundert seit der Evangelisierung Amerikas ergänzen und mich bei den afro-ameri-kanischen Gemeinschaften der Insel Jamaica aufhalten und dann bei der indo-mexikanischen Gemeinschaft in Merida/Yukatän, auf den Spuren der Eingeborenen Mexikos. Die Beteiligung einer großen Schar ihrer Nachkommen war ein Zeugnis dafür, wie wirksam die Evangelisierung in diesem Land gewesen ist. Warum war Denver für mich die große Überraschung des Jahres 1993? Man sah, wenigstens nach einigen Informationsmedien, einen großen Protest voraus; der Welttag verlief aber als eine große Bestätigung. Nicht eine Bestätigung des Papstes oder der Kirche, sondern vor allem eine Bestätigung Christi. Und es war nicht das erste Mal, daß die Jugendlichen mit solchem Nachdruck ihren Wunsch aussprachen, das Evangelium in das neue Jahrtausend hineinzutragen. Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14,6); Christus ist bei ihnen, und sie verlangen mit echt jugendlichem Schwung nach seiner Gegenwart. Deswegen bejahen sie auch die Kirche, trotz der menschlichen Schwächen ihrer Mitglieder, und sie nehmen es nicht hin, daß ihnen ein solcher Schatz genommen wird. Wie kann man da noch behaupten, sie liebten Schlagworte wie: „Christus ja - Kirche nein?” Viele von ihnen folgen vielmehr einem Weg gegen den Strom, was die antichristliche Propaganda angeht. Das hat natürlich einige Kommunkationsmedien erstaunt und auch verwirrt, die sich darauf vorbereitet hatten, einen großen Protest zu erleben. Es war eine Überraschung für den amerikanischen Episkopat, der festgestellt hat, nicht alleinzustehen bei seiner Sendung zur Evangelisierung, sondern vor allem auf das Mitmachen der Jugendlichen als Baumeister der Zukunft zählen zu können. Die amerikani- 1265 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Bischöfe sprechen noch weiter davon und wiederholen: „Es war die große und außergewöhnliche Gnade dieses Jahres.” Ich mußte dies daher auch hier erwähnen, zumal 1993 das Jahr der Ad-limina-Besuche der Bischöfe der Vereinigten Staaten und Kanadas war: die Gnade der Begegnung von Denver wurde damit auch zur Gnade dieser Besuche. 7. An dieser Stelle möchte ich mit Geist und Herz in die baltischen Länder zurückkehren: nach Litauen, Lettland und Estland. Es war endlich möglich, dieses Land der Märtyrer zu betreten und mich unter die zeitgenössischen Zeugen für das Kreuz und die Auferstehung Christi zu begeben; dorthin, wo die missionarische Verkündigung, die von Rom nach Nord- und Osteuropa ausging, dem Schwung der Evangelisierung begegnete, die von Konstantinopel herkam. In diesen Ländern ist das Zeugnis des Glaubens erneut zur Kraft des Menschen geworden. Schwerlich kann man nicht tiefe Ergriffenheit empfinden bei der Erinnerung an den Hügel der Kreuze in Litauen. Schwerlich kann man mit Geist und Herz nicht zur Pforte des Morgenrots in Siluwa pilgern oder auch nach Aglona in Lettland. Schwerlich kann man seine Bewunderung unterdrücken, wenn man sieht, daß nicht nur das mehrheitlich lutherische Riga, sondern daß sogar in Estland, wo die Zahl der Katholiken kaum wenige Tausend übersteigt, die Bevölkerung den Papst so lebhaft und herzlich begrüßt hat. Nach Vilnius, Kaunas und Riga erwartete auch Tallinn die Präsenz des Nachfolgers des Petrus und seinen ökumenischen Besuch in der lutherischen Kathedrale wie auch alles, was er den Esten bei der Feier am Nachmittag in der Alten Stadt zu sagen hatte. Die damals improvisierten Worte erwiesen sich als wichtigster Augenblick nicht nur für Estland, sondern irgendwie für ganz Europa. Vor elf Jahren war Santiago de Compostela in Spanien der Ort der europäischen Stunde. 1993 hat Europa gleichsam die Ergänzung dieser Stunde in Tallinn nach den bekannten Ereignissen des Jahres 1989 erlebt. 8. Damit stehen wir bei der Enzyklika Veritatis splendor. Hier empfinde ich ein dringendes Bedürfnis, dem Geist der Wahrheit Dank zu sagen, weil er durch den Dienst des Apostolischen Stuhles, unterstützt durch das unermüdliche Wirken der Kongregation für die Glaubenslehre und zumal ihres Kardinalpräfekten, aber auch durch den Beitrag von Bischöfen und Theologen die Veröffentlichung dieses Dokumentes ermöglicht hat, das im Verlauf von fast sechs Jahren sorgfältig äusgearbeitet wurde. Heute kann man nicht leugnen, daß das Dokument notwendig war. Bisher mußte man die Wahrheit über den Menschen nach Osteuropa über die Mauer von Berlin hinweg verkünden; heute muß diese Wahrheit auch dem Menschen im Westen eingeschärft werden, der interessiert nach Osten schaut. Der Mensch ist überall der gleiche; und es gibt keinen Ort, wo die Worte Christi über die Wahrheit, die allein frei machen kann, keine Geltung besitzen (vgl. Joh 8,32). Diese Worte bilden die Grundlage der Soziallehre der Kirche, wie aus Centesimus annus hervorgeht (vgl. Nr. 46); sie bilden zugleich die Grundlage der ganzen menschlichen Moral, 1266 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenn diese sich nicht zu relativistischer Selbstzerstörung verurteilen will (vgl. Veri-tatis splendor, Nr. 87). Ist dies nicht leider das traurige Schauspiel, das die sich in der Welt verbreitenden moralischen Entgleisungen jeder Art bieten, wobei die sexuellen besonders bedauerlich sind, in die zuweilen, „ich sage es unter Tränen” (Phil 3,18), auch Mitglieder des Klerus verwickelt werden? Und wie sollen wir dann schweigen über die verschiedenen Formen von Sekten, die sich in traditionell christlichen Gebieten verbreiten und religiösen Synkretismus zeigen, bei dem das Verhältnis des Menschen zu Gott seine tiefe Wahrheit verliert? Die Kirche möchte der Sache des Menschen dienen und dahin wirken, daß seine Würde konkret in einem festen Rahmen von Gerechtigkeit und Frieden anerkannt wird. Dahin zielt ihr lehrmäßiges und pastorales Wirken in dem Bewußtsein, daß die Verkündigung Christi von diesem Dienst nicht getrennt werden kann. Gerechtigkeit und Frieden: Welch langen Weg hat die Menschheit hier noch vor sich! Bedrohliche Wolken der Zerstörung und des Todes hängen noch über zahlreichen Gebieten der Erde. Wie könnte man hier zum Beispiel die hemmungslosen Kriegshandlungen verschweigen, unter denen die Gebiete des ehemaligen Jugoslawien zu leiden haben? Wie sollte man sich nicht Sorgen machen angesichts des in vielen Teilen der Welt auflebenden übertriebenen Nationalismus? Möge das Weihnachtsfest mit seiner Botschaft der Hoffnung und der Liebe das Herz der Verantwortlichen rühren, so daß endlich für die von Gewalt und Ungerechtigkeit gequälten Völker ein Morgenrot des Friedens und der Unbeschwertheit aufgehe. 9. Wenn ich diesen Wunsch ausspreche, denke ich in besonderer Weise an die Friedensbemühungen, die sich im Mittleren Osten entwickeln, und ich bete zum göttlichen Erlöser, ein derart verdienstvolles Wirken zu segnen, auf das die ganze Welt voll Hoffnung schaut. Auch der Papst verfolgt mit Bangen die Entwicklung der derzeitigen Verhandlungen und vertraut täglich im Gebet Gott die Bemühungen an, welche die Menschen guten Willens mit diesem Ziel unternehmen. Ich bin besonders zuversichtlich, so Gott will, eine erste Reise in jene Gegend gegen Ende des kommenden Frühlings unternehmen zu können. Sie wird dem gequälten Land des Libanon gelten, der in den mehr als sechzehn Kriegsjahren so viel gelitten hat und sich derzeit auf die Feier der Sonderversammlung der Synode vorbereitet. Die Reise hat also ein kirchliches und ein pastorales Ziel: Sie möchte das Bemühen der Vorbereitung der Synode des Libanon verstärken und zugleich den Bevölkerungskreisen dort neues Vertrauen schenken in der Hoffnung, daß sie sich möglichst bald der vollen Freiheit in einem souveränen und geeinten Land erfreuen können, wenn einmal das unbeschwerte Zusammenleben von Gemeinschaften mit unterschiedlichen Überheferungen zurückgewonnen ist. Ich werde den Katholiken der verschiedenen Ostkirchen begegnen, doch glücklich sein, daß ich auch die orthodoxen Brüder wie auch die Anhänger des Islam begrü- 1267 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ßen kann. Ich bin ferner zuversichtlich, in den Mittleren Osten zurückkehren zu können, der Wiege der drei monotheistischen Religionen: der jüdischen, christlichen und islamischen, um alle Hauptorte zu besuchen, die mit dem christlichen Glauben verbunden sind, durch die die Patriarchen seit Abraham gegangen sind und wo auch Christus und die Apostel gewirkt haben. 10. Im Offertorium der Heiligen Nacht möchte ich auch diese Pläne und Hoffnungen zu den Füßen Jesu in der Grotte von Betlehem niederlegen. Danken wir, verehrte Brüder und hebe Mitarbeiter, gemeinsam dem Geist der Wahrheit, daß er nicht aufgehört hat, der Kirche in ihrem täglichen pastoralen Dienst beizustehen. Die so tiefe und reiche orientalische Liturgie konzentriert ihre Aufmerksamkeit auf den Ausdruck „sancta sanctis” (das Heilige den Heiligen). Mit den Gaben des Brotes und des Weines, die zum Altar gebracht werden, erneuert Christus sein gottmenschliches Opfer; das Opfer, in dem er sich dem Vater hinschenkt und zugleich uns in der eucharistischen Kommunion: „sancta sanctis.” Empfangen wir ihn auf den Knien an der Schwelle der Hütte von Betlehem. Empfangen wir gemeinsam seine jungfräuliche Mutter und Josef, den Beschützer der Heiligen Familie, und richten wir unseren Blick auf das Jahr der Familie, das am kommenden Sonntag, dem 26. Dezember und Fest der Heiligen Familie, beginnt. Verehrte Brüder im Bischofsamt und liebe Brüder und Schwestern! Dies ist nun der Ort und der geeignete Augenblick, um unsere Weihnachtswünsche und die fürs neue Jahr auszutauschen. „Sancta sanctis”. Alles, was an jedem Arbeitsplatz des Apostolischen Stuhles und im Vatikan sowie in den vielfältigen Dikasterien der Römischen Kurie und des Vikariates der Diözese Rom geleistet wird, möge jene Heiligkeit entstehen und reifen lassen, die Christus, den wir im Weihnachtsgeheimnis betrachten, uns schenken möchte. „Sancta sanctis”. Dies sind meine Wünsche für jeden von euch, die ihr an der heutigen feierlichen und zugleich familienhaften Begegnung teilnehmt, Frohe Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr für alle! Mit einem besonderen Apostolischen Segen. Jesus Christus ist der Herr der Geschichte Predigt während der heiligen Messe in der Weihnachtsnacht, 24. Dezember 1. „Ein Licht strahlt auf’ (Jes 9,1). Was für ein Licht strahlte in der Nacht über Betlehem in Judäa auf? Haben etwa alle sein Leuchten gesehen? Kam es von sehr weit her? „In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Dü trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie” (Lk 2,8-9). 1268 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Licht erstrahlte also in den Augen und Herzen jener Hirten: ein ungewöhnliches Licht, und darum „fürchteten sie sich sehr” (Lk 2,9). Und wie sollten sie sich nicht fürchten in tiefer Nacht? Jenes Licht kündigt den Neuanfang an. Der Engel sagt: „... denn ich verkünde euch eine große Freude ... Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren” (Lk 2,10-11). Betlehem in Judäa ist die Stadt Davids nahe bei Jerusalem, die von den Propheten als der Ort angegeben wurde, der den Messias bei seinem Kommen in die Welt aufnehmen würde. Christus ist das wahre Licht, das in die Welt gekommen ist (vgl. Joh 1,9), das „in der Finsternis leuchtet, und die Finsternis hat es nicht erfaßt” (Joh 1,5). Nur die vom Glauben erleuchteten Augen können es tatsächlich „sehen”. Die Hirten, einfache Männer und arm vor Gott, waren die ersten glücklichen Zeugen der Geburt des Retters. Warum sie und nicht andere Bewohner Betlehems? Warum nicht ganz Israel, das Volk, das Gott sich erwählt hat? Im Johannesevangelium finden wir die Antwort: „Das Licht kam in die Welt, und die Menschen bebten die Finsternis mehr als das Licht” (Joh 3,19). Soll man sich da also wundem? Soll man sich wundem, daß die Menschen das Licht nicht gesehen haben? Jahwe, Gott, hat das ganze Volk berufen, um das Kommen des Messias anzukündigen, aber in der Nacht seiner Ankunft hat er nur einige auserwählt, Zeugen des Geschehens zu sein: die Hirten von Betlehem. 2. Nun sind wir, liebe Brüder und Schwestern, hier in der Basilika Sankt Peter. Unter uns sind Bewohner dieser Stadt und Pilger aus verschiedenen Ländern. Rom ist immer eine Weltstadt gewesen. Einst war sie die Hauptstadt eines großen Reiches, heute ist sie ein modernes Kulturzentmm, das Personen aus den verschiedensten Gegenden der Welt aufsuchen. Einige kennen Christus schon, andere sind ihm noch nicht begegnet. Es ist, als würden sich in dieser Weihnachtsnacht alle hier verabreden. Der Gottesdienst, den wir feiern, findet gleichzeitig am Geburtsort des Messias statt. Wir sind also im Geist in Betlehem in Judäa zugegen, in jenem Land, das Gott als Geburtsort seines Sohnes ausersehen hat: dem Heibgen Land, dem Land der Ankunft Gottes. Nach langer Vorbereitung ist endbch „die Zeit erfüllt” (Gal 4,4), und Gott begegnet dem Menschen in seinem eigenen Sohn. Es ist Weihnachten! Während wir an diesem heibgen Ort beim Grab des Apostels versammelt sind fühlen wir uns mit aben verbunden, die an so vielen Orten des Erd-babs an derselben Liturgie teilnehmen. Gleichsam als weitete sich dieser „Ort” in die ganze Welt hinein aus, und jene, die hier zusammengekommen sind, verträten gewissermaßen die Nationen und Völker jedes Kontinentes. An abe richtet der Engel die frohe Kunde: „Heute ist euch ... der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr ... Ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden sob” (Lk 2,11.10). Christus ist für jeden Menschen geboren. Darum erinnert gerade auch das Konzil, wenn es sagt, „der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung 1269 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt” (Gaudium et spes, Nr. 22). Für alle! Er ist geboren, um alle zu retten, in jeder Epoche der Geschichte. Der Prophet erzählt von dem Volk, das in der Finsternis wandelte und ein helles Licht sah. Er erzählt von denen, die im Land der Finsternis wohnten, über dem ein Licht aufstrahlte (vgl. Jes 9,1). Jesaja spricht tatsächlich von uns! Die liturgischen Texte des Advent haben oft die Nacht und die Verlassenheit und Öde beschrieben. Sie haben von dem Tau gesprochen, der diese Öde fruchtbar machen soll. Und siehe da, die Liturgie dieser heiligen Nacht lädt die ganze Schöpfung zur Freude ein. „Es jauchze die Hur und was auf ihr wächst. Jubeln sollen alle Bäume des Waldes ... Der Fümmel freue sich, die Erde frohlocke, es brause das Meer und alles was es erfüllt” (Ps 96,12.11). Siehe, er kommt, „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung” (Kol 1,15). 3. Jesus Christus ist der Herr der Geschichte. Bei seiner Geburt läßt er sich entsprechend dem Erlaß des Kaisers Augustus eintragen. Maria und Josef begeben sich eben deshalb von Nazaret nach Betlehem, der Stadt Davids, weil beide aus dem Stamm und dem Hause Davids waren. Er, der in dieser Nacht in Betlehem geboren wird, fügt sich voll in die Geschichte des Menschen ein. Und wenn er einerseits deren Herr ist, so hat andererseits und gleichzeitig sein Kommen zu den Seinen nichts mit Herrschaft zu tun. Schon sieht man, gerade in diesem Augenblick, wie sehr „er sich entäußerte” und „wie ein Sklave” wurde (Phil 2,7-8). Schon in dieser Nacht sieht man, daß diese Erniedrigung den Anfang seines Leidens und Sterbens am Kreuz darstellt. Er kommt, um „sich hinzugeben” (Gal 1,4). So fügt sich die Heilsgeschichte in die Geschichte des Menschen ein. Das helle Licht, das vor den Augen der Hirten Betlehems erstrahlte, spricht heute zu denen von Heil und Rettung, die bereit sind, es mit schlichtem und demütigem Herzen aufzunehmen. 4. Woher kommt das Licht, das in Betlehem erstrahlte und das jene armen Hirten sahen? Es kommt vom Himmel. Der Glanz, der sich auf dem Firmament ausbreitet, geht von dem aus, der von sich sagen wird: „Ich bin das Licht der Welt” (Joh 8,12), das gekommen ist, die dunklen Wege der Menschen auf Erden zu erleuchten. Es geht von dem aus, der am dritten Tag auferstehen wird, um bis zum Ende zu bezeugen, das Er die Sonne der Gerechtigkeit ist, die jeden Menschen, der in die Welt kommt, zu erleuchten vermag. Er ist das Licht! Am Berg Tabor wird Sein Antlitz leuchten wie der Tag und damit das in Ihm gegenwärtige göttliche Leben offenbaren. In der Weihnachtsnacht sahen dieses Licht nur die Hirten und gingen unverzüglich zu der Quelle, von der es kam. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr hier anwesend seid, und ihr, die ihr überall auf Erden mit uns geistig verbunden seid, bitten wir den Herrn, teilhaben zu dürfen an diesem Licht. Die Heilige Weihnacht möge für alle ein neuer Anfang sein. „Der Himmel freue sich, die Erde frohlocke”, vor allem aber freue sich der Mensch! 1270 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Heilige Weihnacht ist das Fest des Menschen, der von Gott berufen ist, in seinem Ewigen Sohn selbst Kind Gottes zu werden und so dem Heil zu begegnen. Gott will, daß über den Völkern aller Kontinente das Licht leuchte und daß die ganze Menschheit sich über den „Glanz der Wahrheit” (Veritatis splendor) freue. Was kann Gott mehr für den Menschen wünschen? „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade” {Lk 2,14)! Die Menschheit soll eine solidarische Familie werden Weihnachtsbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi” am 25. Dezember „O admirabile commercium!... o wunderbarer Tausch! Der den Menschen erschuf, nimmt menschliches Leben an und wird aus der Jungfrau geboren. Von keinem Mann gezeugt, kommt er in die Welt und schenkt uns sein göttliches Leben.” 1. O wunderbarer Tausch! Gott, der Mensch geworden ist, schenkt uns sein göttliches Leben. Dies ist die Botschaft von Weihnachten, Botschaft der Nacht von Bet-lehem, die an diesem wunderbaren Tag widerhallt. Eine Botschaft, die uns die Kirche erneut mit den Worten des Lukasevangeliums verkündet, indem sie die Weissagung des Propheten Jesaja in Erinnerung ruft (vgl. Lk 2,10-11; Jes 9,5-6). Eine Botschaft, in der ihr eigenen Form in Worte gefaßt vom Verfasser des Briefes an die Hebräer (vgl. Hebr 1,1-2) und vom Apostel Johannes im Prolog seines Evangeliums: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt” {Joh 1,14). O wunderbarer Tausch! Der Schöpfer empfängt von der Jungfrau einen Leib; er kommt in die Welt und schenkt uns sein göttüches Leben. 2. Dies ereignete sich in Betlehem in Judäa. Doch hatte alles seinen Anfang in Na-zaret, wo der Engel der Jungfrau verkündet hatte, sie würde ein Kind empfangen, dem sie den Namen Jesus geben solle (vgl. Lk 1,31). Dieselbe Verkündigung hatte der Engel sodann an Josef gerichtet, um ihn auf das Ereignis der Nacht von Betlehem vorzubereiten. In Nazaret hat sich also die Familie gebildet, aus der für die Welt der Sohn Gottes als Menschensohn hervorgegangen ist. Und in Nazaret hat Jesus dreißig Jahre lang gelebt. Geheimnis der Heiligen Familie. 3. Eben dort in Nazaret wird morgen mit einer von dem Päpstlichen Gesandten gehaltenen feierlichen Eucharistiefeier das Jahr der Familie beginnen, das von der Küche gleichzeitig zum Internationalen Jahr der Familie ausgerufen wurde, das die Vereinten Nationen angeregt haben. Die Völker der Erde blicken gemeinsam mit 1271 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Kirche auf die Institution Familie, auf die Zukunft der Nationen und die Gemeinschaft der Kirche. Sie ist die natürliche Wiege jeder menschlichen Existenz. Jeder Mensch hat ein Recht auf die Wärme einer Familie, und die Kirche ist mit besonderer Zuneigung denen nahe, die dies leider entbehren müssen. Der Sinn der Familie, wie derjenige der ganzen menschlichen Existenz, ist in seiner ganzen Fülle nur vom Horizont des Geheimnisses her zu begreifen. Keiner wird allein für seine Eltern geboren noch ausschließlich für die Welt, wie der Apostel in Erinnerung ruft: „Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn” (Röm 14,8). 4. So wiederholt die Kirche heute für jede menschliche Familie die Worte der Liturgie: „O admirabile commercium: o wunderbarer Tausch.” Von einem Mann und einer Frau geboren, wird der Mensch „lebendiger Leib”: „animatum corpus su-mens.” Kraft der Geburt des Sohnes Gottes unter den Menschen ist jeder Mensch berufen, in Christus in gewisser Weise „lebendigmachender Geist” zu werden. Das Werden des Menschen verläuft also durch Weihnachten hindurch. Der Mensch wird als Menschenkind geboren, um in Christus „Kind Gottes” zu werden. Das Heisch gewordene Wort hat uns, wie uns der Apostel Johannes verkündet, Macht gegeben, „Kinder Gottes zu werden” (Joh 1,12). 5. Wenn wir also Kinder Gottes sind, sind wir auch Schwestern und Brüder. Alle. Welch eine große Verantwortung! Die freudige Kunde von Weihnachten, die heute in der Welt widerhallt, erinnert an das geheimnisvolle göttliche Vorhaben: aus der ganzen Menschheit eine einzige solidarische Familie zu bilden. Schwestern und Brüder, die ihr hier zugegen seid, Menschen guten Willens aus allen Nationen und Kontinenten! Möge Weihnachten das Fest der gegenseitigen Annahme und der Solidarität sein. Mögen „Arme und Herzen sich öffnen, um den anderen aufzunehmen, wer immer er auch sei. Wer bedrohend Waffen ergriffen hat, lasse von ihnen ab; wer Güter im Überfluß hat, trage Sorge für den Bruder, der Mangel leidet; der Raum der Brüderlichkeit weite sich aus bis an die Enden der Erde und überwinde ethnische, kulturelle, politische und religiöse Hindernisse und Schranken. Weihnachten, dieser gesegnete und verbindende Tag, werde für einen jeden ein Tag der Hoffnung und des Friedens. 6. Am Horizont unserer Zeit strahle das Licht von Betlehem auf und bringe Kraft und Ermutigung, vor allem den Opfern der menschlichen Tragödien, des Krieges, der Vertreibung, des Hungers, der Ungerechtigkeit, des Hasses und der Angst. Jenes Licht leuchte auf über der gequälten Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas und den weiten Gebieten im Südosten Europas, wo Gewalt glaubt, anderen das eigene Gesetz erbarmungslos aufzwingen zu können. Und wie könnten wir nicht auch an die Völker des Kaukasus denken, ebenso von bürgerkriegerischem Kampf zerrissen. Auch Afrika bleibt heute nicht von der unmenschlichen Logik ethnischer Konflikte verschont, unter deren Folgen zum Beispiel noch die Völker Burundis, Angolas und Somalias zu leiden haben. Allein gegenseitiger Respekt und brüderliche Annahme werden Haß und Feindschaft überwinden. 1272 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Besteht nicht darin, hebe Schwestern und Brüder, das einfache und stille Beispiel für das Leben, das uns das Jesuskind anbietet, von Maria und Josef in aller Schlichtheit dargeboten? Zu Ihm, dem „Fürsten des Friedens” {Jes 9,5), erhebt sich voll Vertrauen unser flehentliches Gebet. Göttlicher Erlöser der Welt, erwecke und fördere die Anstrengungen ah jener, die mit Zähigkeit und Mut die Eintracht zwischen den einzelnen Menschen und den Nationen verteidigen und aufbauen; segne besonders jene, die sich dafür einsetzen, die Dynamik des Friedens in der geüebten Region des Nahen Ostens voranzubringen, dem Heiligen Land unter allen anderen, da es erwählt wurde, Dich, Mensch gewordener Gott, aufzunehmen. Verleihe den Verantwortlichen der Völker weitsichtige Klugheit und unerschrockenen Mut, damit sie sich dafür einsetzen, den Weg der Geschichte auf das Ziel eines echten sozialen Fortschrittes zu lenken. Erfülle deine Kirche, Erlöser der Welt, mit erneuerter geistlicher und apostolischer Lebenskraft, damit sie das Evangelium vom Heil allen Menschen und dem ganzen Menschen zu verkünden weiß. 8. „O admirabile commercium: o wunderbarer Tausch!” Dies, hebe Schwestern und Brüder, ist die gute Nachricht; Dies ist die frohe Botschaft von Weihnachten: die Wahrheit des Heiles des Menschen in Christus. Euch allen, die ihr mich jetzt hört, hier auf dem Petersplatz und in allen Teilen der Erde, ich „verkünde euch eine große Freude” (Lk 2,10)! Nehmt diese frohe Botschaft auf, die in der Stille der Nacht von Bethlehem ihren Ausgang nahm und bis zu uns gelangt ist über zwanzig Jahrhunderte der Geschichte hindurch. Nehmen wir sie miteinander auf, und für alle werde wahrhaftig Weihnachten! Marianische Offenheit für die Erfordernisse unserer Zeit Ansprache bei der Sonderaudienz für die Leiterinnen der Schönstatt-Mädchenjugend am 30. Dezember Liebe Schwestern in Christus! Herzlich heiße ich Euch, die Leiterinnen der Schönstatt-Mädchenjugend, zu dieser Begegnung willkommen. Ich freue mich über Euren Besuch und danke Euch für die aufrichtige Verbundenheit mit dem Nachfolger des hl. Petrus, die Ihr damit bekunden wollt. Eure diesjährige Pilgerfahrt unter dem Leitwort „In der Kirche - für die Kirche: wie Maria!” hebt die Einzigartigkeit der Mutter Jesu für das Werden und Wirken der Kirche von ihren ersten Anfängen an hervor. In der Tat ist das Lebensschicksal Mariens in einzigartiger Weise mit dem Heils wirken Gottes verwoben, der sich seit der Nacht von Betlehem in der Geburt Jesu untrennbar mit der Geschichte der Menschheit und mit dem Leben eines jeden einzelnen verbunden hat. Maria ist dabei die einzige, die den irdischen Lebensweg des Herrn von Anfang an (vgl. Lk 2,6) mitgegangen ist und ihn bis in seine letzte Stunde hinein mitgetragen hat (vgl. Job 19,25). 1273 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Obwohl ihr manches im Leben Jesu unverständlich bleiben mußte (vgl. Lk 2,34 f.), hat sie in unerschütterlicher Treue ihr „fiat” durchgetragen und andere eingeladen, ihr darin zu folgen: „Was er euch sagt, das tut” (Joh 2,5). Dabei blieb es Maria nicht verborgen, daß die Sendung Jesu den engen Rahmen einer individuellen Familie sprengen würde, ja, daß seine Sendung allen menschlichen Familien und jedem Menschen galt. Nicht die Zugehörigkeit zu einer abgeschlossenen Gruppe, sondern die Öffnung für die Weite der Fülle des göttlichen Geheimnisses verlangt Jesus von denen, die seine „Mutter” und seine „Geschwister” sein wollen: „Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter” {Mt 12,50). So steht diese einzigartige Frau auch am Anfang der Kirche und gehört mit den im Gebet versammelten Aposteln {Apg 1,14), durch die Sendung des Heiligen Geistes bestärkt, zu den Urzeugen von Leben und Auferstehung des Herrn. Es ist für mich eine besondere Freude, in Euch, hebe Schwestern, Zeuginnen des Glaubens zu wissen, die aus dem Geist dieser marianischen Offenheit für die Erfordernisse unserer Zeit überzeugende Antworten im engagierten Wort und in stiller Tat vermitteln, die vor allem den jungen Frauen, deren Betreuung Ihr Euch widmet, etwas „sagen” und ihnen in der Formung und Stärkung ihres eigenen Glaubens verläßliche Hilfe sein können. Möge „Maria, die der ganzen Kirche auf dem Weg des Glaubens, der Liebe und der vollkommenen Einheit mit Christus vorangeht” {Mulieris dignitatem, Nr. 31), Euch auch im neuen Jahr unter ihren mütterlichen Schutz nehmen. Dazu erteile ich Euch und ah jenen, denen ihr Euch verbunden wißt, von Herzen meinen Apostolischen Segen. Seid echte Boten der Harmonie und des Friedens! Ansprache an die „Pueri Cantores” am 31. Dezember In französischer Sprache sagte der Papst: Liebe Freunde, meine liebe Jugend! 1. Mit Freude sehe ich euch bei eurem 26. Kongreß des Internationalen Verbandes der Pueri Cantores wiederum hier. Ihr seid in Rom versammelt, weil das, was ihr tut, seine Wurzeln im Glauben und in der Sendung der Kirche hat, im Glauben der Apostel Petrus und Paulus, die gerade an diesen Orten vor 2000 Jahren ihr Leben für Christus hingegeben haben. Diese tiefe Überzeugung hatten euer Gründer, Msgr. Maillet, und seine Nachfolger, insbesondere euer ehemaliger Präsident, Msgr. Joseph Roucairol, an den zu erinnern mir ein Anliegen ist. Seid also willkommen in Rom! Wenn ich euch sehe, denke ich, heute mehr denn je, an die ewige Jugend der Kirche. Ihr seid die Zukunft der Kirche, die von Gott die Zusage erhielt, daß sie niemals sterbe! Eure Stimmen singen es, eure Gesänge wie- 1274 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN derholen es: Auf den Stein, den Felsen der Apostel, hat Gott seine Kirche gebaut. Die Mächte des Todes werden sie nie überwältigen. Macht darum aus eurem Leben ein grenzenloses Lied der Liebe und des Lobpreises! Welches war die erste Reaktion der Engel in der Heiligen Nacht? Sie lobten Gott (vgl. Lk 2,13)! Ihr Singen verkündete die Herrlichkeit Gottes und den Frieden, den er den Menschen verspricht. Die weihnachtliche Zeit der Geburt des Herrn ist mehr als jede andere die Zeit des Lobpreises, des Lobes, das Gott preist, weil er einer aus uns werden wollte, um uns die Frohe Botschaft des Heils zu bringen. Warum Gott loben, wenn nicht wegen des Friedens, den er in unsere Herzen senken will, während in zahlreichen Ländern der Welt die Menschen sich gegenseitig zerfleischen und töten? Euer Kongreß ist international: Euer Gotteslob möge also über Grenzen hinweggehen! Das Wort „Engel” heißt, wie ihr wißt, „Gesandter”. Ihr seid auf eure Art „Gesandte”, um die Freude Gottes zu verbreiten und durch euren Gesang zu zeigen, daß der Glaube stärker ist als der Zweifel, die Hoffnung stärker als die Verzweiflung und daß die Liebe stärker ist als der Tod. Zu Weihnachten wurden die Engel von Gott gesandt, um den Hirten zu sagen, daß der Erlöser geboren wurde, daß neue Zeiten anbrächen, daß die Freude von einigen wenigen die Freude des ganzen Volkes sein werde. Ihr seid schon einige Tausend. Aber ihr habt ein unermeßliches Tätigkeitsfeld vor euch: Vereint euch, wie es Msgr. Maillet gewollt hat, damit alle Kinder der Welt den Frieden Gottes singen! In deutscher Sprache fuhr der Papst fort: 2. Euer Gesang, hebe Pueri Cantores, gehört, wie das Musizieren überhaupt, zu den Grundformen menschlichen Selbstausdruckes. Musik und die menschliche Stimme sind eines der kostbarsten göttlichen Geschenke, die dem Menschen verliehen sind, um seinen tiefsten Befindlichkeiten hörbaren Ausdruck zu verleihen. Gesang und das Musizieren auf Instrumenten gehören nahezu unlösbar zur Gottesverehrung in der jüdisch-christlichen Tradition (vgl. Ps 98,5; 2 Chron 29,27f.; Eph 5,19). Umgekehrt wird ihr Verstummen als untrügliches Zeichen der anbrechenden Endzeit verstanden (vgl. Offb 18,22). Dabei verlangt die Wahrung und Fortentwicklung des reichen Schatzes der kirchenmusikalischen Tradition, wie es das jüngste Konzil in Erinnerung gerufen hat (Sacrosanctum Concilium, Nm. 112-121), befähigte Künstler, Sänger und Musiker, die sich mit all ihren Kräften und Fähigkeiten der Entfaltung dieser künstlerischen Ausdrucksform widmen. Mit Fleiß und intensiver Arbeit vermögt ihr die Schönheit dieser Ausdrucksform herauszuarbeiten. Ihr geht dabei in die Schule alter und neuer Meister, um auf anspruchsvollem fachlichem und geschmacklichem Niveau den heutigen Menschen aus dem Herzen und ebenso in ihr Innerstes hineinzusprechen. So könnt ihr euch und eure Zuhörer kraft eurer Kunst öffnen und mithelfen, ihnen die tiefsten Dimensionen des menschlichen Seins zu erschließen. 1275 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf Spanisch fuhr der Papst fort: 3. Jede musikalische Betätigung, liebe Pueri Cantores, verlangt große Hingabe. Es handelt sich um eine lohnende Anstrengung, die das Gemüt erhebt und es feinfühliger macht für die geistigen Werte, besonders dann, wenn ihr mit eurem Singen in der Liturgiefeier den Gläubigen zu einer innigeren Gottesnähe verhelft. Der sakrale Gesang bringt die Menschen einander näher und bewirkt, daß sie sich als betende Gemeinschaft empfinden. Er ist eine Form des Dienstes, durch den man den Gläubigen hilft, den Herrn zu preisen. Um diesen Dienst geziemend zu erfüllen, ist nicht nur eine gute technische Ausbildung notwendig, sondern vor allem eine geistliche Vorbereitung durch die persönliche Verbundenheit mit Christus. Mit euren Stimmen, die sich harmonisch mit denen der andern verbinden, bringt ihr auch Freude, Reue, Vertrauen und Liebe wunderbar zum Ausdruck. Der Gesang ist wirklich eine gehobene Ausdrucksweise, der die Gemeinschaft der Herzen fördert. „Wer singt, betet zweimal”, sagt der hl. Augustinus. Darum ermutige ich euch, euer Singen fortzusetzen über alle Arten von Grenzen hinweg, damit es für die Welt zur bereichernden, bleibenden Botschaft des Friedens und der Geschwisterlichkeit werde. Folgendes sagte der Papst in Englisch: 4. Auch den Chorleitern und den andern Musikern, die sich mit so viel Großmut und Liebe der Ausbildung dieser jungen Sänger widmen, möchte ich danken. Eure Arbeit erfordert viele Übungsstunden und große Geduld bei dem Bemühen, die natürlichen, von Gott geschenkten Talente eurer Schüler und Schülerinnen zu fördern und die jungen Menschen anzueifem, daß sie diese Talente entfalten und sie zu seiner größeren Ehre und zum Dienst anderer einsetzen. Ihr habt eine wirkliche Sendung auf dem Gebiet der Erziehung, die von der Kirche sehr geschätzt wird. Benutzen die Väter der Kirche nicht oft das Bild eines Chores, wenn sie die herrliche Vielfalt der Gaben beschreiben, die der Heilige Geist zum Aufbau des Leibes Christi in Einheit und Heiligkeit verliehen hat? Mögen eure Chöre stets Schulen des Evangeliums sein, wo junge Menschen es lernen, mit einem Herzen und einer Stimme das Lob Gottes zu singen und die Schönheit und Wahrheit der gesungenen Texte in ihrer Lebensführung zum Ausdruck zu bringen. Abschließend ging der Papst auf die italienische Sprache über: 5. Meine lieben Pueri Cantores! Ich freue mich, in euch allen echte Botschafter der Harmonie und des Friedens herzlich begrüßen zu können. Morgen begeht die Kirche das Hochfest Mariens, der Mutter Gottes, und zugleich feiert sie, wie ihr wißt, den Welttag des Friedens. Wir werden inständig um den Frieden in der Welt beten und von unserer himmlischen Mutter erflehen, daß sie uns lehre, ihn vor allem in uns selbst und um uns her zu leben. Der Friede ist vor allem ein Geschenk, das aus Herzen hervorgeht, die fähig sind zu lieben und anderen in Wahrheit, Gerechtigkeit und 1276 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Edelmut Raum zu geben. Auch ihr seid berufen, eine Welt der Eintracht und der gegenseitigen Achtung aufzubauen in den Schulen, in den Konzerten, an denen ihr teilnehmt, in den Pflichten eines jeden Tages und zu Hause. Wir stehen am Anfang des „Jahres der Familie”, und ich möchte für euch heute wiederholen, was ich an die Jugendlichen der Welt in der Botschaft zum Weltfriedenstag geschrieben habe: „Ihr Kinder, die ihr mit der Leidenschaft eurer von Plänen und Träumen erfüllten jungen Jahre auf die Zukunft ausgerichtet seid, haltet das Geschenk der Familie hoch, bereitet euch auf die Verantwortung vor, sie in der Zukunft, die Gott euch schenken wird, aufzubauen bzw. zu fördern, je nach der euch zugedachten Berufung! Trachtet nach dem Guten, und hegt Gedanken des Friedens!” (O.R.dt., 6, 24.12.93). Als Erwachsene werdet ihr so in eurem Beruf jene Harmonie bezeugen können, die ihr jetzt so würdig mit euren Stimmen zum Ausdruck bringt. Mit diesen Wünschen erteile ich euch, die ihr hier anwesend seid, sowie euren Lehrern und allen euren Lieben meinen Segen, und ich wünsche euch ein gutes neues Jahr! Dank für das vergangene Jahr: Alles zur größeren Ehre Gottes Predigt von in der Jahresschlußmesse in Sant’Ignazio am 31. Dezember „Es ist die letzte Stunde” (7 Joh 2,18). 1. An diese letzte Stunde erinnert uns der erste Brief des hl. Johannes. Die letzte Stunde eines jeden Jahres bringt eine besondere Gnade mit sich: Man versteht es gut, wenn man sich am Abend des 31. Dezember in den Kirchen versammelt. Diese letzten Stunden sind den Gläubigen als Gelegenheit zur Wiedergutmachung und zur Danksagung angeboten. Liebe römische Brüder und Schwestern! Wir sind hier zum „Te Deum” versammelt und tragen im Herzen den Wunsch, während das alte Jahr zu Ende geht, die erste Stunde des neuen Jahres vorzubereiten. Wir wollen es vereint mit Jesus Christus tun. Gerade Er, der Eingeborene, der im Schoß des Vaters ruht, hat uns gelehrt, welchen Wert die Zeit des Menschen, eines jeden Jahres und einer jeden Stunde, hat. Wir kommen zu ihm in dieser römischen Kirche, die mit dem Erbe des hl. Ignatius von Loyola, des Gründers der Gesellschaft Jesu, verbunden ist. Dieser Heilige hat uns gelehrt, „wie wir aus der Fülle Christi schöpfen können; wie wir unser Leben nach dem Weg gestalten sollen, den Gott selbst einem jeden Menschen zeigt. Wir grüßen hier den Generaloberen der Gesellschaft Jesu; wir grüßen zusammen mit der ganzen Kirche Roms alle Jesuiten, die hier beten, studieren, arbeiten und auf dem Weg zur Heiligkeit sind. Wir grüßen vor allem die Heiligen, die durch dieses Kolleg und diese Kirche gegangen sind! Jesus Christus ist es, der uns das menschliche Le- 1277 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ben als Weg enthüllt. Indem wir von Ihm „Gnade über Gnade” empfangen, nähern wir uns Tag für Tag und Jahr für Jahr jener letzten Stunde, die nur der himmlische Vater kennt. 2. Heute versammelt sich hier die Kirche, die sich in Rom befindet. Diese Gemeinschaft des Glaubens, von Christus in wunderbarer Weise auf dem Fundament der Apostel erbaüt, deren Präsenz wir gewissermaßen immer fruchtbarer erfahren. Das zu Ende gehende Jahr hat unserer Kirche die einzigartige Erfahrung der Diözesan-synode geschenkt, die vor sieben Jahren begonnen und in diesem Jahr am Vorabend von Pfingsten, in der Nacht vom 29. Mai, beendet wurde. Ihre Überlegungen sind im „Buch der Synode” zusammengefaßt. Wir haben daher besonderen Grund, Gott unseren Dank auszusprechen. Wir alle haben Grund dazu: der Kardinalvikar, die Weihbischöfe von Rom und die ganze Gemeinschaft, das Presbyterium von Rom mit den Ordensgemeinschaften und allen Gläubigen dieser großen Stadt. Wir danken dem Herrn für die gemeinsamen Wege, die im gesamten Verlauf der Synode erneuert und gefestigt wurden und konkret die apostolische Gemeinschaft zeigen, die über die Jahrhunderte und die Generationen hinweg andauert. Die Synode knüpft an die lange Geschichte der Gemeinde von Rom an, der Stadt der großartigen staatlichen Traditionen und zugleich Sitz des Nachfolgers der Apostel. Diese Gemeinschaft ist heute großenteils neu. Das alte Rom ist gewissermaßen durch all das, was ringsherum gewachsen ist, kleiner geworden. Es sind neue Stadtviertel und neue Pfarreien entstanden. Die Randgebiete der Stadt brauchen dringend neue Kirchen, und ich stellte mit Freude fest, daß sie nach und nach auch errichtet werden. Im Verlauf des nun zu Ende gehenden Jahres konnte ich mehrere Pfarrgemeinschaften des alten und neuen Roms besuchen, wobei mir die Mitarbeit des Kardinalvikars zugute kam, den ich zusammen mit den hier anwesenden Weihbischöfen der verschiedenen römischen Aufgabenbereiche herzlich begrüße. Von Herzen danke ich diesen meinen direkten Mitarbeitern für ihre Hilfe. Ich grüße ferner ihre Helfer bei der mühseligen und ständigen Seelsorgsarbeit, die Pfarrer der einzelnen Gemeinden, und danke ihnen und den Priestern, die ihren Dienst in den vielen Aufgaben leisten, aus denen sich das Leben der Diözese zusammensetzt. In den vergangenen Monaten konnte ich folgende Pfarreien besuchen: St. Helena, St. Antonius in Settebagni, St. Pius X, die Pfarrei zur Heiligen Familie in der Via Portuense, St. Giuseppe Moscati, St. Eusebius auf dem Esquilin, die Pfarrei von der Verklärung Christi, die vom hl. Sakrament in Tor de’ Schiavi, St. Crispinus von Viterbo, die Pfarrei vom Kostbaren Blut Christi, ferner St. Oktavius und Gefährten. Jeder dieser Besuche wurde zu einer echten Begegnung, die sorgfältig und gründlich vorbereitet war. Schwerlich kann ich meine Freude und Dankbarkeit für die wachsende Zahl der Priesterberufe im römischen Seminar und in den anderen Seminaren, die sich in Rom befinden, verbergen. All das, zusammen mit der Synode, gibt uns Zeugnis von 1278 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jenem eindrucksvollen Erbe des Glaubens, das hier von den Aposteln grundgelegt wurde. Der Dienst des Bischofs von Rom hat freilich eine universale Dimension, und deswegen habe ich auch in diesem Jahr weitere Zentren in Italien und außerhalb des Landes besucht und damit die Einheit des Glaubens, die „communio ecclesi-arum”, sichtbar gemacht, welche Rom mit den Kirchen der ganzen Welt verbindet. Hier möchte ich dem neuen Bürgermeister der Stadt Rom und der Stadtverwaltung, die eng mit ihm zusammenarbeitet, ferner dem Stadtrat und den Distrikträten ein herzliches Wort widmen. Mögen, das ist mein Wunsch, diese politischen und administrativen Strukturen, die bei den kürzlich stattgefundenen Wahlen demokratisch gewählt wurden, stets aufrichtig und ernsthaft der gesamten römischen Bevölkerung dienen. Während ich in dieser Kirche die Gemeinschaft der Gesellschaft Jesu begrüße, denke ich auch herzlich an den lieben Kardinal Paolo Dezza, den Titular der Basilika, an ihren. Rektor und die Patres, die hier ihren Dienst verrichten im Andenken an die Heiligen, die hier gelebt und gewirkt haben, zumal die jungen Heiligen wie Aloysius von Gonzaga und Johannes Berchmans, die die jungen Generationen unserer Zeit weiterhin so vieles lehren können. 3. Liebe Brüder und Schwestern, wenn der Apostel sagt: „Dies ist die letzte Stunde”, fügt er gleich hinzu: „Der Antichrist muß kommen, und jetzt sind viele Antichristen gekommen. Daran erkennen wir, daß es die letzte Stunde ist” (7 Joh 2,18). Vielleicht klingen diese Worte ein wenig befremdlich im Zusammenhang mit dem feierlichen „Te Deum”. Doch sie sind der Wirklichkeit der menschlichen Erfahrung nicht fern. Der Apostel erinnert daran: „Die Welt steht unter der Macht des Bösen” (7 Joh 5,19). Es ist gut, daß dieser in der Welt anwesende Böse mit Namen genannt wird. Christus, der es zuließ, vom Geist der Finsternis versucht zu werden, hat uns beten gelehrt: „Erlöse uns von dem Bösen.” Wir wiederholen es in jeder heiligen Messe. Doch der Gedanke an all das vermindert nicht unsere Weihnachtsfreude; er ermutigt uns vielmehr, mit unserem Dank den Willen zur Wiedergutmachung zu verbinden. Wir können nämlich die Augen nicht verschließen vor dem, was uns umgibt. Wir können nicht übersehen, daß Christus und sein Evangelium ein „Zeichen des Widerspruchs” (Lk 2,34) sind und bleiben. Wir müssen der Tatsache ins Auge blicken, daß sich gleichzeitig mit der Kultur der Liebe, der Kultur der Wahrheit und des Lebens, eine andere Kultur ausbreitet: Und gerade von ihr spricht der hl. Johannes im Zusammenhang mit der „letzten Stunde”. Er schreibt: „Jetzt sind viele Antichristen gekommen”, und er fügt hinzu: „Sie sind aus unserer Mitte gekommen, aber sie gehören nicht zu uns” (7 Joh 2,19). Es ist, als wenn er mit anderen Worten das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen wieder aufhähme (vgl. Mt 13,24-30). Als Christus es erzählte, forderte er damit auf, bis zur Zeit der Ernte warten zu können. 1279 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. „Es ist die letzte Stunde.” Mit der Verkündigung dieser Wahrheit versichert Johannes den Adressaten seines Briefes aufs neue: „Ihr habt die Salbung von dem, der heilig ist, und ihr alle wißt es ... ihr wißt die Wahrheit” (1 Joh 2,20-21). Wenn wir hier versammelt sind, um mit Jesus Christus am Ende des Jahres 1993 vereint zu sein, dann richten wir, noch erfüllt vom Glanz des Weihnachtsfestes, unseren Blick auf die Zukunft. Wir wissen, daß „die Salbung von dem, der heilig ist”, eine innere Kraft meint: die Kraft, die Christus uns schenkt. Seit zweitausend Jahren betrachten wir den Herrn in seiner Herrlichkeit, in der „Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater voll der Gnade und Wahrheit” (vgl. Joh 1,14). Dies ist das Fundament unserer Hoffnung; deswegen glauben wir fest daran: „Himmel und Erde werden vergehen, aber seine Worte werden nicht vergehen” (vgl. Mt 24,35). Meine Lieben, gehen wir Christus nach! Wir wollen gemeinsam mit ihm die Schwelle überschreiten, die auf dem Kalender das zu Ende gehende Jahr von dem neuen scheidet, das um Mitternacht beginnt. „Te aetemum Patrem omnis terra vene-ratur” (Dich, den ewigen Vater, betet die ganze Erde an). Alle Nationen der Erde, die das Heil unseres Gottes gesehen haben, vereinen sich zum Hymnus des Lobes und des Dankes. Wir sind dankbar für die Zeit, die Gott uns gegeben hat; für die vergangene Zeit, die untergeht und sich nun entfernt. Wir sind sicher, daß Sein Wort nicht vergeht, nicht verschwindet. So fügen wir zum Dank und zur Sühne dieser Liturgiefeier die Hingabe hinzu. Wir gehen der neuen Zeit in dem Bewußtsein der Kraft entgegen, die uns von Christus im Heiligen Geist geschenkt wurde. Wir gehen voran, den Blick auf die Mutter des Erlösers geheftet, die Pforte des Himmels, von der der Sohn Gottes empfangen und geboren wurde. Auf sie schauen wir mit dem gleichen Vertrauen, mit dem vor etwa fünfzig Jahren Papst Pius XII. sich gerade in dieser Basilika an sie wandte, um zusammen mit dem römischen Volk das während der Besatzung im Krieg gemachte Gelübde einzulösen. Morgen wird die Kirche die Gottesmutterschaft Marias feiern, die eng mit dem Geheimnis der Heiligen Weihnacht verbunden ist: Maria geht uns auf dem Pilgerweg des Glaubens und der Vereinigung mit Jesus Christus voran. In Ihm, mit Ihm und durch Ihn sei dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist alle Ehre - Gott, der ist, der war und immer kommt. In Ihm hegt die Fülle aller menschlichen Zeit. In Ihm ruht die Zukunft eines jeden Menschen. In Ihm erfüllt sich die Hoffnung der Kirche und der Welt. „Te aetemum Patrem ommis terra veneratur -Dir, dem ewigen Vater, huldigt das Erdenrund.” 1280 IV. Ad-Limina-Besuche AD-L1M1NA-BES UCHE Lebensgemeinschaft mit der Heiligsten Dreifaltigkeit Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Äthiopien und Eritrea am 4. Oktober Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mein Herz ist voll tiefer Freude, da ich euch, die Hirten der Kirche in Äthiopien und Eritrea, anläßlich eures Besuches Ad Limina Apostolorum willkommen heißen darf. Als ihr zuletzt 1987 aus diesem Anlaß hier wart, habt ihr zu mir ergreifend von eurer tiefen Sorge um die Sicherheit und das Wohlergehen eures geliebten Volkes, das vom Krieg heimgesucht war, gesprochen und ich gab euch , die Versicherung, daß nicht nur ich selbst, sondern die ganze Kirche zum Herrn beten wird, euch Frieden zu schenken. Nun ist die Gewalttätigkeit vorüber. Heute ist es ein großer Trost, gemeinsam Gott, dem Vater aller Gaben, danken zu können, daß er die Völker von Äthiopien und Eritrea aus diesen schrecklichen Wirren befreit hat. Damals kamt ihr „in Tränen” zu den Gräbern der heiligen Petrus und Paulus, um die Befreiung zu erbitten, nun „kehrt ihr voll Freude zurück” (vgl. Ps 126,5-6). Der Ad-limina-Besuch bietet den Flirten der Einzelkirchen Gelegenheit, Rechenschaft darüber abzulegen, wie Gottes Gnade im Leben ihres Volkes Frucht bringt. Die Bemerkungen Eurer Eminenz mfen lebendig die harten Realitäten der Lage in Erinnerung, in der die Gläubigen von Äthiopien und Eritrea ihren Taufversprechen nachleben mußten. Ihr habt bezeugt, daß sie in Treue ihren Glauben lebten und in Hochherzigkeit die Liebe übten. Ich bitte daher einen jeden von euch, eurem Klerus, den Ordensleuten und Laien meine tiefe Verbundenheit im Herrn auszusprechen, meine Hochachtung für ihren Mut und ihre Standhaftigkeit, dazu meine zuversichtliche Hoffnung, daß so, wie Gott sie gestärkt hat, die Leiden der Vergangenheit zu tragen, er sie auch jetzt stützen wird, den vor ihnen liegenden Aufgaben gerecht zu werden. 2. In der neuen Ära, die sich für Äthiopien und Eritrea eröffnet, sind die Kirchen, deren Hirten ihr seid, bereit, eine doppelte Verantwortung zu übernehmen: bei der dringenden Aufgabe der Beseitigung des Schadens zu helfen, den der Krieg verursacht hat, und zur langfristigen Entwicklung eurer Völker beizutragen. Was die unmittelbare Aufgabe der Beseitigung des vom Krieg verursachten Leids angeht, kann niemand das Ausmaß der zu erfüllenden Bedürfnisse bezweifeln: Betreuung derer, die an Leib oder Geist verwundet geblieben sind, Unterstützung der Witwen und Waisen, neue Ansiedlung der verschleppten Personen und entwaffneten Soldaten, Vereinigung der Familien, Wiederaufbau der Häuser, Wiederherstellung endlich eines normalen sozialen und wirtschaftlichen Lebens. Dies sind gewaltige Aufgaben, die die hingebungsvolle Zusammenarbeit aller fordern. Die katholischen Gläubigen werden in Befolgung des Beispiels Christi, der über den Leiden der Menschen, die er traf, von Mitleid gerührt war (vgl. Mt 14,14), in vollem Maße sich be- 1283 AD-LIMINA-BESUCHE teiligen und versuchen, diese Lasten zu erleichtern. In dieser Hinsicht ist das Äthiopische Katholische Sekretariat, das so verdienstvoll den Opfern des durch Krieg und Trockenheit verursachten Hungers geholfen hat, ein klares Zeichen und ein wirksames Werkzeug des Willens der Katholiken, jenen praktische Dienste zu leisten, die materiell oder geistig Not leiden. 3. Es kann aber keine Heilung von den Wunden des Krieges und der Gewaltanwen- dung geben ohne den Geist der Versöhnung bei den Einzelnen und den beteiligten Volksgruppen. Wie ihr in eurem Hirtenbrief 1991 „Der Friede entspringt der Versöhnung” betont habt, hängen die Hoffnungen der Völker Äthiopiens und Eritreas auf Frieden von der Erreichung der nationalen Versöhnung ab, zumal durch Verpflichtung zu völkischer und religiöser Toleranz. Ich teile eure Befriedigung über die Zeichen, die anzeigen, daß auf vielen Ebenen tatsächlich ein festes Bemühen um Versöhnung und Zusammenarbeit da ist. Wenn Spaltungen überwunden, Ungerechtigkeit verziehen, Feinde zu Freunden werden und die Bande der Solidarität wiederhergestellt werden, so sind das Zeichen dafür, daß „Gottes Liebe in unsere Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, der uns geschenkt wurde” (Rom 5,5). Seine Kraft ist am Werk in all denen, die sich diesen Anliegen widmen. Möge der Allmächtige die Völker Eritreas und Äthiopiens und ihre Führungskräfte unterstützen, daß sie auf diesem Weg immer größeren Fortschritt erzielen, und möge sich der Geist der Versöhnung über die Grenzen eurer Nation hinaus in alle Teile am Horn Afrikas verbreiten. 1 4. Die Bürger Äthiopiens und Eritreas hegen hohe Erwartungen für den Aufbau einer Gesellschaft, die dem wahren Wohl ihrer Mitglieder dienen soll - einer Gesellschaft, die sich für die Wahrung der Menschenrechte einsetzt, Korruption und Gesetzlosigkeit ausmerzt, dagegen völkische und bürgerliche Harmonie fördert. Obwohl die Katholiken in Äthiopien und Eritrea eine kleine Minderheit sind, heben sie doch ihr Land und haben einen ausgeprägten Sinn für ihre Pflicht, ihm eine glücklichere Zukunft zu sichern. Sie suchen, ein Sauerteig der Gerechtigkeit und Solidarität zu sein und arbeiten eifrig mit den Mitgliedern der anderen christlichen Kirchen sowie mit den Männern und Frauen anderer Reügionen und allen Menschen guten Willens zusammen beim Aufbau der Gemeinschaften, denen sie angehören. Die Kirche bietet euren Ländern wie jeder Nation oder Gesellschaft, in der sie weilt, die Wahrheit an, die sie von ihrem göttlichen Gründer über den Sinn des menschlichen Lebens erhalten hat. Sie verkündet, daß der eigentliche Grund für Gewaltanwendung die Verderbnis des menschlichen Herzens ist (vgl. Mt 15,18-19), und daß eine Gesellschaft, die auf der Leugnung von Gottes und der Ermutigung zum Klassenkampf aufgebaut ist, keinen Erfolg haben kann, wie die Ereignisse der jüngeren Geschichte bezeugen. Der Mensch ist Gottes Geschöpf und von ihm als soziales Wesen geschaffen, um mit anderen für das Gemeinwohl zu wirken1 in einer Weise, daß alle ihrer transzendenten Bestimmung folgen. Eure Verkündigung dieser Wahrheiten erhellt den Weg zur integralen Entwicklung, die notwendig ist, wenn eure Völker 1284 AD-LIM1NA-BES UCHE über die aus der Vergangenheit überkommen Schwierigkeiten hinwegkommen wollen. Um diesen wichtigen Dienst zu erfüllen, muß die Kirche in Äthiopien und Eritrea immer klarer dastehen als Zeichen der Einheit, die Gott für die ganze Menschheit will (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Es ist von größter Wichtigkeit, daß innerhalb der 'Gemeinschaft der Christen keine Rivalität oder Unordnung herrscht. Wie immer ihre Sprache, Rasse, ihre völkische Herkunft oder ihr kulturelles Erbe sein mag, die Gläubigen von Äthiopien und Eritrea sind ein Teil des einen Leibes Christi, eins in der Gemeinschaft des Lebens mit der allerheiligsten Dreifaltigkeit und „untereinander Glieder” (Röm 12,5). 5. Änderungen in den politischen und sozialen Verhältnissen eurer Völker stellen die Kirche nicht nur vor viele Aufgaben in ihrem Dienst für die Gesellschaft, sie bieten zugleich neue Gelegenheiten für das Wachstum der Gemeinschaft der Christen selbst. Ich teile zumal eure Befriedigung über die Aussichten der Evangelisierung, die sich durch die Garantie der Religionsfreiheit eröffnet haben. Ich vereinige mich mit euch im innigen Gebet, daß Klerus, Ordensleute und gläubige Laien den Forderungen dieser Stunde voll entsprechen und durch immer hochherzigere Gesten der Liebe zu Gott und dem Nächsten ein leuchtendes Zeugnis für das Evangelium geben. Als Hirten, deren Aufgabe es ist, „alles zu regeln, was zur Ordnung des Gottesdienstes und des Apostolats gehört” (Lumen Gentium, Nr. 27), seid ihr heute verpflichtet, der Reorganisation vieler Elemente des kirchlichen Lebens in Antwort auf die neue Situation besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Ich bin zuversichtlich, daß alles geschieht, um eine wirksame Predigt des Evangeliums sicherzustellen, und alle sich in wachsendem Ausmaß um die Ausbreitung des Reiches Gottes mühen -was ja das Anliegen aller Strukturen und Tätigkeiten der Kirche ist. Tatsächlich ist eines der glücklichsten Ergebnisse des Friedens die Bereitstellung größerer Mittel für die Evangelisierung derer, zu denen das Licht des Evangeliums noch nicht gelangt ist. Auch in euren Ländern, wo der Glaube vor so vielen Jahrhunderten schon Wurzeln geschlagen hat, muß weiter die Erstverkündigung erfolgen. Die Wiederherstellung des bürgerlichen Friedens aber macht es dem Wort Gottes um so mehr möglich, freier zu ertönen und sich weiter und klarer vernehmbar zu machen. Viel muß noch geschehen. Euer Klerus und eure Ordensleute sind gemeinsam mit den hochherzigen Missionaren, Männern und Frauen, die unter euch dienen, aufgerufen, ihre Hingabe an die Sache der Evangelisierung und Katechese zu erneuern und zu verstärken. Ich spreche all diesen Herolden des Evangeliums meine herzliche Verbundenheit aus und gedenke ihrer in meinen Gebeten. 6. In dieser neuen Atmosphäre ist ebenso zu hoffen, daß die Schulen und alle anderen Erziehungsprogramme der Kirche - zumal der Religionsunterricht - zu immer wirksameren Werkzeugen des Apostolats entwickelt werden. Im kürzlich veröffentlichten Katechismus der Katholischen Kirche besitzen die Gläubigen von Äthiopien 1285 . AD-LIMINA-BES UCHE und Eritrea ein sehr geeignetes Hilfsmittel für ihre Aufgabe, den Glauben in seiner Fülle weiterzugeben. Die Sendung des Bischofs, der hauptsächliche Lehrer seiner Ortskirche zu sein, erfordert, daß er gesunde Lehrer der echt christlichen Lehre für seine Gläubigen bereitstellt (vgl. Christus Dominus, Nr. 14). Ich ermuntere euch, weiter ,gut ausgebildete Priester und Ordensleute, Lehrer und Katechisten für diesen Dienst an euren Volk zur Verfügung zu stellen. Priester sind sakramental geweiht für eine besondere Teilhabe am apostolischen, den Bischöfen übertragenen Dienst. Daher ist ihre Bildung vor und nach der Weihe eure Hauptsörge. Alles Bemühen um eine Stärkung der spirituellen, intellektuellen, menschlichen und pastoralen Entwicklung der Priester wird sich überreich bezahlt machen durch die gesteigerte Wirksamkeit ihres Dienstes am Volk Gottes. 7. In den Monaten und Jahren, die vor euch liegen, muß natürlich der Ausbau der ökumenischen Beziehungen, zumal mit Klerus und Gläubigen der äthiopischen orthodoxen Kirche, ein besonders dringliches Anliegen sein. Wie ich bei meiner Begegnung im Juni dieses Jahres mit Abuna Paulos, dem Patriarchen der äthiopischen orthodoxen Kirche, in Erinnerung gerufen habe, „teilen wir den Glauben, den wir von den Aposteln übernommen haben, die gleichen Sakramente und den gleichen Dienst, der in der apostolischen Nachfolge wurzelt” {Ansprache am 11. Juni 1993, Nr. 2). Der Erfolg des Dialogs in Liebe, der zwischen der katholischen Kirche und der äthiopischen orthodoxen Kirche wieder aufgenommen wurde, erfordert „eine Verbesserung der brüderlichen Beziehungen auf allen Ebenen” (ebd., Nr. 3).-Ich bin zuversichtlich, daß der Herr, der die Einheit seiner Nachfolger so heiß ersehnt, euch stützen wird in all euren Bemühungen zur Förderung der gegenseitigen Hochachtung und Liebe, so daß jeder, der den Namen eines Christen trägt, erneut die Fülle der Gemeinschaft entdeckt. 8. Selbst in den dunkelsten Tagen des gewalttätigen Konflikts haben die Gläubigen von Äthiopien und Eritrea nie ihr Vertrauen auf die Macht der Fürbitte Mariens, der Mutter der Barmherzigkeit, verloren, denn sie umfängt alle, die sie in ihrer Not an-rufen, und hört nie auf, um ihre Befreiung vom Bösen zu bitten. Euer kindliches Vertrauen wurde nicht enttäuscht, und so verbinde ich mich mit euch mit um so größerer Zuversicht und Hoffnung und vertraue die Gläubigen eurer Kirchen ihrem liebevollen Schutz an. Sie wird für euch die Kraft erlangen, die ihr braucht, um alles zu tun, was ihr göttlicher Sohn in dieser entscheidenden Stunde in der Geschichte eurer Nationen von euch wünscht. In herzlicher Verbundenheit erteile ich euch und euren Völkern meinen Apostolischen Segen. 1286 AD-LIM1NA-BESUCHE Die Laien müssen Sauerteig des Evangeliums sein Ansprache an die Bischöfe von Äquatorialguinea beim Ad-limina-Besuch am 18 . Februar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! L Der Herr schenkt uns die Gnade dieser Begegnung als Höhepunkt des Ad-limina-Besuchs, den ihr, die Hirten der Kirche in Äquatorialguinea, hier abstattet. Ich heiße euch herzlich willkommen und danke Gott dafür, daß er es uns erlaubt hat, in brüderlichem Geist die Hirtensorge um das Leben, die Hoffnungen und Schwierigkeiten eurer Diözesen zu teilen. Auch danke ich von Herzen für die freundlichen Worte, die Bischof Anäcleto Sima Ngua Obono, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, an mich gerichtet hat, wobei er gleichzeitig im Namen eurer Mitarbeiter in den Diözesen und auch eurer Gläubigen sprach. 2. Während eurer Einzelaudienzen konnte ich nicht umhin, der mir noch in lebhafter Erinnerung gebliebenen apostolischen Reise zu gedenken, die mich im Februar 1982 in euer geliebtes Land führte und es mir erlaubte, die Wurzeln eures christlichen Glaubens und eurer Geschichte näher kennenzulemen. Es ist mir bekannt, daß dieser unvergeßliche Tag mit der Hilfe Gottes apostolische Initiativen zeitigte, denen ihr in der Pastoralplanung konkrete Gestalt zu verleihen wußtet; andererseits wolltet ihr anläßlich des zehnten Jahrestages meines Besuches dem Aufruf, den ich bei der Predigt auf der „Plaza de Libertad” in Bata aussprach, neuen Nachdruck verleihen: Es handelt sich um die Aufforderung an „alle Sektoren des kirchlichen Lebens zu erneuerter Treue dem Missionsauftrag gegenüber” (Predigt vom 18. Februar 1982). Die Herausforderung, welche die schweren, auf eurem Land lastenden Probleme für die Kirche darstellen, verlangt von euch, liebe Brüder, einen rückhaltlosen Einsatz für die unablässige Verkündigung des Evangeliums, für die unverzichtbare Erneuerung eurer Gemeinden, für die Kenntnis und das Verständnis der Bewohner Äqua-torialguineäs, die ihr Sehnen nach Gott und ihr berechtigtes Streben nach Achtung ihrer Würde und Schutz ihrer Rechte befriedigt sehen wollen. Christus hat euch erwählt und ausgesändt, damit ihr mit eurem Wort und eurem Leben allen die Botschaft seiner heilbringenden Wahrheit verkündet. Als Erzieher im Gläüben und „authentische Lehrer” (Lumen Gentium, Nr. 25) seid ihr zu eifrigem Gebet und aufmerksamem Hören auf das Wort Gottes verpflichtet, um es an eure Mitmenschen weitergeben und so in allen Ereignissen den Plan Gottes wahmehmen zu können (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 4). Eure Verkündigung muß immer ein Zeugnis sein für eure persönliche Begegnung mit Christus und euren rückhaltlosen Einsatz in der Verbreitung des Evangeliums und im Aufbau des Reiches Gottes in kirchlicher Gemeinschaft. 3. Bei der Ausübung eures Dienstes, um „das Werk Christi, des ewigen Hirten, durch alle Zeiten fortzusetzen” (Christus Dominus, Nr. 2), zählt ihr in erster Linie 1287 AD-LIM1NA-BESUCHE auf die Hilfe eurer Priester, die das Zweite Vatikanische Konzil „sorgsame Mitarbeiter” (Lumen Gentium, Nr. 28) des Bischofs nennt. Seid ihnen deshalb möglichst nahe in herzlicher Freundschaft, nehmt an ihren Freuden und Schwierigkeiten Anteil, und unterstützt sie, wenn notwendig; auf diese Weise werden sie, immer auf die Hilfe der göttlichen Gnade bauend, in der Lage sein, mit größerem Vertrauen und hochherzig den täglichen Schwierigkeiten zu begegnen, die mit der Priesterweihe übernommenen Verpflichtungen treu zu erfüllen und dem gehorsamen, armen und keuschen Christus ähnlich zu werden. Wenn ich an eure Teilkirchen denke, erinnere ich mich auch der verschiedenen Kongregationen und Ordensgemeinschaften, die sich dort niedergelassen haben. Neben ihrem unersetzlichen Wirken im Bereich der Evangelisierung und der Katechese, der Liturgie- und Sakramentenpastoral haben die Ordensleute viele wichtige Erziehungs- und Sozialwerke der Kirche sowie Hilfsdienste für die Armen und Kranken in der Hand. Deshalb möchte ich Ihnen gemeinsam mit euch für ihren Einsatz zum Nutzen des geistlichen Wachstums eurer Gemeinden danken und sie gleichzeitig auffordem, weiterhin als Gottgeweihte großmütig ihren Beitrag zum Werk der Evangelisierung zu leisten, damit das Samenkorn, das in der Vergangenheit von den selbstlosen Missionaren ausgestreut wurde, in unseren Tagen reiche Fracht trage zum Wohl der geliebten Söhne und Töchter Äquatorialguineas. 4. Die vordringliche Sorge eures bischöflichen Dienstes muß der Pastoral der geistlichen Berufungen gelten. Während der letzten Jahre konntet ihr zu eurer Freude eine zahlenmäßige Zunahme der Seminaristen verzeichnen. Diese Zunahme berechtigt zu der Hoffnung, daß ihr in den nächsten Jahren die Möglichkeit haben werdet, euer Presbyterium mit einer gewissen Zahl einheimischer Priester zu bereichern. Das Zweite Vatikanische Konzil betont ganz besonders, daß die Hirten den Ausbildungszentren für Priester die gebührende Aufmerksamkeit schenken müssen, weil dort die Kandidaten, zusammen mit einer entsprechenden intellektuellen Ausbildung, dank des Gebetes und der Sakramente jene tiefe, persönliche Beziehung zu Christus erwerben sollen, durch die sich ihre Berufung erkennen: sein Wirken zugunsten ihrer Brüder und Schwestern weiterzuführen. Das von euch geplante nationale Seminar muß der Pflege der Saat dienen, welche die Kontinuität der Diener des Evangeliums gewährleistet, und die Probleme lösen, die heute auf dem einheimischen Klerus lasten. Die Seminare und Ausbildungszentren sollen, wie oft in den vom Apostolischen Stuhl herausgegebenen Richtlinien betont wird, die gemeinschaftliche und persönliche Frömmigkeit unterstützen sowie ernsthaften Studien und der Disziplin dienen; gleichzeitig sollen sie das brüderliche Zusammenleben und die allmähliche Einführung in die Seelsorge als Gewähr für eine solide Vorbereitung auf das Priestertum oder das Ordensleben fördern. Deshalb sollt ihr keine Mühe scheuen, um diese vorrangige, geradezu übernatürliche Verantwortung für die Gegenwart und die Zukunft der Kirche in eurem Land auf euch zu nehmen. 1288 AD-LIM1NA-BESUCHE 5. Im Rahmen der Evangelisierung verdient die Familie besondere Aufmerksamkeit, da sie nicht nur die Kemzelle der Gesellschaft ist, sondern auch Ort der Begegnung mit Gott und zugleich der geeignetste Rahmen für die Vervollkommnung der Gnade des Ehesakraments. Ihr habt es nicht unterlassen, auf die Übel hinzuweisen, welche in eurem Land die Familie als solche bedrohen: eheähnliches Zusammenleben, Untreue, Auflösung der ehelichen Gemeinschaft, Verletzung des Rechtes auf Leben, Verhinderung der Fruchtbarkeit und Verlust der Werte der Familie. Somit ist eine verstärkte Pastoral erforderlich, die als Antwort auf diese verschiedenen Herausforderungen die Familien dazu anregt, ihre Sendung zu erfüllen, das heißt: Ort der Liebe und Raum der Heiligung ihrer Glieder zu sein. Viel können auf diesem Gebiet die Laien tun, die christlichen Männer und Frauen. Ihr müßt daher ihre verantwortungsbewußte Teilnahme am Leben der Kirche fördern. Obwohl in dieser Richtung schon einige Schritte unternommen wurden, bleibt noch ein langer Weg zurückzulegen. Erforderlich ist, die Präsenz der Kirche und der Katholiken in der Gesellschaft Äquatorialguineas neu zu gestalten. Die Laien müssen Sauerteig des Evangeliums sein, müssen die zeitlichen Wirklichkeiten mit der Dynamik der Hoffnung und der Kraft der christlichen Liebe durchdringen und umgestalten. Besondere Anerkennung verdienen - aufgrund der wichtigen Rolle und der Verdienste in ihren Gemeinden - die Katechisten. Während ich ihnen im Namen des Herrn für die von ihnen geleistete apostolische Arbeit danke, fordere ich sie auf, sich unablässig weiterzubilden, um so besser den Herausforderungen der Neuevangelisierung gerecht werden zu können. Mit ihrem unermüdlichen und selbstlosen Wirken nehmen sie an der Erfüllung einer dringenden Aufgabe teil: an der Einführung des Volkes in die wesentlichen Wahrheiten des katholischen Glaubens, insbesondere in diesem Augenblick, in dem fundamentalistische Sekten und neue religiöse Gruppen in manchen Gebieten eures Landes Anhänger werben, wobei sie Verwirrung stiften und den Zusammenhalt und die Einheit der Botschaft des Evangeliums aufweichen. 6. Andererseits müssen das notwendige Wachstum im Glauben und das christliche Zeugnis im Interesse einer Umgestaltung der zeitlichen Wirklichkeiten gemäß den Plänen Gottes auf einer aktiveren Teilnahme der Laien am liturgischen und sakramentalen Leben der Kirche beruhen. Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert ja daran, daß „die Liturgie der Gipfel (ist), dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der alle ihre Kraft strömt. Die apostolische Arbeit ist darauf hingeordnet, daß alle, durch Glauben und Taufe Kinder Gottes geworden, sich versammeln, inmitten der Kirche Gott loben, am Opfer teilnehmen und das Herrenmahl genießen” (Sacrosanctum concilium, 'Ni. 10). Die Laien, Männer und Frauen, müssen sich dazu berufen fühlen, einen großmütigen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. Alle müssen in ihrem täglichen Leben, im Bereich ihrer konkreten gesellschaftlichen Verantwortungen, in ihren wirtschaftlichen, 1289 AD-LIMINA-BESUCHE gewerkschaftlichen, politischen, erzieherischen und kulturellen Tätigkeiten, in der gesundheitlichen Betreuung, in ihrem Wirken für den Fortschritt des Menschen und in den Massenmedien Gerechtigkeit und Solidarität fördern. Man muß aber stets bedenken, daß es - unter Wahrung der berechtigten Autonomie des politischen Bereichs - zweifellos Aufgabe der Hirten des Volkes Gottes ist, die im öffentlichen Leben tätigen Laien dem Evangelium entsprechend zu belehren (vgl. Gaudium et spes. Nr. 76). : 7. Die Laien bedürfen einer festen und treuen Verwurzelung in Christus und der Kirche, damit sie als Zeugen für Gott und Verkünder der Frohbotschaft des Heils inmitten der Welt gegenwärtig sein können. Deshalb lade ich euch nochmals ein, auf der Verbreitung der Katechese zu bestehen. Einen wertvollen Beitrag kann hier neben seiner Bekanntmachung das Studium des kürzlich veröffentlichten Katechismus der katholischen Kirche leisten. Auch darf bei der katechetischen Arbeit, insbesondere wenn sie den auf sozialem und politischem Gebiet Engagierten gilt, eine entsprechende Unterweisung in der Soziallehre der Kirche nicht fehlen, da diese das christliche Verhalten beseelen uiid eine unablässige Bekehrung zu den Werten des Evangeliums hervorrufen muß: Die Berufung des christlichen Laien erfordert besonders den entschiedenen Einsatz für die Gerechtigkeit, die Achtung der Menschenrechte und die Moralität und Redlichkeit im öffentlichen Leben, wobei all das anzuprangem ist, was dem Gemeinwohl und dem friedlichen Zusammenleben schadet. Der Christ kann nicht tatenlos Zusehen, wenn viele Brüder und Schwestern im Elend leben oder wenn ihre Rechte als Personen und Mitglieder der Gesellschaft mißachtet werden. Der Frieden, wesentlich ein Werk der Gerechtigkeit, wird daher durch größere Achtung der Würde und Freiheit des Menschen sowie durch eine verstärkte Teilnahme der Bürger an all dem verwirklicht, was dem Gemeinwohl eines Rechtsstaates dient. 8. Die Gegenwart und die Zukunft eurer kirchlichen Gemeinden erfordern besondere Aufmerksamkeit für die Jugend. Laßt in eurem Hirteneifer für die Jugendlichen nicht nach, da von ihnen und von ihrer Art und Weise, sich mit dem Evangelium zu identifizieren, ein guter Teil der Zukunft der Kirche in Äquatorialguinea abhängt. Führt ihnen die hohen und edlen Ideale vor Augen, zu denen Christus sie ruft. Nur wenn Christus als Mittel des persönlichen Lebens erkannt und gebebt wird, kann man an einen rückhaltlosen Einsatz der eigenen Existenz in seinem Dienst denken und sich schließhch auch auf angemessene Weise die Frage der Berufung zum Priestertum oder zum Ordensleben stellen. Wenn ihr in eure Diözesen zurückgekehrt seid, übermittelt bitte euren Priestern, Ordensleuten, Seminaristen, Katechisten und Gläubigen den herzbchen Gruß des Papstes, der an alle denkt und für abe mit großer Liebe und fester Hoffnung betet. Euch, eure pastoralen Anhegen und Pläne vertraue ich der Fürbitte der Jungfrau Maria an, damit der Name Christi stets in den Herzen und auf den Lippen der Äquatorialguineer sei. Mein Apostobscher Segen begleite euch mit diesen Wünschen und meinem Gebet. 1290 AD-LIMINA-BESUCHE Das Bischofsamt im Lichte des Zweiten Vatikanischen Konzils Ansprache beim Ad-bmina-Besuch der australischen Bischöfe am 22. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit brüderlicher Zuneigung begrüße ich euch, die erste der beiden Gruppen australischer Bischöfe, die dieses Jahr zum Ad-limina-Besuch nach Rom kommen sollen. Im Geist umarme ich dabei alle die gebebten Priester, Ordensleute und Laien der eurer Hirtensorge anvertrauten Ortskirchen: ... „die Heihgen ..., die an Christus Jesus glauben. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” {Eph 1,1-2). Euer Kommen von so weit her legt in beredter Weise Zeugnis für den universalen Charakter der Kirche ab, die durch das Wirken des Geistes sich von Jerusalem aus bis in die entferntesten Gegenden der Erde verbreitet hat (vgl. Apg 1,8). Eure Gegenwart ist eine Bestätigung der Bande kirchb-cher Gemeinschaft, die die Gläubigen eurer Diözesen mit dem Bischof von Rom vereinen. Obschon fast sieben Jahre vergangen sind, seit ich Austraben besuchte, ist mir die Wärme und Liebe, mit der ich dort empfangen wurde, noch in freudiger Erinnerung. Heute möchte ich einige Aspekte des Bischofsamtes sowie einige der Konsequenzen, die näher daraus hervorgehen, betrachten. Mit der nächsten Gruppe von Bischöfen werde ich dann Gelegenheit haben, weiter auf einige der besonderen Herausforderungen einzugehen, vor denen die Kirche in Austraben steht. 2. Wenn der hl. Paulus im ersten Korintherbrief sagt, daß er den Christen in Korinth „überhefert” hat, was er selbst empfangen hatte (7 Kor 11,23; 15,3), dann spricht er aus dem tiefen Bewußtsein der Robe, die Gott ihm im Heilswerk gab. Seine Worte bezeugen die Tatsache, daß er sich beim Weitergeben der von Gott, dem Vater, in seinem eingeborenen Sohn geschenkten Gabe an die, denen er dient, als ein Gbed betrachtet (vgl. Dei Verbum, Nr. 7). Damit das vom Vater ein für allemal in Christus angebotene Heb zu jeder Zeit verfügbar sei, gaben ihrerseits die Apostel ihre eigene Sendung und Verantwortung an einige ihrer Mitarbeiter weiter. Mit den Worten der Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Damit das Evangebum in der Kirche für immer unversehrt und lebendig bewahrt werde, haben die Apostel Bischöfe als ihre Nachfolger zurückgelassen und ihnen ,ihr eigenes Lehramt überbefert’” (Dei Verbum, Nr. 7). Daher sind die Mitgheder des Bischofskohegiums zu jeder Zeit berufen, zu tun, was die Apostel taten: zu bewahren, was ihnen anvertraut ist (vgl. 1 Tim 6,20), und zu überliefern, was sie selbst empfangen haben (vgl. 1 Kor 15,3). Es ist unerläßbch, dieses heibge Amt tiefer zu verstehen, um es treuer zu erfüllen. Um zu verstehen, was es heißt, Bischof zu sein, sobten wir sorgfältig die Natur des von den Aposteln ihren Nachfolgern anvertrauten Gutes betrachten. Das Konzil hebt diesbezügbch hervor: „Was von den Aposteln überliefert wurde, umfaßt abes, was 1291 AD-LIMINA-BESUCHE dem Volk Gottes hilft, ein heiliges Leben zu führen und den Glauben zu mehren. So führt die Kirche in Lehre, Leben und Kult durch die Zeiten weiter und übermittelt allen Geschlechtern alles, was sie selber ist, alles, was sie glaubt” (Dei Verbum, Nr. 8). Die gute Nachricht vom Leben in Christus und dieses Leben selbst sind an uns weitergegeben worden, so daß sie „ganz und unversehrt” (vgl. Ritus der Bischofsweihe) der ganzen Menschheit verfügbar sind. Das ist also eure hohe Berufung: Verwalter jener trinitarischen Gemeinschaft zu sein, die der Vater dem Menschengeschlecht durch seinen Sohn im Heiligen Geist zuteil werden läßt. 3. Das läßt uns zuerst die Rolle des Bischofs in der Heiligung der Gläubigen, besonders durch die Liturgie, betrachten. Das Konzil beschreibt die Bischöfe als „die hauptsächlichen Ausspender der Geheimnisse Gottes”, als diejenigen, welche „die Leitung, Förderung und Aufsicht des gesamten liturgischen Lebens in der ihnen anvertrauten Kirche innehaben” (Christus Dominus, Nr. 15). Die Konzilsväter wiesen darauf hin, daß es eine der wichtigsten Pflichten im priesterlichen Amt des Bischofs ist, „darüber zu wachen, daß die Gläubigen bewußt, tätig und mit geistlichem Gewinn an den liturgischen Handlungen teilnehmen” (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 11). Über das, was ihr und eure Vorgänger die letzten drei Jahrzehnte hindurch in dieser Hinsicht getan habt, kann nicht hinweggegangen werden ohne ein Wort des Lobes. Allerdings verhehlen eure Berichte nicht die Besorgnis, die ihr hinsichtlich des liturgischen Lebens der Gläubigen in eurer Nation empfindet: Der fortgesetzte Rückgang des sonntäglichen Meßbesuchs in Australien ist ein berechtigter Grund zur Sorge. Anstrengungen, alle Katholiken zur wöchentlichen Feier der Eucharistie und dem häufigen Empfang des Bußsakraments - das „die Gewißheit der Vergebung kraft des erlösenden Blutes Christi” bietet (.Reconciliatio et paenitentia, Nr. 28) - zurückzubringen, sind grundlegend für jede echte liturgische Erneuerung, denn sie sind grundlegend für das kirchliche Leben selbst. Ohne eine fortlaufende Katechese in dieser Hinsicht wird es kein realistisches Bemühen um jene „volle und tätige Teilnahme” an den heiligen Mysterien geben, die das Konzil forderte (Sacrosanctum concilium, Nr. 14). Sein Platz in der Heilssendung der Kirche läßt den Bischof besonderes Augenmerk auf die Beachtung des liturgischen Gesetzes in seiner Diözese richten. Die Liturgie trägt, wie die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils uns in Erinnerung rufen, „in höchstem Maße dazu bei, daß das Leben der Gläubigen Ausdruck und Offenbarung des Mysteriums Christi und des eigentlichen Wesens der wahren Kirche wird” (Sacrosanctum concilium, Nr. 2). So ist es klar, daß die heiligen Riten in Übereinstimmung mit dem Gedanken der Kirche gefeiert werden sollten, denn sie ist diejenige, der Christus sich offenbart hat, und sie hat ihre Liturgie dergestalt geordnet, daß sie ausdrückt, was er sie gelehrt hat (vgl: Vicesimus quintus annus, 10; CIC, can. 846). Leider hat Übertreibung in der einen oder anderen Richtung zu einer gewissen Polarisierung innerhalb der Gemeinschaften geführt. Es ist vielleicht ange- 1292 AD-LIMINA-BESUCHE messen zu wiederholen, was ich in dem Brief Dominicae Coenae geschrieben habe: „Die Probleme der Liturgie, und besonders der eucharistischen Liturgie, dürfen kein Anlaß zur Spaltung der Katholiken und zur Bedrohung der Einheit der Kirche sein. Das wird von einem elementaren Verständnis jenes Sakraments gefordert, das Christus uns als die Quelle der geistlichen Einheit zurückgelassen hat. Und wie könnte die Eucharistie, die in der Kirche ,sacramentum pietatis, signum unitatis, vinculum caritatis’ ist, unter uns zu dieser Zeit ein Gegenstand der Spaltung und eine Quelle von Verzerrungen im Denken und Verhalten sein, anstatt - was sie in ihrem Wesen wirklich ist - der Brennpunkt und das eigentliche Zentrum der Einheit der Kirche selbst?” (Nr. 13). Wenn die liturgische Erneuerung in manchen Fällen bloß im Sinne einer äußeren Änderung oder Anpassung gesehen würde, ist es nun notwendig, eine angemessene Betonung auf den transzendenten Charakter der Liturgie zu legen: „Jede liturgische Feier (ist) als Werk Christi, des Priesters, und seines Leibes, der die Kirche ist, ... heilige Handlung, deren Wirksamkeit kein anderes Tun der Kirche ... erreicht” (.Sacrosanctum concilium, Nr. 7). Die geistliche Lebendigkeit eurer Gemeinschaften hängt weitgehend von der würdigen und respektvollen Feier der Liturgie ab. In all dem seid ihr auf die Unterstützung und Hilfe eurer Priester und aller Gläubigen angewiesen, doch die größte Verantwortung liegt bei euch, die ihr die Fülle des Sakraments des Priestertums empfangen habt. 4. Ein Bischof betet, ermahnt und wirkt, um sicherzustellen, daß jeder Aspekt des Lebens der christlichen Gemeinschaft dem Wirken des Heiligen Geistes im Denken und Empfinden der Gläubigen entgegenkommt. Die Förderung der gemeinsamen Disziplin der ganzen Kirche und die Einhaltung der kirchlichen Gesetze (vgl. Codex des kanonischen Rechtes, Can. 392, Par. 1) sind keine nebensächlichen Elemente in der Erfüllung dieser Pflicht. Die Canones und Normen der Kirche existieren, um die Struktur zu bewahren, in der das von Christus der Kirche anvertraute Leben Gestalt angenommen hat. Sie bilden die Struktur, durch die dieses Leben den Mitgliedern der Kirche vermittelt wird. Folglich müssen wir eine falsche Zweiteilung in pastorale Liebe und straffe pasto-rale Leitung zurückweisen. Die Liebe verlangt, daß man gerecht handelt, und die Gerechtigkeit verlangt, daß ein Bischof eine Form des kirchlichen Lebens lehrt und fördert, die, weil sie den Gesetzen der Kirche entspricht, „die Gemeinschaft des Glaubens der Hoffnung und der Liebe ... als sichtbares Gefüge”, durch das der Herr „Wahrheit und Gnade auf aüe aus(gießt)” (Lumen Gentium, Nr. 8), aufbaut und trägt. Es kann auch nicht behauptet werden, daß Treue zum Zweiten Vatikanischen Konzil Laxheit in kirchlicher Disziplin rechtfertigt. Die Canones der Kirche sind sorgfältig und zuverlässig überprüft worden, damit sie die vom Heiligen Geist bei demselben Konzil gegebene Erkenntnis über das Mysterium Christi und die Kirche widerspiegeln. Diese Normen zu ignorieren oder ihre Verletzung zuzulassen hieße zu erlauben, daß diese Erkenntnis verdunkelt oder vergessen wird. 1293 AD-UMINA -BES UCHE 5. Bezüglich der Lehraufgabe des Bischofs habe ich große Hoffnungen, daß der Katechismus der Katholischen Kirche in der Kirche in Australien immer eifrigere Anstrengungen wecken wird, die katholische Lehre zu lehren und zu wahren. Ich bin zuversichtlich, daß dieses Kompendium des Glaubens es leichter machen wird, dafür zu sorgen, daß die katechetischen Texte, die für die christlichen Gläubigen jeden Alters und jeder Entwicklungsstufe ausgearbeitet werden, ein,getreuer, systematischer und vollständiger Ausdruck der- Lehre der Kirche sind. Und da bei der Aufgabe der religiösen Unterweisung kein Element eine so große Auswirkung hat wie die Lehrer selbst, ist es besonders wichtig, daß diejenigen, die als Katecheten dienen wollen, den Katechismus positiv aufnehmen und sich zu eigen machen. Noch wichtiger ist es für Priester, besonders für Pfarrer, das Beispiel ihrer eigenen unermüdlichen Anstrengungen zu geben, die Reichtümer des Glaubenserbes der Kirche, wie sie im Katechismus ausgedrückt sind, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mitzuteilen. Bei so vielen katholischen Kindern, die von dem gut eingerichteten System der katholischen Schulen in eurem Land Gebrauch machen, besteht reichlich Gelegenheit zu gründlicher Katechese. In diesen Schulen wird den Schülern beigebracht, daß die Wirklichkeiten dieser Welt und das Leben in Christus untrennbar Zusammenhängen: in Christus erhält der ganze Kosmos seine volle Bedeutung, dem „in ihm wurde alles geschaffen” und „durch ihn wurde alles mit dem Vater versöhnt” (vgl. Kol 1,16.20). Sie lernen, daß die Christen berufen sind, Werkzeug zur Wiederherstellung aller Dinge in Christus zu sein. Großes Lob gebührt denen, die um einen nicht geringen persönlichen Preis dazu beigetragen haben, diese Schulen zu schaffen und zu erhalten. Ich teile auch eure Freude über die kürzliche Gründung von zwei katholischen Universitäten. Diese Ausweitung katholischer Institutionen für die höhere Bildung berechtigt zu großen Hoffnungen für das Leben und die Sendung der Kirche. Sie wird den Studenten helfen, jene Synthese zwischen Glauben und Kultur, Glauben und Wissenschaft zu erreichen, um die sich die katholischen höheren Bildungseinrichtungen aufgrund einer gemeinsamen Verpflichtung bemühen (vgl. Ex corde Eccle-siae, Nr. 1, 14). Euer Netz katholischer Bildungseinrichtungen ist ein kostbares Erbe, und die passendste Weise, euch dankbar zu erweisen, besteht darin, es der nächsten Generation mit einer noch stärkeren katholischen Identität und institutionellen Stabilität zu übergeben. Mit euch rede ich den katholischen Eltern Australiens zu, den größtmöglichen Gebrauch von diesen Schulen zu machen und sie zu unterstützen als den geeigneten Weg, ihrer Pflicht der Kindererziehung nachzukommen. 6. Das Konzüsdekret Christus Dominus erwähnt, nachdem es von Predigt und Katechese, Schulen und anderen akademischen Einrichtungen gesprochen hat, die Kommunikationsmedien als ein weiteres wichtiges Mittel zur Verkündigung des Evangeliums (Nr. 13). Ihr dient als Hirten in einem Land, das ein gut entwickeltes System sozialer Kommunikationsmittel besitzt, und habt daher eine große Auswahl 1294 AD-LIMINA-BESUCHE an wirkungsvollen Mitteln für die Evangelisierung. Das ist ein Gebiet, auf dem an die Laien, vor allem an solche, die in diesen Berufen tätig sind, die Aufforderung ergeht, eine herausragende Rolle in der Sendung der Kirche zii spielen. Doch es gibt Aspekte der Präsenz der Kirche in den Medien, die die persönliche Aufmerksamkeit und sorgsame Wachsamkeit des Bischofs erfordern. Besonders sollte er bemüht sein, dem Recht der Gläubigen auf gesunde Lehre Genüge zu tun, und so den Schaden wettmachen, der unvermeidlich aus der Verbreitung von konfusen Ideen über den Glauben und die Moral entsteht. Es sollte klargemacht werden, daß nicht jeder Katholik, der in den Medien eine Meinung äußert, im Auftrag der Kirche spricht. Eine unverzügliche Zurückweisung des Irrtums und unzweideutige Bestätigung der authentischen Lehre durch den Bischof ist ein oft nötiger Erweis pastoraler Liebe (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über einige Aspekte des Gebrauchs der sozialen Kommunikationsmittel bei der Förderung der Glaubenslehre, 30. März 1992). Es ist wichtig daß die Medienschaffenden die geistliche Unterstützung und feste Solidarität der ganzen Gemeinschaft haben, damit es ihnen gelingt, das Evangelium stärker präsent zu machen. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, ich habe über einige der Pflichten eures bischöflichen Amtes gesprochen. Ich tat es, weil ich euch nahe bin in eurer Sorge für das euch an vertraute Volk Gottes. Die Gnade Christi und die Kraft seines Kreuzes und seiner Auferstehung sind die Quellen eurer Zuversicht; faßt also immer wieder Mut, und führt die Gläubigen bei der neuen Evangelisierung, die notwendig ist, um den Herausforderungen der heutigen Zeit zu begegnen. Ich bete, daß Gott, der euch berufen hat, Hirten seiner Herde zu sein, euch in euren Mühen für sein Volk beistehe. Ich empfehle euch und die ganze Kirche in Australien Unserer Lieben Frau, der Hilfe der Christen, und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Durch verstärkte Katechese neue Berufungen wecken Ansprache an die australischen Bischöfe anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 9. Oktober Eminenz, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Mit „der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat” (Phil 1,8), heiße ich euch, die zweite Gruppe australischer Bischöfe, zu eurem diesjährigen Ad-limina-Besuch in Rom willkommen. Ich danke unserem himmlischen Vater von ganzem Herzen für unseren gemeinsam Einsatz für das Evangelium (vgl. Phil 1,5) und für die Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe, die uns im Dienst am Volk Gottes miteinander verbindet. Ich bitte euch, der gesamten Priesterschaft, den Ordensleuten und Laien eurer Diözesen meine liebevolle Sorge um ihr ständiges Wachsen in der Gnade und der Heiligkeit des Lebens zum Ausdruck zu bringen. 1295 AD-LIM1NA -BES U CHE Meine Begegnung mit den australischen Bischöfen, die im Mai hier ihren Besuch abgestattet haben, war eine Gelegenheit, über das Wesen des dreifachen bischöflichen Amtes und über einige praktische Auswirkungen für seine Ausübung in der heutigen Gesellschaft nachzudenken. Die Identität des Bischofs als Priester, . Lehrer und Hirte der Herde Christi ist eine Gabe, die wir gemeinsam innehaben, denn die Ordnung der Bischöfe ist von kollegialer Natur und Beschaffenheit (vgl. Lumen Gentium, Nr. 22). Im Rahmen unserer gemeinschaftlichen Verantwortung, den Auftrag des Herrn - die Verkündigung des Evangeliums an alle Geschöpfe (vgl. Mk 16,15) - zu erfüllen, möchte ich folgende Überlegungen anstellen, um euch für euren Hirtendienst zu stärken. 2. Ich erinnere mich noch sehr gut an mein Rundfünkgespräch mit einigen Jugendlichen auf dem Flug nach Darwin während meines Pastoralbesuchs von 1986 in eurem Land. Eines der Kinder fragte mich: „Was ist das Schwierigste für einen Papst?” Ich antwortete: „Zu sehen, wie viele Menschen die Liebe Jesu zurückweisen, überhaupt nicht wissen, wer er wirklich ist und wie sehr er sie liebt” (Funkgespräch mit der „Katherine School of the Air” während des Fluges am 29. November 1986). Auch wenn meine Antwort so formuliert war, um von einem Kind verstanden zu werden, gibt sie doch genau das wieder, was mit unserem Evangelisierungsauftrag zusammenhängt. Unser Leben dient der Verkündigung Christi. Alle Kraft unseres Herzens und unseres Geistes muß darauf verwendet werden, ihn bekannt zu machen - „das Wort des Lebens ... das ewige Leben, das beim Vater war und uns offenbart wurde” (1 Joh 1-2), mit anderen zu teilen. Die Person und die Botschaft Jesu sind die Form und die Substanz, die Quelle und das Ziel, die Eingebung und der Lohn unseres ganzen Dienstes. Der Bischof muß in der Lage sein, im Licht des Glaubens den kulturellen Rahmen zu erfassen, in dem er sein Amt ausübt, damit er die wirksamste Art, das Evangelium seinen Zuhörern zu verkündigen, richtig beurteilen kann. „Die Zeichen der Zeit erkennen” bedeutet, die Werte und Tendenzen innerhalb der Gesellschaft zu identifizieren, die mit dem Geist des Evangeliums übereinstimmen, wie auch jene, die hingegen mit der Lehre Christi im Widerspruch stehen und für die Zustimmung zum Glauben ein Hindernis sind. Die Treue gegenüber der Taufgnade erfordert von den Gliedern der Kirche, das Assimilieren jener Werte, Meinungen oder Verhaltensweisen ihrer gesellschaftlichen Umgebung zu vermeiden, die mit der christlichen Lebensführung nicht vereinbar sind. Der heilige Paulus erinnert uns daran, daß „sich die Christen nicht dieser Welt angleichen sollen” (vgl. Röm 12,2). Es ist vielmehr die Welt, die sich Christus angleichen muß. Eure Unterscheidung und Führung als Bischöfe ist von fundamentaler Bedeutung. 3. Eine der klarsten Ausdrucksformen für das „Neue” des Lebens in Christus ist das Familienleben, wenn es im Einklang steht mit dem Ruf des Erlösers zur Wiedererrichtung von Gottes ursprünglichem Plan für diese grundlegende menschliche Wirklichkeit (vgl. Mk 10,6-9). Durch eure verstärkte pastorale Sorge für die Jugend und 1296 AD-LIM1NA-BESUCHE für Verlobte und Ehepaare - insbesondere durch eine gesunde und intensive Katechese - werdet ihr und eure Priester dem Volk Gottes in Australien helfen, dieses so dringend notwendige Zeugnis zu geben. Das apostolische Schreiben Familiaris con-sortio ruft jeden Bischof auf, für den pastoralen Dienst an der Familie „Interesse, Fürsorge und Zeit aufzubringen sowie Personal und Sachmittel einzusetzen. Insbesondere ist jedoch sein persönlicher Einsatz für die Familien gefordert sowie für alle jene, die ihm in den verschiedenen Strukturen der Diözese beim pastoralen Dienst an den Familien helfen” (Nr. 73). Ich möchte euch und eure Mitbrüder im Bischofsamt ermutigen, die Bemühungen in diesem Bereich fortzusetzen im vollen Bewußtsein der Bedeutung eines ausgeprägten Familienlebens für die Zukunft der Kirche wie auch für die Gesellschaft selbst. 4. Zu einer Zeit, in der gewaltige Kräfte für den Vormarsch einer „Kultur des Todes” arbeiten, ist es die Pflicht der Hirten und Gläubigen der Kirche, unerschrocken und klar die Heiligkeit des menschlichen Lebens, vom Augenblick der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod, zu verkünden. Kein Menschenleben ist umsonst. Dem Ungeborenen muß das Recht auf Leben zugestanden werden; die körperliche und geistige Integrität der unheilbar Kranken und der Schwerbehinderten muß unantastbar bleiben, und die Sterbenden müssen unter voller Achtung ihrer Würde unterstützt und versorgt werden. Der jüngste Weltjugendtag in Denver hat gezeigt, wie tief sich junge Menschen des Wertes des Lebens und der Verteidigung des Rechts auf Leben bewußt sind. Spontan erkennen sie die Tatsache, daß die Ausdrucksformen der „Kultur des Todes” nicht, wie oft vorgegeben wird, ein Schritt nach vom sind, für eine bessere Welt und ein würdigeres Leben für die Menschen. Sie sind vielmehr das Produkt der Eintrübung des moralischen Empfindens, was eintritt, wenn gewisse anthropologische und ethnische Theorien über das menschliche Verhalten oder ein übertriebenes Maß an Freiheit das wahre Licht des Gewissens verzerren: „Jenes ursprüngliche Licht zur Unterscheidung von Gut und Übel - wie es die vor kurzem veröffentlichte Enzyklika Veritatis splendor formuliert -, das als Widerschein der schöpferischen Weisheit Gottes wie ein unzerstörbarer Funke (scintilla animae) im Herzen jedes Menschen strahlt” (Nr. 59). Einer der wichtigsten Dienste, die die Kirche der Menschheit heute anbieten kann, ist die Formung der wahren Natur des Gewissens zum Schutz der Allgemeingültigkeit und fortdauernden Anerkennung moralischer Grundsätze und zur Förderung einer gesunden Auffassung von menschlicher Freiheit. Der genaue Zweck der neuen Enzyklika ist die Darstellung der kirchlichen Lehre hinsichtlich dieser grundlegenden Themen, die den Kern jener moralischen Krise bilden, von der unsere heutige Gesellschaft betroffen ist. 5. In einer stark säkularisierten Umwelt gewinnt die Verkündigung vom Reich Gottes durch das Zeugnis von Ordensmännem und -frauen zunehmend an Bedeutung, und ich möchte euch bitten, der Förderung und der Sorge um das Ordensleben in 1297 AD-LIMINA-BES UCHE eurem Land verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Die Einhaltung der evangelischen Räte „bezeugt das neue und ewige, in der Erlösung Christi erworbene Leben und kündigt die zukünftige Auferstehung und die Herrlichkeit des Himmelreiches an” (.Lumen Gentium, Nr. 44). Die besondere Rolle der Ordensleute für die Verkündigung dieser grundlegenden Elemente der Botschaft des Evangeliums rechtfertigt voll und ganz die Intensivierung eurer Initiativen, sowohl in euren Diözesen als auch durch eure Bischofskonferenz, um immer mehr junge Männer und Frauen zu bestärken, dem Ruf zum Eintritt in Institute des gottgeweihten Lebens und Gemeinschaften des apostolischen Lebens hochherzig Folge zu leisten. Bei dieser Gelegenheit möchte ich den eifrigen Ordensleuten in Australien erneut die Anerkennung der Kirche für all das aussprechen, was sie durch Schulen, Krankenhäuser und andere Werke und Institutionen bewirkt haben. Dieser breite Dienst am Volk Gottes ist dort noch intensiviert worden, wo Ordensgemeinschaften dem Aufruf des Konzils nach Erneuerung durch größere Treue zum Evangelium, die Rückkehr zu den ursprünglichen Charismen und den wesentlichen Elementen des Ordenslebens gefolgt sind. Eure Bestärkung dieser guten Früchte wie auch euer Beistand einzelnen und Gemeinschaften gegenüber, um ihnen in schwierigen Situationen zu Einsicht und Erkenntnis zu verhelfen, ist ein notwendiger und bedeutsamer Aspekt eures bischöflichen Dienstes an den Ordensleuten eurer Diözesen. 6. Entsprechend der grundlegenden Natur des priesterliehen Dienstes im Leben der Kirche ist die gesamte katholische Gemeinde aufgerufen, der ständig sinkenden Zahl jener abzuhelfen, die dem Ruf Gottes zum Priestertum folgen. Ihr habt bereits bewiesen, daß eure ernsthaften Bemühungen zur Förderung der Berufungen, ergänzt durch eine strenge Auslese, erfolgreich sind. Ihr sollt säen und pflanzert: „Gott läßt wachsen” (vgl. 1 Kor 3,7). Wie bereits aus den für diesen fünfjährlichen Besuch vorbereiteten Berichten hervorgeht, seid ihr euch bewußt, wie dringend erforderlich eure sorgfältige Aufmerksamkeit für alle Aspekte der Berufungsförderung ist - einschließlich der wachsenden Zahl der Priesteramtskandidaten, die vor ihrem Ausbildungsantritt bereits in weltlichen Berufen tätig waren - und die Schulung von Alumnen in Seminaren, die mit anderen Erziehungseinrichtungen in Verbindung stehen. Bestrebungen, für ältere Kandidaten ein beschleunigtes Ausbildungsprogramm durchzuführen, müssen der Tatsache Rechnung tragen, daß der Priester diese Erfahrungen spiritueller, geistiger, menschlicher und pastoraler Formung braucht, die sich auf Anweisung der Kirche über den gesamten philosophischen und theologischen Lehrplan erstrecken (vgl. CIC, can. 250). Die Verkürzung oder Einschränkung wesentlicher Aspekte der Priesterausbildung bedeutet für den zukünftigen Priester, nicht in der Lage zu sein, den schweren Anforderungen des priesterlichen Lebens und Dienstes ausreichend zu entsprechen. Außerdem, wenn ein Seminar einer anderen Hochschuleinrichtung angeschlossen ist, vor allem solchen mit ökumenischem Charakter, dann hat der Bischof ganz be- 1298 AD-LIMINA-BESUCHE sonders die Pflicht, dafür zu sorgen, daß der Lehrplan mit der spezifischen Natur des priesterlichen Dienstes in der katholischen Kirche zu vereinbaren ist. Auf dem Spiel stehen das Verständnis des Kandidaten für seine Berufung zum Priestertum und die Annahme von Überzeugungen, Einstellungen und Verhaltensweisen, die für ein würdiges und tugendhaftes priesterliches Leben erforderlich sind. Die Erfahrung früherer Generationen, die empirische Erkenntnisse bestätigt haben, zeigt, daß die Gnade der priesterlichen Berufung oft schon in jungen Jahren in dem Alter entsprechenden Ausdrucksweisen deutlich wird. Diese Tatsache unterstreicht, daß alle, in denen sich die ersten Anzeichen des Erwachens ihrer Berufung zeigen, dringend pastoraler Sorge bedürfen - jener Sorge, die ihnen hilft, diese Zeichen zu erkennen, und die sie unterstützt, wenn sie versuchen, ihr zu folgen (vgl. Pastores dabo vobis, Nm. 8-9 und Nr. 40). Demnach sollten verschiedene Formen der Pasto-ralarbeit zur Förderung von Berufungen ein unerläßlicher Bestandteil der Katechese für Kinder und Jugendliche sein. 7. In euren Bemühungen, die Kirche für ihren Evangelisierungsauftrag zu stärken, machen sich viele von euch - ebenso zahlreiche Bischöfe in anderen Teilen der Welt - gewisse Entwicklungen zur Bestandsaufnahme ihrer Mittel und zur Planung der Zukunft zunutze. Solche Verfahren und Strategien, die oft von weltlichen Einrichtungen übernommen werden, können insofern hilfreich sein, als sie einen neuen Zweck und ein neues inneres Prinzip in den Rahmen des kirchlichen Lebens einführen. Da die Kirche der effektive Ausdruck der .Gemeinschaft des Menschen mit der Heiligsten Dreifaltigkeit ist, müssen solche Verfahren, wie alle beratenden Strukturen, von denen wir Gebrauch machen, zur Festigung der Bande kirchlicher Gemeinschaftlichkeit dienen. Wenn ein Bischof sich mit anderen in gutem Glauben berät und ihnen im Geist des wahren Dialogs zuhört, darf er jedoch nie sein Lehramt beiseite legen. Als „sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen” (Lumen Gentium, Nr. 23) lehrt er, wie Christus, mit (göttlicher) Vollmacht (vgl. Mt 7,29), und diese Gnade wird ihm zuteil, damit er den Glauben der Jünger festigen und ihre Fehler berichtigen kann, „ob man es hören will oder nicht” (2 Tim 4,2). 8. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, das dritte Jahrtausend kommt sehr schnell näher. Wir sollten uns an die Worte des Herrn erinnern, wenn er von reichen Früchten spricht, die wir durch unseren Dienst am Evangeüum ernten (vgl. Mt 9,37). Wir sind berufen, mit neuer Kraft zu arbeiten, um das Licht der Wahrheit mit allen Männern und Frauen zu teilen. Ich bitte Gott, daß - durch eure Wallfahrt zu den Gräbern der heiligen Apostel Petrus und Paulus - sein Geist euch für die Arbeit der Neuevangelisierung stärken wird. Ich vertraue euch, eure Priester, die Ordensleute und die gläubigen Laien der liebevollen Fürsprache Marias, der Mutter des fleischgewordenen Wortes, an und erteile meinen Apostolischen Segen als Zeichen der Gnade und des Friedens in ihrem göttlichen Sohn. 1299 AD-LIMINA-BESUCHE Den Jugendlichen angesichts von Arbeitslosigkeit und Drogenmißbrauch beistehen Ansprache an die Bischöfe der Elfenbeinküste beim Ad-limina-Besuch am 27. März Lieber Herr Kardinal, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude heiße ich euch hier willkommen und mit euch die Kirche der gesamten Elfenbeinküste, eine Kirche, die mich schon dreimal herzlich aufgenommen hat. Ich danke Kardinal Yago, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, für die herzliche Grußadresse, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Meine ersten Worte möchten eine Danksagung für die Früchte sein, welche der gute Same des Evangeliums an der Elfenbeinküste hervorgebracht hat, da ihr euch nun auf die freudige Feier des ersten Jahrhunderts der Evangelisierung vorbereitet. Im Oktober 1895 landeten die Patres Hamard und Bonhomme von der Gesellschaft der Afrikanischen Missionen (Lyon) an eurer Küste, in Grand-Bassam, um das Evangelium Christi zu verkünden. Drei Jahre später trafen die Ordensschwestern Unserer Lieben Frau von den Aposteln ein. Trotz Schwierigkeiten aller Art lehrten die Patres und Schwestern, die begeistert zusammenarbeiteten, den Herrn keimen und gründeten die ersten christlichen Gemeinden. Heute zählt die Elfenbeinküste dreizehn Diözesen, deren Bischöfe alle Kinder des Landes sind. Sie hat in der Person des gebebten Kardinal-Erzbischofs von Abidjan dem Papst einen engen Mitarbeiter geschenkt. Ich benütze diese Gelegenheit, um einen herzlichen Gruß an jene Mitglieder der Bischofskonferenz zu richten, die ihren ersten Ad-limina-Besuch abstatten: Es sind dies die Bischöfe Alexandre Kouassi von Bondoukou, Barthelemy Djabla von San Pedro und der erst kürzlich ernannte Bischof Joseph Teky von Man. 2. Den Spuren eurer Mitbrüder im Bischofskollegium folgend, seid ihr nun als Pilger zu den Gräbern der Heiligen Petrus und Paulus gekommen, um eure Gemeinsamkeit im Bekenntnis des Glaübens, auf den sie hier die Kirche gegründet haben, neu zu beleben. Was ihr im Namen der Diözesangemeinden der Elfenbeinküste unternommen habt, bezeugt gleichfalls eure Einheit mit dem Nachfolger Christi und wird u. a. noch mehr die Bande festigen, die euch innerhalb der Konferenz vereinigen. Eure auf diese Weise gestärkte Einheit wird die Verkündigung der Frohbotschaft und damit die Hinführung der Menschen zum Glauben um so wirksamer machen: „Alle sollen eins sein ... damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast” (Joh 17,21). Die Einheit der Kirche hängt nicht nur von einer guten Organisation oder einer strengen Disziplin ab. Sie ist eine Frage der Gemeinschaft, da, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt, „die ganze Kirche als ,das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk’” erscheint (Lumen Gentium, Nr. 4). Die Kirche ist auch von ihrem Gründer her betrachtet eine Einheit; „dieser 1300 AD-LIM1NA-BES UCHE menschgewordene Sohn, der Friedensfürst, hat nämlich durch sein Kreuz alle Menschen mit Gott versöhnt und die Einheit aller in einem Volk und in einem Leib wiederhergestellt” (Gaudium et spes, Nr. 78). Die Kirche ist schließlich eine Einheit aufgrund ihrer „Seele”: „Der Heilige Geist, der in den Gläubigen wohnt und die ganze Kirche leitet und regiert, schafft diese wunderbare Gemeinschaft der Gläubigen und verbindet sie in Christus so innig, daß er das Prinzip der Einheit der Kirche ist” (Unitatis redintegratio, Nr. 2). Liebe Brüder, es ist mein Wunsch, daß euer Aufenthalt in Rom euch Hilfe, Gewißheit und den neuen Mut schenke, den ihr von ihm erwartet: Diese Gnade erflehe ich für euch aus ganzem Herzen durch die Fürbitte der heiligen Apostel. 3. Beim Lesen des Dokuments, das eure Fünfjahresberichte zusammenfaßt, glaubte ich zu verstehen, daß eines eurer wichtigsten Anliegen die Jugendpastoral ist. An der Elfenbeinküste machen die Jugendlichen beinahe siebzig Prozent der Bevölkerung aus, und die Schwierigkeiten, denen sie namentlich im Bereich der Schule und der Universität begegnen, haben sich im Lauf der letzten zehn Jahre infolge der Wirtschaftskrise vermehrt. Die Arbeitslosigkeit hat zugenommen; die Dörfer bieten nur geringe Arbeitsmöglichkeiten, was die Landflucht mit ihren unvermeidlichen Übeln nach sich zieht. Ich weiß, daß die Kirche in der Welt der jungen Menschen insbesondere dank ihrer Priester präsent ist. Seid auch weiterhin Träger der Hoffnung für die jungen Generationen. Spornt sie an, das Wort Gottes aufzunehmen und ihren Lebensplan auf jenes unerschütterliche Fundament zu gründen, das Christus ist: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6). Helft ihnen, ein wahrhaft persönliches Gewissen und Pflichtbewußtsein zu entwickeln. Festigt in ihnen die ethischen Werte der Rechtschaffenheit, der Loyalität, der Achtung für die Mitmenschen und der Selbsthingabe. Steht ihnen im Kampf gegen alles bei, was ihr persönliches Gleichgewicht bedroht, so z. B. sexuelle Freizügigkeit, Abtreibung und Rauschgifte. Ladet sie ein, persönlich und als Gruppe, das Schicksal jener zu verbessern, die in ihrer Umgebung leben; ladet sie ein, konkrete Hilfe zu leisten, sei sie auch noch so bescheiden. Der Herr in seiner Großmut kann, dessen mögen sie gewiß sein, die einfachsten Initiativen verwandeln. Berichtet uns nicht das Evangelium, daß Christus die Volksmenge mit einigen Gerstenbroten und ein paar Fischen speiste, die ihm ein Knabe reichte (vgl. Joh 6,5-13)? 4. Während nun das Jubiläumsjahr 1995 herännaht, habt ihr euch vorgenommen, eure Gläubigen zur Bekehrung, zur inneren Umwandlung und zur Erneuerung ihrer Identität als Kinder Gottes aufzufordem. Und ihr habt in diesem Sinn noch ein weiteres Anhegen: Die Heranbildung reifer und kompetenter Laien, die imstande sind, ihre Verantwortungen in der Kirche voll und ganz auf sich zu nehmen. Ich weiß um die großen Mühen, die ihr für den Fortschritt des Glaubens in eurem Land aufwendet, damit er die Kultur eurer Landsleute durchdringe und sie, wenn sich ihr Herz dem Glauben geöffnet hat, sie zu einem Zeugnis des Lebens ver- 1301 AD-LIMINA-BESUCHE pflichte, das dem entspricht, was sie glauben. Ich beglückwünsche euch dazu und ermutige euch, diese Bemühungen gemeinsam mit den Priestern, euren direkten Mitarbeitern, fortzusetzen; gemeinsam auch mit den Ordensleuten, die zuverlässig und wirksam zahlreiche Aufgaben erfüllen: Animation in den ländlichen Gebieten, Erziehung zu einem gesunden Leben, Unterweisung im kathoüschen Glauben und Katechese; schließlich in Zusammenarbeit mit den Katechisten, denen bei der christlichen Heranbildung der Jugendlichen und der Erwachsenen eine unersetzliche Rolle zukommt. Ihnen müssen die Mittel für ihre Weiterbildung geboten werden, z. B. der Katechismus der katholischen Kirche, der ja gerade zum Zweck einer besseren Kenntnis des Glaubens herausgegeben wurde. Mögen die positiven Zeichen des christlichen Lebens in eurem Land - Resultate eurer apostolischen Mühen - euch mit Hoffnung für die Zukunft des Christentums an der Elfenbeinküste erfüllen! 5. Von ihrem Glauben an Jesus Christus durchdrungen, verwandeln die Laien, indem sie ihre zeitlichen Aufgaben erfüllen, die Gesellschaft. Darum müssen die Hirten sie ermutigen, Sauerteig in der Masse zu sein. Sie werden ihnen helfen, stets „Christi Wohlgeruch” (2 Kor 2,15) zu sein und immer mehr seinen Geist in die Familie, in das gesellschaftliche Leben und in die Welt der Arbeit zu tragen. Sie werden die Laien zum Streben nach besseren Lebensbedingungen anregen und ihnen zu verstehen geben, daß sie auf diese Weise das Kommen des Reiches Gottes vorbereiten (vgl. Gaudium et spes, Nr. 39). Es ist daher angezeigt, die Pastoral der Eliten durch die Vermittlung einer guten Kenntnis der Soziallehre der Kirche zu bereichern. Unternehmt alles nur Mögliche, um ihnen kompetente Priester zur Verfügung zu stellen. 6. In eurer Gesellschaft herrscht eine natürliche Tendenz zum Zusammenschluß und zur Büdung von Vereinigungen: Eine bessere gegenseitige Kenntnis und Hilfe tragen zur Lösung der Probleme bei, die im Dorf oder im Beruf auftreten. Fördert eine konkrete Solidarität! Sie setzt den Einsatz zugunsten einer gerechteren Gesellschaftsordnung voraus, in deren Rahmen Spannungen besser entschärft und Konflikte leichter durch Verhandlungen beigelegt werden können. Macht die von der Kirche sehr geschätzte Überzeugung bekannt, daß jeder Mensch Träger seines Fortschritts werden muß, ebenso wie jedes Volk dazu berufen ist, Gestalter seines Schicksals zu sein. Empfehlt eine gesamtheitüche Entwicklung, welche die materiellen ebenso wie die spirituellen Aspekte umfaßt, eine Entwicklung, die der Botschaft des Evangeliums entspricht, das die Würde jedes Menschen offenbart, der von Gott nach seinem Bild geschaffen und dazu bestimmt ist, mit seinen Mitmenschen in geschwisterlicher Gemeinschaft zu leben. „Die Tugend der Solidarität reicht über die materiellen Güter hinaus. Mit der Verbreitung der spirituellen Güter des Glaubens hat die Kirche überdies die Entwicklung der zeitlichen Güter gefördert, der sie oft neue Wege aufgetan hat. So hat sich im Lauf der Jahrhunderte das Wort des Herrn bestätigt: ,Euch aber muß es zuerst 1302 AD-LIM1NA-BESUCHE um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben”’ {Mt 6,33; Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1942). 7. Mit Befriedigung habe ich eurem zusammenfassenden Dokument entnommen, daß die Ausbildung der Priesteramtskandidaten ernsthaft durchgeführt wird. Es handelt sich hier um ein sehr wichtiges Anliegen, steht doch dabei die Zukunft der Kirche auf dem Spiel. So sagt das Vorbereitungsdokument für die afrikanische Sondersitzung der Bischofssynode: „Die Kirche in Afrika weiß sehr wohl, daß das notwendige wirksame Zeugnis für das Evangelium gut ausgebildete Priester voraussetzt, die ein wahrhaft christliches Leben führen und sich den pastoralen Notwendigkeiten der Gläubigen widmen. Der Priester ist vor allem zum. Zeugnis eines heiligmäßigen Lebens berufen. Ein tiefes geistliches Leben ist dazu eine wesentliche Voraussetzung. Bei der Auswahl der Priesteramtskandidaten darf nicht die Qualität geopfert werden, um die Zahl zu vermehren” (Nr. 27). Freilich besteht das vordringliche Problem darin, ein gutes Team von Ausbildern zusammenzustellen, welche die Priesteramtskandidaten begleiten; ich möchte euch nahelegen, an dieses Anliegen weiterhin mit Entschiedenheit und Optimismus heranzutreten. Es ist mein Wunsch, daß, wie es in Pastores dabo vobis (Nr. 60-62) heißt, das Seminar wirklich im Herzen der Ortskirche eine „voranschreitende Erziehungsgemeinschaft” sei, welche die künftigen Priester durch den Unterricht und das Wirken der Verantwortlichen, aber auch dank der Qualität des Gemeinschaftslebens heranbildet, das vom gesamten Team der Ausbilder geleitet und geistlich angeleitet werden muß. Die Seminargemeinschaft ist nicht so sehr eine Studentengruppe, sondern vielmehr eine Gemeinschaft von Jüngern Christi, zusammengeschlossen durch die Feier der Eucharistie, das Vernehmen des Wortes Gottes in brüderlicher Gemeinschaft sowie durch den Austausch über das Erstrebte und über apostolische Pläne. 8. Da nun die unmittelbare Vorbereitung der afrikanischen Sondersitzung der Bischofssynode ihren Anfang genommen hat und sich die Gebete aller für den Erfolg dieser wichtigen Sitzungen intensivieren, möchte ich mich zum Abschluß meiner Ansprache mit euch an die Gottesmutter wenden und ihr, wie wir es am 10. September in Yamassoukrou getan haben, eure Diözesen anvertrauen: „Jungfrau Maria, führe uns zu deinem Sohn, zu ihm, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist! Gewähre den Hirten, den Gottgeweihten, den Laien, die Kirche Christi hier lebendig zu erhalten in Glauben und Großmut, durch die Kraft der Gnade deines Sohnes ... Gib, daß die Gläubigen der Elfenbeinküste unermüdliche Friedensstifter seien im Bund mit ihren Brüdern und Schwestern dieses Landes und des ganzen Kontinents” {Predigt in der Messe zur Weihe der Basilika Unserer Lieben Frau vom Frieden, Nr. 8). ’ 1303 AD-LIMINA-BES UCHE Zum Zeichen der Ermutigung erteile ich euch aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen, der auch euren Mitarbeitern und allen Angehörigen eurer Diözesen gilt. Große Verdienste um den Aufbau einer gerechten Gesellschaft erworben Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Ghanas am 22. Februar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” (i Kor 1,3). Mit diesen Worten des hl. Paulus grüße ich euch, hebe Mitbriider, Bischöfe aus Ghana. Wenngleich mehr als ein Jahrzehnt seit meinem Pastoralbesuch in eurem Land vergangen ist, erinnere ich mich mit Freude an die herzliche Aufnahme, die euer Volk mir bereitet hat. Indem ich euch heute begrüße, möchte ich erneut alle Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen in Liebe und Gemeinschaft umarmen. Ich bitte euch, sie meiner Nähe und ständigen Gebete zu versichern, während sie bestrebt sind, in Christus zu wachsen und den „neuen Menschen” anzuziehen, „der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit” (vgl. Eph 4,24). Unter den wichtigen Ereignissen im Leben der Kirche in Ghana seit eurem letzten Ad-limina-Besuch war die Erhebung der Diözese Accra in den Rang eines Metropolitensitzes und die Errichtung der neuen Diözese Koforidua. Dies sind willkommene Zeichen der Lebendigkeit der Kirche in eurem Land, und ich danke mit euch Gott, der das hat wachsen lassen (vgl. 1 Kor 3,7). 2. Durch die Jahrhunderte hat der Ad-limina-Besuch stets diesem einen Zweck gedient: sichtbarer Ausdruck der Bande kirchlicher Gemeinschaft zu sein, die den Nachfolger Petri und die Bischöfe in aller Welt verbinden. Wenn ihr den Vatikan und die Paulsbasilika besucht, betet ihr an den Stätten, wo Petrus und Paulus ihr apostolisches Zeugnis vollendeten; ihr versucht, das schwere Amt, das ihr als Nachfolger der Apostel übernommen habt, besser zu verstehen. Euch ist die Sendung aufgetragen, zu jeder Zeit das Wort Gottes zu verkünden, zu überzeugen, zurechtzuweisen und zu ermahnen, unermüdlich und geduldig in der Belehrung (vgl. 2 Tim 4,2). Eure Aufgabe ist, gläubig im Amt der Heiligung und Führung des; Gottesvolkes im christlichen Leben um jeden Preis auszuharren. Das will heißen, ein Nachfolger der Apostel zu sein, heute und immer. Der Eifer, das ganze in Jesus Christus gebotene Heil bekanntzumachen, muß daher die treibende Kraft all eurer pastoralen Anstrengungen sein. Das Wort Gottes zu verkünden und zu lehren ist für den Bischof die klarste Weise, das Gebot des Herrn 1304 AD-L1M1NA-BESUCHE zu befolgen, umsonst zu geben, was er umsonst empfangen hat (vgl. Mt 10,8). Euer Eifer für das Evangelium ist letztlich der beste Ausdruck eurer Dankbarkeit für das unschätzbare Geschenk, das ihr in Christus empfangen habt, und es gibt keine passendere Weise, die Schuld denen gegenüber zu begleichen, die im letzten Jahrhundert um einen hohen persönlichen Preis das Evangelium nach Ghana gebracht haben, als ihre Arbeit mit der gleichen Hochherzigkeit und Selbsthingabe fortzusetzen. Beim Werk der Evangelisierung in Ghana, wie überhaupt in ganz Afrika, sieht sich die Kirche vor viele Hindernisse gestellt, doch sie läßt sich nicht entmutigen. Sie weiß, daß sie eine Kraft und Energie empfangen hat, die weit über die Summe ihrer menschlichen Mittel hinausgeht, und so ist sie zuversichtlich, daß Gott aus der Saat, die sie ausstreut, eine reiche Ernte hervorbringen wird. In Wahrheit, dem Wort Gottes kann kein Zwang auferlegt werden (vgl. 2 Tim 2,9), und es wird immer klar sein, daß der Ruhm nicht uns, sondern dem „Herrn der Ernte” (vgl. Mt 9,38; Lk 10,2) gebührt. 3. In diesen letzten Jahren, die auf das dritte christliche Jahrtausend zugehen, sind wir aufgefordert, mit Zuversicht dem Anbruch eines neuen Missionszeitalters entgegenzubücken, als Folge eines neuen Eifers aller Christen, das Geschenk des ewigen Lebens in Jesus Christus zu teilen (vgl. Redemptoris missio, Nr. 92). Die bevorstehende Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika ist ein Geschenk der Vorsehung, das gewiß zu einer Verstärkung dieses Eifers und seiner Verbreitung unter allen Gliedern der Kirche führen wird. Das Instrumentum laboris, das in Kampala während meines Pastoralbesuchs Anfang dieses Monats zur Vorbereitung auf die Sonderversammlung der Synode veröf-fentücht wurde, erinnert uns daran, daß diejenigen, die zum Werk der Verkündigung ausgewählt sind (vgl. Apg 13,2), es nicht versäumen dürfen, die Zeichen der Zeit zu lesen, die positiven wie die negativen (vgl. Instrumentum laboris, Nm. 22-23). Unter den letzteren ist das Wachstum von Sekten und anderen neuen religiösen Bewegungen bezeichnend, die sich oft auf angebliche Erscheinungen, Prophezeiungen und Wunderheilungen berufen. Die Anziehungskraft dieser Bewegungen Hegt manchmal in deren anscheinend erfolgreichen Antwort auf die geistlichen Bedürfnisse der Menschen - die Sehnsucht ihrer Herzen nach etwas Tieferem, nach Heilung, Tröstung und Kontakt mit dem Transzendenten. Wir müssen demütig bekennen, daß in gewissen Fällen, aus welchen Gründen auch immer, die Getauften noch nicht die Erfüllung dieser Bedürfnisse im Mysterium des fleischgewordenen Wortes, das der Kirche anvertraut ist, entdeckt haben. In eurer Antwort auf diese Herausforderung werdet ihr eine gesunde Verehrung der seligen Jungfrau Maria fördern wollen, die „das Bild und die Mutter der Kirche” ist (vgl. Lumen Gentium, Nm. 53. 63; Collectio Missarum de Beata Maria Virgine, Nm. 25-27). Als „Heil der Kranken” und „Quelle des Heils” (ebd., Nr. 44. 31) ist sie das Urbild der Kirche als das vom Retter erwählte Mittel, seine Gnaden- und Heilsgaben mitzuteilen. Als „Trösterin der Betrübten” (ebd., Nr. 41) ist sie das Modell der Kirche, die gerufen ist, solida- 1305 AD-UMINA-BESUCHE risch mit all denen zu sein, die die Leiden Christi teilen. Als „Pforte des Himmels” (ebd., Nr. 46) ist sie der Urtyp der Kirche, des Leibes Christi, in der alle Menschen gerufen sind, Bürger des himmlischen Jerusalems zu werden. 4. Die Inkulturation des Evangeliums in eurem Land sieht sich vor einige besondere Herausforderungen vor allem auf dem Gebiet der Ehe und des Familienlebens gestellt. Eure unermüdlichen Anstrengungen, die Ehepaare anzuleiten, daß sie die Wahrheit und Schönheit der Anforderungen ihres neuen Lebens in Christus entdecken, gehören wesentlich zu euren pastoralen Pflichten. Die Bischofssynode 19S0 über die Familie spiegelte die Sorge der ganzen Kirche für jene Zelle kirchlichen Lebens wider, die die „Hauskirche” ist! Die in dem nachsynodalen Schreiben Fami-liaris consortio enthaltene Lehre muß noch weiter verbreitet werden. Sie bietet einen passenden Rahmen für eine immer wirksamere Katechese, vor allem auf dem wichtigen Gebiet der Ehevorbereitung. Ein unverzichtbares Element einer solchen Vorbereitung muß die Präsentation der ganzen kirchlichen Lehre über die verantwortete Elternschaft (vgl. Familiaris consortio, Nm. 28-35) sein. Ebenso möchte ich euch ermutigen, alles zu tun, was ihr könnt, um Christen, die eine Ehe mit Nichtchristen eingehen, eine besondere pastorale Vorbereitung zu bieten und den Paaren in ungeordneten Ehesituationen eure Sorge zukommen zu lassen. 5. Bei der Bewältigung der Evangelisierungsaufgäbe und dem Aufbau eines soliden kirchlichen Lebens ist die Kirche in Ghana mit vielen Missionaren gesegnet, die euren Ortskirchen weiterhin einen unersetzlichen Dienst leisten, indem sie dem Gottesvolk oft in den schwierigsten pastoralen Situationen und Herausforderungen dienen. Ihre Anwesenheit ist ein positives Zeichen jenes „Austausches der Gaben”, der so anschaulich die katholische Einheit der Kirche erkennen läßt (vgl. Redemptoris missio, Nr. 85). Ich bin froh, daß ihr Beispiel viele Ghanaer dazu angeregt hat, den Missionarsberuf zü ergreifen und damit die wachsende Reife eurer Gemeinschaften zu zeigen. Die Verkündigung des Gotteswortes bleibt die erste und wesentliche Aufgabe der Kirche, und sie wird von den Katechisten in hervorragender Weise erfüllt. Ich ermutige euch zü euren Anstrengungen, die gesunde und ganzheitliche Bildung der Katechisten zu fördern, denn sie sind nicht nur dazu berufen, die Wahrheiten des Glaubens weiterzugeben, sondern auch freudige und authentische Zeugen des moralischen Lebens zu sein, das von den Jüngern Christi verlangt wird. Eine Hilfe für eure Bemühungen, diese Bildung zu vermitteln, wird der kürzlich ven öffentlichte Katechismus der Katholischen Kirche bieten; er enthält die Grundlagen zu einer von der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils inspirierten und an den lebendigen Quellen des Glaubens erneuerten Katechese (vgl. Apostoüsche Konstitution Fidei depositum, Nr. 1). Die Kraft des Zeugnisses der Kirche für das Evangelium hängt in weitem Maße von der Bildung aktiver Laien ab, die fähig sind, mit euch und euren Priestern bei der Planung und Ausführung von pastoralen Initiativen zusammenzuarbeiten. Die Laien 1306 AD-LIMINA-BES U CHE sind immer mehr gerufen, ihre eigenen Missionare zu werden, indem sie ihre geistliche Nahrung aus der Eucharistie beziehen, die Quelle und Höhepunkt des Evangelisierungsauftrags der Kirche ist (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 5), und ihrerseits andere zur fruchtbaren Teilnahme an den heiligen Mysterien führen. Hier wie auf anderen Gebieten soll eure Bischofskonferenz ein Forum bilden für die praktische Zusammenarbeit bei der Leitung und Koordinierung des pastoralen Lebens der Ortskirchen (vgl. CIC, can. 447; vgl. Christus Dominus, Nr. 38) und bei der Unterstützung der verheißungsvollen Erneuerung im Geist, die im Leben und Apostolat der Laienbewegungen offenbar wird. 6. Ein besonderes Zeichen der wachsenden Reife eurer Teilkirchen ist die Zunahme der Berufungen zum Priesteramt. Da die Priester eure wichtigsten Mitarbeiter bei der Erfüllung der apostolischen Sendung der Kirche sind, ist es wesentlich, daß eure Beziehungen zu ihnen von Einheit, Brüderlichkeit und Anerkennung ihrer Gaben gekennzeichnet sind. Alle, die durch das Weihesakrament Christus, dem Haupt und Hirten der Kirche, gleichgestaltet wurden, müssen seine Haltung völliger Selbsthingabe um seiner Herde willen und für die Verbreitung des Evangeliums teilen. Den Priesterberuf ausüben bedeutet ständige Weiterbildung und besonders eine Verpflichtung zu unablässiger persönlicher Bekehrung. Euer Leben und das eurer Priester sollte authentische evangelische Armut und Loslösung von den Dingen und Haltungen dieser Welt widerspiegeln. Der Wert des Zölibats als Zeichen einer völligen Hingabe seiner selbst an den Herrn und seine Kirche muß sorgfältig bewahrt werden, und jedes Verhalten, das Anstoß erregen könnte, ist sorgsam zu vermeiden oder, wo notwendig, zu korrigieren. Ihr alle wißt, wie wichtig es ist, der Seminarausbildung besondere Aufmerksamkeit zu schenken, denn die Ansichten und die praktische Ausbildung, die den künftigen Priestern vermittelt werden, sind entscheidend für den Erfolg der Sendung der Kirche. Der Stolz eines Bischofs sollte ein Seminar sein, das den Erwartungen der Kirche voll entspricht, wie sie im nachsynodalen Schreiben Pastores dabo vobis und in dem Dokument: Einige Richtlinien für die Ausbildung an den Priesterseminaren dargelegt sind, das von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker herausgegeben wurde. Als ein positives Zeichen möchte ich auch das Wachstum der Berufungen zum Ordensleben und insbesondere zum kontemplativen Leben erwähnen. Die Ordensleute haben eine wesentliche Rolle in der Entwicklung der Kirche in Ghana gespielt. Wesenhaft zu dieser Berufung gehört die Sorge für ein geordnetes Wachstum der Kirche, das heißt der Wunsch, mit der Kirche zu denken und deren Gemeinschaft und missionarischen Eifer zu fördern. Während die rechtmäßige Autonomie, die den Ordensgemeinschaften von der obersten Leitung der Kirche gewährt wird, ein Zeichen ihres Einsatzes für die universale Sendung der Kirche ist, sind die Ordensleute - gerade wegen ihrer öffentlichen Weihe - tief einbezogen in das Leben und die Sendung der Ortskirche unter der Führung des rechtmäßigen Hirten, dessen Aufgabe es ist, das ordentliche Zusammenwirken der Vielfalt der Charismen in dem einen 1307 AD-LIMINA-BESUCHE Leib zu respektieren und zu fördern. Eure Sorge für die Ordensleute darf sich nicht im Wachen über jene Aspekte ihres Dienstes erschöpfen, welche die Seelsorge, die Liturgie und andere Apostolatswerke betreffen (vgl. CIC, can. 678). In der Tat muß jede pastorale Tätigkeit im Geist der Gemeinschaft mit der Ortskirche und in der Achtung vor den rechtmäßigen Hirten ausgeübt werden (vgl. Redemptoris missio, Nr. 66). 7. Die Kirche in Ghana kann gewiß stolz auf ihren Einsatz zum Wohl der Nation sein, wie er sich in ihren weitgefächerten sozialen Diensten zeigt, in der Erziehung und Berufsausbildung, in der Gesundheitspflege und Förderung der landwirtschaftlichen Entwicklung. Eure Sorge für das Gemeinwohl war besonders offensichtlich in dem Pastoralbrief, den ihr vor den letzten Wahlen in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen anderer christlicher Gemeinschaften veröffentlicht habt und in dem ihr zum Gebet aufruft und die Christen eures Landes einlädt, ihre Verantwortung als Staatsbürger wahrzunehmen. Die Herausforderungen, die der Übergang zur Mehrparteiendemokratie mit sich bringt, verlangen von den Katholiken Ghanas eine fortgesetzte Bereitschaft zur Unterstützung und Teilnahme an der politischen Entwicklung ihres Landes. Besonders wichtig ist hier eure eigene Rolle als Führer der katholischen Gemeinschaft, die anerkennen, daß ein konstruktiver Dialog mit allen Bevölkerungsgruppen über gerechte und solide Grundlagen des Lebens in der Gesellschaft wünschenswert und erforderlich ist. Während ein solcher Dialog versucht, im Geist der Geduld und des guten Willens alle Kommunikationskanäle offenzuhalten, wird er euch nicht daran hindern, die Ansichten der Kirche deutlich und respektvoll darzulegen, besonders, was so wichtige Fragen wie die Religionsfreiheit und die objektiven moralischen Normen betrifft, die in der zivilen Gesetzgebung Widerhall finden sollten. Ich ermutige euch, euren Dialog mit den Behörden über den angemessenen Platz des Religionsunterrichts an den Schulen in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 3) fortzusetzen. 8. Liebe Mitbrüder, aus dem glücklichen Anlaß eures Besuchs freue ich mich mit euch über die Gnaden, die der Herr den Katholiken Ghanas liebevoll geschenkt hat. Ich bete, daß eurem pastoralen Dienst reicher Erfolg beschieden sei, so daß in der Einheit des Geistes und des Herzens ihr und euer Volk euch immer mehr den Quellen des göttlichen Erbarmens in den Sakramenten nähert. Mögt ihr „unerschütterlich und unbeugsam am Glauben festhalten und ... euch nicht von der Hoffnung abbringen lassen, die euch das Evangelium schenkt. In der ganzen Schöpfung unter dem Himmel wurde das Evangelium verkündet; ihr habt es gehört” {Kol 1,23). Ich empfehle euch und eure Diözesen dem hebevollen Schutz der Gottesmutter, der seligsten Jungfrau Maria, und erteile euch und allen Priestern, Ordensleuten und Laien Ghanas von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1308 AD-L1MINA-BESUCHE Jugend- und Familienpastoral als Schwerpunkte zeitgemäßer Katechese Ansprache an die Mitglieder der Bischofskonferenz des Indischen Ozeans bei ihrem Ad-limina-Besuch am 24. November Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, Heber Pater! 1. Mit großer Freude und sehr herzlich heiße ich euch, die Mitglieder der Bischofskonferenz des Indischen Ozeans (C.E.D.O.I.) anläßlich eures Ad-limina-Besuchs willkommen. Durch euch sende ich meine herzlichen Grüße an den Klerus, die Ordensleute, die Katechisten und die Laien eurer Diözesen. Seit unserer letzten Begegnung hatte ich die Freude, nach den Seychellen, die ich bereits 1986 besuchen konnte, im Jahr 1989 auch noch die Inseln Mauritius, La Reunion und Rodrigues kennenzulemen. Die Orte, an denen ihr euer Apostolat ausübt, sind mir also nicht unbekannt, mit Ausnahme der Inselgruppe der Comoren, wo die katholische Gemeinde von einem Römer, P. Gabriel Franco Nicolai, betreut wird, den ich freudig in seiner Geburtsstadt begrüße. 2. Die Begegnungen mit euren Diözesangemeinden sind mir in bester Erinnerung: Ich danke Gott für die Lebenskraft und den Glaubenseifer, für den bei euch so viele Getaufte Zeugnis geben, sowie für die Achtung, die den Werten des Geistes entgegengebracht wird. Der missionarische Eifer, der, von Europa ausgehend, den Indischen Ozean erreichte, hat reiche Früchte getragen, weshalb heute sogar einige hervorragende Vorläufer dieser Bewegung der Evangelisierung auf den Altären verehrt und im Gebet angerufen werden; dazu zählen die seligen Jacques Laval und Scubi-lion. 3. Das II. Vatikanische Konzil lehrt uns, daß die am Pfingstfest geborene Kirche „alle Sprachen spricht, in der Liebe alle Sprachen versteht und umfängt und so die babylonische Zerstreuung überwindet” (Ad gentes, Nr. 4). Das erweist sich ganz besonders im Fall eurer Bischofskonferenz, die Gebiete einschließt, in denen Menschen verschiedener Rasse und Kultur leben und harmonisch Zusammenarbeiten. Die Beziehungen eurer Inseln zueinander, die durch die Verwendung des Französischen als gemeinsamer Umgangssprache erleichtert werden, sind zahlreicher geworden, und ihr nehmt die Notwendigkeit gemeinsamer apostolischer Initiativen im Rahmen des Pastoralgebiets des Indischen Ozeans wahr, wodurch unter euch äußerst nützliche Bande geknüpft werden. Möge das Beispiel der kirchlichen Solidarität unter euren Diözesangemeinden für die Völker des Indischen Ozeans eine Ermutigung zur Zusammenarbeit auf politischer, sozialer und wirtschaftlicher Ebene sein und so in der Achtung für jede Nation zum Wohl der Gesellschaft und zum Frieden unter den Völkern dieses Teils der Erde beitragen! Euer gemeinsamer Pastoralplan gilt auch dem Aufbau von Pfarreien, 1309 AD-LIMINA-BESUCHE die „Gemeinschaften von Gemeinschaften” in einer Kirche im Dienst der Welt sein sollen. 4. Zu euren dringendsten pastoralen Anhegen zählen die Heranbildung und die Zukunft der Jugend. Ich muß sagen, daß mich im Lauf meiner Reisen die Angehörigen der kommenden Generationen auf euren Inseln, die sehr treffende Fragen an mich richteten, positiv beeindruckt haben. Freilich nimmt man in ihnen angesichts einer von kultureller und religiöser Vielfalt gekennzeichneten, in rascher Industrialisierung begriffenen Welt eine gewisse Unruhe wahr, doch nicht weniger das echte Verlangen, das Wahre und Gute kennenzulemen: ein Zeichen dafür, daß der Geist Gottes in den Herzen am Werk ist. Ich weiß, daß ihr den Jugendlichen eurer Diözesen u. a. dank entsprechender Veröffentlichungen und Organisationen Hilfen zum menschlichen und christlichen Wachstum aiibietet. So fordere ich denn euch und eure direkten Mitarbeiter auf, in eurer vordringlichen Aufgabe fortzufahren und geistliche Führer der Jugendlichen eurer Nationen zu sein. Neben dem Katechismus der Katholischen Kirche verfügt ihr jetzt über die Enzyklika Veritatis splendor: Dieser könnt ihr für die Jugendlichen Leitgedanken entnehmen und sie so auffordem, selbst verantwortlich und ihrer erhabenen Würde als Kinder Gottes entsprechend zu leben. „Denn wie der Mensch, wenn er die Welt regiert, sie nach seinem Verstand und Willen gestaltet, so bestätigt, entwickelt und festigt der Mensch in sich selbst die Gottähnlichkeit, wenn er sittlich gute Handlungen vollzieht” (Nr. 39). 5. Auch Ehe und Familie zählen zu euren ständigen Hirtensorgen. Angesichts des schwerwiegenden Problems der Überbevölkerung habt ihr, z. B. durch die „Action Familiale”, versucht, den Ehepaaren im Geist der Enzyklika Humanae vitae zur Erreichung einer wirklich verantworteten Elternschaft zu verhelfen. Darüber hinaus fordert ihr weiterhin die Männer und Frauen unserer Zeit auf, nicht Sklaven ihrer Sexualität zu sein, sondern in ihr eine wunderbare, gottgeschenkte Ausdrucksform zur Gestaltung der Liebe und zur Weitergabe des Lebens zu sehen. Liebe Mitbrüder, ich möchte euch für die Förderung der Familienpastoral in eurer Region aufrichtig danken: Euer Einfluß reicht über die Grenzen eurer Kirchenbezirke hinaus. Wie könnte man es in diesem Zusammenhang an der Schwelle des „Internationalen Jahres der Familie” unterlassen, dankbar des Kardinals Jean Margeot zu gedenken, der sich rückhaltlos für die Verkündigung der Frohbotschaft Jesu Christi über die menschliche Liebe und die Ehe, das Geschenk des Lebens und die Erziehung der Kinder - mit einem Wort, über die Familie - eingesetzt hat? Ich bitte euch, ihm meine herzlichsten Grüße zu übermitteln. 6. Gemeinsam mit dem Thema der Familie ist auch das der Bildung und der Rolle der Laien Gegenstand eurer Reflexionen. Die Fähigkeit der Laien, für ihren christlichen Glauben Zeugnis abzulegen und „Salz der Erde” und „Licht der Welt” (vgl. Mt 5,13.14) zu sein, ist tatsächlich von großer Bedeutung. Deshalb soll die Entwick- 1310 AD-UM1NA-BESUCHE lung einer vertieften Evangelisierung die allgemeinen Tendenzen der Gesellschaft berücksichtigen, die vom Christentum geläutert und erneuert werden müssen, einer Moralauffassung entsprechend, für die das Glück auf die Seligpreisungen gegründet ist. 7. Seit dem II. Vatikanischen Konzil hat die lateinische Kirche den Diakonat „als eigene und beständige hierarchische Stufe” (Lumen Gentium, Nr. 29) wiederhergestellt. Somit ist er, wie der Katechismus der Katholischen Kirche betont, eine wichtige Bereicherung für die Sendung der Kirche (vgl. Nr. 1571). Es ist angebracht, daß die Männer, die ein wirklich „diakonales” Amt im Bereich der Liturgie, der Pastoral und der sozialen und karitativen Dienste ausüben, die Weihe empfangen, um so ihren Dienst mit Hilfe der sakramentalen Gnade wirksamer erfüllen zu können. 8. Im übrigen, liebe Brüder, ist es mein Wunsch, daß die Laien eurer Diözesen eine gute Kenntnis der Soziallehre der Kirche erwerben, um so die zeitlichen Wirklichkeiten mit dem Geist des Evangeliums durchdringen zu können. Insbesondere sollen sie sich auf die Teilnahme am politischen Leben vorbereiten: Diese Aufgaben, die nicht den Seelenhirten zustehen, sind ein Teil der Berufung der Laien, die in Eigeninitiative gemeinsam mit ihren Mitbürgern handeln. Obwohl die Inseln des Indischen Ozeans auf pastoraler Ebene gemeinsame Probleme haben, sind ihre Beziehungen zu den politischen Systemen verschieden. Es obliegt daher jeder einzelnen Insel, auf ihre Art und Weise eine konstruktiven Zusammenarbeit mit den politischen Kräften zu finden. 9. Die Evangelisierung, das Herz des pastoralen Wirkens, führt über die Inkulturation des Glaubens. Das ist eine der großen Intuitionen des II. Vatikanischen Konzils, die ihr in die Praxis umsetzt. Ich begrüße die Bemühungen von Bischof Gilbert Aubry, der sich auf diesem Gebiet besonders eingesetzt hat und so weit geht, auf euren Inseln „die kreolische Herkunft (zu feiern), deren man auf tausenderlei Weisen gedenkt und deren Rassen tausend andere Rassen hervorbringen” (Hymnus auf das Kreolische). Obwohl zwischen euren Teilkirchen und denen der großen Länder der afrikanischen Ostküste und selbst Madagaskars bemerkenswerte Unterschiede bestehen, wolltet ihr Vollmitglieder des „Symposiums der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars” (S.C.E.A.M.) sein. Somit seid ihr also an der afrikanischen Sondersitzung der Bischofssynode interessiert, die im nächsten Jahr stattfinden und zu deren Themen gerade die Inkulturation zählen wird. Als logische Folge der Menschwerdung verkündet die Kirche das fleischgewordene Wort den Ausdrucksformen der verschiedenen Kulturen entsprechend und bedient sich ihrer zur Verbreitung der Botschaft Christi, „um sie zu erforschen und tiefer zu verstehen, sie in der liturgischen Feier und im Leben der vielgestaltigen Gemeinschaft der Gläubigen besser auszudrücken” (Gaudium et spes, Nr. 58). 1311 AD-LIMINA-BESUCHE 10. Gestattet mir jetzt einige Überlegungen zum internationalen Tourismus, der dazu bestimmt ist, nunmehr, am Ende des Jahrhunderts, einer der wichtigsten Industriezweige zu werden. Eure einst in erster Linie landwirtschaftlich orientierten Inseln wollten die Schönheit ihrer Landschaft und ihrer Strände für den Aufbau auch anderer Wirtschaftszweige ausnützen. Die künstlerische Kreativität, die kulturellen Aktivitäten und das einheimische Handwerk erhielten auf diese Weise neue Anregungen, und fruchtbare menschliche Beziehungen wurden aufgebaut. Doch zeigen sich auch negative Auswirkungen: Prostitution, Drogenabhängigkeit, die Leidenschaft des Glücksspiels und die Zerstörung wertvollen gesellschaftlichen Brauchtums. Ihr seid bestrebt, diesen Erscheinungen mittels einer Tourismuspastoral entgegenzutreten. Die Katholiken sollen ein ausgeglichenes Verhältnis von Freizeitgestaltung und Dienst für die Mitmenschen fördern und entschieden ihren Sinn für soziale Gerechtigkeit und ihre Achtung vor dem Menschen als Abbild Gottes entschieden vertreten, 11. Liebe Mitbrüder, wie der Herr selbst lehrt, ist es „mit dem Himmelreich ... wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte” {Mt 13,24). Trotz der Domen und des felsigen und unfruchtbaren Bodens nährt die Kirche den Samen des Reiches, damit er dank der Kraft der Heiligen Geistes dreißigfach, sechzigfach oder hundertfach Frucht bringe (vgl. Mt 13,23). Der Bischof von Rom fühlt sich euch allen nahe im Gebet, in Gedanken und im Herzen. Möge der Herr der Ernte mit euch sein! Möge er eure Schritte leiten und euch seine Gaben der Freude und des Friedens schenken! Als Unterpfand der Liebe und Zeichen der Ermutigung spende ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Verunsicherte Erwachsene und Jugendliche durch die Neuevangelisierung stärken Ansprache an die Bischöfe von Quebec bei ihrem Ad-limina-Besuch am 6. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Nach unseren Einzelgesprächen freue ich mich über diese Begegnung mit allen Mitgliedern der Versammlung der Bischöfe von Quebec. Ich danke eurem Präsidenten, Msgr. Bemard Hubert, für die in eurem Namen an mich gerichteten Worte, die den Sinn und die Tragweite eures Besuches zum Ausdruck brachten. Eure Vorbereitung auf den Ad-limina-Besuch zeigt deutlich, welche Wichtigkeit ihr ihm beimeßt. Es geht in der Tat um einen bezeichnenden Akt kirchlicher Communio. Mehr noch als zur Person des Nachfolgers Petri kommt ihr nach Rom auf den Spuren der Gründerapostel: Petrus und Paulus waren Zeugen und Herolde des von Christus, dem 1312 AD-LIMINA-BES U CHE Erlöser, empfangenen Evangeliums, Märtyrer des Glaubens und Säulen des Bauwerkes, in das alle EinzeUdrchen eingegliedert sind. Quebec seinerseits hat der universalen Kirche viel gegeben. Ich hatte die Freude, mehrere Heilige und Selige zu ehren, die die Kirche in eurem Land auszeichnen, wie der große Missionsbischof Francois de Montmorency-Laval oder kürzlich noch die bedeutsame Mystikerin Sr. Dina Beianger. Wie viele junge Kirchen aber ziehen Nutzen aus dem selbstlosen Eifer Tausender von Missionaren aus Quebec oder aus der hochherzigen Großzügigkeit der Gläubigen eurer Diözesen! Der Austausch der Gaben erscheint gerade heute als eine Bedingung für die Lebenskraft der Kirchen in allen Gegenden der Welt. Die Pause zum Überlegen und Beten, die ihr in Rom einlegt, läßt euch das erfassen, was die universale Gemeinschaft der Jünger Christi begründet: die Wahrheit, welche frei macht, die brüderliche Liebe, welche auf die Liebe Gottes antwortet, und die Hoffnung, die nicht täuscht. 2. Liebe Brüder, ich denke an die Menschen in Quebec, denen eure Sorge und eure pastorale Aufmerksamkeit gelten. Sie suchen die Wege für ihre Zukunft in dieser Zeit rascher Wandlungen der Lebensverhältnisse und der Mentalität. Sie sind mit Unsicherheiten ebenso wie mit erheblichen Fortschritten vertraut. Die Wirtschaftskrise erfaßt sie, und trotz des realen Wohlstands eures Landes verbreitern sich Armutszonen. Ferner wird man sich oft bewußt, wie schwierig die Lage für die heutigen Erben der ursprünglichen Nationen eures Gebietes ist, denen man nicht immer eine harmonische Entfaltung in Achtung vor ihren Eigenheiten gestattet hat. Wenn ich diese Fragen mit wenigen Worten aufgreife, so möchte ich nur unterstreichen, daß die Christen sich in den meisten Bereichen des sozialen Lebens als solidarisch und, wenn nötig, hilfsbereit erweisen müssen. Meist befinden sich die Laien dort auf ihrem Fachgebiet, weil es um ihren Lebensraum oder den Bereich ihrer Berufsarbeit geht, was zugleich ihr erster Aufgabenbereich als Getaufte ist. Regt weiterhin ihre Bereitschaft an, ihren Mitmenschen im Geist des Evangeliums zu dienen, wie es die Soziallehre der Kirche darlegt. Die ausgewogene Klarstellung des II. Vatikanischen Konzils über die Rolle der Kirche in der heutigen Welt ist eine wertvolle Anregung für das Wirken der Christen in der Gesellschaft. Helft ihnen daher durch geeignete Bildungsangebote, ihre Kenntnis der Quellen zu vertiefen, die gerade für weitere Entwicklungen der Soziallehre unerläßlich bleiben. 3. Es scheint, daß die Erfüllung eurer pastoralen Aufgabe ferner gekennzeichnet ist durch das, was ihr die „stille Revolution” nennt, nämlich jene sozialen Wandlungen, die sich auf die Gemeinschaft der Christen tief ausgewirkt haben. Die Gestalt der Kirche hat sich dadurch bei euch merklich verändert. Eine solche Entwicklung bringt, wie ihr bemerkt, positive Aspekte mit sich, aber auch andere, die Sorge machen. Die religiöse Praxis geht zurück, die Familienstrukturen geraten ins Wanken, und die Zukunft erscheint, zumal für die jungen Menschen, dunkler. 1313 AD-LIMINA-BESUCHE Trotz der großen Zahl der Getauften steht sehr deutlich die Aufgabe einer Neuevan-gelisierang vor euch. Ihr sprecht passend davon, daß ihr eine „Wendung zur Gemeinschaft hin”, eine „Wendung zur Mission hin”, vollziehen und das Suchen nach neuen Wegen mit dem Handeln verbinden müßt, um den örtlichen Gemeinschaften, die eure Diözesen bilden, eine Zukunft zu sichern. Es ist Zeit, entschlossen zu handeln, ohne sich mit dem Blick nach rückwärts aufzuhalten oder bei einer Analyse der Situationen stehenzubleiben. Ihr müßt Mittel und Wege ins Auge fassen, die pastoralen Grundsätze festzulegen, doch nur bei ihrer praktischen Durchführung wird man das Ganze überprüfen können; unter Führung des Geistes werden die Früchte die Echtheit des Wirkens bezeugen. 4. In welchem Sinn sollt ihr tätig werden? Wie es eure doppelte Ausrichtung nahelegt, ist es notwendig, „Gemeinschaft” und „Sendung” zu verbinden. Man wird nie genug die Apostelgeschichte betrachten können. Wir sehen darin, wie die Jünger, vom Pfmgstgeist erleuchtet, den Leib Christ, die Kirche, zum Wachsen bringen: Während sie den Glanz der Wahrheit entdecken, bauen sie auf ihr zugleich ihre Lebensweise auf, bilden , eine geeinte Gemeinschaft und gehen dynamisch vor. Die Lehre der Apostel und das Brotbrechen gründen die Gemeinschaft fest auf das Wort und die Präsenz des lebendigen Christus. Ich habe euer Bemühen verstanden, den Gläubigen zu helfen, daß sie mehr aus den Sakramenten leben. Tatsächlich erhält die Gemeinschaft dank der sakramentalen Struktur der Kirche ihren Zusammenhalt aus der Begegnung mit ihrem Herrn, der in der Eucharistie wahrhaft gegenwärtig ist. Die Getauften sind Glieder seines Leibes; sie schreiten von Stufe zu Stufe in ihrem Leben, fort dank des Verzeihens und der Versöhnung, die ihnen im Bußsakrament über unsere menschlichen Fähigkeiten hinaus gewährt wird: sie erhalten die Kraft und das Licht des Heiligen Geistes in der Firmung; ihr Leben und ihre Liebe als Ehegatten werden durch das Sakrament der Ehe im Bund mit Gott geheiligt; in der Zeit des Leidens empfangen sie die Tröstung, mit dem Erlöserleiden Christi durch die Krankensalbung verbunden zu sein; die Auflegung der Hände weiht die Diener, die berufen sind, sie zu versammeln, sie zu lehren und „in persona Christi” zu handeln. Ja, der Weg der Gläubigen und der Gemeinden ist durch diese Hauptzeichen gekennzeichnet. Sie sind unschätzbare Gaben und für einen jeden, gemäß seiner Berufung, immer neue . Aufrufe, sich in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Ladet jeden,ein, sie als wesentliche Voraussetzungen für den Fortschritt in der Nachfolge Christi zu leben, um die Prüfung zu bestehen und auf den Ruf Gottes zu antworten. So lassen sich auch die verschiedenen Aufgaben des Alltags in den Gemeinden besser untereinander koordinieren und durch das gleiche Licht der Liebe Christi erhellen, ob es nun um die Aufgaben allgemeiner Animation, den liturgischen Dienst oder die Hilfe für die Armen geht, um nur einiges zu nennen. 5. Im Gefolge verschiedener Absprachen betont ihr stark die Hinführung zum Glauben für die Erwachsenen in euren Gemeinden. Hier stellt euch der Katechismus der 1314 AD-LIMINA-BESUCHE katholischen Kirche ein besonders nützliches Werkzeug zur Verfügung, auf das ihr zurückgreifen könnt. Wacht darüber, daß die erteilte Unterweisung gut auf die Verkündigung des Evangeliums konzentriert ist und durch ein Leben mit der Kirche ergänzt wird, so daß sie die geistliche Erfahrung und den apostolischen Eifer fördert und auch die moralischen Forderungen deutlich werden, die sich aus dem Evangelium ergeben. Die Erwachsenen können dann zahlreiche Formen des Dienstes an der Gemeinschaft wahmehmen innerhalb der Kirche, wie sie sich nach dem Willen des Herrn konstituiert hat, immer begleitet von seinem Geist und nach den Lebensregeln und der inneren Disziplin, die festzulegen sie sich veranlaßt sah. Wenn wir das sagen, sprechen wir sehr wohl von der Hinführung zum Glauben. Zweifellos würden gewisse Auseinandersetzungen zur Ruhe kommen und geklärt werden, wenn man, was den Glauben betrifft, in der Institution besser die Person des menschgewordenen Wortes zu erkennen wüßte, das ihr seine Präsenz zugesichert hat, wenn man ferner in ihren Diensten die treue Verwaltung der ihr vom Herrn anvertrauten Geheimnisse und im Lehramt den Ausdruck der lebendigen Tradition unter dem Beistand des Geistes zu entdecken wüßte. Ich denke besonders an Fragen, die über den Lebensstand und die Person der geweihten Diener gestellt werden: Die Kirche ist als Braut ihrem Herrn treu, wenn sie Männer zum Priestertum ruft, die persönlich durch eine volle und gänzliche Hingabe Zeichen des menschgewordenen Sohnes Gottes sein sollen. Sie zeigt damit, wie ihr gut wißt, keinen Vorbehalt gegenüber den Frauen; selbst wenn sie „sich nicht dazu berechtigt hält, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen”, so erkennt sie doch die große Wichtigkeit ihrer Beteiligung am Leben der Gemeinschaft an, zumal durch die Ausübung besonderer Verantwortlichkeiten, wie jene, die ihr ihnen immer häufiger in völlig normalem Vertrauen übertragt in Achtung „vor der jeweiligen Sendung des Mannes und der Frau” (Erklärung Inter insigniores vom 15. Oktober 1976). 6. Natürlich gilt den Jugendlichen eure volle Aufmerksamkeit für die Erweckung zum Glauben von Kindheit an, für eine gesunde Erziehung im Schulalter und die Vorbereitung auf die Sakramente der christlichen Initiation im Rahmen der Pfarreien, um sie dann vom Jugend- zum Erwachsenenalter zu begleiten. Ihr seid mit Recht besorgt über die mit diesen Aufgaben verbundenen Schwierigkeiten, angefangen bei denen des Systems der allgemeinen Erziehung. Selbst wenn die Kirche bei euch nicht mehr die gleichen Aufgaben wie in der Vergangenheit hat, bleibt die Schule ein Bereich, für den sich die Christen unbedingt interessieren müssen in dem berechtigten Wunsch, die Entfaltung der Persönlichkeit der Jugendlichen zu fördern. Was die religiöse Erziehung und den Eintritt ins Leben der Kirche angeht, beteiligen sich zahlreiche Erziehungskräfte in vollem Einsatz oder als freiwillige Helfer in Verbindung mit den Hirten an den verschiedenen notwendigen Aufgaben. Diese hochherzigen Laien verdienen das Vertrauen, und die Unterstützung der gesamten Diözesangemeinschaft. Ich weiß, ihr wacht eifrig darüber, daß sie lehrmäßig, geistlich und pädagogisch gut vorbereitet sind. 1315 AD-LIMINA-BESUCHE Wichtig ist auch, daß ihre heikle Aufgabe bei den Jugendlichen gut in Leben und Aktivität der lebendigen und aufnahmebereiten Ortskirche eingefügt wird, die glücklich darüber ist, daß sie die Schätze weitergeben kann, die sie selbst empfangen hat. 7. In ihren verschiedenen Aspekten ruht die Pastoral der Diözese in hohem Maß auf den Priestern; sie bedient sich auch des wertvollen Beitrags der Ordenspriester und -brüder und der Ordensschwestern. Durch euch möchte ich euren Mitarbeitern in der Priesterschaft der Diözese meine warme Empfehlung aussprechen wie auch den gottgeweihten Personen, die bei euch arbeiten. Mögen sie glücklich sein in ihrem hingebungsvollen Dienst, in der Antwort auf ihre Berufung, inniger mit dem Herrn verbunden zu bleiben und den Männern und Frauen in unermüdlicher Hingabe zu dienen. Ohne es immer auszusprechen, erwarten diese von ihnen ein unersetzliches persönliches Zeugnis, das ihnen die eigentlichen Gründe für ihr Hoffen, Glauben und Lieben klar werden läßt. Meßt der Berufungspastoral die volle Wichtigkeit bei, die sie verdient: Der Aufruf, sich dem Herrn in seiner Kirche zu weihen, soll klar vorgetragen werden im Vertrauen auf die wirklichen Qualitäten vieler Jugendlichen, die dienen möchten. Ich füge ebenso hinzu, daß ich mit Freude euren Entschluß zur Kenntnis genommen habe, die missionarische Anregung in euren Diözesen fortzusetzen in Weiterführung der großen Tradition, die für Quebec eine Ehre ist. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt, in diesen Tagen schauen wir besonders auf die Gestalt des auferstandenen Christus. Mit den Aposteln, deren Nachfolge uns zugefallen ist, verstehen wir, daß sich aus der Seite des Menschensohns Fluten lebendigen Wassers als Zeichen des lebenspendenden Geistes ergießen (vgl. Joh 7,37-39). Wir können in dem Wasser und dem Blut, die aus seiner geöffneten Seite fließen, die Zeichen der Taufe und der Eucharistie erblicken (vgl. Joh 19,33-35). Wir wissen, daß Jesus Christus uns als Sieger über den Tod Frieden und Versöhnung bringt, während er uns zugleich aussendet, wie der Vater ihn in die Welt gesandt hat (vgl. Joh 20,19-23). Wir hören ihn, wie er unseren Geist für das Verständnis der Schriften öffnet, damit wir den Sinn der Prüfung erfassen, die er aus grenzenloser Liebe auf sich genommen hat (vgl. Lk 24,44-48). Wir besitzen die Zusicherung seiner Gegenwart unter uns bis ans Ende der Zeiten (vgl. Mt 28,20). Möge die Betrachtung des Paschamysteriums für euch eine echte Ermunterung dazu werden, auf den Wegen eures bischöflichen Dienstes voranzuschreiten! Möget ihr die frohe Ergriffenheit der Jünger von Emmaus erfahren: „Brannte nicht unser Herz?” {Lk 24,32)! Betrachtet diesen meditativen Hinweis auf die Botschaft der Auferstehung als Ausdruck der guten Wünsche, die ich aus tiefstem Herzen für euch selbst, für die Priester, die Ordensleute, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und alle Mitglieder eurer Diözesangemeinschaften ausspreche. Versichert ihnen, daß der Bischof von Rom ihnen in schweren Stunden, wie in Zeiten der Freude nahe ist. 1316 AD -LIMINA-BESUCHE Ich rufe die Mutter des Herrn an, die im Abendmahlssaal am Gebet der Jünger teilnahm im Warten auf die Ausgießung des Geistes, und ich erteile euch meinen Apostolischen Segen, den ich zugleich sehr gern auf die ganze Kirche in Quebec ausdehne. Die katholischen Bildungsstätten in der Verantwortung für Evangelisierung und Katechese Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe West-Kanadas am 16. September Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen” (Ps 133,1). Ich möchte euch - den Bischöfen aus Alberta, Britisch Kolumbien, Manitoba, den Nordwest-Gebieten, Saskatchewan und Yukon - recht herzlich für unsere Verbundenheit im Bischofskollegium und mit den Worten des hl. Paulus für die Freude und den Trost eurer Liebe (vgl. Phlm 1,7) danken. Euer Besuch findet in einem bedeutsamen Augenblick statt. Der fünfzigste Jahrestag der Gründung der Kanadischen Konferenz katholischer Bischöfe ist für uns ein geeigneter Anlaß, um gemeinsam der allerheiligsten Dreifaltigkeit, von der alle Gnade ausgeht, für das Leben der Kirche in Kanada zu danken, in deren Dienst ihr im Namen des Herrn, als Nachfolger der Apostel berufen wurdet. Euer Ad-limina-Besuch sowie die häufigeren Begegnungen eurer Konferenz mit der Römischen Kurie erlauben einen brüderlichen Dialog und stärken die Gemeinsamkeit unter uns. Auf diese Art und Weise werden die Bande des Glaubens und der Gemeinschaft gefestigt, welche eure Teilkirchen mit dem Apostolischen Stuhl verbinden. Das Zweite Vatikanische Konzil erinnerte uns daran, daß in jeder Teilkirche „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche wahrhaft wirkt und gegenwärtig ist” (Christus Dominus, Nr. 11). Deshalb ist der Beistand, den der Nachfolger Petri mit seinem weltumspannenden Amt dem eurer Hirtensorge anvertrauten Volk Gottes „von innen her” leistet, eine in das Leben eurer Diözesen integrierte göttliche Gabe (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Communionis notio, Nr. 13). Das gilt besonders hinsichtlich der Bewahrung des Glaubensgutes (depositum fidei), das bis zur Rückkehr des Herrn unversehrt und makellos erhalten werden muß. Die Wahrheit selbst ist eine einigende Kraft. Anzeichen der Spaltung verringern die Kraft des Zeugnisses der Kirche, während die Harmonie ihre Glaubwürdigkeit steigert (vgl. Paul VI, Paterna cum benevolentia, Nr, 3). Den Bischöfen ist es auferlegt, gemeinsam mit dem Nachfolger Petri in ihrer Lehrtätigkeit kundzutun, daß sie „ein Herz und eine Seele” (Apg 4,32) sind, „eines Sinnes und einer Meinung” (1 Kor 1,10). 1317 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Beim kürzlich begangenen Welttag der Jugend in Denver hat mich besonders der Anblick so vieler junger Menschen - einschließlich tausender Kanadier - beeindruckt, die ernsthaft bestrebt sind, Christus und seine Kirche zu heben und sich in ihren Dienst zu stehen. Diese Männer und Frauen des dritten Jahrtausends erwarten von ihren Priestern und Bischöfen, daß sie ihnen helfen, gemäß der Wahrheit zu leben, die ihnen als kostbares Geschenk Christi mitgeteilt wurde (vgl. Gal 5,1). Echte Hirtenhebe erfordert, daß bei der Verkündigung des rettenden Wortes Christi keine Abstriche gemacht werden. Der Erfolg der Neuevangehsierung in Kanada wird zu einem nicht geringen Teil von eurer wirksamen und einigen Verkündigung aller Forderungen des Evangeliums abhängen. Die Gläubigen erwarten von den Bischöfen der Kirche, daß sie „authentische Lehrer, mit der Autorität Christi ausgerüstet (seien). Sie haben dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben ... zu verkündigen” {Lumen Gentium, Nr. 25). In diesem Sinn woben wir in uns unablässig das Charisma der Wachsamkeit neu beleben. Wie gute Wächter, die an der Lehre der Apostel festhalten (vgl. Apg 2,42) und denen die Aufgabe anvertraut ist, den „überlieferten Glauben” (Dei Verbum, Nr. 10) zu bewahren, zu erläutern und zu .verbreiten, dürfen wir nie davon ablassen, die Fülle der Kenntnis Christi und seiner Kirche zu verkünden. Wir alle wissen sehr wohl, wie sehr schwierig es ist, ein aufmerksamer Wächter und eifrige Verkünder der „Wahrheit des Evangeliums” (Gal 2,5) zu sein. Der hl. Augustinus ruft uns den Emst unserer Verantwortung ins Gedächtnis, wenn er sagt: „Ich bin nicht nur Christ ... sondern auch Führer und werde daher Gott über mein Amt.Rechenschaft ablegen müssen” (Predigt Nr. 46: Über die Hirten, 2). 3. Kanada erfährt - wie so viele 'andere Länder auch - viele positive Einflüsse, jedoch auch die der moralischen Übel unserer zeitgenössischen Kultur. Viele eurer Mitbürger leiden unter einem Verlust des moralischen Bewußtseins, weshalb die katholische Lehre auf den Gebieten des Glaubens und der Moral oft und systematisch in Frage gesteht wird. Als Hirten, denen es auferlegt ist, „das Geheimnis Christi ... ungekürzt vor[zu]legen” (Christus Dominus, Nr. 12), können wir dieser Herausforderung gegenübertreten, wenn unsere Lehre klar, eindeutig und einheitlich ist. Nur dann wird sie mit der Kraft und Macht der Wahrheit über der Verwirrung konfliktgeladenen Meinungen stehen. ’ Von der Sorge um das Anrecht der Gläubigen auf die Verkündigung der Lehre der katholischen Kirche beseelt, sollten wir demütig, beherzt und verständnisvoll - darüber wachen, daß niemand durch jene, die Verwirrung herbeiführen und „das Evangelium Christi verfälschen” {Gal 1,6), irregeführt werde. Das gilt insbesondere für die Lehraussagen, welche das kirchliche Lehramt als für alle Gläubige „definitiv verpflichtend” erklärt. Diese Aussagen erfordern Einhaltung und entschiedene Zustimmung. So heißt es in Donum veritatis: „Wenn es (das Lehramt) ,definitiv’ Wahrheiten über Glauben und Sitten vorlegt, die, wenn auch nicht von Gott geof-fenbart, jedoch eng und zuinnerst mit der Offenbarung verbunden sind, müssen 1318 AD-LIMINA-BES UCHE diese fest angenommen und beibehalten werden” (Kongregation für die Glaubenslehre, Nr. 23; Professio Fidei et Iusiurandum Fidelitatis (Glaubensbekenntnis und Treueid)). Mit großer Liebe und Geduld - den Blick ständig auf Christus, „das Licht der Welt” (Joh 8,12), gerichtet - ist uns die ernste Pflicht auferlegt, die Gläubigen zur Heranbildung eines moralischen Gewissens zu führen, das in Übereinstimmung mit der Wahrheit urteilt und handelt. Ferner sollen wir sie lehren, „durch für das Gewissen der Gläubigen normgebende Urteile jene Akte zu bezeichnen, die in sich selber mit den Forderungen des Glaubens übereinstimmen und seine Anwendung im Leben fördern, aber auch jene Akte, die aufgrund ihres inneren Schlechtseins mit diesen Forderungen unvereinbar sind” (Donum veritatis, Nr. 16). Als Wort des Lebens enthält das Evangelium allgemein gültige und unwandelbare moralische Normen, die mit neuer Begeisterung und neuer Überzeugung gelehrt werden sollten. Ich ermutige jeden einzelnen von euch, weiterhin die Bürde dieser prophetischen Rolle der wachsamen Liebe zu tragen und auf jede nur denkbare Weise dafür zu sorgen, daß die „gesunde Lehre” (1 Tim 1,10) des Glaubens und der Moral überall in euren Diözesen Verbreitung finde - eine nachhaltige Verbreitung auf allen Ebenen. 4. Als Hilfe in unserem Amt in der heutigen Zeit und damit wir Herolde der Wahrheit sein können, die uns frei macht (vgl. Joh 8,32), hat uns der Herr ein kostbares Instrument zum Geschenk gemacht: Den Katechismus der Katholischen Kirche. In euren Händen wird diese reife Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils ein geeignetes Werkzeug für die gewissenhafte Verbreitung der echten Lehren des Konzils - selbst ein Zeuge für die große Tradition der Kirche - in der Predigttätigkeit und der Katechese sein. Mit seiner ausgeglichenen und systematischen Darlegung des Glaubens offenbart er die Einheit, den Zusammenhalt, die Schönheit und die Relevanz des katholischen Glaubens. Er ist, wie seine begeisterte Aufnahme seitens der Laien vieler Länder bewiesen hat, nicht nur für Hirten und Spezialisten bestimmt, sondern für alle kirchlichen Bereiche. Ich weiß, daß die Kirche in Kanada den Katechismus der Katholischen Kirche willkommen heißen wird und daß ihr, im Geist der allumfassenden Gemeinschaft, seine Reichtümer auf jede nur mögliche Weise den Gläubigen zugänglich machen werdet. 5. Euer Land hat das Glück, über eines der umfassendsten katholischen Erziehungssysteme der Welt zur verfügen, auf das ihr mit Recht stolz seid. Gemeinsam mit den zahlreichen katholischen Kollegien und Universitäten haben eure Schulen einen sehr bemerkenswerten Beitrag zur Heranbüdung junger Männer und Frauen zu treuen und gebildeten Katholiken und verantwortungsbewußten und hochherzigen Staatsbürgern geleistet. Auf diese Weise hat das katholischen Erziehungswesen Generationen von Männern und Frauen im Laienstand ausgebildet, die - dank der sie kennzeichnenden, tiefen Harmonie von Mitgliedschaft in der Kirche und in der bürgerlichen Gesellschaft - imstande waren, die tragische Trennung zwischen Glauben und Leben sowie Evangelium und Kultur zu überwinden (vgl. Christifideles laici, Nr. 59). 1319 AD-LIMINA-BES U CHE Jetzt steht ihr jedoch neuen Problemen gegenüber: der Notwendigkeit, die katholische Identität eurer Schulen zu wahren und der Herausforderung des wachsenden religiösen und moralischen Relativismus in der öffentlichen Meinung entgegenzutreten. Die katholischen Bildungsstätten müssen ihre Verantwortung für Evangelisierung und Katechese neuerlich bekräftigen, indem sie der anspruchsvollen Aufgabe, das Wort Gottes in all seiner Kraft zu verkünden, voll und ganz gerecht werden. In einigen Provinzen wurde kürzlich das Recht auf öffentlich anerkannte, unabhängige katholische Schulbehörden in Frage gestellt. Eure überzeugten Bemühungen, eure Schulen selbst in Einklang mit dem katholischen Glauben und seiner Praxis zu verwalten, sind im unveräußerlichen Recht der Kirche auf die freie Gründung und Leitung von Schulen, in Übereinstimmung mit ihren Notwendigkeiten, grundgelegt (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 8). Mögt ihr hinsichtlich dieses wichtigen Aspekts des kirchlichen Lebens in eurer Nation weise und weitblickende Hirten sein. Auch möchte ich euch zu weiteren Bemühungen um eine gesunde, der katholischen Tradition, Lehre und Lebenshaltung gemäße Bildung und Ausbildung aller im erzieherischen, katechetischen und sozialen Apostolat der Kirche Beschäftigten ermutigen. 6. Ich weiß mit welch tiefer Hirtensorge ihr am Aufbau der Einheit arbeiten möchtet, die Christus für seine Kirche gewünscht hat, einer echten Einheit, die ihrer Natur nach die volle, sichtbare Gemeinschaft aller Christen in Wahrheit und Liebe ist. Das Direktorium für die Anwendung der Grundsätze und Normen des Ökumenismus, das kürzlich vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen herausgegeben wurde, verfolgt den Zweck, die ökumenischen Initiativen zu fördern und die Dringlichkeit einer weiterreichenden Ausbildung in diesem Bereich hervorzuheben. Im Geist der „spirituellen Armut”, die zur Überwindung von Mißtrauen und Unkenntnis einlädt, kann die Kirche in Kanada zur ökumenischen Bewegung in ihrer Gesamtheit einen wertvollen Beitrag leisten. Jeder sollte auf die Notwendigkeit bedacht sein, im Dialog die Priorität der Wahrheit aufrechtzuerhalten und gleichzeitig für die gegenseitige Bereicherung aufgeschlossen zu sein, die den echten Ökumenismus kennzeichnet. Vor allem darf niemand von uns vergessen, daß die Zielsetzung der ökumenischen Bewegung „die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten übersteigt” (Unitatis redintegratio, Nr. 24) und sich wesentlich auf die „Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens, in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen” (ebd., Nr. 8) stützt. 7. Liebe bischöfliche Mitbrüder, euer Amt muß vielen Erfordernissen gerecht werden! Es ist mein aufrichtiger Wunsch, euch mit meinen Worten im Herrn zu stärken. Insbesondere möchte ich jene unter euch, die im hohen Norden tätig sind, meines Gebetes und meiner Ermutigung für die den besonderen Notwendigkeiten entsprechende Ausübung ihres Amtes unter den eingeborenen Völkern versichern. Gerne unterzeichne ich den in der Pastoralbotschaft eurer Konferenz zum 500. Jahrestag der Evangelisierung Amerikas enthaltenen Aufruf, in dem von der Qualität der ge- 1320 AD-LIMINA-BESUCHE lebten Solidarität in der kanadischen Gesellschaft die Rede ist und die im Hinblick auf die zur Verbesserung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lage der eingeborenen Völker ergriffenen Maßnahmen beurteilt werden soll (vgl. Kanadische Konferenz katholischer Bischöfe, Für eine neue Evangelisierung, 23. September 1992, Nr. 19). Indem ich mein Vertrauen auf den Herrn zum Ausdruck bringe, der weiterhin den Eifer und die Treue der Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen steigern wird - denn „der bei euch das gute Werk begonnen hat, wird es auch vollenden” {Phil 1,6) - empfehle ich euch selbst und eure Diözesangemeinden der hebenden Sorge Marias, der Mutter der Kirche, und dem Schutz des hl. Josef, dem Patron Kanadas, und erteile euch meinen Apostohschen Segen. Die Berufung zu einem Leben mit Gott Ansprache beim Ad-limina-Besuch der kanadischen Bischöfe der atlantischen Kirchenprovinzen am 8. November Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude begrüße ich euch, die Bischöfe aus Neubraunschweig, Neufundland, Neuschottland und der Prince Edward Insel: „Gnade sei mit euch und Friede von Ihm, der ist und der war und der kommt” (Offb 1,4). Unser Treffen bringt die tiefe geistliche und sichtbare Gemeinschaft zum Ausdruck, die zwischen euren Ortskirchen und der Weltkirche besteht, eine Gemeinschaft, die unserem „Eingepfropftsein” (vgl. Rom 11,17 ff.) in Christus entspringt. Wir müssen uns unablässig an ihn, den obersten Hirten (vgl. 1 Petr 5,4), wenden, um den „unergründlichen Reichtum” {Eph 3,8) zu erkennen, mit dem er uns zum Aufbau der „unbefleckten Braut” (vgl. Offb 19,7) ausgestattet hat. Sie ist es, die er in einem unlösbaren Bündnis mit sich vereint, und die er unablässig „nährt und pflegt” {Eph 5,29; vgl. Lumen Gentium, Nr. 6). Unser unerschütterliches Vertrauen und unsere Zuversicht ruhen in ihm und der Heilskraft seines Evangeliums (vgl. Röm 1,16). - In einer Zusammenschau mit den vorausgegangenen Ad-limina-Besuchen eurer Mitbrüder im Bischofsamt aus Quebec, aus dem Westen und Norden erinnert eure Anwesenheit an die Weite eures Landes, das sich a mari usque ad mare (vgl. Ps 72,8) erstreckt und das an die „Neuevangelisation” so viele Herausforderungen stellt, Mit den anderen Bischöfen habe ich über verschiedene Aspekte ihrer pastoralen Sorge für die Kirche nachgedacht und sie ermuntert, aufmerksame Hüter der Wahrheit zu sein, Hirten, die die volle Wahrheit über Christus und die Kirche verkünden. Heute werden wir uns einigen anderen Gesichtspunkten eures Amtes zuwenden. 2. Als Hirten seid ihr berufen, euren Herden Nahrung zu geben, ihre Seelen mit jenem Leben in Fülle zu stärken (vgl. Ps 23,3), das der gute Hirt erlangte, als er 1321 AD-LIMINA-BESUCHE freiwillig sein Leben am Kreuz hingab (vgl. Joh 10,10-11): Im Mittelpunkt eures sakramentalen Dienstes steht das heilige Opfer der Eucharistie, das wir darbringen, um die Gläubigen mit jenem Brot zu nähren, das für das Leben der Welt hingegeben wird (vgl. Joh 6,51). Der Mangel an Priestern oder ihre ungleichmäßige Verteilung erschwert es in einigen Fällen, dem Bedürfnis der Gläubigen nach der Eucharistie - der eigentlichen Quelle, dem Mittel- und Höhepunkt des kirchlichen Lebens - zu entsprechen, (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11). Diese Situation, zusammen mit dem besorgniserregenden Rückgang der Teilnehmer an der sonntäglichen Messe, erfordert tatkräftigen pastoralen Einsatz, in treuer Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche. Bei eurer Antwort auf diese Herausforderung sollte eure pastorale Arbeit stets von gewissen grundlegenden Prinzipien ausgehen. Die Pfarrei ist eine Gemeinschaft von Getauften, die durch die Feier der Eucharistie ihrer Identität Ausdruck und Kraft verleihen (vgl. Christifideles laici, Nr. 26). Das erfordert die Anwesenheit eines geweihten Priesters, der kraft seiner heiligen Gewalt und seiner unersetzlichen Verantwortung das eucharistische Opfer in der Person Christi darbringt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 10; Pastores dabo vobis, Nr. 48). Es sollte unbedingt darauf geachtet werden, Mißverständnisse in bezug auf das Wesen der Eucharistie und ihre grundlegende Verbindung mit der Amtspriesterschaft zu vermeiden. Wenn eine Gemeinde den Priester entbehren muß, der öffentlich im Namen Christi handelt (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 2), dann erfordert diese bedauerliche Situation eine Notlösung. Der sonntägliche Gottesdienst sollte weiterhin stattfinden und jene Laien, die den Gebetsgottesdienst ihrer Brüder und Schwestern leiten, üben auf lobenswerte Weise das auf der Taufgnade begründete gemeinsame Priestertum aller Glaubenden aus. Es wäre aber ein schwerer Fehler, dies als ein normales Einbeziehen von Ordensleuten und Laien in die Liturgie zu betrachten. Solche Maßnahmen sollten nur als Übergangslösungen gesehen werden, ^.während die Gemeinde auf einen Priester wartet” (Kongregation für den Gottesdienst und die Sa-kramentenordnung, Richtlinien für den Sonntagsgottesdienst, 2. Juni 1988, Nr. 27). Eure aufmerksame Beaufsichtigung ist erforderlich, damit allen „der Übergangschä-rakter dieser Gottesdienste klar wird, die nicht als optimale Lösung für neue Schwierigkeiten angesehen werden können” (vgl. ebd., Nr. 21). In eurem Pastoral-schreiben „Das Amt des Priesters” vom 18. Januar 1990 kömmt diese Tradition der Kirche zum Ausdruck, wenn unmißverständlich darauf hingewiesen wird, daß „eine Kirche ohne Priester undenkbar ist”. Im Gegenteil, die sakramentale Unvollständig-keit dieser Gottesdienste sollte die gesamte Gemeinde veranlassen, noch inniger dafür zu beten, damit der Herr Arbeiter für seine Ernte aussende (vgL Mt 9,38). Ich schließe mich eurem Gebet an, damit der Kirche in Kanada ein neuer Frühling der Berufungen zum Priester- und Ordensdienst zuteil wird. 3. Die kommenden apostolischen Visitationen in euren Seminaren werden der Kanadischen Bischofskonferenz weitgehend Gelegenheit geben, über Mittel und Wege 1322 AD-L1MINA-BESUCHE zur Verbesserung der menschlichen, geistigen, intellektuellen und pastoralen Ausbildung der Priester nachzudenken. Im Licht der maßgeblichen Dokumente des Heiligen Stuhls und des nachsynodalen Apostolischen Schreibens Pastores dabo vobis wird sich die auf den neuesten Stand gebrachte „ratio fundamentalis”, die ihr aufzusetzen beabsichtigt (vgl. Vom Schmerz zur Hoffnung, VII., Empfehlung, Nr. 50), mit der anspruchsvollen Aufgabe beschäftigen, die Gläubigen und die Priesteranwärter zu einem tieferen Verstehen jener ontologischen Bande zu führen, die den Priester mit. Christus, dem Hohenpriester und Guten Hirten, verbinden. Auf diese Weise bekommt die gesamte Gemeinschaft eine korrekte Vorstellung haben von der transzendenten Aufgabe des Priesters, als „Vermittler und lebendiges Werkzeug der Gnadenmitteilung Gottes” an seine Menschen (Pastores dabo vobis, Nr. 73) und wird sie achten. 4. In der heutigen Zeit, in der einige die Beibehaltung des priesterlichen Zöübats nicht mehr als wünschenswert erachten, sollten die Bischöfe mutig lehren, wie passend es ist, dieses „Zeichen des Widerspruchs” auf angemessene Weise mit dem Amtspriestertum zu verbinden. Im Lauf der Jahrhunderte hat die Kirche aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Erwägungen mit ständig wachsender Klarheit erkannt, daß der priesterliche Zölibat nicht nur eine rechtliche Forderung als Bedingung für die Zulassung zur Priesterweihe ist. Er ist zutiefst mit der Gleichgestaltung mit Christus, dem Guten Hirten und Bräutigam der Kirche, verbunden. In Pastores dabo vobis heißt es: „Gewiß handelt es sich um eine Gnade, die ihren Empfänger nicht von der bewußten und freien Antwort entbindet, sondern diese mit einzigartiger Kraft von ihm fordert. Dieses Charisma des Geistes schließt auch die Gnade ein, daß derjenige, der sie empfängt, das ganze Leben treu bleibt und mit Selbstlosigkeit und Freude die damit verbundenen Verpflichtungen erfüllt” (Nr. 50). Kulturelle Gründe und der Priestermangel in gewissen Gegenden sind verschiedentlich der Anlaß, daß der Ruf nach einer Änderung dieser Disziplin laut wird. Es ist sicher nicht der richtige Weg, jenen Lösungen wesentliche Bedeutung beizumessen, die mehr auf Kriterien gewisser anthropologischer, soziologischer oder psychologischer Strömungen basieren als auf der lebendigen Tradition der Kirche. Wir können die Tatsache nicht ignorieren, daß die Kirche den Willen Gottes durch die innere Führung des Geistes erkennt (vgl. Joh 16,13), und daß die Schwierigkeiten, die heute mit dem Festhalten an der Ehelosigkeit verbunden sind, kein ausreichender Grund sein können, die Überzeugung der Kirche hinsichtlich ihres Wertes und ihrer Gültigkeit umzustoßen, die Überzeugung, die die Kirche durch ihr Lehramt, und nicht zuletzt durch das Zweite Vatikanische Konzil, auf konstante Weise bestätigt (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 16). Wie in anderen Ländern, so ist auch die Kirche in Kanada aufgerufen, dieser Situation mit Zuversicht und Mut zu begegnen, „wobei.ihnen der Geist das Vertrauen gibt, daß der Vater die Berufung zum ehelosen Leben ... großzügig geben wird, wenn nur diejenigen, die durch das Sakrament 1323 AD-LIM1NA-BES U CHE der Weihe am Priestertum Christi teilhaben, zusammen mit der ganzen Kirche demütig und inständig dämm bitten” (ebd.). Das Ärgernis, des jene Priester und Ordensleute gegeben haben, die in dieser Beziehung gescheitert sind, haben der Kirche in Kanada großes Leid zugefügt. Ich möchte euch wissen lassen, daß ich den Schmerz persönlich mit euch geteilt habe, und daß er der Grund für die vielen Gebete zum „Vater des Erbarmens und Gott allen Trostes” war (2 Kor 1,3), für die Opfer sexueller Fehltritte, wie auch für diejenigen, die die Verantwortung dafür tragen. Laßt uns den guten Rat des hl. Paulus befolgen: „Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!” (Rom 12,21). In tiefster Dankbarkeit gedenke ich der Treue und des Eifers so zahlreicher Priester in Kanada, die, in Reinheit und Selbstlosigkeit, sich Christus und seiner Kirche in vollkommener Hingabe geschenkt haben, und bitte euch, meine Ermunterung allen Geistlichen zu übermitteln, deren Vater im Herrn ihr seid (vgl. Christus Dominus, Nr. 16). 5. Eure pastorale Sorge verlangt unter anderem, daß ihr euch mit der wichtigen Frage über die Rolle der Frau, mit ihren Rechten und Pflichten, in euren Ortskirchen und in der Gesellschaft Kanadas befaßt. Das gesamte Volk Gottes muß das unersetzliche Geschenk jener „weiblichen Gaben” anerkennen, womit die Frauen zum Leben und zur Sendung der Kirche beitragen, und sich über sie freuen (vgl. Christi-fideles laici, Nr. 51). Diese reichen Gaben des Frauseins haben ihren Ursprung im Alten Bund: Am Tag der Erschaffung hat die Frau den Reichtum ihres Frauseins empfangen „und als den ihr eigenen Ausdruck des ,Bildes Gottes’ ererbt” (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 10). Ln Neuen Bund, mit dem die Erlösungsbande zwischen Christus und der Kirche besiegelt werden (vgl. Eph 5,32), genießt die Frau eine besonders privilegierte Stellung „in der Ordnung der Liebe” (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 29). Da „Gott ihr in einer besonderen Weise den Menschen anvertraut” {ebd., Nr. 30), sollten die Verpflichtungen der Frau im Hause, in der Ehe und in der Familie nicht als Einschränkung oder Erniedrigung angesehen werden. Diese Verpflichtungen zeugen hingegen auf eingehende und bestimmte, wenn auch nicht ausschließliche Weise, von der Liebe, die Gott seiner Schöpfung entgegenbringt, da er persönlich für jeden seiner Söhne und Töchter sorgt (vgl. 1 Joh 4,16). In dieser Hinsicht ist die Förderung eines authentischen Fortschritts der Frauen, der nur dann verwirklicht werden kann, wenn er in der Wahrheit der Schöpfung und der göttlichen Offenbarung verankert ist, eine wichtige pastorale Verantwortung, ebenso wie eine Frage der Liebe und der Gerechtigkeit. Der Papst fuhr in französischer Sprache fort: 6. Während der Monate, die uns noch von der für 1994 vorgesehenen Synode über das geweihte Leben und die Rolle der Kirche in der Welt trennen, möchte ich die Ordensleute in Kanada darin bestärken, sich durch stets inbrünstigeres Beten auf 1324 AD-LIMINA-BESUCHE dieses Ereignis vorzubereiten. Das geweihte Leben ist ein Geschenk des Geistes „an” die Kirche und „für” die Kirche. Die zahlreichen katholischen Schulen und Krankenhäuser, die es in eurem Land gibt, wären nie entstanden und könnten ohne den Unternehmungsgeist, die Entschlossenheit und die selbstlose Hingabe tausender Ordensleute ihre Mission nicht fortsetzen. Ich denke vor allem an die heroischen Taten der hl. Margaret Bourgeoys und der hl. Margaret von Youville, den ersten in Kanada geborenen Heiligen, und der seligen Marie-Leonie Paradis, die ich während meines Pastoralbesuchs in eurem Land seliggesprochen habe. Dennoch beunruhigt es euch, wenn ihr seht, daß seit einigen Jahren das Ideal des Ordenslebens für gewisse Gruppen nicht mehr den gleichen Anreiz hat; wir wollen hoffen, daß die kanadischen Ordensleute die Gelegenheit, die sich ihnen durch die Synode bietet, nutzen werden, „um die Frage ihrer Erneuerung im Licht der Herausforderungen und der Möglichkeiten unserer Zeit neu zu überdenken” {Richtlinien, 33). Für sie ist es eine besondere Dringlichkeit, über ihre Identität und das Charisma, ihrer Gründung nachzudenken. Im Geist tiefer Demut und in vertrauensvoller Hingabe an denjenigen, „der ... unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können” {Eph 3,20), sollten sich Ordensmänner und Ordensfrauen im Hinblick auf die vom Zweiten Vatikanischen Konzil angeratene Erneuerung fragen, ob sie tatsächlich verwirklicht worden ist (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 2), und ob sie jene Früchte der Heiligkeit und apostolischen Eifers bringen konnte, die man sich erhofft hatte. Ihr seid als Hirten für die gesamte Gemeinde eurer Diözesen zuständig, und in eurem Dienst tragt ihr auch Sorge für die in euren Teilkirchen anwesenden Ordensleute. Sie brauchen eure Unterstützung und Führung nicht nur für ihre pastoralen Tätigkeiten, sondern auch für die Befolgung der evangelischen Räte, durch die sie geweiht sind. (Redemptionis donum, Nr. 7). 7. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, wir sind am Abend des zweiten Jahrtausends angelangt, das nun bald zur Neige geht (vgl. Lk 24,29). Ich fordere euch, die Hirten der Kirche Kanadas auf, mit den Vorbereitungen für das große Jubiläum der erlösenden Menschwerdung unseres Herrn zu beginnen. Gebt in den verschiedenen Umständen des pastoralen Lebens vor allem Unterstützung und Ermutigung zu einem neuen „glühenden Verlangen nach Heiligkeit” {Redemptoris missio, Nr. 90) unter den Priestern, den Ordensleuten und den Laien stärken und fördern. Als Hirten nach dem Herzen des Herrn (vgl. Jer 3,15), sollt ihr die Gläubigen zur Quelle des Lebens führen: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast” {Joh 17,3). Ich bitte die Heiligen Kanadas um ihre Fürsprache und vertraue euch und alle, mit deren pastoraler Betreuung ihr beauftragt seid, dem gütigen Schutz Unserer Lieben Frau an und erteile euch von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. 1325 AD-LIMINA -BESUCHE Grundlagen einer gerechten Gesellschaftsordnung Ansprache an die kanadischen Bischöfe aus Ontario anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs vom 19. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich heiße euch, die Bischöfe aus Ontario, herzlich willkommen und freue mich, „wenn ich in meinen Gebeten an euch denke. Denn ich höre von eurem Glauben an Jesus, den Herrn, und von der Liebe zu allen Heiligen” (vgl. Phlm 4-5). Euer Ad-limina-Besuch gibt uns die Gelegenheit, gemeinsam über die „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst” (vgl. Gaudium et spes, Nr. 1) der Gläubigen nachzudenken, für die ihr Stellvertreter des Obersten Hirten seid (vgl. 1 Petr 5,4). Wenn der Herr uns die herausfordernde Frage stellt, die er einst an Petrus richtete: „Liebst du mich?” (vgl. Joh 21,15-17), so ist dies eine nahezu übermächtige Frage. Er ruft uns zu einem unaussprechlichen Bund der Liebe mit sich selbst auf. Da er uns zuerst geliebt hat, bittet er uns, die wir seine Verwalter und seine Freunde sind, um ein beständiges, inniges und großmütiges Herz, aus dessen Tiefe heraus wir antworten können: „Ja, Herr, du weißt, daß ich dich hebe” {Joh 21,15-17). Unsere Treue zum „Hirten und Bischof’ unserer Seelen (7 Petr 2,25) wird dann in einer tiefen und hingebungsvollen Liebe zur Kirche erscheinen, für die Christus „sich hingegeben hat, ... um sie heilig zu machen” (Eph 5,25-26). Die Liebe, die sich am Evangelium ausrichtet und die der Heilige Geist in unsere Herzen ausströmt (vgl. Röm 5,5), muß die belebende Kraft unserer Seelsorge am Gottesvolk sein. Ich bete, daß eure Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Peter und Paul euch Kraft geben und euch in eurem Amt ermuntern möge und daß ihr in erneuerter pastöraler Liebe zu euren Diözesen zurückkehren möget. 2. Nachdem ich bereits mit anderen kanadischen Bischöfen darüber gesprochen habe, daß sie fest am sicheren Wort der Wahrheit festhalten (vgl. Tit 1,9) und das Gottesvolk mit dem Leben der göttlichen Gnade durch die Sakramente nähren mögen, kehren unsere Gedanken heute zu unserer Pflicht zurück, „die Gläubigen das zu lehren, was sie auf den Weg des Herrn führt, so-wie es einst der Herr Jesus gemacht hat” {Veritatis splendor, Nr. 114). Zu einer Zeit, da die ethischen Wurzeln schwerwiegender sozialer Probleme nicht immer offensichtlich sind, ist es wichtiger denn je, daß wir, die Bischöfe der Kirche, die Laien in ihren Bemühungen unterstützen und dazu anleiten, eine aktive Rolle in der harmonischen und alles umfassenden Entwicklung einer gerechten und auf Fürsorge bedachten Gesellschaft zu spielen. Wehn die Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute über die gesellschaftlichen Pflichten der Gläubigen spricht, so ermahnt sie die Christen, vorbildlich zu sein im Dienst an der Förderang des Gemeinwohls: „Sittlich integer und klug zugleich, sollen sie angehen gegen alles Unrecht und jede Unterdrückung ... 1326 AD-L1M1NA-BESUCHE und gegen Intoleranz ... Redlich und gerecht, voll Liebe und pohtischen Mutes sollen sie sich dem Wohl aller widmen” (Gaudium et spes, Nr. 75). Die Verbreitung der Soziallehre der Kirche ist daher „Teil der evangehsierenden Mission” der Kirche, die in allen Kirchenmitghedem als tiefer „Einsatz für die Gerechtigkeit” (Sollicitudo rei socialis, Nr. 41) gelten sollte. Die Bischöfe haben nicht nur die Pflicht, sich gegen die Ungerechtigkeit auszusprechen, sie müssen darüber hinaus vor allem die Grundsätze der Soziallehre der Kirche über die Probleme geltend machen, die ihr Volk und insbesondere die Bedürftigen und die Opfer des sozialen Ungleichgewichts angehen. In der Tat habt ihr in dem kürzlich veröffentlichten Dokument Weitverbreitete Arbeitslosigkeit: Ein Aufruf zur Mobilisierung (14. April 1993) eure Mitbürger daran erinnert, daß die Arbeitslosigkeit, die die menschliche Würde und Festigkeit untergräbt, einer gerechten Lösung bedarf. Gerechtigkeit heißt in diesem Falle, die Wirtschaft menschlicher zu gestalten und sie auf eine Weise neu zu errichten, die die Überwindung der sozialen und sittlichen Unordnung ermöglicht (vgl. Nr. 20). 3. Die durch den lebendigen Glauben angeregten und motivierten Laien sollten die Verantwortung übernehmen, sich die Soziallehre der Kirche zu eigen zu machen und sie ins Alltagsleben einzupflanzen. In einem eurer jüngst veröffentlichten Hirtenbriefe habt ihr euer Volk gebeten, zu erkennen, auf wie konkrete Weise Gott es aufruft, solidarisch mit all den Mitgliedern der Menschheitsfamilie zu sein, die in Kanada wohnen, und auch mit jenen, die in anderen Ländern leben, wo Einzelpersonen oder Gruppen nicht einmal ihre wesentlichsten Bedürfnisse befriedigen können (vgl. Eine Verheißungsvolle Mission für die Kirche, 16. März 1993, 2). Die Kanadier, die in einer an menschlichen und natürlichen Quellen reich gesegneten Nation leben, haben sich im allgemeinen den weniger Begünstigten und vor allem den Armen, Heimatlosen, Einwanderern und Flüchtlingen gegenüber verantwortlich gezeigt. Es heißt nun, diese Solidarität, diese Hochherzigkeit und christliche Gastfreundschaft bewußt zu pflegen, zu lehren und zu verbreiten, damit Kanada in der internationalen Gemeinschaft weiterhin Mitsprache hat an der Gerechtigkeit und Solidarität und damit die tiefe Sorge der kanadischen Politiker weiterhin den'Bedürfnissen der Benachteiligten gilt. Eure Konferenz verdient Anerkennung dafür, wie sie sich um kirchliche Gemeinschaft und Solidarität bemüht. Dank sei der Hochherzigkeit der Kanadischen Katholischen Organisation für die Entwicklung und den Frieden, Dank sei eurem Einsatz für die Kirche in Mittel- und Osteuropa und Dank gebührt auch eurer beständigen Lehre - insbesondere in eurem jüngsten Hirtenbrief Auf dem Weg zu einer neuen Evangelisierung, der bestätigt, daß für die Schaffung einer wirklich gerechten Gesellschaft in eurem Land größere Bemühungen erforderlich sind, um einen Wandel der wirtschaftlichen, pohtischen und sozialen Lebensbedingungen der Eingeborenen zu erreichen (CCCB, 23. September 1992, Nr. 19). 4. Die Kirche ist sich sehr wohl bewußt, daß die lang ersehnte Erneuerung des sozialen und pohtischen Lebens in der durch die Schöpfung offenbarten sitthchen 1327 AD-LIMINA-BES UCHE Ordnung begründet liegt (vgl. Köm 2,15) und vom Geheimnis Christi erleuchtet wird, in dem „alles Bestand hat” (Kol 1,17). Die Entchristianisierung schließt nicht nur eine wachsende Gleichgültigkeit der Religion gegenüber und einen Glaubensverlust ein, sondern auch eine Verdunklung der sittlichen Haltung. Als Bischöfe haben wir die Pflicht - eine für die Neuevangelisierung alles umfassende Aufgabe das Bewußtsein um die grundlegenden sittlichen Wahrheiten, wie es das für eine menschenwürdige Gesellschaft notwendige ethische Fundament ist, neu zu beleben. Durch die erneute Betonung der Universalität und Unwandelbarkeit dieser Wahrheit ten leistet ihr einen entscheidenden Dienst an der Gemeinschaft, denn wenn Verwirrung über das Gute und das Böse besteht, dann ist es unmöglich, die sittliche Ordnung zu bewahren und zu errichten (vgl. ebd., 93). Euer Land kann sich nunmehr seit über 125 Jahren eines nationalen Bewußtseins rühmen, und es kann zugleich stolz sein auf die Achtung, die es der bereichernden Vielfalt an kulturellen, ethnischen und sprachlichen Traditionen entgegengebracht hat. Die fortwährende Suche nach dem, was wahr, gut. und gerecht ist, geht stets einher mit einem aufrichtigen und respektvollen Dialog und einer uneingeschränkten Sorge um das Gemeinwohl. Da die Kirche die rechtmäßige Autonomie der politischen Gemeinschaft achtet (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76), identifiziert sie sich selbst nicht mit einer speziellen politischen Theorie oder Lösung: „Der Beitrag, den sie zu dieser Ordnung anbietet, ist die Sicht von der Würde der Person, die sich im Geheimnis des Mensch gewordenen Wortes in ihrer ganzen Fülle offenbart” (■Centesimus annus, Nr. 47). Die Bischöfe tragen zum nationalen und gesellschaftlichen Leben bei, indem sie den Gläubigen helfen zu verstehen, daß ihre Diskussionen und Entscheidungen vom „wahren Wort des Evangeliums” (Kol 1,15) erleuchtet werden müßten. Eine große Gefahr für die moderne Demokratie ist, daß ethischer Relativismus zu einem führenden Grundsatz geworden ist. Vernunft und Erfahrung beweisen, daß die Idee einer „sozialen Übereinkunft”, die die zugrundehegende objektive Wahrheit über den Menschen und sein objektives Schicksal verneint, keine Grundlage sein kann für eine aufrichtige und gerechte Gesellschaftsordnung: „In allen Bereichen des persönlichen, familiären, gesellschaftlichen und poütischen Lebens leistet also die Moral - die sich auf die Wahrheit gründet und sich in der Wahrheit der authentischen Freiheit öffnet - nicht nur dem einzelnen Menschen und seinem Wachstum im Guten, sondern auch der Gesellschaft und ihrer wahren Entwicklung einen ursprünglichen, unersetzlichen und äußerst wertvollen Dienst” (Veritatis splendor, Nr. 101). Die Weisungen einer objektiven, verbindlichen und konkreten Morallehre sollten ein zentraler Teil der Erziehung, der Katechese und des Gebets in euren Diözesen sein. Ebenso sollten die sittlichen Grundsätze, die die Tätigkeit der Laien im öffentlichen Leben leiten, in voller Harmonie mit den Grundsätzen stehen, die ihr privates Leben bestimmen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diesen Bedarf an Übereinstimmung zwischen öffentlicher und privater Moral betont: „In beiden Ordnungen muß sich der Laie, der zugleich Christ ist und Bürger dieser Welt, unablässig von dem einen 1328 AD-LIMINA-BESUCHE christlichen Gewissen leiten lassen” (Apostolicam actuositatem, Nr. 5). Den Katholiken sollte im öffentlichen Leben dabei geholfen werden, die Beziehung zwischen ihrem Glauben und ihrem politischen Einsatz auszuschöpfen. Euch ermuntere ich zu einer in diesem Bereich angemessenen Führung. 5. Zu den Zeichen wirklichen Ungleichgewichts, die in der Gesellschaft aufscheinen - und die die kirchliche Gemeinschaft beheben sollte zählt die Unfähigkeit, das menschliche Leben als „herrliches Geschenk der göttlichen Güte” (Familiaris con-sortio, Nr. 30) zu schätzen. Angesichts einiger Vorfälle, die sich kürzlich in Kanada ereignet haben, habt ihr mutig die Versuche verurteilt, die unternommen werden, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß Hilfe zum Selbstmord oder Euthanasie im Falle von unheilbar Kranken, die darum bitten, moralisch vertretbar seien. Als Bischöfe müßt ihr die Weisung geben, daß niemand jemals die ausdrückliche Absicht haben darf, seinen eigenen Tod oder den Tod einer anderen unschuldigen Person durch eine Tat oder eine Unterlassung herbeizuführen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 2276-2279). Wenn der Unterschied zwischen Heilung - zu der alle gewöhnlichen verfügbaren Mittel herangezogen werden - und Tötung beseitigt wird, so ist dies eine schwerwiegende Bedrohung für die moralische und geistige Gesundheit einer Nation, wobei die Schwächsten und Verwundbarsten unannehmbaren Gefahren ausgesetzt werden. Diejenigen, die die Legalisierung des sogenannten „Rechts auf einen würdigen Tod” fordern, müssen daran erinnert werden, daß keine Autorität rechtmäßig einen solchen Angriff auf die Personenwürde empfehlen oder erlauben darf (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung über die Euthanasie, 5. Mai 1980, II). Eine Gesetzgebung, die hinsichtüch der höchsten Gabe des Lebens die wesentlichen moralischen Wahrheiten mißachtet, öffnet jenen modernen Formen des Totalitarismus den Weg, die durch die Verneinung der transzendenten Wahrheit die authentische Würde des Menschen zerstören (vgl. Centesi-mus annus, Nr. 44). 6. Die Kirche in Kanada darf zu Recht stolz sein auf ihre zahlreichen Aufhahmezen-tren, die zumeist von reügiösen Gemeinschaften gegründet worden sind und die ein vorbildliches Zeugnis ablegen für die Verteidigung der Achtung des Lebens - von der Empfängnis an bis hin zum natürlichen Tod - und für die Hilfe, die sie den geringsten Brüdern gebracht haben (vgl. Mt 25,40), In eurem Land könnt ihr im Bereich der Organisation des Gesundheitswesens auf eine lange und fruchtbare Zusammenarbeit zurückblicken. Diese Partnerschaft setzt voraus, daß die Kirche das durch die Tätigkeit der religiösen Einrichtungen ordnungsgemäß ausgeübte Recht beibehält, in Übereinstimmung mit ihrer Morallehre die Krankenhäuser in aller Freiheit zu verwalten. Wichtig ist, daß ihr nicht von euren Bemühungen ablaßt, die katholische Identität aller kirchlichen Einrichtungen zu wahren, damit ihre Treue zu Christus und zu den Weisungen des Lehramtes gesichert ist. 7. Dieses Jahrtausend geht zu Ende, doch die Kirche setzt ihren Pilgerweg fort; sie ist wachsam und wartet auf ihren Herrn, der das Alpha und das Omega ist und der 1329 AD-LIMINA-BESUCHE alle Dinge neu macht (vgl. Offb 21,5). Zum Abschluß unseres Gesprächs anläßlich der Ad-limina-Besuche möchte ich die gesamte Kirche in Kanada einladen, den „Vater des Erbarmens” (2 Kor 1,3) um die Gnade des Geistes zu bitten, damit sie sich nicht „dieser Welt anpaßt” (vgl. Röm 12,2), sondern immer mehr „an dem Wesen und der Gestalt seines Sohnes teilhat” (vgl. Röm 8,29). Möge das vor mehr als 450 Jahren von Jacques Cartier in kanadischen Boden eingepflanzte Kreuz Christi seine heilende Kraft bei den Priestern, Ordensleuten und Laien eures Landes in einem immer leuchtenderen Licht erstrahlen lassen. Ich empfehle alle kanadischen Diözesen der Fürsprache eures Schutzpatrons, des hl. Josef, und der hebenden Obhut Marias, der Mutter Gottes und Mutter der Kirche, und erteile euch von Herzen meinen apostolischen Segen. Verkündigung des Evangeliums in Afrika - Priester- und Katechetenbildung als Fundament der Pastoral Ansprache an die Bischöfe der Volksrepublik Kongo bei ihrem Ad-limina-Besuch vom 25. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Seid herzlich willkommen in diesem Haus, wo ich euch mit Freude zum traditionellen Ad-limina-Besuch empfange, womit ihr eurerseits dem Beispiel eurer Brüder, der Mitglieder des Bischofskollegiums, folgt. Vor allem freut es mich, den neuen Präsidenten eurer Konferenz, Msgr. Bemard Nsayi, Bischof von Nkayi, zu begrüßen. Ich danke ihm zugleich für die Hebens würdigen Gruß worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat, und ich spreche ihm meine besten Wünsche für den ihm aufgetragenen kirchlichen Dienst aus. Die heutige Begegnung hat ihren Grund in der pastoralen Aufgabe, die uns gemeinsam ist: nämlich das Evangelium auf der ganzen Erde nach dem von Christus empfangenen Auftrag zu verkünden. So ruft es ja das II. Vatikanische Konzil in Erinnerung: „Die'einzelnen Bischöfe sind gehalten, soweit die Verwaltung ihres eigenen Amtes es zuläßt, in Arbeitsgemeinschaft zu treten untereinander und mit dem Nachfolger Petri, dem das hohe Amt, den christlichen Namen auszubreiten, in besonderer Weise übertragen ist” (Lumen Gentium, Nr. 23). Wie steht es also am Kongo mit der Verbreitung des christlichen Namens? Wie steht es mit der Verkündigung des Evangeliums des Herrn, unserer ersten und liebsten Pflicht? Der Fünfjahresbericht, den ihr zusammengestellt habt, antwortet auf diese Fragen. Ich wünsche aus ganzem Herzen, euer Aufenthalt in Rom möge euren Schwung verstärken, damit ihr, in euer Land heimgekehrt, mit veijüngter Kraft die euch anvertraute Sendung zur Evangelisierung weiterführt. Bei seiner Bischofsweihe hat ein jeder von euch den Heiligen Geist empfangen, der aus euch Hohepriester und Hirten des heftigen Volkes macht: Ich erbitte für euch die 1330 AD-LIMINA-BESUCHE Gnade, daß ihr in diesem Geist erneuert werdet und entschlossen seid, die sich nahelegenden Initiativen zu ergreifen, und eure Autorität in einer sorgfältigen Verteilung der Verantwortlichkeiten zum Wohle einer jeden eurer Einzelkirchen ausübt. 2. Da ihr nun gekommen seid, um euch mit dem Nachfolger des Petras und seinen Mitarbeitern in den verschiedenen Dikasterien der römischen Kurie zu besprechen, bringt ihr in greifbarer Weise die Bande zum Ausdruck, die uns trotz unserer geographischen Feme vereinen. Durch euer Gebet an den Gräbern der heiligen Apostel festigt ihr diese Bande noch mehr, damit euer Dienst eure Brüder und Schwestern immer mehr zur Einheit im Glauben erwecke nach dem Gebet Jesu: „Alle sollen eins sein, Vater ... damit die Welt glaube, daß du mich gesandt hast” (Joh 17,21). Wenn ihr eure Bemühungen vereint, fördert dies die Eintracht unter den Mitgliedern des Volkes Gottes nach dem Vorbild von Petrus und Paulus, von denen es in der Präfation der Messe an ihrem Fest heißt: „Auf verschiedene Weise dienten beide Apostel der einen Kirche!” Diese Sendung ist in eurem Land brennend aktuell, wo die Folgen des Stammesdenkens sich im Leben der Kirche und im sozialen Leben noch bemerkbar machen. Das 1981 in Yaounde auf der sechsten Vollversammlung des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar erarbeitete Pastoralprogramm behält seinen vollen Wert: „Alle werden sich bemühen, die Spuren des Rassismus und der Diskriminierung auszumerzen. Niemand wird weiter durch seine Haltungen oder Vorschläge das Stammesdenken ermuntern. Statt Öl ins Feuer zu gießen, indem man die Fehler der anderen und die alten oder neueren Gegensätzlichkeiten betont, müssen wir die Liebe und die gegenseitige Zuneigung predigen. Wir müssen mit Vorliebe betonen, daß die Qualitäten und Talente einer jeden Menschengruppe zum Wohle aller und zur gegenseitigen Bereicherung beitragen” (Nr. 16). 3. Wie in zahlreichen Ländern Afrikas, so ist auch für euch im Kongo die ständige Weiterbildung der Priester eine der vorrangigsten Aufgaben. Eure unmittelbaren Mitarbeiter erwarten von euch Verständnis und Zuneigung, Aufmerksamkeit und Annahme, Ratschläge und persönliche Ermunterung, um, nach den Worten des Apostels Paulus an Timotheus, die „Gabe Gottes neu lebendig zu machen, die jedem von ihnen zuteil geworden ist” (vgl. 2 Tim 1,6). In schwierigen Stunden, die keinem Hirten erspart bleiben, brauchen sie eure wohlwollende Unterstützung wie auch die ihrer Mitbrüder und der Gläubigen. Nach dem apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis „zielt die Weiterbildung darauf hin, daß der Priester ein Glaubender sei und es mehr und mehr werde” (Nr. 73). Kraft ihrer Weihe sind sie zwar alle untereinander durch Bande sakramentaler Brüderlichkeit verbunden, doch der Sinn für die Zugehörigkeit zu einer Prie-stergemeinschaft entfaltet sich vor allem auf der Ebene der diözesanen Priesterschaft. Man muß daher den Priestern, die dazu berufen sind, immer mehr in die Gemeinschaft eines Presbyteriums hineinzuwachsen, brüderliche Begegnungen ermöglichen, um ihre physischen, psychischen und geistlichen Kräfte aufzufrischen; und 1331 AD-LIMINA-BESUCHE man muß darauf sehen, daß sie auch die notwendigen wirtschaftlichen Mittel zu einem dezenten Leben besitzen, und muß vor allem die Gläubigen für die verschiedenen Bedürfnisse der Priester aufgeschlossen machen. 4. Verbunden mit dem voraufgehenden Problem, ist das der Seminare ebenfalls sehr wichtig, denn „die Kirche in Afrika ist sich wohl bewußt, daß, wenn ein wirksames Zeugnis für das Evangelium notwendig ist, Priester da sein müssen, die ihrerseits gut vorbereitet sind, ein echt christliches Leben führen und sich den pastoralen Bedürfnissen der Gläubigen widmen” (Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, Instrumentum laboris, 27). Die meisten eurer Diözesen haben ein Kleines Seminar. Weil es an Schulen fehlt und den Priesterkandidaten von Jugend auf eine angemessene Ausbildung geboten werden muß, sind diese Institutionen sehr nützlich. In Brazzaville besteht das große nationale Seminar. Was die Zulassung zu diesen verschiedenen Anstalten angeht, gestattet mir, daß ich euch auffordere, fest zu bleiben und darauf zu achten, daß den Seminaristen von Anfang an die Forderungen des priesterhchen Lebens vorgelegt werden. Ermutigt ihre Erzieher zu aufmerksamer Unterscheidung und Erkenntnis der Berufung im Verlauf der Seminaijahre. Bei den Erziehern würde es sich lohnen, regelmäßig Zwischenzeiten vorzusehen zu Tagungen auf regionaler Ebene, so daß sie ihre Ziele aufeinander abstimmen und den Sinn für Verantwortung gegenüber der universalen Kirche entwickeln können. Sie werden bemüht sein, den Seminaristen die unerläßliche geistliche Leitung sicherzustellen, ihnen eine ernsthafte Lebensführung einzuprägen, sie den Zölibat hochschätzen zu lehren und energisch die Tendenzen zum Stammesdenken zu überwinden. Die Erzieher müssen ferner die künftigen Priester in einen Geist der aufrichtigen Zusammenarbeit unter den Mitgliedern des diözesanen Welt- und Ordensklerus ein-üben. Ebenso werden sie ihnen Hochachtung vor dem gottgeweihten Leben vermitteln, den Wunsch, es zu fördern und das jedem Institut eigene Charisma zu achten. Die aktive Präsenz von Ordensmännem und Ordensfrauen in den Pfarreien, im Er-ziehungs- und Gesundheitswesen ist ja für die Verbreitung des Evangeliums besonders wertvoll. 5. Dies veranlaßt mich, ein Wort über die Mitglieder der Institute des gottgeweihten Lebens zu sagen, die nach euren Fünfjahresberichten für die Kirche am Kongo eine wichtige Gruppe apostolischer Mitarbeiter bilden. In eurer Hauptstadt haben zum Beispiel die internationalen Missionsgesellschaften einige ihrer besten Initiativen ins Werk gesetzt. Mit Genugtuung habe ich unter anderem das transparente Zeugnis der Ordensfrauen in ihrer Gesamtheit bemerkt. Sie bieten das Bild einer betenden, apostolischen und in Liebe tätigen, armen, geschwisterlichen und barmherzigen Kirche. Sie sind besonders mit der Katechese befaßt,, mit dem Gesundheitswesen und mit der Förderung der Frau, und sie verdienen die Dankbarkeit aller. Ich ermuntere sie, in der au- 1332 AD-LIMINA-BES UCHE genblicklichen Lage des Landes Botschafterinnen der Hoffnung zu bleiben. Außerdem ist es bemerkenswert, festzustellen, daß sich in ihrem missionarischen Wirken ein starkes Bedürfnis nach geistlichem Leben meldet, verbunden mit einer genauen Ordnung des persönlichen und'gemeinschaftlichen Gebetes. Liebe Brüder, in eurer Seelsorge für die gottgeweihten Menschen sollt ihr gerne die Entwicklung vertrauensvoller Beziehungen zwischen ihnen und den Mitgüedem des Diözesanklerus fördern. Da sie echte geistliche Lehrer sein sollen, wissen die Bischöfe, daß der zentrale Punkt ihres Dienstes nicht die Verwaltung ist, so notwendig sie sein mag, sondern die Heiligung aller. Auch das Ordensleben muß als solches, das heißt als Schule der Heiligkeit, gefördert werden. 6. Das Zweite Vatikanische Konzil hat „die Schar der Katecheten, Männer wie Frauen, anerkannt. ... Erfüllt von apostolischer Gesinnung, leisten sie mit vielen Mühen ihren einzigartigen und unersetzlichen Beitrag zur Verbreitung des Glaubens und der Kirche” (Ad gentes, Nr. 17). Diese Anerkennung gilt zumal den Katecheten des Kongo. Sie waren von Anfang an der starke Arm der Missionare und sind nun zu qualifizierten Lehrern der Religion geworden - Mitarbeiter im Apostolat und Träger des gemeinschaftlichen Gebetes an Orten, wo es keinen residierenden Priester gibt. Es ist darauf zu achten, daß sie eine gediegene lehrmäßige und pädagogische Ausbildung erhalten und ihnen eine ständige geistliche Erneuerung gesichert wird, abgesehen von der Notwendigkeit, ihnen einen angemessenen Lebensunterhalt zu verschaffen. Eine solche Ausbildung darf aber nicht nur im Verlauf punktueller Begegnungen stattfinden, sie muß auch in spezialisierten, zu diesem Zweck geschaffenen Zentren erfolgen. Die entsprechende Vorbereitung der Katecheten und anderer seelsorglicher Mitarbeiter mit dem Ziel, sie für ihre Aufgabe wirklich geeignet zu machen, ist um so notwendiger, als heute auch die pastorale Herausforderung der Sekten zu meistern ist. Alle müssen so ausgebildet sein, daß sie weise auf das Bedürfnis nach gemeinschaftlicher geistlicher Erfahrung eingehen können, das sich bei vielen zeigt, auf den Durst, in den Sinn des Wortes Gottes tiefer einzudringen, und auf den Wunsch nach einer Antwort auf die lebenswichtigen Fragen, die Leid, Krankheit und Tod stellen. 7. Berufung und Aufgabe der gläubigen Laien in der Kirche sind klar im apostolischen nachsynodalen Schreiben Christifideles laici dargelegt. In eurem Land bilden die Laien ein großes Kapital an Verfügbarkeit und Energien, das es in einer gut ausgearbeiteten Gesamtpastoral auszunützen gilt im Hinblick auf eine volle Entfaltung aller Getauften. Wie ich euch schon vor fünf Jahren sagte, verdient die Familie in eurer Pastoral einen bevorzugten Platz. Die Kirche hat eine wirkliche Verantwortung für die Förderung des Ehelebens und der Familienstrukturen, weil diese für die Zukunft der Gemeinschaft der Christen und jene der Nation wesentlich sind. Alles, was ihr zugunsten des Familienbereiches tut,- bedeutet Wohlergehen für euer Land, nicht zu reden 1333 AD-LIMINA-BESUCHE von den Priester- und Ordensberufen, die ihr bevorzugtes Erdreich in christlichen Familien haben. Gestattet mir, einen weiteren wichtigen und aktuellen Punkt für euer Land zu betonen: die Soziallehre der Kirche. Gebt den Laien die Mittel an die Hand, sie gut ken-nenzulemen, damit sie ihre Pflichten als Bürger mit beruflicher Fachkenntnis und in aller Rechtschaffenheit erfüllen. Der politische Aufbau und die Organisation des sozialen Lebens hängen von ihrer Fachkundigkeit ab. Mögen die Katholiken des Kongo wie die aller afrikanischen Länder sich von der Soziallehre der Kirche erfüllen lassen, damit sie wirklich Licht, Salz und Sauerteig seien und die wünschenswerten Initiativen ergreifen, um alle zeitlichen Wirklichkeiten mit christlichem Geist anzuregen! 8. Es kommt vor, daß Hirten vorübergehend aus dem Geist des Evangeliums heraus eine politische Aufgabe übernehmen, wie es Msgr. Kombo mit so viel Aufrichtigkeit und Hochherzigkeit zum Wohl der Nation getan hat. Aber das sind Ausnahmesituationen, denn wer mit der Betreuung der Seelen beauftragt ist und das Volk Gottes versammeln will, muß gegenüber dem direkten politischen Wirken im Land unabhängig sein. Umgekehrt wird es euch am, Herzen hegen, eurem Volk gegenwärtig zu sein durch entsprechende Botschaften, zumal wenn, es in Krisenzeiten Aufklärung, Stütze und Kraft braucht. Möge die allgemeine Meinung in euch ein Bild erblicken, das nach dem Bild Christi geformt ist: das Bild von Männern Gottes, die ihr Vaterland tief heben und alle glücklichen und weniger glücklichen Lebensverhältnisse ihrer Landsleute teilen, wie es unser Herr auf Erden getan hat! Tragt ohne Unterlaß zum Wiederaufbau des Sozialgeflechts bei, seid Apostel der Brüderlichkeit und des guten Zusammenlebens, und lehrt weiter die großen Prinzipien der christlichen Moral, vor allem was die Person des Menschen, das Leben in der Gesellschaft und das politische Engagement angeht. Dazu wird euch nach dem Katechismus der Katholischen Kirche die kürzlich veröffentlichte Enzyklika Verität is splendor als Führer dienen. 9. In einer rehgiös pluralistischen Umgebung wie der euren ist der Dialog mit denen, die nicht dem Glauben der Kirche anhängen, für die Evangelisierung besonders wichtig und sogar notwendig. Denn durch den Dialog versucht man die Hindernisse auszuräumen, die lehrmäßige und disziplinäre Unterschiede oder Strukturen gegen die Einheit aufgerichtet haben. Die katholische Kirche muß in Afrika wie anderswo den Dialog unterstützen und fördern. Im Licht des „Direktoriums zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus”, das in diesem Jahr vom Päpstlichen Rat für die Förderung der Einheit der Christen veröffentlicht wurde, wird es angemessen sein, eure Beteiligung an den Tätigkeiten des ökumenischen Rates der christlichen Kirchen des Kongo zu klären und zu vertiefen, damit ihr auf bestmögliche Weise zur Einheit unter den Jüngern Christi beitragt. Dabei wird die Treue zur Lehre der katholischen Kirche ge- 1334 AD-LIMINA-BES UCHE wahrt bleiben, weil beim Suchen nach der Wahrheit der in der Kirche lebende Christus die Norm ist. 10. Abschließend möchte ich im Hinblick auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika euch selbst und eure Diözesangemeinschaften auffordem, für den Erfolg dieser wichtigen Tagungen zu beten. Auf eurem Kontinent hat ein wirkliches Bemühen um Reflexion über die Evangelisierung stattgefunden, und man spürt das Verlangen, die Frohbotschaft mit mehr Dynamik zu verkünden, um den Aufgaben des dritten Jahrtausends zu entsprechen. Doch kann die Evangelisierung nur durch das Wirken des Heiligen Geistes sich voll entfalten: So müssen wir von ihm Licht und Kraft erbitten. Im apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi hieß es bereits (Nr. 75): „Im Trost des Heiligen Geistes geschieht es, daß sich die Kirche auferbaut. Der Heilige Geist ist die Seele dieser Kirche. Er ist es, der den Gläubigen den tiefen Sinn der Lehre Jesu und seines Geheimnisses erklärt. Er ist derjenige, der heute wie in den Anfängen der Kirche in jedem Verkündiger handelt, der sich von ihm ergreifen und führen läßt; er legt ihm Worte in den Mund, die er allein niemals finden könnte, und disponiert zugleich die Seele des Hörers, daß er offen sei und die Frohbotschaft und das ausgerufene Gottesreich annimmt.” Ich vertraue Unserer Lieben Frau, der Königin der Apostel, die Wünsche an, die ich für euch alle ausspreehe. Möchte sie euch, den Hirten und den Gläubigen, bei eurer missionarischen Aufgabe beistehen, sie, die am Pfingstmorgen im Gebet zu Beginn der Evangelisierung unter dem Wirken des Heiligen Geistes den Vorsitz führte. Aus ganzem Herzen erteile ich euch meinen apostolischen Segen, in den ich sehr gern auch eure Mitarbeiter, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Katecheten und Gläubigen aller eurer Diözesen einschließe. Die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils kennen- und liebenlernen Ansprache an die litauischen Bischöfe bei ihrem Äd-limina-Besuch am 27. Februar Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Mit lebhaftem Verlangen habe ich dieser unserer kollegialen Begegnung anläßlich eures Ad-limina-Besuchs entgegengesehen, und ich danke heute dem Herrn für eure Anwesenheit, die mir die Verbundenheit des geüebten litauischen Volkes mit dem Stuhl Petri bezeugt.. Ich begrüße euch alle herzlich und danke dem lieben Kardinal Vincentas Sladkevicius, dem Präsidenten der Bischofskonferenz, daß er sich zum Interpreten eurer Empfindungen gemacht und mir die Probleme und Hoffnungen der kirchlichen Gemeinschaften dargelegt hat, die vom Herrn eurer pastoralen Sorge anvertraut wurden. 1335 AD-LIMINA-BESUCHE Dies ist euer erster Ad-Jimina-Besuch beim Stuhl Petri nach den jüngsten Ereignissen, die die Institutionen und das Leben Litauens und vieler anderer Länder Osteuropas radikal gewandelt und es den jeweiligen Völkern gestattet haben, endlich das ersehnte Ziel der freien Selbstbestimmung zu erreichen. Seid herzlich willkommen! In euch begrüße ich die mutigen Vertreter eines christlichen Volkes, das lange unterdrückt war, am Ende aber frei geworden ist, um den eigenen Glauben an Christus, den Erlöser der Welt, zu bekennen. 2. Die Kirche weiß, welche Bedeutung die Geschichte als Vorbereitung des kommenden Reiches hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 39), und wenn sie mit den Bemühungen der Menschen um Freiheit und Gerechtigkeit zusammenwirkt, schaut sie immer weiter darüber hinaus und gibt sich nie mit dem Erreichten zufrieden. Sie wird getragen und gleichsam gedrängt von der Liebe Christi: „Die Liebe Christi drängt uns” (2 Kor 5,14). Es geht freilich nicht um ein Drängen „dem Fleische nach” - denn sie kennt weder Angst noch Ungeduld -, wohl aber um den „Eifer für das Haus Gottes” (vgl. Joh 2,17), mit dem die Kirche weiter ausgiebig den geistlichen Samen des Evangeliums in.das Erdreich der aufeinanderfolgenden Generationen sät in der Gewißheit, daß er Wurzeln fassen und am Ende dank des geheimnisvollen Wirkens des Geistes Frucht bringen wird. Das ist die Sendung der Jünger des Herrn zu allen Zeiten der Geschichte! Hier stehen wir vor der Hauptaufgabe eines jeden von uns Bischöfen, die berufen sind, an der Schwelle des dritten Jahrtausends Zeugen Christi zu sein, „der uns befreit hat, damit wir wahrhaft frei sind” (Gal 5,1). Die Liebe Christi also drängt euch, verehrte Brüder, in eurem Land den Samen der Wahrheit auszustreuen, damit Freiheit und Brüderlichkeit - Grundwerte, für die in der Vergangenheit so viele in eigener Person bezahlt haben - von allen angenommene und geteilte Wirklichkeiten im Lande werden. 3. Euer Land, das ich zu meiner Freude im kommenden September werde besuchen können, macht eine Zeit des großen und bedeutsamen sozialen Wandels durch. Die Menschenrechte und vor allen die Religionsfreiheit wurden nach einem halben Jahrhundert harter Unterdrückung, Gott sei Dank, wiederhergestellt. Unter diesen neuen Umständen hat der Hl. Stuhl auch die diplomatischen Beziehungen zur Regierung durch die Präsenz eines Apostolischen Nuntius wiederangeknüpft. Ferner wurde die Schaffung der Kirchenprovinz Vilnius möglich, und die Bischofskonferenz hat ihre Arbeit wiederaufgenommen und sich Statuten und einen Generalsekretär gegeben; die ersten Priester und Seminaristen konnten ins Päpstliche Kolleg zum hl. Kasimir in Rom eintreten. Wir leben also in einer Zeit des Neuerwachens Und Frühlings, zugleich in der Stunde der Heranbildung der neuen Generationen und der Gewissensbildung, damit das Gut der Freiheit, im Licht der Wahrheit des Evangeliums vorgelebt, heränreift und in allen Bereichen der Gesellschaft die erhofften Früchte bringt. Die Christen aber wissen, daß sie „an vorderster Front” ihren Beitrag zum moralischen, politi- 1336 AD-LIMINA-BESUCHE sehen und wirtschaftlichen Aufbau des Landes verantwortungsvoll leisten müssen. Für diese wichtige und schwierige Aufgabe braucht es freilich gut ausgebildete und vorbereitete Kräfte. Ihr spürt in eurem Volk eine verständliche Spannung zwischen dem Genuß der wiedergewonnenen Brüderlichkeit unter Bürgern und den unvermeidlichen Folgen der jüngsten Vergangenheit. Es gilt also, die Erbauer einer Zukunft in Rechtssicherheit zu formen, wobei die Beziehungen der Bürger untereinander von einer unparteiischen Rechtsprechung geordnet sind. Heute stellt sich ferner das Problem der Option für eines der verschiedenen Entwicklungsmodelle und die daraus folgenden wirtschaftlichen Maßnahmen mit den ethischen und kulturellen Ausrichtungen, die ihnen zugrunde hegen. Nicht leicht ist schließlich die Gestaltung der internationalen Beziehungen in einem geographischen Gebiet wie dem euren, das dem vielfachen Druck des Wandels ausgesetzt ist. Unter solchen Umständen wird es notwendig, daß die neuen, gesellschaftlichen Kräfte mit hohem Verantwortungsbewußtsein und Unterscheidungssinn vorgehen, um nicht den Versuchungen eines rein materiellen Wohlstands nachzugeben. In der Enzyklika Centesimus annus habe ich geschrieben: „Die Entwicklung darf nicht ausschließlich ökonomisch, sondern muß im gesamtmenschlichen Sinn verstanden werden. Es geht nicht einfach darum, alle Völker auf das Niveau zu heben, dessen sich heute die reichsten Länder erfreuen. Es geht vielmehr darum, in solidarischer Zusammenarbeit ein menschenwürdigeres Leben aufzubauen, die Würde und Kreativität jedes einzelnen wirksam zu steigern, seine Fähigkeit, auf seine Berufung und damit auf den darin enthaltenen Anruf Gottes zu antworten” (Nr. 29). 4. Die Kirche, die in Litauen lebt, fürchtet sich nicht, sich derart gewaltigen Aufgaben zu stellen, weil sie sich dessen bewußt ist, was der Herr auch heute noch zu seinen Aposteln sagt: „Geht hin und macht alle Völker zu meinen Jüngern” (Mt 28,19). Unter den Völkern aber, die der Erlöser aufruft, seine Jünger zu werden, ist auch das eure, das verjüngte Litauen, zu dem die Kirche ihren eigenen loyalen Beitrag leisten möchte, damit es voll Glauben wachse, reich an menschlichen und evangelischen Werten und in harmonischer Solidarität mit allen Völkern. Klar und fest lebt in euch das Bewußtsein, daß ihr zur Verkündigung und zum Zeugnis berufen seid, um so die gesamte in Gärung befindliche soziale Wirklichkeit mit dem Wort des Evangeliums und einem kohärenten Beispiel zu erhellen. Der Hirtenbrief, den ihr kürzlich unter dem Titel „Für ein freies und brüderliches Litauen” veröffentlicht habt, zeigt den Eifer, mit dem ihr, verehrte Brüder im Bischofsamt, als erste die Verantwortung für das Werk der Unterscheidung und der pastoralen Führung übernommen habt, wie es für euer Charisma und euren Dienst typisch ist. Zu diesem Einsatz für die Evangelisierung kommt eine intensive karitative Tätigkeit durch verschiedene Initiativen, die den Bedürfnissen der Menschen, zumal der Ärmsten, abhelfen sollen angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Lan- 1337 AD-LIMINA-BESUCHE des. Die taktvolle und hochherzige Dienstleistung an den Hilfsbedürftigen ist der tägliche Prüfstein für den Evangelisierungsauftrag des christlichen Volkes. 5. „Evangehsieren - so habe ich den Präsidenten der europäischen Bischofskonferenzen bei der nachsynodalen Begegnung vom vergangenen 1. Dezember in Erinnerung gerufen - bedeutet Zeugen sein”, das „Neue” aber, das zur Identität des Evangeliums und der Evangelisierung gehört, bildet für die Zeugen Christi ein ständiges und bleibendes Gebot. In unserem Jahrhundert hat es auf dem europäischen Kontinent eine überreiche Ernte an Märtyrern gegeben, vielleicht die größte seit den ersten Jahrhunderten des Christentums. Die Kirche aber entsteht aus der Ernte dieser gesegneten Saat. Litauen, das auch selber lange Zeiten der Prüfung und des Martyriums erlebte, hat heute unerwartete Aussichten auf eine vielfältige apostolische und missionarische Entwicklung. Verehrte Brüder im Bischofsamt, dies ist eine günstige Zeit, uns in den Reichtum des Evangeliums zu vertiefen und daraus die entsprechenden Weisungen für das pastorale Bemühen der nächsten Jahre zu gewinnen. Heute ist die günstige Zeit dafür gekommen, euch die Lehren des n. Vatikanischen Konzils anzueignen, dessen erneuernde Kraft sich leider lange Jahre hindurch in euren Gemeinschaften nicht auswirken konnte. Studiert nun aufmerksam die Konzilsdokumente, überdenkt sie, und laßt sie in der Wirklichkeit eurer Kirchen Gestalt gewinnen. Sorgt besonders dafür, daß die Laien sie kennen und lieben lernen! Eine neue Generation von Laien, herangewachsen in der Schule der großen Konstitutionen des Konzils: Das soll eines der Ziele eurer Pastoraltätigkeit sein. Von entscheidender Bedeutung ist, daß die Erwachsenen und Jugendlichen sich zusammenfinden, um das Dekret über das Laienapostolat zu studieren, es in der nicht leichten Situation am Ort anwenden und in ein gemeinsames Apostolat Umsetzern Jede Diözese sollte eine Schule für die Heranbildung der Laienschaft nach den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils besitzen, wo wahrhaft christliche Persönlichkeiten für die Animation der verschiedenen Bereiche des sozialen Lebens heranwachsen: von der Familie bis zur Schule, von der Kulturwelt bis zur sozialen Kommunikation und Wirtschaft ... Dabei soll es euch ein Anliegen sein, in den apostolischen Programmen die kirchlichen Verbände und Bewegungen entsprechend hervorzuheben, wenn sie gediegene Wege des geistlichen Lebens und einen bewährten Hang zur Gemeinschaft in der Ortskirche haben. 6. An der Familie als grundlegender Zelle der Gemeinschaft der Christen und der Gesellschaft sollt ihr eine bevorzugte Seelsorge üben, um sie zur Trägerin der Neuevangelisierung zu machen. Fördert mit allen Mitteln ihre geistliche und moralische Bildung, und verwendet dafür den neuen „Katechismus der katholischen Kirche”. Lenkt euer Augenmerk zumal auf die Vorbereitung der Brautleute und die ständige Weiterbildung und Reifung der Eheleute, damit sie gründlich ihre besondere Berufung durch die Taufe erkennen und sich in den Dienst des Evangeliums stellen. So könnt ihr dazu beitragen, die Grundlagen für eine festgefügte Lebenskultur im Kontext mit einer wirksamen Spiritualität der Ehe und Familie zu legen, die 1338 AD-LIMINA-BES UCHE ohne jede Verkürzungen die Unauflöslichkeit der Ehe, die gleiche.Würde der Eheleute und ihre Verantwortung für das Leben und die Erziehung der Kinder bekräftigt. Habt ein Herz für die Jugendlichen, die Hoffnung der litauischen Kirche und Nation. Um ihnen beim Wachstum im Glauben zu helfen, ist eine angemessene Katechese notwendig, die entsprechend auf die verschiedenen Altersstufen zugeschnitten ist. 7. Eine Vertiefung in die Lehren des Konzils, die ich bereits für die Laien angeregt habe, ist auch für die Ausbildung der Seminaristen und Priester wichtig. Die Seminare werden eine Blüte erleben, wenn sie nach den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils erneuert werden und zugleich die pädagogischen und pastoralen Lösungen berücksichtigen, die in anderen Regionen Europas erfolgreich erprobt wurden. Möge die Priesterschaft einer jeden eurer Teilkirchen die volle Kraft hochherziger pastoraler Liebe gewinnen, die ständig in gemeinsamem Gebet sowie in gemeinsamem Planen und Wirken lebendig erhalten wird. Liebt eure Priester! Steht ihnen bei, hört euch ihre Probleme an, erweckt in ihnen den Geist echter Brüderlichkeit, und fördert ihn. Dies wird auch für die künftigen Berufungen Früchte bringen. Das Stundengebet, die Betrachtung des Wortes Gottes sowie die andächtige Feier der Sakramente, zumal der Versöhnung und der Eucharistie, sollen die bevorzugten Anliegen eines jeden Priesters sein, denn er ist berufen, in ständiger Bereitschaft seine Brüder aufzunehmen und mit ihnen das Brot der Wahrheit und der göttlichen Liebe zu teilen. Fördert und ermuntert in euren Diözesen das gottgeweihte Leben. Es geht für einige Ordensleute - Männer und Frauen - darum, nach langen Jahren der Isolierung wieder Kontakt mit ihren betreffenden Kongregationen aufzunehmen und zu versuchen, ihre Lebensprogramme den jeweiligen Konstitutionen neu anzupassen. Für einige Institute, zumal von Frauen, die in der Zeit der Untergrundkirche entstanden und noch ohne schriftlich abgefaßte Konstitutionen sind, müssen nun notwendigerweise die jeweiligen Charismen konkreter bestimmt werden. 8. Liebe Brüder, die missionarische Aufgabe, die vor euch Hegt, ist heikel, doch wie wichtig ist andererseits der Beitrag, den eure unablässige apostohsche Hingabe zur Neuevangelisierung leisten kann! Wie ihr selber erkennt, ist die Ernte überreich, aber hart ist auch die Arbeit, die sie erfordert. Anspruchsvoll sind ferner die Aufgaben, vor denen ihr steht. Doch fürchtet euch nicht! Der Herr ist mit euch; er hat uns seine Gegenwart zugesichert: „Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” {Mt 28,20). Seid einig untereinander, und geht gemeinsam vor; zeichnet euch aus durch einen beharrHch vorausschauenden Geist der Wachsamkeit und der Aufgeschlossenheit für die positiven Antriebe, aber auch für die Gefahren, die den Weg einer jeden kirchlichen Gemeinschaft bedrohen. Seid Tag für Tag bereit, ein kohärentes Zeugnis für Christus zu geben, der „derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit” (Hebr 13,8). 1339 AD-LIM1NA-BESUCHE Die Mutter Gottes, die vom litauischen Volk besonders verehrt und als „Pforte der Morgenröte” angerufen wird, leite und unterstütze euch bei eurem Sendungsauftrag, zu evangelisieren. Schützen sollen euch die heiligen Patrone. Begleiten und stärken soll euch auch der Segen, den ich euch erteile und den ich gern ausdehne auf die Priester als eure ersten Mitarbeiter beim pastoralen Dienst, auf die Ordensmänner und Ordensfrauen und auf das ganze Volk von Litauen. Die Familie als Hauskirche Ansprache an die Bischöfe von Madagaskar beim Ad-limina-Besuch am 17. April Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Vor vier Jahren, im April 1989, habe ich eine erste Pastoraireise nach Madagaskar unternommen. Es war mir eine Freude, euer weites und schönes Land zu entdecken und vor allem das madagassische Volk kennenzulemen, dessen zahlreiche Vorzüge so anziehend sind. In meinem Herzen bewahre ich die Erinnerung an den warmherzigen Empfang, den es mir bereitet hat. Heute empfange ich euch in Rom zum traditionellen Ad-limina-Besuch, und in Liebe heiße ich euch im Hause des Papstes willkommen. Ich danke Bischof Jean-Guy Rakotondravahatra von Ihosy, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, herzlich dafür, daß er in hebenswürdiger Weise in eurem Namen gesprochen hat. 2. Nachdem wir nun die Fastenzeit, eine Zeit der geistüchen Übung, durchlebt haben, treten wir ein in die sieben Osterwochen, die die Fühe einer neuen Schöpfung bedeuten. Wir werden aufgefordert, uns vom alten Sauerteig zu reinigen, und bemühen uns, ein neuer Teig zu werden (vgl. 1 Kor 5,7). Die Osterzeit ist eine Zeit der Erneuerung, sie ist ein Bild des Frühlings. Diese Zeit lädt dazu ein, zu den Gräbern der Apostel zu pilgern und sich im Glauben an den auferstandenen Christus zu erneuern, für den die Apostel bis zum Martyrium Zeugnis abgelegt haben. Mögen euer Aufenthalt in der Ewigen Stadt und vor allem die Kontakte, die ihr mit denen haben werdet, die hier im Dienste der Kirche arbeiten, euch Hilfe und Trost geben, damit ihr, zufrieden in dem Bewußtsein, daß ihr mit brüderlichem Verständnis angehört wurdet und erneuert in eurem pastoralem Eifer, zu eurer Mission zurückkehrt. 3. Vor allem hege ich den Wunsch, der Ad-limina-Besuch möge euch die Gelegenheit bieten, den Geist der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl, mit der Weltkirche und untereinander zu festigen. Heißt es auf eurer großen Insel nicht, daß „das Gespräch die Bande festigt”? Liebe Brüder, nutzt diese für das kirchliche Leben besonders reiche Zeit, um eure tiefe Gemeinschaft innerhalb der Konferenz 1340 AD-LIMINA-BES UCHE weiterzuentwickeln und eure Absicht zu bestätigen, gemeinsam im Dienst am Evangelium weiterzugehen in einer Liebe, die „fein wie der Tau herabfällt”, aber „fähig ist, Flüsse über die Ufer treten zu lassen”, um ein anderes eurer Sprichwörter aufzugreifen. 4. Anläßlich meines Pastoralbesuchs war ich Zeuge für die Lebendigkeit eurer christlichen Gemeinschaften, und ich möchte Gott zunächst gemeinsam mit euch für die Früchte der Evangelisierung auf dem Boden Madagaskars danken. Die Geschichte der Einpflanzung der Kirche in eurem Lande ist in hohem Maße von der Übernahme der Verantwortung der Laien geprägt worden: Ein Beispiel hierfür ist Victoire Rasoamanarivo, den auf eurem Boden seligzusprechen ich die Freude hatte. Dies zeigt, daß die Verkündigung der Frohbotschaft sichergestellt werden kann von Christen, die sich ihrer missionarischen Pflicht als Getaufte bewußt sind. Vor Beginn des dritten Jahrtausends und im Hinblick auf die Sonderversämmlung der Bischofssynode für Afrika müssen weiterhin gläubige Laien herangebildet werden, damit die evangelisierende Mission der Kirche durch sie fortgeführt wird. Gebt ihnen die Möglichkeit, ihren christlichen Glauben besser kennenzulemen und eine tiefe religiöse Bindung zu erwerben. Euch steht jetzt der Katechismus der Katholischen Kirche zur Verfügung. Diese synthetische Zusammenfassung des Glaubensgutes ist eine sichere Norm für die Vermittlung der Lehre, für die katechetische Tätigkeit zum Wohl des christlichen Volkes. 5. In jüngster Zeit hat das Leben in eurer Nation eine wichtige Wendung genommen, und eure Landesgenossen möchten die Errichtung einer Gesellschaft vorantreiben, die zugleich auf den festen Tugenden eurer Vorfahren als auch auf den bestmöglichen Beiträgen der Moderne gründet. Deshalb versäumt ihr es nicht, als Hirten das Gottesvolk zu begleiten und für den Menschen und seine Rechte einzutreten. Ihr habt insbesondere versucht, denen zu helfen, die am Rande der Gesellschaft stehen, denen, die Gefahr Hefen, unter den sich vollziehenden Wandlungen leiden zu müssen. Ihr habt all das verurteilt, was zu Teilung oder Gewalt zu führen drohte; ihr habt eure Landesgenossen dazu angeleitet, gemeinsam für eine Kultur zu arbeiten, die auf der Liebe gründet. Im Rahmen der Laienausbildung ermuntere ich euch, die Gläubigen zu ihrer Verantwortung in einem wiedergefundenen demokratischen Leben zu sensibihsieren und alles zu tun, daß die Kirche ihre spezifische Mitarbeit zur Festigung einer immer gerechteren und brüderlicheren sozialen Ordnung leistet, die eurer großen Nation würdig ist. Wacht indessen darüber, daß die Gläubigen „genau zu unterscheiden lernen zwischen den Rechten und Pflichten, die sie haben, insofern sie zur Kirche gehören, und denen, die sie als Glieder der menschüchen Gesellschaft haben”, und lehrt sie, „beide harmonisch miteinander zu verbinden” (Lumen Gentium, Nr. 36). 6. Wie für alle afrikanischen Episkopate in der Nachbarschaft der Großen Insel so ist auch für euch das Problem der Priesterberufungen und der Begleitung der Priester eine vorrangige Aufgabe. 1341 AD-LIM1NA-BES UCHE Wenn das Zeugnis für das Evangelium wirksam sein soll, so muß es gut ausgebildete Priester geben, die ein wirklich christliches Leben führen und die sich hochherzig der Seelsorge der Gläubigen widmen. Es ist angemessen, die Anwärter gleich bei ihrer Zulassung zur Weihe zu einem heiligen Leben aufzufordem, das die vorrangige Forderung des Priesterstandes ist. In meinem letzten Brief zum Gründonnerstag schrieb ich, daß das Leben und der Dienst, der Priester, die in der Wahrheit Christi verwurzelt sind, schon in sich zu beredten Katechesen für das ihrer Sorge anvertraute Volk werden. Natürlich freue ich mich mit euch über die zunehmende Zahl von Priesteramtskandidaten. Außer dem nationalen Großen Seminar von Ambatoroka verfügt ihr jetzt auch über zwei interdiözesane Große Seminare in Antsiranana und Fianarantsoa sowie über ein interdiözesanes philosophisches Seminar in Antsirabe. Möget ihr den Seminaristen kompetente Obere, Professoren und geistliche Leiter geben können, dje ihnen nahe sind und ihnen helfen, aufrichtigen Willens zum Altäre Gottes zu schreiten. Was die ständige Weiterbildung der Priester angeht, so lade ich euch dringend ein, euch am Schreiben Pastores dabo vobis zu inspirieren. Achtet auf mögliche Situationen der Isolierung, aus denen Neigungen zu Individualismus und Versuchungen zur Entmutigung hervorgehen können. Wacht über Brüderlichkeit und Einheit in der Priesterschaft, wobei Weltpriester und Ordensleute, einheimische und solche aus anderen Ländern das Bild eines harmonischen Zusammenlebens bieten und den christlichen Gemeinschaften und vor allem den jungen Leuten, die für den Aufruf Gottes empfänglich sind, eine offene und aufnahmefreudige Kirche zeigen. 7. Auch die Familienpastoral ist für euch ein ebenso schwieriges wie wichtiges Ziel. „Der Ehebund, durch den Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, welche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist, wurde zwischen Getauften von Christus dem Herrn zur Würde eines Sakramentes erhoben” (C/C, can. 1Ö55, Par. 1), Diejenigen, die diese Reaütät der Ehe leben wollen, stoßen in einem Land wie dem euren auf Hindernisse, die mit bestimmten Traditionen der Vorfahren verbunden sind. Zweifellos ist die Förderung des Ehelebens, und der Familienstrukturen, wie die Kirche sie, dem göttlichen Plan entsprechend, versteht, ein langwieriges Werk. Aber seid dennoch überzeugt, daß all das, was ihr in diesem fruchtbaren Bereich aussät, auf lange Sicht hin Früchte der Gerechtigkeit, des Glücks und des Wohlstandes für eure Nation und für die Kirche bringt. Das Heim der Familie hat den Titel „Hauskirche” erhalten: Sie ist eine Gemeinschaft der Gnade und des Gebets, eine Schule der menschlichen Tugenden und der christlichen Liebe, der Ort der ersten Glaubensverkündigung und auch des Erwachens von Berufungen. 1342 AD-LIMINA -BESUCHE 8. Aufgrund der Tatsache, daß in Madagaskar verschiedene christliche Konfessionen leben, hat das Land eine lange ökumenische Erfahrung mit der „Federation des Eglises chretiennes”. Die Teilnahme der Gläubigen an den ökumenischen Gebetstreffen zeigt, daß die Sorge um die Einheit der Christen echt ist. Dieses Bemühen ist auch erkennbar in Begegnungen wie denen bei Familienfesten oder Beerdigungen, zu denen sich die Mitglieder unterschiedlicher Konfessionen zusammenfinden, und außerdem in den konfessionellen Schulen, die Schüler anderer Glaubensbekenntnisse aufnehmen. In Erwartung der Veröffentlichung des ökumenischen Direktoriums, das praxisbezogene Anweisungen enthält, möchte ich wünschen, daß ihr die Gläubigen auch weiterhin mit Umsicht und Geduld leitet und sie daran erinnert, daß sie „die Einheit der Christen um so besser fördern, ja sogar einüben, je mehr sie nach einem reinen Leben gemäß dem Evangelium streben” (Unitatis redintegratio, Nr. 7). 9. Die Ordensmänner und Ordensfrauen und auch die Mitglieder der weltlichen Institute stellen für die Kirche in Madagaskar wertvolle lebendige Kräfte dar. Aus Missionseifer senden einige Kongregationen sogar ihre madagassischen Mitglieder aus, damit sie außerhalb der Großen Insel an der Verkündigung des Evangeliums mitwirken. Ich freue mich über diese Dynamik des geweihten Lebens und wünsche gleichzeitig, daß man auch weiterhin eifrig darauf bedacht ist, Berufungen zu erkennen. Liebe Brüder, ermuntert diese lebendigen Kräfte in ihrem Zeugnis der Hingabe ihrer selbst: Es gibt so viel zu tun auf den Gebieten der Unterweisung, der Erziehung, der Gesundheits- und Sozialdienste, der Förderung der Frau und auch in dem weiten Feld der Pfarrpastoral, der Katechese, der Unterstützung von Bewegungen der katholischen Aktion und in der Belebung der Liturgie! Mögen die Ordensmänner und Ordensfrauen der aktiven und kontemplativen Orden auch weiterhin ein Beweis dafür sein, daß Jesus, der Herr, es verdient, daß man ihn um Seiner selbst willen liebt und ihm nachfolgt. Mögen sie ein Beweis dafür sein, daß seine Liebe einem Leben Sinn geben kann und daß man um Seinetwillen seinen Brüdern und Schwestern dienen will! 10. Unter dem, wonach die madagassische Seele ganz besonders strebt, ist das Bedürfnis hervorzuheben, in Einheit, Solidarität und Versöhnung zu leben. Diese Werte entsprechen dem, was ihr „Fihavanana” nennt; sie wurzeln in der im weiteren Sinn verstandenen Familie: in all den Generationen, die bis auf die entferntesten Vorfahren zurückgehen. Sie inspirieren das individuelle und das kollektive Dasein. Im Hinblick auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, bei der die Inkulturation auf der Tagesordnung stehen wird, bemüht ihr euch, diese kulturellen Reichtümer eures Volkes zu vertiefen und sie durch das Ferment des Evangeliums zu beleben. Die Fortsetzung dieser Arbeit durch die Madagassen selbst wird die Evangelisierung merklich unterstützen. 1343 AD-LIM1NA -BES U CHE 11. Zuletzt, liebe Brüder, die ihr in einem Umfeld besorgniserregender Armut lebt, welche u. a. Folge der Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit ist, möchte ich euch dringlichst dazu einladen, euch auf die natürliche Bereitschaft der Madagassen zur Solidarität zu stützen, damit sie ihre eigene Entwicklung auf wirksame Weise selbst steuern können. Helft auch weiterhin als barmherzige Samariter den Kranken und Leidenden; sorgt euch um die Behinderten und Unterernährten. Mögen die Madagassen mit Hilfe der Mittel, über die die Kirche dank der sagenhaften Hingabe der auf der großen Insel wirkenden Ordensleute verfügt, bessere Lebensbedingungen wiederfinden, wie sie ihrer natürlichen Würde entsprechen. Seid für alle die Überbringer der Hoffnung: Dies ist eine wesentliche Dimension der christlichen Berufung. Mit diesen innigen Wünschen, die ich für eure Landesgenossen ausspreche, möchte ich abschließen, und ich bitte euch, ihnen meine Sorge um sie mitzuteilen. Gemeinsam mit euch vertraue ich der Himmelskönigin all das an, was ihr für euer Volk erhofft, und von Herzen erteile ich euch meinen apostolischen Segen, den ich gern auf eure direkten Mitarbeiter, die Priester, auf die geweihten Menschen sowie auf die Katechisten und alle Gläubigen eurer Diözesangemeinschaften ausdehne. Verkündigung der Frohbötschaft ist Nächstenliebe und Dienst am Menschen Ansprache an die Bischöfe von Malawi beim Ad-limina-Besuch am 24. September Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. In der Liebe des Herrn heiße ich euch, die Mitglieder der Bischofskonferenz von Malawi, in Rom anläßlich eures Ad-limina-Besuches willkommen. Vor vier Jahren weilte ich als Pilger in eurer Heimat, um, wie ich damals sagte, „das Heiligtum des Volkes Gottes”, der seine Wohnstatt in jenem Teil Afrikas errichtet hat, zu besuchen (vgl. Ansprache, Generalaudienz, 10. Mai 1989). Jetzt legt ihr an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus für die Bande Zeugnis ab, welche die Kirchen von Blantyre, Chikwawa, Dedza, Lilongwe, Mangochi, Mzuzu e Zomba mit dem Bischof von Rom und durch ihn mit der Weltkirche vereinigen. Es ist angebracht, uns bei dieser Gelegenheit über die herzliche Verbundenheit im mystischen Leib Christi zu freuen! Durch euch grüße ich die Priester, Ordensleute und Laien von Malawi und bitte euch, ihnen zu versichern, daß ich ihnen in meinen Gedanken und Gebeten stets nahe bin. Ich danke Gott weiterhin für die Ermutigungen, die er mich während meines Besuches in eurem Land angesichts des Glaubens der Katholiken Malawis erfahren ließ, als ich in ihrer Mitte das Evangelium Christi verkündete und das eucha-ristische Opfer darbrachte. 1344 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Die Nähe der Orte, an denen die Apostelfürsten freiwillig ihr Leben als Zeugen für Christus hingaben, läßt uns lebhaft verspüren, wie die Gnade der Berufung zum Dienst am Evangelium ihr Leben und ihr Schicksal umgestaltete. Was uns betrifft, die wir durch die Bischofsweihe zu Nachfolgern der Apostel gemacht wurden, brachten die Handauflegung und die Anrufung des Heiligen Geistes unsere rückhaltlose Hingabe an die Verpflichtung mit sich, das Evangelium zu verbreiten (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25). Mit Paulus wollen wir wiederholen: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde” (2 Kor 9,16), und mit Petrus sollten wir wiederholen: „Dadurch ist das Wort des Propheten für uns noch sicherer geworden” (2 Petr 1,19). Die Jugend der Kirchen, wo ihr euer Hirtenamt ausübt, weist euch klar auf die Tatsache hin, daß die Evangelisierung die erste einem Bischof auferlegte Verantwortung ist. Das Evangelium wurde in Malawi zum ersten Mal wirkungsvoll vor wenig mehr als hundert Jahren verkündet. Ich weiß dank der Teilnahme an euren Hundertjahrfeiern, daß die Selbsthingabe der früheren Generationen von Missionaren für euch ein ständiger Ansporn ist, ihren großmütigen Dienst der Aussaat des Wortes Gottes nachzuahmen und fortzusetzen. Auch heute noch kommen viele eurer Mitarbeiter aus dem Ausland, um sich der „Missio ad gentes” (der Mission für die Menschen) zu weihen. Die Kirche ist ihnen dafür dankbar. Sie erfleht im Gebet für diese Mitarbeiter die nie erlahmende Kraft, ihre mühevolle Arbeit in eurer Mitte fortzusetzen, und bittet den Herrn auch, noch viel mehr treue Diener zur Arbeit in seinen Weinberg zu senden, der bereits für die Ernte reif ist. 3. Die erst vor wenigen Generationen in Angriff genommene Aufgabe, das Evangelium in der Kultur von Malawi heimisch werden zu lassen, wird bis zum Ende der Zeiten zu erfüllen sein. Wir danken Gott für die Früchte, welche es bereits getragen hat, und ich flehe Gott an, er möge euch, den Hirten der Kirche in Malawi, die Gabe der Unterscheidung und des rechten Urteils schenken, damit ihr eure unersetzliche Rolle als Führer in diesem Prozeß besser wahmehmen könnt. Auch teile ich mit euch und mit allen Bischöfen Afrikas die Hoffnung, daß dank der bevorstehenden Sondersitzung der Bischofssynode für Afrika die echte Inkulturation des Evangeliums auf dem ganzen Kontinent neuen Nachdruck erfahre. Die Familie ist das Herz des gesellschaftlichen Lebens, und ihre Mitglieder zählen daher zu den wichtigsten Anhegen des Dienstes und der Sorge der Kirche. Das gilt besonders im afrikanischen Kontext, wo die Familie und die Bande, die sie einen, so bedeutsam sind. Daher muß in diesem Bereich das Ziel unserer Amtsausübung die Förderung jener Form des Familienlebens sein, das sowohl in Malawi wirklich verwurzelt als auch ganz von Christus erfüllt ist. 4. Was den Prozeß der Umgestaltung des Familienlebens durch die Gnade und das Licht des Evangeliums betrifft, so weckt ein Aspekt unsere besondere Aufmerksamkeit, da er stets der Läuterung und Aufwertung bedarf, nämlich die Zeugung neuen Lebens, die unter den Völkern Afrikas so hoch eingeschätzt wird. Im Kontext der 1345 AD-LIMINA-BES U CHE neuen Schöpfung durch die Gnade nimmt die Elternschaft: die Relevanz der Mitwirkung am Werk Gottes, des Urhebers allen Lebens, an. Von ihm empfängt alle Elternschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen (vgl. Eph 3,15).. Daraus ergibt sich, daß der geeignete Rahmen für die Zeugung eines neuen Menschenlebens die unauflösliche und ausschließliche Verbindung ist, welche die Eheleute mit der rückhaltlosen und unwiderruflichen gegenseitigen Selbsthingabe gestalten. Das Bestehen der Kirche auf der Einehe ist keine Aufbürdung einer fremden Wirklichkeit, die örtliche Traditionen umstößt. Die Kirche verkündet vielmehr in Treue zu ihrem Herrn - wie es im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio heißt -, daß „Christus ... den Plan (erneuert), den der Schöpfer am Anfang in das Herz von Mann und Frau eingeschrieben hat ... Wie der Herr Jesus Christus der ,treue’ Zeuge, ist und das ,Ja’ der Verheißung Gottes, also die höchste Verwirklichung der unbedingten Treue, mit der Gott sein Volk liebt, so sind die christlichen Ehegatten berufen, wirklich teilzuhaben an der unwiderruflichen Unauflöslichkeit, welche Christus an seine Braut, die Kirche, bindet, die er geliebt hat bis zur Vollendung” (Nr. 20). Die uns von Christus übermittelte Auffassung von Ehe und Elternschaft ist der Schlüssel zum Verständnis der vollsten Bedeutung dieser Wirklichkeiten zu allen Zeiten und an allen Orten. So heißt es weiter im Apostolischen Schreiben: „Den unschätzbaren Wert der Unauflöslichkeit und der ehelichen Treue zu bezeugen ist eine der wichtigsten und dringendsten Pflichten der christlichen Ehepaare ... Sie erfüllen so in schlichter und mutiger Weise die ihnen anvertraute Aufgabe, in der Welt ein .Zeichen’ zu sein - ein kleines und wertvolles Zeichen, das manchmal Versuchungen ausgesetzt ist und doch immer wieder erneuert wird - für die unerschütterliche Treue, mit der Gott in Jesus Christus alle Menschen und jeden Menschen liebt” (ebd.). 5. Diese erneuerte Wirklichkeit leben ist die Berufung, für welche die meisten Katholiken in Malawi von Gott ausersehen sind. Um: dieser Einladung Folge leisten zu können, muß der Gläubige die nötige Bildung Und Ausbildung empfangen, die sich nicht speziell auf Ehe und Familienleben beschränken, darf, sondern deren Grundlage - nämlich das ganze christliche Geheimnis - im Auge haben muß. Die Bemühungen, die in euren Diözesen in diesem Sinn unternommen werden und insbesondere den Jugendlichen gelten, da diese von Kindheit auf lernen sollten, auf den Wegen des Geistes zu wandeln, sind sicher Quelle eines später: starken katholischen Familienlebens. Liebe Mitbrüder, ich' teile eure Sorge um die Unzulänglichkeit von nur ganz allgemeinen Richtlinien der katholischen Erziehung in den Schulen. Ich bin überzeugt, daß, wenn solche Richtlinien dem kürzlich als „sichere Norm für die Lehre des Glaubens” (Fidel depositum, Nr. 4) veröffentlichten Katechismus der Katholischen Kirche gegenübergestellt werden, alle Mängel leicht aufgedeckt und beseitigt werden können. Den eifrigen Katecheten, die unermüdlich damit beschäftigt sind, den Katechumenen und den Getauften bei ihrer Reifung im Glaubensleben beizustehen, 1346 AD-LIMINA-BESUCHE spreche ich den Dank der Kirche aus. Ich bete für sie, damit Gott ihnen helfe und sie bei ihrem lebenswichtigen Wirken unterstütze. 6. Das Zeugnis, welche die Ordensleute in Malawi ablegen, ist für die Evangelisierung unerläßlich. Mit ihrem Leben in Keuschheit, Armut und Gehorsam in dieser Welt legen sie ein Zeugnis für die zukünftige Welt ab. Indem sie auf Heim und Ehe und damit auf das Privileg der physischen Weitergabe des Lebens verzichten, zeigen sie um so deutlicher, daß ihre von der Gnade gewirkte Selbsthingabe allem Anschein zum Trotz die wahre Quelle des Lebens ist (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 21). Mit überwältigender Klarheit erinnert uns ihr selbstvergessenes Leben daran, daß Gott auf dem anscheinend unfruchtbarsten Baum, dem Kreuz, die reichlichste Ernte hervorgebracht hat. Da das gottgeweihte Leben für die Gegenwart des Reiches Gottes und für die Macht des Evangeliums, die Wirklichkeiten des täglichen Lebens in Kanäle übernatürlichen Lebens zu verwandeln, Zeugnis ablegt, sind eure Bemühungen um eine Zunahme der Berufungen zum gottgeweihten Leben und eure Unterstützung der Initiativen, die auf eine intensivere Bildung und Ausbildung abzielen, von lebenswichtiger Bedeutung. 7. Der priesterliche Eifer und die priesterliche Großmut sind ebenso notwendig für das Wachstum der Kirche, weshalb der Bischof seine erstrangige Aufmerksamkeit dem Klerus zuwenden soll. Die Priester sollten zu gegenseitiger Unterstützung aufgefordert werden, sollen einander zu einer immer vollkommeneren Identifizierung mit Christus, dem Guten Hirten, anspomen. Besonders wichtig ist in dieser Hinsicht der Einfluß, den ältere Priester von erprobter Tugend in schwierigen Situationen auf jene Mitbrüder ausüben können, die erst kürzlich ihr Amt angetreten haben. Wenn Schwierigkeiten auftreten, muß sich der Bischof ernsthaft um Erleuchtung im Gebet bemühen und sich wie der Herr selbst verhalten, der „gütig und von Herzen demütig” (Mt 11,29) war, stets bereit, den verlorenen und wiedergefundenen Bruder zu retten (vgl. Lk 15,32). Das zölibatäre Leben des Priesters ist ein angemessener Ausdruck der neuen, bei der Priesterweihe empfangenen Identität. Die sakramentale Angleichung an Christus erfordert eine rückhaltlose Hingabe an die seelsorgliche Betreuung des'Volkes Gottes. Die Lebensweise der Priester sollte beweisen, daß der Eifer für das Heil der Mitmenschen der allumfassende Zweck ihres Wirkens ist. Dank der geistlichen Vaterschaft des Priesters läßt der Heilige Geist die Kinder Gottes neu geboren werden, und diese Brüder und Schwestern Christi werden dazu gebracht, ihn in seiner vollendeten Gestalt darzustellen (vgl. Eph 4,13). Der Grund für die besondere Sorge um die Seminare in eurem Land ist eure Überzeugung, daß der wahre Eifer der Priester für das Haus Gottes (vgl. Joh 2,17) von größter Bedeutung ist. Vorbildliche Priester sind als Verantwortliche für die priesterliche Ausbildung unerläßlich; sie sind die beste Gewähr dafür, daß die Priesteramtskandidaten die für echte Diener des Evangeliums erforderliche geistliche, intellektuelle, menschliche und pastorale Ausbildung erhalten. Die für diese bedeutsame Aktivität ausgewählten Priester verdienen 1347 AD-LIM1NA-BESUCHE eure ganz besondere Unterstützung. Selbst wenn dringender Bedarf an Priestern herrscht, muß allen Versuchen, das Ausbildungsniveau herabzusetzen oder über Mängel in den Kandidaten hinwegzusehen, Widerstand geleistet werden. Die Weisheit der Kirche, heute ebenso gültig wie in der Vergangenheit, vertritt die Meinung, daß eine Verringerung der Anforderungen keine echte Lösung für den Priestermangel darstellt. Gott ist mit seiner Kirche, und vorbildliche Diener am Altar sind seine wirksamsten Werkzeuge für den Aufbau der Kirche und die Sorge um die Notwendigkeiten der Gläubigen. 8. Je tiefere Wurzeln das Evangelium in Malawi schlägt, desto einschneidender wird sich die Gesellschaft verwandeln, bietet doch die Evangelisierung die Grundlage für echte menschliche Entwicklung (vgl. Redemptoris missio, Nr. 58). Eure Bischofs-könferenz hat kürzlich der Anwendung der Weisheit und des Lichtes der christlichen Botschaft auf die derzeitigen Herausforderungen große Aufmerksamkeit geschenkt. In diesem Sinn waren eure Hirtenschreiben Unseren Glauben leben (Fastenzeit 1992) und Unsere Zukunft wählen (2. Februar 1993) von besonderer Bedeutung. In einem in Entwicklung befindlichen politischen Kontext ist eine solche Hilfe vor allem für die Orientierung der Mitglieder eurer Herde wichtig, die im Leben der Nation ihre Rechte ausüben und ihren Pflichten nachkommen. Es freut mich, daß der Vertreter und andere Funktionäre des Heiligen Stuhles euch bei der Übernahme eurer Verantwortungen als oberste Lehrer eurer Teilkirchen behilflich sein konnten. Was die Kirche anstrebt, ist die ihr gebührende Freiheit, die Botschaft zu lehren, die ihr vom Fürst des Friedens anvertraut wurde (vgl. Nostra aetate, Nr. 13). Durch die treue Erfüllung ihrer Sendung hilft sie den Völkern der ganzen Welt, die von ihnen angestrebten Ziele zu erreichen. Wenn ihr gewissenhaft eurer Verpflichtung nachkommt, die Soziallehre der Kirche zu verbreiten, leistet ihr der Nation einen loyalen Dienst und zugleich den notwendigen Beitrag zum Gemeinwohl. Liebe Mitbrüder, ich teile eure Hoffnung, daß Malawi dank der führenden Hand der göttlichen Vorsehung stets den Weg der Gerechtigkeit und Solidarität einschlagen wird im Sinn einer echten Entwicklung, die alles unterstützt, was im Menschen gut ist. 9. In Malawi widmeten sich die ersten und widmen sich die heutigen Verkünder des Evangeliums hochherzig Werken der Nächstenliebe und des Dienstes, die einen wesentlichen Aspekt der Verkündigung der Frohbotschaft ausmachen. Das war während des Wirkens Jesu auf Erden der Fall und, gilt auch heute, da die Liebe die treibende Kraft der Sendung darstellt (vgl. Redemptoris missio, Nr. 50). Dank der Schulen, Krankenhäuser und Ambulatorien werden eure Bemühungen um die Förderung der gesamten menschlichen Entwicklung sowie die Botschaft der Liebe Gottes in Christus sichtbar; gleichzeitig werden die Würde und die transzendente Bestimmung jedes Menschen hochgehalten und gefördert. Ich spreche die zuversichtliche Hoffnung aus, daß alle diese guten Werke in einem Klima des Friedens und der gesellschaftlichen Harmonie, die auf gegenseitiger Achtung und gegenseitigem Ver- 1348 AD-L1M1NA-BESUCHE stehen der verschiedenen Gesellschaftsschichten beruhen, fortgesetzt werden können. Mit vollem Vertrauen auf die unerschütterliche Liebe Marias, der Mutter der Kirche, empfehle ich euch und eure Diözesen ihrem Schutz. Euch und allen Gläubigen spende ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Einen Beitrag zur Versöhnung des Volkes leisten Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Mozambique am 12. März Herr Kardinal,verehrte Brüder im Bischofsamt! 1. In den vergangenen Tagen habt ihr euch am Grab der Apostelfürsten aufgehalten, um auf diese Weise die Einheit im Glauben und in der Liebe zu bezeugen, die eine jede eurer Diözesen mit der universalen Kirche verbindet. Der Nachfolger des Petrus, den zu besuchen ihr gekommen seid, führt in ihr den Vorsitz in der Liebe (vgl. Gal 1,18). Ihr wolltet ihm direkt und in der Person seiner Mitarbeiter in den verschiedenen Dikasterien der Römischen Kurie die Probleme und Erwartungen eurer Ortskirchen darlegen. Ich muß euch bekennen, daß ich mit Hilfe der schriftlichen Berichte und der persönlichen Gespräche gewissermaßen mitten in euren Gemeinschaften sein und mit Freude und lieber Erinnerung die Umarmung neu erleben konnte, die uns der gute Gott im September 1988 bei meinem Pastoralbesuch in eurem Land austauschen ließ, zumal er unter dem Leitwort stand: „Wir wollen in Gerechtigkeit und Liebe den Frieden aufbauen.” Ich habe sorgsam dieses Verlangen nach Frieden und Brüderlichkeit in meinem Herzen bewahrt, das das Volk von Mozambique mir damals anvertraut hat. Euer Volk ist glücklich über den Frieden, der, wenn auch noch zaghaft, über den damals blutenden sozialen Wunden aufgegangen ist. In diesem neuen Abschnitt seiner Geschichte möchte ich sehr gern diesen Ad-limina-Besuch als eine günstige Gelegenheit ansehen, um mit euch dem Himmel frohen Dank zu sagen und brüderlich die Hoffnung und den Mut zu teilen, die uns die Gewißheit schenken, daß der Herr bei uns ist. Mit diesen Empfindungen im Herzen empfange und grüße ich euch alle, und in eurer Person grüße ich zugleich die Priester und Missionare, die Ordensschwestern und Katechisten, die Animateure der christlichen Gemeinschaften, alle Gläubigen in euren Diözesen und das ganze Volk von Mozambique. Ich danke Bischof Paulo Mandlate von Tete, Präsident der Bischofskonferenz, für seine Gruß-worte, die die Bestrebungen, die Leiden und die Pläne des Volkes Gottes in Mozambique zum Ausdruck gebracht haben. In besonderer Weise möchte ich die Bischöfe der neuen Diözesen Chimoio und Na-cala, Msgr. Francisco Silota und Msgr. Germano Grachane, begrüßen und ihnen beiden eine fruchtbare pastorale Tätigkeit im Dienst an der ihnen anvertrauten Herde wünschen. Die Schaffung dieser neuen Diözesen entspricht einerseits den 1349 AD-LIMINA-BESUCHE Erfordernissen der. Neustrukturierung der kirchlichen Gebiete und ist andererseits ein Zeichen für das Wachsen und Reifen der Ortskirche, eine tröstliche Tatsache in eurer Nation. 2. Die Kirche in Mozambiqüe ist heute mit Recht auf ihre Festigung bedacht. Kürzlich habt ihr dazu euren christlichen Gemeinden geschrieben: „Heute ergibt sich die Festigung der Ortskirche als notwendige und unerläßliche Aufgabe für alle und jedes einzelne ihrer Kinder” (Hirtenbrief Festigung der Ortskirche, Schluß). Vor 15 Jahren habt ihr euch im Gehorsam gegen den Tröstergeist und aufmerksam für die Zeichen der Zeit für den „Aufbau einer Kirche der Basis, der Gemeinschaft und der Familie, für eine Kirche der Dienste” eingesetzt (ebd., Nr. 11) und die freie Schaffung kleiner christlicher Gemeinschaften angeregt; Dank der Gnade des Herrn haben sie sich in Pfarreien und Missionen vervielfältigt, „um Initiativen und Verantwortung des ganzen Volkes Gottes in der Festigung der Ortskirche zu fördern” {ebd., Nr. 12). Wir danken dem Vater im Himmel, „dem Gott allen Trostes” (2 Kor 1,3), für den wunderbaren Heroismus, den er im Herzen der Gläubigen geweckt hat. Sie sind gut in Gemeinschaften organisiert, und ihre Katechisten und Animateure verdienen besondere Erwähnung, weil sie es verstanden haben, den Glauben der ihnen anvertrauten Menschen zu erhalten und ihre Hoffnung zu stärken. 3. Ihr dürft auch diese erste Option nicht aufgeben, und sie wird sich zweifellos weiter als notwendig erweisen, wenn ihr zu einer echten persönlichen Aneignung des Glaubens und zu einer soliden und tiefen Inkulturation des Evangeliums in Mozambique gelangen wollt. Doch nun möchte ich euch auf „ein Hauptanliegen hinweisen, das das missionarische Handeln bestimmt” {Redemptoris missio, Nr. 48), nämlich auf die Festigung der Ortskirche. Sie geht Hand in Hand mit einer Aufwertung der örtlichen Kräfte, die immer größere Verantwortung für die Ausrichtung und Durchführung der Seelsorge auf diözesaner und nationaler Ebene übernehmen müssen. In dieser Zeit des Wachsens und Reifens sind die Präsenz und das Wirken zahlreicher Missionare, die von auswärts gekommen sind, eine kostbare Hilfe. Sie machen unter euch die missionarische Berufung der Kirche sichtbar, und ihr Wirken zielt ja gerade darauf hin, die Ortskirche aufzubauen und zu festigen. Es ist ferner notwendig, die Kräfte zusammenzufassen und gemeinsam mit den Kräften am Ort und von außen zu arbeiten, damit die bereits vorhandenen kirchlichen Strukturen immer solider Werden und die Erstverkündigung des Evangeliums jene erreicht, die Jesus Christus noch nicht kennen. In diesem Sinn ermahne ich euch zu gegenseitiger Hilfe, damit jede Diözese eine echte und eigene diözesane Priesterschaft bekommt. Sie ist ein solider und notwendiger Bezugspunkt für die inkardinierten Priester und Diakone wie auch für jene, die von auswärts kommen und sich in ihre Reihen einfügen. Im Apostolischen Schreiben Rastores dabo vobis habe ich geschrieben: „Die Beziehung zum Bischof in dem 1350 AD-LIMINA-BESUCHE einen Presbyterium, die Teilnahme an seinem Bemühen um die Kirche, die Hingabe an die am Evangelium orientierte Sorge um das Volk Gottes unter den konkreten Bedingungen von Geschichte und Umwelt einer Teilkirche sind Elemente, von denen man nicht absehen kann, wenn man die eigentliche Gestalt des Priesters und seines geistlichen Lebens beschreibt” (Nr. 31). Daher muß jeder Priester, dem Charisma seiner Berufung treu, dämm bemüht sein, seinen Dienst mit einem tiefen Sinn für die Kirche zu erfüllen, und eine enge Zusammenarbeit und Befolgung des Pasto-ralplans bezeugen, dessen Ausrichtung dem Ordinarius der Diözese und auf nationaler Ebene der Bischofskonferenz zusteht. Liebe Brüder im Bischofsamt! Begleitet eure Priester „mit besonderem Eifer”, und hört sie als eure engsten Mitarbeiter und Ratgeber an, die bestrebt sind, die Herde des Herrn zusammenzuführen und seelsorglich zu betreuen. Bei dem äußersten Mangel an Priestern in euren Diözesen laßt sie nicht ohne „die Mittel und Einrichtungen, deren sie zur Förderung des geistlichen und geistigen Lebens bedürfen” und ohne „ihren angemessenen Lebensunterhalt und soziale Hilfe” (vgl. C1C, can. 384), damit die Sorge für diese Dinge sie nicht davon abhält, „beim Gebet und beim Dienst am Wort zu bleiben” (vgl. Apg 6,2-4). 4. Aus der Lektüre eurer Berichte habe ich entnehmen können, daß es um die Kirche in Mozambique zur Zeit gut bestellt ist, was die Zahl der Kandidaten zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben in den männlichen und weiblichen Ordens-institüten betrifft. Dieser tröstlichen und verheißungsvollen Tatsache vieler Berufe muß ein neuer Eifer beim Herausfinden der wirklich Berufenen und bei ihrer angemessenen geistlichen und kirchlichen Ausbildung entsprechen. Die Förderung des örtlichen Klerus in umfassender und großherziger Sicht der verschiedenen Charismen und Dienste muß daher noch viele Jahre hindurch eine Priorität eurer Hirtensorge bleiben. Ich weiß um den Eifer, mit dem ihr eure Seminarien betreut, an die ich daher auch jetzt mit viel Liebe und voll Hoffnung denke. Übermittelt einen besonderen Gruß des Papstes an alle Seminaristen von Mozambique, zumal an jene, die sich bereits in euren Großen Seminarien befinden und auf die sich daher mit Recht die erwartungsvollen Augen der christlichen Gemeinden ohne Priester richten. Sorgt auch dafür, liebe Brüder, daß sich die Oberen der Seminarien vollzeitlich der anspruchsvollen Aufgabe der Vorbereitung von Priestern nach dem Herzen Gottes widmen können (vgl. Pastor es dabo vobis, Nr. 82): Priester, gleichgestaltet Christus, dem Haupt und Hirten der Kirche, von großer pastoraler Liebe erfüllt, wahre „Männer Gottes”, menschlich reif und sich der Berufung zum Zölibat um des Reiches Gottes willen bewußt und von gediegener intellektueller und theologischer Ausbildung, um das Evangelium vom Heil fruchtbar verkünden zu können. Allen Ordensmännem und Ordensfrauen gelten mein und euer Dank und unsere Hochachtung, weil sie in den vergangenen Jahren eines echten nationalen Notstandes weiter für alles und für alle in einer Haltung kindlichen Vertrauens auf die göttliche Vorsehung gesorgt haben. Wir hoffen zu Gott, daß die Normalisierung des Le- 1351 AD-LIMINA-BESUCHE bens in Mozambique es jedem gottgeweihten Menschen gestattet, in Treue zu dem vom Gründer überkommenen Charisma sich fruchtbar den Tätigkeiten zu widmen, zu denen sich ihre OrdensfamUie besonders berufen fühlt innerhalb des immensen Bereiches des Dienstes am Evangelium und an der vielfältigen Durchführung der Werke der Barmherzigkeit. Eine greifbare Frucht der kirchlichen Lebenskraft eurer Ortskirche sind die diözesa-nen Kongregationen; es sind freilich zuweilen in ihrer Definition und, Tätigkeit Zweideutigkeiten aufgetreten, die sich zu Vorurteilen für das christliche Volk und zumal für die eigentlich Berufenen auswachsen können. Das Ordensleben ist in jedem Fall ein Geschenk Gottes an seine Kirche, und es muß auch als solches angenommen, geachtet und geliebt werden. In Erfüllung eurer Aufgabe, die Wege des Geistes zu unterscheiden, bemüht euch, jedem Berufenen zu helfen, die Pläne Gottes zu erkennen und ihnen voll zu entsprechen. 5. Ich gratuliere euch zu der bewundernswerten Weise, wie ihr es verstanden habt, oft unter Lebensgefahr eure Herde zu erhalten, zu leiten und zu besuchen. Nun aber, da der Frieden eine langsame Normalisierung des Lebens erlaubt, fordern neue Möglichkeiten und Aufgaben von der Kirche in Mozambique ihre Präsenz und ihr evangelisierendes Wirken (vgl. Redemptoris missio, Nr. 37). Sie muß namentlich zur Versöhnung eines ganzes Volkes beitragen und ihm seine nationale Seele wiedergeben; sie muß die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen unterstützen; sie muß der Jugend helfen, die leicht zur Beute des Augenblicks wird, weil sie keine bleibenden Werte und Vorbilder mehr kennt; sie muß brüderliche und dynamische Gemeinschaften in den Stadtzentren aufbäuen, wo ein anonymes Menschentum entsteht und die Christen gleichgültig werden. Sie muß die Frohbotschaft für Gruppen von Menschen und für Bereiche in Mozambique aufleuchten lassen,, wo bisher Gemeinschaften fehlen, die ein klares Zeichen christlicher Präsenz sicherstellen können. Gott wird euch zur Seite stehen, hebe Brüder, bei dieser niemals endenden Aufgabe - persönlich und durch eure Priester, eure Ordensmänner und Ordensschwestern und alle Mitarbeiter in der Seelsorge -, für die unermeßlichen Massen zu sorgen, denen alles fehlt und die vor allem Hoffnung und Sinn für ihr Leben wiederfinden müssen, was einzig Jesus ihnen geben kann. 6. In den letzten schweren Jahren wurden die gläubigen Laien in Mozambique in ihrer Treue zum Evangelium auf die Probe gesteht; Gott aber hat sie seiner würdig gefunden und sie zu Tausenden als apostolische Führer seiner Basisgemeinschaften erwählt, wobei sie ein hohes Bewußtsein von ihrer Zugehörigkeit zu Christus und ihrer Sendung in der Kirche entwickelt haben. Doch nun gilt es, für die Zukunft zu sorgen. Das aber erfordert eine Festigung der Laien als Zeugen Christi in der Gesellschaft, so daß „durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte, die Interessenpunkte, die Denkgewohnheiten, die Quellen der Inspiration und die Lebensmodelle der Menschheit, 1352 AD-LIMINA-BESUCHE die zum Wort Gottes und zum Heilsplan in Gegensatz stehen, umgewandelt werden” (Evängelii nuntiandi, Nr. 19). Mit eurem Hirtenbrief Momento Novo wolltet ihr den Katholiken und allen Menschen guten Willens geeignete Richtlinien für diese Durchsäuerung der Kultur und des Lebens in Mozambique mit dem Evangelium anbieten. Eure Ermahnungen aufgreifend, möchte ich die gläubigen Laien vor allem außerdem, sich ihrer Aufgabe bewußt zu werden und mutig ihren Platz im sozialen und politischen Leben von Mozambique zu übernehmen nach den Gmndsätzen und Kriterien, die von der Soziallehre der Kirche angeboten werden. Inmitten einer Kultur der Gewaltanwendung und des Todes sollen die Laien hervorleuchten als überzeugte Zeugen für den, der in Ewigkeit lebt, den Herrn Jesus Christus, und sich für die Achtung und Verteidigung des Lebens und der Würde des Menschen einset-zen. Sie müssen es auch verstehen, Gewinnsucht, Korruption und Gruppeninteressen anzuprangem und sich zur Beteiligung an den öffentlichen Aufgaben bereit machen in einem echten Geist der Dienstbereitschaft und mit einem Gespür der Verantwortung für das Gemeinwohl. Die Demokratie in Mozambique kann dann, gegründet auf der Würde und grundlegenden Gleichheit der Personen und Gruppen und in Achtung vor deren Rechten und Pflichten, die geeigneten Führer und Lehrmeister finden, die die Kunst des Dialogs und die Praxis der sozialen Gerechtigkeit an die erste Stelle setzen und nach so vielen Jahren verbissener Rivalität, die bis zu Blutvergießen und Tod geführt hat, die integrale und allgemeine Entwicklung des Landes ermöglichen. 7. Diese sozio-politische Präsenz von Laien, die vom Evangelium vorbereitet und geformt sind, findet in der Familie ihre notwendige Schule und ihren Prüfstein. Diese befindet sich sichtbar in einer Krise, sei es wegen des Niedergangs infolge des Krieges und des wachsenden Eindringens von Gegenwerten, die einen Abgrund zwischen Eltern und Kindern innerhalb so vieler Familien schaffen, oder auch infolge einer Erziehung ohne Moral, der viele von denen ausgesetzt waren, die sich jetzt im heiratsfähigen Alter befinden. In euren Berichten, verehrte Brüder, konnte ich feststellen, wieviel Aufmerksamkeit ihr diesem Bereich schenkt und wie sehr ihr die Bemühungen vervielfältigt, um den Sinn für die Familie neu zu wecken und alle zur Verteidigung ihrer Einheit, Fruchtbarkeit und Festigkeit hinzuführen. Begleitet weiter die Jugendlichen in Mozambique mit besonderem Eifer. Dies ist ihre Stunde, für die die Nation nichts vermag oder die vorzubereiten, sie nicht verstanden hat. So fühlen sie sich jetzt entmutigt, weil Mozambique ihnen kein Angebot machen konnte. Sie wurden zum Krieg gezwungen; heute aber möchten die Jugendlichen von Mozambique wirklich den Frieden aufbauen. Beginnt bei ihren Familien: Lehrt sie, ihr Land heben, hier könnt ihr ihnen begegnen. Laßt sie von jener immerwährenden afrikanischen Weisheit lernen, zu der die innere Achtung vor Gott und vor dem menschlichen Leben gehört, angefangen mit seiner Zeugung und bis zu seinem natürlichen Aufhören. Sie sollen nach 1353 AD-LIMINA-BESUCHE Gottes Gebot ihren Leib achten und die Neigungen und Fähigkeiten, eine andere Person als Menschen von gleicher Würde und göttlicher Berufung zu heben, um gemeinsam der Zukunft von Mozambique neues Leben zu schenken. Möge dies innerhalb. einer festen Ehe gezeugt werden, auf der der Segen der 'unauflöslichen Einehe hegt. Herr Kardinal, verehrte Erzbischöfe und Bischöfe von Mozambique ! 8. Nun, da der Friedens Schluß nach einer langen, von Blut und Leid eines erschöpften Volkes geprägten Zeit unterzeichnet ist, schützt diesen gebrechlichen Frühling durch das Gebet der Gläubigen und die Mitarbeit aber Menschen guten Willens. Er entspringt dem Glauben an Gott, den gemeinsamen Vater, bringt Fracht und gewinnt Festigkeit durch hochherziges Verzeihen und gegenseitiges Vertrauen unter seinen Kindern in Mozambique, die den Mut finden, sich gegenseitig als Brüder anzuerkennen. Heute ist die Stunde zur Festigung des. Friedens gekommen, die ahe verpflichtet, die vereinbarten Abmachungen ernsthaft einzuhalten., Ich möchte heute ahe betroffenen Parteien ermuntern, mit Hilfe der internationalen Instanzen auf dem Weg der getroffenen Vereinbarungen fortzuschreiten. Es muß ohne Zögern geschehen, denn die Armen können nicht länger warten. Der Friede ist weiter bedroht... Möchten doch die Hoffnungen eines ganzen Volkes, das in Elend und todbringendem Leiden versunken ist, nicht enttäuscht werden! Die Kirche in Mozambique kann und wird ebenfalls ihre Mitbürger in diesem neuen Abschnitt beim Aufbau des Friedens nicht verlassen. Auf meiner Apostolischen Reise habe ich der Nation gesagt: „Präsenz und Aktivität der Kirche in einer bestimmten Gesellschaft sollen nie als Zusammenarbeit oder Hilfe ,von außen’ dastehen” (Ansprache bei der Ankunft, Nr. 7). Sie ist nämlich für kein Volk fremd. Sie hat einen schweren Preis gezahlt, da sie viele ihrer Söhne sterben sah, die dem geplagten Volk nahe bleibeh wollten; sie war ferner die erste Institution, die „Wege der Versöhnung und des Dialogs vorgeschlagen hat, um zu einem echten Frieden zu gelangen, und sie hat sich dafür prophetisch eingesetzt” (vgl. Ansprache an die Delegationen, die das allgemeine Friedensabkommen unterzeichnet haben, am 5. Okt, 1992), wie das Volk von Mozambique es weithin anerkannt hat. Es ging nicht nur um einzelne Personen, vielmehr hat die ganze Kirche solidarisch gehtten und für den Frieden gebetet und gearbeitet. Sie bittet nun auch'um keinerlei Belohnung oder Privileg, wohl aber um wirklichen und konkreten Raum, der ihr vom Naturrecht und von der Geschichte her im Leben der Nation zusteht, weh sie das moralische Gewissen! und ein Sauerteig der Versöhnung für das Volk von Mozambique ist. Mit neuem Vertrauen lege ich diese „neue Stunde” eures Schicksals als Nation zu den Füßen der Jungfrau Maria nieder, der Königin des Friedens und der gemeinsamen Mutter aller Menschen in Mozambique. Als Unterpfand des göttlichen Beistands und der Gaben des Heftigen Geistes erteile ich euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen, den ihr auch den Priestern, den Missionaren, den Ordens- 1354 AD-LIMINA-BESUCHE Schwestern und den übrigen Gläubigen wie auch dem ganzen gebebten Volk in Mozambique weitergebeh sollt. Die Gemeinschaft, Quelle allerpastoralen Tätigkeit Ansprache an die Bischöfe Neuseelands anläßbch ihres Ad-limina-Besuches am2i. Oktober Eminenz, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Mir brüderhcher Liebe begrüße ich euch, die Bischöfe Neuseelands, anläßbch eures Besuches Ad-limina Apostolorum. Eure Gebete an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus und euer brüderbches Zusammentreffen mit dem Nachfolger Petri sind Ausdruck der Gemeinsamkeit, die uns im einen Leib Christi zusammenschbeßt, sie wir doch in ihm „Diener der Wahrheit des Evangehums, die im gesamten Leben und in aben Tätigkeiten der Kirche empfangen und kundgetan werden muß” (vgl. Hirtenschreiben der Bischöfe Neuseelands, Im Dienst der Einheit, Nr. 7). In euren Berichten über den Stand der Diözesen wurde vielfach die Bedeutung einer wirksameren Verkündigung des Wortes Gottes in der heutigen Gesellschaft betont. Das Gleiche gilt vom Thema unserer Reflexion: unsere Sendung als Verkünder und Lehrer des Glaubens. Euch, den Hauptverkündem des Evangehums an das Volk Gottes in Neuseeland ist es auferlegt, die so dringende Aufgabe der Evangehsie-rung, welche zu aben Zeiten die vordringkchste Pflicht der Kirche und ihr erster Dienst für die Menschheit ist, zu fördern, zu ihr zu ermutigen und sie zu leiten (vgl. Redemptoris missio, Nr. 44). 2. In der Kirche entspringt aüe pastorale Tätigkeit dem Geheimnis der Gemeinschaft, jenem göttbchen Leben, das der Sohn mit dem Vater und dem Heihgen Geist teilt und durch den Dienst seiner Kirche weitergibt. Durch die Taufe treten die Gläubigen in diese Gemeinschaft ein und sind berufen, für sie mit ihrem Leben Zeugnis abzulegen und sie durch ihre aktive Teilnahme an der Heilsmission die Kirche weiterzugeben (vgl. Christifideles laici, Nr. 8). Dieser transzendente Aspekt des Jüngerseins muß im Leben und Handeln der Gläubigen stets wahrnehmbar sein. Die Bischöfe wiederum soüten sich „bemühen, daß die Gläubigen durch die Eucharistie das österbche Geheimnis tiefer erkennen und leben, so daß sie einen festgefügten Leib in der Einheit der Liebe Christi bilden” (Christus Dominus, Nr. 15). Ihr und die Priester, die eure Mitarbeiter im Dienst des Evangehums sind, seid dazu berufen, aktive Gestalter der kirchkchen Gemeinschaft zu sein und die Einheit der Kirche in der Eintracht der verschiedenen Berufungen, Charismen und Ämter zu festigen (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 16). Ich unterstütze eure Bemühungen um die weiterführende geistliche und theologische Bildung des Klerus, damit eure Priester durch die Teilnahme an der „Salbung” und der „Sendung” Christi „das Gebet, Wort, Opfer und Hebswirken in die Kirche hinein übersetzen” (Pastores dabo vo- 1355 AD-LIM1NA-BESUCHE bis, Nr. 16). Im oft verwirrenden Lärm von Ideen und Meinungen über das kirchliche Leben und seine Erneuerung ist es wesentlich, daß die Priester imstande sind, in Treue zum apostolischen Glauben zu unterscheiden, was für das Wachstum des Volkes Gottes wirklich von Nutzen ist. Auch fordert das Wohl der Kirche, daß die gesamte Gemeinschaft - Familien, Schulen und katholische Jugendgruppen - die Berufungen zum Priestertum fördern und unterstützen. Es ist jedoch vor allem Aufgabe des Bischofs, der Ausbildung der zukünftigen Priester in der Seminaren und Bildungsstätten größte Aufmerksamkeit zu schenken. Ein Bischof muß in der Lage sein, seine Seminaristen mit persönlichem Interesse und väterlicher Liebe zu begleiten und dafür zu sorgen, daß die geistliche, intellektuelle und menschliche Bildung, die ihnen zuteil wird, geeignet ist, aus ihnen mit reifem Glauben und apostolischem Eifer ausgerüstete Männer der Gemeinschaft zu machen Die verhältnismäßig große Zahl von Ordensleuten in Neuseeland ist eine Quelle besonderer Gnade und Kraft für die christliche Gemeinschaft. Durch ihre spezifische Art des Zeugnisses für das schon inmitten der menschlichen Wirklichkeiten gegenwärtige Reich Gottes zeigen die Ordensleute die transzendente und eschatologische Natur des christlichen Lebens. Da die ganze Kirche mit der Vorbereitung der nächsten Versammlung der Bischofssynode über das gottgeweihte Leben beschäftigt ist* werdet ihr gewiß den Gemeinschaften eurer Diözesen nahe sein, wenn sie sich vor Gott klarzuwerden suchen über den entsprechenden Weg zur Erneuerung und Reform, die zu immer größerer Harmonie mit der wahren Natur ihrer Berufung und dem ursprünglichen Charisma ihrer Gründer führt. Die in euren Diözesen lebenden und wirkenden Ordensleute werden diese pastorale Betreuung und Führung seitens derer, denen die Sorge um die Teilkirche anvertraut ist, zu schätzen wissen (vgl. Christus Dominus, Nr. 11). Ich bitte euch, meine Grüße und die Unterstützung durch, mein Gebet allen Mitgliedern der Institute des gottgeweihten Lebens und der Gemeinschaften des apostolischen Lebens in Neuseeland sowie den zahlreichen Missionaren, vor allem in der Region des Pazifik, mitzuteilen. 3. Kein Einsatz für die Evangelisierung kann die Notwendigkeit der weiterführenden Bildung und Ausbildung der Laien übersehen. Diese geistliche und doktrinäre Bildung sollte ihnen helfen, ihr prophetisches Amt in einer Gesellschaft zu erfüllen, die nicht immer die Wahrheit und die vermenschlichende Kraft des Evangeliums oder der ihm entspringenden Werte anerkennt. Wie im Apostolischen Schreiben Christi-fideles laici aufgezeigt, muß den Laien, wenn sie ihre wichtige Aufgabe bei der Neuevangelisierung wirksam erfüllen sollen, auch geholfen werden, jede Trennung zwischen Evangelium und Leben zu überwinden, indem sie lernen, alle Dinge im Licht Christi zu beurteilen (vgl. Nr. 34). Die Bekehrung zu Christus schließt die Bekehrung des Geistes und auch des Herzens ein, und um das fertigzubringen, erwar- 1356 AD-LIM1NA-BES U CHE ten die Laien von ihren Hirten mit Recht kluge geistliche Führung und authentische Belehrung. Tatsächlich findet eure apostolische Verantwortung für die Weitergabe des Glaubensgutes (vgl. 2 Tim 1,14) ihren konkreten Ausdruck in eurer Sorge um die Unver-fälschtheit der in euren Diözesen gelehrten katechetischen und theologischen Doktrin. Das erfordert selbstverständlich eine kritische Unterscheidung hinsichtlich all dessen, was die Fülle des katholischen Glaubens bedroht. Wir können nicht die verwirrenden Tendenzen in gewissen Strömungen der Spiritualität, der Theologie und der pastoralen Praxis ignorieren, die die Identität der Kirche als des normalerweise einzigen Heilswerkzeuges für die gesamte Menschheit in Frage stellen oder die Wahrheit bezweifeln, daß die Sakramente der endgültige und wesentliche Ort unserer Begegnung mit Christus sind. Angesichts der vielen verschiedenen Herausforderungen, denen unser Hirtenamt gegenübersteht, dürfen wir nicht das Vertrauen auf die Macht des Evangeliums verlieren, das Geist und Herz der Menschen umgestalten kann! Wenn wir unserer Pflicht treu bleiben, das Wort unmißverständlich zu verkünden, sei es gelegen oder ungelegen (vgl. 2 Tim 4,2), dann tun wir nur, was von uns gefordert ist! Zu den zahlreichen Gaben, die Gott in dieser Zeit der Kirche geschenkt hat, gehört der Katechismus der Katholischen Kirche, der eine große Hilfe und Stütze für eine solide Kinder-, Jugend- und Erwachsenenkatechese sein wird. Unsere pastoralen Bemühungen dürfen auch die getauften, aber nichtpraktizierenden Katholiken nicht vernachlässigen. Diese besorgniserregende Erscheinung erfordert besonders intensives pastorales Bemühen und ein koordiniertes Vorgehen der Pfarreien und Diözesen. 4. Heute fordert die Ausübung unseres apostolischen Amtes oft von uns, daß wir uns mit schwierigen und vielschichtigen Problemen auf dem Gebiet der Moral auseinandersetzen. Das Evangelium enthält nicht nur die Wahrheiten, die man glauben, sondern auch jene, die man im Leben anwenden sollte (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25). So heißt es in der Enzyklika Veritatis splendor: „Die Einheit der Kirche wird nicht nur von den Christen verletzt, die die Glaubens Wahrheiten ablehnen oder verzerren, sondern auch von jenen, die die sittlichen Verpflichtungen verkennen, zu denen das Evangelium auffuft” (Nr. 26). Die Wahrheit hinsichtlich des moralischen Handelns, das die Kirche lehrt, leistet der Menschheitsfamilie einen notwendigen und edlen Dienst, da sie das Leben der einzelnen und der Gesellschaft erhellt und den Weg zu wahrer innerer Freiheit weist, nämlich zur Befreiung von der Sünde und zur Fähigkeit, das zu wählen, was tatsächlich der Erreichung unserer gottgegebenen Bestimmung dient. In diesem Licht wird auch eine erneuerte, positive Katechese hinsichtlich des Sakraments der Versöhnung zur Quelle einer tieferen Gotteserfahrung und einer hochherzigeren, selbstlosen Liebe werden. Eurer lobenswerten Tradition als geachtete Verteidiger der Armen und der Menschenrechte eingedenk, ermutige ich euch zu euren Bestrebungen, die darauf abzielen, die Lehre der Kirche über die moralischen Rückwirkungen des wissenschaft- 1357 AD-L1MINÄ-BESUCHE liehen und technologischen Fortschritts und die oft die öffentliche Diskussion und die Gesetzgebung beherrschende, utilitaristische Auffassung bekanntzumachen. Sexualmoral und Familienleben sollen, gerade weil sie für das menschliche Leben und seine Erfüllung von so besonderer Wichtigkeit sind, von der Lehre Christi erhellt werden. Die Kirche kann angesichts der weitverbreiteten Scheidung und des Zer-brechens der Familie nicht schweigen. Wer sich auf die Eheschließung vorbereitet, bedarf heute mehr denn je einer soliden religiösen Unterweisung über den Emst und die Bedeutung dieses Sakraments und die jungen Ehepaare bedürfen der Hilfe und der Unterstützung, um ihre Gemeinschaft in Ehe und Familie nach dem Plan Gottes leben zu körnen. Während versucht wird, andere Formen des Zusammenlebens der Familie rechtlich gleichzustellen, müssen die Natur, die Rolle und die Rechte der Familie nachdrücklich verteidigt werden. Zur Unterstützung dieser fundamentalen Einrichtung ist die aktive Mitarbeit der Laien selbst, insbesondere der Familienverbände und der Fachleute unbedingt erforderlich. 5. In Neuseeland muß die Evangelisierung den Erfordernissen eurer multikulturellen Gesellschaft gerecht werden, die die Katholizität der Kirche durch die Gegenwart verschiedener gesellschaftlicher und kultureller Gruppen bereichert. Die geistliche Sorge um die katholischen Maori und die wirksame Hirtensorge um die immer zahlreicheren Einwanderer von den Inseln Samoa, Cook, Tokelau und Tonga in den städtischen Gebieten erfordern einen einfühlungsfähigen und engagierten pastoralen Einsatz. Praktische Versuche, die Inkulturation des Glaubens zu fördern, setzen eine geduldige und ernsthafte Reflexion voraus, die auf einer echten, von den katholischen Prinzipien über Inkulturation inspirierten Theologie gründen, die unlösbar im Geheimnis der Menschwerdung und in echter christlicher Anthropologie verwurzelt sind (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 55). Eine wirklich kritische und nach dem Evangelium vorgenommene Beurteilung der kulturellen Wirklichkeiten kann nur im Licht des Erlösungstodes und der Auferstehung Jesu Christi unternommen werden. Eine gesunde Theologie der Inkulturation kann nicht die unmißverständliche Überzeugung der Kirche übersehen, daß die Kultur als Schöpfung des Menschen unvermeidliche Zeichen der Sünde in sich trägt und der Heilung, Veredelung und Vervollkommnung durch das Evangeüum bedarf (vgl. Lumen Gentium, Nr. 17). Der Kontakt der Kulturen mit Gottes heilendem Wort wird auf natürliche Weise eine tiefe Umgestaltung hervorrufen, wenn diese Kulturen ihren tiefsten Sinn und die Erfüllung ihres Sehnens in der Kenntnis und Liebe der Person des menschgewordenen Wortes finden. Das Evangelium durchdringt das Leben der Kulturen als solches und inkarniert sich in ihnen, gerade „indem es deren Elemente,, die mit dem Glauben und dem christlichen Leben nicht vereinbar sind, überwindet und ihre Werte in das Heilsmysterium, das von Christus kommt, integriert” {Pastores dabo vobis, Nr. 55). Die Herausforderung, der jede Gruppe und jedes Volk gegenübersteht, besteht darin, das Evangelium Christi in ihre Lebensweise eindringen zu lassen, so daß sie zur Erkenntnis ihrer Identität als einzigartiger Teil der Familie Gottes kommen. 1358 AD-LIMINA-BESÜCHE 6. Liebe bischöfliche Mitbrüder, die Aufgaben, denen die Kirche beim Herannahen des dritten Jahrtausends gegenübersteht, stellen ungeheure Anforderungen an sie, aber sie verringern nicht unseren Eifer und unsere Einsatzbereitschaft, denn wir setzen unser Vertrauen auf die helfende Gnade Christi. Die göttliche Vorsehung hat sich im Wachstum der Kirche in eurem Land kundgetan und hat ihren Widerschein im Leben so vieler Menschen gefunden, die Heiligkeit ausstrahlten und sich großmütig in den Dienst des Gemeinwohls stellten, insbesondere im unermüdlichen Dienst für die Bedürftigen, die Kranken und die Vernachlässigten. Heute seid ihr inmitten neuer Herausfordemngen aufgerufen, auf diesen Grundsteinen weiterzubauen, in Zusammenarbeit mit dem, „der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können” (Eph 3,20). Ich empfehle euch und die Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen der mütterlichen Sorge Marias, der Mutter der Kirche, und erteile euch aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Vorsehung bereitet eine neue Blüte des christlichen Lebens vor Ansprache beim Ad-limina-Besuch der niederländischen Bischöfe am 11. Januar Liebe Brüder in Christus! 1. Für mich ist es ein Anlaß zu großer Freude, daß ich die Bischöfe der Niederlande erneut empfangen kann. Ich grüße euch herzliche, und danke Herrn Kardinal Adrianus Johannes Simonis für die im Namen aller zum Ausdruck gebrachten Gedanken und Empfindungen. Ich erinnere mich recht gut an unsere letzte Begegnung, wo nämlich der Nachfolger Petri und die holländischen Bischöfe vereint mit zahlreichen Gläubigen die Eucharistie am Grab des Petrus gefeiert haben, und zwar erstmals in der Geschichte in eurer Muttersprache. Es war zum Abschluß des Willibrordjahres am 8. November 1990 ein ergreifendes Zeugnis der Einheit im Glauben der Apostel, in jenem Glauben, den Willibrord vor dreizehnhundert Jahren in euer Land brachte. Nun seid ihr zum Besuch der Gräber der Apostel Petrus und Paulus zurückgekehrt, um eure pastoralen Anhegen mit dem auszutauschen, der „als Hirte aller Gläubigen gesandt ist, für das Gemeinwohl der ganzen Kirche und für das Wohl der Einzelkirchen zu sorgen” (Christus Dominus, Nr. 2). 2. Unsere Begegnung ereignet sich in einer wegen der großen Umwälzungen sehr bedeutungsvollen Stunde. Schon das 13. Vatikanische Konzil hat die Notwendigkeit betont, die Ausrichtung des pastoralen Bemühens im Licht der gewandelten „Lage der menschlichen Gesellschaft, die sich in dieser unserer Zeit auf dem Weg zu einer neuen Ordnung befindet” (Christus Dominus, Nr. 3), zu überprüfen. Heute scheint diese Mahnung noch mehr als gestern der Wirklichkeit zu entsprechen. Nach dem 1359 AD-LIMINA-BES U CHE Vertrag von Rom (1957) und den Abmachungen von Maastricht (1991) hat Europa wichtige Schritte auf seine Vereinigung hin vollzogen. Diese politische Tatsache hat sehr wichtige Auswirkungen auch für das Leben der Kirche in eurem Land wie in ganz. Europa. Es ist notwendig, daß die Christen es verstehen diese vom „kairos” unserer Stunde gebotenen Möglichkeiten aufzugreifen und zu zeigen, daß sie auf der Höhe der pastoralen Aufgaben stehen, wie sie sich aus der konkreten geschichtlichen Situation ergeben. Kleine Länder können da oft einen bedeutsamen Beitrag auf internationalem Gebiet leisten, auch was das Wirken der Kirche in Europa angeht. Wichtig ist dabei die Rolle der internationalen katholischen Organisationen. Sie können die Bestrebungen der Laien unterstützen, die ihrerseits wieder in der internationalen Gemeinschaft in apostolischem Geist präsent sind, und das in einer Zeit wie der heutigen, wo die Institutionen und die Dynamik des modernen, sozialen Lebens oft mit den universalen Bestrebungen der Kirche parallel laufen. 3. Diese Aufgabe bietet freilich nicht geringe Schwierigkeiten in einer Zeit ausgeprägter Säkularisierung, in der die Kirche in Europa, und zumal in den Niederlanden, lebt. Auch bei vielen Katholiken, die sich weiter als solche bekennen, ist der Glaube an Gott als Person und infolgedessen der Glaube an Christus als Sohn Gottes erheblich geschwächt. Man vermag auch kaum mehr die Kirche als Sakrament und als objektives, nicht manipulierbares Geschenk von Ihm zu sehen. Hier hegt der Grund, warum nicht selten der innerliche und geistliche Charakter des Glaubens mit einer allgemeinen Menschenliebe und einem politisch-sozialen Wirken für Frieden, Gerechtigkeit, Umweltschutz usw. zusammenfallt, während das Gebet, die Kontemplation und die geistliche Lesung für manche als nicht genügend begründet erscheinen. Diese säkularisierte Einstellung zeigen auch einige Laien, die in kirchlichen Strukturen, in Pfarrei, Diözese und auf nationaler Ebene engagiert sind, ferner einige Ordensmänner und -frauen, die sich immer mehr von der sozialen Aufgabe ergreifen lassen und diese oft mit dem eigentlich missionarischen Wirken gleichsetzen. Es fehlen freilich nicht die Zeichen der Hoffnung für die Zukunft. Es bleiben auch die zahlreichen treuen Katholiken, die aufrichtig den Glauben an Gott leben und sich sowohl in den Pfarreien als auch in den diözesanen Strukturen betätigen und Initiativen voranbringen, die die Liebe Christi zu den Menschen widerspiegeln. Schwächer wird ferner die Aggressivität kritischer Kreise, und wir stellen ermutigende Zeichen des Übereinkommens in der Gemeinschaft um den Bischof fest. Die Veröffentlichung des neuen Katechismus der katholischen Kirche wird gewiß die Gläubigen aufklären und stärken, die im theologischen Gärungsprozeß der letzten Jahre die Orientierung verloren haben, und sie zu den echten Quellen des Glaubens zurückführen, wenn sie falschen Propheten gefolgt waren und sich verirrt hatten. 4. Die pastorale Situation in den Niederlanden, ehrwürdige Brüder, bietet daher ein Gesamtbild mit Licht und Schatten, das dringend euer verantwortliches Wirken als einzelne wie als Bischofskonferenz verlangt. 1360 AD-LIMINA-BES U CHE Gern spreche ich euch meine Anerkennung aus zu den vielen und wichtigen Initiativen, die ihr in den letzten fünf Jahren ergriffen habt. Es ist natürlich nicht möglich, alle im einzelnen hier zu nennen. Um nur die wichtigsten zu erwähnen, dürfen wir nicht vergessen, daß ihr gemeinsam mit den Bischöfen Belgiens seitdem die flämische Ausgabe des Stundengebets gebilligt habt, die dann im Hinblick auf diesen Ad-limina-Besuch ergänzt und vollständig veröffentlicht wurde. Sowohl für die Priester als auch für die Laien stellt das Stundengebet eine unerschöpfliche Quelle der Nahrung für das christliche Leben dar, so daß „der gesamte Ablauf des Tages und der Nacht durch Gotteslob geweiht wird” (Sacrosanctum Concilium, Nr. 84). Ihr habt ferner mehrere Dokumente veröffentlicht, die die verschiedenen praktischen Aspekte des Lebens der Kirche in eurem Land behandeln, wie den Unterricht, die Pfarreien, die kirchlichen Finanzen, die liturgische Musik, die karitativen Einrichtungen und weitere Themen. Für eure kirchlichen Gemeinschaften habt ihr mehrere wertvolle „Hirtenbriefe” verfaßt: über die charismatische Bewegung; über Frieden, Gerechtigkeit und die Unversehrtheit der Schöpfung; über das Willibrordjahr; über den Schutz des Lebens und das Alter. Euer Hirtenbrief über die gemeinschaftliche Feier des Sonntags läßt mich an die Statistiken'denken, die ihr mir dazu übermittelt habt. Der Rückgang des Besuches der Sonntagsmesse ist für euch ein Anlaß verständlicher Sorge. Doch zeigt sich dieses Phänomen in größerem oder geringerem Maße auch in den anderen Teilen Europas. Wir sind daher verpflichtet, uns zu fragen, ob auf diesem Gebiet nicht eine engere Zusammenarbeit der Hirten des Kontinents zu wirksameren pastoralen Entschließungen führen könnte, um sicherzustellen, daß die wöchentliche Feier des Herrentages erneut die gebührende Aufmerksamkeit im christlichen Leben findet. Die Eucharistiefeier ist ferner eine wichtige Gelegenheit zur Katechese. Natürlich müssen auch die Möglichkeiten genutzt werden, die andere Feiern bieten, um die Glaubensinhalte zu erklären, die Verbindung der Gläubigen mit ihrer Kirche zu festigen und ihren Glauben vor anderen zu bezeugen, die . ihn noch nicht teilen. Ich denke besonders an die Totenliturgie mit der Möglichkeit, die sie bietet für ein wirksames Zeugnis und eine vertiefte Katechese über unseren Glauben an das ewige Leben; ich denke an die Feier der Eheschließung mit der Möglichkeit für den Priester, den Anwesenden die christliche Lehre über Liebe und Familie zu erklären; eine angemessene Liturgie bei einer Taufe kam durch die Handlungen und Worte des Priesters auch die Anwesenden dazu anregen, selbst über die eigene Taufe und ihre Folgerungen nachzudenken. 5. Gern weise ich darauf hin, daß ihr in dem Hirtenbrief „In Christus Naam” (im Namen Christi), in dem ihr Wort, Sakrament, Dienstamt und Weihe behandelt, viele wertvolle Bemerkungen zu verschiedenen Aspekten macht, die die Funktion des Priesters und die Berufung zum Priestertum betreffen. Ihr erklärt dort erneut, was schon Paulus sagt, wem er die unterschiedlichen Aufgaben im Imeren der einen 1361 AD-LIMINA-BESUCHE Kirche mit den verschiedenen Aufgaben der Glieder des menschlichen Körpers vergleicht (vgl. 1 Kor 12,12-30). Den Laien das übertragen wollen, was einzig den Priestern Vorbehalten ist, wäre ein Unrecht gegen den Reichtum der Gemeinschaft der Kirche und gegen ihre Vielfalt. Es würde zugleich die Aufteilung der Aufgaben leugnen, die in der Kirche von der heiligen Weihe herkommt. Es würde zugleich einen Angriff auf die den Laien eigene Aufgabe bedeuten und ihre Zuständigkeitsbereiche in der Kirche verwischen. Den Laien priesterliche Aufgaben übertragen scheint zwar eine verlockende Lösung für augenblickliche Schwierigkeiten zu sein, am Ende aber stünde die Gemeinschaft der Kirche insgesamt ärmer da. In den Niederlanden haben die pastoralen Mitarbeiter erhebliche Bedeutung gewonnen, auch wenn die Bischöfe in einigen Fällen eingreifen mußten, um Situationen zu bereinigen, in der der pastorale Mitarbeiter seine Kompetenzen überschritten hatte. Doch darf man im allgemeinen begründete Hoffnung auf den Beitrag hegen, den sie gemeinsam mit einer wachsenden Zahl ständiger Diakone und freiwilliger Laien zur pastoralen Tätigkeit der Kirche in den Niederlanden beisteuern können. Die wachsende Zahl der Priesteramtskandidaten und der Priesterweihen bietet festen Grund für einen vernünftigen Optimismus. Im Jahre 1991 habe ich das Seminar von Haarlem empfangen, 1992 das von Den Bosch. So konnte ich persönlich Bekanntschaft mit allen Zentren priesterlicher Ausbildung in den Niederlanden machen. Schon vorher hatte ich die Freude, die Mitglieder der Gemeinschaften von Rolduc, Bovendonk, Arienscovict und Vronesteyn zu empfangen. Die ermutigenden Zeichen der auch in eurem Land zu beobachtenden Umkehr der Tendenz, was das Problem der Priesterberufe angeht, bestätigen das, was ich im Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis geschrieben habe: „Vielfältige Faktoren begünstigen, so scheint es, in den heutigen Menschen ein reiferes Bewußtsein der Würde der Person und eine neue Aufgeschlossenheit für die religiösen Werte, für das Evangelium und den priesterlichen Dienst” (Nr. 6). Um die Zukunft der Kirche vorzubereiten, fordere ich euch auf, sehr sorgfältig die theologische und geistliche Ausbildung der Seminaristen zu verfolgen. Sie werden morgen der theologischen Forschung und dem pastoralen Wirken neuen Schwung geben. Mit lebhafter Anteilnahme und ständigem Gebet begleite ich die nicht wenigen Priester, die in eurem Land von seelsorglicher Arbeit überfordert sind. Sagt ihnen, liebe Brüder, daß der Papst ihnen nahe ist: daß er weiß, wie sehr sie sich von der pastoralen Mühe überlastet fühlen. Ermuntert sie, nicht mutlos zu werden in der Gewißheit, daß Gott die Frucht ihrer Arbeit zu vervielfältigen weiß und die menschlichen Mängel ergänzt. Versichert ihnen: Die Vorsehung bereitet eine neue Blüte des christlichen Lebens auch dort vor, wo im Augenblick kalte Ablehnung oder, noch schlimmer, Gleichgültigkeit zu überwiegen scheinen. Die Priester stehen in direkterem Kontakt mit jenen Zellen der Gesellschaft, wo jedes Glück und jeder Glaube beginnt: den Familien. Während auf nationaler und internationaler Ebene die menschlichen Beziehungen sich in immer breiterem Rahmen gestalten, so daß sie schließlich die ganze Welt umspannen, bleibt ein gutes Ver- 1362 AD-UMINA-BESUCHE hältnis innerhalb der Familie zwischen den Eheleuten und den Kindern die Grundlage der persönlichen Reife und der fruchtbaren Eingliederung ins Leben der Kirche und der Gesellschaft. „Die Familie ist eine Art Schule reich entfalteter Humanität” (Gaudium et spes, Nr. 52). In der Familie macht man die erste Erfahrung mit der Wahrheit, der Gerechtigkeit und Liebe. Hier in einer christlichen Familie empfängt das Kind seine erste Hinführung zum Glauben, hier hört es zum erstenmal Worte über Gott und Worte, die an Gott gerichtet werden. 6. Aus euren Berichten, verehrte Brüder, habe ich entnommen, wie sehr euch der Unterricht in den katholischen Instituten für Theologie am Herzen liegt. Hier hat der synodale Rat den letzten Abschnitt seiner Aufgabe erreicht. Theologie studieren, gläubig sein und sich als aktives Glied der Kirche fühlen sind in der Tat drei Dinge, die der Student manchmal nur mühsam ins eigene Leben integrieren kann. Es besteht kein Anlaß, zu dramatisieren: Eine Krise durchmachen kann auch heilsam und positiv sein, denn so kann man im Glauben reifen und eine verantwortliche Eingliederung in die Kirche fördern. Doch dazu ist eine aufmerksame pastorale Hilfe notwendig. Ich empfehle euch daher herzlich die geistliche Betreuung der Theologiestudenten, wobei ihr auf die Gefahren achten sollt, denen ihr Glaube ausgesetzt sein kann. In eurem Land geht ein hoher Prozentsatz der Studenten von den höheren Schulen zur Universität. In religiöser Sicht sind sie oft sich selbst überlassen. Es ist daher notwendig, für diese Zentren der intellektuellen Ausbildung, zumal wenn sie katholisch sind, eine angemessene geistliche Betreuung sicherzustellen, bei der eine entsprechende Stütze in der kirchlichen Lehre nicht fehlen darf, so daß der junge Mensch im Laufe seiner kulturellen Ausbildung eine gediegene Synthese zwischen dem profanen Wissen und den Gegebenheiten des Glaubens aufbauen und so ein persönliches inneres Gleichgewicht im aufrichtigen Ja zu jenem Gott finden kann, in dem die Quelle einer jeden Wahrheit ruht. 7. Euer Land war in der Vergangenheit durch die große Zahl seiner Priester sowie der Mitglieder der internationalen Orden und Kongregationen bekannt, die es dem Reich Gottes zur Verfügung gestellt hat. Sie haben in bewundernswerter Weise in der ganzen Welt gearbeitet. Viele von ihnen leisten auch heute noch einen wertvollen apostolischen Dienst außerhalb ihres Vaterlandes. Nicht wenige in den Niederlanden gegründete Kongregationen sind international geworden und haben ihren Aktionsradius weltweit ausgeweitet. Sie haben ihre Ideale den neuen, in verschiedenen außereuropäischen Ländern entstandenen Provinzen weitergegeben. Doch ist in den letzten Jahren die Zahl der Ordensleute aus den Niederlanden sichtbar zurückgegangen. Es gibt fast keine jungen Zweige mehr. Wird die kommende Synode über das Ordensleben neue Initiativen anregen? Die religiöse Dimension, einschließlich die kontemplative, ist für eine lebendige und starke kirchliche Gemeinschaft ein unverzichtbares Element. Besondere Aufmerksamkeit verdienen heute die neuen kirchlichen Bewegungen wie die Fokolarini, die Neukatechumenen, die Charisma- 1363 AD-LIMINA-BESUCHE tiker usw. Als im 15. Jahrhundert Kirche und Gesellschaft sich in einer Krise befanden, waren die Niederlande die Wiege der „Devotio modema”. In diesem Zusammenhang wurde „die Nachfolge Christi” zusammengestellt, die das nach der Bibel in der Welt am meisten verbreitete Buch ist. Könnte eure Nation, nicht erneut ein fruchtbares Erdreich für das Aufblühen einer originellen Spiritualität werden? 8. Unnütz zu betonen, wie wichtig es für die Kirche als Volk Gottes auf dem Weg durch die Geschichte ist, daß die Bischöfe, wenn sie ihre kirchlichen Gemeinschaften leiten und anregen, voll in gegenseitiger Gemeinschaft leben. Anläßlich eures Ad-limina-Besuchs in den Jahren 1983 und 1988 habe ich an die „Communio” als Thema der Sondersynode der Bischöfe der Niederlande erinnert, die sich 1980 in Rom versammelt hatte. Ich richte nun erneut einen Appell an euch als Bischöfe der Kirche Gottes in Holland,, einmütig zusammenzuarbeiten, zumal dort, wo es um wichtige Aspekte des Lebens der Gemeinschaft der Kirche und ihrer Rolle in der Gesellschaft geht. Eventuelle Spaltungen unter den Bischöfen können unter den Gläubigen nur Verwirrung stiften. Die Unmittelbarkeit, mit der die modernen Lebensformen die Regierenden in Kontakt mit den Leuten bringen, und die Weise, wie die Medien der sozialen Kommunikation, zumal das Fernsehen, Bilder und Meinungen dazu in die Häuser tragen, sind weitere Gründe für die Bischöfe, so zu denken und zu handeln, daß sie keinen Anlaß zur Manipulierung bieten. Nur ihre volle Eintracht kann sie zu jener großen „Communio” führen, die das Schlußdokument der Sondersynode als eine Situation beschreibt, „wo jeder Gläubige mit.den anderen die gleiche Berufung teilt, den gleichen Glauben, die gleiche Taufe, die gleiche Eucharistiefeier, die gleiche kirchliche Gemeinschaft, die um die rechtmäßigen Hirten geschart ist”. 9. Ehrwürdige Brüder, ich konnte aus den zahlreichen wichtigen Punkten, die Gegenstand eures Seelsorgeeifers sind, nur wenige herausgreifen. Ihr wißt aber, daß ich eure Sorgen voll teile und sie vereint mit euch jener Frau anvertraue, die bei ihrem göttlichen Sohn die beste Anwältin sein kann. Wir leben noch in der Atmosphäre des Weihnachtsfestes und bitten Maria, die Mutter Gottes und Mutter der Kirche, uns auf dem Weg des Glaubens voranzugehen und uns immerdar zu mutigen Boten des Evangeliums zu machen. Mit diesen Wünschen erteile ich euch sowie den alten und hervorragenden Kirchen, die eurer pastoralen Sorge anvertraut sind, von Herzen meinen Segen. 1364 AD-LIMINA-BESUCHE Bischöfe im Dienst der Evangelisierung von Staat und Gesellschaft Ansprache an die nigerianischen Bischöfe beim Ad-limina-Besuch am 18. Dezember Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine große Freude, euch, die Mitglieder der Katholischen Bischofskonferenz von Nigeria, hier in Rom anläßlich eures Ad-limina-Besuches willkommen zu heißen. Voller Freude habe ich unserem Treffen entgegengeblickt, denn es ist eine Gelegenheit, die Bande unserer brüderlichen und kirchlichen Gemeinschaft zu feiern und zu festigen. Ein ganz besonderes Wort des Grußes richte ich an euch, die ihr zum ersten Mal an diesem alle fünf Jahre stattfindenden Besuch teilnehmt, uns insbesondere möchte ich Bischof Obinna und Bischof O’Donnell, die erst kürzlich die Bischofsweihe empfangen haben, meinen Glückwunsch aussprechen. Seit eurem letzten Ad-limina-Besuch sind fünf neue Diözesen und zwei Missionen „sui iuris” als sicheres Zeichen dafür eingerichtet worden, daß Christus, seine Kirche in eurer Nation errichtet. Hierfür loben und preisen wir seinen heiligen Namen. Ein bedeutsames Ereignis im Leben der Kirche von Nigeria war im letzten Jahr der Nationale Eucharistische Kongreß. Diese wichtige Zusammenkunft, die unter dem Thema „Eucharistie und Evangelisierung” stattgefunden hat, bot Gelegenheit, die Liebe und Verehrung des heiligsten Sakraments zu festigen und zu vermehren, die so kennzeichnend ist für die nigerianischen Katholiken. Das göttliche Leben, das Christus durch die Eucharistie in seiner Kirche ausströmt, ist zu groß, als daß es zurückgehalten werden darf. Die Liebe drängt, es der ganzen Welt darzubieten. 2. Wie es die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils treffend formulierten, ist die Kirche „ihrem Wesen nach .missionarisch’” {Ad gentes, Nr. 2). Diese wesentlich kirchliche Eigenschaft muß in allen Teilkirchen mit ungetrübtem Glanz fortscheinen, denn die Weltkirche ist durch eine besondere gemeinsame innere Beziehung in jeder von ihnen mit all ihren wesentlichen Elementen gegenwärtig (vgl. Communionis no-tio, Nm. 7-9). In den Teilkirchen von Nigeria ist das Andenken an die erste Evangelisierung noch wach und regt euch dazu an, dieses Werk unvermindert fortzusetzen. In einigen Gebieten hat nur eine geringe Zahl von Menschen die gnadenvolle Liebe des Heilands kennengelemt, während die Kirche an anderen Orten in bemerkenswert kurzer Zeit Wurzeln gefaßt und bereits eine wunderbare Fülle an Früchten gebracht hat, nicht zuletzt die vielen Berufungen zum Priester- und Ordensleben. Ein solch entschiedener Beweis göttlicher Kraft in eurer Mitte sollte euch und die Gläubigen ermuntern, keine Mühe zu scheuen, um das Licht des Evangeliums auszubreiten, damit das, was Christus für das Heil aller getan hat, im Laufe der Zeit unter allen Völkern wirksam werde (vgl. Ad gentes, Nr. 3). Müssen wir nicht zutiefst dankbar dafür sein, daß die Kirche in Nigeria durch die Arbeit vieler Di- 1365 AD-LIM1NA-BESUCHE özesan- und Ordenspriester und auch der vielen Brüder und Schwestern in allen Teilen eures eigenen Landes, in anderen Ländern Afrikas und auch darüber hinaus bereits missionarisch tätig ist? Danken wir Gott ganz besonders für den positiven Beitrag der von eurer Konferenz unterstützten Missionsgesellschaft vom hl. Paulus. Wer voller Eifer das Wort Gottes verbreiten will, muß am Erbe der mutigen Missionare festhalten, die als erste die Frohbotschaft nach Nigeria gebracht haben. Auch heute gibt es viele hochherzige Männer und Frauen aus dem Ausland, die ihre Heimat und Familie verlassen haben, um dem Evangelium in eurem Land zu dienen. Angesichts des unvergleichlichen Dienstes, den sie am nigerianischen Volk leisten, müssen wir hoffen, daß eure Bemühungen um die Beseitigung der gesetzlichen Hindernisse, die ihrem Aufenthalt entgegenstehen, bald erfolgreich sein werden. 3. Die erste Verkündigung des Evangeliums, die in den Herzen jener, die es hören, durch das stille Wirken des Heiligen Geistes zur Bekehrung und Taufe führt, findet ihre Erfüllung und Vollendung in der Katechese. Der Glaube reift, wenn die Jünger Christi in einer vertieften und systematischen Kenntnis seiner Person und seiner Botschaft weitergebildet werden (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 19). Daß das Ken-nenlemen der Bibel in all euren Pfarrgemeinden und Gemeinschaften so behebt ist, bezeugt den großen Durst der Gläubigen nach dem Wort Gottes. Dieser unmittelbare Kontakt mit dem heftigen Text selbst, vom Gebet begleitet (vgl. Dei Verbum, Nr. 25) und unterstützt von einer klaren Darlegung der Lehre, wie sie im Katechismus der Katholischen Kirche zu finden ist, wird, gewährleisten, daß sich die Mitglieder der Kirche in ihrem Glauben sicher fühlen und darauf vorbereitet sind, seine Forderungen unter allen Bedingungen ihres Lebens und ihrer Tätigkeit zu erfüllen. Wenn sie in der offenbarten Wahrheit gefestigt sind, werden die Gläubigen auch in der Lage sein, auf die Einwände zu antworten, die immer häufiger von Anhängern von Sekten und neuen religiösen Bewegungen erhoben werden. Die Katechese ist ganz besonders wichtig für junge Leute, für die ein gut unterrichteter Glaube das Licht ist, das ihnen den Weg in die Zukunft weist. Er wird die Quelle ihrer Stärke sein, wenn sie den Ungewißheiten der sich heute in Afrika entwickelnden politischen und wirtschaftlichen Lage begegnen müssen. Ein entschlossener und zugleich demütiger Gehorsam gegenüber dem Wort Christi, wie es zuverlässig in der Kirche verkündigt wird, bildet auch die Grundlage für eure Beziehung zu anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und für den Dialog, den ihr mit den Anhängern des Islam und der traditionellen afrikanischen Religion anstrebt. Durch euer stetiges Forschen nach allem, was in der Kultur eurer Völker gut, wahr und edel ist, wird es euch klar werden, wie die Evangelisierung in ihrer Mitte noch tiefere Wurzeln schlagen kann. 4. In diesem entscheidenden Moment der Geschichte von Nigeria ist es unbedingt notwendig, daß die Katholiken weiterhin klug und mutig für das Gemeinwohl arbeiten. Sie sollten durch gegenseitige Liebe und Achtung beweisen, daß ethnischer Antagonismus und Stammesdenken keinen Platz in der kirchlichen .Gemeinschaft 1366 AD-LIMINA-BESUCHE haben. Wenn ihr Bischöfe ihnen beisteht, so werden die Gläubigen in der Lage sein, für die transzendente Würde und den Wert eines jeden Menschen und auch für das Recht eines jeden auf Teilnahme an allen Aspekten des nationalen Lebens Zeugnis abzulegen. Diese grundlegenden Werte und die universalen und unveränderlichen sittlichen Normen, die sie sichern und schützen sollen, sind, so habe ich in der Enzyklika Veritatis splendor hervorgehoben, „das unerschütterliche Fundament und die zuverlässige Gewähr für ein gerechtes und friedliches menschliches Zusammenleben und damit für eine echte Demokratie” (Nr. 96). Dies ist das Moralgesetz, das ihr in euren jüngsten Aufrufen verkündet habt, damit die religiöse Freiheit aller Nigerianer geachtet, die Korruption in der Handhabung ziviler Angelegenheiten beendet und gesunde ethische Normen bei der Weitergabe menschlichen Lebens gewahrt werden. Eure Bischofskonferenz hat die Achtung vieler eurer Mitbürger erworben, da sie die kirchliche Moral und die Soziallehre der Kirche aufrichtig auf die gegenwärtige Lage anwendet. Als Antwort auf die Ereignisse zu Beginn dieses Jahres habt ihr erneut betont, daß Achtung vor dem Willen des Volkes und Liebe zur Nation, gepaart mit Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit, die Grundlage für Entscheidungen über die Zukunft des Volkes bilden müssen. Je mehr Einheit ihr im Rahmen eurer Konferenz erkennen laßt, um so mehr werdet ihr auch die Einheit in der Kirche errichten und größere Glaubwürdigkeit als Zeugen Christi und Vermittler der katholischen Lehre in eurem Land erlangen. Und die Errichtung der Einheit geht auch über eure nationalen Grenzen hinaus. Das katholische Institut von Westafrika sollte beispielsweise durch das Angebot einer fundierten Ausbildung und die Förderung theologischer Reflexion ein Katalysator für eine immer tiefere kirchliche Gemeinschaft und für eine wachsende Zusammenarbeit in der Seelsorge im englischsprachigen Westafrika sein. 5. Um nun von denen zu sprechen, die euch in eurem Pastoraldienst unterstützen, möchte ich euch mit den Worten des Konzils ermuntern, den Priestern stets mit besonderer Liebe zugetan zu sein und sie als Söhne und Freunde zu betrachten (Christus Dominus, Nr. 16). Bei ihrer Weihe erhalten die Priester Anteil an der Salbung und Sendung Jesu Christi, des Hauptes und Hirten (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 16). Der Heilige, Geist formt ihre Herzen nach dem Herzen Christi, des Priesters, so daß sie mit seinem eigenen Erbarmen bereit sind, allen irdischen Ehrgeiz beiseitezulassen, um den Armen, Schwachen und Bedürftigen den Schutz und die Hilfe der Wahrheit des Evangeliums zu bringen (vgl. Mt 9,35-36). Von der Liebe erfüllt, die Christus selbst zu seinen Jüngern hat, werden sie freudig das eine verlorene Schaf, den einen verirrten Sünder suchen, der das Licht des Lebens braucht (vgl. Mt 18,12-14; vgl. Pastores dabo vobis, Nm. 22-23). Ein Priester ist nicht nur der Verwalter einer Einrichtung; er ist Evangelist und Arzt für die menschliche Seele. All seine Talente, seine Bildung und seine Fertigkeiten richten sich mit Recht allein an diesem Ziel aus. Damit eure Priester - uns insbesondere die Neugeweihten - ihre hohe Sendung treu erfüllen können, brauchen sie eure väterliche und brü- 1367 AD-LIMINA-BESUCHE derliche Unterstützung. Sie bauen auf eure Freundschaft und auch auf die Freundschaft ihrer Brüder im Priesteramt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28). Wenn sie das unvergleichliche Privileg, in der Person Christi zu handeln, mehr und mehr schätzen, wird es für sie leichter sein, sich in Keuschheit und Einfachheit vollkommen ihrem Amt zu widmen. So werden sie unermeßliche Freude und Frieden in ihrer Tätigkeit finden. - Die Eigenschaften eines wahren Hirten müssen im Herzen des Priesters lange vor seiner Weihe gepflegt werden. Dies.ist das Ziel der menschlichen, geistigen und Pastoralen Ausbildung im Seminar. In euren Fünfjahresberichten habt ihr große Sorge um eure Seminare geäußert. Meine Hoffnung ist, daß das postsynodale Schreiben Pastores dabo vobis gemeinsam mit den Richtlinien der Kongregation für die Evangelisierung der Völker euch zu einer Aufwertung und Verbesserung dieser Einrichtungen anleiten. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um euch nochmals zu bitten, eure besten Priester für das Werk der Priesterausbildung; bereitzustellen, selbst wenn dies heißt, daß in anderen Bereichen Opfer gebracht werden müssen; und es ist selbstverständlich, daß jeder Anwärter mit einem vorbildlichen geistlichen Lehrer in Kontakt stehen sollte. 6. Die Geschichte bestätigt die Verdienste von Ordens- und Missiönsinstituten im Leben des Gottesvolks bei der Ausbreitung des Glaubens Und der Bildung neuer Ortskirchen (Redemptoris missio, Nm. 69-70). Und dies gilt, gestern so wie heute, sicherlich auch für Nigeria. Während sie die rechtmäßige Autonomie der Ordensgemeinschaften achten, müssen die Bischöfe ihnen helfen, Zeugnis abzulegen für das Königreich Gottes und die Frohbotschaft zu verkündigen. Das heißt, daß sie die Obern dazu ermuntern müssen, sorgfältig auf die Eignung derer zu achten, die um Aufnahme ansuchen, und ihnen vor und nach der Ablegung ihrer Gelübde eine fundierte geistige Ausbildung zu gewährleisten. Je treuer und hingebungsvoller die Ordensleute in eurer Mitte ihre Weihe an Christus in Keuschheit, Armut und Gehorsam leben, um so klarer werden die Männer und Frauen eures Landes sehen, daß „das Reich Gottes ihnen nah ist” (Lk 10,9). 7. Seit den ersten Tagen der Einpflanzung der Kirche in Nigeria haben die Gläubigen insbesondere als Katechisten eine bedeutsame und geachtete Rolle gespielt; und dies zu Recht, denn als vollgültige Mitglieder der Kirche haben sie „die Berufung und Mission, das Evangelium zu verkünden” (Christifideles laici, Nr. 33)1 Ihr habt in euren Ortskirchen Mitarbeiter, die ihre Begabungen in den Dienst der Evangelisierung der Gesellschaft und der Kultur stellen. Wenn sie von ihren Bischöfen die nötige Ausbildung und Ermunterung erhalten, so sind sie wahrhaft ein Sauerteig der Erneuerung. Ganz besonders wichtig ist die Aufgabe der Umwandlung des Ehe- und Familienlebens nach dem ursprünglichen Plan des Schöpfers, denn ein Teil des neuen Bundes in Christus ist die Rückgewinnung dieses grundlegenden Gutes für die Menschheit (vgl. Mk 10,6-12). 1368 AD-LIMINA-BESUCHE 8. Liebe Brüder, anläßlich des Eucharistischen Kongresses in Owerri hat euer Volk unserem eucharistischen Herrn all seine Hoffnungen und Erwartungen, seine Sorgen und Ängste in einem besonderen Gebet anvertraut. Seine Nöte sind denen nicht unähnlich, die die Christen in ganz Afrika täglich flehentlich unserem himmlischen Vater kundtun: die Sicherheit ihrer Kinder und der Schutz ihrer Heimstätten, die Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung, die Ausbreitung des Evangeliums, der Hunger nach Heiligkeit und der Gegenwart Gottes. In den kommenden Monaten werden wir, ihr und ich, gemeinsam mit unseren Brüdern, den Bischöfen von Afrika, noch mehr der Gebetsunterstützung der ganzen Kirche eingedenk sein, wenn wir uns auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika vorbereiten. Laßt uns den Heiligen Geist bitten, unsere Vorbereitungen auf dieses wichtige kirchliche Ereignis zu segnen und fruchtbar zu machen. Indem ich euch, eure Priester, Ordensleute und Laien, dem hebevollen Schutz Marias, der Königin von Afrika, anvertraue, erteile ich euch als Unterpfand der Gnade und Gemeinschaft in ihrem göttlichen Sohn von Herzen meinen Apostolischen Segen. Der moralischen Verwirrung und dem Niedergang der Strukturen und Werte mutig entgegentreten Ansprache an die Bischöfe von Papua Neuguinea und der Salomon-Inseln beim Äd-limina-Besuch am 6. Juli Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich heiße euch, die Bischöfe von Papua Neuguinea und den Salomon-Inseln willkommen und bitte mit den Worten des heiligen Paulus: „Der Herr des Friedens schenke euch den Frieden zu jeder Zeit und auf jede Weise. Der Herr sei mit euch allen” (2 Thess 3,16). Ich bin dankbar für euren Ausdruck der Ergebenheit und für die schöne Botschaft, die ihr erst vor wenigen Tagen von der Generalversammlung eurer Bischofskonferenz versandt habt. Ich rufe den Heiligen Geist an, er möge die Einheit von Herz und Sinn, Geist und Tun erhalten und stärken, die euch als Mitglieder des Bischofskollegiums mit dem Nachfolger des hl. Petrus verbindet, und ich versichere euch meiner Gebete, daß Gott eure Bemühungen, aus eurer Konferenz ein immer wirksameres Werkzeug eures pastoralen Dienstes zu machen, zu einem fruchtbaren Abschluß bringt. Wenn ich euch hier begrüße, dann gilt meine Zuneigung zugleich allen geliebten Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen und den gläubigen Laien eurer Diözesen. Auch wenn es inzwischen fast zehn Jahre her sind, seit ich euer Gebiet besuchte, habe ich nicht die Wärme des Willkommens vergessen, die ich empfangen habe, auch nicht die Glut eurer Gebete und die Festigkeit eurer Entschlossenheit, treue Söhne und Töchter der Kirche zu sein. 1369 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Der Besuch Ad-limina Apostolorum ist eine Zeit tiefer kirchlicher Gemeinschaft, eine providentielle Gelegenheit, die Bande des Glaubens und der Liebe zum Ausdruck zu bringen und zu bekräftigen, die die Ortskirchen mit dem Sitz des Petrus und mit der universalen Kirche verbinden. Die Gemeinschaft, von der wir sprechen, erstreckt sich nicht nur räumlich, sondern auch durch die Zeit. Petrus und Paulus und die übrigen Apostel sind lebendige Glieder des Leibes Christi, und sie sind weiter in der Kirche aktiv, denn - wie die Liturgie sagt - „von ihrem Platz im Himmel aus leiten sie uns weiter” (Präfation von den Aposteln I). Wir haben an ihrer Sendung Anteil, die uns durch die Auflegung der Hände und die Anrufung des Heiligen Geistes an vertraut wurde, des gleichen Geistes, der. den Apostel ausrufen ließ: „Weh mir, wenn ich das Evangeliunr nicht verkünde” {1 Kor 9,16). Er ist kein „Geist der Verzagtheit, sondern ein Geist der Kraft” (2 Tim 1,7), ein Geist der Kühnheit, der Kühnheit von Petrus und Paulus, die in ruhigem Vertrauen die Mächte eines großen Reiches, das ihrer Sendung so feindlich gegenüberstand, bezwangen. Das ist unser Erbe, und in den Tagen nach dem Hochfest dieser heiligen Apostel bitten wir um das Doppelte ihres Geistes (vgl. 2 Kön 2,9), so daß wir getreu ihrer missionarischen Arbeit nacheifem. 3. Die Ortskirchen, denen ihr vorsteht, zählen zu den jüngsten der Welt. In einigen Fällen ist die anfängliche Einpflanzung der Kirche noch nicht abgeschlossen. Die Sendung zu den Völkern ist in euren Nationen noch nicht zu Ende; die Priester und Ordensleute, die aus anderen Ländern dorthin gekommen sind, spielen weiter eine lebenswichtige Rolle, und es sind noch viele mehr nötig. Und doch wurde mit Gottes Gnade in sehr kurzer Zeit viel erreicht, oft in Verhältnissen, die die Arbeit schwierig und sogar gefährlich gemacht haben. Lob und Preis muß vor allem dem Herrn gelten, der wunderbarer Weise aus der Saat seines Wortes hundertfältige Frucht hervorbringt (vgl. Lk 8,8). Und im Namen des ganzen Volkes Gottes ehre ich die Missionare von gestern und von heute, die selbstlos die in Christus, seinem Sohn, geschenkte Liebe Gottes verkünden und die ihre Hörer einladen/ die großartige Möglichkeit zu ergreifen, Kinder Gottes zu werden. 4- Bei der Weiterführung des Werkes der Evangelisierung hängt viel von der Ausbildung der Söhne und Töchter Neuguineas und der Salomon-Inseln ab, die Gott zum Priestertum und Ordensstand berufen hat, um Werkzeuge des Heiles für ihre Landsleute zu werden. In ihrem eifrigen Dienst, das Licht des Glaubens mitzuteilen, brauchen diese Dienerinnen und Diener Christi eure väterüche Unterstützung und Hilfe bei ihrem Werk der Ausbreitung des Reiches Gottes. Unter den vielen Eigenschaften, die als Teil ihrer ständigen Weiterbildung zu pflegen sind, möchte ich das Empfinden mit der Kirche - sentire cum ecclesia - hervorheben. Wie neu auch immer die Botschaft des Evangeliums und seine Forderungen in den Ohren einiger Hörer klingen mögen, es gibt keine Rechtfertigung dafür, etwas anderes anzubieten als die authentische Form des christlichen Lebens, wie sie sich in der katholischen Kirche findet und von ihren Bischöfen in Einheit mit dem Nachfolger des Petrus treu 1370 AD-LIM1NA-BESUCHE bewahrt wird. Die Völker von Missionsländem sind nicht weniger zur Annahme von Gottes Forderungen befähigt als jene es waren, denen das Wort viele Generationen zuvor verkündet wurde. Ich möchte euch daher alle ermutigen, großes Vertrauen auf den Herrn zu setzen und auf die Heilskraft des Evangeliums (vgl. Röm 1,16). Während ihr einen willkommenen Anstieg der Berufungen zum Priester- und Ordensstand verzeichnet, teile ich eure Sorge wegen der Tatsache, daß die Zahl derer, die auf Gottes Ruf antworten, nicht ausreicht, um den Katechumenen und Getauften eine angemessene Unterweisung zu geben. „Wie sollen (Menschen) an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündet?” (Röm 10,14). Ich ermuntere daher euch und alle eure Mitarbeiter, die pastorale Betreuung derer, die der Herr der Ernte zum Eintritt in den Priester- und Ordensstand einlädt, zu einer eurer höchsten Prioritäten zu machen. Ich fordere die katholischen Familien auf, täglich um Berufungen zu beten und zumal dafür, daß Gott ein solches Geschenk einem Sohn oder einer Tochter ihrer eigenen Familie macht. Eins der ermutigenden Zeichen in dieser Hinsicht ist die von euch empfundene Notwendigkeit, zwei Seminare zum Unterricht in Philosophie einzurichten. Ich verstehe, daß diese glückliche Entwicklung eine Umgliederung eures Systems der Seminarausbildung erforderlich macht. Ich vertraue auch darauf, daß das letzte nachsynodale Schreiben Pastores dabo vobis in Verbindung mit dem Konzilsdekret Optatam totius und anderen maßgebenden Dokumenten, zumal dem der Kongregation für die Evangelisierung der Völker Richtlinien fiir die Ausbildung der Priester in Großen Seminaren euch helfen werden, das Programm für die Priesterausbildung, wie sie für eure Seminare vorgesehen ist, zu vervollständigen. 5. Bei euren pastoralen lnitiativen habt ihr der Evangelisierung der Kultur besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wie uns die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils in Erinnerung gerufen haben, versteht man im allgemeinen unter Kultur „alles, wodurch der Mensch seine vielfältigen geistigen und körperlichen Anlagen ausbildet und entfaltet” (Gaudium et spes, Nr. 53). Daraus folgt: Wenn ein Volk - oder ein Teil von ihm - durch die göttliche Gnade erhoben und umgewandelt ist, kommt es auch zu einer Erneuerung der Haltungen und Handlungsweisen, kurz zu einer Erneuerung der Gesellschaft gemäß dem Evangeüum. Euer Einsatz für die Evangelisierung setzt eine Methode fort, die von Anfang an die Predigt Christi in euren Ländern gekennzeichnet hat und erheblichen Erfolg hatte. Die Herausforderung, vor welche neue religiöse Bewegungen und Sekten heute die Kirche in Papua Neuguinea und auf den Salomon-Inseln stellen, beweist nur die dringende Notwendigkeit dieses Bemühen mit noch größerer Hingabe weiterzuführen. Die Zentralstellung, die ihr bei der kürzlichen Tagung eurer Konferenz der Diskussion über die pastorale Betreuung der Familie gegeben habt, weist deutlich hin auf euer Bemühen, diese grundlegende Institution der melanesischen Kultur zu evange-lisieren. Die Berichte, die ihr vor eurem Fünfjahresbesuch unterbreitet habt, zeigen eine Reihe von Weisen auf, wo die Auffassung und das Verhalten hinsichtlich des 1371 AD-UMINA-BESUCHE Ehelebens und der menschlichen Sexualität, auch unter Getauften - zuweilen mit Gottes ursprünglichem Plan für die eheliche Liebe, was ich „die Wahrheit von den ,Anfängen’” genannt habe (Familiaris consortio, Nr. 13; vgl. Mt 19,5 und Gen 2,24) - nicht übereinstimmen. Der Fortschritt auf diesem Gebiet erfolgt oft langsam, und es ist leicht, mutlos zu werden. Doch ich bin zuversichtlich, daß ihr und eure Mitarbeiter, zumal eure Priester, auf die Wirksamkeit des Wortes Gottes volles Vertrauen setzt. Ihr müßt dieses Wort Gottes gelegen und ungelegen predigen (vgl. 2 Tim 4,2) in der Sicherheit, daß Gott, der in euch das gute Werk begann, „es: auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu” (Phil 1,6). 6. Eine wichtige und in der Tat unerläßliche Hilfe für die gläubigen Laien in ihrem Ringen dämm, die eheliche Liebe gemäß Gottes Willen zu leben, ist die Treue der Priester und Ordensleute zu ihren Entschluß zum Zölibat und zur Jungfräulichkeit. „Ehe und Jungfräulichkeit sind die beiden Weisen, das eine Geheimnis des Bundes zwischen Gott und seinem Volk darzustellen” (Familiaris consortio, Nr. 16), und in einem Bünd wird Treue gefordert. In unserer Zeit, die so sehr einen tiefreichenden Wandel der Herzen in der Sexualmoral und der ehelichen Liebe braucht, dürfen wir darauf vertrauen, daß der Herr eher noch dringender viele von seinen Jungem ruft, „um des Himmelreiches willen” (Mt 19,12) ehelos zu bleiben, und daß er sie noch großzügiger in ihrer Antwort stärkt. Die Hirten der Kirche sind sich der tiefgreifenden Opfer bewußt, die von einer Antwort auf die Berufung zum Zöübat oder zur Jungfräulichkeit gefordert werden, wenn diese aus ganzem Herzen gelebt werden, doch wir wiederholen den Ruf des Herrn ohne Zögern. Das Beispiel keuscher Priester und Ordensleute wird den Laien helfen, Opfer auf sich zu nehmen und Abtötung und Selbstverleugnung zu üben, wie sie von Gottes Plan hinsichtlich der menschlichen Sexuaütät verlangt werden. Auf diese Weise werden sie ein wahrhaft fruchtbares Leben führen und bleibendes Glück finden (vgl. Familiaris consortio, Nr. 16). 7. Von den ersten Tagen der Kirche in euren Ländern an waren Hirten und Gläubige bemüht, ihrer Liebe zu Gott in Werken der Erziehung, des Gesundheitsdienstes und der sozialen Entwicklung Ausdmck zu geben. In diesem Punkt versuchen die Katholiken des modernen Papua Neuguinea und der Salomon-Inseln, diese würdige Tradition weiterzuführen. Die „Verlautbarungen zur Veröffentlichung”, die ein regelmäßiger Bestandteil der Jahresversammlung eurer Konferenz geworden sind, bezeugen deutlich euren Entschluß, die Lehren der Kirche und zumal ihre Söziallehre in jene Kreise zu tragen, wo die Gläubigen ihre Taufversprechen zu leben haben. Ein Klima moralischer Verwirrung und der Niedergang der Strukturen und Wette, die traditionsgemäß für ein zusammenhängendes Gemeinschaftsleben gesorgt haben, machen solche Initiativen nur noch notwendiger. Es ist wichtig, die Laien zu unterstützen, in ihren Bemühungen, ihre spezifische Berufung als Licht und Sauerteig in ihren Gemeinschaften zu leben. Hier ist die Notwendigkeit besonders zu erwähnen, die Gläubigen mit einer gründlichen Katechese 1372 AD-UMINA-BESUCHE als Vorbereitung zum Empfang der Sakramente auszurüsten, den Quellen der Kraft, die sie brauchen, um ihre Sendung zu erfüllen. Hier ist der Katechismus der Katholischen Kirche, der im letzten Jahr veröffentlicht wurde, eine Hilfe der Vorsehung. Die derzeitige soziale Situation zeigt ferner, daß es wichtig ist, die pastorale Betreuung der Jugendlichen, erneut zu betonen, so daß die künftigen Führungskräfte der Kirche und Gesellschaft mit den Gewohnheiten von Tugend, Solidarität und Hochherzigkeit vertraut werden. 8. Was die staatliche Ordnung eurer Nationen angeht, muß ich unbedingt meine ständige Besorgnis um die Situation in Bougainville aussprechen und zumal meine Sorge um die persönliche Sicherheit des Bischofs der Diözese sowie der des Klerus und der Ordensleute. Ich bete, daß der allbarmherzige Gott alle behüten und beschützen möge, die in diese Unruhen verwickelt sind, besonders die unschuldigen Opfer der Gewaltanwendung. Ich vereinige meine Stimme mit der eitrigen und rufe alle Beteiligten auf, jedes mögliche Mittel zu versuchen, um eine gerechte und friedliche Lösung des Konfliktes zu finden. Der Weg der Versöhnung ist der einzige Weg zu diesem Ziel. Möge der Fürst des Friedens die Bürger eurer Länder und alle Menschen der Region stärken und befähigen, diesen Weg zu beschreiten und sich gegenseitig zu helfen bei der Wahrung und Verbreitung eines Geistes der Eintracht. 9. Die Katholiken von Papua Neuguinea und den Salomon-Inseln sind die Erben eines großen Schatzes: des Lichtes des Evangeliums, des Glaubens der Apostel Petrus und Paulus, des Glaubens der Kirche. Einer der ersten Missionare in eurem Gebiet, der selige John Mazzucconi sprach mit beredten Worten die Tiefe dieses Glaubens aus, als er sagte: „Ich weiß, daß Gott gut ist und mich unermeßlich hebt. Alles Übrige, Ruhe und Unwetter, Gefahr und Sicherheit, Leben und Tod sind nur wandelbare augenblickliche Ausdrucksformen der heiligen, unwandelbaren und ewigen Liebe” (Homilie bei der Seligsprechung, 19. Februar 1984). Mögen die Gläubigen eurer Diözesen das gleiche, Hebevolle Vertrauen auf die göttliche Vorsehung hegen, aber auch auf euren Dienst, der ein Ausdruck der Liebe des Guten Hirten selbst ist. Möge der heilige Erzengel Michael euch in eurem Kampf gegen Sünde und Bosheit verteidigen. Durch die Anrufung des heiligen Namens Mariens und durch ihre Fürbitte sollt ihr zu einer immer größeren Dienstbereitschaft für Christus, ihren Sohn, hingeführt werden. Euch, meinen Brüdern und eurem ganzen Klerus, den Ordensleuten und Laien, erteile ich gern meinen Apostolischen Segen. 1373 AD-LIMINA-BESUCHE Treue zum Weg Jesu Christi Ansprache an die Bischöfe der Bischofskonferenz des Pazifik beim Ad-limina-Besuch am 29. Oktober Eminenz, hebe Brüder im Bischofsamt, liebe Hirten der Kirche im Pazifik! 1. „Gnade sei euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” {Phil 1,2). Mit diesem Wunsch heiße ich euch, die Mitgüeder der Bischofskonferenz des Pazifik, herzlich willkommen in Rom zu eurem Ad-limina-Be-such. Ich erinnere mich gut an meinen Pastoralbesuch in einigen eurer Einzelkir-chen, wo der Herr mir die Gnade und Freude geschenkt hat, in den Hymnus des Lobes und des Dankes einzustimmen, der sich mit solch bemerkenswerter Frömmigkeit zu Gott, unserem Vater, aus diesem überraschend schönen Teil der Welt erhebt. Euer Besuch ist beeinträchtigt durch die Trauer über den plötzlichen Tod von Bischof Patehsio Finau von Tonga, der noch auf dem Weg zu dieser Begegnung in das Haus unseres himmlischen Vaters gerufen wurde. Möge der Gott aller Barmherzigkeit ihm den Lohn schenken, der die treuen Diener des Evangeliums erwartet. Die alte Praxis des „Kommens, um Petrus zu sehen”, erinnert uns an die Tage, die Paulus mit Kephas in Jerusalem verbrachte (vgl; Gal 1,18). In der brüderlichen Umarmung von Petrüs und Paulus erkannte die Urgemeinde die von Paulus Bekehrten als echte Brüder und Schwestern im Glauben an. Im Bericht des Paulus über die überreiche Ausgießung der Gnade auf die Heiden fand die Gemeinschaft noch mehr Grund zum Lobpreis der grenzenlosen Güte Gottes (vgl. Apg 15,6 ff.). Ähnlich wird in diesen Tagen die Einheit eurer Einzelkirchen mit der universalen Kirche bekräftigt, und ihr bezeugt vor der ganzen Welt die Tatsache, daß in Melanesien, in Polynesien und Mikronesien die Worte des Propheten Jesaja überreiche Erfüllung gefunden haben. „Auf den Inseln im Meer wird der Name des Herrn, des Gottes Israel, gepriesen” (Jes 24,15). 2. In naher Zukunft wird eine Anzahl von euren Kirchen die Jahrhundert- oder Anderthalbjahrhundertfeier der Ankunft der ersten katholischen Missionare begehen. Diese Festlichkeiten werden zeigen, welch überreiche Ernte bereits seit der ersten Einpflanzung der Kirche herangereift ist. Laßt uns daher dem, der das Gedeihen schenkt (vgl. 2 Kor 9,10), von Herzen danken für die zahllosen Männer und Frauen, die Heim und Familie verlassen haben, um die Frohbotschaft vom Heil, die Christus uns erworben hat, zu verkündigen. Sie waren getrieben vom gleichen Eifer für das Evangelium, der den heiligen Petrus Chanel und den seligen Diego de San Vitores antrieb, ihre missionarische Weihe mit der Vergießung ihres Blutes zu besiegeln. Gleichzeitig sind wir uns alle sehr bewußt, daß in euren Ländern wie in anderen jungen Kirchen in der ganzen Welt die Aufgabe der Evangelisierung noch nicht er- 1374 AD-LIMINA-BESUCHE füllt ist. Beim Besuch von West-Samoa sagte mein Vorgänger Paul VI.: „Missionsarbeit... ist immer notwendig und dringend”, weil immer noch viele Leute da sind, „die noch nicht zur Wahrheit gefunden haben” (Homilie in Leulumoega am 30. November 1970). Es muß unser ständiges Gebetsanliegen sein, daß viele weite Herzen auf den Ruf antworten, mit ihren Brüdern und Schwestern die Gnade der Erlösung zu teilen, die Gott so großzügig ausgeteilt hat (vgl. Redemptoris missio, Nm. 65-66). Ich bete besonders innig darum, daß aus den christlichen Familien eurer weit verstreuten Inseln immer zahlreichere junge Männer und Frauen hervorgehen, die die Reihen der Priester und Ordensleute auffüllen. Ihr habt die Gedenkfeiern der ersten Evangelisierung eurer Gemeinschaften so organisiert, daß sie eine Gelegenheit zu neuem Einsatz für die Verbreitung des Lichts des Evangeliums werden. Auf diese Weise ruft ihr die Gläubigen auf, das stolze missionarische Erbe der Kirche im Pazifik gerade dann lebendig zu halten, wenn sie wachsen und „Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen” (Eph 4,13; vgl. Redemptoris missio, Nr. 48). Denn Evangelisierung „wird nicht als eine Aufgabe am Rande der Kirche begriffen, sondern eingebunden in das Herz ihres Lebens; sie wird als wesentliche Verpflichtung des gesamten Volkes Gottes verstanden” (ebd., Nr. 32). Die Hingabe an diese Aufgabe ist eine Quelle des Wachstums in allen übrigen Aspekten des Lebens einer christlichen Gemeinschaft, denn „durch die Mission wird die Kirche tatsächlich erneuert, Glaube und christliche Identität werden bestärkt und erhalten neuen Schwung und neue Motivation. Der Glaube wird stark durch Weitergabe!” {ebd., Nr. 2). 3. Die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzüs haben bekräftigt, daß das Bischofskollegium, vom Nachfolger des Petrus geleitet, hauptverantwortlich dafür ist, daß der Auftrag des Herrn erfüllt wird, „allen Geschöpfen das Evangelium zu verkünden” (Mk 16,15; vgl. Ad gentes, Nr. 38). Dieses „heilige Zusammenwirken” {Christus Dominus, Nr. 37), welches das Konzil als Frucht des Austausches von Gedanken und Mitteln innerhalb einer Bischofskonferenz betrachtete, bildet eine große Hilfe für euch bei der Erfüllung des missionarischen Auftrags. Bei diesem 25. Jahres gedächtnis der Gründung eurer Konferenz erkennen wir freudig die bemerkenswerte Einheit an, zu der ihr in eurer Auffassung und einer Tätigkeit gekommen seid, zumal wenn man auf die großen Aufgaben schaut, vor denen ihr steht. Eure Gemeinden sind nicht nur über große Entfernungen hin weit verstreut, sie unterscheiden sich auch in ihrer Kultur, Sprache und Geschichte, in ihrem politischen Leben und ihrem kirchlichen Erbe. Angesichts dieser Verhältnisse, die möglicherweise Vorwände für Entfremdung und Spaltung sein könnten, nötigt eure Gemeinschaft um so mehr Bewunderung ab als Zeugnis für Gottes Geist, der den einen Leib Christi aus „allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern” (Ofjb 5,9) versammelt. Für die in der Liebe des Herrn vereinten Hirten sind Unterschiede keine Schranken, die behindern, daß „einer des anderen Last trägt”, um so „das Gesetz Christi zu erfüllen” {Gal 6,2); es sind vielmehr Gaben, die in gegensei- AD-LIM1NA-BESUCHE tiger Sorge und Dienstbereitschaft zu gegenseitiger Bereicherung und Erbauung geteilt werden sollen. Die Pflicht der Hirten, „die Missionstätigkeit zu fördern, zu leiten und zu koordinieren” (Ad gentes, Nr. 3), erfordert von euch eine besondere Aufmerksamkeit für die gesunde Heranbildung des Klerus, die Förderung des Ordenslebens und die gründliche Schulung der Katecheten (vgl. ebd., Nm. 16-18). Bei. der Vorbereitung dieser Boten des Evangeliums dürfen wir nie die Tatsache aus den Augen verlieren, daß ohne die Heiligkeit des Lebens alle Talente und Leistungen für die Verkündigung des Himmelreiches wenig Wirkung haben. Hier ist der Zöübat und die Jungfräulichkeit der Priester und Ordensleute sowie das keusche Eheleben von Diakonen und leitenden Laien besonders bedeutsam. Beherrschung und Reinheit des Lebens sind mächtige Zeichen dafür, daß im Paschamysterium der alte Mensch mit seinen alten Lebenswegen abgelegt (vgl. Kol 3,9) und Neues geworden ist (vgl. Eph 4,24). Der Papst fuhr in französischer Sprache fort: 4. Man kann gewiß nicht die gleiche Situationsanalyse für jede Gesellschaft anstellen, in denen die Mitglieder eurer Einzelkirchen als Getaufte leben, doch es ist eine Tatsache, daß die Inselbevölkerungen des Pazifik eine tiefe Umwandlung ihrer Lebensweise erfahren haben. Im Lauf der Jahre, die seit der Unabhängigkeit verflossen sind, hat der größte Teil der Verantwortung, der von allen im Gesamt der politischen und wirtschaftlichen Tätigkeiten wahrgenommen wurde, sich unvermeidlich auf die sozialen Strukturen ausgewirkt. Die Völker des Pazifik sind wie viele andere Völker in den Entwicklungsländern vor die gewaltige Herausforderung gestellt, ein Entwicklungsmodell zu finden, das die besten überlieferten Werte ihres gemeinschaftlichen Lebens schützt und festigt. In diesen Bereichen wie in allen „verschiedenen Bereichen, in denen Männer und Frauen wirken, um im Einklang mit ihrer Würde als Personen das stets begrenzte Glück zu suchen, das in dieser Welt möglich ist”, leistet die Kirche „ihren Hauptbeitrag zur Lösung des drängenden Problems der Entwicklung, wenn sie die Wahrheit über Christus, über sich selber und über den Menschen verkündet und auf eine konkrete Situation anwendet” (Sollicitudo rei socialis, Nr. 41). In der Nachahmung Christi, der beim Anblick der Menge Mitleid empfand (vgl. Mk 6,34), wollen wir weiter, sei es gelegen oder nicht (vgl. 2 Tim 4,2), verkünden, daß jedes wirtschaftliche und soziale System in den Dienst der menschlichen Person gestellt werden soll unter Verstärkung der Solidarität unter dert Völkern, unter Sicherung eines klugen Umgangs mit den Naturschätzen und des Schutzes der Umwelt vor jeder Form von Verschmutzung (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 1990, Nr. 12). Der echte Fortschritt der Völker ist moralischer Art: „Er kommt weder vor allem durch Geld noch durch materielle Hilfe und auch nicht durch technische Strukturen zustande, sondern vielmehr durch die Formung der Gewissen, durch das Reifen der Einstellungen und Gebräuche” (Redemptoris missio, Nr. 58). Diesbezüglich hoffe ich, daß die jüngste Enzyklika Veritatis splendor mit ihren Gedanken über die 1376 AD-LIMINA-BES U CHE Grundprinzipien der Moral euch und all denen, die unter eurer Autorität das Lehramt ausüben, helfen wird, einen bedeutsamen Beitrag zur Verstärkung des sozialen Zusammenhalts eurer Nationen zu leisten. Die Kirche schenkt den Völkern des Pazifik wie allen Völkern der Erde die Gewißheit, daß es eine ewige Wahrheit gibt, nach der alles menschliche Tun beurteilt werden kann. Da diese Wahrheit erkannt werden kann, sind die Menschen und die Gesellschaften für das, was sie tun, verantwortlich. Der Aufbau einer der menschlichen Person wahrhaft würdigen Gesellschaft ergibt sich nicht aus deterministischen Prozessen oder aus Zufallsentscheidungen, sondern aus dem freien Tun der Männer und Frauen, die suchen, was gut, wahr und richtig ist. Der Papst schloß in englischer Sprache: 5. Die hohe Priorität, die ihr der pastoralen Betreuung der Familien und der Jugend gebt, zeigt eure Sorge für jene, die durch die im Pazifik erfolgenden kulturellen Wandlungen besonders belastet werden. Eine systematische und vollständige Katechese über den Sinn des menschlichen Lebens, die Würde des Lebens von seiner Empfängnis an bis zum natürlichen Tod, den sakralen Charakter der Sexualität und der ehelichen Liebe sowie die Natur wahren Glückes und echter Erfüllung bildet einen Schutz gegen die Auswüchse einer materialistisch und konsumistisch eingestellten Kultur. In der Enzyklika Centesimus minus habe ich geschrieben: „Nicht das Verlangen nach einem besseren Lebensstü ist schlecht, sondern falsch ist ein Lebensstil,... der mehr haben will, nicht um mehr zu sein, sondern um das Leben in Selbstgefälligkeit zu konsumieren. Es ist daher notwendig, sich um den Aufbau von Lebensweisen zu bemühen, in denen die Suche nach dem Wahren, Schönen und Guten und die Verbundenheit mit den anderen für ein gemeinsames Wachstum die bestimmenden Elemente für die Entscheidungen der Menschen sind” (Nr. 36). Der „Schild des Glaubens” an Christus (Eph 6,16), der die „Kraft und Weisheit Gottes” ist (1 Kor 1,24), bildet einen sicheren Schutz gegen die Kräfte, die eine geistige Leere schaffen, welche Männer und Frauen, zumal die jugendlichen, in Hoffnungslosigkeit und selbstzerstörerisches Verhalten treibt. In dieser Hinsicht bildet der Erfolg von Laienverbänden und -bewegungen zur Unterstützung ihrer Mitglieder beim Ringen um Treue zum Weg Jesu Christi einen Faktor, den ihr bei aller pastoralen Tätigkeit vor Augen haben sollt, zumal im Licht der wachsenden Verbreitung von Sekten im Raum des Pazifik. 6. Liebe Brüder, ich bete, daß eure Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus euch neue Kraft für euren apostolischen Dienst schenken möge, so daß ihr niemals müde werdet, Gottes Wort zu verkünden, die Sakramente zu feiern, die euch anvertraute Herde zu leiten und den Sünder zu suchen, der sich verirrt hat. Ich bete gemeinsam mit euch für die Sicherheit eurer Leute, zumal bei tropischen Stürmen, Erdbeben und anderen Naturkatastrophen, die so plötzlich und häufig über sie kommen. Ich empfehle euch und euren Klerus zusammen mit den Ordensleuten und 1377 AD-L1MINA-BESUCHE Laien dem liebevollen Schutz Unserer Lieben Frau, der Hilfe der Christen, und erteile euch als Unterpfand der Gnade und des Friedens in Christus Jesus meinen Apostolischen Segen. In der Familienpastoral den Wert des Lebens unterstreichen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der ersten Gruppe polnischer Bischöfe am 12. Januar 1. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” (Phil 1,2). Mit diesen Grußworten des hl. Paulus heiße ich euch, hebe Brüder im Bischofsamt, Hirten der polnischen Kirche, zu eurem Besuch Ad-limina Apostolörum willkommen. Ich begrüße Kardinal Franciszek Macharski, die Metropoliten und Erzbischöfe, die Diözesanbischöfe wie auch die Weihbischöfe. Jeder Ad-limina-Besuch der Bischöfe zeichnet sich durch eine theologische Tiefe aus, die ihm einen besonderen Charakter verleiht im Gegensatz zu den üblichen Begegnungen des Papstes mit den Bischöfen, die zu verschiedenen Anlässen stattfinden. Ja, die Hirten der polnischen Kirche kommen zum Nachfolger des hl. Petrus, um die intensive Gemeinschaft, die sie mit dem Hl. Stuhl verbindet, und ihre kollegiale Verantwortung für die Weltkirche zu verdeutlichen. Der Ad-limina-Besuch stellt somit eine einzigartige Lektion der Kirchenlehre dar wie auch ein tiefgreifendes Erleben des Geheimnisses der-Kirche. Er ist auch ein Zeichen jener Einheit, die in der beiderseitigen Verflechtung der Weltkirche mit den Teilkirchen ihren Ausdruck findet (vgl. Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Gemeinschaft, Nr. 9). Die polnischen Bischöfe kommen zum Nachfolger Petri, um mit ihm die Freuden und Sorgen des Hirtendienstes zu teilen, um gemeinsam zu hören, was - in diesem besonderen historischen Zeitabschnitt - „der Geist den Gemeinden sagt” (Offb 2,7). In der Person ihrer Hirten kommt die gesamte polnische Kirche zu Petrus, um von sibh selbst Zeugnis abzulegen. Verglichen mit den Ad-limina-Besuchen der vergangenen Jahre, ist dieser von außergewöhnlicher, man könnte fast sagen historischer Natur. In letzter Zeit hat sich das Leben der polnischen Nation tiefgreifend gewandelt. Nach Jahren der Versklavung unter dem Joch des totalitären Regimes hat Polen seine Unabhängigkeit und seine Freiheit wiedergewonnen und ist somit in eine neue Phase seiner Geschichte eingetreten, die die polnische Kirche, mit weiteren Aufgaben und den verschiedensten Herausforderungen auf dem Gebiet der Evangelisierung konfrontiert. Auch die Tatsache, daß die polnische Kirche heute erstmals in ihrer durch die päpstliche Bulle Totus Tuus Poloniae populus vom 25. März 1992 erneuerten Struktur- der Kirchenprovinzen - und Diözesen zu Petrus kommt, trägt dazu bei, die- 1378 AD-LIMINA-BESUCHE sem Besuch einen historischen Charakter zu verleihen. Die Anwesenheit hier der neuen Metropoliten und Bischöfe - die ich herzlichst begrüße - aus den jüngst errichteten Diözesen ist ein sichtbares Zeichen der vorgenommenen Änderungen. 2. „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangeüum allen Geschöpfen!” (Mk 16,15). Liebe Brüder, ich möchte die Gelegenheit des heutigen Treffens nützen und gemeinsam mit euch über den Befehl Christi nachdenken, der der eigentliche Grund für das Bestehen der Kirche ist. Die Welt, in der wir leben, erfährt eine bedeutende historische Wende. Polen, Europa, ja die ganze Welt hat ein anderes Gesicht, aber der Aufruf Christi bleibt unverändert und verliert nichts von seiner Aktualität: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!” Heute fühlt sich die Kirche vom Meister angespomt, die Evangelisierungsarbeit „nach innen” und „nach außen” zu verstärken. Sie sieht sich unablässig als missionarische Kirche, die ausgesendet ist, den Samen des Wortes Gottes in das Terrain der heutigen Welt einzupflanzen. Gott öffnet der Kirche heute neue Horizonte und weitgehende Möglichkeiten der Evangelisierung. Trotz der Einwände der Propheten des Pessimismus möchte ich nochmals nachdrücklich wiederholen, daß „unmittelbar vor Anbruch des dritten Jahrtausends der Erlösung Gott dabei ist, einen großen christlichen Frühling zu bereiten, dessen Morgenröte man schon ahnend erkennen kann” (Redemptoris missio, Nr. 86). Der Heilige Geist, der erste und wichtigste Träger der Evangelisierung, spendet der Kirche von heute ganz besondere Gaben, die für uns gleichzeitig wertvolle Wegweiser sind. Ein solch wichtiges wegweisendes Geschenk ist vor allem das II. Vatikanische Konzil, das keineswegs ein bereits abgeschlossenes Kapitel der Geschichte ist, sondern vielmehr eine ständig lebendige Aufforderung und eine Aufgabe, die auch in Polen ihre volle Verwirklichung erwartet. Ein zweites großes Geschenk ist der Katechismus der katholischen Kirche, der in von Verwirrung und Relativismus gekennzeichneten Zeiten die Reinheit der Weitergabe der Glaubensund Moralprinzipien gewährleisten will. Bei seiner feierlichen Veröffentlichung wurde er ein fester Bezugspunkt für die Ausarbeitung der Katechismen in den einzelnen Ländern und Diözesen genannt. Das dritte große Geschenk ist schließlich die europäische die Bischofssynode, die die Richtlinien und die Handlungsweise der Kirche unseres Kontinents Umrissen hat. Wenn wir uns mit der Evangelisierung unseres Heimatlandes beschäftigen, müssen wir stets diese drei großen wegweisenden Geschenke vor Augen haben, die der Heilige Geist der Kirche auf ihren Weg mitgegeben hat. 3. „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöp-fen V\Mk 16,15). Die Ausführung dieses bedeutenden Auftrags, den Christus der Kirche anvertraut hat, ist nicht möglich ohne den aktiven Einsatz der engagierten Laien, die sich ihrer Berufung und ihrer Sendung innerhalb der Kirche und in der Welt bewußt sind. In 1379 AD-LIMINA-BES U CHE der Kirche ist jetzt die Stunde der Laienschaft angebrochen. In den Konzilstexten heißt es: „Denn das Apostolat der Laien, das in deren christlicher Berufung selbst seinen Ursprung hat, kann in der Kirche niemals fehlen”(Apostolicam actuositatem, Nr. 1). „Geht auch ihr in meinen Weinberg!” (Mt 20,4). Die polnischen Katholiken, die während der vergangenen Jahre der Prüfung vielfach ihre Hochherzigkeit und authentische Verbundenheit mit der Kirche bezeugt haben, nehmen heute, an der Schwelle eines neuen Abschnitts der Geschichte unseres Vaterlandes, mit neuer Kraft diese Einladung Christi an, um in der Kirche jene Aufgabe zu erfüllen, die ihnen kraft der Sakramente der Taufe und Firmung zukommt. Das Konzil schreibt: „Die Laien sind besonders dazu berufen, die Kirche an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam zu machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann. So ist jeder Laie kraft der ihm geschenkten Gaben zugleich Zeuge und lebendiges Werkzeug der Sendung der Kirche selbst” (Lumen Gentium, Nr. 33). Das Hauptfeld für den apostolischen Einsatz der Laien innerhalb der Kirche war und ist die Pfarrei als wichtigste Pastoraleinrichtung. Es ist notwendig, daß engagierte Laien konkrete Formen der Mitverantwortung im Leben ihrer Pfarrgemeinden wie auch in den Diözesen auf sich nehmen, z. B. im Rahmen der Pastoralräte und durch die Teilnahme an apostolischen Pfarr- und Diözesaninitiativen. Wenn dergleichen in der Vergangenheit aus verschiedenen Gründen nicht zu verwirklichen war, so ist es heute eine dringende Notwendigkeit. Die entsprechend geformten Laien fühlen sich als authentische Bestandteile des Lebens der Kirche. Dies bedingt sowohl ihrerseits als auch seitens des Klerus die Erneuerung der wechselseitigen Beziehungen, Bereitschaft zur Zusammenarbeit und den Willen, geduldig am Aufbau eines Dialogs, des Dienstes und des gegenseitigen Vertrauens mitzuarbeiten. Wichtige Instrumente der apostolischen Laienbildung sind die katholischen Organisationen, Vereinigungen und Bewegungen. Unter ihnen nimmt die Katholische Aktion, die in der Vergangenheit in Polen sehr aktiv war und wunderbare Arbeit geleistet hat, eine Sonderstellung ein. Ihre Neuerstehung wäre daher sehr zu begrüßen, denn ohne sie bliebe die Infrastruktur des katholischen Systems in Polen unvollständig. All diese Organisationsformen, dank der ihnen eigenen Charismen, wecken den oft verborgenen geistigen Reichtum der Laien: ihr tiefes Bedürfnis nach Heiligkeit, ihre bewundernswerte Hochherzigkeit und ihre authentische Aufopferung für die Sache Christi und der Kirche. Heute kann man von „einer neuen Zeit der Zusammenschlüsse von Laien” (vgl. Christifideles laici, Nr. 29) sprechen; es handelt sich um einen neuen Anhauch des Heiligen Geistes in unserer Zeit, dem wir uns bereitwillig mit Dankbarkeit und Zuversicht öffnen sollten. In diesem Zusammenhang möchte ich an die polnische Plenarsynode erinnern, in der die Beteiligung der engagierten Laien eine fundamentale Rolle, spielt. Durch die überall in Polen verstreuten Synodalgruppen sollte sie ein besonderes Werkzeug zur 1380 AD-LIMINA-BESUCHE Formung des christlichen und kirchlichen Gewissens der polnischen Katholiken werden und somit auch eine Schule der Evangelisierung. 4. Die Familie stellt ein überaus wichtiges Evangelisierungsfeld dar, wo die Beteiligung der Laien wirklich unerläßlich ist. „Die Zukunft der Menschheit geht über die Familie!” (Familiaris consortio, Nr. 86). Der Zustand der Familien zeigt in äußerst spürbarer Weise das Befinden der jeweiligen Gesellschaft an. Wie ihr in euren Berichten unterstrichen habt, gibt es heute in Polen positive Aspekte, wie die steigende Anzahl der Familien, die sich ihrer christlichen Berufung und ihrer Sendung in Kirche und Welt bewußt sind, die in vielen Kreisen dankbare und verantwortungsvolle Aufnahme der vom Apostolischen Stuhl veröffentlichten Charta der Familienrechte sowie die Entwicklung der Bewegung zum Schutz des entstehenden Lebens; leider fehlt es jedoch nicht an Symptomen, die auf eine schwere Krise der Ehe und Familie hinweisen, was die Zahl der Ehescheidungen, die Verbreitung von Methoden zur Empfängnisverhütung und zum Schwangerschaftsabbruch beweist. Im Evangelisierungsprozeß der polnischen Familie sollte die Frage nach dem Schutz des menschlichen Lebens vom Augenblick seiner Empfängnis an stets im Vordergrund stehen. Die katholische Familie sollte sich nicht nur als passiver Empfänger, sondern vor allem als aktiver Träger des Apostolats fühlen und einen wirksamen Einfluß auf andere Familien ausüben; sie sollte eine positive und für das Leben offene soziale Atmosphäre schaffen und der Kultur des Todes die christliche Kultur des Lebens entgegenhalten. Wir dürfen es jetzt nicht versäumen, die Zukunft des Parlamentsbeschlusses für den Rechtsschutz des werdenden Lebens zu erwähnen. Hier handelt es sich nicht darum, der Allgemeinheit christliche Prinzipien aufzudrängen, wie jemand einzuwenden hatte, sondern es geht vielmehr darum, das Grundrecht des Menschen, das Recht auf Leben, zu verteidigen, eine Sorge, die auch in der staatlichen Gesetzgebung berücksichtigt werden sollte. Die Kirche, die sich des Schutzes des Menschen annimmt, kann diesem Problem gegenüber nicht schweigen. Sie muß klar und eindeutig auf den wirklich entscheidenden Punkt der gesamten Problematik hinweisen. Daher bin ich voll solidarisch mit der Haltung und den Initiativen, die die polnischen Bischöfe zu diesem Thema ergriffen haben. In meinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio schrieb ich: „Gegen Pessimismus und Egoismus, die die Welt verdunkeln, steht die Kirche auf der Seite des Lebens; in jedem menschlichen Leben weiß sie den Glanz jenes ,Ja’, jenes ,Amen’ zu entdecken, das Christus selbst ist. Dem ,Nein’, das in die Welt einbricht und einwirkt, setzt sie dieses lebendige ,Ja’ entgegen und verteidigt so den Menschen und die Welt vor denen, die das Leben bekämpfen und ersticken” (Nr. 30). Die Familie ist das grundlegende Element für die Formung der jungen Generationen und für die Weitergabe des Glaubens. Durch das Werk der gläubigen Eltern voll- 1381 AD-LIM1NA-BESUCHE zieht sich die erste Evangelisierung und die Einführung der Kinder in das christliche Leben. Es ist notwendig, daß sich die katholischen Eltern in Polen für die Erfüllung dieser wesentlichen Aufgabe in noch stärkerem Maße verantwortlich fühlen, insbesondere durch das gute Beispiel ihres Glaubenslebens. Zur Zeit der atheistischen marxistischen Propaganda war die polnische Familie ein starkes Bollwerk der Treue zu Christus und der Kirche. Nun muß ihr geholfen werden, damit sie auch in der heutigen Zeit, in der es in gewisser Hinsicht schwieriger geworden ist, ihre apostolische Aufgabe erfüllen kann. 5. Wenn wir von der Familie sprechen, berühren wir unmittelbar die Frage der jungen Generationen in Polen. Die Jugend ist heute ein äußerst wichtiger Bezugspunkt für das gesellschaftliche Leben und die Sendung der Kirche. Die Zukunft hängt von den jungen Menschen ab: ihrer Haltung, ihrer moralischen Reife und ihrer Treue zu Christus. Unter den jungen Generationen in Polen erkennt man zur Zeit Anzeichen von Ermüdung und Gleichgültigkeit wie auch das Fehlen von Werten und das passive Nachgeben gegenüber Mythen wie Geld und Konsumdenken. Dies weckt in vielen Hirten berechtigterweise große Unruhe. Ein allgemeines Gefühl der Frustration hat sich breitgemacht, das durch das Phänomen der Arbeitslosigkeit, von der insbesondere die Welt der jungen Menschen betroffen ist, noch verschärft wird. In einer solchen Situation sind die Jugendlichen den Bedrohungen der verschiedenen Übel, an denen die Gesellschaft krankt, besonders ausgesetzt. Leider suchen viele die Lösung ihrer Probleme in der Flucht zu Alkohol und Drogen. Auf religiösem Gebiet darf man den negativen Einfluß der Sekten wie auch den der pseudoreligiösen Strömungen des „new age”, die zunehmend stärker werden, nicht unterbewerten. . Aus diesen Gründen braucht die polnische Kirche heute eine Jugendpastoral, die mit Kreativität und Mut neue Formen und Alternativen für die Evangelisierung der jungen Generationen sucht. Die Jugend verfügt noch über großen geistigen Reichtum, auf dem man aufbauen kann und muß. Es besteht vielfach noch ein echtes Bedürfnis nach Gutem, nach Schönheit und Wahrheit; wir kennen viele Beispiele entschiedener Nachfolge Christi und seiner Botschaft, was sich in Tschenstochau, während des VI. Weltjugendtags und auch bei den Feiern des ersten Jahrestags dieses unvergeßlichen Ereignisses im vergangenen Jahr deutlich gezeigt hat. Das Feuer, das der Heilige Geist bei dem Treffen in Jasna Gora entfacht hat, sollte stets in jeder Diözese, in jeder Pfarrgemeinde, in den kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen lebendig gehalten werden. Ich hoffe, daß die Weltjugendtage, die jedes Jahr am Palmsonntag gefeiert werden, endgültig in die Pastoralprogramme als besondere Gelegenheiten für den Dialog zwischen Kirche und Jugend und als nunmehr erprobtes Mittel für ihre Evangelisierung aufgenommen werden. „Die Kirche hat der Jugend viel zu sagen, und die Jugend hat der Kirche viel zu sagen” (Christifideles laici, Nr. 46). 1382 AD-LIMINA-BESUCHE Ein unentbehrliches Instrument für die Formung der Jugendüchen sind die kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen, die heute in Polen ständig zahlreicher werden. Liebe Brüder, eure Entscheidung, den katholischen Jugendbund, der in unserer Heimat eine solch reiche und schöne Tradition hat, wieder aufzubauen, hat mich mit besonderer Freude erfüllt. Die Katechese als Vermittlerin des Glaubens und als Wegbereiterin für jene Entscheidungen, die aus ihr erwachsen, ist der grundlegende Ausdruck der Sorge der Kirche für die Jugendüchen. Die jungen Menschen haben das Recht, dies von der Kirche zu erhalten, ebenso wie sie das Recht haben, von der Gesellschaft zu verlangen, den Religionsunterricht auch im Schulbereich stattfinden zu lassen. Deshalb war es gut, daß nach so-vielen Jahren der Diskriminierung der Religionsunterricht wieder in die polnischen Schulen zurückkehren konnte. Diese religiöse Unterweisung in den Schulen stellt alle, die katechetische Arbeit leisten, sowohl Kleriker als auch Laien, vor die große Verantwortung, diese wichtige Chance der Evangelisierung nicht zu vergeuden. Selbstverständüch muß der Religionsunterricht in den Schulen auch durch die Kinder- und Jugendpastoral in den Pfarrgemeinden vervollständigt werden. Wie ich euren Berichten entnehmen konnte, sind die ersten Erfahrungen der polnischen Kirche im Bereich der Schulkatechese zu meiner großen Freude durchaus positiv. 6. „Geht hinaus in die ganze Welt!” Jeder Ad-limina-Besuch ist immer eine besondere Gelegenheit, bei der sich die Teilkirchen zur Weltkirche hin öffnen. Hier möchte ich nun wiederholen, was ich in meiner Enzyklika Redemptoris missio schrieb: „Ich fordere alle Kirchen und die Bischöfe, Priester, Ordensleute und Gläubigen dazu auf, sich der Universalität der Kirche zu öffnen, indem sie jede Form von Partikularismus, Exklusivität oder Selbstgenügsamkeitsgefühl vermeiden. Auch wenn die Ortskirchen in ihrem Volk und ihrer Kultur verwurzelt sind, müssen sie dennoch konkret an dieser universalen Bedeutung des Glaubens festhalten, und zwar dadurch, daß sie geistliche Gaben, pastorale Erfahrungen ... apostolisches Personal und materielle Hilfsmittel an die anderen Kirchen weitergeben bzw. von diesen empfangen” (Redemptoris missio, Nr. 85). Nach Jahren der durch das totalitäre Regime gewaltsam erzwungenen Isolierung braucht die polnische Kirche heute dringend diese Öffnung. Ich stelle mit Freude fest, daß diese Öffnung in der Kirche Polens mehr und mehr Wirklichkeit wird. Wir brauchen nur die eindeutige Vertiefung des missionarischen Bewußtseins zusammen mit den wachsenden Beiträgen zugunsten der Missionen zu erwähnen. Außerdem sollten einige wertvolle Initiativen pastoraler und karitativer Hilfsaktionen der Kirche in den Nachbarländern genannt werden. Die Bischofssynode für Europa hat die Möglichkeiten für den gegenseitigen Austausch geistiger Gaben unter den Kirchen unseres Kontinents bestimmt und fördert somit besonders unter den mittelöstlichen Ländern Europas eine gewisse Kontinuität. Es geht unter anderem auch darum, entsprechende Strukturen zu schaffen, die 1383 AD-L1M1NA -BESUCHE eine beiderseitige Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und ihrem Episkopat begünstigen könnten. 7. Abschließend noch ein Wort an die polnischen Priester, denen gemeinsam mit ihren Bischöfen eine äußerst wichtige Rolle im Evangelisierungsprozeß zukommt. Die polnischen Diözesan- und Ordenspriester haben die Prüfungen der Vergangenheit durch ihre beispielhafte Hochherzigkeit und ihre wahrhaft bewundernswerte Pastoralarbeit gut bestanden: Sie sind ergebene Diener der Kirche, solidarisch mit der Nation und von ihr geliebt und geachtet. Hierin hegt der große geistige Reichtum der polnischen Kirche. Die heutige Zeit, die durch den starken Druck der laizistischen Kultur und des praktischen Materialismus gekennzeichnet ist, verlangt von den Priestern eine Vertiefung ihrer priesterlichen Identität. Daher müssen sie notwendigerweise die Mühen der ständigen Weiterbildung auf sich nehmen, um ihre Berufung in vollem Ausmaß leben zu können. „Die Neuevangelisierung braucht neue Verkünder, und das sind die Priester, die sich verpflichten, ihr Priestertum als besonderen Weg zur Heiligkeit zu leben” (Pastores dabo vobis, Nr. 82). Unter diesem Gesichtspunkt erhält die gemeinschaftliche Dimension des priesterlichen Lebens große Bedeutung. Heute mehr denn je braucht der Priester die Unterstützung der priesterlichen Gemeinschaft, der Pfarrei, der Präfektur und der Diözese. Der Aufbau einer authentischen Priestergemeinschaft, die auf der „sakramentalen Brüderlichkeit” beruht, zählt heute zu den wesentlichsten Aufgaben der Bischöfe und auch der Priester - was vor allem die neu eingerichteten Diözesen betrifft.. „Das innere Prinzip, die Kraft, die das geistliche Leben des Priesters ... beseelt und leitet, ist die pastorale Liebe, die Teilhabe an der Hirtenliebe Jesu Christi” (Pastores dabo vobis, Nr. 23). Die ständig zunehmenden pastoralen Aufgaben verlangen von allen Hirten - Bischöfen und Priestern -, ihre Hirtenhebe zu beleben, was in einer ständigen und mutigen Suche nach neuen Wegen und Methoden des Apostolats Ausdruck findet. Wir brauchen jetzt eine wahrhaft missionarische Pastoral, die nicht tatenlos abwartet, sondern die sich vielmehr auf die Suche nach den verirrten Schafen macht. Der Dienst in der Pfarrgemeinde bleibt auch heute noch die Grundform der Pastoral, die jedoch durch verschiedene spezifischere Formen, wie Gruppen-und Teamarbeit, ergänzt werden muß. So können Pfarreien wahre „Gemeinden der Gemeinschaften” werden. Ebenfalls ist es notwendig, sich mit Vorsicht und Feingefühl jenen Mitteln - wie_ Rundfunk, Fernsehen und Presse - zu öffnen, die die moderne Technik uns zur Verfügung gestellt hat, wobei wir die sogenannten „einfachen Mittel”, deren Wirksamkeit das Evangelium bestätigt, nicht vergessen dürfen. Demnach steht die polnische Priesterschaft großen und schwierigen Aufgaben gegenüber. Ich bin jedoch sicher, daß sie gemeinsam mit ihren Bischöfen und in solidarischer Verbundenheit mit dem ganzen Volk Gottes, dem sie mit großer Hingabe 1384 AD-LIMINA-BESUCHE dient, genügend pastorale Kraft und Klugheit finden wird, um die Aufgaben auf korrekte und zufriedenstellende Weise zu meistern. 8. Die polnische Kirche steht den neuen Aufgaben, die uns die Evangelisierung in unserer Heimat augenblicklich auferlegt, nicht mit leeren Händen gegenüber, denn sie ist aus den Prüfungen der Vergangenheit um eine wertvolle Erfahrung bereichert hervorgegangen: Sie hat sich als Siegerin in der Konfrontation mit dem marxistischatheistischen Totalitarismus erwiesen; sie hat mit großem Mut den Menschen, seine Würde und seine unveräußerlichen Rechte verteidigt; sie hat durch zahlreiche Opfer seitens ihrer Bischöfe, Priester, Ordensleute und vieler gläubiger Laien die treue Erfüllung ihrer Sendung bezahlt. Heute sagen, wir es mit Demut und bekennen: „Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan” (Lk 17,10). Jetzt müssen wir dafür Sorge tragen, daß wir dieses unschätzbare Gut der Vergangenheit nicht verlieren, denn es handelt sich um einen geistigen Reichtum, der Grundlage und Sauerteig der heutigen Evangelisierung werden muß. Die Bischofssynode für Europa hat darauf hingewiesen, daß auch die Weltkirche diesen Reichtum braucht. Sie hat uns daran erinnert, daß auch die polnische Kirche einen bedeutenden und wertvollen Beitrag zum Austausch geistiger Gaben innerhalb unseres Kontinents leisten kann, jedoch unter der Bedingung, daß sie ihre Identität beibehält und ihrem geistigen Ursprung treu bleibt. Bereichert durch eine erneuerte Struktur der Diözesen und der Kirchenprovinzen, stellt sich die Kirche in Polen den neuen Evangelisationsaufgaben. Die Neuordnung der territorialen Aufteilung der Diözesen, die den pastoralen Anforderungen besser entspricht, ist eine günstige Gelegenheit und gleichzeitig eine große Verpflichtung. Sie bedeutet nämlich den Aufbau, oft von Grund auf, der notwendigen Pastöral- und Verwaltungsstrukturen in den neuen Diözesen. In der augenblicklichen sozialen und wirtschaftlichen Lage unseres Vaterlandes handelt es sich hier weder um eine mühelose noch um eine einfache Aufgabe; daher ist solidarische Hilfsbereitschaft und Zusammenarbeit unter den verschiedenen Diözesen unerläßlich. Gleiches gilt auch für das, was die Sorge um die Ausbildung der zukünftigen Priester angeht: Anfängliche Schwierigkeiten dürfen die Hirten und die Gläubigen nicht entmutigen, vielmehr sollten sie nach dem Beispiel der ersten Christengemeinden Enthusiasmus und Hingabe für das Wohl der Kirche wecken. Angesichts der großen Herausforderungen der Gegenwart hat die Kirche in Polen die wichtigen Arbeiten der polnischen Plenarsynode begonnen, die ich während meiner vierten Pilgerreise in die Heimat mit Freuden eröffnen konnte. Es handelt sich um ein vertieftes Nachdenken über die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils hinsichtlich des Geheimnisses der Kirche und ihrer Gegenwart in der Welt von heute. Reichtum und Tiefe der Konzilslehre müssen ständig neu gelesen und in die Tat umgesetzt werden; darin liegt eine stets aktuelle Aufgabe für jeden von uns: Bischöfe, Priesteramtskandidaten, Ördensmänner und Ordensfrauen wie auch alle gläubigen Laien. Das Zweite Vatikanische Konzil erwartet seine Anwendung auch 1385 AD-LIM1NA-BES U CHE bei uns, in Polen. Zur Verwirklichung dieser bedeutenden Aufgabe wird der neue, vor kurzem veröffentlichte „Katechismus der katholischen Kirche”, der, so hoffe ich, auch bald in polnischer Übersetzung erscheinen wird, sicherlich von großer Hilfe sein. In diesem Moment ist es mein Wunsch, daß diese von der Vorsehung gewollte Arbeit der, Plenarsynode durch, eine vertiefte Selbsterkenntnis , der ganzen polnischen Kirchereiche geistliche Früchte tragen wird. 9. „Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus!” (Lk 5,4). Christus wendet sich heute mit dieser Aufforderung an die Kirche. Die Neuevangelisierung ist ein großer Fischfang der Seelen: eine enorme Aufgabe, der es nicht an Schwierigkeiten, Hindernissen und Hürden fehlt. Die Fischer laufen Gefahr, sich der Müdigkeit und manchmal auch der Mutlosigkeit zu ergeben: „Meister wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen” (Lfc 5,5), sagt Petras. Die Logik der Evangelisation ist jedoch nicht eine rein menschliche Logik. Angesichts der Vielfalt der Aufgaben ist es notwendig, mit Petrus das Bekenntnis des Glaubens und der Treue dem Meister gegenüber zu erneuern: „Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen” (Lk 5,5). Unmittelbar kommt die Antwort: „Das taten sie, und sie fingen eine so große Menge Fische, daß ihre Netze zu reißen drohten” (Lk 5,6). „Werft eure Netze zum Fang aus!” Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, nehmt diese Worte Petri, der voller Zuversicht und Entschlossenheit ruft: „Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen”, von diesem Ad-limina-Besuch mit. Mögen sie euch bei euren pastoralen Mühen Trost spenden und eure Kraft und euren apostolischen Mut mehren, um einen reichhaltigen Fischfang zu sichern. Ich empfehle eure Ortskirchen, die Priester, die Männer- und Frauenordensgemeinschaften und alle Gläubigen der Fürsprache der Mutter Gottes, der Königin Polens, indem ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen erteile. In Einheit und Eintracht die Hoffnung wecken Ansprache beim Ad-limina-Besuch der zweiten Gruppe polnischer Bischöfe am 15. Januar 1. Ich heiße euch herzlich willkommen, hebe Brüder im Bischofsamt, Hirten der heftigen Kirche in unserem Väterland. Ich begrüße den Kardinalprimas und Präsidenten der Polnischen Bischofskonferenz, ich begrüße Kardinal Henryk Gulbino-wicz, die Metropoliten und Erzbischöfe, die Diözesanbischöfe, den Militärbischof und die Weihbischöfe. Einen besonderen Willkommensgraß richte ich an Bischof Jan Martyniak, den Ordinarius der ukrainisch-byzantinischen Diözese Przemysl. Ich bin sehr froh, daß die katholische Gemeinschaft, die sich in Polen mit diesem Ritus identifiziert, nach einer Zeit der Diskriminierung und Verfolgung seitens der kom- 1386 AD-LIMINA-BESUCHE munistischen Behörden jetzt einen eigenen Oberhirten besitzt und volle Freiheit genießt. Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich möchte meine große Freude über die heutige Begegnung ausdrücken, die sich als besonders reichhaltig erweist. Denn dies ist kein gewöhnlicher, sondern ein Ad-limina-Besuch, ein Besuch Ad-limina Apostolorum. In den Personen ihrer Hirten kommt die ganze polnische Kirche zu Petrus, um erneut das innige Band zu festigen, das sie seit einem Jahrtausend mit dem Apostolischen Stuhl verbindet - ein Band, das im Laufe unserer Geschichte reiche, menschlich und geistlich wertvolle Früchte getragen hat. Jeder Ad-limina-Besuch ist eine besondere Erfahrung der Kirche als Gemeinschaft; er ist ein bereichernder Vergleich von Gesichtspunkten zwischen Teilkirchen und Gesamtkirche, den schon der Apostel Paulus suchte, um sicher zu sein, daß er nicht „vergeblich laufe oder gelaufen war” (vgl. Gal 2,2); dieser Besuch ist im Grunde ein brüderlicher Händedruck wie einst zwischen den Aposteln Petrus und Paulus (vgl. Gal 2,9). Der heutige Ad-limina-Besuch findet unter besonderen historischen Umständen statt, die ihm einen außergewöhnlichen Charakter verleihen. In Europa und in Polen sind tiefgreifende Veränderungen vorgegangen, die von der Kirche eine besondere Sensibilität für die Zeichen der Zeit erfordern. Das Konzil sagt: „Es ist jedoch Aufgabe des ganzen Gottesvolkes, vor allem auch der Seelsorger und Theologen, unter dem Beistand des Heiligen Geistes auf die verschiedenen Sprachen unserer Zeit zu hören, sie zu unterscheiden, zu deuten und im Licht des Gotteswortes zu beurteilen, damit die geoffenbarte Wahrheit immer tiefer erfaßt, besser verstanden und passender verkündet werden kann” (Gaudium et spes, Nr. 44). Die Hirten der Kirche Polens kommen heute zu Petrus, um im Geist kollegialer Verantwortung die Mühe auf sich zu nehmen, diese heutigen „Zeichen der Zeit” zu deuten und aus ihnen ein konkretes Programm für das Leben und die Tätigkeit der Kirche in unserem Vaterland in diesem historischen Augenblick abzuleiten. Unsere heutige Begegnung findet fast zwei Jahre nach meiner im Juni 1991 unternommenen vierten Pilgerreise in die Heimat statt, bei der bereits versucht wurde, den Verpflichtungen und Herausforderungen für die Sendung der Kirche in Polen angesichts der neuen Situation eine pastoraltheologische Interpretation zu 'geben. Ich meine, daß die heutige Begegnung die Fortführung und in gewisser Weise die Bilanz des damals begonnenen Pastoraldialogs ist. 2. „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium!” (Mk 16,15). Während dieses Ad-limina-Besuchs möchte ich zusammen mit euch, liebe Mitbrüder, noch einmal den grundsätzlichen Auftrag, deh die Kirche von ihrem Meister empfangen hat, betrachten: den der Evangelisierung. Die Begegnung mit der ersten Gruppe der polnischen Bischöfe habe ich dem Nachdenken über die innerkirchliche („ad intra”) Dimension der Evangelisierung gewidmet; nun möchte ich auf die ver- -1387 AD-LIMINA-BESUCHE schiedenen Bereiche der Evangelisierung hinweisen, die sich aus der Präsenz der Kirche („ad extra”) in der heutigen Welt ergeben. „Verkündet das Evangelium!” Die Evangelisierung der heutigen Welt bedingt eine große Anstrengung seitens der Kirche mit dem Ziel, das Angesicht der Erde zu erneuern. Das Konzil sagt: „So geht denn diese Kirche ... den Weg mit der ganzen Menschheit gemeinsam und erfährt das gleiche irdische Geschick mit der Welt und ist gewissermaßen der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft” (Gaudium et spes, Nr. 40). Diese Worte des Konzils über die prophetische Fünktion, die die Kirche erfüllt durch ihre kreative Präsenz in der heutigen Welt, ihre kritische Sensibilität gegenüber der sie umgebenden Wirklichkeit und die Solidarität, die sie mit jedem Menschen verbindet, fassen den gegenwärtigen Einsatz der Evangelisierung gut zusammen. „Die Neuevangelisierung” muß daher „zu ihren wesentlichen Bestandteilen die Verkündigung der Soziallehre der Kirche zählen”. Diese „gehört zur christlichen Botschaft, weil sie deren konkrete Auswirkungen für das Leben in der Gesellschaft vor Augen stellt und damit die tägliche Arbeit und den mit ihr verbundenen Kampf für die Gerechtigkeit in das Zeugnis für Christus den Erlöser miteinbezieht” (Centesimus annus, Nr. 5). Das ist vor allem in den Ländern wichtig, die - wie Polen - die Diktatur des Kommunismus hinter sich haben und nun die ungeheure Mühe des moralischen, wirtschaftlichen und politischen Wiederaufbaus auf sich nehmen müssen. In diesem historischen Prozeß hat die Kirche eine äußerst wichtige Rolle zu spielen. Eines der bezeichnenden Merkmale der Kirche in Polen war und bleibt deren tiefe Verwurzelung im Leben der Nation. Diese hat in den verschiedenen geschichtlichen Perioden verschiedene Formen angenommen, die von den konkreten Notwendigkeiten abhingen. Doch immer war die Kirche der Nation verbunden, hat solidarisch an ihren Niederlagen wie an den Freuden errungener Siege teilgenommen. In den letzten Jahrzehnten, in der Zeit der Gewaltherrschaft des totalitären Systems, hat die Kirche in herausragender Weise die Rolle des Sprechers und Verteidigers der nationalen Souveränität ausgeübt, hat ihre Rechte verteidigt, ist, nicht nur für die Katholiken, der einzige Ort der Freiheit geworden. Dieser der Nation unter jenen schwierigen Umständen geleistete Dienst wurde weltweit anerkannt und hochgeschätzt. Wie lebt die polnische Kirche heute, in der Epoche der wiedererlangten Freiheit? Hat ihre Aufgabe wirklich an Aktualität verloren, wie einige behaupten? Muß die Tätigkeit der Kirche in Polen innerhalb der Kirchenmauem begrenzt werden? Die Kirche hört nicht auf, Zeichen des Widerspruchs zu sein, wie es schließlich ihr Gründer war. Nicht nur zur Zeit der atheistischen Diktatur, sondern auch heute fordern Lehre und Präsenz der Kirche im Leben der Gesellschaft den Widerstand gewisser Kreise heraus. Getreu ihrer Sendung, muß die Kirche die große Aufgabe ei- 1388 AD-LMINA -BESUCHE ner Präsenz im Dienst ihres Amtes in der Welt übernehmen, eine Präsenz der Evangelisierung also. Das ist ihr Recht und zugleich ihre grundsätzliche Pflicht. 3. „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert...?” (Lk 9,25). Die Kirche, die in der menschlichen Gesellschaft lebt, will nichts anderes, als dem Menschen zu dienen. Sie dient dem Menschen, indem sie ihm die weiten Horizonte seiner Würde und Berufung zeigt, die er von Gott, dem Schöpfer und Erlöser, erhalten hat. Die Kirche dient dem Menschen auch, wenn sie ihm nach dem Beispiel des Guten Hirten den richtigen Weg weist, ihn vor Gefahren schützt oder sich über ihn beugt und wie der barmherzige Samariter seine Wunden behandelt. In unserer Heimat muß der Mensch auch heute vor alten und neuen Bedrohungen geschützt werden. Wir erleben wiederum einen entscheidenden Kampf, dessen Streitobjekt gerade der Mensch - und seine Seele selbst - ist. Die Kirche kann sich der Pflicht nicht entziehen, den Menschen zu schützen, ja der Pflicht, ihn vor sich selbst zu schützen; sie kann nicht schweigen, denn gerade der Mensch ist ihr erster und grundlegender Weg, der von Christus selbst gebahnte Weg, ein Weg, der unabänderlich durch das Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung hindurchgeht (vgl. Redemptor hominis, Nr. 14). Daher unterstreicht einer der grundlegenden Inhalte der Neuevangelisierung nicht nur die Wahrheit über Gott, sondern auch die volle Wahrheit über den Menschen, d. h. eine korrekte Sicht des Menschen auf der Grundlage des Evangeliums. Unsere Landsleute stehen heute vor einer großen Herausforderung: dem göttlichen Geschenk der Freiheit und ihrem rechten Gebrauch sowohl in der individuellen als auch in der sozialen Dimension. Es ist notwendig, die Menschen fortwährend daran zu erinnern, daß die Freiheit, aufgefaßt als von der Wahrheit und dem Guten getrennte Willkür, Freiheit, getrennt von Gottes Geboten, für den Menschen zu einer Bedrohung wird und zur Versklavung führt, da sie sich gegen den Einzelmenschen und gegen die ganze Gesellschaft richtet. Ein schlechter Gebrauch der Freiheit gefährdet alles, was wir mit so großen Anstrengungen und um den Preis so vieler Opfer erreicht haben. All dem gegenüber kann die Kirche nicht , schweigen, selbst auf die Gefahr hin, an Popularität zu verlieren. Das Konzil lehrt uns: „Durch kein menschliches Gesetz können die personale Würde und die Freiheit des Menschen so wirksam geschützt werden wie durch das Evangelium Christi, das der Kirche anvertraut ist” (Gaudium et spes, Nr. 41). Die Freiheit will vom Gewissen geleitet werden, einem gut geformten Gewissen, das imstande ist, das ethisch Gute und Böse zu unterscheiden und das Gute in jeder Situation zu wählen. Freiheit ist kein moralischer Relativismus, sondern gründet auf klaren und transparenten Moralkriterien. Die Polen müssen heute innerlich stark sein, um der Welle der Immoralität, die von verschiedenen Seiten unter dem Anschein der Modernität und der Befreiung auf sie zukommt, widerstehen zu können. Der sogenannte „Eintritt in Europa” darf nicht um den Preis des Verzichts auf die 1389 AD-LIMINA-BESUCHE Gesetze des rechten Gewissens im Namen einer mißverstandenen Toleranz und eines falsch aufgefaßten Pluralismus vollzogen werden. Das würde freie Unterwerfung unter eine neue Form totalitärer und - weil freiwillig angenommen - noch viel gefährlicherer Sklaverei bedeuten. Der Kirche als erfahrener Erzieherin des menschlichen Gewissens ist heute eine außerordentlich große und wichtige Aufgabe anvertraut. 4. Der Dienst der Kirche an der menschlichen Kultur ist heute von grundlegender Bedeutung. Die Kultur stellt ein für das Leben und die Entwicklung des Menschen und ganzer Gesellschaften und Nationen unentbehrliches Miüeu dar, wie wir deutlich sehen können, wenn wir auf die Geschichte unseres Vaterlandes bücken: Die Nation, versklavt und jahrzehntelang eigener staatlicher Strukturen beraubt, hat dank ihrer kulturellen Identität überlebt (vgl. Ansprache an die UNESCO 1980). Im Sorgebereich der Kultur hat die Kirche im Lauf der Geschichte großartige Kapitel geschrieben, wie man auch aus unserer jüngsten Erfahrung weiß. Erinnern wir uns an die Rolle der Kirche auf diesem Gebiet zur Zeit der kommunistischen Diktatur, als man um jeden Preis unsere Kultur der christüchen Wurzeln berauben wollte, aus denen sie erwachsen ist. Erinnern wir uns an die Rolle der „Christüchen Kulturwochen”, die in den Diözesen und sogar in den einzelnen Pfarreien veranstaltet wurden: In jenen schwierigen Zeiten stärkten sie den Geist der Nation und das Gefühl für ihre Identität. In einer Epoche tiefgreifender Wandlungen in fast aüen Bereichen des geseüschaft-üchen Lebens in Polen ist auch die Kultur in einem Zustand der Krise und des Gleichgewichtsverlustes in bezug auf die grundlegenden Werte geraten. Wie ihr, hebe Brüder, übereinstimmend in euren Berichten unterstrichen habt, nehmen die systematischen Angriffe gewisser Kreise auf die christüchen Werte und die Wurzeln unserer Kultur neuerüch zu. Die Auseinandersetzung um die polnische Kultur geht also weiter und hat sich unter vielen Aspekten wahrscheinlich noch verschärft. Deshalb darf hier die entschiedene Stimme der Kirche und ihr Evangelisierungseinsatz nicht fehlen. Ein besonderes Evangelisierungsinteresse seitens der Kirche erfordert der Bereich der Massenmedien als einer der „modernen Areopage”, über die ich ausführücher in der Enzyklika Redemptoris missio (Nr. 37) geschrieben habe und unter denen eine Presse sowie Radio- und Fernsehprogramme mit eindeutig christücher Ausrichtung eine wichtige Rolle zu spielen haben. Dies ist ein besonderes Gebiet des Laienapostolates, spezieü der kathoüschen Joumaüsten und Autoren. Mit Nachdruck muß das Recht der Kirche auf Zugang zu den sozialen Kommunikationsmitteln betont werden, die ein grundlegendes Instrument der Evangelisierung sind. Wenn von Evangeüsierung der Kultur die Rede ist, dürfen wir die Bedeutung und die Aufgaben der in Polen aktiven kathoüschen Universitäten nicht außer acht lassen. Ich denke an die Kathoüsche Universität in Lubün, die dieses Jahr ihr 75jähriges Bestehen feiert; ich denke an die päpstüchen theologischen Fakultäten in 1390 AD-LIMINA-BESUCHE Breslau, Posen und Warschau mit der Päpstlichen Akademie für Theologie in Krakau, Nachfolgerin der ältesten theologischen Fakultät in Polen, an der Spitze; ich denke an die Akademie für katholische Theologie in Warschau; nicht zu vergessen sind die polnischen Priesterseminare. All diese Institute sind äußerst wichtige Keimzellen christlicher Kultur, deren Ausstrahlung nicht nur die Kirche,; sondern auch Polen so sehr nötig hat; ihr Dienst an der höchsten Wahrheit ist zugleich Dienst an der Nation in dem, was für sie am wesentlichsten ist. Wenn die katholischen Universitäten in Polen sich zur Zeit vor viele Schwierigkeiten, vor allem auf materiellem Gebiet, gestellt sehen, muß die Kirche ihnen besondere Sorge und Schutz zukommen lassen. Ich bin überzeugt, daß die katholische Nation genug Kraft und Großherzigkeit in sich finden wird, um das große Gut, das die katholischen Universitäten darstellen, zu verteidigen und unbeschädigt für die künftigen Generationen zu bewahren. 5. Ein anderer Bereich, der in Polen heute eine große Anstrengung der Evangelisierung erfordert, ist das Wirtschaftsleben. Das Konzil sagt: „Auch im Wirtschaftsleben sind die Würde der menschlichen Person und ihre ungeschmälerte Bedeutung wie auch das Wohl der gesamten Gesellschaft zu achten und zu fördern, ist doch der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft” (Gaudium et spes, Nr.'63). Daher muß die Kirche fortwährend daran erinnern, daß die Entwicklung nicht ausschließlich ökonomisch, sondern im gesamtmenschlichen Sinn zu verstehen ist (vgl. Centesimus annus, Nr. 29). Auf dem Gebiet des Wirtschaftslebens hört die Kirche nicht auf, die soziale Gerechtigkeit und Solidarität zu verteidigen und all jene zu unterstützen, die verschiedene Formen von Unrecht erleiden. Die Kirche muß daran erinnern, daß die Gesetze des freien Marktes allein nicht genügen, sondern sich gegen den Menschen richten, wenn er seine moralischen Pflichten vergißt, die wichtiger sind als die Gesetze der Wirtschaft. Es ist klar, daß die Kirche keine Patentrezepte für die Besserung der Wirtschaftslage besitzt: Das ist nicht ihr Aufgabenbereich. Die Soziallehre der Kirche enthält allerdings eine Menge unentbehrlicher Grundsätze zum Aufbau eines gerechten Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Es bedarf einer neuen Anstrengung, um die Soziallehre der Kirche in der polnischen Gesellschaft bekannt zu machen und zu verbreiten. Es handelt sich um eines der wesentlichen Elemente, die die Bildung der Laien und besonders derjenigen betreffen, die direkt mit wirtschaftlichen Aktivitäten zu tun haben. Dank ihrer wird es für die gläubigen Laien leichter sein, in den konkreten Situationen, in denen sie handeln müssen, eine richtige Unterscheidung und Wertung vorzunehmen. Einer der wichtigsten Inhalte der Neuevangelisierung besteht in der Verkündigung des „Evangeliums der Arbeit”, das ich in meiner Enzyklika Laborem exercens vorgestellt habe und das unter den heutigen Umständen besonders notwendig geworden ist. Es setzt eine intensive und dynamische Pastoral der Arbeitenden voraus, die 1391 AD-LIMINA-BESUGHE heute so notwendig wie in der Vergangenheit, ja im Vergleich dazu unter gewissen Aspekten noch schwieriger ist. Die Kirche muß stets neue Formen und Methoden suchen, ohne sich entmutigen zu lassen. Mit der Pastoral der Arbeitenden eng verbunden, ist die Pastoral der Arbeitslosen, , deren Zahl in Polen ständig ansteigt. Dieses neue Phänomen in unserer Heimat erfordert besondere Sorge seitens der Kirche. Unter den neuen Pastoralaufgaben muß hier die Sorge für die Arbeitgeber und Unternehmer genannt werden. Es handelt sich um eine Gesellschaftsgruppe, auf der spezifische moralische Verpflichtungen bezüglich des Gemeinwohls liegen, deren wir uns immer mehr bewußt werden müssen. Vergessen wir nicht, daß der Weg zu einer echten Umgestaltung des Angesichts Polens durch das Herz jedes Polen führt. Es sind strukturelle und legislative Reformen notwendig, doch am Ende hängt der Erfolg dieses Prozesses vor allem von der Bekehrung des Herzens jedes einzelnen Polens und jeder einzelnen Polin ab. 6. „Sie baten uns hauptsächlich, an ihre Armen zu denken” (Gal 2,10). Die Sorge für die Armen und Bedürftigen nimmt einen besonderen Platz im Evangelisierungsprozeß ein. „Dies ist eine Option oder ein besonderer Vorrang in der Weise, wie die christliche Liebe ausgeübt wird; eine solche Option wird von der ganzen Tradition der Kirche bezeugt” (Sollicitudo rei socialis, Nr. 42). Das Beispiel dafür hat uns der Erlöser selbst gegeben, der gerade den Armen besondere Beachtung geschenkt hat: Sie sind „die Armen des Herrn”. Die tiefgreifenden Veränderungen, die in unserem Vaterland vorgehen, bringen die Verarmung eines bedeutenden Teils der Gesellschaft mit sich, daher müssen wir mehr als in der Vergangenheit lernen, uns gegenseitig zu helfen. Der hl. Paulus mahnt zur Solidarität mit allen Bedürftigen: „Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen” (Gal 6,2). Das Gebot der Nächstenliebe ist sehr konkret; es gilt, Initiativen voranzubringen und Haltungen wie Gleichgültigkeit, Untätigkeit und Egoismus der einzelnen und Gruppen zu überwinden. Wir haben vor uns ein großes Wirkungsfeld für die kirchliche Caritas - eine verdienstvolle Organisation, die nach Jahren der Schwierigkeiten ihre Tätigkeit in der Kirche endlich wiederaufnehmen konnte -, für die Pfarrei, für die Wohltätigkeitspastoral und für die Organisationen und Vereine der katholischen Laien. Die Arbeitslosen sind eine soziale Kategorie, die einen besonders hohen Preis für die gegenwärtigen Reformen zahlt. Gegen ihren Willen werden sie der Arbeit beraubt, die das Mittel zum eigenen Unterhalt und dem der Familie ist, und geraten zusammen mit ihren Angehörigen manchmal in eine wirklich dramatische Lage. Man muß auch an die kinderreichen Familien denken, an die Invaliden und Rentner. Für die Kirche sind es alles bevorzugte Bereiche der Evangelisierung in der Form aktiven S olidarität. Seit einiger Zeit erscheinen bei uns immer häufiger Emigranten, die aus noch ärmeren Ländern als unserem Polen kommen/Wir müssen unser Herz weitmachen, damit 1392 AD-LIMINA-BESUCHE auch sie den Möglichkeiten entsprechend Platz bei uns finden können. Wir müssen lernen, das, was wir haben, trotz Not und Armut zu teilen. „Sie baten uns hauptsächlich, an ihre Armen zu denken!” Im Leben der Kirche ist dies ein wesentliches Gebot, weil der Christ in jedem Armen und Bedürftigen Christus sieht: „Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben ... nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben” (Mt 25,35-36). 7. Die Kirche erfüllt den Evangelisierungsauftrag auch in bezug auf die politische Gemeinschaft. „Die Kirche, die in keiner Weise hinsichtlich ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der politischen Gemeinschaft verwechselt werden darf noch an irgendein politisches System gebunden ist, ist zugleich Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person” (Gaudium et spes, Nr. 76). In diesem Sinn zeigt sich die Kirche also nicht als ein Konkurrent oder Partner des politischen Spiels, sondern als Hüter der sittlichen Ordnung und als kritisches Gewissen. Seit den Anfängen der Geschichte unseres Vaterlandes ist die Kirche dieser Aufgabe nachgekommen: Es genügt, an die Figur des heiligen Bischofs und Märtyrers Stanislaus zu erinnern. Wenn sie sich in den letzten Jahrzehnten besonders intensiv in dieser Form für die Verteidigung des Menschen eingesetzt hat, so scheint es hingegen heute nach der Wiedererlangung der vollen Freiheit, daß einige Kreise, die bis vor kurzem diese Rolle der Kirche akzeptierten, ihr gegenüber eine kritische, wenn nicht gar negative Haltung einnehmen und sie zum Schweigen bringen wollen. Doch die Kirche darf nicht schweigen. Die Kirche ist keine politische Partei, noch identifiziert sie sich mit irgendeiner politischen Partei. Sie ist überparteilich, offen für älle Menschen guten Willens, und keine Partei kann sich das Recht anmaßen, sie zu vertreten. Das Zweite Vatikanische Konzil mahnt: „Sehr wichtig ist besonders in einer pluralistischen Gesellschaft, daß man das Verhältnis zwischen der politischen Gemeinschaft und der Kirche richtig sieht, so daß zwischen dem, was die Christen als einzelne oder im Verbund im eigenen Namen als Staatsbürger, die von ihrem christlichen Gewissen geleitet werden, und dem, was sie im Namen der Kirche zusammen mit ihren Hirten tun, klar unterschieden wird” (Gaudium et spes, Nr. 76). Aufgabe der gläubigen Laien ist ein direktes Engagement im Bereich der Politik, motiviert durch ein aufrichtiges Interesse für das Gemeinwohl der Gesellschaft, in der sie leben; am Gemeinwohl, das heißt am Wohl aller Menschen und des ganzen Menschen. Die Vorwürfe, die der Politik gemacht werden, rechtfertigen das Mißtrauen und das Fernbleiben der Katholiken vom öffentlichen Leben nicht, denn es handelt sich um ein Recht und auch eine Gewissenspflicht, die sie haben, wie auch um eine Aufgabe, die aus ihrer Berufung erwächst. Die poütischen Optionen der Katholiken - das ist deutüch zu unterstreichen - müssen in Einklang mit dem evangelischen Wertesystem stehen, und das erfordert manchmal eine sehr sorgfältige Abklärung. 1393 AD-LIMINA-BESUCHE Die Soziallehre der Kirche kann zu dieser Problematik sichere Linien des Einsatzes bieten. In der gegenwärtigen Situation in Polen, die von tiefen Spaltungen, Streitigkeiten und Konflikten verschiedener Art gekennzeichnet ist, hat die Kirche die wichtige Aufgabe, Einheit und Eintracht wiederherzustellen und eine allzuoft ermattete Hoffnung neu zu wecken. Die Polen müssen den Dialog untereinander in der Wahrheit und Achtung der eigenen Würde und der der Gegenseite, lernen; beide Seiten, wenn auch verschieden voneinander, müssen deshalb nicht zu Feinden werden. Vereinen sollte sie der Einsatz für die wahren Werte und die höchsten Güter, die über den Einzelinteressen der politischen Gruppen stehen. Die Kirche schätzt die Demokratie, hört aber nicht auf zu mahnen: „Eine Demokratie ohne Werte verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus” (Centesimus annus, Nr. 46). Das Leben der politischen Gemeinschaft besitzt seine eigene Autonomie (vgl. Gaudium et spes, Nr. 36). Diese Autonomie darf aber nicht als eine Unabhängigkeit von den moralischen Grundsätzen verstanden werden, da eine Politik ohne gesunde ethische Grundsätze unvermeidlich zum Verfall des Gesellschaftslebens, zur Verletzung der Würde und der Rechte der menschlichen Person führt. Man muß der Politik das Image des Dienstes zurückgeben. Eine Politik, die diesen Namen verdient, leistet dem Menschen und der Gesellschaft einen echten Dienst und wird nicht zu einem erbarmungslosen Machtkampf oder zu einem egoistischen Versuch, die besonderen Eigeninteressen zu wahren. Der Apostel ermahnt: „Dient einander in Liebe!” (Gal 5,13). „Denkt dabei nicht an euch selbst, sondern an die anderen” (1 Kor 10,24). 8. „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!” (LKor 9,16). Wir sind nun ans Ende unserer Betrachtungen gelangt. Liebe Mitbrüder, ausgehend von einem aufmerksamen Studium eurer Berichte über die vergangenen fünf Jahre, habe ich versucht, ein breites Panorama der Evangelisierungsaufgaben zu zeichnen, die sich der polnischen Kirche in der gegenwärtigen Situation stellen. „Die Ernte ist groß.” Das erfordert von der ganzen Kirche in Polen - also von den Bischöfen, Priestern, Ordensfamilien und katholischen Laien - eine Neubesinnung auf ihre missionarische Berufung: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!” Weh mir, wenn ich schweige, wenn ich passiv bleibe. Der Apostel betont: „Die Liebe Christi drängt uns” (2 Kor 5,14). An der Schwelle des dritten Jahrtausends der Erlösung weckt die Liebe Christi in der Kirche und in allen ihren Gliedern einen neuen apostolischen Eifer. Die Zeit, in der wir leben, ist eine besondere Zeit - ja sie ist der „kairos”, also eine Zeit der Gnade, weil durch das Wirken des Heiligen Geistes Großes in der Welt geschieht. Seien wir als Kirche offen für diese Zeichen der Zeit; erkennen wir sie, und antworten wir auf sie im Geist des Glaubens, so daß wir neue Hoffnung in uns wecken. Liebe Brüder im Bischofsamt, Hirten der Kirche meines geliebten Vaterlandes! 1394 AD-LIMINA-BESUCHE Ich wünsche euch, ich wünsche der ganzen pilgernden Kirche in Polen auf die Fürbitte Marias, die wir als Stern der Neuevangelisierung verehren, eine reiche evangelische Ernte. Allen, die auf dem Feld Gottes arbeiten, erteile ich von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Demokratie stärken und die soziale Situation verbessern Ansprache anläßlich des Ad-limina-Besuchs der Bischöfe aus Sambia am 31. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine große Freude, euch, die Bischöfe Sambias, zu eurem Ad-limina-Besuch in Rom zu begrüßen. Ich wünsche euch, in vollem Maße jenes Friedens und jener Freude teilhaftig zu werden, die der Heilige Geist, der Paraklet, zu Pfingsten der Kirche Christi schenkt. Ich danke Bischof de Jong für die Worte der Ergebenheit, die er in eurem Namen gesprochen hat, und ganz besonders möchte ich Bischof Paul Lungu zu seinem ersten Fünfjahresbesuch willkommen heißen. Eure Gegenwart erinnert mich an meine Reise nach Sambia von 1989. Besonders gerne denke ich an die Wärme und die Zuneigung, mit der ihr und euer Volk den Nachfolger Petri empfangen habt, der in eure Mitte gekommen war, um mit euch zu beten und sich über die Lebenskraft eures Glaubens zu freuen. Die Erinnerung an jene Augenblicke veranlaßt mich, mir die Worte des heiligen Paulus zu eigen zu machen: „Ich danke Gott jederzeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde” (1 Kor 1,4). Vermittelt euren Priestern, Ordensleuten und Gläubigen - insbesondere den Kranken, den Kindern und Jugendlichen - meine Liebe und Hochachtung für sie. Euer Ad-limina-Besuch ist eine willkommene Gelegenheit zur Festigung der starken Bande, die die Teilkirchen in Sambia mit dem Bischof von Rom verbinden. Insbesondere bitte ich den allmächtigen Gott, daß das Bekenntnis eures Glaubens an den Grabstätten der Apostel Petrus und Paulus euch neue Kraft geben möge, um die Aufgaben und Verantwortungen eures Bischofsamtes in Treue und pastoraler Liebe erfüllen zu können. 2. Die eurer Fürsorge anvertrauten Mitglieder der Ortskirchen sind Bürger einer Nation, die einen tiefgreifenden Umbruch durchlebt. Es ist nicht schwer, die Befriedigung der Sambier nachzuvollziehen, wenn man berücksichtigt, welch bedeutende politische und gesellschaftliche Wandlungen sich auf friedliche Weise und mit dem Beitrag so vieler vollzogen haben. Die eifrigen Bemühungen von Hirten und Gläubigen in Zusammenarbeit mit den Christen anderer Kirchen und Glaubensgemeinschaften haben eindeutig eine wichtige Rolle für den positiven Ausgang dieser Übergangszeit gespielt. Jede gemeinschaftliche Aktion dieser Art bringt, so lehrt das Konzil, „die Verbundenheit, in der die Christen schon untereinander vereinigt sind, lebendig zum Ausdruck, und da alle im Dienst für das Wohl aller vereint sind, tritt 1395 AD-L1M1NA-BES U CHE das Antlitz Christi, des Gottesknechtes, in hellerem Licht zutage” (vgl. Unitatis re-dintegratio, Nr. 12). Weiter bemerken die Konzilsväter: „Diese Zusammenarbeit... muß mehr und mehr vervollkommnet werden” (ebd.). In Zeiten gesellschaftlicher und kultureller Wandlungen sind sich die Bischöfe besonders deutlich ihrer Pflicht bewußt, den Getauften zu helfen, daß sie ihre Taufweihe und ihre Sendung leben können. Sie tun das, wenn sie die „Zeichen der Zeit” im Licht des Evangeliums lesen, das ja eine! unerschöpfliche Macht hat, die wahre Bestimmung des Menschen und die Natur zeitlicher Gegebenheiten in ihrem Verhältnis zu dieser Bestimmung zu erhellen. Ihr habt euch mit großem Eifer bemüht, die Last dieser Verantwortung zu tragen, und ich möchte euch unter anderem eine Initiative empfehlen, nämlich die Veröffentlichung eures Hirtenbriefes: „Ihr sollt meine Zeugen sein.” 3. Die Anerkennung für das, was bisher erreicht worden ist, täuscht euch nicht darüber hinweg, daß vieles noch getan werden muß auf dem Weg zu jener gesunden Gesellschaftsordnung, die die Menschen in Sambia anstreben. Dies berücksichtigend, fordert ihr in eurem Schreiben „Die Zukunft gehört uns” eine neue verantwortungsbewußte Kultur der Moral und der Politik. Eine breite Reaktion auf diesen Aufruf zu ethischer Erneuerung ist von wesentlicher Bedeutung für ein gesundes demokratisches System, in dem Gerechtigkeit und Solidarität die Grundlage der harmonischen Existenz des Staates werden. In meiner Enzyklika Centesimus annus bemerkte ich, daß die Förderung des Menschen durch Bildung und Erziehung zu wahren Idealen eine unerläßliche Voraussetzung für die Verwirklichung einer authentischen Demokratie ist (vgl. Nr. 40). Ohne solide moralische Erziehung würde keine Bürgerschaft in der Lage sein, ihre politischen Funktionen gut auszuüben. Nur wenn die Menschen vernünftig, gerecht, besonnen und mutig sind, werden die von ihnen getroffenen Entscheidungen - ob hinsichtlich der von ihnen gewählten verantwortlichen Persönlichkeiten oder der bevorzugten politischen Richtung - für das Wohl der Nation tatsächlich richtungweisend sein. Unter den gesunden ethischen Verhaltensweisen, die wir heute brauchen, nimmt die Solidarität berechtigterweise eine Vorrangstellung ein, denn diese Tugend „ist die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das ,Gemeinwohl’ einzusetzen, das heißt für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind” (Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). 4. Nicht nur die politischen Wandlungen in Sambia sind für die Katholiken eine Herausforderung, ihre Taufberufung tatsächlich zu leben. Veränderungen, die die Wirtschaft und andere Elemente der Gesellschaft betreffen, können - wie ihr angedeutet habt - das christliche Leben, insbesondere das christliche Familienleben, erschweren. Wirtschaftliche Probleme, gekoppelt mit der schnellen und intensiven Verstädterung in eurem Land, führen unweigerlich zu Situationen, wo unmoralische Reaktionen auf die daraus entstehenden Notlagen starke Anziehungskraft ausüben. Die Tatsache, daß ihr der Familienpastoral große Bedeutung beimeßt, zeugt von eu- 1396 AD-LIMINA-BESUCHE rem gesunden pastoralen Urteil. Ich bestärke euch darin, unermüdlich die Gläubigen zu ermahnen und zu ermuntern, daß sie ihr Leben nach dem Beispiel des christlichen Ehe- und Familienlebens ausrichten. Das Apostolische Schreiben Familiaris consortio hat ja bereits hervorgehoben: „Ein besonderes Anliegen wird es ihm (dem Bischof) sein, dafür zu sorgen, daß seine Diözese immer mehr zu einer ,Diözesanfamilie’ wird, Vorbild und Quelle der Hoffnung für die vielen Familien im Bistum” (Nr. 73). In diesem Zusammenhang scheint es angebracht, zwei besonders besorgniserregende Punkte zur Sprache zu bringen. Das erste Anliegen ist die Verbreitung des Aids-Virus. Gegenüber diesem Problem ist es die Pflicht aller Jünger Christi, keine gute Tat unversucht zu lassen, damit die Leidtragenden nicht ohne jene christliche Liebe leben müssen, die der höchste Prüfstein für das Handeln der Anhänger Christi ist. Gleichzeitig fordert die Kirche nachdrücklich jeden auf, im Einklang mit den hohen Anforderungen moralischer Verhaltensweise zu leben, die allein die wahre Würde der menschlichen Person zum Ausdruck bringen. Ein zweites wichtiges soziales Problem ist es, den Frauen zu ihrer berechtigten Stellung in der sambischen Gesellschaft zu verhelfen. Ihr unschätzbarer Beitrag für das Wohl aller sollte entsprechend anerkannt werden. Ebenso ist es wichtig, daß der volle Rechtsschutz auf wirksame Weise auch auf sie ausgedehnt wird, um ihre Rechte, besonders ihr Anspruch auf persönliche Sicherheit, wirtschaftliche Gleichberechtigung und Zugang zu Bildung, zu wahren. 5. Hinsichtlich dieser und anderer gesellschaftlicher Probleme sollt ihr weiterhin nach Anregungen in der Soziallehre der Kirche suchen und die Gläubigen zum Leben nach diesen Grundsätzen anleiten. Eure Bemühungen sind nicht lediglich eine Reaktion auf den Dmck der augenblicklichen Ereignisse. Sie entspringen vielmehr der festen Überzeugung von der engen Verbindung zwischen der Sendung der Kirche, das Evangelium zu verkünden, und der Unterstützung, die sie zur Förderung und wahren Befreiung der Menschheit gibt: „Zwischen Evangelisierung und menschlicher Förderung ... bestehen in der Tat enge Verbindungen” (Evangelii nuntiandi,Nr. 31). Die Sorge um die gesellschaftliche Entwicklung steht in Sambia im Mittelpunkt der langjährigen Tradition kirchlicher Tätigkeit auf dem Bildungs- und Gesundheitssektor, ebenso wie in anderen Bereichen der Dienstleistung am Menschen. Die bereits durch ihren Beitrag an Schulen, Krankenhäusern, Kliniken und ähnlichen Zentren hochgeschätzte katholische Gemeinde bewegt sich unter eurer Führung auf den Tag zu, an dem die direkte Teilnahme der Kirche im Bereich der Erziehung wieder ihren ursprünglichen Stand haben wird. Angesichts des hohen Prozentsatzes junger Menschen in der Bevölkerung Sambias weiß ich, wie sehr ihr die Bedeutung dieser wachsenden Verantwortung spürt und daß ihr alles tun werdet, um seitens der katholischen Gemeinde die bestmögliche Antwort zu finden. Hinsichtlich der religiösen Unterweisung der Jugendlichen möchte ich nochmals den Katecheten eurer Diözesen, die Gott durch ihren Dienst am Evangelium Ehre und Ruhm erweisen, 1397 AD-LIMINA-BESUCHE meine Hochachtung aussprechen. Ich bin sicher, daß durch die Veröffentlichung des Katechismus der Katholischen Kirche euch ein besonders geeignetes Werkzeug zur Lenkung des katechetischen Apostolats und zur Unterstützung aller, die sich dieser grundlegenden Arbeit widmen, zur Verfügung stehen wird. 6. Die ständige Zunahme der Anwärter für das Priesteramt und das Ördensleben in Sambia erfordert sorgfältige Führung und Lenkung in der Auswahl und der Vorbereitung deijenigen, die sich auf diese Berufungen vorbereiten. Ich versichere euch, daß eure Seminare, wenn sie den grundlegenden Voraussetzungen des kirchlichen Programms für die Priesterausbildung entsprechen - wie sie vor allem im Konzilsdekret Optatam totius und dem nachsynodalen Schreiben Pastores dabo vobis angeführt sind -, für die kommenden Generationen ausgezeichnete Früchte tragen werden. Unter den wichtigsten Eigenschaften, die in den Seminaren gefördert werden sollten, unterstreichen die Dokumente vor allem den in Liebe bejahten Zölibat, den Geist der Armut und Einfachheit und eine unerschöpfliche, eifrige Sorge für das Heil der Seelen, insbesondere zur Rettung derer, die sich verirrt haben oder in die Schlingen der Sünde geraten sind. Die Sorge des Bischofs für die Ausbildung der Priester endet nicht mit dem Tag, an dem seine geistigen Söhne die Weihe empfangen. In Pastores dabo vobis schrieb ich: „Er ist verantwortlich für jene Weiterbildung, die dafür zu sorgen hat, daß all seine Priester der Gabe und dem empfangenen Dienstamt in besonderer Weise treu sind, so wie das Gottesvolk sie will und mit Recht will” (Nr. 79). Wenn ihr dafür sorgt, daß es in euren Diözesen Priester, gibt, deren Herzen nach dem Vorbild des großen Hohenpriesters geformt sind, schafft ihr wahrhaft die Voraussetzungen für das zukünftige Wohl der Kirche in eurem Land. 7. Ebenso trägt der Bischof, obschon er die legitime Autonomie der Ordensinstitute und der apostolischen Werke achtet, doch präzise pastorale Verantwortungen gegenüber denjenigen, die diesen Gemeinschaften arigehören. Er sollte stets bereit sein, junge Sambier zu unterstützen, die danach streben, durch die Beobachtung der evangelischen Räte ihr Leben dem Dienst am Reiche Christi zu weihen. Von besonderem Wert ist die Hilfe, die er den Oberen bei ihrer schwierigen Aufgabe bieten kann, wenn es dämm geht, durch kluge Unterscheidung die Eignung der Kandidaten für das Ordensleben zu erkennen. Ebenso schließe ich mich euch an, wenn ihr eure Achtung für die hochherzigen Missionare: Priester, Schwestern, Männer und Frauen der Laienschaft, zum Ausdmck bringt, die der Geist bewegt hat, nach Sambia zu kommen und Zeugnis zu geben für jenen Austausch von geistigen Gaben zwischen den Teilkirchen, der eine wesentliche Fracht kirchlicher Gemeinschaft ist. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt, meine Worte an euch sind als Ermutigung im Herrn gedacht. Im vollen Bewußtsein der mühevollen Arbeit, die euer Amt täglich mit sich bringt, vertraue ich euch und allen Menschen eurer Diözesen der hebevollen Fürsorge Marias, der Königin der Apostel, an. Ich bete unablässig für die kommende Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, auf die ihr euch mit großem Eifer 1398 AD-LIMINA-BESUCHE vorbereitet. Möge die Kirche in Sambia und überall in Afrika durch diese bedeutende Initiative ein neues Pfingsten erleben, durch das die Menschen dieses Kontinents mit dem Heiligen Geist erfüllt und in ihren vielen verschiedenen Sprachen und Kulturen Gottes Lob singen werden (vgl. Apg 2,4). Mit dieser Hoffnung erteile ich euch und allen Gläubigen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Kirche kennt keine Ausländer - sie will allen Menschen Heimat sein Ansprache an die ungarischen Bischöfe beim Ad-hmina-Besuch am 28. Januar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Zum Abschluß Eures Ad-limina-Besuches grüße ich Euch alle recht herzlich, in besonderer Weise den sehr geehrten Kardinal Läszlo Paskai, Primas von Ungarn. Jedem einzelnen von Euch konnte ich bereits im persönlichen Gespräch begegnen. Ihr habt Eurem Glauben durch die Verehrung der Gräber der Apostelfürsten Petrus und Paulus Ausdruck verliehen. Dieser Glaube hat Euch und die Euch anvertrauten Gläubigen auch über Jahrzehnte der Unterdrückung und schweren Beeinträchtigung der Freiheit getragen. Zugleich bin ich Euch dankbar, daß Ihr Euch mit mir und den verschiedenen zentralen Behörden des Apostolischen Stuhles, die meine „Sorge für alle Gemeinden” (2 Kor 11,28) teilen und auch Euch zur Verfügung stehen, über die Tröstungen Gottes wie auch die Prüfungen, Schmerzen und Hoffnungen ausgetauscht habt. Dies gehört zu Eurer Sorge für die Herde Christi, die Euch auf di-özesaner Ebene anvertraut ist. Zum ersten Mal begrüße ich anläßlich des Ad-limina-Besuches die Mitbrüder Nän-dor Takäcs von Szekesfehervär, Lajos Päpai von Györ, Mihäly Mayer von Pecs, Ferenc Keszthelyi von Väc, Asztrik Värszegi von Pannonhalma sowie die Weihbischöfe Istvän Katona, Istvän Acs, Vilmos Dekäny, Bela Baiäs und Csaba Temyäk. Außerdem gilt mein Gruß unserem Mitbruder Attila Miklöshäzy, dem die Seelsorge für die im Ausland lebenden Ungarn anvertraut ist: 2. In Dankbarkeit denke ich an meinen Pastoralbesuch in Eurem gebebten Land im Jahre 1991 zurück. Die beeindruckend große Zahl der teilnehmenden Gläubigen hat auch vor der Weltöffenthchkeit deutlich werden lassen, daß das Christentum in Eurem Land lebendig und die Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri ungebrochen gebbeben sind. Möge das neu erwachende Glaubensleben der Katholiken und der Christen im allgemeinen weiterhin Belebung und Vertiefung erfahren. Die Tatsache, daß die während meines Besuches gehaltenen Ansprachen Bestandteil der Wortverkündigung, des Rehgionsunterrichts und geistbcher Kurse bilden, hat mich aufrichtig gefreut. Möge die Einheit zwischen dem Petrusamt und der Kirche in Eurem Land auch in Zukunft Bestand haben und weiter gefestigt werden. 1399 AD-L1MINA-BESUCHE Dem Vorsitzenden Eurer Konferenz, unserem Mitbrader Istvän Seregely, danke ich für die vertrauensvollen Worte der Begrüßung, mit denen er die Schwierigkeiten und Herausforderungen^ vor die sich dierKirche in Ungarn gestellt sieht, geschildert hat; und gleichzeitig auch auf die bereits unternommenen Schritte zu einer vielversprechenden Erneuerung hinweisen konnte. 3. Die Kirche in Ungarn mit ihrer tausendjährigen Tradition hat eine Phase harter Prüfungen durchlebt, die ihr infolge der den Zweiten Weltkrieg abschließenden Teilung der politischen Einflußsphären in Europa auferlegt war. Unter großen Opfern habt Ihr in schwerer Zeit versucht, den Menschen in ihren vielfältigen Nöten beizustehen. Dabei war Euch Euer Vorgänger, der große und unvergeßliche Kardinal Jözsef Mindszenty, „der ein leuchtendes Zeugnis der Treue zu Christus und zür Kirche und der Liebe zu seinem Vaterland hinterlassen hat” (Predigt bei der Eucharistiefeier in Esztergom, 16.8.1991, Nr. 5), stets ein Vorbild in seinem Kampf für die Freiheit der Religion und in seiner Überzeugung der Unvereinbarkeit von Christentum und der verordneten und aufgezwungenen marxistisch-leninistischen Ideologie. Durch die Wende ist den Menschen in Eurem Land erst wirklich bewußt geworden, daß sie in einer zerstörten und zerschlagenen Gesellschaft lebten. Die Kirche ist für viele Menschen in dieser Situation des Umbruchs eine der wenigen glaubwürdigen Institutionen. Das Vertrauen, das in Euch gesetzt wird, und die Erwartungen, die an Euch gerichtet werden, sind groß. Zur Erfüllung der Euch vielfach angetragenen Aufgaben, die Ihr nicht zurückweisen könnt, und um die Ihr Euch nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, wird es nötig sein, ideelle und personelle Anstrengungen zu unternehmen. Zwar ist die Zeit des Totalitarismus, der Religion und Kirchlichkeit im Namen einer profanen Heilslehre mit diktatorischen Maßnahmen unterdrückte, zu Ende, doch steht Euer Land heute unter den Einflüssen überzogener Konsumorientierung und der Auflösung traditioneller Werte. Dabei besteht die Gefahr, von einer Abhängigkeit in eine andersartige zu gelangen, die nicht weniger echter menschlicher Entfaltung entgegensteht und das Christentum gleichermaßen daran hindert, seine unverzichtbare Rolle als integrierender Bestandteil der ungarischen Geschichte und Kultur in der erforderlichen Weise realisieren zu können. Mit dem Apostel Paulus möchte ich Euch deshalb sagen: „Bleibt daher fest und laßt euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auferlegen” (Gal 5,1). . Eure Priester haben während der. vierzigjährigen kommunistischen Herrschaft vielfach Heroisches geleistet. Viele mußten auch die bittere Erfahrung machen, daß sie menschlich alleingelassen wurden, was zur Folge hatte, daß sie sich nicht selten innerlich abkapselten und von den anderen zurückzogen. Diese Erfahrung wurde noch verstärkt durch Enttäuschungen, die sie teilweise mit Mitbrüdern jachen mußten, die ihr priesterliches Amt nicht immer im wünschenswerten Einklang und offenem 1400 AD-LIMINA-BESUCHE Miteinander unter den verantwortlichen Hirten ausgeübt haben. Weist ihnen den richtigen Weg und bringt auch ihnen Eure Yergebungsbereitschaft entgegen. Die Kirche hat den missionarischen Auftrag, auf die Menschen zuzugehen. Die Priester dürfen es nicht dabei bewenden lassen, zurückgezogen in den Pfarreien und Ordenshäusem zu leben und darauf zu warten, daß sich die anderen an sie wenden (vgl. Ansprache an die ungarischen Seminaristen in Budapest, 19:8.1991, Nr. 5). Von Herzen ermutige ich Euch, Euren Priestern beizustehen, den Menschen erneut Vertrauen entgegenzubringen und auch sich selbst um ihr Vertrauen zu bemühen, indem sie auf sie zugehen und sich ihnen öffnen, um durch Überwindung isolierender Schranken neue Zuversicht zu gewinnen. Nur aus einer solchen gegenseitigen Aufgeschlossenheit kann eine heute unverzichtbare Kooperationsbereitschaft auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens erwachsen. Die Priester können und sollen nicht die Arbeit in allen Bereichen allein leisten, da sie sich dadurch selbst überfor-dem und überlasten würden; für die Menschen wären sie dann nicht mehr in dem wünschenswerten Maße seelsorglich verfügbar. Die Ausbildung qualifizierter Laien ist deswegen eine dringende Notwendigkeit, um die Kommunikation zwischen den verschiedenen Ebenen kirchlichen Lebens wiederherzustellen. Dies ist auch im Hinblick auf die kommenden Diözesansynoden von Wichtigkeit. Verschiedene nützliche Initiativen habt Ihr in diesem Bereich bereits eingeleitet. So ist etwa an die Neubelebung der Peter-Päzmäny-Akademie zu erinnern, die sich einer christlich orientierten Ausbildung von Mittelschulprofessoren und Journalisten widmet. Schon zuvor hat diese Akademie einen theologischen Femkurs eingerichtet, durch den die Ausbildung von Laienkräften ermöglicht und intensiviert werden konnte. Während der Zeit der kommunistischen Herrschaft versuchte der Staat alles, um verschiedene Teile der Kirche gegeneinander auszuspielen. Die von Aufgabe und Amt her gegebene Differenzierung in der Kirche wurde durch ausgeklügelte Manipulationen zu einer für die ganze kirchliche Gemeinschaft schädlichen Gegnerschaft instrumentalisiert. Auch wenn dieses Problem heute überwunden ist, bleibt festzustellen, daß die Vorstellungen von Autonomie sowie die Aktivitäten mancher Basisgruppen nicht kooperationsfördemd sind. Bewegungen, die in den Jahren ihrer Absonderung theologisch und ekklesiologisch problematische Positionen eingenommen haben, müssen Änderungsbereitschaft zeigen, damit sie gesamtkirchlich rezipierbar werden. 4. Infolge des marxistischen Unterrichtswesens und der staatlich monopolisierten Medien hat das frühere System einen Mangel oder zumindest die Verzerrung religiöser Kenntnisse als Erbe hinterlassen. In diesem Zusammenhang ermuntere ich Euch, die neuen Möglichkeiten, die die Kirche nunmehr hat, zu nutzen, damit sie mittel- und längerfristig Früchte zeitigen können. Vor allem müssen wir an den Religionsunterricht denken, der jetzt sowohl in den Pfarrgemeinden wie auch an den Schulen möglich ist. Die Eltern haben die volle Freiheit und das Recht, ihren Kindern durch die Teilnahme am Religionsunterricht die Bildung vermitteln zu lassen, 1401 AD-UMINA-BESUCHE die ihrer eigenen Überzeugung entspricht. Ja, es ist eine den Eltern „auferlegte schwere Verantwortung, alles zu veranlassen und auch zu fordern, daß ihre Kinder solcher Hilfestellung teilhaftig werden und daß mit der profanen auch die christliche Ausbildung Schritt hält” (Gravissimum educationis, Nr. 7) Die Kirche ihrerseits hat die Pflicht, den ihr eigenen Auftrag zur religiösen Erziehung (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 3), den sie in Zusammenarbeit mit Eltern, Gesellschaft und Staat wahmimmt, zu erfüllen. Die Menschen, die 40 Jahre lang wegen ihres christlichen Glaubens unter dem Regime gelitten haben, besitzen ein Anrecht, von den neuen Möglichkeiten der Glaubens Verkündigung und des kirchlichen Engagements Gebrauch zu machen. Mein Dank gilt Eurem Bestreben, der jungen Generation in katholischen Schulen christliche Wertvorstellungen zu vermitteln. Die Errichtung Pädagogischer Hochschulen ist daher ebenso von Bedeutung, um über qualifiziertes Lehrpersonal verfügen zu können. 5. Der Priester- und Ordensnachwuchs muß Euch ein besonderes Anliegen sein. Auch hier wird sich der grundlegende Wandel nur schrittweise bemerkbar machen. Mit großer Genugtuung habe ich zur Kenntnis genommen, daß die Orden, die wieder frei wirken und sich reorganisieren können, zum Teil ansehnlichen Nachwuchs haben. Das Wiedererstehen der männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften, die vielfach eine beträchtliche Ausstrahlung haben, ist mitentscheidend für eine umfassende Erneuerung des kirchlichen Lebens in Eurem Land. Ein besonderes Augenmerk bitte ich Euch auf die Priesterausbildung zu richten. In den zurückliegenden Jahrzehnten ist die Zähl der Priesterseminare auf die Hälfte zurückgegangen. Vor allem geht es um eine qualifizierte Ausbildung des künftigen Leitungs- und Lehrpersonals. Im Interesse eines angemessenen Niveaus in Forschung, Lehre und Priesterausbildung ist es nicht unbedingt notwendig, daß jede Diözese ein eigenes Seminar einzurichten versucht; dies würde die bereits bestehenden nur schwächen und der Qualität der Ausbildung hinderlich sein (vgl. Opta-tam totius, Nr. 7). In einer gesetzlichen Regelung für die Hochschulen sollte überdies eine Lösung angestrebt werden, die die Freiheit der Seminarien und der theologischen Fakultäten sichert, aber auch die Gewähr für die Anerkennung ihrer Ausbildung und der durch die Staatsangehörigkeit gegebenen Vergünstigungen gibt. 6. Von großer Dringlichkeit ist ferner eine „technische, theoretische und charakterliche Ausbildung” von jungen Menschen mit engagiertem Glauben im Bereich der Medien (Inter mirifica, Nr. 15). Die Benachteiligung des religiös-kirchlichen Bereiches ist ein weiteres Erbe des vergangenen Systems, da der Beruf des Journalisten kritischen Mitbürgern und erst recht Christen verschlossen war. Die Folge ist, daß bei religiös kirchlichen Themen selbst in den Medien, die nicht manipulieren und einseitig kritisch berichten, Defizite zu beklagen sind. Viele Journalisten besitzen nicht einmal die elementarsten Grundkenntnisse über Religion, Christentum, und Kirche. 1402 AD-LIMINA-BES U CHE Die alten Seilschaften sind im Medienbereich teilweise noch intakt; demzufolge werden Andersdenkende hier kaum Zugang erhalten. Deswegen bitte ich Euch eindringlich, für die elektronischen Medien und für die Presse gute Journalisten heranzubilden, die ihre Arbeit in einem neuen Geist leisten. Achtet darauf, daß ein entsprechender Raum für die von der Kirche selbst verantworteten Sendungen eingeräumt wird. Wir können uns religiöse und kirchliche Themen in Rundfunk und Fernsehen nicht von anderen auslegen lassen, wobei immer wieder alte Thesen und Vorurteile aufgewärmt werden. Wenn die Kirche auf ihrer spezifischen Kompetenz bei der Darstellung und verbindlichen Auslegung der christlichen Tradition insistiert, handelt es sich dabei in keiner Weise um Machtmißbrauch; dieser wird vielmehr von jenen ausgeübt, die ihr dieses Recht verweigern wollen. 7. Ihr selber, hebe Mitbrüder, mußtet nur zu oft in den letzten Jahren inkompetente Beurteilungen von seiten der Medien ertragen. Einerseits wurdet Ihr eines übertriebenen Traditionalismus bezichtigt, andererseits hat man Euch einer verzerrten Progressivität beschuldigt. Laßt Euch dadurch nicht beirren, und haltet fest an Eurer gemeinsamen Verantwortung für die Einheit der Kirche Ungarns; niemand wird dann in Euren Reihen Spaltungen hervorrufen können. Eure Einheit untereinander ist von gleicher Bedeutung wie Eure Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri. Dieses Prinzip möge Eurer pastoralen Arbeit in Euren Diözesen vor Augen stehen. Im Bereich der Katechese und der Erwachsenenbildung wurde Euch jüngst durch die Herausgabe des „Weltkatechismus” eine hervorragende Grundlage an die Hand gegeben. Die Übersetzung in Eure Muttersprache hat bereits große Fortschritte gemacht. Bestandteil einer wirkungsvollen Pastoral sind auch die materiellen Voraussetzungen. Mir ist dabei nicht entgangen, daß die Rückgabe der Güter an die Kirche im Zusammenhang des Zehn-Jahresplanes auf Schwierigkeiten stößt. Im Wissen darum, daß nicht jedes Problem in kürzester Zeit gelöst werden kann, ermutige ich Euch, in beharrlicher Geduld die Durchführung bereits beschlossener Maßnahmen zu erwirken und mit Augenmaß und Verständigungsbereitschaft eine langfristige Erneuerung anzustreben. Auch die Verbesserung und Bereinigung der Diözesangrenzen dient letztlich einer bestmöglichen Pastoral. Es entspricht durchaus den Normen des Dekretes des II. Vatikanischen Konzils über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche, daß der Bischof aus erreichbarer Entfernung und mit einem akzeptablen Zeitaufwand die Pfarreien besuchen kann. Es ist daher wünschenswert, daß das von diesen Kriterien inspirierte Vorhaben eine baldige und rasche Verwirklichung erfahre, damit „dem Heil des Gottesvolkes so vollkommen wie nur möglich gedient werden” kann ('Christus Dominus, Nr. 22). 8. Mit Freude und Genugtuung habe ich den Quinquennalberichten entnommen, daß das eucharistische Leben und die Bußpraxis der Gläubigen eine Belebung erfahren haben. Die Zahl der Gottesdienstbesucher hat sich deutlich erhöht. 1403 ÄD-LIMINA-BESUCHE In der Glaubensunterweisung habt Ihr in Zukunft zweifellos große Aufgaben zu bewältigen. Die Unwandelbarkeit und die Objektivität der Moralgesetze und insbesondere die sittliche Verantwortung gegenüber dem werdenden Leben, stellen dabei einen wesentlichen Bestandteil dar. Ihr habt gerade in jüngster Zeit bewiesen, daß sich die Morallehre der Kirche nicht an parlamentarischen Mehrheitsäußerungen orientieren darf, sondern an der Lehre Christi und an den Weisungen des kirchlichen Lehramtes. In diesem Zusammenhang darf ich Euch ausdrücklich für Eure klare Position danken, die Ihr während der letzten Monate in der Diskussion über den unverletzlichen Wert des menschlichen Lebens, vom Augenblick der Empfängnis an, eingenommen habt. Der unveräußerliche Wert des menschlichen Lebens hegt in seinem Wesen begründet. Menschliches Leben ist und bleibt unverfügbar und kann nicht innerhalb einer bestimmten Frist zur Disposition gestellt werden. Auch wenn die Gesetzgebung in Eurem Land der Lehre der Kirche nicht entspricht, bitte ich Euch eindringlich, den Frauen, die sich in Bedrängnis befinden, kirchlicherseits beizustehen, auch dann, wenn sie sich gegen das beginnnende Leben entschieden haben sollten. Die Kirche ist es, die im Interesse der Frauen handelt, wenn sie hilft, Abtreibungen zu verhindern. 9. Von Bedeutung für die Kirche in Ungarn sind auch die ökumenische Zusammenarbeit und der Dialog mit den jüdischen Kultusgemeinden. Das Streben nach der vollen Einheit mit allen an Christus Glaubenden muß den Weg der Kirche begleiten und kennzeichnen. Wir haben soeben die Gebetswoche um die Einheit der Christen beendet, die unter dem Thema stand: „Fracht des Geistes -einswerden in Christus”. Sehr gut ist die ökumenische Praxis in allen Formen der unmittelbaren Hilfe für den Nächsten. Ebenso wird die Notwendigkeit des Gebetes für die Einheit heute deutlicher gesehen; sie ist nicht etwas vom Menschen einfach Machbares und nicht nur eine Frage des guten Willens, sondern ein Geschenk Gottes. Dem wieder erwachenden Rassismus und Antisemitismus in Europa seid Ihr mit einer eindeutigen Stellungnahme begegnet. Sie ist ein bedeutsamer Beitrag zu einer geistigen Haltung, die keinen Unterschied zwischen den Menschen kennt, und vielmehr zu einer konstruktiven Zusammenarbeit im Geist des gegenseitigen Respektes einlädt. 10. Ebenso wird Euer Appell an die Gläubigen, sich mehr für soziale und karitative Anliegen einzusetzen, Aufnahmebereitschaft finden. Das Schicksal unserer kranken, alten und behinderten Mitmenschen sowie die wachsende Zahl der Arbeitslosen kann uns nicht gleichgültig sein. Am persönlichen Einsatz und der materiellen Hilfe wird es das ungarische Volk sicher nicht fehlen lassen; dies wurde in den letzten Jahren wiederholt unter Beweis gestellt. Es war Euer Volk, das für den Drang der Menschen nach Freiheit bereits in der Vergangenheit heldenhafte Opfer gebracht und im Jahre 1989 den Flüchtlingen in beispielhafter WeiseBeistand und schließlich die Grenze öffnete. 1404 AD-LIM1NA -BES V CHE Die Hilfsbedürftigkeit, unabhängig von religiösen, nationalen oder weltanschaulichen Motiven, war für Euch das entscheidende Kriterium, als es darum ging, Mitmenschen in Euren Nachbarländern zu helfen, die unter kriegerischen Auseinandersetzungen zu leiden hatten. Eure Gläubigen haben ein beredtes Zeichen gesetzt, daß die Kirche keine Ausländer und keine Fremden kennt, sondern Universalitätscharakter besitzt und deswegen allen Menschen Heimat sein will. Kirche besteht über alle Nationalitäten hinweg; dies bedeutet aber nicht, daß wir den Minderheiten und ihren Rechten nicht unsere besondere Aufmerksamkeit widmen müssen. Zu den grundlegenden Minderheitenrechten gehören „das Existenzrecht, das Recht auf die Bewahrung der eigenen Kultur, das Recht auf den Gebrauch der eigenen Sprache und das Recht, Beziehungen zu den Gruppen zu unterhalten, mit denen sie ein gemeinsames kulturelles und geschichtliches Erbe besitzen, auch wenn sie auf dem Territorium eines anderen Staates leben” (Homilie bei der Eucharistiefeier in Mariapöcs, 18.8.1991, Nr. 2). 11. Liebe Mitbrüder, weist auch in Zukunft immer wieder auf die Gemeinschaft stiftende Kraft der Kirche hin. Nur so kann die Neuevangelisierung für ein friedliches Zusammenleben in Europa wirksam werden. Es war König Stefan, Euer großer Heiliger, der Euch den Weg gewiesen hat, Eure Aufgaben auf dem Weg in die Zukunft mit Tatkraft, Mut und Glaubenstreue zu erfüllen. Die Magna Domina Hungarorum, die Euer Volk über tausend Jahre hindurch hoch verehrt hat, möge Euch Fürsprecherin sein bei ihrem Sohn und Euch auf Eurem Weg begleiten. Gott schütze die Kirche und alle Menschen in Ungarn! Die Bischöfe müssen die Gläubigen zur Annahme der gesamten Lehre der Kirche veranlassen Ansprache an die Bischöfe der US-amerikanischen Bundesstaaten Illinois, Indiana und Wisconsin bei ihrem Ad-limina-Besuch am 20. März Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „Ich beuge meine Knie vor dem Vater ... Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen” (Eph 3,14-17). Da wir nun die Reihe der Ad-limina-Besuche der Bischöfe der Vereinigten Staaten beginnen, ist dies das Gebet, das ich für die Kirche in eurer großen und lieben Nation formuliere: Möge der Glaube der Bischöfe der Kirche erneuert und gestärkt werden, so daß alle Gläubigen Hilfe empfangen, mutig und ohne Abstriche ihre Berufung als Christen zu leben! An diesem Morgen heiße ich euch willkommen als die erste Gruppe von Bischöfen - aus Illinois, Indiana und Wisconsin. Euer Ad-limina-Besuch führt euch nach Rom, um die Gräber der ruhmreichen Märtyrer Petrus und Paulus zu verehren, die diese „größte und älteste Kirche” gegründet haben (hl. Irenäus, Adv. Haer. III.3.2), und um dem Nach- 1405 AD-LIMINA-BESUCHE folger des Petrus auf diesem Apostolischen Stuhl zu begegnen, der „in der universalen Gemeinschaft der Liebe den Vorsitz führt” (vgl. hl. Ignatius, Ad Rom., Vorwort). Ich begrüße euch in herzlicher, brüderlicher Verbundenheit im Herrn. Im Verlauf des Jahres werde ich nach und nach die Gruppen der Bischöfe aus den Vereinigten Staaten treffen. Diese Begegnungen haben für uns alle eine tiefe Bedeutung. Sie sind nämlich Ausdruck der kollegialen Struktur der hierarchischen Gemeinschaft der Kirche. Bei diesen Gelegenheiten erfahren wir in der Tiefe die geistliche Solidarität derer, die „einen Herrn, einen Glauben und eine Taufe” besitzen und „darauf bedacht sind, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der sie zusammenhält” (Eph 4,5.3). Während unsere privaten Gespräche sich mit den Situationen eurer einzelnen Diözesen befassen, bieten mir diese Gruppenbegegnungen Gelegenheit, mit euch und euren Brüdern, den Bischöfen in den Vereinigten Staaten, Gedanken über einige mehr allgemeine Aspekte eures Dienstes und des Lebens der Kirche in eurem Land auszutauschen. Ich möchte dies im Licht des Katechismus der Katholischen Kirche tun, der kürzlich veröffentlicht wurde und bald auch in seiner englischen Übersetzung verfügbar sein dürfte. Dieses Geschenk der Göttlichen Vorsehung - das Ergebnis eines von den Bischöfen bei der außerordentlichen Synode von 1985 geäußerten Wunsches (vgl. Schlußbericht, II. B. a. 4) -stellt einen autoritativen Ausdruck des vollen Reichtums und der wunderbaren Harmonie des katholischen Glaubens dar. Ich betrachte seine Veröffentlichung als eine der hauptsächlichsten Früchte des Zweiten Vatikanischen Konzils und als eines der bedeutendsten Ereignisse meines Pontifikates. Er ist ein unschätzbares Werkzeug der echt kirchlichen Erneuerung, die das Konzil im Sinn hatte. Der Struktur des Katechismus folgend, möchte ich mit den verschiedenen Bischofsgruppen bestimmte Aspekte im Bekennen und Beten, im Feiern und Leben des „rechten katholischen und apostolischen Glaubens” (/. Eucharistisches Hochgebet) betrachten. 2. Ich stelle diese Überlegungen von Anfang an in den Rahmen eines vertrauensvollen und festen Bekenntnisses des Glaubens der Kirche an unseren Herrn und Heiland Jesus Christus. Wir selbst müssen ständig in unserem Glauben erneuert werden, wenn wir unsere Sendung als Nachfolger der Apostel wirksam erfüllen wollen. Als Bischöfe sind wir vor allem „Zeugen Christi vor allen Menschen” (Christus Dominus, Nr. 11), „Glaubensboten, die Christus neue Jünger zuführen” (Lumen Gentium, Nr. 25). Als solche, „die offen und klar das Wort der Wahrheit ausrich-ten” (2 77m 2,15), müssen wir das weitergeben, was wir selbst empfangen haben (vgl. 1 Kor 15,3). Als Bischöfe sind wir Christus in der Fülle des Priestertums gleichgestaltet, um dieses Wort nicht als unser eigenes zu verkündigen und zu lehren, sondern in Übereinstimmung mit dem Ganzen der Überheferang der Kirche und in Gemeinschaft mit den übrigen Mitgliedern des Bischofskollegiums, immer in Einheit mit seinem Haupt. Trotz der eingedrungenen Säkularisierung sehnen sich die Menschen sehr nach einer echten Gotteserfahrung im Gebet und in einem inneren geistlichen Leben als Heil- 1406 AD-LIMINA-BESUCHE mittel gegen die Entmenschlichung des modernen Lebens (vgl. Redemptoris missio, Nr. 38). Zuweilen haben sogar Katholiken die Chance verloren oder sie nie gehabt, Christus persönlich zu erfahren: nicht Christus als bloßes „Beispiel” oder „Wert”, sondern als den lebendigen Herrn: „den Weg, die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6). Wollen wir diesem Bedürfnis gerecht werden, dürfen wir wie der hl. Paulus, nie vom Kern der Botschaft abweichen: „Christus, der Gekreuzigte ... Christus, Gottes Macht und Weisheit” (1 Kor 1,23-24). Tatsächlich besteht der „unaussprechliche Reichtum” (vgl. 2 Kor 4,7) im Geheimnis der Menschwerdung, des Leidens, des Todes und der Auferstehung des ewigen Sohnes Gottes, das in der katholischen Kirche gepredigt, gefeiert und gelebt wird. Dies ist die „rettende Gnade”, die Gott durch unseren Dienst jenen anbietet, die nach ihm suchen, und zwar allen ohne Unterschied. Jesus Christus ist die Frohbotschaft, auf die die Welt wartet, und es ist unsere Pflicht, diese Botschaft in seinem Namen klar auszusprechen. 3. Weil sich die Menschen eher durch das Zeugnis unseres Lebens als durch die Macht unserer Rede ansprechen lassen, haben sie ein Recht darauf, in ihren Hirten Männer zu erblicken, die in ihrem ganzen Leben auf Jesus Christus konzentriert sind, „den eingeborenen Sohn, der am Herzen des Vaters ruht” (Joh 1,18). Sie erwarten, daß auch wir, wie die Apostel, die ersten Zeugen, das übermitteln, was wir durch Gottes Gnade „mit unseren Augen gesehen, betrachtet und mit unseren Händen berührt haben” (7 Joh 1,1): Anderen das Gesehene weitergeben. Es ist vor allem Aufgabe der Bischöfe, eine glaubende Gemeinschaft aufzubauen, indem sie den Glauben der Kirche weitergeben und ihre autoritative Lehre und Disziplin in positiver Weise erklären, in einer Weise, die den Schwierigkeiten und Fragen gerecht wird, die das Volk bedrängen und ängstigen (vgl. Christus Dominus, Nr. 13). Da „das Wort Gottes lebendig und kraftvoll ist” iflebr 4,12), wird seine volle Kraft gerade in Gemeinschaften lebendig, in denen der „Glaubensgehorsam” (Röm 1,5) frei und in Liebe geleistet wird. Unser eigenes Glaubensbekenntnis, getragen von innigem Gebet, ist daher äußerst wichtig bei unserem Bemühen, die Gemeinschaft des Lebens unbefangen, begeistert und mutig mitzuteilen, die wir mit dem Vater und dem Sohn im Heiligen Geist teilen (vgl. 1 Joh 1,3). Jeden Tag bete ich für euch und eure bischöflichen Mitbrüder, daß ihr „euren Geist und Sinn erneuert und den neuen Menschen anzieht, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit” (Eph 4,23-24). Die gleiche Gunst erbitte ich von euch: Betet weiter, daß ich meinen Dienst als erster Hüter des Glaubensschatzes zum Wohl der Kirche in der ganzen Welt getreu erfülle. 4. Bei der Erfüllung eurer Aufgabe als Bischöfe trefft ihr auf ein kulturelles Klima, in dem viele auf den Anspruch nach Gewißheit in der Erkenntnis der Wahrheit mißtrauisch oder gar feindselig reagieren. Ein positivistischer Zugang hat eine Tendenz geschaffen, Fragen nach letzter Wahrheit aus der Öffentlichkeit auszuschließen und religiösen Glauben und durch moralische Werte begründete Urteile in die Privat- 1407 AD-L1M1NA-BES UCHE Sphäre zu verweisen. Die Richtung, welche eine Gesellschaft einschlägt, ist daher oft das Ergebnis der überwiegenden Zustimmung, die für unterschiedlichen Formen der Manipulierung ausgesetzt ist, von seiten jener, die die Mittel besitzen, die anderen mit ihrer Stimme zu übertönen. Am Ende kann sogar das Gesetz, das einen mächtigen, bildenden Einfluß auf die Denkweise der Menschen hat, von seinem moralischen Fundament losgelöst werden. In diesem Fall wird es nur noch als Werkzeug zur äußeren Regelung der Gesellschaft, ohne Bezug auf die objektive moralische Ordnung betrachtet. Daher habt ihr besondere Schwierigkeiten, „das Wort der Wahrheit und das Evangelium vom Heil” (Eph 1,13) zu predigen und zu lehren. Die Mehrheit der amerikanischen Katholiken versteht, daß die Glaubenszustimmung in erhabener Weise mit der Würde des Menschen übereinstimmt, insofern sie ein freier Akt des Verstandes ist, der Gottes Wort bejaht, wie.er es durch die Predigt und Lehre der Kirche empfängt im Vertrauen auf Gott, der weder täuschen noch getäuscht werden kann (vgl. Dei Filius, DS, 3008; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 156). Zugleich führt der moralische, psychologische und kulturelle Dmck des Lebens in den Vereinigten Staaten heute manche Menschen in der Kirche in Versuchung, zum großen Schaden der Seelen die Lehren der Kirche und ihre Disziplin zu kompromittieren. In einem Klima des religiösen Individualismus maßen sich manche das Recht an, sogar in wichtigen Dingen des Glaubens selber zu entscheiden, welche Lehren sie annehmen sollen, und sie mißachten, was ihnen unannehmbar erscheint. Doch eine Auswahl im Annehmen von maßgebenden Lehren der Kirche, so habe ich schon bei meinem Pastoralbesuch 1987 in Los Angeles gesagt, ist unvereinbar mit dem Anspruch, „ein guter Katholik” zu sein. Ihrer Natur nach ist sie ein Hindernis für die volle Teilhabe am kirchlichen Leben (vgl. Ansprache an die amerikanischen Bischöfe am 16. September 1987, Nr. 5). Es ist Aufgabe der Bischöfe, die ganze Gemeinschaft der Katholiken zur Annahme der maßgebenden Lehre der Kirche über Glaube und Sitten in ihrem vollen Umfang zu veranlassen. Die Hirten und andere Menschen guten Glaubens sollten nicht mutlos werden, als ob die Lehre der Kirche in bestimmten Punkten unwiederbringlich verloren wäre. Mit der Hilfe Christi, der „die Welt überwunden hat” (Joh 16,33), ist es niemals unnütz, gegen den Irrtum zu predigen, zu lehren und zu wirken, indem wir der Aufforderung des hl. Paulus folgen, dafür einzutreten, „ob man es hören will oder nicht” (2 Tim 4,2). 5. Wie ihr in einer kürzlichen Verlautbarung: Der unterweisende Dienst des Di-özesanbischofs: Eine pastorale Überlegung, geschrieben habt, antworten Bischöfe auf „ungenügende, verkürzte oder irrige Lehren” am besten durch eine „positive, wirksame, konsequente und richtige” Darlegung der katholischen Lehre (Vorwort). In der Tat, nur wenn eure Lehre klar, unmißverständlich und einheitlich ist, wird sie über den Widerstreit einander bekämpfender Meinungen mit dem Nachdruck und der Kraft der Wahrheit das Übergewicht behalten. Zwar erkennen wir gewiß die Tatsache an, daß die Kirche ihre Lehre mit unterschiedlichen Graden des Einsatzes 1408 AD-L1MINA -BES U CHE ihrer Lehrautorität darlegt (vgl. ebd., II, 2), doch es ist notwendig, den Sinn für die Ganzheit und innere Logik, die „Harmonie des Glaubens” wiederzugewinnen. Der größte Dienst, den ihr der Kirche in unserer heutigen Zeit leisten könnt, besteht zweifellos darin, daß ihr alles tut, um die Fülle und Schönheit des apostolischen Glaubens darzulegen und damit die Disharmonie und Verwirrung beendet, die durch Lehren über Glauben, Moral und Disziplin im Gegensatz zum Lehramt der Kirche vorgetragen werden. Mit dem ausgedehnten System katholischer Schulen auf allen Ebenen, den kateche-tischen Programmen in der Pfarrei für Kinder und Erwachsene, der katholischen Presse und anderen der Kirche in den Vereinigten Staaten verfügbaren Medien besitzt ihr die Mittel, die Glieder der Kirche mit einer tieferen und sichereren Kenntnis des Glaubens zu bereichern, so daß sie besser in der Lage sind, für diesen Glauben in der Familie und in der weiter ausgedehnten Gemeinschaft Zeugnis abzulegen. Ich bete und hoffe, daß der neue Katechismus den Antrieb für ein neues, landesweites katechetisches Bemühen von jung und alt liefern wird, so daß die Katholiken Amerikas mehr und mehr fähig werden, von der Hoffnung Rechenschaft zu geben, die in ihnen lebt (vgl. 1 Petr 3,15). Auf diese Weise werden sie auch einen immer spezifischeren und wirksameren Beitrag zur Bewältigung der ernsthaften ethischen und sozialen Fragen leisten, vor denen die Nation steht. 6. Das Jubiläum des Jahres 2000 lädt die ganze Kirche ein, sich auf das Gedenken an die erlösende Menschwerdung des Ewigen Sohnes vorzubereiten. Der nationale Plan und die Strategie für die katholische Evangelisierung, kürzlich von eurer Konferenz gebilligt, bieten einen Rahmen für diese Vorbereitung. Eine ständige Bekehrung von Geist und Herz, begleitet von intensivem Gebet, von einer frohen und häufigen Feier der Sakramente und einem moralischen Leben, das im Einklang steht mit der Nachfolge Christi, werden die Gemeinschaft der Katholiken in den Vereinigten Staaten bereit machen, das Jubiläum in vollem Vertrauen auf Jesus Christus, den Herrn der Geschichte, der „der Gleiche gestern, heute und in Ewigkeit ist” (Hebr 13,8), zu begehen. Wir wollen ferner über alle Strategien und Zielsetzungen, Pläne und Veranstaltungen hinaus nie vergessen, daß der Heilige Geist die treibende Kraft bei aller Bekehrung und bei allem Wachstum in der Heiligkeit ist; es gibt zahlreiche verheißungsvolle Zeichen für seine Präsenz und sein Wirken in allen euren Diözesen. Ich blicke zuversichtlich auf die Feier des Weltjugendtages in Denver im August als eine herrliche Gelegenheit zur neuen Verkündigung des heilbringenden Geheimnisses Christi vor der Jugend. Er hat ja gesagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Ich danke euch für alles, was ihr in euren Diözesen tut, um möglichst viele Jugendüche zur Teilnahme an diesem wichtigen kirchlichen Ereignis zu veranlassen als Zeichen und Zeugnis für die Lebenskraft der Kirche in eurem Land. 1409 AD-LIM1NA-BES UCHE 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, beim Letzten Abendmahl forderte Jesus seine Jünger zur Freundschaft mit ihm auf, indem er ihnen sagte, sie seien nicht länger Knechte (vgl. Joh 15,13-14), und indem er mit der Eucharistie dieses innige Verhältnis besiegelte. Der Herr zieht euch als Nachfolger der Apostel weiter in sein Vertrauen, um euch in dieser Wahrheit zu befestigen, so daß ihr eurerseits seine starke und befreiende Macht vor dem eurer pastoralen Sorge anvertrauten Volk Gottes verkünden könnt. Das größte Zeugnis der Apostel hegt in ihren Martyrium, und dies ist das Beispiel, das wir vor Augen haben müssen, wenn wir versuchen, Gottes geliebtes Volk in der Treue zum obersten Hirten, Jesus Christus, zu bewahren (vgl. 1 Petr 5,4). Ich vertraue Maria, der Mutter der Kirche, die Lasten und Freuden eures Amtes sowie die Bedürfnisse und Hoffnungen der Kirche in den Vereinigten Staaten an. Einem jeden von euch sowie allen Priestern, Ordensleuten und Laien in euren Diözesen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Stärkung der Katechese als wichtige Aufgabe der Kirche in den USA Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Michigan und Ohio (USA), am 24. April Liebe Brüder in Christus! 1. In der Liebe des auferstandenen Herrn begrüße ich euch Bischöfe der USA aus Michigan und Ohio anläßlich eures Ad-limina-Besuchs. In diesen Tagen österlicher Freude der Kirche bete ich für euch, euer Leben und euer Dienst mögen mit stets wachsender Kraft Zeugnis dafür geben, daß „Christus von den Toten auferweckt worden [ist]” (1 Kor 15,20). Auf diese Weise werdet ihr authentische Zeugen und Lehrer des Glaubens sein und so die euch als Mitgüedem des Bischofskollegiums anvertraute Mission wirksam erfüllen. Das Volk Gottes hat es nötig, auf das klare Glaubenszeugnis der Bischöfe der Kirche zählen zu können: „Da wir nun einen erhabenen Hohenpriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, laßt uns an dem Bekenntnis festhalten” {Hehr 4,14). Versammelt hier am Grab des Petrus, den der Herr nach der Auferstehung in der Rolle, seine Brüder zu stärken, bestätigt hat (vgl. Joh 21,15-19), sind wir in einer sowohl brüderlichen als auch hierarchischen Gemeinschaft vereint. Diese Vereinigung in Christus erstreckt sich auf den Klerus, die Ordensleute und die Laien eurer Ortskirchen. Mit euch lobpreise ich den Heiligen Geist für die Gaben und Dienste, die er in ihnen hervorbringt, und für seine Macht, alle miteinander in einer wunderbaren Einheit zu verbinden (vgl. 1 Kor 12,4 ff.). 2. Mit Vertrauen auf denselben Geist setzen wir unsere Überlegungen über die pastoralen Herausforderungen, die sich der Kirche in eurem Land stellen, fort. Auf- 1410 AD-LIMINA -BES UCHE bauend auf dem. was ich letzten Monat zu der ersten Gruppe von Bischöfen bezüglich des Katechismus der Katholischen Kirche gesagt habe, möchte ich noch einmal unterstreichen, von welcher Bedeutung es für das Leben der Kirche ist, die Wahrheiten des Credos, Ausdruck des Glaubens der Kirche und Garantie ihrer lehrmäßigen Apostolizität und Einheit besser zu kennen. Es ist nicht möglich an die Kirche zu denken ohne ihr Credo, ohne die Wahrheiten, die von denen bekannt werden müssen, die im Band ihrer sichtbaren Gemeinschaft bleiben wollen. In der Gemeinschaft der einen Kirche Christi muß folglich jede Teilkirche fest in der authentischen katholischen Lehre stehen, dies ganz besonders durch die Lehre, des Bischofs. Das Wachstum und die Lebenskraft der Kirche, ihre Fähigkeit, zu heiligen und umzuwandeln, ihr Dienst an der Menschheitsfamilie und ihre missionarische Ausbreitung: Alles hängt von der Bewahrung der ihr anvertrauten Wahrheit ab (vgl. 1 Tim 6,20). Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert die Bischöfe daran, daß eine ihrer Hauptpflichten darin besteht „das Geheimnis Christi ... unverkürzt vor[zu]legen, ... desgleichen den Weg, den Gott geoffenbart hat, die Verherrlichung Gottes ... zu erreichen” (Christus Dominus, Nr. 12). Die Wiederbelebung und wahre Erneuerung, zu der das Konzil Bischöfe, Priester und Diakone im Dienst des Wortes gerufen hat, sowohl was die Verkündigung als auch was die Katechese betrifft, bedingt nicht nur eine Anpassung an die Erfordernisse der Zeit, sondern auch - wie das Konzil ausdrücklich anführt -, daß sie die Lehre schützen, indem sie die Gläubigen lehren sie zu verteidigen und auszubreiten (vgl. ehd., Nr. 13). 3. Das ist ein wichtiger Punkt, denn unter den Wegen, auf denen die Gnade Christi uns einzeln und gemeinsam im Mystischen Leib erreicht, hat das Wort der Verkündigung eine besondere Bedeutung. Eine falsche oder oberflächliche Verkündigung wird nicht dazu dienen, das Mysterium zu aktualisieren. Sie wird nicht zu Glauben, Gnade und Sakrament führen. Sie wird nicht die Verwirklichung in der Zeit des uns „durch die Opfergabe des Leibes Jesu Christi ein für allemal” (Hebr 10,10) gewonnenen Heils fördern. Ich bitte euch eindringlich, die wesentlichen Werte, um die es geht, sorgsam zu erwägen. Die Zeit ist reif, daß ihr eure geplanten, ausdauernden und vom Gebet getragenen pastoralen Mühen auf die Wiedergewinnung und Vertiefung der vollen Reichtümer der katholischen Tradition konzentriert. Diese gewaltige Anstrengung, ein wesentlicher Teil der „Neu-Evangelisierung”, wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie von einem neuen Eifer begleitet ist, wenn sie einen pastoralen Lebensstil einschließt, der in allem dem Muster des Guten Hirten entspricht (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 18). Wenn die „Neu-Evangelisierung” bleibende Frucht (vgl. Joh 15,16) bringen soll, ist es zuerst notwendig, die gegenwärtige Lage nüchtern zu beurteilen. Nur dann können wir dem, was der Heilige Geist heute den Kirchen sagt (vgl. Offb 3,22), eine passende Antwort garantieren. 4. Aus den jüngsten Veröffentlichungen eurer Konferenz und aus unseren Gesprächen während dieses Ad-limina-Besuchs wird klar, daß viele von euch eine Stär- 1411 AD-LIMINA-BES U CHE kung der Katechese als eine der wichtigsten Aufgaben für die Kirche in den Vereinigten Staaten sehen. An einigen Orten haben die jungen Menschen keine angemessene Unterweisung in den Grundwahrheiten des Glaubens erhalten. Die Eltern haben oft nicht das nötige Rüstzeug, um ihre Rolle als primäre Glaubenserzieher wahrzunehmen. Selbst gut gebildeten Erwachsenen fehlt manchmal die Fähigkeit, ihren Glauben in bezug auf die vielen Fragen zu formulieren, die durch die große Vielfalt der in der Gesellschaft vorhandenen Ansichten aufgeworfen werden. Die Hirten möchten bisweilen allzu vieles von ihrer Lehrverantwortung delegieren. Professionelle katechetische Organisationen und Bildungszentren für Katecheten erkennen manchmal nicht die Ineffizienz von Programmen und Publikationen, die dem Inhalt des Glaubens nicht genügend Beachtung schenken. Es werden gewisse Methoden angewandt, bei denen die „fides quae creditur” zu sehr vernachlässigt wird. Ich appelliere an jeden von euch persönlich und an das Kollegium der Bischöfe als ganzes, gegen diese Herausforderung anzutreten. Der Katechismus der Katholischen Kirche wird ein überaus wertvolles Instrument, ein unerläßlicher Ausgangspunkt sein, um euch und den Gläubigen zu helfen, den heutigen Herausforderungen mit den unerschöpflichen Reichtümem des Evangeliums zu begegnen (vgl. Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1993, Nr. 2). Ihr erkennt auch, daß die Erhaltung des kirchlichen Charakters von wichtigen Institutionen - vor allem die ausgedehnten Erziehungs- Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, auf die die amerikanischen Katholiken zu Recht stolz sind - die Kirche in den Vereinigten Staaten vor immer größere Herausforderungen stellt. Änderungen im kulturellen Klima der Nation, verlangen von solchen Institutionen, daß sie ihre katholische Identität aktiver fördern und dabei ihren Verantwortungen gegenüber der Kirche und der Gesellschaft nachkommen (vgl. Begegnung mit den Leitern katholischer höherer Schulen, New Orleans, 12. September 1987, Nr. 3). Wenn die Mission und Politik solcher Institutionen zu unkritisch weltlichen Vorbildern folgt, müßt ihr Bischöfe sie aufrufen, sich die immerwährende Frische des Evangeliums erneut zu eigen zu machen. 5. Vergangene Generationen von Katholiken der Vereinigten Staaten haben große Opfer gebracht, um ein System von Pfarreischulen aufzubauen, das äußerst erfolgreich den Glauben weitergegeben und eine vortreffliche Erziehung geboten hat. Das wurde durch die grenzenlose Hingabe so vieler Ordensleute und Laien ermöglicht, und ich nutze diese Gelegenheit, allen zu danken, die in dieser Aufgabe und Sendung so hochherzig das ihre geben. Diese Schulen, die auf einer Erziehungsphilosophie gründen, die Glauben, Kultur und Leben in Einklang bringt, sind ein fester Bestandteil der evangelisierenden und katechetischen Sendung der Kirche (vgl. Kongregation für das katholische Bildungswesen, Die religiöse Dimension der Erziehung in einer katholischen Schule, Nr. 34). Ebenso haben sie einen ungeheueren sozialen Wert, da sie gesunde ethische und moralische Prinzipien, den Primat der Person und universale, wirkliche Solidarität mit den Bedürftigen vermitteln. Eure 1412 AD-LIMINA-BESUCHE Anstrengungen, die katholischen Schulen in städtischen Gebieten trotz finanzieller Not und Bevölkerungsverschiebungen zu erhalten und Minderheiten und neuange-kommenen Einwanderern eine Dienstleistung zu bieten, beweisen das feste Engagement von Diözesen und Ordensgemeinschaften für eine multikulturelle Solidarität als eine Forderung der evangelischen Liebe. Eure pastorale Führung ist nun erforderlich, um die katholische Gemeinschaft in der „tiefen Überzeugung” zu bestätigen, „daß es zum Wohl der Kirche kathoüsche Schulen geben muß” (Schreiben der US-Bischöfe, In: Support of Catholic Elementary and Secondary Schools, 14. November 1990, Nr. 1). 6. Ich möchte auch wiederholen, was ich in New Orleans zu den Leitern katholischer höherer Schulen gesagt habe: „Die größte Aufgabe [besteht] darin, und so wird es bleiben, den katholischen Charakter eurer Colleges und Universitäten zu bewahren und zu stärken als institutioneile Verpflichtung auf das Wort Gottes, wie es von der katholischen Kirche verkündet wird” (a.a.O„ 12. September 1987, Nr. 9). Die katholische akademische Gemeinschaft ist als solche - und nicht bloß einzelne in ihr, aufgerufen, diese Sicht sich zu eigen zu machen, ohne falsche Trennungen zwischen den Rollen der Vernunft und der Offenbarung, zwischen akademischer Freiheit und den Forderungen einer katholischen Identität. Der Anspruch, katholisch zu sein, bedingt einen Bezug auf die Lehre der Kirche in allen Aspekten des Lebens einer solchen Institution: in den ethischen und moralischen Auswirkungen des Studiums, im Zeugnis intellektueller Integrität und prinzipientreuen Verhaltens ihrer Professoren und Lehrer und in den Modellen der Güte, der Disziplin und des Wissens, die den Studenten geboten werden. In manchen Fällen kann der Ortsbischof die kathoüsche Identität eines College oder einer Universität über seine rechtüch anerkannte Rolle in der instituts-intemen Leitung stärken. In anderen Fällen muß der Bischof diese schwere Verantwortung indirekt über die beteiligten Ordensleute oder Laien ausüben. In jedem Fall müssen kathoüsche Institutionen die Roüe des Bischofs als oberster Lehrer des Glaubens in der Diözese anerkennen. Wie ich bei meinem letzten Pastoralbesuch in den Vereinigten Staaten hervorgehoben habe, dürfen die Bischöfe nicht „als von außen her Wirkende”, sondern müssen „als Teilnehmende am Leben der kathoüschen Universität” (vgl. ebd., Nr. 4) gesehen werden. Als Hirten des ganzen euch anvertrauten Gottesvolkes tut ihr recht, diejenigen, die für die edle Sache der kathoüschen höheren Schulbildung tätig sind, zu unterstützen, zu ermutigen und ihnen, wenn nötig, brüderliche Zurechtweisung zu erteilen. 7. Schüeßüch möchte ich ein kurzes Wort über die Gesundheits- und Sozialdienste unter eurer pastoralen Verantwortung sagen. Indem sie die unveräußerüche Würde der menschüchen Person bezeugen und mitleidsvoll die Leiden der Kranken und Betagten teilen, geben die in diesen Diensten Tätigen ein eindrucksvolles Zeugnis von der Liebe des „Barmherzigen Samariters” (vgl. Salvifici doloris, Nr. 29). Diese Institutionen zu unterhalten, doch mehr noch, sie gerade als kathoüsche erfolgreich 1413 AD-LIM1NA -BES UCHE sein zu lassen, ist eine Aufgabe, die Mut und Entschlossenheit verlangt. In der Kirche und allgemein in der Gesellschaft bedarf es einer weiteren Erklärung und Erziehung hinsichtlich deren katholischer Identität und deren spezifischen Beitrags zum Gemeinwohl. Die Christen, die in der medizinischen Forschung, im Gesundheitswesen und im sozialen Bereich tätig sind, brauchen eure feste Unterstützung, um dem Druck standzuhalten, unmoralische Praktiken zu dulden oder mitzumachen, die der wahren Würde der menschlichen Person schaden. Die Bischöfe sollten überdies alle, die damit beschäftigt sind, menschliches Leiden zu lindem, ermutigen, ihre Tätigkeit als eine vorzügliche Form der christlichen Liebe zu sehen. Die evangelische Inspiration ihres Dienstes darf nicht durch die zunehmende „Industriealisierung” des Gesundheitswesens verdunkelt oder ausgehöhlt werden. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt, euer Dienst umfaßt in besonderer Weise die her-anwachsende Generation der Katholiken der Vereinigten Staaten, die jungen Menschen eurer Diözesen, die ein Recht haben, zu erwarten, daß ihr, und ihre Familien, Schulen und Pfarreien, ihnen den Schatz eines vollen und authentischen Glaubens weitergeben werden. Ich freue mich darauf, viele von ihnen beim Welt-Jugendtreffen im August in Denver zu sehen. Die geistliche Vorbereitung, die zu diesem Ereignis hinfiihrt, wird wichtige Folgen für die Verwirklichung des Zieles haben,, das wir alle anstreben: daß Christus, „der Weg, die Wahrheit und das Leben” der Welt der Jugend verkündet werde. Jesus Christus, und kein anderer, gibt Antwort auf die tiefsten Sehnsüchte der jungen Menschen bei ihrer Forderung nach einer Welt der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des Friedens. Ich ermutige euch, weiterhin begeisterte Unterstützer des Treffens in Denver zu sein. So viele ernsthafte pastorale Aufgaben liegen vor euch, da das nächste christliche Jahrtausend herannaht. Die Kirche in den Vereinigten Staaten erlebt eine Periode besonderer Herausforderung. Ihre Institutionen sind aufgemfen, immer vollkommener Ausdruck der befreienden Wahrheit des Retters (vgl. Joh 8,32) zu sein. Die amerikanischen Katholiken stellen sich der Herausfordemng, sich in ihrem „Gehorsam des Glaubens” gegenüber Christus und seiner Kirche (vgl. Rom 1,5; 16,26) erneuern zu lassen. In meinen Gebeten vertraue ich euch und die Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen Maria, der Mutter des Erlösers, an. Möge der auferstandene Herr selbst eure entschlossenen Anstrengungen unterstützen, der Sendung und dem Amt stets treu zu bleiben, die euch anvertraut wurden, als ihr die Vollendung des Priestertums empfangen habt. Mit meinem Apostolischen Segen. 1414 AD-LIMINA-BESUCHE Die christliche Botschaft von der Auferstehung und dem Leben verkünden Ansprache an die Bischöfe der Vereinigten Staaten aus der Region Iowa, Kansas, Missouri und Nebraska anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 28. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine tiefe Freude, mit euch, den Bischöfen von Iowa, Kansas, Missouri und Nebraska, im Geist des Gebets und der brüderlichen Gemeinschaft vereinigt zu sein. Ihr seid zu eurem Ad-limina-Besuch während der Pfingstnovene nach Rom gekommen, in den Tagen, da wir darum beten, daß der Geist die ganze Kirche mit dem Feuer seiner Liebe erneuere. Möge er auch euch „aufgrund des Reichtums seiner Herrlichkeit schenken, daß ihr in eurem Innern durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt ... ihr sollt fähig sein, die Liebe Christi zu verstehen, die alle Kenntnis übersteigt” (Eph 3,16,19). Die Apostel waren mit „Maria, der Mutter Jesu” (Apg 1,14), im Gebet vereint, und so bitten wir zu Beginn unseres Treffens um ihre Fürsprache, damit die Priesterschaft, die Ordensleute und die Gläubigen eurer Diözesen zur Erfüllung der Aufgaben, die vor ihnen hegen, im Glauben und in der Liebe erneuert werden. Heute bringe ich euch meine innige Hoffnung auf die geistige Erneuerung der Kirche in Amerika zum Ausdruck, denn zum Wesen der Kirche, zu ihrer Sendung und ihrem Dienst gehört die Heftigkeit des Lebens. Zunächst müssen wir Gott für das wunderbare Zeugnis der Heftigkeit preisen, das unter den amerikanischen Katholiken stets offensichtlich war. Die Namen der sei. Kateri Tekawita, des hl. Johann Neumann und der hl. Elisabeth Ann Seton sind besonders bekannt, doch hat es noch viele andere gegeben. In unserer heutigen Zeit muß der Aufruf zur Heftigkeit, den das Zweite Vatikanische Konzil an das gesamte Gottesvolk richtete, nochmals in all seiner Dringlichkeit, wie es dem Evangelium entspricht, herausgestellt werden. Das ist es, was der Geist zu den Gemeinden sagt (vgl: Offb 2,7): „Wie der, der euch berufen hat, heftig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden. Denn es heißt in der Schrift: Seid heilig, denn ich bin heilig” (7 Petr 1,15-16). 2. Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß die Beziehung des Menschen zu Gott und das Bedürfnis nach einer religiösen „Erfahrung” die eigentliche Schwierigkeit der tiefen Krise ist, die den menschlichen Geist belastet. Während die Verweltlichung vieler Aspekte des Lebens weitergeht, besteht ein neues Bedürfnis nach „Geistigkeit”, erkennbar im Erscheinen zahlreicher religiöser Gruppen und Heilsbewegungen, die auf die Krise in den Werten der westlichen Gesellschaft antworten möchten. Dieser Aufbruch des „homo religiosus” weist einige positive und konstruktive Ergebnisse auf, wie zum Beispiel die Suche nach einem neuen Lebenssinn, ein neues Umweltbewußtsein und den Wunsch, über eine kalte und vemunftorien-tierte Religiosität hinauszugehen. Andererseits bringt dieses religiöse Wiedererwa- 1415 AD-LIMINA-BES U CHE chen einige äußerst zweifelhafte Elemente mit sich, die mit dem christlichen Glauben unvereinbar sind. Viele von euch haben Hirtenbriefe über die Probleme geschrieben, die pseudoreligiöse Bewegungen und Sekten einschließlich der sogenannten „New-Age-Bewe-gung, aufwerfen. Die Ideen des „New Age” finden manchmal ihren Weg bis hinein in Predigt und Katechese, in Arbeitskreise und Exerzitien und beeinflussen auf diese Weise selbst aktive Katholiken, die sich unter Umständen der Unvereinbarkeit dieser Ideen mit dem Glauben der Kirche gar nicht bewußt sind. In ihrer synkretisti-schen und immanenten Einstellung schenken diese parareligiösen Bewegungen der Offenbarung wenig Aufmerksamkeit. Statt dessen versuchen sie zu Gott zu gelangen durch Kenntnisse und Erfahrungen, die auf östlicher Geistigkeit oder Techniken aus der Psychologie basieren. Sie neigen dazu, die Religionslehre zugunsten einer vagen Weitsicht zu relativieren, die in einem System von Mythen und Symbolen, in religiöse Sprache gekleidet, zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus regen sie häufig zu einem pantheistischen Gottesbegriff an, der mit der Heiligen Schrift und der christlichen Überlieferung unvereinbar ist. Sie ersetzen die persönliche Verantwortung für unsere Handlungen Gott gegenüber durch ein Pflichtgefühl dem Kosmos gegenüber und übergehen auf diese Weise den wahren Begriff der Sünde und die Notwendigkeit der Erlösung durch Christus. 3. Und doch, mitten in diesem geistigen Wirrwarr sollten die Bischöfe der Kirche in der Lage sein, einen wirklichen Durst nach Gott und nach einem innigen und persönlichen Verhältnis zu ihm zu entdecken. Im Grund ist die Suche nach Sinn nichts anderes als das rastlose Suchen nach der Wahrheit und der Güte, die in Gott, dem Schöpfer alles Seienden, gründen. Denn Gott selbst läßt dieses Verlangen in den Herzen der Menschen erwachen. Der oftmals stille Pilgerzug hin zur lebendigen Wahrheit, deren Geist „den Lauf der Zeiten leitet und das Antlitz der Erde erneuert” (■Gaudium et spes, Nr. 26), ist ein Zeichen der Zeit, das die Mitglieder der Kirche einlädt, die Glaubwürdigkeit ihres christlichen Zeugnisses zu überprüfen (vgl. Pa-stores dabo vobis, Nr. 6). Die Hirten müssen sich aufrichtig fragen, ob sie dem Durst des menschlichen Herzens nach dem wahren „lebendigen Wasser”, das nur Christus, unser Erlöser, geben kann (vgl. Joh 4,7-13), genügend Aufmerksamkeit geschenkt haben. Sie sollten immer wieder zurückkommen auf die geistige Dimension des Glaubens, auf die immerwährende Frische der Botschaft des Evangeliums und auf seine Fähigkeit, jene, die es annehmen, umzuwandeln und zu erneuern. Der hl. Paulus sagt, wir sollen nach dem streben, was „im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt” (Kol 3,1). Wenn wir die übernatürliche Dimension des christlichen Lebens außer acht lassen, so wird damit das Geheimnis Christi und der Kirche seines Sinnes entleert: „Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen” (1 Kor 15,19). Nichtsdestoweniger ist es eine traurige Tatsache, daß manche Christen heute der Versuchung erliegen, „das Christentum auf eine rein menschliche 1416 AD-LIMINA-BES U CHE Weisheit zu reduzieren, gleichsam als Lehre des guten Lebens” (Redemptoris mis-sio, Nr. 11). Wenn eine Version des Christentums gepredigt wird, die zwar nicht ausdrücklich verneint, aber doch wohlmeinend übersieht, daß unsere letzte Hoffnung die „Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben” {Apostolisches Glaubensbekenntnis) ist, so verstößt sie gegen die Offenbarung und die gesamte katholische Tradition. In der Predigt und der Katechese sollten intensiver eschatologische Themen behandelt werden, um die Verwirrung zu beseitigen, die in bezug auf die wahre Natur des christlichen Lebens und auf die unfehlbare Hoffnung der Kirche auf den Herrn, „die Auferstehung und das Leben” (Joh 11,25), entstanden ist. 4. Der Katechismus der Katholischen Kirche bietet eine Zusammenfassung über die „letzten Dinge”, die Gott uns in Christus offenbart hat (Nm. 988-1065). Die absolute Einzigartigkeit einer jeden menschlichen Person und die Endgültigkeit des Todes (Nr. 1013), das unmittelbare Gericht über die Seele nach dem Tode (Nr. 1022), das Gebet für die Toten, die der Läuterung bedürfen, ehe sie zur beseligenden Gottesschau gelangen können (Nm. 1030-1032), und ein nüchternes Nachdenken über die Existenz und Ewigkeit der Hölle - all dies gehört zu einer Verkündigung, die „von Herzen der Lehre gehorsam geworden [ist], an die ihr übergeben wurdet” (Röm 6,17). „Die Fülle der Wahrheit, die Gott uns über sich selbst zur Kenntnis gebracht hat” {Redemptoris missio, Nr. 5), sagt uns, daß das leibliche Leben ein transzendentes Ziel hat und daß Entscheidungen und Handlungen in diesem Leben unwiderrufliche Folgen haben, die nicht übersehen werden dürfen. Während viele es vorziehen, diesen letzten Fragen auszuweichen, und andere versucht sind, die Erlösung als ein Recht und als vorweggenommene Entscheidung zu betrachten, muß die Kirche die Menschen auch weiterhin an die erschreckende Wirklichkeit der menschlichen Freiheit, den Preis für die Erlösung (vgl. 1 Kor 7,23) und den Reichtum der göttlichen Gnade erinnern (vgl. Eph 2,4). Auf diese Weise verteidigt die Kirche die Würde und den Wert einer jeden Person gegen alle Versuche, das menschliche Dasein zu banalisieren. 5. Denjenigen, die nach dem lebendigen Gott dürsten (vgl. Ps 42,2), müßt ihr als Menschen antworten, deren Leben „mit Christus verborgen ist in Gott” {Kol 3,3) und auch als wahre Lehrer des geistlichen Lebens. Dies bedeutet aber, daß man sich nicht in eine religiöse Privatsphäre zurückzieht. Es bedeutet vielmehr, in Übereinstimmung mit der wahren Natur der Kirche handeln, die Sakrament und Werkzeug für die innigste Einheit mit Gott und für die Einheit der ganzen Menschheit ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1) Es bedeutet, sicherzustellen, daß kirchliche Gemeinschaft und soziale Solidarität aus ihrer tiefsten Quelle hervorgehen: aus dem Dreieinigen Gott, der in Jesus Christus offenbart wurde (vgl. Christifideles laici, Nr. 18; Joh 17,3.20). Der Erfolg eurer Bemühungen, der geistigen Erneuerung der Kirche in den Vereinigten Staaten neuen Schwung zu verleihen, wird in hohem Maß von eurer Aufmerksamkeit hinsichtlich der spirituellen Ausbildung der zukünftigen Priester abhängen. 1417 AD-LIMINA-BESUCHE Die Durchführung des Programms für die Priesterausbildung erwartet eine tatkräftige Führangsrolle von euch. Ich möchte euch nochmals dazu ermutigen, euer Bestes zu tun im Bemühen um die geistliche Bildung und das Wachstum eurer Priester, von denen die Mehrheit treue Nachfolger Christi und eifrige Arbeiter in seinem Weinberg sind, Männer, die einen tiefen Sinn für die Bedürfnisse ihrer Brüder und Schwestern haben. 6. Der Aufruf zur Heiligkeit, mit dem Gott alle einlädt, „heilig und untadelig zu leben vor ihm” (Eph 1,4), richtet sich vor allem an diejenigen, die „in Jesus Christus Gott geweiht und ihm allein zu eigen” sind (Redemptiönis donum, Nr. 7). Die Erneuerung des Ordenslebens hängt davon ab, daß der gottgeweihte Mensch vor allem Gott sucht, daß er ihn über alles hebt und sich der „ersten und vorzüglichen Verpflichtung aber Ordensleute” bewußt ist, nämlich „der Betrachtung der göttlichen Dinge und der ständigen Verbindung mit Gott im Gebet” (CIC, can. 663 § 1). Der einzig wirksame Weg zur Erneuerung des Ordenslebens ist der beschwerliche Weg der persönlichen, vom Gebet getragenen Umkehr in demütiger Erkenntnis der eigenen Fehler und Sünden und mit dem Vertrauen, daß die „Macht seiner Auferstehung” (Phil 3,10) alle Schwächen und alle Mittelmäßigkeit überwindet und das Gefühl ärgerlicher Enttäuschung, das manche Ordensleute empfinden, heilt. Die 1994 stattfindende Versammlung der Bischofssynode, die dem geweihten Leben und seiner Rolle in der Kirche und der Welt gewidmet ist, wird die Gelegenheit bieten, die „Zeichen der Zeit” zu lesen, die die Zukunft des Ordenslebens betreffen. Als Konferenz und als einzelne Bischöfe werdet ihr zweifellos mit Objektivität und Achtung nach den Gründen für die Abnahme und weiterhin schwache Zahl der Berufungen forschen, die in vielen Institutionen bemerkbar sind, während andere blühen und auch Neugründungen entstehen. Glücklicherweise gibt es Anzeichen einer ernsthaften Neubewertung von Haltungen und Praktiken der nachkonziharen Jahre, die nach dem Urteil vieler Ordensleute und Laien nicht die vom Zweiten Vatikanischen Konzil erwünschte Erneuerung gebracht haben. Es ist ein hoffhungweckendes Zeichen, daß viele einzelne Ordensleute und Gemeinschaften in den Vereinigten Staaten, die das Fruchtlose der eigenen Voreingenommenheit und verworrener Vorstellungen über die Bedeutung der evangelischen Räte sowie den fehlenden Sinn für gemeinsame Identität und gemeinsames Apostolat erfahren haben, nunmehr offen sind zu ernsthaftem Nachdenken, über die echten kirchlichen Traditionen hinsichtlich der Ordensweihe. Die Geschichte lehrt uns, daß die Abnahme an Eifer und Lebendigkeit im Ordensleben oft mit einer entsprechenden Abnahme an Verständnis und Ausübung der evangelischen Armut verbunden ist. Die Ordensleute sind berufen, Christus nachzufolgen, der um unseretwil-len arm geworden ist (vgl. 2 Kor 8,3). Sie sollen sich frei machen von der Tyrannei des „Habens” über das „Sein”, um in einem wirklich einfachen Lebensstil „ihr Leben im Sinne der Solidarität mit den Armen aufrichtig umzugestalten” (Redemptoris missio, Nr. 60). Durch ihre freie und absolute Hingabe an Christus und die Kirche 1418 AD-LIMINA-BESUCHE legen die geweihten Frauen und Männer ein beredtes Zeugnis dafür ab, daß der Geist der Seligpreisungen der einzige Weg ist zur Umgestaltung der Welt und zur Wiederherstellung aller Dinge in Christus (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31). Ich bete dafür, daß eure Vorbereitung auf die Synode in Verbundenheit mit der Konferenz führender Ordensfrauen und dem kürzlich gegründeten Rat der Höheren Ordensoberinnen sowie mit der Konferenz der Höheren Ordensobem geleitet sei von Überlegungen über die Lehre der Kirche hinsichtlich der wesentüchen Elemente des Ordenslebens. Möge sie die Wahrheit in der Liebe bekunden und aufrichtige Offenheit gegenüber Christus, der „alles neu” (Ojfb 21,5) macht. Die Synode und ihre Vorbereitung ist sicherlich eine Zeit der Gnade, in der das Ordensleben in den Vereinigten Staaten in all seiner Verschiedenartigkeit an Charismen und apostolischem Zeugnis neue Lebendigkeit und neue Anziehungskraft unter den Gläubigen und vor allem unter der Jugend gewinnen kann, wenn es eindeutig als radikale Nachfolge Christi gesehen wird. 7. Schließlich möchte ich euch versichern, daß ich mich darauf freue, mich dem großen Pilgerzug der jungen Leute anzuschließen, die im August in Denver Zusammentreffen werden, um den 8. Weltjugendtag zu feiern. Wir werden uns versammeln, um zu verkünden, daß der Sohn Gottes und Sohn Marias „die Auferstehung und das Leben” (Loh 11,25) ist und daß wir in ihm zur Fülle des Lebens gekommen sind (vgl. Loh 10,10). In der von der Schönheit der „ewigen Hügel” (Dtn 33,15) umgebenen meilenhohen Stadt werden wir unsere Herzen zum Lobpreis für die immerwährende Jugend der Kirche erheben (vgl. Christifideles laici, Nr. 2). Mehr noch als ein festlicher Anlaß sollte das Treffen in Denver ein wahrer Moment der Evangelisierung sein. Wenn das rettende Wort Christi in das Heiligtum des menschlichen Herzens eintritt, lädt es jeden jungen Menschen ein, ein mutiger und hochherziger Verkünder des Evangeliums zu werden (vgl. Botschaft zum Weltjugendtag 1992, Nr. 4). Ich vertraue darauf, daß die Bischöfe der Vereinigten Staaten in den nächsten Monaten alles unternehmen werden, um die jungen Leute zu ermuntern und zu unterstützen, die sich dem Nachfolger Petri anschließen wollen im Bekenntnis des immerwährenden Glaubens der Kirche. „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes” (Mt 16,16). Die Kirche zählt auf ihre jungen Menschen, die als „eine neue Schöpfung” (2 Kor 5,7) in allen Kreisen, in denen sie verkehren, das Evangelium verkünden sollen: in ihren Familien, unter ihren Freunden, in der Schule, am Arbeitsplatz. Meine Reise nach Denver wird wahrhaft eine Pilgerfahrt sein, die ich gemeinsam mit so vielen jungen Männern und Frauen durch Reflexion, Gebet und Buße vorbereite. Ich lade euch ein, euch mit mir zu verbinden, damit wir geistig für diesen Kairos bereit sind. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt, ihr seid als Hirten damit beauftragt, „das ganze Geheimnis Christi” (Christus Dominus, Nr. 12) eingehend darzulegen. Erlaubt mir, daß ich euch ermuntere, dieser Aufgabe stets treu zu sein. Viele Gründe sprechen dafür, auch weiterhin Vertrauen zu haben. Nicht zuletzt, weil Christus selbst euch 1419 AD-LIMINA-BESUCHE zu diesem Amt berufen und euch den Heiligen Geist gegeben hat, damit ihr seinen Leib, die Kirche, auferbaut. Darüber hinaus seid ihr überzeugt, daß „Christus weit die Türen zu öffnen, ihn im Raum der eigenen Menschlichkeit aufzunehmen ... der einzige Weg ist, der zur Erkenntnis des Menschen in seiner ganzen Wahrheit und zur Anerkennung seiner Werte führt” (Christifideles laici, Nr. 34). Ihr habt allen Gmnd, weise und mutige Hirten der eurem Dienst anvertrauten Teilkirchen zu sein. Durch die Fürsprache Marias, der Mutter der Kirche, rufe ich die Fülle des Heiligen Geistes auf euch und auf die Priester, Diakone, Ordensleute und Laien eurer Diözesen herab. Möge der Geist durch die Herzen all derer, die glauben, in der Welt weiterwirken. Keine Mißbräuche bei der Liturgie zulassen Ansprache an die amerikanischen Bischöfe aus Alabama, Kentucky, Louisiana, Mississippi und Tennessee anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 5. Juni Meine heben Brüder im Bischofsamt! 1. Ich begrüße euch, die Bischöfe von Alabama, Kentucky, Louisiana, Mississippi und Tennessee, und herzlich grüße ich auch die Priester, Diakone, Ordensleute und Gläubigen eurer geliebten Diözesen. Ich „höre nicht auf, für euch zu danken, wenn ich in meinen Gebeten an euch denke ... Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit... damit ihr versteht... wie überragend groß seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist” (vgl. Eph 1,17-19). Es freut mich ganz besonders, mit euch am Vorabend des Hochfestes der Heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit Zusammentreffen zu können. Eben dieses innere Leben des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ist das Vorbild und die tiefste Quelle jener hierarchischen Gemeinschaft der Kirche, für die die alte Tradition der Ad-limina-Besuche ein Zeugnis ist. Um die sichtbare Einheit der Kirche zu festigen, macht Christus jeden Nachfolger Petri zum „sichtbaren Prinzip und Fundament” {Lumen Gentium, Nr. 23). Da mein Hirtenamt hinsichtlich eurer Teilkirchen zur Fülle von deren Verbundenheit mit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche gehört, ist es nur natürlich, daß ich mich über eure vielen Erfolge freue und eure Prüfungen und Nöte mit persönlicher Sorge und Teilnahme verfolge. In der Gesinnung brüderlicher Einheit möchte ich die Gedanken über die geistige Erneuerung der Kirche in den Vereinigten Staaten fortführen, die ich in der vergangenen Woche mit einer anderen Gruppe von Bischöfen aus eurem Land begonnen habe. 2. Heute möchte ich über einige Aspekte des sakramentalen Lebens sprechen. Besonders durch die würdige Feier der Sakramente entfaltet sich Gottes Erlösungsplan und wird im Leben der Glieder der Kirche wirksam. Durch dieses Handeln, das 1420 AD-LIM1NA-BES UCHE Christus selbst vollzieht, teilt der Bräutigam seiner Braut die Kraft seines Erlösungstodes mit, bis er in Herrlichkeit wiederkommt (vgl. 1 Kor 11,26). Die ganze Folge von Ad-limina-Gesprächen orientiert sich an dem vor kurzem veröffentlichten Katechismus der Katholischen Kirche. Dieses Werk ist wirklich ein passendes Geschenk Gottes an die ganze Kirche und jeden Christen auf der Schwelle des neuen Jahrtausends. Es ist mein Gebet, daß die Kirche in den Vereinigten Staaten diesen Katechismus als einen maßgeblichen Führer zu wirksamer und kraftvoller Verkündigung, als unschätzbare Quelle für Erwachsenenbildungsprogramme im Pfarrbereich und als grundlegenden Text für die höheren Klassen katholischer Oberschulen, Colleges und Universitäten betrachten möge. Der Katechismus ist eine klare und vollständige Darstellung der reichen sakramentalen Lehre der Kirche, aufgebaut auf ihren authentischen Quellen: der Heiligen Schrift und der Überlieferung, wie sie die Kirchenväter, die Kirchenlehrer und die Heiligen sowie die beständige Lehre des kirchlichen Lehramts bezeugen. 3. Seit den Anfängen der Kirche im Pfingstereignis war die Bekehrung zu Christus mit der Taufe verbunden, durch die der Mensch in den Leib Christi aufgenommen wird (vgl. Apg 2,38). Diese Wiedergeburt „ist nicht einfach die Besiegelung der Bekehrung, gleichsam ein äußeres Zeichen der Bestätigung; sie ist vielmehr das Sakrament, das diese Neugeburt im Geist bezeichnet und bewirkt” (Redemptoris mis-sio, Nr. 47). Wenn die Kirche die Taufe spendet „zur Vergebung der Sünden” - insbesondere der Erbsünde, jenes Zustandes, in den wir alle, der ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit ermangelnd, hineingeboren werden (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 405) -, dann werden die Empfänger dieses Sakramentes im Sohn zu angenommenen Kindern des Vaters. Sie sind dem Bild Christi gleichgestaltet, mit ihm durch das Gleichbild seines Todes und seiner Auferstehung verbunden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 7), geheiligt und zu lebendigen Tempeln des Geistes gemacht (vgl. Christifideles laici, Nrn. 11-13). Zu Beginn meines Dienstes auf diesem Apostolischen Stuhl habe ich die Veröffentlichung der Instruktion über die Kindertaufe gebilligt, in der die Kirche erneut ihre Überzeugung bezüglich der Notwendigkeit der Taufe und der seit unvordenklichen Zeiten angewendeten Praxis der Kindertaufe bestätigte (vgl. Nr. 3). Der Codex des kanonischen Rechtes hat diese Lehre übernommen, wenn er erklärt: „Die Eltern sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß ihre Kinder innerhalb der ersten Wochen getauft werden; möglichst bald nach der Geburt” (can. 867,1; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1250-1252). Gemäß dem sinnvollen Rat, die Taufe nur dann zu spenden, wenn die berechtigte Hoffnung besteht, daß das Kind im katholischen Glauben erzogen wird und das Sakrament somit Früchte tragen kann (vgl. Instruktion, Nr. 30, CIC, can. 868,2), haben viele Diözesen besondere Richtlinien herausgegeben, um diese Anweisungen auszuführen. Obwohl weder beabsichtigt war, von der Kindertaufe abzuraten noch ihre Durchführung unnötig zu erschweren, sind solche Richtlinien von Diözesen oder Pfarreien verschiedentlich strenger ge- 1421 AD-LIMINA-BESUCHE handhabt worden, als der Hl. Stuhl beabsichtigt hatte. Unklugerweise ist gelegentlich Eltern die Taufe ihres Kindes versagt worden. Die pastorale Liebe sollte uns dazu anhalten, jene willkommen zu heißen, die sich von ihrer Glaubenspraxis abgewendet haben (vgl. Lk 15,4-7), und uns davon abhalten, Forderungen zu stellen, die nicht von der Lehre oder den Geboten der Kirche verlangt werden. Nirgendwo ist die freie und unverdiente Natur der Gnade klarer offensichtlich als bei der Kindertaufe: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat” (1 Joh 4,10). Es ist sicher richtig, daß Eltern durch ihre Hirten auf die angemessene Feier der Taufe ihres Kindes vorbereitet werden, aber ebenso richtig ist es, daß dieses Sakrament der Einführung in erster Linie ein Geschenk des göttlichen Vaters an das Kind selbst ist. . 4. Die Vergebung der Sünden, die wir erstmals in der Taufe erfahren, ist ein ständig wiederkehrendes Bedürfnis im Leben jedes Christen. Die Wiederherstellung des rechten Bewußtseins ist der erste notwendige Schritt, um der schweren geistigen Krise, die heute Männer und Frauen bedroht, ehrlich entgegenzutreten, einer Krise, die berechtigterweise als eine „Verdunklung des Gewissens” (Reconciliatio et paenitentia, Nr. 18) bezeichnet werden kann. Ohne ein gesundes Bewußtsein ihrer eigenen Sündhaftigkeit werden die Menschen nie die Tiefe der erlösenden Liebe erfahren, die Gott ihnen entgegenbrachte „als sie noch Sünder waren” (vgl. Röm 5,8). Die vorherrschende Ansicht vorausgesetzt, daß das Glück darin besteht, sich selbst zufriedenzustellen und mit sich selbst zufrieden zu sein, muß die Kirche sogar noch eindringlicher verkünden, daß es nur Gottes Gnade allein ist, und nicht etwa therapeutische Maßnahmen oder selbstüberzeugende Praktiken, die die von Sündhaftigkeit verursachten Spaltungen der menschlichen Seele heilen kann (vgl. Rom 3,24; Eph2,5). Bei der Ausübung ihres Hirtenamts stoßen Bischöfe und Priester ständig auf eine Unfähigkeit, die volle Wahrheit über die menschliche Person zu erkennen. Ihr habt mit Recht unterstrichen, daß eine einseitige und verfälschte Anthropologie die Kirche in Amerika vor eine schwere pastorale Aufgabe stellt (vgl. NCCB, Committee for Pastoral Research and Practices, Reflections on the Sacrament of Penance in Catholic Life Today, Gedanken über das Bußsakrament im katholischen Leben heute). Was kann getan werden, um bei Priestern, Ordensleuten und Laien einen authentischen und ausgewogenen Sinn dafür zu entwickeln, was es bedeutet, Gott untreu zu sein, das heißt, zu sündigen. Sicher ist die richtige Lehre erforderlich. Als erster Schritt zur Erneuerung der Praxis des Bußsakraments muß eindeutig gepredigt werden, was uns der hl. Johannes sagt: „Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns” (1 Joh 1,8). Wenn jene, die das Evangelium des Heils verkünden, in den Menschen das Verlangen nach Vergebung wachrufen und nach der trostspendenden Begegnung mit dem Vater, der „voll Erbarmen ist”, werden sie den Gläubigen helfen, „die Schönheit 1422 AD-LIM INA-BESUCHE und die Freude des Bußsakraments” (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 48) neu zu entdecken. Aber das Wissen muß begleitet sein von den Bemühungen, die Praxis des Bußsakraments so leicht zugänglich und so hilfreich wie möglich zu machen. Trotz mancher hoffnungsvoller Anzeichen bleibt dies ein schweres und dringendes pasto-rales Problem. Ich lege euch nahe, durch konkrete Initiativen etwas dagegen zu tun. Während eures Ad-limina-Besuchs von 1988 betonte ich, daß „bei etwas so Heiligem wie diesem Sakrament vereinzelte Bemühungen nicht ausreichen, um die Krise zu überwinden” (vgl. Ansprache an die Bischöfe der Vereinigten Staaten, 31. Mai 1988, Nr. 8). Hiermit wiederhole ich meinen Aufruf an euch, Pastoralpläne durchzuführen mit dem ausdrücklichen Ziel, zur häufigen, frommen und freudigen Feier des Bußsakramentes zu ermutigen. 5. Eine eurer bischöflichen Verantwortungen ist es, die Wahrung der doktrinellen und liturgischen Normen zur Regelung der Feier des Bußsakraments zu überwachen (vgl. Christus Dominus, Nr. 15). Für Katholiken im Stand der Todsünde bleibt die individuelle und vollständige Beichte und Absolution der normale Weg der Aussöhnung mit Gott und der Kirche (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1484; CIC, can. 960; Reconciliatio et paenitentia, Nr. 17). Die lossprechenden Worte des göttlichen Arztes: - „deine Sünden sind dir vergeben” (Mk 2,5) -, die der Priester „in der Person Christi” ausspricht, sind an den jeweiligen Büßer persönlich gerichtet. Alle Abweichungen von dieser Praxis unterhegen den Bedingungen von „schwerer Notlage” (gravis necessitas), die für die Bewilligung der Generalabsolution erforderlich ist (CIC, can. 961; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1483), und müssen im Einklang mit der eindeutigen Gesinnung der Kirche in dieser Hinsicht aufgefaßt werden. Wesentlich für die Erneuerung der sakramentalen Praxis ist die Hochherzigkeit der Priester, voller Eifer ihren Dienst als Gesandte der Gnade Christi zu erfüllen (vgl. 2 Kor 5,20), weise im Erkennen der Wege, auf denen der Heilige Geist die Seele zu immer tieferer Liebe zu Gott führt. Ausbildungsprogramme sollten den Priestern die nötige Voraussetzung vermitteln, gute und heilige Beichtväter zu werden. Seminaristen brauchen eine umfassende Kenntnis der dogmatischen, spirituellen und Mo-raltheologie. Angeregt durch das Beispiel engagierter Priester sollten sie eine pasto-rale Sensibilität entwickeln, die auf einer gesunden Psychologie der menschlichen Person aufgebaut ist. Sie sollten wachsen in einer Haltung aufnahmefreudiger Bereitschaft und tiefen Mitempfindens gegenüber all jenen, die Gottes Gnade suchen. Beichtväter, die Werkzeuge der göttlichen Vergebung sind, müssen geduldig sein, die Büßenden nie zur Eile drängen oder, was manchmal der Fall ist, die Anzahl der Sünden begrenzen, die sie beichten können. In den Pfarreien sollten regelmäßig Zeiten für die Beichte festgesetzt sein, oder die Gläubigen sollten, wenn pastorale Bedürfnisse es empfehlen, vor der Messe Gelegenheit zum Empfang dieses Sakraments haben. Der Advent, die Fastenzeit und die Tage des heiligen Triduums sind zur Anregung der Bekehrung und zur Feier des Bußsakraments besonders geeignet. 1423 AD-LIMINA-BES U CHE 6. Wir können nicht von der geistlichen Erneuerung eurer Diözesen sprechen, ohne sorgfältig den Glauben eurer Diözesanen an die Eucharistie und ihre Teilnahme an der Eucharistiefeier zu überprüfen, welche die Quelle, der Mittel- und Höhepunkt des Lebens der Kirche ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1324-1327). Die „unbefleckte Gabe”, die Jesus selbst am Kreuz darbrachte, wird vergegenwärtigt und zugewendet im eucharistischen Opfer, das seinen Leib, die Kirche, „auferbaut” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28; Mulieris dignita-tem, Nr. 26). Daher ist die Verwaltung dieses großen Mysteriums eines der wichtigsten Privilegien und Verantwortungen eures bischöflichen Dienstamtes. Bedauerlicherweise kann es manchmal Vorkommen, daß die Liturgie durch unzulässige Auslassungen oder Ergänzungen des anerkannten Textes ernsthaft entstellt wird. In diesen Fällen „ist es die Aufgabe des Bischofs, solchem Mißbrauch ein Ende zu setzen, denn die Regelung der Liturgie ist im Rahmen der Gesetzgebung, von den Bischöfen abhängig” (Vigesimus Quintus Annus, 13). Da die Pfarrei im wesentlichen eine eucharistische Gemeinschaft ist, sollte ihr ein Priester vorstehen, der die absolut unersetzliche Aufgabe hat, das Meßopfer für die Gläubigen zu feiern (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 26). Einige unter euch stehen vor dem Problem, daß sie nicht in der Lage sind, wie in früherer Zeit einen Priester für jede Gemeinde zur Verfügung zu stellen. Als Übergangs- und Notlösung - denn die katholische Glaubenslehre läßt kein anderes Verständnis zu - ist es mancherorts notwendig geworden, den sonntäglichen Gottesdienst ohne Priester abzuhalten, wofür der Hl. Stuhl entsprechende Regelungen getroffen hat (vgl. Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Richtlinien für den Sonntagsgottesdienst ohne Priester). Diese Lösung kann aber nur Übergangscharakter haben. Auch wenn die großzügige Hilfe der Ordensleute und Laien in dieser Hinsicht große Anerkennung verdient, so kann eine wahrhaft lebendige Gemeinde sich nicht damit abfmden, ohne Priester zu sein, der das Meßopfer für sie feiert. Angesichts des dringenden Priesterbedarfs für den Fortbestand des kirchlichen Lebens und der Sendung der Kirche fordere ich euch dringend auf, das Gebet um Berufungen zu fördern, euch persönlich einzusetzen und junge Männer aufzufordem, über diesen Ruf nachzudenken, geeignete Priester für die Förderung von Berufungen in euren Diözesen einzusetzen und ihnen die notwendige Unterstützung zur Verfügung zu stellen. In der Zwischenzeit sind jene Gemeinden, „die auf einen Priester warten” (Richtlinien, 27), eine Gelegenheit zu reichem Segen für ihre Mitglieder. 7. Zum Abschluß gehen meine Gedanken heute morgen nach Denver, zum Weltjugendtag, bei dem ich Gelegenheit haben werde, jungen Männern und Frauen von überall aus Amerika und aus der ganzen Welt zu begegnen. Ich möchte den Bischöfen und allen, die an der Vorbereitung dieses Ereignisses beteiligt sind, meine tiefe Dankbarkeit aussprechen. Dank eures begeisterten Ansporns werden viele junge Leute in Denver sein, um kundzutun, daß Jesus Christus der Begleiter auf ihrer Pil- 1424 AD-LIMINA-BESUCHE gerreise (vgl. Joh 15,15) und der Spender der Fülle des Lebens ist (vgl. Joh 10,10). Wir wollen beten, daß vom Herzen eurer geliebten Nation aus die Jugend in aller Welt aufgerüttelt wird, die Sendung anzunehmen und zu verkünden: „Er hat uns ... neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben” (7 Petr 1,3). Ich vertraue euch, die Priester, die Ordensleute und alle Gläubigen eurer Diözesen dem hebevollen Schutz Marias, der jungfräulichen Gnadenmutter, an und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Sorgfältig das Charisma der Priesteramtskandidaten prüfen, um Fehlentscheidungen zu vermeiden Ansprache an die US-amerikanischen Bischöfe aus Arizona, Colorado, Neu-Mexiko und Wyoming beim Ad-limina-Besuch am 8. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „Gnade sei euch und Friede von Ihm, der ist und der war und der kommen wird” iOJ'fb 1,4). Ich heiße heute morgen euch Hirten willkommen, die ihr auserwählt seid, die Herde des Herrn zu weiden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 21), die sich in Arizona, Colorado, Neu-Mexiko und Wyoming befindet. Dieses Ad-limina-Treffen bezeugt die Verantwortung, die wir gemeinsam für alle Kirchen tragen (vgl. 2 Kor 11,28) und unsere gemeinsame Pflicht, die Wahrheit zu hüten, die uns vom Heiligen Geist anvertraut wurde, der in. uns wohnt (vgl. 2 Tim 1,14). Wir erleben diese Stunde brüderlicher Einheit, während die Kirche sich auf die Feier des Festes vom Leib und Blut des Herrn vorbereitet. Dieses große Fest bietet uns Gelegenheit, zu bekräftigen, daß die Gemeinschaft zwischen den Einzelkirchen innerhalb der universalen Kirche vor allem in der Eucharistie verwurzelt ist, durch die „die Einheit der Kirche bezeichnet und bewirkt wird” (Unitatis redintegratio, Nr. 2). Auf diese Weise werden wir daran erinnert, daß wir nur durch unsere Einheit mit Christus in seiner Selbsthingabe an den Vater, wie sie am Opferaltar gegenwärtig und dargestellt wird, würdige und wirksame Werkzeuge für die Heiligung des geliebten Volkes Gottes sein können. Bei diesen Ad-limina-Dialogen mit den Bischöfen der Vereinigten Staaten bin ich auf die Pflicht der Bischöfe eingegangen, die Berufung zur Heiligkeit zu predigen. Meine Gespräche mit den Mitgliedern eurer Konferenz bestärken mich in der Überzeugung von der dringenden Notwendigkeit einer echten geistlichen Erneuerung im Leben der Kirche in eurem Land. Auch ihr müßt überzeugt sein, daß das Hauptanliegen eures Dienstes die Hinführung des euch anvertrauten Volkes „zum Anziehen des neuen Menschen (ist), der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit” (Eph 4,23). Alle übrigen Forderungen an euch bekommen ihren Sinn und ihr Ziel aus dieser grundlegenden Aufgabe. 1425 AD-LIMINA-BESUCHE 2. In der letzten Woche habe ich zu einer anderen Gruppe von Bischöfen über einige Aspekte der Taufe, der Buße und der Eucharistie gesprochen. Heute möchte ich etwas über die Ehe und die heiligen Weihen sagen, zwei Sakramente, die auf das korporative Leben der Gemeinschaft der Kirche hingeordnet sind. Wer diese Sakramente empfängt, wird vom Heiügen Geist für eine besondere Sendung in der Kirche geweiht: als christliche Eheleute und Eltern oder als Hirten der Seelen (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1534-1535). Die allgemeine Wertekrise in der Gesellschaft hat besonders schmerzliche Auswirkungen auf die Weise gehabt, wie diese beiden Sakramente angesehen und gelebt werden. Doch die Kirche als lebendige und dynamische Wirklichkeit, deren Stärke das Evangelium ist, „eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt” (Röm 1,16), muß zum Schutz der ganzen Wahrheit reagieren und die richtige Anwendung der Absichten Gottes hinsichtlich der Ehe und des Priestertums unterstützen. 3. Eine Ansicht, die die absolute Autonomie des persönlichen Urteils betont, will die Familie lediglich als eine von vielen frei gewählten und verfügbaren Institutionen sehen, deren Anliegen die Förderung der Selbsterfüllung des einzelnen ist. Diese Ansicht führt zu Bemühungen, andere sogenannte „freie Partnerschaften” zu legitimieren, die Rechte beanspruchen, wie sie nur Familien zukommen. Für die Kirche dagegen sind Ehe und Familie sakrale Institutionen. Sie sind nicht bloß ein persönlicher Lebensstil und ein persönlicher Lebensentwurf der betreffenden einzelnen. Die Achtung vor Gottes Willen, die in der Schöpfungsordnung so klar geoffenbart wurde (vgl. Gen 1,26-28), erfordert, daß sich die Kirche jedem Versuch widersetzt, Ehe und Familie auf irgendeiner anderen Grundlage zu definieren. Die Kirche verkündet weiter, daß echte Familienwerte sich nur aufbauen lassen auf der Ehe zwischen Mann und Frau, wie es „im Anfang” (vgl. Mt 19,4) festgelegt wurde. Die Hirten sollten die Laien ermuntern, ihre volle Verantwortung für die Förderung staatücher Gesetze, nationaler Politik und sozialer Institutionen zu übernehmen, die die Rechte und Pflichten der Familien in ihrer ursprünglichen Wahrheit schützen und fördern (vgl. Familiaris consortio, Nr. 44). In einer kürzlichen Erklärung der Nationalkonferenz katholischer Bischöfe habt ihr alarmierend betont, daß die Vereinigten Staaten „die höchste Scheidungsrate, den höchsten Prozentsatz von Schwangerschaften bei Mindeijährigen, die höchste Armutsrate bei Kindern und die höchste Abtreibungsrate in der westlichen Welt” aufweisen (Putting Children and Families first; Kinder und Familien an die erste Stelle setzen, 1991, II, A). Diese Hinweise auf soziales und moralisches Versagen bilden eine ernsthafte Herausforderung für die Gemeinschaft der Katholiken, mit pastoralem Realismus eine Antwort zu geben. Ernste Aufmerksamkeit muß der Stärkung des Sinns von Ehe und Familienleben bei den Katholiken selbst gelten, zumal bei den jungen Paaren, die sich auf die Ehe vorbereiten. Ein reiches und anspruchsvolles Programm der Vorbereitung für Katechumenen hat in vielen Diözesen der Vereinigten Staaten ausgezeichnete Ergebnisse gebracht. 1426 AD-LIMINA-BES UCHE Angesichts der Wichtigkeit der Ehe als Berufungssakrament, durch dessen Gnade die meisten Männer und Frauen geheiligt, die Kinder in der Lebensführung ebenso wie im Glauben unterwiesen werden, ist gewiß eine analoge geistliche Vorbereitung für die, die im Herrn” (vgl. 1 Kor 7,39) heiraten möchten, notwendig. Eine Verstärkung des Vor-Kana-Programms und anderer Programme sowie das persönliche Engagement von Priestern bei der geistlichen Vorbereitung der Paare wird mithelfen, die Grundlage für fester zusammenhaltende Ehen zu legen. Wie ferner auf das Kate-chumenat eine Zeit der Mystagogie folgt, so sollte auch eine nachhaltige pastorale Betreuung den Neuverheirateten angeboten werden. 4. In diesem Jahr begeht die Kirche das fünfundzwanzigste Jahresgedächtnis von Humanae vitae, einer Enzyklika, in der Papst Paul VI. die Lehre von der Unmoral der bewußten und künstlich herbeigeführten Trennung der beiden dem ehelichen Akt wesentlich eigenen Ziele: der Vereinigung und der Zeugung, bekräftigte (vgl. Nr. 14). Diese Lehre wurde immer wieder in der Kirche während der vergangenen fünfundzwanzig Jahre wiederholt (vgl. z. B. Familiaris consortio, Nm. 29-33). Der Katechismus der Katholischen Kirche bekräftigt sie ebenfalls (vgl. Nr. 2370). Doch ist eine unangemessene und ungenügende Erklärung wenigstens zum Teil verantwortlich für die Tatsache, daß viele Katholiken bei der Anwendung dieser Lehre Schwierigkeiten haben. Die Aufgabe besteht also darin, die Würde und Freude der menschlichen Sexualität besser kennen und schätzen zu lehren, wenn diese gemäß der Wahrheit der bräutlichen Sprache des Körpers gelebt wird. In Programmen der Vorbereitung auf die Ehe und anderen pastoralen Bemühungen zur Stützung der Ehe und des Familienlebens sollten die Paare die volle Wahrheit von Gottes Plan für das integrale Leben ihrer ehelichen Liebe kennenlemen. Erneut ermuntere ich euch und eure Brüder im Bischofsamt in den Vereinigten Staaten, hochherzig die natürlichen Familienplanungsprogramme zu unterstützen. Jede Diözese sollte ehrlich ihre Prioritäten überprüfen und sehen, ob sie die nötigen Mittel zur Verfügung stellt, um die natürlichen Methoden zur Regelung der Fruchtbarkeit besser bekanntzumachen (vgl. Familiaris consortio, Nr. 35). Ähnlich solltet ihr bei eurem Dienst in den Eltern Vertrauen und Hoffnung wecken, indem ihr die Freuden und Aufgaben ihrer Berufung hervorhebt. Die pastorale Liebe erfordert, daß sich Einrichtungen der Kirche besonders der Familien mit Schwierigkeiten annehmen, der zerbrochenen Familien, der Familien mit nur einem Eltemteil, doch sie erfordert auch, daß das zentrale Anliegen der pastoralen Aufmerksamkeit der Kirche die überlieferte, feste Familie ist, in der Erziehung, Sozialisierung und Weitergabe des katholischen Glaubens und seiner Werte erfolgen. Der Hl. Stuhl erkennt den Wert des Vorschlags der Vereinten Nationen an, 1994 zum Jahr der Familie zu erklären, und hat diese Initiative bereitwillig aufgegriffen. Auf örtlicher Ebene sind Diözesen und katholische Institutionen aufgefordert, diese Gelegenheit zur Stärkung ihrer Bemühungen zum Schutz und zur Förderang des Familienlebens zu benutzen. 1427 AD-LIM1NA -BES U CHE 5. Die letzte Bischofssynode hat die neuen Aufgaben anerkannt, die in der Vorbereitung von Männern als Priester für das dritte Jahrtausend des Christentums erfüllt werden müssen, und sich des längeren mit der Frage der priesterlichen Ausbildung befaßt. Indem ich die Früchte dieser Diskussion aufgriff, habe ich später das Apostolische Schreiben Pastores dabo vobis veröffentlicht, um den Hirten und allen, denen die menschliche, geistliche, intellektuelle und pastorale Vorbereitung der Seminaristen obliegt, eine Weisung an die Hand zu geben. Ich bin auch ermutigt durch die Billigung, die eure Konferenz dem überprüften „Programm für Priesterausbildung” erteilt hat. Dieses Dokument bietet ein gediegenes Rahmenwerk für die Ausbildung, da es klar die sakramentale Weihe des Priesters als Gleichgestaltung mit Jesus Christus hervorhebt, so daß er wirklich in der Person Christi, des Hauptes, und im Namen der Kirche handeln kann (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 1548-1553). Kein andersartiger Begriff des Priestertums wird dem Verständnis der Kirche von den Absichten des Herrn gerecht. Mir bleibt nur übrig, euch dringend aufzufordem, in der Auswahl von Kandidaten anspruchsvoll zu sein, gut qualifizierte Priester für den Dienst am Seminar zur Verfügung zu stellen und bei den Anforderungen an die Aufgaben der Priester heute keine Kompromisse zu machen. Nur der Ordinarius kann einen Kandidaten zum Diakonat und Priestertum berufen. Er muß sich daher persönlich vor dem Herrn und der Kirche für die Entscheidungen in diesem Anliegen verantwortlich wissen. Ich bete, daß die in einigen Diözesen wachsende Zahl der Priesteramtskandidaten der Beginn eines Trends sein möge, der sich in allen Ecken eures großen Landes verbreitet. Bischöfe, die ihre Seminaristen kennen und sich Zeit nehmen, sie als geistliche Söhne zu leiten, werden Kirchen aufbauen, die stark in der Brüderlichkeit und geistlichen Gemeinschaft sind. Das nachhaltige Zeugnis eures eigenen Seeleneifers, eure eigene Treue zu dem in der Kirche übermittelten Evangelium, eure innere Freude und euer einfacher Lebensstil werden ebensooft ein Beispiel sein, in dem Männer an erster Stelle ihre Berufung zum Priestertum entdecken können. Soll die neue Evangelisierung Frucht tragen, wird die Kirche Priester brauchen, deren geistliches Leben durch Askese, innere Disziplin, Opfergeist und Selbstverleugnung geprägt ist (Pastores dabo vobis, Nr. 48). Wo eine Kultur eingebrochen ist, die das Ich in den Mittelpunkt stellt und sich selbst schont, müssen diese wesentlichen Tugenden und Haltungen bei der geistlichen Formung besondere Aufmerksamkeit finden. Das Dienstpriestertum prägt einen Mann für immer und unauslöschlich in seinem inneren Sein (vgl. ebd., Nr. 70). Priestertum ist kein Beruf oder eine Karriere im weltlichen Sinn. Eine gewisse Weltlichkeit, übertriebene Sorge um das Geld und weltliche Haltungen gegenüber der „Pensionierung” zählen zu den Faktoren, die gegen die Förderung einer echten pastoralen Liebe wirken, welche aus einem inneren, vom Geist angeregten Leben erfheßt (vgl. ebd., Nr. 19). Bischöfe und Priester müssen gemeinsam diese Anforderungen aufgreifen und sich den dazugehörenden Aufgaben stellen. Ähnlich verdienen solche Verbände eure Ermunterung, deren Anliegen es ist, den Priestern zu helfen, indem sie ihnen Gelegenheiten zu brüderlicher 1428 AD-LIMINA-BESUCHE Stütze und geistlichem Wachstum geben und sie mit verjüngendem Eifer für ihren Dienst erfüllen. Gestattet mir einige vertrauensvolle Worte zu Situationen, die euch und so viele andere tief betrüben und deren Last wir alle tief empfinden (vgl. Gal 6,2). Als „Ältester und Zeuge der Leiden Christi” (i Petr 5,1) teile ich eure Bitterkeit und Traurigkeit, wenn Männer, denen der heilige Dienst anvertraut wurde, hinter ihrer Aufgabe Zurückbleiben und zum Anlaß öffentlichen Skandals werden, der das Vertrauen der Menschen in die Hirten der Kirche untergräbt und der Moral der Priester schadet. Diese Entgleisungen sind tragisch für die Opfer und die betroffenen Kleriker. Wir müssen innig für alle jene beten, die in solches Fehlverhalten verwickelt sind, und wissen, daß unser Erlöser denen nahesteht, die von seiten anderer Ungerechtigkeit erleiden, und daß seine Barmherzigkeit das zerknirschte Herz erreicht. Das Versagen einer kleinen Zahl von Klerikern macht es um so wichtiger, daß die Seminarausbildung sorgfältig das Charisma des Zöhbats bei den Kandidaten für das Priestertum prüft. Dieses Erfordernis ist nicht nur eine vorübergehende rechtliche Norm oder eine von außen her für die Priesterweihe auferlegte Bedingung, sondern ein Wert, der zutiefst verbunden ist mit der Anteilnahme des Priesters an der Sorge des Bräutigams für seinen Leib, die Kirche (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 50). Wenn wir bei den Seminaristen ihre gesunde psycho-sexuelle Entwicklung, eine gediegene menschliche Ausbildung sowie ihr Wachsen in Gnade und Tugend unterstützen, befähigen wir sie, voll Freude diese „kostbare Gabe Gottes” (Optatam to-tius, Nr. 10) anzunehmen und sie in Ausgeglichenheit zu leben. Sie erhalten dadurch Anteil an der bräutlichen Selbsthingabe Christi für seine Kirche (vgl. Eph 5,25-27), womit er sein Volk reinen, hochherzigen und beständigen Herzens liebt (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 22). 6. Abschließend kehren meine Gedanken zum Weltjugendtag in Denver zurück, der schnell näherkommt. Dort werden wir jungen Leuten aus der ganzen Welt begegnen, die mit Petrus bekennen: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes” (Mt 16,16). „Du hast Worte des ewigen Lebens” (Job 6,68). Dies ist eine Pilgerfahrt des Glaubens und der Freundschaft, um Christus in dieser Stadt zu begegnen - in seiner eucharistischen Selbsthingabe, in den Leiden unserer Brüder und Schwestern und in den Gebeten seines Volkes. Möge der Erlöser, der sich selbst „für das Leben der Welt” (Joh 6,51) hingab, eine Jugend vorfinden, die auf die Begegnung mit ihm vorbereitet ist und durch eure hochherzige Hilfe und Begeisterung ermuntert wird. Junge Menschen sind besondere Geschenke an die Kirche, Herolde der Hoffnung und Vorkämpfer des neuen Frühlings der Christenheit (vgl. Redemptoris missio, Nr. 86). In dieser Zeit der Kirche macht der Heilige Geist das Pfingstfest zur nicht endenden Gnade, indem er die Einheit bewahrt, Christi Jünger in die Fülle der Wahrheit (vgl. Joh 16,13) einführt und die Gemeinschaft aller Gläubigen belebt (vgl. Dominum et vivificantem, Nr. 25). Und doch muß die Kirche wie ihr Bräutigam und Herr auch 1429 AD-LIMINA -BES UCHE durch eine irdische „Stunde” (vgl. Joh 17,1) des hingebungsvollen Einsatzes und der Arbeit, ja sogar des Leidens hindurch. Ich bete, daß unsere Liebe Lrau von Guadalupe, die Schutzfrau beider Amerika, der ich die Priester, Ordensleute und gläubigen Laien eurer Diözesen anvertraue, euch bei eurem Dienst begleitet und stärkt. Durch ihre mütterliche Vermittlung möge sie euch Anteil an ihrem unerschütterlichen Glauben, an ihrer beständigen Hoffnung und an ihrer brennenden Liebe erwirken. Mit meinem Apostolischen Segen. Extremer Feminismus untergräbt den christlichen Glauben Ansprache an die US-amerikanischen Bischöfe aus den Kirchenprovinzen Baltimore, Washington, Atlanta und Miami bei ihrem Ad-limina-Besuch am 2. Juli Liebe Brüder in Christus! 1. Es ist mir eine Lreude, euch, die Hirten der Ortskirchen aus den Provinzen von Baltimore, Washington, Atlanta und Miami willkommen zu heißen. Im Namen unseres Herrn Jesus Christus versammelt, „in dem wir den freien Zugang durch das Vertrauen, das der Glaube an ihn schenkt, haben” (vgl. Eph 3,12), soll dieses Treffen jene Einheit offenbaren und bekräftigen, die uns in der Gnade des Heiligen Geistes, der lebendigen und immerwährenden Quelle des ganzen kirchlichen Lebens, verbindet. Euer Besuch, „um Kephas kennenzulemen” (Gal 1,18), fällt mit dem Fest der hl. Apostel Petrus und Paulus zusammen, den Begründern der „größten und ältesten Kirche” (Irenäus, Adv. Haer. III, 3,2,). Durch ihr grausames Martyrium im Zeugnis für ihren Glauben vereint, hatten sich diese beiden großen Märtyrer gemeinsam um des Evangeliums willen abgemüht. Sie reichten sich die Hand „im Zeichen der Gemeinschaft” (koinonia) (Gal 2,9), denn sie erkannten, daß es der Herr Jesus selbst war, der Petrus als universalen Hirten seiner Herde (vgl. Joh 21,15-17) und als sichtbares Fundament kirchlicher Einheit (vgl. Mt 16,18) eingesetzt hatte. Im gleichen Geist der Zusammenarbeit möchte ich diese Überlegungen zu einigen Aspekten der Sorge für Gottes geliebtes Volk mit euch teilen. Vor dreißig Jahren, am Gedenktag des hl. Paulus, trat mein Vorgänger Papst Paul VI. feierlich seinen päpstlichen Dienst an. Im vollen Bewußtsein des ihm anvertrauten Auftrags brachte er bei diesem Anlaß jenes Engagement zum Ausdruck, dem auch ich mich voll und ganz anschließe und für dessen Einhaltung er stets ein Vorbild und Beispiel war: „Wir werden die Heilige Kirche gegen Irrtümer im Glauben und in der Moral verteidigen, die von innen oder außen ihre Integrität und ihre Schönheit trüben; wir werden uns um die Aufrechterhaltung und die Intensivierung der pastoralen Kraft der Kirche mühen” (Predigt vom 30. Juni 1963). Liebe Brüder im Bischofsamt, ich weiß, daß auch ihr dieses Ziel teilt. Hier haben wir eine pasto-rale Verpflichtung, die zum Kernpunkt unseres Amts gehört und die sich uns mit evangelischer Dringlichkeit stellt. Als Hirten sind wir dafür verantwortlich, „offen 1430 AD-UMINA-BESUCHE und klar die wahre Lehre zu vertreten” (vgl. 2 Tim 2,15), indem wir auf klare und eindeutige, und dennoch attraktive und ermutigende Weise „den Glanz der Heilsbotschaft von der Herrlichkeit Christi” (2 Kor 4,4) verkünden. Mein Gedankenaustausch mit den verschiedenen Gruppen der Bischöfe aus den Vereinigten Staaten ist von der Sorge für die Erfüllung dieser wesentlichen Aufgabe geprägt. 2. Eine Stärke der Kirche in den Vereinigten Staaten war stets die Rolle der Pfarrei als Mittelpunkt, nicht nur des sakramentalen Lebens, sondern auch der katholischen Bildung und Erziehung sowie karitativer und gesellschaftlicher Tätigkeiten. Die für das moderne Leben so bezeichnende Aufsplitterung hat eine gewisse Schwächung des Zugehörigkeitsempfindens zur Pfarrgemeinde verursacht, vor allem dort, wo es zu Polarisierungen um Themen der kirchlichen Lehre oder der Liturgie gekommen ist. Priester und Laien müssen sich intensiv um die Erneuerung des Pfarreilebens bemühen nach dem Bild der Kirche als Gemeinschaft, der die sich ergänzenden Gaben und Charismen all ihrer Mitglieder zugute kommen. Die Gemeinschaft ist eine dynamische Realität, die einen konstanten Austausch von Gaben und Dienstleistungen aller Mitglieder des Gottesvolkes erfordert. Die Lebenskraft der Pfarrei ist abhängig von der Verschmelzung der verschiedenen Berufungen und Anlagen ihrer Mitglieder zu einer Einheit, die die Gemeinschaft jedes einzelnen und aller zusammen mit Gott, dem Vater, durch Christus offenbart, ständig erneuert durch die Gnade des Heiligen Geistes. Priester, Laien und Ordensleute müssen von dem Bewußtsein ausgehen, daß ihre hierarchischen und charismatischen Gaben (vgl. Lumen Gentium, Nr. 4) verschieden sind, sich aber ergänzen, und daß sie alle notwendig sind „für den Aufbau des Leibes Christi” (Eph 4,12). Während unserer Gespräche bemerkten einige Bischöfe, daß die Betonung der Gleichheit in der Taufe - eine Wahrheit, die fest in der Tradition der Kirche verwurzelt ist - manchmal dazu führt, den wirklichen Unterschied zwischen dem königlichen Priestertum aller Glaubenden und dem durch die sakramentale Weihe verliehenen amtlichen Priestertum auf ein Minimum herabzusetzen. Man muß unbedingt auf der Tatsache bestehen, daß die Unterscheidung der beiden „dem Wesen nach” (Lumen Gentium, Nr. 10) nichts mit „Macht”, im Sinne von Privilegien und Herrschaft, zu tun hat. Beide stammen von dem einen Priestertum Christi und sind einander zugeordnet, dazu bestimmt, sich gegenseitig zu dienen (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 17). Wahre Gemeinschaft bedingt beiderseitige treue Liebe (vgl. 1 Joh 4,12-13), die bewirkt, daß Priester und Laien sich gegenseitig, ihre jeweilige Identität achtend, unterstützen. Was ihr mit „Dienst in Zusammenarbeit” bezeichnet, bietet, bei voller Treue zur sakramentalen Lehre der Kirche, eine sichere Grundlage zum Aufbau von Gemeinschaften, die im Innern versöhnt und deren geistige Kräfte für die Neuevangelisierung von großem Nutzen sind (vgl. Redemptoris missio, Nr. 3). 3. Es ist ein Segen für die Kirche, daß Laienchristen in so vielen Pfarrgemeinden die Priester auf vielfältige Weise unterstützen: in der religiösen Unterweisung, in der 1431 AD-LIMINA-BES U CHE pastoralen Beratung, bei Tätigkeiten im sozialen Bereich, in der Verwaltung usw. Diese wachsende Teilnahme ist zweifellos das Werk des Geistes, der die Lebenskraft der Kirche erneuert. In einigen Fällen, wo es durch vorübergehenden Priestermangel zur Notwendigkeit geworden ist, können Mitglieder der Laienschaft mit der Führung der Pfarrei, den Richtlinien des Kanonischen Rechts entsprechend (C/C, can. 517,2; vgl. Christifideles laici, Nr. 23), beauftragt werden. In solchen Situationen fällt den Bischöfen die schwierige Aufgabe zu, darauf zu achten, daß die Gläubigen diese „amtlichen” Verpflichtungen nicht mit der spezifischen „s’acra potestas” des geweihten Priesters verwechseln. Es ist kein kluges pastorales Vorgehen, ein solches Projekt als normal oder gar als wünschenswert zu erachten, demzufolge eine Pfarrgemeinde auch ohne Priester’bestehen könnte. Die sinkende Zahl aktiv tätiger Priester - eine Situation, die, wie wir hoffen und beten, sich bald ändern wird - als ein Zeichen der Vorsehung zu interpretieren, damit Priester durch Laien ersetzt werden können, ist mit dem Geist Christi und der Kirche unvereinbar. Das königliche Priestertum der Laien kann nie gefördert werden, indem das amtliche Priestertum der Geweihten in den Schatten gestellt wird, das den Priester nicht nur zum Zelebranten der Eucharistie, sondern auch zum geistlichen Vater, Führer und Lehrer der ihm anvertrauten Gläubigen macht. 4. In den Vereinigten Staaten ist die Entwicklung des sogenannten „Laienapostolats” sicherlich ein positives und fruchtbares Ergebnis der durch das Zweite Vatikanische Konzil eingeleiteten Erneuerung. Der geistigen und lehrmäßigen Ausbildung aller zum Dienst eingesetzten Laien muß besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. In jedem Fall sollten sie gläubige Männer und Frauen sein, die ein vorbildliches persönliches und familiäres Leben führen, und sich „der vollen und ganzen Verkündigung der Frohen Botschaft” (Reconciliatio et paenitentia, Nr. 9), wie sie die Kirche lehrt, mit Liebe widmen. Für die anfängliche und weiter-führende Ausbildung der Laien, die sich offiziell am Leben der Pfarrgemeinde und der Diözese beteiligen, sind klare diözesane Richtlinien notwendig. Aber diese Richtlinien müssen korrekt durchgeführt werden, und darin liegt eine Herausforderung an eure Führungsfähigkeit. Wie ich bereits während meines letzten Pastoralbesuchs in den Vereinigten Staaten betonte, muß eine gesunde Ekklesiologie sich bemühen, sowohl die „Laisierung” der geweihten Priesterschaft als auch die „Klerikalisierung” der Laienberufe zu vermeiden (.Ansprache an die Laienschaft, 18. September 1987, Nr. 5). Die Laien sollten sich ihrer spezifischen Rolle in der Kirche bewußt sein: nicht ledigüch als Empfänger der Lehre und der sakramentalen Gnade, sondern als aktive und verantwortliche Werkzeuge der kirchlichen Sendung zur Evangelisierung und Heiligung der Welt. Insbesondere ist es Aufgabe der Laienchristen, die Wahrheit des Evangeliums auf das gesellschaftliche, wirtschaftliche, poütische und kulturelle Leben einwirken zu lassen. Ihnen gilt der besondere Auftrag, durch ihre irdische Arbeit, die Welt von innen heraus zu heiligen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31; Christifideles 1432 AD-LIM1NA-BESUCHE laici, 15). Es ist ihre Aufgabe, die Gesellschaft auf die Fülle hin zu ordnen, die in Christus ist (vgl. Kol 1,19), stets in der Einheit des Glaubens und unter Anweisung der Bischöfe, die „an Gottes Stelle der Herde vorstehen ... als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult, als Diener in der Leitung” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 20). Bereits das Apostolische Schreiben Christifideles laici weist darauf hin, daß in der Katechese und beim Predigen „der tiefen Verankerung und vollen Teilhabe der Laien auf der Erde, in der Welt, in der Gemeinschaft der Menschen” (vgl. Nr. 15) vielleicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, damit die Laienschaft besser erkennt, daß dies ihr vorrangiges Apostolat in der Kirche ist. Sie braucht eure ständige Ermunterung. Sie erwartet von ihren Bischöfen, daß sie sie in der Heiligkeit erstarken lassen, sie durch authentische Lehre führen und ihnen gleichzeitig Spielraum für Initiative und Freiheit für ihr Wirken in der Welt lassen (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 7). 5. Eine Frage, die eng mit dem in Zusammenhang steht, worüber wir gerade gesprochen haben, ist die Rolle der Frauen im Leben der Kirche, ein Thema, das aufgrund seiner Bedeutung größte Beachtung verdient. Gleichzeitig wird diese Frage, soweit sie die Kirche betrifft, durch die Tatsache beeinflußt, daß die Stellung und die Rolle der Frauen in der Gesellschaft allgemein radikalen Umwandlungen unterworfen ist. Die Rechte der Frauen wahren ist zweifellos ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer gerechteren und reiferen Gesellschaft, und die Kirche darf nicht versäumen, sich dieses bedeutende Ziel zu eigen zu machen. Eure Bischofskonferenz hat sich intensiv mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft und in der Kirche befaßt und wird dies auch weiterhin tun. Andere Bischofskonferenzen haben ebenso wie ich ausführlich mündlich und schriftlich zu diesem Thema Stellung genommen. Dennoch herrscht in gewissen Kreisen ein Klima der Unzufriedenheit über die Haltung der Kirche, vor allem dort, wo der Unterschied zwischen den menschlichen und zivilen Rechten einer Person einerseits und jenen Rechten, Pflichten, Diensten und Funktionen andererseits, die der Mensch innerhalb der Kirche hat oder genießt, nicht klar erkannt wird. Eine abwegige Ekklesiologie kann sehr leicht dazu führen, falsche Forderungen zu stellen und falsche Hoffnungen zu wecken. Sicher ist, daß die Frage nicht durch einen Kompromiß mit jenem Feminismus gelöst werden kann, der sich in harte ideologische Gegensätze spaltet. Es geht nicht lediglich darum, daß einige auch für Frauen das Recht auf Priesterweihe fordern. In seiner extremen Form ist es vielmehr der christliche Glaube selbst, der Gefahr läuft, untergraben zu werden. Manchmal treten verschiedene Formen von Naturkult und Verherrlichung von Mythen und Symbolen anstelle der Verehrung jenes Gottes, der sich in Jesus Christus offenbart hat. Unglücklicherweise unterstützen gewisse Kreise in der Kirche diese Art von Feminismus, einschließlich einige Ordensfrauen, deren Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen nicht mehr mit der Lehre des Evangeliums und der Kirche übereinstimmen. Als Hirten haben wir die Pflicht, gegen einzelne und Gemeinschaften, die unter dem Einfluß derartiger Auffassungen stehen, Einwand zu 1433 AD-LIMINA-BES UCHE erheben und sie zu jenem ehrlichen und offenen Dialog aufzufordem, der innerhalb der Kirche über die Erwartungen der Frauen weitergeführt werden muß. 6. Hinsichtlich der ablehnenden Haltung zur Priesterweihe der Frauen muß bemerkt werden, daß „die Kirche diese Bestimmungen immer aus dem eindeutigen, freien und souveränen Willen Jesu Christi herausgelesen hat” (vgl. Christifideles laici, Nr. 51). Die Kirche lehrt und wirkt im Vertrauen auf die Gegenwart des Heiligen Geistes und auf das Versprechen des Herrn, alle Tage bis zum Ende der Welt bei ihr zu sein (vgl. Mt 28,20). „Wenn sie gewisse Änderungen nicht übernehmen zu können glaubt, so geschieht es deshalb, weil sie sich durch die Handlungsweise Christi gebunden weiß. Ihre Haltung ist also ... Treue” (Inter Insigniores, Nr. 4). Die Ebenbürtigkeit der Getauften - eine der großen Aussagen des Christentums - besteht in einem differenzierten Ganzen, wo die Rollen von Männern und Frauen nicht nur funktionelle Bedeutung haben, sondern vielmehr tief in der christlichen Anthropologie und Sakram-tenlehre verwurzelt sind. Die Unterscheidung der Rollen fördert in keiner Weise die Überlegenheit einiger über andere; die einzig höhere Gnadengabe, nach der wir uns sehnen können und müssen, ist die Liebe (vgl. 1 Kor 12-13). Im Reich Gottes sind nicht die Amtsträger die größten, sondern die Heiligen (vgl. ebd., Nr. 6). Ich verstehe, wieviel Aufmerksamkeit, Gebet und Überlegung ihr auch weiterhin diesen schwierigen Fragen widmet, und ich rufe die Gaben des Heiligen Geistes auf eurer Bemühen herab, der Rolle der Frau - sowohl für die Erneuerung und Vermenschlichung der Gesellschaft als auch für die Wiederentdeckung des wahren Gesichts der Kirche durch die Glaubenden - eine durch und durch christliche anthropologische und ekklesiologische Prägung zu geben (vgl. ebd.). Wir sind als Bischöfe aufgerufen, die Lehre der Kirche hinsichtlich des geweihten Priestertums in all ihrer Fülle gleichermaßen an Männer und Frauen weiterzugeben. Es wäre ein Verrat an ihnen, wenn wir dieser Verpflichtung nicht nachkämen. Denjenigen, die die Lehre der Kirche nicht verstehen oder annehmen, wollen wir helfen, ihre Herzen und ihren Geist der Herausforderung des Glaubens zu öffnen. Wir müssen der gesamten Gemeinschaft Halt und Kraft geben, indem wir notfalls auf Verwirrung und Fehler reagieren. 7. Sehr bald werde ich euren Besuch in Rom durch meinen eigenen Besuch in Denver erwidern. Voller Erwartung freue ich mich darauf, mit jungen Menschen aus aller Welt zusammenzutreffen, die diese geistige Wallfahrt unternehmen, um Christus im Herzen der „modernen Metropole” zu begegnen. Diese Treffen alle zwei Jahre sind zweifellos Momente der Gnade für die Gesamtkirche. Ebenso vermitteln sie den Ländern, wo sie veranstaltet werden, Energien zur geistigen Erneuerung. Mit Dankbarkeit sehen wir aus der Erfahrung vergangener Weltjugendtage, daß in jungen Menschen eine gewaltige Kraft zur Evangelisierung steckt! Ihr unablässiges Suchen nach Sinn und Wahrheit, ihr Verlangen nach enger 1434 AD-LIM1NA-BES U CHE Gemeinschaft mit Gott und der kirchlichen Gemeinschaft und ihr begeisterter Dienst an ihren Brüdern und Schwestern sind eine Herausforderung für uns alle. Mit kindlichem Vertrauen empfehle ich jede eurer Teilkirchen der liebevollen Fürsprache Marias, der unbefleckten Mutter des Erlösers und Schutzpatronin eurer Nation. Möge Gott „das Werk eures Glaubens, die Opferbereitschaft eurer Liebe und die Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus, unseren Herrn” (vgl. 1 Thess 1,2-3) reichlich segnen. Möge sich seine Liebe auch auf die Priester, die Ordensleute und Laien eurer Diözesen ergießen. Die Nachfolge Christi ist die wichtigste Grundlage christlicher Moral Ansprache an die amerikanischen Bischöfe aus New-England anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 21. September Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „Ich danke meinem Gott jedesmal, wenn ich an euch denke; immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude und danke Gott dafür, daß ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt vom ersten Tag an bis jetzt” (Phil 1,3-5). Mit diesen Worten des Apostels Paulus heiße ich euch - die Bischöfe aus Neuengland -herzlichst willkommen. Die Reisen des hl. Paulus nach Jerusalem, um Petrus ken-nenzulemen (vgl. Gal 1,18; 2,1-2), sind das erste Beispiel jener Begegnungen unter Brüdern, die dann die Ad-limina-Apostolorum-Besuche der Bischöfe geworden sind. Als Brüder im Herrn haben wir miteinander gesprochen und gemeinsam gebetet. So fördern diese Begegnungen die Bande hierarchischer und affektiver Verbundenheit unter uns. Durch sie stärken wir uns gegenseitig - wie es in Lumen Gentium heißt: „... so daß das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen aus allen, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit Zusammenwirken” (Nr. 13). Ich möchte heute der gesamten Kirche in den Vereinigten Staaten, vor allem der Erzdiözese Denver, für ihre Gastgeberrolle beim achten Weltjugendtag danken. Mein Besuch in diesem Rocky Mountain-Staat, wo Hunderttausende von jungen Menschen sich zusammengefunden hatten, um ihren Glauben an Christus zu bezeugen, ihre Gemeinschaft mit der Kirche zu erleben und sich der dringenden Aufgabe der Neuevangelisierung zu widmen, war ein Anlaß großer Freude und erneuter Hoffnung. Oft war ich bewegt von der offensichtlichen und freudigen Liebe, die die Jugendlichen Gott und der Kirche entgegenbringen. Sie schilderten uns ihre Leidensgeschichten für das Evangelium, wie sie scheinbar imüberwindbare Schwierigkeiten mit göttlicher Hilfe bewältigt haben, und ihre Ängste in einer von Verzweiflung, Zynismus und Konflikten zerrütteten Welt. Ich verließ Denver voller Lobpreis für Gott, der „den Unmündigen die Geheimnisse seines Königreiches offenbart hat” (vgl. Mt 11,25). Wir alle, die Bischöfe der Kirche, sollten unser Amt in bezug auf 1435 AD-UMINA -BES UCHE die jungen Menschen und unsere Verantwortung, ihnen die volle Wahrheit über Christus und seine Kirche zu vermitteln, neu überdenken. Die in Denver versammelten Jugendlichen verdienten es sicherlich, die Worte des heiügen Paulus zu hören, die ich bei der Abschlußmesse zitierte: „Ich habe großes Vertrauen zu euch; ich bin sehr stolz auf euch. Trotz all unserer Not bin ich von Trost erfüllt und ströme über von Freude” (2 Kor 7,4). Von den zahlreichen Briefen, die ich erhalten habe, möchte ich das mit euch teilen, was mir eine junge Frau schrieb, die nun ihr Universitätsstudium beginnen wird. Sie schreibt: „Wir haben in den Armen Christi geschlafen: Es war der Weltjugendtag, der uns aus unseren Alpträumen der Zügellosigkeit und der Einsamkeit erwachen ließ, um in die Augen dieses Gottes-Menschen zu schauen, der unser Weg, unsere Wahrheit und unser Leben ist.” Aus solchen Worten sollten wir als Hirten die ständige Aufforderung herauslesen, die Jugendlichen auf ihrer Glaubenspilgerschaft zu begleiten, jene Reise, die ihre Antwort ist auf die in ihren Herzen wirkende Gnade Gottes, jene Reise, die von Zeit zu Zeit besonders intensive Momente erfordert, wie Wallfahrten, Gebetsversammlungen und Exerzitien. Wir brauchen Zeit und Aufmerksamkeit, um jungen Menschen zuzuhören, sie zu lehren und zu ermutigen. Auf der Schwelle des dritten Jahrtausends muß das Apostolat an der Jugend eine Priorität für die Kirche sein. 2. Wir können die innigen Hoffnungen, die die Herzen der Menschen heute bewegen, nicht ignorieren. Trotz negativer Zeichen dursten viele nach authentischer und anspruchsvoller Geistigkeit. Es gibt eine „neue Entdeckung Gottes in seiner transzendenten Wirklichkeit als unendlicher Geist” (Dominum et vivificantem, Nr. 2), und vor allem junge Menschen suchen nach einer festen Grundlage, auf der sie ihr Leben aufbauen können. Die Jugend Amerikas wendet sich an euch, damit ihr sie zu Christus führt, der „die einzige Antwort auf die im Herzen jedes Menschen vorhandene Sehnsucht nach Glück, Wahrheit und Leben” ist (Centesimus annus, Nr. 24). Erlaubt mir, das zu wiederholen, was ich im vergangenen Monat zu den Bischöfen in Denver gesagt habe: „Sind wir stets bereit, den jungen Menschen bei der Entdeckung der transzendenten Elemente des christlichen Lebens zu helfen? Können sie aus unseren Worten und Taten schließen, daß die Kirche wirklich ein Geheimnis der Gemeinschaft mit der Heiligen Dreifaltigkeit ist und nicht nur eine menschliche Institution mit rein irdischen Zielen?” (vgl. Predigt, 13. August 1993, Nr. 2). 3. Unter den konkreten Erfahrungen, die wir währenddes Weltjugendtags gemacht haben, sollten wir nicht übersehen, daß junge Menschen nicht nur fähig sind zu beten, sondern auch danach verlangen. Sie erwarten, daß ihre Hirten sie wahrhaft christliches Beten lehren, was sie am Dialog des Sohnes mit dem Vater teilhaben läßt, wie es der heilige Paulus in seinem Brief an die Galater so wunderbar zum Ausdruck bringt: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater” (Gal 4,6). Das Gebet ist nicht eine Beschäftigung wie viele andere, sondern es steht im Mittelpunkt unseres Lebens in Christus. Es lenkt unsere Aufmerksamkeit von uns selbst ab und richtet sie auf den 1436 AD-LIMINA-BES U CHE Herrn. Das Gebet erfüllt den Geist mit Wahrheit und gibt dem Herzen Hoffnung. Ohne tiefgreifende Gebetserfahrung kann die Entwicklung einer moralischen Lebensführung nur oberflächlich sein. Die authentische Erneuerung eurer Diözesen verlangt nach einem im Glauben verwurzelten, durch das sakramentale und liturgische Leben gestärkten und in der Nächstenliebe wirkungsvollen Apostolat des Gebetes (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2558). 4. Hand in Hand mit der Förderung der geistigen Vitalität junger Männer und Frauen geht die Aufforderung, ihnen „die Fülle der Wahrheit, die Gott uns über sich selbst zur Kenntnis gebracht hat” (Redemptoris missio, Nr. 5), zu verkünden. Es ist klar, daß die Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten der vergangenen Jahrzehnte für sie nicht von Interesse sein können. Ein in seiner Aussagekraft abgeschwächtes, entstelltes und passiv erscheinendes Evangelium kann sie nicht inspirieren. Nach besten Kräften sollten wir uns um die Gewährleistung bemühen, daß ka-techetische und religiöse Erziehungsprogramme, katholische Schulen und höhere Bildungseinrichtungen und vor allem der Dienst des Predigens der Kirche auf klare und überzeugende Weise - ohne Verlegenheit oder Kompromisse - den gesamten Reichtum kirchlicher Lehre darstellen. Nur durch die Formung junger Menschen in wahrer katholischer Geistigkeit und in der Fülle der katholischen Lehre könnt ihr ihnen helfen, ihre Rolle und ihre Verantwortung in der Kirche in vollem Ausmaß wahrzunehmen - etwas, das auch ihnen klar ist. In ihrer Begeisterung und grenzenlosen Energie sollten sie ermuntert werden, „Protagonisten der Evangelisierung und Erbauer der sozialen Erneuerung” zu sein (Christifideles laici, Nr. 46). Nicht nur werden sie für das Evangelium gewonnen, sondern sie evangelisieren ihrerseits, indem sie das Wort Gottes an ihre Altersgenossen herantragen, einschließlich an diejenigen, die sich von der Kirche abgewendet haben, und jene, die die Frohbotschaft noch nicht erreicht hat. Ebenso steckt in vielen jungen Menschen ein enormes Potential an Großherzigkeit, Hingabe und Engagement; sie fühlen sich zu den verschiedenen Formen des „Volontariats” hingezogen, insbesondere zum Dienst an den Notleidenden. Gemeinsam mit ihnen sollten die Verantwortlichen der Kirche in den Vereinigten Staaten stets nach neuen Wegen suchen, um ihre Fähigkeiten und ihren Wunsch, an der Sendung der Kirche teilzunehmen, in vollerem Maße zu verwirklichen. Die üblichen Methoden des „Dienstes an der Jugend”, die von der Pfarrei ausgehen, sollten auch weiterhin beibehalten werden, damit die Jugend nicht von der breiten Gemeinschaft getrennt wird. Aber eure eigene Erfahrung hat euch gelehrt, daß es oft nützlich ist, dies durch Vereinigungen, Bewegungen, spezielle Zentren und Gruppen, die auf ihre besonderen Anforderungen eingehen, zu ergänzen (vgl. Redemptoris missio, Nr. 37). 5. Das wachsende Interesse an ethischen Fragen und die zunehmende Diskussion über „Werte” im amerikanischen Leben bedeuten, daß mehr und mehr die Notwendigkeit einer moralischen Formung durch die Einwirkung der Familien, der Schulen und anderer Institutionen empfunden wird. Unter diesen Voraussetzungen haben 1437 AD-LIMINA-BESUCHE Hirten viele Möglichkeiten, auf dem Gebiet der moralischen Entwicklung eine wegweisende Rolle einzunehmen, indem sie die Wahrheit Christi und die Weisheit Gottes (vgl. 1 Kor 1,24) vermitteln, die uns befreien wird (vgl. Joh 8,32). Dennoch können Führung und Orientierung nur dann wirkungsvoll sein, wenn eine Übereinstimmung in der Lebensweise besteht. Nach Ansicht der Kirche liegen Bedeutung und Zweck des Lebens in dem „einen Glauben” des Evangeliums. Ist es vielleicht nicht wahr, daß die Frage, die der junge Mann im Evangelium stellt: „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” (Mk 10,17), heute mit solcher Dringlichkeit an uns gerichtet wird, daß sie unsere absolute Aufmerksamkeit verlangt? Die nötige Erneuerung des gesellschaftlichen und politischen Lebens kann sich erst dann vollziehen, wenn die innere Verbindung zwischen Glauben und Moral klar wird. Junge Katholiken spüren, daß notwendigerweise eine Übereinstimmung zwischen dem Glauben, den wir bekennen, und dem Glauben, den wir leben, bestehen muß. Sie brauchen eine klare Vorstellung davon, was es in der Praxis bedeutet, ein Katholik zu sein. Die Seelsorger sollten mit neuer Zuversicht und Eifer jene „Antwort” zur Frage der Moral predigen, die der Herr seiner Kirche anvertraut hat. Unter den Themen dieser Frohbotschaft ist die wesentliche Verbindung zwischen menschlicher Freiheit und Wahrheit, denn eine Freiheit, die sich weigert, an die Wahrheit gebunden zu sein, verliert ihre Grundlage (vgl. Centesimus annus, Nr. 41). Junge Menschen spüren - vielleicht manchmal ohne zu wissen warum -, daß religiöser, moralischer und kultureller Relativismus nicht glücklich macht und daß Freiheit ohne Wahrheit nur eine Illusion ist. Eines der wichtigsten pastoralen Probleme, mit dem wir uns beschäftigen sollten, ist das weitverbreitete Mißverständnis über die Rolle des Gewissens, wenn das Gewissen und die Erfahrung des einzelnen über die Lehre der Kirche gestellt oder ihr entgegengesetzt werden. Die jungen Frauen und Männer Amerikas und eigentlich in der gesamten westlichen Welt, die oft die Opfer von Erziehungstheorien sind, deren grundlegendes moralisches Prinzip darin besteht, sich seine eigenen Werte zu „schaffen” und „mit sich selbst zufrieden zu sein”, wollen aus dieser moralischen Verworrenheit befreit werden. Alle, die ihr Lehramt im Namen der Kirche ausüben, sollten ohne Zögern die Würde des sittlichen Gewissens als jenes Heiligtum ehren, in dem wir die Stimme Gottes hören (vgl. Gaudium et spes, Nr. 16); aber mit gleichem Eifer sollten sie gegen jeden Subjektivismus verkünden, daß das Gewissen kein Tribunal ist, das das Gute schafft, sondern daß es vielmehr im Licht allgemeingültiger und objektiver moralischer Regeln heranreifen muß. Eine klare Unterweisung in diesen Dingen ist auch ein wesentlicher Schritt der notwendigen Rückkehr zur Ausübung des Bußsakraments. Tausende von Beichten, die die in Denver anwesenden Priester gehört haben, beweisen trotz der allgemeinen Krise, von der es betroffen ist, daß die Jugend den Wert dieses Sakraments erkennt (vgl. Reconciliatio etpaenitentia, Nr. 28). 1438 AD-LIM1NA-BES UCHE 6. Eine klare Unterweisung in all diesen Fragen ist von befreiender Wirkung, denn sie zeigt die wahre Bedeutung des Jüngertums: Christus ruft seine Anhänger auf, seine Freunde zu sein (vgl. Joh 15,15). Tatsächlich ist die persönliche Nachfolge Christi die wichtigste Grundlage christlicher Moral. Der „Gehorsam des Glaubens” (Röm 16,26) ist sowohl eine intellektuelle Bejahung der Lehre als auch eine Verpflichtung für das Leben, die uns in eine stets vollkommenere Gemeinschaft mit Christus führt. Die Kirche muß immerfort darauf achten, daß das „wahre Wort” (Kol 1,5) nicht zu einem abstrakten Ethik- und Moralkodex oder zu einer Abhandlung von Regeln für gutes Verhalten abgewertet wird. Das Predigen christlicher Moral - so eng mit der Neuevangelisierung verbunden - darf das Kreuz Christi nicht um seine Kraft bringen (vgl. 1 Kor 1,17). Ich bin sicher, daß die Bischöfe der Vereinigten Staaten weiterhin ihre besondere pastorale Aufmerksamkeit den jungen Menschen widmen werden, denn in ihnen erkennt die Kirche als die Braut Christi ihre eigene, von Gott gegebene Jugend (vgl. Eph 5,22-33). Ich vertraue alle Priester, Ordensleute und Gläubige eurer Diözesen Maria, der Mutter des Erlösers, an, damit sie im Gebet bei euch bleiben (vgl. Apg 1,14) und euch zu Botschaftern der Hoffnung und zu Überbringern des Lebens in der Welt machen möge. Mit all meiner Zuneigung im Herrn erteile ich euch und allen Gläubigen in Neuengland von Herzen meinen Apostolischen Segen. Im Dienst der Einheit und des Glaubens Ansprache an die Bischöfe der Vereinigten Staaten aus den Regionen von Alaska, Arkansas, Idaho, Montana, Oklahoma, Oregon, Texas und Washington anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 2. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „Jesus Christus aber, unser Herr und Gott, unser Vater ... tröste euch und gebe euch Kraft zu jedem guten Werk und Wort” (2 Thess 2,16). Mit diesem Gebet begrüße ich euch - die Bischöfe aus Alaska, Arkansas, Idaho, Montana, Oklahoma, Oregon, Texas und Washington - anläßlich eures Ad-limina-Besuchs. Durch euch grüße ich wärmstens jedes Mitglied der Kirchen, zu deren Hirten der Heilige Geist euch bestellt hat (vgl. Apg 20,28). Ganz besonders danke ich Gott für die tiefe - sakramentale und brüderliche - Solidarität, die uns in unserem bischöflichen Amt, im Dienst an dem geliebten Volk Gottes, verbindet. Das Zweite Vatikanische Konzil erinnerte die Bischöfe daran, daß „sie die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin fördern und schützen müssen” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23). Wie die Apostel, deren Missionsauftrag weit über die Grenzen einer Ortsgemeinschaft hinausging, so sind auch wir „Gesandte an Christi Statt” (2 Kor 5,20), die aufgerufen sind, der katholischen Einheit und Gemeinschaft der Kirche durch ein den gesamten Leib Christi umfassendes 1439 AD-LIMINA-BESUCHE pastorales Engagement zu dienen. Durch eure Verbundenheit mit dem Kollegium der Bischöfe bleiben eure Ortskirchen offen für die universale „koinonia”, bereit, die Fülle des apostolischen Glaubens aufzunehmen, und bereichern die Kirche durch den kostbaren Beitrag ihrer eigenen Gaben. Jeder von euch ist ein lebendiges Werkzeug der Einheit und der Katholizität. Indem ihr das Band kirchlicher Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri und den anderen Mitgliedern des Bischofskollegiums stärkt, festigt ihr die Treue eurer Teilkirchen zu Christus. 2. Ein stets wiederkehrendes Thema dieser Ad-limina-Gesprächsreihe mit den Bischöfen der Vereinigten Staaten war die Dringlichkeit einer authentischen geistigen und moralischen Erneuerung der Kirche und der Gesellschaft. In der noch verbleibenden Zeit vor der Jahrtausendwende und der großen Jubiläumsfeier in Erinnerung an die erlösende Menschwerdung des Gottessohnes ruft der Heilige Geist die Kirche zur Läuterung, zur Buße und zu neuem geistlichem Eifer auf. Die gesamte Kirche muß hochherzig auf diesen Ruf antworten, damit die Gnade des Jahrtausends nicht vertan wird (vgl. 2 Kor 6,1). Für eure Diözesangemeinschaffen ist es eine Frage von stets größerem Engagement, das Salz der Erde und das Licht der Welt in einer Gesellschaft zu sein, die durch den Verlust geistlicher Sicht und Zielsetzung immer brüchiger wird. Für viele Menschen ist die Wahrheit von der hebevollen Vorsorge Gottes für die Schöpfung und von der Heilsgnade in unserem Herrn Jesus Christus immer weniger ein wesentlicher Bestandteü ihres Lebens. Die radikale pastorale Herausforderung, der die Kirche und ihre Mitglieder am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts gegenüberstehen, soll die Bedeutung der Botschaft des Evangeliums für die transzendente Bestimmung jedes Menschen wie auch für eine wahrhaft menschliche Entwicklung zeigen. Nach dem Plan Gottes war das Zweite Vatikanische Konzil eine reiche Quelle göttlicher Erleuchtung und Unterstützung, die es der Kirche ermöglichte, voll Vertrauen und in Sicherheit den Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen. Unser bischöflicher Dienst muß, der Forderung des Konzils entsprechend, entschieden auf die Erneuerung und Stärkung der Kirche ausgerichtet sein, so daß durch ihr Wirken - nach den Worten von Gaudium et spes - „die Welt umgestaltet [wird] nach Gottes Heilsratschluß und zur Vollendung [kommt]” (vgl. Nr. 2). Der Weg der kirchlichen Reform führt Uber die Ekklesiologie der Gemeinschaft, den zentralen und fundamentalen Gedanken der Konzilsdokumente (vgl. Schlußbericht der Sondersynode von 1985, Nr. 1). Da sie der lebendigen Quelle heiliger Tradition entspringt, kann die Ekklesiologie der „koinonia” der Kirche jene notwendige und authentische Reform bringen, jene wahre kirchliche „metanoia”, die „nicht an erster Stelle an den äußeren Strukturen gemessen werden darf, sondern an einem tieferen Verständnis und einer wirksamen Einpflanzung der eigenthchen Sicht ihrer wahren Natur und Sendung” (Ansprache an eine Gruppe Bischöfe aus den Vereinigten Staaten beim Ad-limina-Besuch am 16. September 1987, Nr. 1, O.R.dt., 23.10.87). 1440 AD-LIMINA-BES U CHE 3. Die kirchliche Gemeinschaft ist in der Tat eine tiefgreifende Wirklichkeit, die bis in das Innerste des Dreifaltigkeitsgeheimnisses hineinreicht, in welchem die wirkliche Unterscheidung der Personen in keiner Weise die Einheit der Gottheit mindert. Die vertikale Dimension der Gemeinschaft - die Liebe Gottes, die der Heilige Geist in unsere Herzen ausgegossen hat (vgl. Rom 5,5) und die uns zu neuem Leben in Jesus Christus erhebt - ist die grundlegende und zentrale Erfahrung unseres christlichen Lebens. Diese Gnade, die ihre Erfüllung erst in der himmlischen Kirche erlangt, wo „Gott herrscht über alles und in allem” (1 Kor 15,28), ist das Ziel, für das jeder Mensch nach Gottes Ebenbild erschaffen ist (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 1720-1722). Es ist das erhabene Geheimnis von Gottes rettender Liebe, das die Kirche stets durch ihre Lehrtätigkeit verkünden, in ihren Sakramenten feiern und in ihrem ganzen Leben und all ihren Werken fördern sollte. Jeder Aspekt kirchlicher Erneuerung - sei es in der Liturgie, in der Katechese oder in der pastora-len und kirchenrechtlichen Praxis und Disziplin - muß die Wiederbelebung und das Wachstum der Gnade in unseren Herzen, die Vertiefung der Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott zum Ziel haben. Die Gemeinschaft, von der wir sprechen, ist trotz ihrer Erhabenheit keine entfernte, abstrakte Wirklichkeit. Sie ist die eigentliche Grundlage der kirchlichen Organisation und Tätigkeit auf jeder Ebene. Daraus ergibt sich, daß die Ämter, die Organe und die Beziehungen, die die kirchliche Gemeinschaft in ihrer horizontalen Dimension fördern, dem einen überragenden Zweck dienen: Sie sollen die Menschen zu Christus führen, den Getauften helfen, in Glauben, Hoffnung und Liebe zu wachsen, und den Leib Christi in der Einheit des Glaubens und der Disziplin aufbauen. 4. Seit dem Konzil, und auch dem Codex des kanonischen Rechtes entsprechend, hat die Theologie der Gemeinschaft innerhalb der Kirche zu einem umfassenden Aufbau von Beratungsstrukturen auf verschiedenen Ebenen geführt. Die wirksame Teilnahme der Gläubigen an der Sendung der Kirche, durch Pfarrgemeinderäte, Finanzausschüsse und Komitees für besondere Tätigkeiten auf Pfarrei- und Diözesan-ebene, ist ein wesentlicher Fortschritt im Leben eurer Diözesen. Ihr seid euch dieser erfolgreichen Entwicklung bewußt, seht aber auch die Schwierigkeiten, die noch zu beseitigen sind hinsichtlich der Grundlagen für die Heranbildung von Laienhelfern und der Schaffung klarer Beziehungen zu den Diözesen und Pfarrgemeinden, in denen die Laien tätig sind. Durch ihren Rat für die Laien hat eure Bischofskonferenz hilfreiche Richtlinien für Mitglieder von Gemeinderäten herausgegeben, um sie mit den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Rolle der Laien und die Anwendung dieser Lehre, wie sie das nachsynodale Apostolische Schreiben Chri-stifideles laici erläutert, bekannt zu machen. „Entsprechend dem Wissen, der Zuständigkeit und hervorragenden Stellung, die die Laien einnehmen, haben sie die Möglichkeit, bisweilen auch die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, darzulegen” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 37). Dies kann entweder auf individueller Basis oder durch geeignete Organe geschehen (vgl. Kongregation für 1441 AD-L1M1NA-BES UCHE den Klerus, Omnes christifideles, 25. Januar 1973). Die Hirten der Kirche sind also verpflichtet, den Vorschlägen und Hinweisen der gläubigen Laienschaft Aufmerksamkeit zu schenken, während sie gleichzeitig aber von jener Freiheit und Autorität Gebrauch machen sollen, die Gott ihnen übertragen hat, um den Teil seines Volkes zu führen, den er ihnen anvertraut hat. Es wäre ein Fehler, auf Teilnahme und Solidarität basierende kirchliche Strukturen nach weltlichen demokratischen Maßstäben zu messen oder sie als Ausdrucksformen der „Teilhabe an der Macht” und als Mittel für die Durchsetzung parteiischer Vorstellungen und Interessen zu betrachten. Sie sollten vielmehr als Formen geistiger Solidarität gesehen werden, die der Kirche als Personengemeinschaft entsprechen, da ja „wir, die vielen, ein Leib sind in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören” (Rom 12,5). Solche Strukturen sind insoweit fruchtbar, als sie die wahre Natur der Kirche als eine vom Heiligen Geist beseelte und geführte hierarchische Gemeinschaft widerspiegeln. Wenn sie dem Geist Christi entsprechend wirken, sind sie gültige Zeichen dafür, wie die Getauften gegenseitig ihre Last tragen (vgl. Gal 6,2) in einer Weise, wie es für eine durch verschiedene hierarchische und charismatische Gaben bereicherte Gemeinschaft angemessen ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 4). 5. Noch zahlreiche andere Formen der Teilhabe der Laien an der Sendung der Kirche erfordern eure Aufmerksamkeit und pastorale Führung. Ein wichtiger Maßstab für die Lebenskraft der katholischen Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten ist die wachsende Zahl jener Laien, die, eine Zeitlang oder dauernd, als Missionare oder freiwillige Helfer dienen. Ein weiteres Zeichen ist das ausgedehnte Netz von Läien-bewegungen und -Organisationen, die in eurem Land tätig sind. Das „Nationale Laienforum” ist unter der Schirmherrschaft eures Rates für die Laien eine verdienst^ reiche Initiative, die zu ernsthaftem Nachdenken über das Laienapostolat anregt und Organisationen und Bewegungen zu intensiverer Zusammenarbeit untereinander und mit den Bischöfen anspomen kann. Ich werde für den erfolgreichen Ausgang des für 1994 vorgesehenen Forums beten, dessen Thema der Einfluß des Glaubens auf die Kultur in der heutigen amerikanischen Gesellschaft sein wird. Ebenso ist die Entwicklung kleiner christlicher Gemeinschaften, vor allem innerhalb der Pfarreien, sowohl ein Instrument für die Ausbildung der Laien als auch ein Impuls für den weltweiten Missionsauftrag. In den meisten Fällen dienen diese Gemeinschaften als aktive Evangelisations- und Missionswerkzeuge zur Belebung des Pfarrlebens. In einigen Fällen ist aufmerksame pastorale Führung notwendig, um sicherzugehen, daß sie in vollkommener Einheit und Harmonie mit ihrer Ortskirche bleiben. Christifideles laici enthält angemessene Kriterien und Richtlinien für die Integrierung kleiner Gemeinschaften in einen umfangreicheren kirchlichen Rahmen (vgl. Nr. 30). 6. Einige eurer Diözesen haben einen hohen Anteil hispanischer. Katholiken, was vor allem bedeutet, daß euer Dienst dem Reichtum der religiösen Ausdrucksweise 1442 AD-LIM1NA-BESUCHE und der kulturellen Verschiedenheit Rechnung tragen muß, die so bezeichnend sind für die spanische Gemeinde und entsprechende Pastoralprogramme und. Initiativen erfordern. Evangelisation und Katechese sind einige der wichtigsten pastoralen Aufgaben in Verbindung mit der hispanischen Gemeinde, insbesondere in Anbetracht des äußerst aktiven Proselytismus anderer Religionsgruppen. Die Leiter der hispanischen katholischen Gemeinde sprechen häufig von der Notwendigkeit, die Familie innerhalb einer Glaubens- und Solidaritätsgemeinschaft zu unterstützen, insbesondere durch kleine kirchliche Gruppen, die auf das tägliche Leben ihrer Mitglieder persönlichen und relevanten Einfluß nehmen. Im Dienst an jungen Hispaniem sollte nicht unterschätzt werden, wie bedeutend die Vermittlung einer echten und anspruchsvollen Spiritualität ist, in deren Mittelpunkt die Erkenntnis Christi, des Erlösers, und die Liebe zu ihm stehen und die die Verkörperung des Geistes der Seligpreisungen in das tägliche Leben anstrebt. Letzten Endes wird der Erfolg der kirchlichen Bemühungen weitgehend von der Förderung der Berufungen unter gebürtigen hispanischen Männern und Frauen wie auch von der entsprechenden Ausbildung der Seminaristen und Ordensleute abhängen, wobei die Anforderungen nicht geringer gehalten sind als für andere Kandidaten. Die Missionen im Südwesten beweisen, daß in vielen eurer Diözesen die ersten Evangelisatoren, die Spanisch sprachen, die religiösen und kulturellen Traditionen der Region auf entscheidende und dauerhafte Weise prägten. Diese Traditionen enthalten zahlreiche Werte, die heute als wirkungsvolle Mittel für eine eingehendere und erfolgreichere Evangelisation dienen können. Ich bitte euch, allen, die an der pastoralen Betreuung der hispanischen Katholiken in den Vereinigten Staaten teilhaben, meine aufrichtigen guten Wünsche und meine inständige Ermutigung zu vermitteln. 7. Eine ständige Sorge der Hirten muß es sein, daß die katholischen Laien eine theologische und spirituelle Weiterbildung, einschließlich Ausbildung in der Soziallehre der Kirche, erhalten, und zwar auf einem Niveau, das sie befähigt, ihre Rolle in der Kirche und der Gesellschaft zu erfüllen. Diese Schulung sollte derart sein, daß praktischen Schwierigkeiten im Bereich der Pfarrgemeinde entgegengewirkt werden kann, wo die Aufmerksamkeit der Menschen von so vielen weltlichen Belangen abgelenkt wird. Ein besonderes, die Glaubengemeinschaft der Kirche tief treffendes Problem ist die Verwirrung, ja selbst der Skandal, den Katholiken im öffentlichen Dienst oder in den Medien dadurch verursachen, daß sie Stellungen vertreten, die im Gegensatz zur Lehre der Kirche stehen. Das erfordert aufmerksame Führung eurerseits. Ich bestärke euch in euren Bemühungen, die authentische katholische Lehre auf eindeutige Weise zu verteidigen und ein besseres Verstehen des „religiösen Gehorsams des Willens und Verstandes” zu fördern, der von allen Mitgliedern der Kirche verlangt wird (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25). 1443 AD-LIMINA-BES UCHE 8. Liebe Brüder im Bischofsamt, eure Gegenwart läßt an diese und andere große Verantwortungen denken, die ihr als Hirten für den Teil des euch anvertrauten Gottesvolkes tragt. Möge die mütterliche Fürsprache der unbefleckten Mutter Gottes, der Schutzpatronin eures Landes, für euch und alle Priester und Ordensleute, für die Laien eurer Diözesen, Männer und Frauen, einen stets tieferen Glauben, lebendigere Hoffnung und glühendere Liebe erwirken! Es begleite euch mein Apostolischer Segen. ln Gemeinschaft der Wahrheit und Liebe Ansprache an die amerikanischen Bischöfe aus den Kirchenprovinzen New York und Saint Paul-Minneapolis anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 15. Oktober Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich heiße euch, die Bischöfe der Kirchenprovinzen New York und Saint Paul-Minneapolis, zu eurem Ad-limina-Besuch in Rom herzlich willkommen. Mit den Worten des hl. Paulus sage ich euch: „Ich habe euch ins Herz geschlossen. Denn ihr alle habt Anteil an der Gnade ... und der Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums” (vgl. Phil 1,7). Unser Treffen entspricht einer jahrhundertealten Kirchen-tradition, die jener Gemeinschaft der Wahrheit und der Liebe Ausdruck verleiht, die die Mitglieder des Bischofskollegiums mit dem Nachfolger Petri verbindet. Diese Verbundenheit garantiert, daß eure Teilkirchen sicher auf den „zwölf Grundsteinen” stehen, die die „zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes” tragen (vgl. Offb 21,14). Die Einheit ihrer Hirten mit dem Bischof von Rom ist für die Mitglieder eurer Ortskirchen ein Beweis dafür, daß der Glaube und der Dienst am Evangelium ihrer Gemeinschaft auf Fels und nicht auf Sand gebaut sind (vgl. Mt 7,24-27). In der Liebe des Herrn bete ich, daß die Priester, die Ordensleute und die Laien eurer Diözesen in geistiger Einsicht und Heiligkeit wachsen mögen, reich an „der Frucht der Gerechtigkeit, die Jesus Christus gibt, Zur Ehre und zum Lob Gottes” {Phil 1,10-11). 2. Seit Beginn der diesjährigen Begegnungen mit den Bischöfen der Vereinigten Staaten, von denen ihr die neunte Gruppe seid, habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, die wesentlichen Gedanken des Katechismus der Katholischen Kirche darzulegen. Nachdem ich wich mit Themen des katholischen Glaubens, der katholischen Identität, der Gottesverehrung, der Heiligkeit des Lebens und mit einigen Aspekten des bischöflichen Dienstes innerhalb der Gemeinschaft befaßt habe, möchte ich heute das Argument aufgreifen, das, als Rahmen für die letzte Reihe von Gesprächen dienen soll, nämlich: Wie kann der Glaube in der Welt gelebt werden? In vollem Einklang mit ihrer zweitausendjährigen Tradition waren die Sendung der Kirche in der Welt und der Dienst, den sie an der Menschenfamilie verrichtet, die 1444 AD-LIMINA-BES UCHE zentralen Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Von der in Lumen Gentium zum Ausdruck gebrachten Lehre ausgehend, die „die Kirche als das allumfassende Heils Sakrament” (vgl. Nr. 48) ansieht, betonten die Konzilsväter in der Pastoral-konstitution Gaudium et spes: „In Verfolgung ihrer eigenen Heilsabsicht vermittelt die Kirche nicht nur den Menschen das göttliche Leben, sondern läßt dessen Widerschein mehr oder weniger auf die ganze Welt fallen, vor allem durch die Heilung und Hebung der menschlichen Personwürde, durch die Festigung des menschlichen Gemeinschaftsgefüges, durch die Erfüllung des alltäglichen menschlichen Schaffens mit tieferer Sinnhaftigkeit und Bedeutung” (Nr. 40). Mit anderen Worten, durch die Treue zu ihrer göttlichen Berufung und Sendung leistet die Kirche Christi einen unschätzbaren Beitrag für das Allgemeinwohl der bürgerlichen Gesellschaften, wo sie lebt und wirkt (vgl. ebd.). 3. Die Kirche wirft Licht auf irdische Wirklichkeiten; sie reinigt, erhebt und versöhnt sie mit Gott. Einerseits bewirkt sie das durch die Gegenwart und Tätigkeit ihrer Mitglieder in der Welt menschlicher Angelegenheiten und Bestrebungen. Unzählige große und kleine Werke und Institutionen sind in allen Teilen der Welt Zeugen der unerschöpflichen Hingabe und Hochherzigkeit der kirchlichen Gemeinschaft in ihrem Dienst für das Wohl der Menschenfamilie und in ihrem Einsatz für die Bedürfnisse von Millionen von Brüdern und Schwestern. Dieses uneingeschränkte Zeugnis des Glaubens und der Liebe einzelner Mitglieder der Kirche wie auch von Gruppen und Gemeinschaften zeigt der Welt das wahre Gesicht der Kirche (vgl. Gaudium et spes, Nr. 43). Es ist die Erfüllung der dringenden Aufforderung Jesu: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen” (Mt 5,16). Andererseits leistet die Kirche auch auf andere Weise ihren unerläßlichen Beitrag für die Entwicklung und das Wohlergehen der Menschenfamilie: indem sie Gottes Plan für seine Schöpfung verkündet. Die Kirche verfügt über jene Wahrheit, Lehre, Weisheit und Erfahrung, die die Menschen auf dem Weg zu ihrer wahren Befreiung und ihrem Wohl brauchen. In diesem Zusammenhang ist die unlängst veröffentlichte Enzyklika Veritatis splendor zu verstehen. Dieses Schreiben entspringt einem tiefen Bewußtsein der Notwendigkeit, das Licht des Evangeliums und die maßgebliche Lehre der Kirche über die grundlegenden Prinzipien, die der moralischen Lebensführung zugrunde hegen und sie unterstützen, neu darzulegen. Das Dokument ist als Hilfe gedacht, die lähmende Verwirrung zu zerstreuen, die viele Menschen heute im Zusammenhang mit den so wesentlichen Fragen des Guten und des Bösen, des Rechten und des Falschen verspüren. Die Bekräftigung der unveränderlichen und doch stets neuen Sittenlehre der Kirche ist die notwendige Antwort des kirchlichen Lehramts auf die weitverbreitete ethische Krise der heutigen Gesellschaft. Als erfahrene Hirten seid ihr euch über die tiefgreifenden Auswirkungen dieser Krise auf das tägliche Leben der Menschen voll im Klaren, ebenso wie ihr euch eurer eigenen 1445 AD-LIMINA-BES UCHE Verantwortung für die pastorale Führung dem Geist Christi und der Kirche entsprechend bewußt seid. 4. Kernpunkt der Botschaft in Veritatis splendor ist die Bestätigung der grundlegenden Beziehung zwischen Wahrheit und Freiheit (vgl. Nr. 32). Die universale Wahrheit über das Gute im Menschen und die immerwährend gültigen Normen zum Schutz dieses Guten sind ohne weiteres für den menschlichen Verstand erfaßbar; wir können tatsächlich an Gottes Weisheit teilhaben und erkennen, was wir sein sollten und was wir tun müssen, um jenes Ziel zu erreichen, für das wir geschaffen sind. Da dieses „Gesetz” in unsere Herzen eingeschrieben ist (vgl. Rom 2,15), bedeutet seine Anerkennung und das entsprechende Verhalten nicht die Annahme von etwas von außen Auferlegtem, sondern das Erfassen der tiefsten Wahrheit über unsere eigene Person (vgl. Veritatis splendor., Nm. 41. 50). Auf die Frage, welche Wahrheit das menschliche Schicksal bestimmen sollte, antwortet die Kirche: die Wahrheit Gottes, die auch die des Menschen ist. Auf die Frage, welche Gerechtigkeit die Gesellschaft lenken sollte, antwortet sie: die Gerechtigkeit Gottes, sie allein ist von wahrhaft menschlicher und humanisierender Art. Es ist sowohl auf individueller als auch auf gemeinschaftlicher Ebene eine dringende Anforderung an unser Hirtenamt, den Männern und Frauen von heute zu helfen, „den untrennbaren Zusammenhang zwischen Wahrheit und Freiheit” (ebd., Nr. 99) neu zu entdecken. Indem wir für eine klare und eindeutige Vermittlung der grundlegenden Wahrheiten der kirchlichen Morallehre sorgen, bekräftigen wir erneut die Würde des Menschen und ein korrektes Verständnis des Gewissens, das die einzig feste Grundlage für die richtige Ausübung menschlicher Freiheit und Fundament für ein Zusammenleben in Solidarität und bürgerlicher Eintracht ist. All das ist ein wesentlicher Dienst für das Wohl aller. Wie kann die moderne Gesellschaft ihr Abgleiten in eine Situation fortschreitender Selbstzerstörung und somit die Mißachtung der Grundrechte des Menschen verhindern, ohne den unantastbaren Charakter der sittlichen Normen wiederherzustellen, die immer und überall das menschliche Verhalten lenken sollten (vgl. ebd., Nr. 84)? 5. Während des Weltjugendtags in Denver hatte ich die Gelegenheit, mit den dort anwesenden jungen Menschen über die falsche Auffassung der Moral zu sprechen, die gegenwärtig auf den Themenkreis des Lebens angewandt wird. Dieser Denkweise entsprechend „werden Abtreibung und Euthanasie - Tötung eines wirklichen menschlichen Wesens - als .Rechte’ beansprucht und als Lösungen für .Probleme’ der einzelnen und der Gesellschaft gefordert ... Das Leben - das erste Geschenk Gottes und grundlegende Recht eines jeden einzelnen und Grundlage aller anderen Rechte - ist oft lediglich eine Ware, die man je nach eigenem Gutdünken organisiert, vermarktet und manipuliert” (Gebetswache, 14. August 1993, II, 3; O.R. dt. 3.9.93). Der schwierige Weg der gesellschaftlichen Erneuerung liegt in „einer umfassenden Erneuerung des eigenen persönlichen Verantwortungsbewußtseins vor Gott, den anderen und unserem eigenen Gewissen” (ebd.). Niemand sollte die enorme Bedeu- 1446 AD-LIMINA-BESUCHE tung der Herausforderung unterschätzen, der die Kirche gegenübersteht, und die ernsthafte Bedrohung, der die gesamte Gesellschaft ausgesetzt ist. Aus diesem Grund habe ich bei meiner Ankunft in Denver eine große Sorge ausgesprochen, die, wie ich weiß, zahlreiche eurer Landsleute - auch viele Nichtkatholiken - teilen: „Erziehung' ohne ein von der Wahrheit ausgehendes Wertsystem bedeutet, junge Menschen moralischer Verwirrung, persönlicher Unsicherheit und Beeinflußbarkeit zu überlassen. Kein Land, auch nicht das mächtigste, kann bestehen, wenn seinen eigenen Kindern dieses wesentliche Gut genommen wird” (Begrüßungsansprache, 12. August 1993, Nr. 4). 6. Wenn die Kirche ethischen Relativismus und Agnostizismus in ihrer Auffassung vom sittlich Guten ablehnt, so ist sie dennoch nicht „dogmatisch” anmaßend oder „sektiererisch”. Die Wahrheit, die die Kirche verteidigt, bekräftigt die transzendente Würde der menschlichen Person und die unantastbare Verpflichtung, das Gewissen jedes einzelnen zu achten. Tatsächlich ist diese Wahrheit die beste Gewährleistung menschlicher Freiheit, denn - wie ich bereits in Centesimus annus schrieb - „wenn es keine letzte Wahrheit gibt, die das politische Handeln leitet und ihm Orientierung gibt, können die Ideen und Überzeugungen leicht für Machtzwecke mißbraucht werden” (Nr. 46), und dem einzelnen wird jedes Mittel genommen, sich gegen die Vorherrschaft einer bestimmten Meinung oder eines ideologischen Systems zu verteidigen. Wir können sagen, daß die Enzyklika durch die Hervorhebung des notwendigen Zusammenhangs zwischen Wahrheit und Freiheit die uranfängliche Unwahrheit bloßstellt, die der Menschenfamilie von ihrem Ursprung an unsägliches Leid, Böses und Gewalt gebracht hat und die heute keine Grenzen zu kennen scheint und selbst die Auserwählten irreführt (vgl. Mt 24,24). In seinem Brief an die Römer beschreibt der hl. Paulus auf so einfache Weise, was Unwahrheit ist: „Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers” (Röm 1,25). Das Endergebnis ist praktisch die Inthronisierung des Egozentrismus und das Schwinden von Solidarität und hingabevoller Liebe. 7. Ehe ich die Enzyklika Veritatis splendor und ihre Anwendung abschließend unter den Schutz der Gottesmutter stellte, wies ich noch auf unsere Verantwortung hin, „die , Antwort’ auf die Fragen der Moral”, die „Jesus Christus in besonderer Weise uns Bischöfen der Kirche anvertraut” (Veritatis splendor, Nr. 114), treu und unermüdlich zu lehren. Das ist die Pflicht und das Privileg, die wir miteinander teilen. In der Erfüllung meiner speziellen Verantwortlichkeit habe ich gewisse grundlegende moralische Wahrheiten der katholischen Lehre bestätigt, die im heutigen Kontext Gefahr laufen, verfälscht oder verneint zu werden (vgl. ebd., Nr. 4). Ich vertraue diese kritischen Überlegungen bezüglich einiger gegenwärtiger Richtungen der Moraltheologie euch und euren Brüdern im Bischofsamt an mit der innigen Hoffnung und dem Gebet, daß wir gemeinsam die Aufgabe erfüllen werden, diese Lehre in die entscheidenden Strömungen des kirchlichen Lebens einzubringen. 1447 AD-UMINA -B ES UCHE Wir vertrauen auf die Macht Gottes. Voller Zuversicht erwarten wir, daß der Heilige Geist die Herzen der Priester, der Ordensleute und Laien erleuchtet und stärkt; er möge sie bewegen, dieser Botschaft, die nicht von uns ist, sondern von dem, der uns gesandt hat (vgl. .loh 7,16), zuzustimmen und ihr treu zu folgen. Wenn wir „persönlich darüber wachen, daß die gesunde Lehre (1 Tim 1,10) des Glaubens und der Moral gelehrt wird” (vgl. Veritatis splendor, Nr. 116), werden wir oft spüren, wie unser eigener Glaube und unser Mut herausgefordert und geprüft werden. Dann brauchen wir die Tugend der Stärke und die kraftspendende Gnade des Geistes der Wahrheit. Laßt uns füreinander und für alle unsere Brüder im Bischofsamt beten, damit wir in dieser wichtigen Stunde des Pilgerwegs der Kirche durch die Geschichte der Menschheit dem Herrn ganz treu sind. Es begleite euch mein Apostolischer Segen. Sich wieder neu aufmachen, wie die Apostel damals Ansprache an die amerikanischen Bischöfe von Pennsylvanien und New Jersey beim Ad-limina-Besuch am 11. November Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. In brüderlicher Herzlichkeit heiße ich euch, die Bischöfe von New Jersey und Pennsylvanien, willkommen, und ich bete, daß diese Begegnung unsere Einheit in Herz und Geist weiter stärken möge (vgl. Apg 4,32). Unsere Gemeinschaft in Glaube, Hoffnung und Liebe möge uns „Erbarmen, Frieden und Liebe in Fülle” (,Jud 1,2) bescheren. Geeint mit Christus und untereinander teilen wir das erhabene Privileg des bischöflichen Dienstes und als Träger der Botschaft des Evangeliums vom Heil für die Welt für jeden einzelnen und für alle Völker. Zur Erfüllung dieser Aufgabe gehört auch der Missionsauftrag, der heute ebenso schwierig und aufrüttelnd zugleich erscheinen mag wie damals, als die Apostel sich aufmachten, die Wahrheit des Evangeliums allen Geschöpfen zu verkünden (vgl. Mk 16,15), Wir wollen immer neu unser Vertrauen auf das Wort des Herrn bekräftigen: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” (Mt 28,20). Damit bildet euer Ad-limina-Besuch gewiß eine Gelegenheit, einander in der Erfüllung unseres Dienstamtes zu unterstützen und zu ermutigen, indem wir an die Worte des heiligen Paulus denken: „Von Verwaltern verlangt man, daß sie sich treu erweisen” (1 Kor 4^2). 2. Wenn wir von Mission sprechen, erinnern wir an die grundlegende und persönliche Pflicht eines jeden Bischofs, zu evangelisieren: das Evangelium von Jesus Christus zu verkünden und durch die Sakramente das göttliche Leben mitzuteilen. Das bedeutet hinauszugehen, die Männer und Frauen unserer Zeit mit einem aufgeschlossenen und Hebendem Herzen aufzusuchen und die Gnade und Liebe, die vom Geist kommt, zu verbreiten. Es bedeutet, ihnen zu helfen, den Sinn für die Trans- 1448 AD-LIMINA-BESUCHE zendenz Gottes zurückzugewinnen: Er ist der Vater aller und ist „im Geist und in der Wahrheit” (Joh 4,23) anzubeten. Es bedeutet Zeugnis zu geben für die Macht des Kreuzes Christi (vgl. 1 Kor 1,17) in einer komplexen und oft verwirrten sozialen und kulturellen Umgebung. In Erfüllung dieser Aufgaben wird der Jünger Christi ständig von einem sich ausbreitenden „praktischen Atheismus” herausgefordert - eine Gleichgültigkeit gegen Gottes Liebesplan, die den religiösen und moralischen Sinn des menschlichen Herzens verdunkelt. Viele denken und handeln entweder so, als gäbe es keinen Gott, oder sie möchten den religiösen Glauben und seine Praxis „privatisieren”. So besteht eine Neigung zur Gleichgültigkeit und zur Beseitigung jedes wirklichen Bezugs zu bindenden Wahrheiten und moralischen Werten. Wenn aber die grundlegenden Prinzipien, die das menschliche Verhalten anregen und leiten, aufgelöst werden und sich manchmal sogar widersprechen, dann ringt die Gesellschaft immer mehr um die Aufrechterhaltung der Harmonie und des Sinns ihres eigenen Geschicks. Im Wunsch, ein gemeinsames Fundament zu finden, worauf sie ihre Programme und ihre Politik aufbauen kann, neigt sie dazu, den Beitrag jener einzuschränken, deren moralisches Gewissen von ihrem religiösen Glauben geprägt ist. 3. Vor diesem Hintergrund und im Vertrauen auf das Wort ihres Erlösers lädt die Kirche die Gläubigen ein, ihr Licht vor der Welt leuchten zu lassen (vgl. Mt 5,16) und der Gesellschaft jene religiösen und ethischen Grundsätze mitzuteilen, die dem menschlichen Leben erst vollen Sinn geben. In dieser Weise versucht die Kirche den dringenden und notwendigen Dialog mit der zeitgenössischen Kultur aufrechtzuerhalten, zumal im Hinblick auf die moralischen Grundsätze. Grundlegende Prinzipien der Moral sind nämlich tatsächlich ein notwendiges Element bei der Ausbildung der öffentlichen Politik, wie es deutlich von den Gründungsvätem eurer Nation verstanden und beabsichtigt wurde. Bei meinem kürzlichen Besuch in Denver hatte ich Gelegenheit zu sagen: „Nur mit einer hohen Moralauffassung kann eine Gesellschaft sicherstellen, daß ihre jungen Menschen die Möglichkeit bekommen, als freie und intelligente menschliche Wesen heranzureifen, ausgerüstet mit einem ausgeprägten Sinn der Verantwortung für das Gemeinwohl und fähig zur Zusammenarbeit mit anderen, um eine Gemeinschaft und Nation aufzubauen, die ein deutlich moralisches Empfinden hat. Amerika ist mit solch einer Weltanschauung aufgebaut worden, das amerikanische Volk aber besitzt die Einsicht und den Willen, die Aufgabe zu erfüllen, sich erneut und mit neuer Kraft für die Förderung der Wahrheiten einzusetzen, auf denen ihr Land erbaut wurde und durch die es gewachsen ist” (Ansprache bei der Ankunft, 11. August 1993, Nr. 3). Vielleicht können die Katholiken, wenn sie sich des wahren geistigen Erbes der Kirche bewußt sind, mehr denn je zuvor in der Geschichte eures Landes einen klärenden und notwendigen Beitrag zur Diskussion um die Richtung leisten, die die Gesellschaft einschlagen sollte, wenn sie wirklich gerecht und wahrhaft frei sein will. Ein solcher Dialog wird dadurch gefördert, „daß man den rationalen - und damit universal verständlichen und mitteilbaren - Charak- 1449 AD-LIMINA-BES U CHE ter der dem Bereich des natürlichen Moralgesetzes zugehörigen sittlichen Normen an den Tag legt” {Veritatis splendor, Nr. 36). Es ist ein Segen, daß die Kirche in den Vereinigten Staaten in der Heranbildung und Motivierung vieler Laien erfolgreich war, die sich aktiv an der öffentlichen Auseinandersetzung über wichtige Fragen beteiligen und sich persönlich im Dienst für die Öffentlichkeit einsetzen. Das ist ihr Recht und ihre Pflicht, die sich von ihrer Berufung herleitet, „in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen” (Lumen Gentium, Nr. 31). Die Bischöfe müssen das katholische Volk der Vereinigten Staaten aufrufen, sich immer klarer bewußt zu werden, daß die Gesellschaft das Zeugnis ihres christlichen Lebens und ihrer guten Werke ebenso braucht wie ihre Fähigkeit, gewisse fundamentale Wahrheiten und Werte zu erklären und zu verteidigen, die für das Wohlergehen der Gesellschaft wesentlich sind, zumal wenn es um die unveräußerliche Würde und den Wert des menschlichen Lebens und seiner Weitergabe innerhalb einer festgefügten Familie geht. 4. Im Geist brüderlicher Solidarität unterstütze ich eure Bemühungen, die Lehre der Kirche über die absolute Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens vom Augenblick der Empfängnis an bis zu seinem natürlichen Tod zu bekräftigen (vgl. Cente-simus annus, Nr. 47). Die Bewegung für das Leben, die entscheidend vom Wirken der Laien abhängt, welche sowohl Führungskraft als auch die Unterstützung von „der Graswurzel her” besitzen, verdient eure weitere Hilfe und Anleitung. Die Verteidigung des Rechtes ungeborener Kinder auf Leben ist eines der höchsten Menschenrechte in der heutigen Diskussion. Es stellt die einzige „Wahl” dar, die dem Gewissen bleibt, das, wie ich in Veritatis splendor geschrieben habe: „sich in ,Urteils’-Akten zeigt, die die Wahrheit über das Gute widerspiegeln, und nicht in willkürlichen Entscheidungen’. Und die Reife und Verantwortung dieser Urteile - und letztlich des Menschen, der ihr Subjekt ist - läßt sich nicht an der Befreiung des Gewissens von der objektiven Wahrheit zugunsten einer mutmaßlichen Autonomie der eigenen Entscheidungen messen, sondern im Gegenteil am beharrlichen Suchen nach der Wahrheit und daran, daß man sich von ihr beim Handeln leiten läßt” (Nr. 61). Da es nie erlaubt ist, Böses zu tun, damit daraus Gutes entsteht (vgl. Rom 3,8; Veritatis splendor, Nm. 79-83), sind die. Katholiken verpflichtet, eine Gesetzgebung zu fördern, die dem Moralgesetz entspricht, und eine Gesetzgebung zu, ändern, die nicht die Wahrheit über die Würde und die transzendente Bestimmung des Menschen widerspiegelt, freilich immer mit gesetzlichen Mitteln und in vernunftgemäßer Auseinandersetzung. Als Konferenz habt ihr mit Recht betont, daß die Aufrechterhaltung der Achtung vor dem sakralen Charakter und der Würde des menschlichen Lebens das erste und entscheidende Kriterium ist, das bei der Bewertung der öffentlichen Politik gilt (vgl. NCCB, Entschließung zur Reform des Gesundheitswesens, 18. Juni 1993). 1450 AD-LIMINA-BES U CHE Ich bete, daß die Gesellschaft eure Forderung aufgreift, „Rinder und Familien an den ersten Platz zu stellen”, und eure Bemühungen unterstützt, „Leben sichernde Alternativen zur Abtreibung zu fördern”, indem sie die liebevolle Entscheidung zur Adoption ermuntert und Programme der Unterstützung für schwangere Frauen, zumal unter den Armen, unterstützt (vgl. NCCB, Kinder und Familien an den ersten Platz stellen: Eine Aufgabe für unsere Kirche, die Nation und die Welt, 14. November 1991, VI. A.l). 5. Katholiken sollten ferner ihre tiefe Sorge um die schwere Bedrohung der Würde des Menschen äußern, die von der Euthanasie, der Unterstützung des Selbstmords und allen anderen Aktionen ausgeht, die die Alten, Kranken und Benachteiligten gefährden. Trotz der Absichten oder Umstände ist direkte Euthanasie ein Akt, der immer und in sich selbst schlecht ist (vgl. Veritatis splendor, Nr. 80; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2277) - eine Verletzung des göttlichen Gesetzes und ein Angriff auf die Würde der menschlichen Person. Die Gläubigen schauen zu euch auf als zu geistlichen Lehrern und Lehrern der Moral, die immer wieder klar und mitfühlend die Lehre der Kirche über Fragen zum Ende des Lebens bekannt machen, die in wachsendem Maße von so vielen Familien und vom Gesundheitspersonal gestellt werden. Natürlich sollte diese Lehre in den weiteren Zusammenhang der ganzen christlichen Stellungnahme zum Leiden eingefügt werden, denn „der heilbringende Wert jedes angenommenen und Gott in Liebe aufgeopferten Leidens hat seinen Ursprung im Opfer Christi, der die Glieder seines mystischen Leibes aufruft, sich mit seinem Leiden zu vereinigen Und sie im eigenen Fleisch zu vollenden (vgl. Kol 1,24)” (Redemptoris missio, Nr. 78). Die Kirche muß in einer Gesellschaft, die die Menschen oft mehr danach bewertet, was sie tun oder haben, als danach, was sie sind, weiter das Gleichnis vom barmherzigen Samariter erfüllen. Ihre pastorale Tätigkeit für den Kranken und mit ihm muß gediegen begründet werden, und zwar in der Feststellung: Weil wir alle nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind (vgl. Gen 1,27), erfreuen wir uns der unzerstörbaren persönlichen Würde, die durch Schmerz oder schwere Krankheit nicht gemindert wird (vgl. Christifideles laici, Nr. 37). Das Zeugnis einer überzeugenden Solidarität mit dem Leidenden und Sterbenden sollte das normale Kennzeichen einer Gesellschaft sein, die wirklich auf der Seite des Lebens steht. 6. Liebe Brüder, zu unserer prophetischen Sendung als Herolde der „Wahrheit des Evangeliums” (Gal 2,14) gehört untrennbar die Aufgabe, die volle Lehre der Kirche über die verantwortliche Weitergabe des menschlichen Lebens innerhalb der Ehe vorzulegen. Ich nehme mit Genugtuung die Erklärung eurer Konferenz mit dem Titel „Menschliche Sexualität aus der Sicht Gottes” zur Kenntnis, die ihr zum 25. Jahrestag der Enzyklika Humanae vitae abgegeben habt. Das ist eine passende Stunde für euch, eure Bemühungen um die Wiederherstellung der Achtung vor Gottes weisem und hebevollem Plan mit der menschlichen Sexualität zu verstärken. Mit bewundernswerter Klarheit hat mein Vorgänger Papst Paul VI. die ständige Überlie- 1451 AD-LIMINA-BESUCHE ferung der Kirche von der „untrennbaren Verbindung der zweifachen Bedeutung des ehehchen Aktes, die von Gott gewollt ist und die der Mensch nicht eigenmächtig aufheben kann, nämlich die hebende Vereinigung und die’Fortpflanzung” (Humanae vitae, Nr. 12), bekräftigt. Eine völlig konsequente Ethik des Lebens erfordert ein abgestimmtes Bemühen der Bischöfe, Moraltheologen und. Seelsorger, den Gläubigen zum klareren Verständnis der Wahrheit zu verhelfen, daß eheliche Erfüllung an die Achtung vor dem inneren Sinn und Ziel der menschlichen Sexualität gebunden ist. Eine gewaltige Aufgabe erwartet euch: die Schönheit und den Glanz echter ehelicher Liebe in überzeugender und hilfreicher Weise zu verkündigen. Als Hirten müßt ihr darüber wachen, daß das Wort Gottes in seiner Fülle treu gelehrt wird. Wenn notwendig, müßt ihr auch „die passenden Maßnahmen ergreifen, damit die Gläubigen vor jeder Lehre und Theorie, die ihr widersprechen, geschützt werden” ('Veritatis splendor, Nr. 116). Ihr sollt auch euren Priestern helfen, dieser Lehre ihre feste Zustimmung zu geben und sich selbst dafür einzusetzen, die Gewissen der ihrer Seelsorge Anvertrauten entsprechend der vollen Wahrheit des Evangeliums zu formen. 7. Während wir anerkennen, daß wir „Männer sind, die über unsere pastorale Tätigkeit dem Vater Rechenschaft zu geben haben” (vgl. Hebr 13,17), können wir Trost in der Tatsache finden, daß Christus uns seine „Freunde” genannt hat (vgl. Joh 15,14). Wir wollen unseren bischöflichen Dienst in die Hände Mariens, der Mutter der Barmherzigkeit, legen und ihrer mütterlichen Sorge alle Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen empfehlen. Ich bete, daß der Geist, der das Angesicht der Erde erneuert (vgl. Ps 104,30), mit dem Glanz der göttlichen Wahrheit Geist und Herz Amerikas erleuchtet. Mit meinem Apostolischen Segen. Evangelium verpflichtet zu sozialer Gerechtigkeit Ansprache an die Bischöfe aus Kalifornien, Nevada und Hawaii anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 4. Dezember Eminenz, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Herzlich begrüße ich euch, „von Gott dem Vater gebebt ... Erbarmen, Frieden und Liebe seien mit euch in Fülle” (Jud 1,2). Es ist mir eine große Freude, euch, die Bischöfe aus Kalifornien, Nevada und Hawaii willkommen zu heißen und den Glauben und die Liebe zu feiern, die uns im Bischofskollegium vereinen (Vgl. Lumen Gentium, Nr. 23). Im mystischen Leib Christi, in der Kirche, vollzieht sich zwischen den einzelnen Teilkirchen und zwischen den Teilkirchen und der Weltkirche ein ständiger Austausch der Gaben des Geistes. In diesem Zusammenhang ist euer Ad1 limina-Besuch ein Ausdruck des Geheimnisses der Gnade, durch die „der Heilige Geist sie gesetzt (hat) ... der Herde vor(zustehen), deren Hirten sie sind, als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult, als Diener in der Leitung” 1452 AD-LIMINA-BESUCHE (Lumen Gentium, Nr. 20). Mit der Gnade Gottes wird eurer Besuch uns gegenseitig ermutigen und bereichern, da wir bestrebt sind, das Werk Christi, des ewigen Hirten unserer Seelen, fortzuführen (vgl. 1 Petr 2,25). Euer Besuch ist der letzte in dieser Reihe der Ad-limina-Besuche der Bischöfe der Vereinigten Staaten. Diese Besuche bei den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus haben uns die Möglichkeit gegeben, über die augenblickliche Lage der Kirche in eurem Land nachzudenken und über die Verantwortung, die den Bischöfen vor Gott obhegt, nämlich: nach dem Gebot des Evangeliums die Frohe Botschaft allen Völkern zu verkünden, die Gläubigen in der Wahrheit zu heiligen und sie mit dem göttlichen Leben der Gnade zu nähren. Eure Aufgabe ist zwar gar nicht leicht, doch ich erinnere mich an die Worte von Erzbischof Keeler, dem Vorsitzenden eurer Konferenz, im vorigen Monat August in Denver, als er darauf hinwies, daß die Kirche in den Vereinigten Staaten sehr lebendig und im Wachstum begriffen ist; so erwähnte er, daß sie im letzten Jahr eine Milhon neuer Mitgheder gewonnen hat. Die große Mehrheit der Priester, Ordensleute und Laien unterstützt euch mit ihrem lebendigen Glauben und dem aufrechten Zeugnis des christlichen Lebens und der christlichen Liebe. 2. Der Welttag der Jugend in Denver war tatsächlich ein Beweis für die Lebenskraft der kathohschen Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten. Gerade die Jugendlichen sind ein lebendiges und vielversprechendes Zeichen für Gottes lebenspendende Gegenwart im Herzen der Welt. Der Heihge Geist erweckt in den Ghedem der Kirche ein Sehnen nach Transzendenz und läßt in ihren Herzen den Wunsch nach einer tiefen, persönlichen Beziehung zum dreifältigen Gott aufkommen. Die Menschen fragen immer noch: „Was muß ich tun, um das ewige lieben zu gewinnen?” (Mk 10,17). Einzeln und als Gruppe sind die Bischöfe der Vereinigten Staaten aufgerufen, auf dieses Sehnen des Geistes zu antworten und jedem das Geheimnis Christi in seiner Fülle, seiner Bedeutung und seiner einigenden Kraft zugänglich zu machen (vgl. Kol 1,27). Für euch als Hirten nach dem Herzen des Herrn (vgl. Jer 3,15) ist es eine der wichtigsten Aufgaben und Freuden, eure Gemeinden im Gottesdienst und im Gebet zu leiten. Der Katechismus der Katholischen Kirche erinnert uns daran, daß das Gebet, „Aufschwung des Herzens” (Nr. 2558), Frucht und Lebensblut des Erlösungsgeheimnisses ist, auf den Glauben gegründet, durch die Sakramente gestärkt und in der Liebe wirksam. Bei unserem Gebet müssen wir stets darauf bedacht sein, die göttliche Transzendenz zu respektieren und unser Herz von falschen Bildern zu reinigen (vgl. ebd., Nr, 2779). Unser Gebet muß stets den wahren Glauben der Kirche widerspiegeln. Der Kern des christlichen Gebetes ist die Offenbarung des Vaters an die „Unmündigen” (vgl. Mt 11,25), seine angenommenen Kinder (vgl. Joh 3,1-2). In Gemeinschaft mit dem Sohn durch den Heiligen Geist sind wir imstande, uns an den Vater zu wenden und zu sagen: „Abba! Vater” {Röm 8,15). Sollten wir es unterlassen, diese erhabene Wahrheit zu lehren, oder sollten wir etwas Geringeres lehren, 1453 AD-LIMINA-BES UCHE würden wir unsere Verantwortung als echte geistliche Führer vernachlässigen, obliegt es uns doch, die solide Nahrung echter christlicher Spiritualität anzubieten und den Gliedern der Kirche zu helfen, daß sie zur vollen Reife in Christus heranwachsen (vgl. Eph 4,13). Ihr seid derzeit mit der Revision einiger liturgischer Texte beschäftigt, die auch auf der Tagesordnung der letzten Vollversammlung stand. In dieser Hinsicht besteht eine eurer Verantwortlichkeiten als „Verwalter der Gnade des höchsten Priestertums” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 26) darin, genaue und entsprechende Übersetzungen der offiziellen liturgischen Texte vorzubereiten, damit sie nach der erforderlichen Prüfung und Bestätigung durch den Heiligen Stuhl (vgl. C/C, Can. 838,2-3) der echten Teilnahme am Geheimnis Christi und der Kirche dienen und sie gewährleisten: Lex orandi, lex credendi. Die anspruchsvolle Aufgabe der Übersetzung muß der Unversehrtheit der vollständigen Lehre und, dem Genius jeder Sprache gemäß, der Schönheit der Originaltexte gerecht werden. Wenn so viele Menschen nach dem lebendigen Gott dürsten (Ps 42,2) - dessen Majestät und Erbarmen der innerste Kern des liturgischen Gebetes sind -, muß die Kirche auf dieses Verlangen mit einer Sprache des Lobes und der Anbetung antworten, welche die Achtung und Dankbarkeit für die Größe, das Erbarmen und die Macht Gottes fördert. Wenn die Gläubigen Zusammenkommen, um das Werk unserer Erlösung zu feiern, soll die Sprache ihrer Gebete - frei von doktrinären Unklarheiten und ideologischen Einflüssen - die Würde und Schönheit der Feier selbst in Erscheinung treten lassen und gleichzeitig den Glauben und die Einheit der Kirche ausdrücken (vgl. Vicesimus quintus annus, Nm. 9.21). 3. Die Kirche in den Vereinigten Staaten wird aus einer tiefen geistlichen Erneuerung, aus der Heiligkeit ihrer Mitglieder und Gemeinschaften die Inspiration und die Kraft schöpfen für die Neuevangelisierung und für die zahllosen Formen , der Dienstleistungen an der heutigen Gesellschaft, mit. denen sie dem evangelischen Gebot der Liebe entspricht. Die amerikanischen Katholiken waren stets für die. großzügige Art und Weise bekannt, in der sie ihren Glauben durch Werke der Gerechtigkeit, der Nächstenliebe und der Solidarität zum Ausdruck bringen. Die Situationen, die eine tatkräftige Hilfe erfordern, nehmen keineswegs ab, sondern scheinen, ganz im Gegenteil, von Tag zu Tag zahlreicher zu werden, insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Armut, Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit sowie die Krise der Werte, die oft gesteigerte Selbstbezogenheit, Aggressivität und eine Zerstörung der zwischenmenschlichen Beziehungen hervorruft. Ich kann euch nur ermutigen, . die Laien weiterhin dazu anzuregen, daß sie Amerikas politische, soziale .und kulturelle Institutionen mit dem Geist und der Tugend echter sozialer Solidarität erfüllen. Die Soziallehre der Kirche in die Strukturen der Gesellschaft einzubringen erfordert sowohl unbedingte Treue zum Evangelium als auch mutige Kreativität - eine unerschrockene, furchtlose (vgl. Hebr 13,6), freimütige und ungehinderte Verkündigung 1454 AD-LIMINA-BESUCHE des Reiches Gottes (vgl. Apg 28,31)- Im Gewissen der Christen muß echte Sorge um die Armen, Unterdrückten, Schwachen und Schutzlosen geweckt werden, die nicht von der für alle bestimmten Teilhabe an den Gütern der Erde ausgeschlossen werden dürfen (vgl. Centesimus annus, Nr. 31). „Die Kirche ist sich ... bewußt ... daß sie die Bedeutung, die die , Armen’ und die , Option zugunsten der Armen’ im Wort des lebendigen Gottes haben, sorgfältig sicherstellen muß” (Redemptoris Mater, Nr. 37). Daraus ergibt sich die Aufgabe, die wahrhaft christliche Bedeutung der Freiheit und der Befreiung der Menschheit und des Kosmos (vgl. ebd.) zu fördern. Ich wiederhole aus meiner Enzyklika zur missionarischen Sendung der Kirche den Aufruf an „die Jünger Christi und alle christlichen Gemeinschaften - von den Familien bis zu den Diözesen, von den Pfarren bis zu den Ordensgemeinschaften ihr Leben im Sinn der Solidarität mit den Armen aufrichtig umzugestalten” (Redemptoris missio, Nr. 60). Wenn das überall erfolgt, werden die Bemühungen der Kirche um die Förderung der sozialen Gerechtigkeit glaubwürdiger werden. Da die Liebe Christi die Kirche drängt, ihren Bräutigam insbesondere in den Schwachen zu sehen (vgl 2 Kor 5,14; Mt 25,31-46), muß sie stets darauf bedacht sein, unter ihren Güedem und in ihren eigenen Institutionen soziale Gerechtigkeit und Solidarität zu gewährleisten. 4. In eurem Hirtendienst werdet ihr oft von einem immer noch in Erscheinung tretenden Rassenhaß heraus gefordert, der die Fundamente einer gerechten und demokratischen Gesellschaft untergräbt. Rassenhaß ist eine unerträgliche Ungerechtigkeit wegen der sozialen Konflikte, die er hervorrruft, aber noch mehr wegen der Art und Weise, wie er die unveräußerliche, von ihrer rassischen und ethnischen Herkunft unabhängige Würde aller Menschen entehrt. Eure häufigen Erklärungen zu diesen Fragen und die so vielfältigen pastoralen Tätigkeiten für die verschiedenen Gruppen in euren Diözesen lassen keine Zugeständnisse zu Trennung oder Isolierung von Gruppen und Gemeinschaften zu, sondern zielen darauf ab, die Berufung der Kirche zu erfüllen, Zeichen und Werkzeug einer größeren Einheit der ganzen Menschheitsfamilie zu sein. Mit einer anderen Gruppe von Bischöfen habe ich über die Anliegen und den besonderen Beitrag der großen spanischsprechenden Gemeinschaften eurer Diözesen zum Leben der Kirche gesprochen (vgl. Ad-limina-Ansprache, 2. Okt. 1993). Durch die Unterstützung eines nationalen Pastoralplanes für die schwarze Bevölkerung (vgl. Here I Am, Send Me, 9. Nov. 1989) habt ihr eure Achtung und euren Beistand für jene Gläubigen bewiesen, die „wirklich schwarz und echt katholisch” sein wollen. Ich anerkenne auch euren Einsatz zur Förderung der Solidarität mit der eingeborenen amerikanischen Gemeinschaft, insbesondere was die soziale Gerechtigkeit hinsichtlich Gesundheitsdienst, Wohnung, Beschäftigung und Bildung betrifft (vgl. Time for Remembering, Reconciling and Recommitting Ourselves as a People, 17. Dez. 1991). Der Erfolg bei alledem hängt zu einem großen Teil von Bemühungen um Erneuerung des Familienlebens, der Pfarrschulen, der Sorge um verwahrlo- 1455 AD-L1MINA-BES UCHE ste Jugend und von der Förderung der Priester- und Ordensberufungen innerhalb der verschiedenen Gruppen ab. 5. Bevor ich diese Reihe von Begegnungen mit den Bischöfen der Vereinigten Staaten beende, möchte ich, wenn auch nur kurz, auf eure Bemühungen um das ökumenische Verständnis und die ökumenische Zusammenarbeit Bezug nehmen. Gott dankend, anerkennt die Kirche, daß der Heilige Geist, „der die Wege angibt, die zur Einheit der Christen führen” (Dominum et vivificantem, Nr. 2), neue Haltungen unter den getrennten Christen hervorgerufen hat. Vom langen Kampf eures Landes um religiöse Freiheit und Toleranz geleitet, haben die amerikanischen Katholiken den ökumenischen Einsatz der Kirche mit den Früchten ihrer Erfahrung bereichert. Nach den raschen Besserungen in den ökumenischen Beziehungen in der Folge des II. Vatikanischen Konzils sind manche jedoch wegen des anscheinend langsameren Fortschritts in diesem reiferen Stadium der ökumenischen Bemühungen entmutigt. Da die Kirche sich unwiderruflich dem Streben nach der Einheit der Christen verschrieben hat, darf aber das Bemühen um gemeinsames Gebet, um Dialog und Zusammenarbeit nicht nachlassen. Als Hirten werdet ihr den Verzagten neuen Mut zusprechen, jene zurückhalten, deren Begeisterung Verwirrung in Lehre und Disziplin hervorrufen kann, neue Initiativen fördern und gewährleisten, daß alle ökumenischen Tätigkeiten in euren Diözesen im Einklang mit dem Glauben und der Disziplin der Kirche stehen (vgl. Direktorium für die Anwendung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus, 25. März 1993, 30). ■ Ein besonders wichtiger Bereich.des Dialogs ist jener, der die für die Erneuerung der Gesellschaft erforderlichen ethischen und moralischen Wahrheiten betrifft (vgl. Veritatis splendor, Nr. 36). Die Christen sollten ein gemeinsames Zeugnis für diese moralischen Wahrheiten ablegen, die „nicht nur dem einzelnen Menschen und seinem Wachstum im Guten, sondern auch der Gesellschaft und ihrer wahren Entwicklung einen ursprünglichen, unersetzlichen und äußerst wertvollen Dienst” (ebd., Nr. 101) leisten. 6. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, dieser Advent spricht zu uns vom „Herrn, dem allmächtigen Gott, der war, der ist und der kommen wird” (Ojfb 4,8). Während uns diese Wochen der Vorbereitung auf Weihnachten an die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit erinnern, lenken sie unsere Herzen auch zum „neuen Advent” (Dominum et vivificantem, Nr. 56) hin - zu den Jahren der Vorbereitung auf das große Jubiläum der Erinnerung an die erlösende Fleischwerdung des ewigen Sohnes. Ich bete, daß die Kirche in Amerika sich auf dieses Ereignis vorbereite - als Weiterführung und Weiterentfaltung der ,Fülle der Zeit’ ... die dem unaussprechlichen Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes eigen ist” (Redemptoris custos, Nr. 56). Mit Vertrauen bete ich, daß eure Teilkirchen dank eurer eifrigen, sicheren und liebenden Sorge den „großen christlichen Frühling” erleben, den Gott für seine Kirche vorbereitet (vgl. Redemptoris missio, Nr. 86). 1456 AD-LIMINA -BES U CHE Die Gedanken, die ich im Lauf ihrer diesjährigen Ad-limina-Besuche mit den Bischöfen der Vereinigten Staaten ausgetauscht habe, folgten den Hauptlinien und dem Inhalt des Katechismus der Katholischen Kirche. In euren Händen wird der Katechismus eine außerordentlich wirksame Hilfe sein, um allen Gläubigen die unerschöpflichen Reichtümer dessen zugänglich zu machen, was die Kirche glaubt, betet, feiert und lebt. Gerade in diesem Stadium des Pilgerweges der Kirche hat der Heilige Geist uns als Hohepriester gesalbt, damit wir den Armen die Frohbotschaft bringen, heilen, die gebrochenen Herzens sind, und den Bedrängten und Unterdrückten die Freiheit verkünden (vgl. Lk 4,18-19). Die Verkündigung der gesunden Lehre, die eifrige Feier der Sakramente und das kraftvolle pastorale Wirken sind die „Schätze”, die wir einer erwartungsvoll harrenden Welt zu bieten haben. Voll Hoffnung und Vertrauen bete ich zum Heiligen Geist, er möge die Fülle seiner Gaben über die Kirche in den Vereinigten Staaten ausgießen. All ihre Glieder vertraue ich der Fürbitte der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter Maria an und erteile euch mit Freude meinen Apostolischen Segen. 1457 V. Erklärungen der Kongregationen und der Räte KONGREGATIONEN UND RÄTE In Eintracht und Achtung miteinander leben Grußbotschaft des Präsidenten des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Kardinal Francis Arinze, an die Muslime aus Anlaß des Id Al-Fitr zum Ende des Ramadan 1423/1993, veröffentlicht am 6. März Liebe muslimische Freunde! Als Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog ist es mir eine große Freude, Sie alle zum Ende des Fastenmonats Ramadan aus Anlaß des Id al-Fitr herzlichst zu grüßen. Ich fühle mich mit Ihnen besonders deshalb solidarisch verbunden, weil in diesem Jahr durch einen glücklichen Zufall unsere christliche Zeit des Gebets und der Buße, die sogenannte Fastenzeit, mit Ihrem Fastenmonat Ramadan fast zusammenfiel. Während dieser Zeit standen wir als zwei Glaubensgemeinschaften vor Gott, brachten ihm unsere Ehrerbietung und unser Lob dar, weil er der Schöpfer, Erhalter und letztes Ziel allen menschlichen Lebens ist. Demütig nähern wir uns Gott und bitten um Barmherzigkeit .angesichts unserer Vergehen, wissen wir doch um unsere Sündhaftigkeit und unsere Unwürdigkeit. Wir wenden uns Gott zu, weil wir bei ihm allein jene Führung und Kraft zu finden glauben, die uns befähigen, unseren jeweiligen religiösen Verpflichtungen nachzukommen. Diese Verpflichtungen gegenüber Gott sind vor allem unser Glaube, unser Gebet, unsere Umkehr und unsere guten Werke. Wir erinnern uns gleichzeitig der uns aufgetragenen Pflichten gegenüber unseren Nachbarn und der Gesellschaft im allgemeinen. Heute leben wir in einer Zeit, wo islamisches und christliches Glaubenszeugnis in allen Kontinenten angetroffen wird. In vielen Ländern der Welt leben Muslime und Christen nebeneinander, arbeiten in denselben Büros und Fabriken, studieren in denselben Schulen, gehören ein und derselben Gesellschaft an, die in zunehmendem Maße pluralistische Züge annimmt. Welche Pflichten haben wir gegenüber dieser Gesellschaft? Welcher spezifische Beitrag wird von uns auf Grund unserer religiösen Überzeugung erwartete? Das sind zweifellos Fragen, über die während unserer jeweiligen Fastenzeit nachgedacht werden sollte. Wh wissen, daß auf allen Kontinenten der pluralistische Charakter des modernen Lebens Spannungen erzeugt hat. Besonders dort, wo politische und wirtschaftliche Faktoren noch zusätzlich ins Spiel kamen, führten die Spannungen bisweilen sogar zu Gewalt. In verschiedenen Teilen der Welt sind wir heute Zeugen von Bürgerkriegen, die zwangsläufig für die Menschen Leiden, Verlust von Leben und Eigentum sowie Vertreibung aus ihrer Heimat mit sich bringen. Manchmal haben diese Spannungen einen religiösen Hintergrund. In anderen Fällen sind Rasse, Sprache und soziale Klassenunterschiede als Ursachen zu nennen. Wh sollten uns bemühen, diese Spannungen aus der Welt zu schaffen oder zumindest zu verringern. Als Führer unserer Gemeinschaften sind wh aufgerufen, die 1461 KONGREGATIONEN UND RÄTE Gläubigen für ein friedliches Zusammenleben mit anderen zu erziehen, wo andere mit ihren eigenen Unterschieden akzeptiert werden und gleichzeitig ihren je eigenen gesellschaftlichen Beitrag leisten dürfen. Sodann sollten wir Muslime und Christen allen anderen Mitgliedern und Gruppen unserer jeweiligen Gesellschaften ein Beispiel dafür geben, daß wir bereit sind, mit anderen zusammenzuleben, ihre Würde und Rechte zu respektieren, und im übrigen unsere sozialen Verantwortungen fürs Gemeinwohl zu übernehmen. Eine Herausforderung, der wir uns in dieser zunehmend pluralistischen Welt stellen müssen, besteht heutzutage darin, allen deutlich zu machen, daß die Religionen, die sich auf den Glauben an Gott und den Wunsch, seinen Willen zu tun, gründen, eben kein spalterisches Element in der Gesellschaft sind, sondern vielmehr der Grundstock für eine tätige Nächstenhebe, für Gerechtigkeit und für eine brüderliche Weltgemeinschaft. Wer glaubt, daß Gott Einer ist und der Schöpfer aller, der muß notwendig auch glauben,, daß die Menschheits-Familie eine einzige ist. So gesehen, haben wir eine gemeinsame Geschichte und hoffen auf eine gemeinsame Zukunft. Da wir überzeugt sind, daß Gottes Wille in absoluter Souveränität über die Menschheit herrscht, wissen wir auch, daß er Respekt für jede menschliche Person einfordert. Wir müssen der Welt zeigen, daß diese unsere Überzeugungen eine aufklärerische und zugleich religiöse Basis für das soziale Leben darstellen. Wenn Christen und Mushme intolerant sind, wenn sie konfessionellen Haß schüren, rassistische Vorurteile pflegen, das Abschlachten unschuldiger Menschen gut heißen, sogenannte ethnische Säuberungen befürworten und andere Formen des Unrechts begehen, legen sie natürlich falsches Zeugnis vom guten und hebenden Gott ab, an den sie glauben. Unsere Fastenzeit, ähnlich wie-der Ramadan, ist eine Zeit, um unsere Gewissen zu erforschen, unsere Sünden zu bekennen und zu Gott zurückzukehren. Wir sollten beten, .daß wir mit Gottes Gnade imstande sind, in Harmonie und gegenseitigem Respekt zu leben. Ich verbleibe mit nochmaligen herzlichen Grüßen an Sie alle, die Sie sich dem Fest des Fastenbrechens nähern. Francis Kardinal Arinze 1462 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die Entwicklung der armen Länder ist ein harter Kampf, ja ein Wucherkrieg geworden Intervention von Kardinal Roger Etchegaray, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, beim Weltgipfeltreffen für soziale Entwicklung in Genf am 30. Juni Herr Präsident! Der Hl. Stuhl ist an der Vorbereitung des Weltgipfels für die soziale Entwicklung, organisiert vom Ecosoc, besonders interessiert. Die Entwicklung der Menschen und der Völker ist eine Hauptsorge der Kirche bei ihrer religiösen Sendung, wie es die sozialen Enzykliken zeigen, vor allem jene von Paul VI. (Populorum progressio, 1967) und Johannes Paul II. (Sollicitudo rei socialis, 1987). Dieses Gipfeltreffen scheint mir um so wichtiger, als zahlreiche Länder, getäuscht oder verraten durch Entwicklungsmodelle, die sie sich selbst erdacht haben oder die ihnen aufgezwungen wurden, dahin gelangt sind, an der Entwicklung als solcher zu zweifeln und zu meinen, der Stern auf den sie zugingen, sei nur ein totes Gestirn. Angesichts dieser Strömung der Ungewißheit oder gar des Skeptizismus, trotz so vieler intelligenter und hochherziger, von den „Entwicklungsdekaden” angeregter Strategien, soll die Vorbereitung des Gipfels die Entwicklung erneut zum Hebel machen, der die Menschheit aufwecken und ihr das Vertrauen zum Menschen zurückgeben kann. Alles hängt aber von der Vorstellung ab, die wir vom Menschen haben und die wir auf die Fahne der Entwicklung setzen. Es gibt keine Entwicklung ohne ganzheitliche Entwicklung des Menschen. Keine Entwicklung ohne solidarische Entwicklung der Menschheit. Der Bericht des Generalsekretärs scheint mir einen guten Zugang zu bieten, um neuen Stillstand und neue Täuschungen zu vermeiden. In diesem Sinn gestattet sich der Hl. Stuhl, ausgehend von seiner universalen Erfahrung, Ihnen einige Gedanken vorzulegen. Das Entwicklungsproblem ist nicht nur ein Problem der Entwicklungsländer, sondern zugleich auch ein Problem der entwickelten Länder. Es geht nicht um einen linearen Ablauf, bei dem die einen weiter vorne, die anderen weiter hinten sind und eine Beschleunigung des Rhythmus ausreichen würde, damit die einen sich einen Ruck geben, sich anpassen und die anderen einholen. Die Einteilung, welche bestimmte Länder als „weniger fortgeschritten” oder andere als „neu industrialisiert” bezeichnet, ließe vermuten, daß die Entwicklung ausschließlich durch die Erfahrung des Westens gesteuert wird. Die Versuchung ist tatsächlich groß, ein Modell anzubieten, das wie ein fertiges Kleid oder eine schlüsselfertige Fabrik wäre. Ich wünsche, daß der Gipfel eine weit geöffnete Plattform darstellt, wo alle nach dem gleichen Maßstab des Menschen gemeinsam eine noch 1463 KONGREGATIONEN UND RÄTE nicht formulierte Entwicklung suchen, die die kostbare Frucht einer Solidarität wäre, die bis zu Interdependenz gelangen möchte. Um diesen Wunsch zu erläutern, nehme ich das Beispiel der Armut, das eines der vorrangigen Themen des Gipfels sein wird. Gewiß ist nichts dringlicher als der Kampf gegen die „massive und hartnäckige” Armut (vgl. Bericht des Generalsekretärs), diese klaffende Wunde am Leib der Menschheit; doch in welchen Ländern hat sie sich festgesetzt, und um welche Armut Handel es sich? Blockiert die Armut an Sein nicht mehr als die Armut an Haben? Müssen nicht die sogenannten reichen Länder Werte entdecken und fördern, die den sogenannten armen Ländern eigen sind, Werte von denen sie „hinterfragt” werden? Sind die „neuen Formen der Armut”, die die entwickelten Länder betreffen, nicht ein Alarmsignal für die heikle Lage der Überflußgesellschaften? Ja, noch mehr, müßte man es nicht wagen, eine gewisse Armut als Wert anzusehen, der zum Lebensstil wird in dem Maße, wie sie mithilft, mehr auf die Unentgeltlichkeit der Beziehungen zu setzen als auf die Rentabilität? Alle diese Fragen, die ebenso viele Anregungen für die Entwicklung sind, dürften freilich nicht den Kampf gegen die sozialen Ungleichgewichte behindern und nicht die Strukturen einer Gesellschaft in Frage stellen, die sich von diesen Ungleichgewichten nährt. Der Hl. Stuhl sieht mir Freude, daß die menschliche und soziale Dimension wachsende Aufmerksamkeit findet und in den Berichten und Programmen der internationalen Finanzsituationen sowie den spezialisierten Agenturen der Vereinten Nationen ständig verfeinert wird. In diesem Sinn waren Rio 1992, Wien 1993 und werden Kairo 1994 sowie Kopenhagen 1995 ebenso viele Leuchtfeuer sein, die zugleich Zusammentreffen und die ursprüngliche Gestalt des Menschen sowie seine Zentralstellung innerhalb der Schöpfung erkennen lassen und klären. So wird die Entwicklung zum bevorzugten Ort, wo der Mensch zu hoffen lernt; eine Entwicklung die ihre Wurzel im Schoß eines jeden Volkes findet und ihre Dynamik von der Ausbildung der Verantwortungsbereitschaft und der Beteiligung eines jeden erhält, eine Entwicklung, für die die hochkommende Demokratie der Garant ist, eine Entwicklung endlich, deren Motor und Krönung die Menschenrechte sind. Der Weltgipfel hat den edlen Ehrgeiz, die gemeinsamen Werte zu sammeln und zu festigen, die dem Schiff der Menschheit auf eine Entwicklung hinzusteuem gestatten, die im fotografischen Sinn des Wortes, allmählich den Menschen sich selbst erkennen läßt. Herr Direktor, Ihre klare Sicht und ihre Beharrlichkeit lassen uns sicher sein, daß die Leitung in guten Händen hegt. Doch wir können Sie nicht allein lassen: Diese „Tagung auf hoher Ebene” sagt es Ihnen. Der Hl. Stuhl möchte Ihnen seinerseits innerhalb seiner Erziehungsaufgabe versichern, daß er seinen Beitrag auch über diesen engen Kreis hinaus leisten wird, um die Sprache der UNO ins Volkstümliche zu übersetzen, damit sie über alle Kontinente hin auch die letzten Volksgruppen erreicht. 1464 KONGREGATIONEN UND RÄTE Insbesondere sucht die Kirche die Entwicklung auf die Ebene einer moralischen Pflicht zu erheben, wobei sie sich auf eine Sicht stützt, nach der die Menschheitsfamilie nach dem Plan des Schöpfers in ihrer Einheit und funktionellen Gleichheit sehen ist. Die Unterentwicklung ist ein noch tieferes Übel, als man sich vorstellt. Die Entwicklung ist eine noch schwierigere Aufgabe, als man glaubt; sie hat die Gestalt eines harten Kampfes, ja sogar eines Wucherkrieges angenommen. Die enttäuschte Welt braucht die neue Versicherung, daß alles mögüch ist für den, der an den Menschen glaubt, und ich wage hinzuzufügen, der an Gott glaubt - beides ist eins. Ecosoc hat ein großes Unternehmen begonnen, indem jeder Mensch seinen Platz hat, und er wird diesen um so besser ausfüllen, als er konkret einsieht, daß, wenn er für sich arbeitet, er zugleich für alle seine Mitmenschen arbeitet. : Die Kirche, die Rechte der Familie und die Rechte des Kindes Rede von Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, beim ersten Weltkongreß über Familiengesetzgebung und Rechte der Kinder in Sydney, vom 4. bis 9. Juli Meine Damen und Herren! Ich danke für die Ehre der Einladung, meine Worte an Sie zu richten, und für die Gelegenheit, über das Thema zu sprechen, das im Vatikan zu meinem Dienstamt für die Familie gehört. Zur Einleitung Der Heilige Stuhl ist der Konvention für die Rechte des Kindes am 20. April 1990 beigetreten. Durch diesen Akt hat er seine tiefe Besorgnis nicht nur um für das physische Wohlergehen der Kinder, sondern auch um ihr geistiges und moralisches Wachstum zum Ausdruck gebracht. Diese Sorge nimmt eine besondere Form an insofern die katholische Kirche die Rechte und das Wohlergehen des Kindes im Zusammenhang mit den Rechten der Familie betrachtet. Das wiederum beruht auf einer Lebensanschauung hinsichtlich des Wesens der Familie und ihrer grundlegenden Rolle in der Gesellschaft. Das erklärt zugleich, warum der Papst die Rechte des Kindes dem Päpstlichen Rat für die Familie anvertraut hat, einem Dikasterium der Römischen Kurie. Vor zwei Tagen haben wir eine internationale Tagung in Manila abgeschlossen über das schwerwiegende Thema: „Familie und Kinderarbeit”. Es war dies die dritte in einer Reihe von Tagungen, die der Päpstliche Rat über die Rechte und das Wohlergehen des Kindes angeregt hat. Im letzten Jahr hielten wir in Rom eine Tagung über die 1465 KONGREGATIONEN UND RÄTE Rechte des Kindes im Licht der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes. Dann hatten wir im September in Bangkok eine internationale Tagung von Fachleuten über die Ausbeutung von Kindern durch Prostitution und Pornographie. Die Schlußerklärung dieser Tagung bezeichnete die Prostitution von Kindern als „Verbrechen gegen die Menschheit”. Sie hat in einigen Ländern bereits Gesetzesvorschläge beeinflußt. Die Grundlage dieser Rechte ist eine Anthropologie, die ihre Wurzeln in der Lehre Jesu Christi hat: „Lasset die Kiemen zu mir kommen und hindert sie nicht” (Mk 10,14). Diese Projekte und ihre Wirkungen zeigen das derzeitige^ praktische Engagement der katholischen Kirche für die Rechte der Kinder. Liebe zum Kind und Achtung vor ihm bilden einen wichtigen ethischen und juridischen Teil der christlichen Überlieferung. In vielen Nationen hat das großen Einfluß auf die soziale Entwicklung und Reform gehabt. Jahrhunderte hindurch hat es das Wirken der Kirche für das Wohlergehen, den Schutz und die Erziehung der Kinder, zumal der ärmsten und am meisten verwundbaren angeregt. Lange bevor der Staat oder weltliche Körperschaften die Bühne betraten, bezeugten die zahlreichen Schulen, Waisenhäuser, Heime und Jugendvereinigungen, die von der Kirche geleitet werden, ihre tiefe Besorgnis um die Rechte und das Wohlergehen der Kinder. Und doch werden auch heute noch Kinder die Opfer von Selbstsucht, Ungerechtigkeit und Armut. Sie sind in vielen Fällen der Beweis für die beschämende Unmenschlichkeit von Erwachsenen. Das Recht auf Familie Doch die Kirche stellt die Rechte und das Wohlergehen eines jeden Kindes in den Zusammenhang der Familie. Was bedeutet das in Theorie und Praxis? Die Kirche kann nicht die Rechte der Familie von denen des Kindes trennen. Dahinter steht eine ganz bestimmte philosophische und juridische Position: eine ethische Gesamtsicht der Kindes, der Familie und der Ehe, die für den Ablauf dieses wichtigen Kongresses über Familiengesetzgebung und Rechte der Kinder bedeutsam ist. Der Grundsatz beruht auf einer Anthropologie, wo Harmonie herrscht, zwischen dem, was wir im Licht der Vernunft erkennen können, und dem, was wir tiefer durch die Offenbarung wissen. Heute ist es notwendiger denn je, daß dieser Grundsatz eingehend studiert und angewandt wird. Der Mensch, der empfangen wird, der auf dem Weg zur Geburt ist, das Kind, das geboren werden soll, hat ein Recht darauf, in einer Familie geboren zu werden, innerhalb einer Ehe als fester und verantwortlicher lebenslanger Lebens- und Liebesgemeinschaft, aus einem wahrhaft menschlichen Akt, ein Recht darauf, willkommen zu sein, geliebt, beschützt, erzogen und in einem ganzheitlichen Sinn herangebildet zu werden. In der Charta der Familienrechte, die 1983 vom Heiligen Stuhl veröffentlicht wurde, lesen wir: „Kinder haben sowohl vor wie nach der Geburt das Recht auf be- 1466 KONGREGATIONEN UND RÄTE sonderen Schutz und auf Hilfe, wie es ihre Mütter während der Schwangerschaft und für eine vernünftig lange Zeit nach der Geburt des Kindes besitzen” (Artikel 4 d). Daher haben Kinder das Recht, empfangen und geboren zu werden in „der Familie die ihre Grundlage in der Ehe hat, dieser innigen Lebensgemeinschaft in gegenseitiger Ergänzung von Mann und Frau, die durch das frei übernommene und öffentlich bekundete unauflösliche Band der Ehe gebildet wird und offen ist für die Weitergabe des Lebens” (Charta: Präambel, B). Es besteht eine klare Übereinstimmung mit dem, was wir in der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes lesen, wenn alles korrekt dargelegt wird. Nach der Anerkennung aller Rechte des Kindes - „jedes kann alle Rechte und Freiheiten, die hier formuliert sind, in Anspruch nehmen” - sagt die Konvention: „Kinder haben ein Recht auf besondere Betreuung und Hilfe.” Was das Verhältnis zu-ihren Familien angeht, ist die Konvention „überzeugt, daß die Familie als grundlegende Gruppe der Gesellschaft und die natürliche Umgebung für das Wachsen und Wohlergehen all ihrer Mitglieder und besonders der Kinder, den notwendigen Schütz und angemessene Hilfe erhalten muß, so daß sie ihre Verantwortlichen innerhalb der Gemeinschaft voll erfüllen kann”. Die Kirche setzt sich für die integrale und vollständige Befreiung der Kinder ein, einen Prozeß, der notwendig über die Familie läuft. Kinder haben das Recht auf diese Befreiung als eine Pflicht, die wichtigste Pflicht für die Familie und für die Gesellschaft. Wir wissen, daß das möglich sein wird nicht nur durch die Lösung wirtschaftlicher und sozialer Probleme - was sicherlich notwendig ist - sondern hauptsächlich durch moralische Werte, die unter gesetzlichen und staatlichem Schutz in Familien übermittelt und praktiziert werden. Der Staat muß die Wirklichkeit und Qualität der in der Ehe begründeten Familie anerkennen. Durch meine einfachen Überlegungen möchte ich die Gewissen der Politiker und Gesetzgeber mehr öffnen für die Hilfe zugunsten der Ehe, sie dürfen nicht gestatten, daß die Familie schwach wird. Sie wird aber geschwächt, wenn die Ehe zu einem bloßen Raum für Zuneigungen und Sicherheit wird, ohne irgendwelche soziale Bedeutung, was für manche Gesetzgeber zur Versuchung wird - oder wenn alle Formen einer familienähnlichen Gemeinschaft auf die gleiche Stufe gestellt werden, als ob sie alle die gleiche Qualität hätten wie die feste Gemeinschaft der Liebe und des Lebens, die in der Ehe zustandekommt. Die Kinder sind die Opfer dieser schwerwiegenden Verarmung auf juridischem Gebiet. Die Rechte der Kinder werden verletzt, wenn Eltern glauben, daß nur sie das Recht besitzen, „ein neues Leben für sich selbst zu schaffen”, wie es gewöhnlich formuliert wird, nicht aber verpflichtet sind, auf die Lage ihrer Kinder zu schauen, die darunter leiden, daß sie auf eine nicht weniger schmerzliche Art Waisen werden, als wenn sie die Eltern durch den Tod verlören. 1467 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die Rechte der Familie als Quelle der Integration ihrer Mitglieder werden nicht geachtet, wenn die Sorge für die Kinder auf die notwendige soziale Betreuung beschränkt wird, aber Gesetze fehlen, die den Familien helfen können, stärker, verantwortlich, geeint und eingegliedert zu werden. Das Recht auf Leben Auf der Grundlage des Naturrechts bejaht die Kirche die Menschenrechte als grundlegende objektive Basis und nicht als Folge künstlicher Konstruktionen. Diese Rechte sind angeboren. Sie werden nicht vom Staat verliehen oder durch sozialen Konsens abgeschafft. Die angeborenen Naturrechte beginnen mit dem Recht auf das Leben selbst. Dies erklärt, warum die Kirche das Recht unschuldiger Personen auf Leben verteidigt, angefangen bei den Unschuldigsten, den Ungeborenen, die durch Abtreibung bedroht sind, und dann das ganze Leben hindurch: das Lebensrecht der Alten, der Kranken und der Behinderten, die derzeit im Visier der Euthanasie stehen. Ehe und Familie sind naturgegebene Institutionen. Sie sind nicht durch den Willen und die Macht des Menschen oder der Gesellschaft eingesetzt, sondern durch Gott selbst. Sie sind eine Gabe der Schöpfung. Daher haben weder Mensch noch Gesellschaft das Recht, beliebig darüber zu entscheiden, und sie dürfen nicht ändern, was einzig Gott zukommt. Daher begrüßte die Kirche den neunten Abschnitt der Präambel der Konvention über die Rechte des Kindes, wo es heißt: „Es ist daran zu erinnern daß, wie es in der Erklärung der Rechte des Kindes heißt, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. November 1959 angenommen wurde, ,das Kind kraft seiner physischen und geistigen unreife besonderen Schutz und Hilfe braucht, auch entsprechenden gesetzlichen Schutz, sowohl vor wie nach der Geburt’”. In der „Erklärung”, die beim Beitritt zur Konvention abgegeben wurde, wird gesagt: „Der Heilige Stuhl erkennt an, daß die Konvention eine Anwendung von Grundsätzen darstellt, die zuvor von den Vereinten Nationen übernommen wurden, und, als ratifiziertes Werkzeug wirksam geworden, die Rechte des Kindes vor und nach der Geburt sichern, wie in der ,Erklärung der Rechte des Kindes’, ausdrücklich gesagt wird (Res. 136 - XIV) und erneut im neunten Abschnitt der Präambel erklärt ist. So dient sie als Richtlinie, nach der die ganze übrige Konvention auszulegen ist in Übereinstimmung mit Artikel 31 der Konvention von Wien über das Gesetz der Verträge vom 23. Mai 1969”. Die Familie als grandlegende Lebenszelle der Gesellschaft Die „Erklärung” des Heiligen Stuhles zur Konvention über die Rechte des Kindes drückt auch in bezeichnender Weise die Anschauung der Kirche über „Kind und Familie” aus: „Wenn der Heilige Stuhl der Konvention über die Rechte des Kindes 1468 KONGREGATIONEN UND RÄTE beitrltt, möchte er erneut seiner ständigen Sorge um das Wohlergehen der Kinder und der Familien Ausdruck geben.” Die Kirche kann die Rechte und das Wohlergehen von Kindern nur im Zusammenhang mit der Familie fördern. Die Kirche lehnt den Individualismus ab, wie ihn heutige Gesellschaften des Westens und daher auch viele Gesetzgeber voraussetzen. Die grundlegende Lebenszelle der Gesellschaft ist nicht die Einzelperson, sondern die Familie. An der Front des Ringens um die Menschenrechte von Einzelpersonen <131> nimmt die Kirche eine Stellung ein, die sowohl vom westlichen Liberalismus als auch vom Marxismus verschieden ist. Für den Liberalismus ist der freie Einzelmensch das Zentrum der Gesellschaft. Die soziale Praxis des Marxismus aber ist so sehr vom Kollektivismus gekennzeichnet, daß der einzelne ganz in den Erfordernissen des Staates oder der Partei aufgeht. Die unterschiedliche Position der Kirche wurde von Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Centesimus annus, veröffentlicht im Jahre 1991, ausführlich dargelegt <132>. <131> Vgl. The Church and Human Rights, Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, 10. Dezember 1974. <132> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus, 1. Mai 1991, Nr. 49. Weil sie noch von der liberalen Ideologie des 19. Jahrhunderts beeinflußt ist, scheint die moderne weltliche Gesetzestheorie anzunehmen, der einzelne Mensch, sei die Grundeinheit der Gesellschaft. Doch die Ethik des Naturgesetzes, die sehr wohl die biologischen „Gesetze der Natur” zu achten weiß, schlägt die Familie als grundlegende Lebenszelle der menschlichen Gesellschaft vor. Das ist nicht nur eine religiöse Meinung. Sie können sie in der Universalen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen ebenso finden wie in den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils und von Papst Johannes Paul II. <133> <133> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Apostolicam actuositatem, Nr. 11; Johannes Paul II. Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, Nr. 42. Die „Rechte der Familie” und „Familienrechte” Wenn man die archetypische Rolle des Naturrechts zugrunde legt, so wird eine bedeutsame Unterscheidung getroffen zwischen den „Rechten der Familie” und „Familienrechten”. Die Leitgedanken der „Rechte der Familie” sollen besondere „Familienrechte” bestimmen. Von daher wird eine parallele Unterscheidung abgeleitet zwischen dem „Gesetz der Familie” und dem „Familiengesetz”, das sich daraus ergeben soll. Auf der praktischen Ebene der täglichen Regierungsmaßnahmen sollte eine weitere parallele Unterscheidung getroffen werden zwischen umfassender „Politik für die Familie” und besonderer „Familienpolitik”. Alle Familienmitglieder müssen, selbst getrennt voneinander, Hilfe und Schutz durch entsprechende Gesetze erhalten. Doch wir dürfen deshalb nicht die volle Integrationskraft in einer Familie aus den Augen verlieren. Vorbeugende Maßnahmen sind notwendig, die die Ausübung der Verantwortung der Eltern besser sicherstellen und einfordem. Ferner müssen Überwachungsinstitutionen da sein, die die Anerken- 1469 KONGREGATIONEN UND RATE nung der Rechte von Kindern schützen und verlangen, wenn diese mißachtet oder verletzt werden. • Die klassische Stellungnahme des Naturgesetzes ist die, daß das Familiengesetz immer von dem höherstehenden „Gesetz der Familie” geleitet sein muß. Das heißt: Das Familiengesetz existiert nicht in einem Leerraum; es besteht nicht in einer Reihe von „ad hoc” Lösungen, pragmatischer oder utilitaristischer Art. Es unterhegt höheren Grundsätzen. Der Heihge Stuhl hat diese Grundsätze des „Gesetzes der Familie” in der Charta der Rechte der Familie aufgesteht, die 1983 veröffentlicht wurde. Die Präambel dieser interessanten Charta beginnt so: „Die Rechte der Person, selbst wenn sie als Rechte des einzelnen formuliert sind, haben eine grundlegende soziale Dimension, die ihren natürlichen und vitalen Ausdruck in der Familie findet.” Wenn sie die grundlegende natürliche Einheit der Gesellschaft ist, besitzt die Familie von sich aus Rechte. Diese Rechte ergeben sich aus ihrer Natur als Gemeinschaft von Personen aufgrund einer anerkannten festen Form der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, die für die Weitergabe des Lebens offen ist. Doch man kann nur dann anerkennen, daß irgendwelche „Rechte der Familie” bestehen, wenn die Gesellschaft als natürlicherweise auf die Familie gegründet verstanden wird. Die Charta der Familienrechte stellt fest: „Die Familie, eine natürliche Gemeinschaft, besteht vorrangig zum Staat oder irgendeiner anderen Gemeinschaft und besitzt aus sich heraus Rechte, die unveräußerlich sind”. <134> Das heißt, es gibt keine Gesellschaft als solche, die sich nicht auf diese kleinste Gemeinschaft gründet, und das. Wohlergehen der Gesellschaft wird durch Gesetze und eine Politik gefördert, die die Rechte und Pflichten der Familie schützen. Dem entgegenstehende Gesetze und Maßnahmen schaden der Gesellschaft. Heiliger StuhJ, Charta der Familienrechte, 22. Oktober 1983, Präambel, D. Elternrechte sind ein besonderer Teil der Rechte der Familie. Doch sie sind untrennbar von den Rechten der Kinder, weil sie sich auf das Wohl eines jeden Kindes richten. Dies erklärt den zweiten Vorbehalt des Heiligen Stuhles beim Beitritt zur Konvention über die Rechte des Kindes: „Der Heilige Stuhl interpretiert die Artikel der Konvention so, daß die grundlegenden und unveräußerlichen Rechte der Eltern gewahrt werden, vor allem insofern diese Rechte die Erziehung betreffen (Art. 13 und 28), die Religion (Art. 14), den Zusammenschluß mit anderen (Art. 15) und die private Sphäre (Art. 6)”. Verantwortung der Eltern Eltern besitzen Rechte, doch zu diesen Rechten gehören entsprechende Verantwortlichkeiten. Persönliche Verantwortung für Entscheidungen und Handlungen ist in der Sicht des Naturgesetzes wesentlich. Hier müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß zum Naturgesetz ein bestimmtes Verständnis der menschlichen Person gehört: eine Anthropologie, die die Person in ein bestehendes Universum einördnet, wo er oder 4 KONGREGATIONEN UND RÄTE sie angeborene Rechte besitzen, doch nicht ohne die entsprechende Verantwortung. Das Wohl einer jeden Person wird erreicht, wenn das „Gemeinwohl” gebührend berücksichtigt wird. Dieser Prozeß der Beziehung zu anderen und der Übernahme von Verantwortung beginnt innerhalb der Grundzeüe der Gesellschaft, der Familie. Die Familie ist der Ort, wo die ersten Erfahrungen des sozialen Lebens eine so entscheidende Wirkung auf das heranwachsende Kind haben. Die Familie ist die Quelle der Übermittlung von menschlichen Werten im Sinn einer menschlichen Ökologie, wie Johannes Paul II. in der Enzyklika Centesimus annus lehrt. Daher befürwortet die Kirche die Auffassung: Wenn das Gesetz und die Anwendung des Gesetzes auf das Gemeinwohl der Gesellschaft hin ausgerichtet ist, wird das nur erreicht, wenn das Gesetz die Festigkeit der Familie aufrechterhält, indem es allen Mitgliedern dieser grundlegenden Gemeinschaft gestattet, verantwortlich zu handeln. Zersetzung der Familie ist sozialer Atomismus Unsere Kritik kann hier auf dem Gebiet sich widerstreitender Rechte beginnen. Wenn das Gesetz Rechte von einzelnen gegen die Rechte der zusammenhängenden natürlichen Einheit, nämlich der Familie, begünstigt, so ist sozialer Atomismus die Folge. In dieser Lage der Zersetzung befinden sich heute viele Gesellschaften. Die Gesellschaft wird verkürzt auf eine Ansammlung von einzelnen, die sich frei miteinander verbinden, vielleicht unter irgendeinem breit gefaßten „sozialen Vertrag”. Nimmt man dieses Modell an, so wird man gedrängt, beim Aufbau des Familiengesetzes ein utilitaristisches Rezept anzuwenden. Die atomisierte Gesellschaft öffnet ferner den Weg zu verschiedenen Formen von „Familie”, selbst wenn es perverse Formen von Verbindungen sind: Verbindungen, bei denen man die Familie nicht mehr definieren kann und die das Gesetz bloß als irgendeine Vereinigung von einzelnen ansieht, die in irgendeiner Form Zusammenleben. Am Ende wird das Wort „Familie” sinnlos, selbst wenn einfache Menschen noch genau wissen, was es bedeutet. Kann aber ein utilitaristischer Gesetzentwurf den Interessen der Familie und der Gesellschaft als ganzer dienen? Menschenrechte, Freiheit und Glück können jedenfalls nie durch Utilitarismus gesichert werden, der ja immer nur für das eigene Interesse offen ist. Die Rechte vor allem der Kinder stehen hier auf dem Spiel. Noch weniger werden die Rechte der Familie durch Gesetzespositivismus geschützt, der trotz seines Anspruchs, Rechte zu garantieren, zu erhalten oder neu zu schaffen, am Ende zur Jurisprudenz der Vertreter des Totalitarismus, zum Triumph des Willens wird. Es liegen in der Gesellschaft böse Auswirkungen vor, die, wenn man sie näher studiert, auf einen Wandel bestimmter Haltungen hindrängen. In einigen Nationen gibt es bereits positive Reaktionen, nachdem man so viel dem Permissivismus gehuldigt hat. Heute vermögen wir auch besser zu sehen, daß es nur innerhalb einer festen und verantwortlichen Ehegemeinschaft möglich ist, die gute psychologische Entwicklung 1471 KONGREGATIONEN UND RÄTE der Kinder sicherzustellen. Gesetzgeber sollten diesen Bedürfnissen mit Hilfe des Gesetzes entsprechen., Wenn die Ehe einmal vor dem Gesetz als Institution zerbrechlich wird* entsteht der Eindruck, daß die Ehe schließlich zum Schlachtfeld wird, und junge Menschen werden abgeschreckt. Sie möchten nicht in eine unsichere Institution verwickelt werden, die weder Achtung noch Vertrauen verdient. Andererseits kann dies auch interessante Reaktionen hervorrufen; eine kürzliche Umfrage in Europa hat ergeben, daß die meisten jungen Leute hoffen, eines Tages eine feste eheliche Gemeinschaft ein-zugehen. Das naturgegebene Ideal ist also noch vorhanden. Doch die Folgen werfen die weiter gespannte soziale Frage auf. Ist das ein Weg, um eine gefestigte Gesellschaft aufzubauen? Eine gefestigte Gesellschaft beginnt mit einer gesicherten und ruhigen Kindheit, die nicht zerrissen ist durch Unsicherheit und Leiden als Folge der Trennung der Eltern und der Spannungen, wem die Kinder zugesprochen werden. Erhebt nicht jedes Kind, nach dem Recht auf das Leben als solches, auch den Anspruch auf das Recht, Teil einer Familie zu sein und in einer Familie aufzuwachsen? <135> Artikel 7 der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte der Kinder bejaht das Recht, daß ein Kind im Rahmen des Möglichen seine Eltern kennt und von ihnen betreut wird. Artikel 9 bejaht das Recht des Kindes, von gewissen Verhältnissen abgesehen, nicht von seinen Eltern getrennt zu werden. Während die Konvention also um die Rechte des einzelnen Kindes entworfen zu sein scheint, ist doch das Thema Familie überall zu erkennen. Moderne Formen der Betreuung von Waisen und verlassenen Kindern nehmen die Lebensweise von Familien an. Wir sollten außerdem nicht die weiter gespannten sozialen Probleme vergessen, die sich durch eine Abwertung des Ehekontraktes zuspitzen, wenn man die Familie mißachtet und nicht ihre einzigartigen, natürlichen Wurzeln und Strukturen erkennt. Das Aufkommen der neuen „Unter-Klasse” in so vielen Ländern, überhandnehmende Kriminalität sowie die Verbreitung von Alkohol- und Drogenmißbrauch sind hier zu nennen. Der Päpstliche Rat für die Familie hat eine Studie von Fachleuten über die tieferen Gründe der Drogenabhängigkeit veröffentlicht: „Von Verzweiflung zur Hoffnung” Vieles kann hier auf eine unsichere Kindheit zurückgeführt werden, die man in einem „zerbrochenen Heim” oder in mehreren davon verbringen mußte. Die Erfahrung von Sozialarbeitern, Klerus, Psychologen und Polizei dürfen nicht übersehen werden. Doch eine Gesetzespraxis, die eine Auflösung von Familiengemeinschaften erleichtert und begünstigt, ist ein Hauptfaktor, der dazu beiträgt, eine unglückliche und unsichere Kindheit für so viele Menschen zu schaffen mit sozialen Auswirkungen durch den Verlust des Verantwortungsbewußtseins. Die Fähigkeit zur Selbsthingabe, die Fähigkeit, Mühen zu ertragen, geduldig zu bleiben und, durch die Schwierigkeiten hindurch auf einen besseren Weg zu hoffen -, die Fähigkeit zu glauben, daß Menschen sich zum Besseren wandeln können - all 5 1472 KONGREGATIONEN UND RÄTE das gehört zu echt menschlicher Verantwortung. Es sind wesentliche Elemente beim Versuch, eine schwierige Ehesituation zu retten . Wir sollten ferner Probleme wie das Wohlergehen der Frau bedenken, die nach der Scheidung unter wirtschaftlicher Not leidet, oder auch die Unbeständigkeit einer zweiten oder dritten Ehe. Doch wenn wir uns auf die Rechte und das Wohlergehen der Kinder in solchen Situationen konzentrieren, ergeben sich weitere Fragen. Viele Kinder verlieren schrittweise einen natürlichen Eltemteil, zumal ihre Väter, die innerhalb weniger Jahre nach einer Scheidung oft den Kontakt zu ihren Kindern verlieren. Auf tieferer personaler Ebene aber leiden alleinerziehende Eltemteile unter Streß mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kinder. Durch den Schutz der Ehe kann die Gesetzespraxis nicht nur die lebenswichtige lebendige Zelle der Gesellschaft festigen, sondern auch den Familienmitgliedern helfen, in diese Gemeinschaft des Lebens und der Liebe wieder neues Vertrauen zu gewinnen. Keine Familie ist vollkommen, und doch kann der Einzelmensch in der Familie am besten zu persönlicher Erfüllung, zu Glück und Sicherheit gelangen, worin die wirkliche Freiheit besteht. Dagegen stellt ein ideologischer Trend die Familie als „unterdrückerisch” hin, als eine Struktur, die den einzelnen - Männern, Frauen und Kindern - ihr Recht auf Selbstverwirklichung verweigert. Vielleicht kommen in einer solchen negativen Sicht die persönlichen Wunden von Frauen und Männern zum Ausdruck, die unter einer unglücklichen Kindheit gelitten haben. Doch das rechtfertigt in keiner Weise, diese Sicht der Gesellschaft als Ganzer aufzuzwingen oder sie für die Herabwürdigung der Familie auszuwerten, die sich auf die Ehe gründet und offen ist für die Zeugung und Heranbildung von Kindern. Wenn Ehe und Familie ethische Fragen sind, sollte das Gesetz für Ethik offen sein und dem Gemeinwohl in der Gesellschaft dienen. Die Rechte und das Wohlergehen der Kinder müßten gesichert werden. Die ethische Dimension des Gesetzes darf nicht unbeachtet bleiben. Die tieferen Fragen, die in extremer Form 1946 in Nürnberg gestellt wurden, sollten in allen Gesetzesbereichen Resonanz finden. Persönliche und soziale Folgen warnen den Gesetzgeber und den Juristen. Selbst wenn seine oder ihre Philosophie lediglich eine pragmatische Antwort auf soziale Trends ist, so vermitteln uns doch diese Trends selbst schon schwerwiegende Botschaften. Mehr Verantwortung wird von denen verlangt, die Gesetzt über Ehe, Familie und Kinder formulieren und verwalten. Dies kann umgekehrt zu größerer Verantwortlichkeit innerhalb der Familie selbst führen. Hier liegt eine ernsthafte Herausforderung für jene, die heute die Familiengesetze machen und anwenden. Schlußfolgerungen Ich möchte meinen Vortrag schließen, indem ich erneut darauf hinweise, wie notwendig die Zusammenarbeit von Gesetzgebern mit einem klaren ethischen Bewußtsein ist, um dazu beizutragen, eine verschmutzte Atmosphäre zu reinigen, die für die 1473 KONGREGATIONEN UND RATE Eltern ein Hindernis bildet bei ihrer Arbeit und ihrer schwierigen Aufgabe, für das kostbarste Geschenk Gottes, nämlich ihre Kinder, zu,sorgen. <136> Das Gesetz und Einzelgesetze, zumal wenn sie der Familie gelten, dürfen den ernsthaftesten ethischen Fragen nicht ausweichen. Wer ethische Erfordernisse vergißt, untergräbt die Grundlage des Gesetzes selbst, hierzu betont rechtzeitig der Katechismus der Katholischen Kirche, der in Englisch noch nicht publiziert ist: „In dem Augenblick, in dem ein positives Gesetz eine Kategorie von Menschen des Schutzes beraubt, den die bürgerliche Gesetzgebung ihnen gewähren muß, leugnet der Staat damit die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Wenn die Staatsmacht sich: nicht in den Dienst der Rechte jedes Bürgers stellt, und in besonderer Weise dessen, der am schwächsten ist, dann werden die Grundmauern des Rechtsstaates untergraben” {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2273). Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Nr. 50 Mehr denn je Hilfe nötig Aufruf von Kardinal Roger Etchegaray, dem Vorsitzenden des Päpstlichen Rates „Cor Unum”, für Bosnien-Herzegowina veröffentlicht am 2. August Die tragische Lage in Bosnien-Herzegowina ist allen bekannt. Die ganze Menschheit ist von diesen dramatischen Ereignissen heraus gefordert, deretwegen wir'uns vor Gott verantworten werden müssen. Man darf dem immer größeren Leid so vieler Menschen und Gemeinden, die bis vor kurzem friedlich zusammenlebten, nicht gleichgültig gegenübersföhen. Der Päpstliche Rat „Cor Unum” blickt als Koordinatiönsstelle der karitativen Bemühungen des Papstes mit wachsender Sorge auf all diese Völker und insbesondere auf jene, die der Gewalt und den materiellen und geistlichen Nöten am meisten ausgeliefert sind: auf die Betagten, die Kinder, die zerstreuten Familien, die Kranken und die Schwächsten. Man darf nicht zulassen, daß Tausende von Personen wegen Mangel an Hilfe, Nahrung und Medikamenten sterben. Die auch für den Kriegsfall international anerkannten Rechte werden ständig mißachtet, man darf nicht zulassen, daß die humanitären Hilfen mißbraucht werden, um politischen Druck auszuüben. Deshalb richtet der Päpstliche Rat „Cor Unum” an alle Verantwortlichen im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien und an die internationale Gemeinschaft den Aufruf, alles nur Mögliche zur Unterstützung der Initiativen zu unternehmen, die von der UNO und von anderen Organisationen durchgeführt werden, damit die humanitären Hilfen der leidenden Bevölkerung ohne jeden Unterschied zugute kommen. Die Aktivitäten der religiösen Organisationen - der katholischen „Caritas”, der islamischen „Merhamet” und der orthodoxen „Dorbrotvor”- können dank ihrer Mitarbeiter auf 6 KONGREGATIONEN UND RÄTE Ortsebene ohne jede Diskriminierung ein besonderes Zeugnis für den barmherzigen Gott ablegen. Das Herannahen eines neuerlichen harten Winters erfordert wiederum dringend ein konkretes gemeinsames Eingreifen, um der Not Hunderttausender von Flüchtlingen in den Kriegsgebieten und in den verschiedenen Gegenden des ehemaligen Jugoslawien abzuhelfen. Wir wiederholen den kürzlich von Johannes Paul II. an die Regierungen gerichteten Aufruf, dem Hochkommissar der Vereinten Nationen für die Flüchtlingshilfe großzügig die für seine wichtige Aktivität erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Die. aus Serbien und Montenegro eintreffenden Nachrichten lassen die schwierige Lage erkennen, in der sich die dortige Bevölkerung befindet, auch aufgrund des von der internationalen Gemeinschaft beschlossenen Embargos. Es ist nicht Aufgabe des Päpstlichen Rates „Cor Unum” zu beurteilen, ob diese Maßnahme vom politischen Standpunkt aus angebracht ist, doch drängt es uns festzustellen: Wenn die lebensnotwendigen Güter von diesem Embargo ausgeschlossen sind, sollte die Entsendung der humanitären Hilfen an die Bevölkerung erleichtert werden, um zu verhindern, daß ausgerechnet die Ärmsten und Schwächsten vom Embargo hauptsächlich betroffen werden. Der Großteil der Bewohner dieser Gebiete - seien sie Albaner, Kroaten, Montenegriner, Serben, Ungarn, Zigeuner oder Angehörige anderer Minderheiten - wünscht aus ganzem Herzen den Frieden. Sie sind insgesamt unschuldige Opfer politischer und kriegerischer Situationen, auf deren Entwicklung sie derzeit keinen Einfluß haben. Zu diesen Aufträgen zugunsten aller Völker, die im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien leben und Tag für Tag unter den Folgen des Krieges leiden, kommt noch ein weiterer Aufruf an die Verantwortlichen der kriegführenden Gruppen, damit die „Waffen” der Verständnislosigkeit, der Parteilichkeit und der Intoleranz, die neuen Haß und neue Spaltungen auch in bisher vom Konflikt verschonten Gebieten hervor-rufen können, niedergelegt werden. Papst Johannes Paul II. lenkt unablässig die Aufmerksamkeit aller auf die Tragik dieses Krieges und auf die Notwendigkeit eines Einsatzes für die Beilegung der Konflikte. Wir alle wissen, daß uns Gott für das, was sich vor unseren Augen abspielt, richten wird. 1475 KONGREGATIONEN UND RÄTE Pastorale Aufinerksamkeit für die traditionellen Religionen Schreiben des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog an die Präsidenten der Bischofskonferenzen in Asien, Amerika und Ozeanien vom 21. Oktober Eminenz, Exzellenz! 1. Der Gedanke, einen Brief über die Notwendigkeit verstärkter pastoraler Aufmerksamkeit gegenüber den traditionellen Religionen zu schreiben, kam während der letzten Vollversammlung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog (November 1992) auf. Die Beurteilung über die Arbeit des Rates schloß auch eine Debatte über den Dialog mit den Anhängern der traditionellen Religionen ein. Dieses Thema war bereits Gegenstand eines Schreibens an die Präsidenten der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (25. März 1988 - Bulletin 1988/XXIII/2). Da die traditionellen Religionen nicht nur in Afrika, sondern auch in Asien, Amerika und Ozeanien in verschiedenen Formen auftreten, hielt man es für angebracht, die Bischofskonferenzen dieser Kontinente auf die Bedeutung pastoraler Aufmerksamkeit ihnen gegenüber und die Nützlichkeit eines Gedanken- und Erfahrungsaus-tauschs auf diesem Gebiet hinzuweisen. Die Natur der traditionellen Religionen Was ist mit „traditionellen Religionen” gemeint? 2. Mit traditionellen Religionen bezeichnen wir jene Religionen, die - im Gegensatz zu den in vielen Ländern und Kulturen vertretenen Weltreligionen - nicht über ihre sozio-kulturelle Umgebung hinausgegangeri sind. Das Wort „traditionell” bezieht sich nicht auf etwas Statisches oder Unveränderliches, sondern deutet auf diesen ortsgebundenen Ursprung hin. Es gibt keine einheitliche Bezeichnung, auf die man zurückgreifen könnte, wenn von diesen Religionen die Rede ist. Einige Begriffe (z. B. Heidentum und Fetischismus) haben negative Bedeutung und geben darüber hinaus nicht ihren eigentlichen Gehalt wieder. Heute wird auch ein Begriff wie Animismus nicht mehr von allen anerkannt. Während man in Afrika diesen Religionen im allgemeinen den Namen „Traditionelle Afrikanische Religion” gibt, nennt man sie in Asien „Volksreligionen” (Folk Religi-ons), in Amerika „Indianereligion und afroamerikanische Religion” (Native Religi-ons and Afro-American Religions) und in Ozeanien schließlich „Einheimische Religionen” (Indigemous Religions). 1476 KONGREGATIONEN UND RATE Elemente der traditionellen Religionen 3. Die traditionellen Religionen zeichnen sich im allgemeinen durch den klaren Glauben an einen einzigen Gott, an ein höchstes Wesen aus, das „Großer Geist”, „Schöpfer”, „Allerhöchster”, „Allmächtiger Geist”, „Göttlicher”, „Transzendentaler”, „Der, der hoch oben wohnt”, „Himmel” usw. genannt wird. Ebenso gibt es den Glauben an andere Wesen - man könnte sie als Geister bezeichnen -, die über dem Menschen, aber-unter dem Höchsten Wesen stehen. Einige Wissenschaftler, die sich mit den traditionellen Religionen befassen, bezeichnen sie als „Gottheiten” oder als „Götter”. Andere Glaubensobjekte sind verstorbene erwachsene Verwandte, wie beispielsweise die Vorfahren. Bei den traditionellen Religionen sind im allgemeinen die Geister, die Vorfahren und verschiedentlich auch Gott Gegenstand der Verehrung. Sie nimmt insbesondere im Rahmen der Familie die Form des Gebets an, und in den Heiligtümern wird sie durch Riten und Gemeinschaftsopfer zum Ausdruck gebracht. Viele Riten sind durch die Furcht vor bösen Geistern oder den Ahnen motiviert. Frühere Generationen werden als die Übermittler moralischer Regeln angesehen, deren Legitimität dann durch die Geister, die Ahnen und gelegentlich auch durch Gott bestätigt wird. Im allgemeinen Hegen den traditionellen Religionen weder offenbarende Schriftstücke zugrunde, noch stützen sie sich auf theoretische Aussagen theologischer oder philosopohischer Natur. Der in ihnen enthaltene Reichtum und ihre zahlreichen Werte können wir in den feierlichen Riten, in ihren Geschichten und Sprichwörtern erkennen; ebenso kommen sie durch die Einstellung, die Gewohnheiten und Verhaltensweisen zum Ausdruck. Nur selten gehen traditionelle Religionen auf einen Gründer zurück. Einige der wichtigsten Werte der traditionellen Religionen 4. In vielen traditionellen Gesellschaften finden wir einen ausgeprägten Sinn für das Geistliche. Die Religion durchdringt das Leben derart, daß es oft schwerfällt, rein religiöse Elemente von dem jeweiligen Brauchtum zu unterscheiden. Die Obrigkeit wird nicht als eine weltliche Instanz angesehen, sondern vielmehr als eine heilige Macht. Die Anhänger der traditionellen Religionen zeigen große Aufmerksamkeit für die Erde. Sie achten das Leben und feiern seine wichtigsten Stadien; die Geburt, den Eintritt in das Erwachsenendasein, die Ehe, den Tod. Sie haben einen ausgeprägten Sinn für die Familie, der die Liebe zu ihren Kindern, die Achtung der alten Menschen und eine gemeinschaftliche Beziehung zu den Vorfahren einschheßt. Wichtig ist auch die Symbolik, denn durch sie kann die unsichtbare Welt und die Beziehung der Menschen zu ihr interpretiert werden. Selbstverständlich gilt dem Ritual ganz besondere Beachtung. 1477 KONGREGATIONEN UND RÄTE Schattenseiten der traditionellen Religionen 5. Die traditionellen Religionen weisen auch negative Elemente auf, wie einige Beispiele verdeutlichen: eine fälschliche Vorstellung von Gott, Aberglaube, Furcht vor den Geistern, tadelnswerte sittliche Bräuche, wie, in einigen Fällen, die Zurückweisung von Zwillingen und zuweilen auch sogar Menschenopfer; Die traditionellen Religionen in einer Zeit des Wandels 6. Früher bildeten die traditionellen Religionen eine Einheit mit den Kulturen der Völker, die sie befolgten. Oft wurde für Religion, Brauchtum und Kultur die gleiche Bezeichnung verwendet. Diese Kräfte und Werte hielten ihre Gesellschaften zusammen. - Die Begegnung mit dem Christentum, mit anderen Religionen und der westlichen Kultur, wie vor allem mit der modernen Wissenschaft, der Technologie und der Verstädterung, hat auf diese Gesellschaften und ihre traditionellen Religionen eingewirkt. Dennoch bleibt die Einflußnahme der traditionellen Religionen stark, insbesondere in Krisenzeiten. Gründe für die pastorale Aufmerksamkeit gegenüber den traditionellen Religionen und für den Dialog mit ihnen Die traditionellen-Religionen bilden das religiöse Umfeld zahlreicher Menschen 7. Viele, die sich unlängst zum Christentum bekehrt haben, gehörten der traditionellen Religion an. Dies gilt nicht nur für die Kirchen, wo das Evangelium im Laufe des letzten Jahrhunderts verkündet wurde, sondern auch für einige Länder, wo die Kirche bereits seit vielen Jahrhunderten vertreten ist. zahlreiche Konvertiten leben in Kulturen und Umgebungen, die unter dem Einfluß dieser Religionen stehen. Das beweist die Tatsache, daß man in entscheidenden Augenblicken des Lebens (wie bei Krankheiten, Gefahren, Hochzeiten, der Geburt eines Kindes, dem Begräbnis eines Verwandten) auf die Praktiken der traditionellen Religionen oder der Gebetshäuser, der „curandeiros”, der „Propheten” oder Seher verfällt. Es muß darauf hingewiesen werden, daß in Lateinamerika die Nachkommen derer, die im 16. und 17. Jahrhundert als Sklaven aus Afrika kamen, die Religion und die Kultur ihrer Vorfahren nicht vollkommen verloren haben. Einige der zahlreichen und verschiedenartigen afroamerikanischen Religionen haben die ursprünglichen Formen fast gänzlich beibehalten, wie das Candomble (Brasilien), während andere wiederum eher synkretistisch sind, was in Haiti, Kuba und Jamaika beobachtet werden kann. 1478 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die christlichen amerikanischen-Eingeborenen möchten authentische amerikanische Eingeborene bleiben. Der Papst bestärkte sie in diesem Sinne, als er sich in seiner Ansprache am 10. September 1984 am Heiligtum der hl. Anne de Beaupre in Kanada und am 14. September 1987 in Arizona an sie wendete. Gleichsam ermunterte er die australischen Eingeborenen oder Urbevölkerung Australiens, als er am 29. November 1986 in Alice Springs zu ihnen sprach. Ebenso wichtig ist es, die letzten beiden Begegnungen von Johannes Paul H mit den amerikanischen Indianern und den Afroamerikanern in Santo Domingo am 12. Oktober 1992 zu erwähnen. All das weist deutlich darauf hin, daß der Botschafter des Evangeliums den traditionellen Religionen und den mit ihnen verbundenen Kulturen große Aufmerksamkeit widmen muß. Das Christentum sollte versuchen, auf das gesamte Leben Einfluß zu nehmen und voll integrierte Personen zu formen, um so zu vermeiden, daß sie auf verschiedenen Ebenen ein Doppelleben führen. Die Begegnung von Evangelium und Kultur in ihrer religiösen Dimension verlangt eine aufmerksame Bewertung, eine Beurteilung, die nicht immer einfach ist. Inkulturation zur Verkündigung des Evangeliums 8. Die Kirche achtet die Religionen und die Kulturen der Völker, und wenn sie mit ihnen in Berührung kommt, ist sie bemüht, alle edlen, authentischen und guten Aspekte in den Religionen und Kulturen zu bejahen. Je besser wir die traditionellen Religionen verstehen lernen, um so besser wird auch das Christentum verkündet werden. So schreibt auch Papst Johannes Paul U, in der Enzyklika Redemptoris missio: „Der Prozeß der Einfügung der Kirche in die Kulturen der Völker verlangt viel Zeit. Es handelt sich ja nicht nur um eine äußere Anpassung, denn Inkulturation ,bedeutet die innere Umwandlung der authentischen kulturellen Werte durch deren Einfügung ins Christentum und die Verwurzelung des Christentums in den verschiedenen Kulturen’. Sie ist also ein tiefgreifender und umfassender Prozeß, der sowohl die christliche Botschaft als auch die Betrachtung und die Praxis der Kirche betrifft” (Nr. 52)! Gewisse Elemente der Religion wie auch der von ihr beeinflußten Kultur können für die Katechese und die Liturgie eine Bereicherung sein, denn auf diese Weise erreichen sie ihre volle Verwirklichung. Es ist notwendig, daß wir uns eingehend mit diesem Thema befassen, um jene Elemente zu erkennen, die das Christentum übernehmen oder anpassen, die es heben und reinigen kann, und jene, die es in konstanter Wachsamkeit gegenüber den Gefahren des Synkretismus zurückweisen muß (.Lumen Gentium, Nr. 13). Der Dialog mit denjenigen, die Christen werden wollen, und denen, die bereits von den traditionellen Religionen zum Christentum übergegangen sind, muß im weitesten Sinne verstanden werden, und zwar als pastorale Annäherung an die traditionellen Religionen, um das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus auf die geeignetste 1479 KONGREGATIONEN UND RÄTE Weise darzustellen, damit sich die Kirche tiefer in jenem Volk festigen kann. In diesem Zusammenhang sagte der Papst in einer Ansprache an die afroamerikanischen Vertreter: „Das Werk der Evangelisierung zerstört eure Werte nicht, sondern verkörpert sich vielmehr in ihnen, es festigt und stärkt sie; es läßt das Samenkorn wachsen, das das Wort Gottes ausgesät hat, das schon, bevor es Heisch wurde, um alle zu retten und in sich als dem Haupt zusammenzufassen, in der Welt war als ,das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet’ (Joh 1,9) (Gaudium et spes, 57)” (.Ansprache von Johannes Paul II an die Afroamerikaner, Santo Domingo, 12. Oktober 1992). Dialog 9. Der Dialog mit den Anhängern der traditionellen Religionen, die sich noch nicht dem Christentum anschließen wollen, sollte im üblichen Sinn von Begegnung, beiderseitigem Verstehen, Erkennen der Samen des Wortes in diesen Religionen und der gemeinsamen Suche nach dem Willen Gottes verstanden werden. Der Dialog muß hier seinen verschiedenen Formen entsprechend gesehen werden (vgl. Dialog und Verkündigung, Nr. 42). Im Zusammenhang mit den traditionellen Religionen sind der „Dialog des Lebens” und der „Dialog der Werke” wie auch die Zusammenarbeit zur Förderung des Menschen besonders wichtig. Dieser Dialog ist oft schwierig. In gewissen Fällen enthalten die Religionen geheime Elemente und sind nicht zu einer offenen Begegnung bereit. In anderen Fällen erschwert der Mangel an Strukturen einen konkreten Dialog. Wir dürfen auch die Zweideutigkeit eines solchen Dialogs nicht unterschätzen. Personen mit mangelnder Einsicht können den Eindruck haben, daß er ein Beweis der Anerkennung dieser Religionen ist. In jeder Hinsicht sind Achtung und offene Bereitschaft eine Notwendigkeit. Der Dialog mit den Anhängern der traditionellen Religionen ist Ausdruck jener Liebe zum Nächsten, die keine Grenzen kennt. Theologische Erwägungen 10. Das Zweite Vatikanische Konzil befürwortet eine eingehende theologische Untersuchung im Hinblick auf eine tiefgreifende Evangelisierung (Ad gentes, Nr. 22). Die pastorale Aufmerksamkeit für die traditionellen Religionen, die dieser Brief zu bestärken sucht, ist ein Schritt in Richtung dieser intensiven theologischen Reflexion. 11. Beim Studium der traditionellen Religionen und Kulturen und den Überlegungen, wie das Christentum eine angemessene pastorale Haltung gewährleisten kann, ist es notwendig, einige wichtige theoretische Punkte vor Augen zu haben: die Offenbarungsnatur der Botschaft, die Christus uns vermittelt hat, die zentrale Stellung Christi, die unersetzbare Rolle der Bibel und der Tradition, die Einheit der Kirche, 1480 KONGREGATIONEN UND RÄTE die Rolle des Nachfolgers Petri für die Gemeinschaft der Ortskirchen untereinander und mit der Kirche von Rom. All das bildet den notwendigen Rahmen in dem der Reichtum der traditionellen Religionen seine volle Entfaltung erlangen kann. Es ist wichtig, überall in der Welt die Einheit des katholischen Glaubens zu wahren, auch wenn die Ausdrucksweise dieses Glaubens von Volk zu Volk und von Kultur zu Kultur verschieden sein kann. Das Wirken der Bischofskonferenzen 12. Da diese Studie und die anschließende Pastoralarbeit für das Apostolat der Kirche in der Tat von großer Bedeutung sind, und angesichts der Schwierigkeiten, die dieses Vorhaben kennzeichnen, fallt die größte Verantwortung in dieser Sache den Bischofskonferenzen der verschiedenen Länder und Regionen zu. 13. Wie es bereits mehrere Bischofskonferenzen auf vortreffliche Art getan haben, so sollte jede Bischofskonferenz zweckmäßigerweise eine kleine Gruppe kompetenter und qualifizierter Personen ernennen, die bereit sind, diese Studie in enger Zusammenarbeit mit der Bischofskonferenz und, durch sie, mit den zuständigen Dika-sterien des Hl. Stuhls durchzuführen. Auf diesem Gebiet sollte auch die ökumenische Zusammenarbeit ermutigt werden. Außerdem wäre es ratsam, das Studium und die Kenntnis der traditionellen Religionen als Teil des Ausbildungsprogramms in den Seminaren, den kirchlichen Einrichtungen und den Studienordenshäusem zu fördern. 14. Abschließend möchte ich nochmals die bereitwillige Unterstützung, Ermunterung und Kooperation des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog für zukünftige Initiativen zur besseren Kenntnis der traditionellen Religionen im Hinblick auf einen fruchtbareren Dialog und einer angemesseneren pastoralen Haltung bestätigen. Gleichzeitig ist der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog bereit, als Austauschzentrum für Kenntnisse und Informationen zwischen den Bischofskonferenzen zu dienen, wenn diese uns, soweit möglich, Veröffentlichungen, Namen von Experten und was auch immer zu einer Zusammenarbeit beitragen kann, zukommen lassen wollen. Francis Kardinal Arinze Präsident Msgr. Michael Louis Fitzgerald PA Sekretär 1481 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die soziale Marktwirtschaft im Dienst des Menschen - Das Evangelium der Freiheit und der Solidarität Intervention von Kardinal Roger Etchegaray, Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum”, beim 19. Weltkongreß der UNIAPAC in Monterrey, Mexiko, am 28. Oktober Die Zeit, die uns herführt, und der Ort, der uns versammelt, geben diesem 19. Weltkongreß der UNIAPAC eine große Bedeutung. Die Zeit erzittert noch von all den Ängsten, die seit 1989 gewiß nicht „das Ende der Geschichte” begleiten, sondern eher das unbestimmte Morgenrot eines neuen Tages. An der Schwelle des 3. Jahrtausends träumt die Menschheit mehr vom verlorenen Paradies oder vom „Jurassic Park”, als von einer neu zu entdeckenden Welt oder unserer Welt, die zwar alt ist, aber neu aufgebaut werden kann. . Unser Ort ist das lärmende und rauchende Monterrey, das industrielle Bindeglied zwischen dem Norden und Süden Amerikas, ein großes Glied in der Kette der „Landschaften”, die sich von West nach Ost, von Tijuana nach Matamoros erstreckt. UNIAPAC ist ein weltweiter Schmelztiegel, wo in der Schule des Evangeliums Wirtschaftsfachleute lernen, „Führungskräfte einer gerechteren, friedlicheren und brüderlichen Gesellschaft” zu werden, nach einem Wort von Paul VI. in einer der schönsten Ansprachen, die ein Papst je an Industrieführer (beim 11. Kongreß der UCID am 8. Juni 1964) gehalten hat. Mir haben sehr die drei Seiten gefallen mit dem Titel „Die neue weltweite Umgebung und die Verantwortung der UNIAPAC”, die den lebendigen Rahmen bilden sollten, in dem sich euer Kongreß bewegt: Verliert diese Umgebung nie aus den Augen, atmet mit vollen Lungen ihre anregende Luft! Im kaleidoskopischen Wirbel der Ereignisse und Gedanken konntet ihr kein aktuelleres und besser formuliertes Thema wählen als das der „sozialen Marktwirtschaft im Dienst des Menschen”. Aller „Ismen” mit ideologischem Beigeschmack entkleidet, mit denen ein jeder nach Beseitigung aller Brücken sich hinter seinen Einzelin-teressen, seinen unbedingten Anhegen und seinen übergroßen Befürchtungen verschanzt, kann eure Reflexion klar die neue Chance ermessen, die sich heute einer Marktwirtschaft bieten, deren Vorteile die Enzyklika Centesimus annus anerkennt. Doch die Kirche geht nicht so weit, den Markt zu kanonisieren ... sie kanonisiert im übrigen nur Männer und Frauen am Ende ihres Weges der Heiligkeit, nie den Weg selbst. „Der Markt ist nicht die Parousie” hat Michel Camdessus in einem sichtbar inspirierten Vortrag über „den Markt und das Reich” gesagt (Nationaltagungen des CFPC in Lille am 27. März 1992): Ich möchte euch nun helfen, den in Frage stehenden Markt, das verheißene Reich und zwischen beiden den Christen mit dem Evangelium der Freiheit und Solidarität in der Hand herzunehmen, wie ein Buch zu öff- 1482 KONGREGATIONEN UND RÄTE nen und zu lesen und in diesem im doppelten Sinn des Wortes erregenden Abenteuer mitzumachen, das ja die Berufung eines Untemehmenschefs ausmacht. Gewiß wissen wir gut, daß die Kirche nicht das Evangelium heranziehen kann, um daraus eine Wirtschaftslehre abzuleiten. Doch bietet das Evangelium selbst genügend Licht, um Denker und Akteure der Wirtschaft im so dichten Netz einer Welt zu begleiten, die sie dennoch für alle bewohnbar zu machen berufen sind; und dieses Licht klärt mehr einen Streifen am Horizont, als die jeden Tag untergehende Sonne; es gestattet eher, das Haupt zu erheben als die Schritte zu sichern. Wenn es in der theologischen Sprache der Kirche ein vertrautes Wort gibt, dann ist es gewiß das der Ökonomie, das vor jeder materiellen eine geistliche Bedeutung hat, nämlich die Heilsökonomie oder die Gnadenökonomie. Der Katechismus, den der Papst eben veröffentlicht hat, spricht von der „göttlichen Ökonomie, deren letztes Ziel die Aufnahme der Geschöpfe in die vollständige Vereinigung mit der glückseligen Trinität ist” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 260). Auf diesen fernen, aber gewissen Horizont zu läßt euch das Evangelium der Freiheit und der Solidarität voranschreiten, auch inmitten eurer verwickeltsten und kompliziertsten Angelegenheiten. Freiheit und Solidarität. Es geht um zwei gleiche und nicht entgegenstehende Werte, um zwei Werte, die sich gegenseitig fordern und ergänzen und die sich, der eine durch den anderen verwirklichen. Das Evangelium der Freiheit Das Evangelium der Freiheit ist ohne Zweifel zugleich das am meisten verführerische und am schwierigsten anzunehmende. Wenn es schon viel Anstrengung braucht, in einer kollektivistischen Gesellschaft zu leben, dann braucht es noch mehr, um in einer freien, das heißt der Freiheit dienenden Gesellschaft zu leben. Die wahre Freiheit fordert eine innere Selbstbemeisterung, die die volle Verantwortung für alle ihre Akte übernimmt: Die Menschen bekommen die Freiheit nicht von außen her in Form von Freiheiten und Erleichterungen des Lebens. Die wahre Freiheit ruft nach Erfindern ebenso wie nach Verteidigern: Christus selber, der schlechthin freie Mensch, stellt sich als „Weg” vor, er öffnet den anderen aber keinen schon fertigen Weg. Wie es Dostojewski] in der Legende vom Großinquisitor zeigt, führt die natürliche Neigung den Menschen dahin, die Freiheit als eine Last zu betrachten, der er sich in die Hände von Stärkeren hinein entledigen möchte. Kreon und Antigone sind dagegen seltene Typen. Wenn die Kirche daher gegenüber einem System freier Wirtschaft Vorbehalte anmeldet, dann keineswegs, weil sie vor der Freiheit Angst hat,, sondern paradoxerweise weil sie fürchtet, daß die Marktwirtschaft die Freiheit eines jeden Menschen und aller Menschen nicht genügend achtet. Zu viele Tatsachen bezeugen, daß man die Freiheit nicht mit dem gleichen Nachdruck für alle Dimensionen des Menschen oder für alle Gruppen von Menschen sucht. Daher die verschiedenen Hinweise in Centesimus annus: „Die wirtschaftliche Freiheit ist nur ein Element der menschli- 1483 KONGREGATIONEN UND RÄTE chen Freiheit. Wenn sie sich für autonom erklärt, ... verliert sie ihre notwendige Beziehung zum Menschen, den sie schließlich entfremdet und unterdrückt” (Nr. 39) Oder weiter: „Es gibt gemeinsame und qualitative Bedürfnisse, die mit Hilfe der Mechanismen des Marktes nicht befriedigt werden können. Es gibt wichtige menschliche Erfordernisse, die sich seiner Logik entziehen. Es gibt Güter, die auf Grund ihrer Natur nicht verkauft und gekauft werden können und dürfen” (Nr. 40). Johannes Paul II. geht sogar so weit, von der „Gefahr einer Vergötzung des Marktes” zu sprechen (Nr. 40). Die Forderungen des Evangeliums angesichts einer auf den Markt gegründeten Gesellschaft werden noch dringender, weil das Beispiel der Länder, die sich liberalisieren für Länder, die sich befreien, kaum vorbildlich ist. Die falschen Verlockungen der Freiheit, die vor den Augen jener schillern, die aus der totalitären Finsternis auftauchen, führen die einen bis zur Raserei, enttäuschen aber andere bis zum Heimweh, wie man in Zentral- und Osteuropa- derzeit beobachten kann. Eine entstellte Freiheit ist gefährlicher als eine unterdrückte, denn der Götzendienst verhüllt Gott noch mehr als der Atheismus. Man freut sich, wenn man die Ethik in der Wirtschaft und in der Politik hochkommen sieht; sie schleicht sich überäll ein und hat sogar universitären Rang gewonnen und bietet sich ohne religiöse Scheu dar. Wir sind aber weit entfernt von der „unsichtbaren Hand”, die in die spontanen Mechanismen des Marktes eingriff, um sein Wachstum und seine Harmonie zu sichern. Aber wie weit geht die Ethik? Ist sie nur eine einfache Frage nach den zu fördernden Werten und den zu erreichenden Zielen? Ist sie ein Ersatz für die Moral oder eine Moral, die ihren Namen nicht zu nennen wagt in einer permissiv gewordenen Gesellschaft? Alles soziale Engagement der Kirche, zumal das von Johannes Paul II., geht dahin, bis in die Tiefen des Gewissens hinein die schwierigen Entscheidungen zu verwurzeln, die ein Unternehmer oder ein Bankier zu fällen hat. Das Evangelium der Solidarität Das Evangelium der Solidarität. Befinden wir uns mit der Solidarität auf einem zugänglicheren und festeren Gelände? Es ist ein an der internationalen Börse geschät-zes Wort, das sogar in den Markt der Kirche eingedrungen ist, aber Gefahr läuft, seinen Wert zu verlieren, weil es nichts mehr besagt. Es ist ein Wort aus der Physik oder der Finanzwelt, das alles umschreibt, was kompakt, solide und zuverlässig bleibt wie ein Goldstück (ein „solidus”). Dieses Wort hatte in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts einen antiklerikalen Akzent bekommen und versucht, die Liebe zu entwerten. Wenn es die letzten Päpste aufgegriffen und getauft haben, so intensiv, daß sie, wie es Johannes Paul II. getan hat, es zu einer „christlichen Tugend” zu machen wagten, (in: Sollicitudo rei socialis, Nr. 40) dann keineswegs, weil es eine moderne Deutung der Liebe abgeben soll, sondern ohne Zweifel, weil dieses weltliche Wort die Menschen von heute mehr anspricht. 1484 KONGREGATIONEN UND RÄTE Um jedes Mißverständnis und jede Abschwächung seiner Wirklichkeit zu vermeiden, müssen wir gut verstehen, was die Kirche mit Solidarität sagen will und seine ganze Dichte und Reichweite beachten. Der Leitgedanke, um den das Denken der Kirche kreist, ist folgender: Solidarität ist sehr viel mehr als die einfache Feststellung einer gegenseitigen Abhängigkeit oder ein vages Gefühl des Mitleids oder gar der Mitschuld. Sie ist nach der Definition von Johannes Paul II. „die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das , Gemeinwohl’ einzusetzen, das heißt, für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind” (Nr. 38). Die Solidarität ist Ausdruck der Brüderlichkeit unter den Menschen aufgrund der Vaterschaft Gottes. Nur diese einende Sicht macht die „Solidarität” - und das ist kein bloßes Wortspiel - „solide”. Solidarität ist entweder universal, oder sie Hegt nicht vor. Sie geht über alles bloß gemeinsame Handeln und aHen SoHdarismus hinaus. Eine ausgewählte Solidarität widerspricht der Brüderiichkeit: Man kann seine Freunde auswählen, aber nicht seine Brüder und Schwestern. „Jeder Mensch ist mein Bruder”, von dieser Grundtatsache aus müssen wir die äußersten Folgen einer Solidarität ziehen, die niemanden aus der MenschheitsfamiHe ausschüeßen darf. Natürlich gibt es kein Rezept und keinen Plan, die Solidarität garantieren können. Die Kirche bietet uns aber einen Schlüssel, der uns in die universale durch eine besondere SoHdarität einführt, durch die überraschendste und anspruchsvollste SoH-darität, nämhch die mit den Armen, so wie sie die Bischöfe in Santo Domingo nach Puebla neu mit Leben zu erfüllen wußten (vgl. Entschließungen, 180). Dieser Schlüssel wurde im Lauf der Jahrhunderte im Schoß des Volkes Gottes geschmiedet, und Christus hat daraus den goldenen Schlüssel des Evangeliums in seinem einleitenden Dienst in Nazaret (Lk 4,16-21) und in seinem Gleichnis vom Jüngsten Gericht (Mt 25,39-46) gemacht. Alle Fortschritte der Menschen auf mehr Menschlichkeit hin, die im Lauf der Jahrhunderte getan wurden, nahmen ihren Ausgang von einer Hinwendung zu den Ärmsten. Nicht nur die Begegnung mit dem Armen, vielmehr das Teilen seines Lebens mit den Armen wecken und garantieren unsere Bereitschaft, mit aHen solidarisch zu sein: Wer den Stich der echten Armut nicht kennt, läuft-Gefahr, im eigenen einsamen Wohlstand einzuschlafen. Im Anschluß an ein Wort des heiligen Johannes möchte ich sagen: Wer vorgibt, die Armen zu Heben, die er nicht sieht (sie bedrängen weniger, weil sie so weit entfernt sind), aber nicht den Armen Hebt, der vor seiner Tür liegt, ist ein Lügner. Eine soziale Marktwirtschaft wird ständig durch Konflikte der SoHdarität auf die Probe gestellt, die sich je nach den Notwendigkeiten, der Konkurrenz und den Inter-essenkoahtionen bilden und auflösen, vor aUem dann, wenn der Staat ganze Bereiche seiner Pflichten, die er auf nationaler und internationaler Ebene wahmehmen müßte, außer acht läßt, sei es weil er zum KompHzen wird, sei es wegen seiner Ohnmacht, Situationen zu kontroHieren, die mehr und mehr eine Art Extraterrito-riahtät bilden. Es braucht viel Tugend, um ein traditionelles, patristisches, aber wenig bekanntes Prinzip der Kirche anzuwenden, nämlich das des gemeinsamen Ursprungs und der Bestimmung der Güter für aUe. Wie deuflich steht das da, was Jo- 1485 KONGREGATIONEN UND RÄTE hannes PaulII.:die „soziale Hypothek” zu nennen wagte, die auf allem Eigentum ruht, wie er den mexikanischen Indianern von Cuilapän sagte (29. Januar 1979)! Was geteilt werden muß, ist nicht nur das Brot, sondern auch die Möglichkeit, Brot zu beschaffen. Angesichts der Armut Am Ende meiner Botschaft stelle ich fest, daß ich allmählich nach Lateinamerika gelange, von wo der Kongreß der UNIAPAC einen Großteil seiner Entscheidungskräfte versammelt, die am entschiedensten den solidarischen Fortschritt all seiner Kinder sichern möchten. Ich denke an das, was Johannes Paul II. den Geschäftsleuten Mexikos in Durango am 9. Mai 1990 gesagt hat: „Die Stimme des Herrn muß in Lateinamerika mit Nachdruck vernehmbar werden; denn die tiefreichenden sozialen Ungleichheiten sind für alle sichtbar und bilden eine gigantische Herausforderung für jene, die auf sozio-wirtschaftlichem Gebiet eine wichtige Verantwortung haben”. Der berühmte Graben zwischen den Reichen und den Armen hört nicht auf, breiter zu werden und sie noch mehr voneinander zu trennen. Der Bericht der Weltbank, der für 1993 erscheint und den Titel trägt „Zehn Jahre nach der Schuldenkrise”, stellt fest, daß über ein Drittel der Bevölkerung Lateinamerikas unter dem Armuts-niveaulebt. Große Armut kommt auch in den entwickelten Ländern wieder auf, die ihr Vorhandensein fast vergessen hatten. Angesichts einer Wirtschaftskrise, die kein Land und keine Gruppe mehr verschont, wirft die einleitende Feststellung eures Kongresses eine radikale Frage auf: „Sind die wirtschaftlichen und sozialen Modelle, die sich während der letzten Jahrzehnte als wirksam erwiesen haben, der neuen weltweiten Lage noch angemessen”? Tatsächlich verpflichtet uns die. Beschäftigungskrise, die mehr Sackgassen als Auswege kennt, zum Beispiel, nach einer anderen Logik der Arbeit Ausschau zu halten. Die Änderungen der Produktionsprozesse ändern zugleich die Bedeutung der Arbeit und lassen langsam das übermäßig Angeschwollenen zusammenfallen, das ein Erbe der Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts darstellt. Kann die Arbeit, wenigstens unter der Form bezahlter Handelsware, auch morgen noch als die einzige Grundberufung des Menschen und die ganze soziale Organisation umfassend gelten? Wir dürfen uns nicht allzu leicht in Sicherheit wiegen, wenn wir der Marktwirtschaft das Etikett „sozial” aufkleben, und wir dürfen uns nicht damit begnügen, sie mit Beruhigungsmitteln zu behandeln. Die Marktwirtschaft muß ständig neu überdacht werden, so daß sie die bewegliche Form eines Projektes erhält und nicht mehr nur die starre Gestalt eines Schicksals zu schützen hat. In seiner Ansprache in Durango sagte der Papst: „Die Kirche möchte das kritische Nachdenken über die sozialen Prozesse ermutigen, und zwar immer mit dem Ziel, Situationen zu überwinden, die nicht voll mit den Zielen übereinstimmen, die der Herr der Schöpfung vorgezeichnet hat”. 1486 KONGREGATIONEN UND RÄTE Mehr denn je muß der Mensch mit seiner göttlichen Berufung im Mittelpunkt des Denkens und des Ringens der Welt stehen. Mehr denn je muß im Herzen des wirtschaftlichen Lebens das Wort des Evangeliums widerklingen: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sich selbst verliert oder ruiniert”? (Lk 9,25). Dieses Wort vertraue ich euch als letztes Wort meiner Botschaft an. Es ist ein Aufruf zum Mut, den ihr als Leiter von Unternehmen habt. Es ist ein Aufruf zur Hoffnung, die ihr als Jünger Christi teilt. Möge dieses Kolloquium in euch diesen Mut und diese Hoffnung mit neuem Leben erfüllen! 1487 KONGREGATIONEN UND RÄTE Richtlinien für die Vorbereitung der Seminarerzieher Kongregation für das Katholische Bildungswesen vom 4. November EINFÜHRUNG 1. Unter den verschiedenen Mitteln, die Papst Johannes Paul U. in seinem Apostolischen Schreiben „Pastores dabo vobis” zur Förderung des. pädagogischen Vorgehens in den Seminaren aufzählt, steht an erster Stelle die besondere Vorbereitung der Erzieher. Diese haben hierin nämlich eine Schlüsselstellung und bestimmen damit den Geist und die gesamte Wirksamkeit der Ausbildung. Daher müssen sich die Bischöfe als Erstverantwortliche für das Arbeiten der Seminare „ihrer großen Verantwortung um die Ausbildung derer bewußt sein, die mit der Erziehung der künftigen Priester beauftragt werden sollen”. <137> Pastores dabo vobis, Nr. 66. Angesichts der besonderen Anforderungen dieser Aufgabe und ihrer Wichtigkeit in den heutigen Verhältnissen hielt es die Kongregation für das Katholische Bildungswesen für angebracht, die verantwortlichen kirchlichen Autoritäten zum Nachdenken über die hier vorgelegten „Richtlinien” einzuladen und den örtlichen Bedürfnissen entsprechende Entscheidungen zu treffen. 2. Das Problem das ihrer Aufmerksamkeit empfohlen worden soll, ist gewiß nicht völlig neu. Es wurde bereits auf dem II. Vatikanischen Konzil erkannt und wird in der ganzen Kirche lebhaft empfunden. Das Dekret „Optatam totius” fordert für die Erzieher in den Seminaren eine Vorbereitung, „die gediegene Studien, entsprechende pastorale Erfahrung und eine besondere geistliche und pädagogische Ausbildung” einschließt. Es empfiehlt: „Zu diesem Zweck müssen geeignete Institute oder wenigstens gut geplante Kurse eingerichtet und regelmäßige Konferenzen der Seminaroberen abgehalten werden”. <138> 9 “ Nr. 5. 3. Die Weisungen des Konzils wurden weiter durch einige Empfehlungen der außerordentlichen Synode der Bischöfe 1967 unterstrichen und dann in Nr. 30 der „Ratio ftmdamentalis institutionis sacerdotalis” folgendermaßen zusammengefaßt: „Da die Aufgabe der Seminaroberen die Kunst aller Künste ist, die kein improvisiertes und fallweises Vorgehen gestattet, müssen sie über die natürlichen und übernatürlichen Gaben hinaus notwendig, je nach der Aufgabe des Einzelnen, die gebührende geistliche, pädagogische und technische Vorbereitung besitzen, die vor allem in spezialisierten, für diesen Zweck errichteten oder zu errichtenden Instituten im eigenen Land oder in anderen Ländern angeboten wird”. Für die Durchführung solcher Initiativen werden die Bischöfe eingeladen, sich der Mitarbeit der Kongregationen oder der Priestergemeinschaften, die in der Leitung von Seminaren spezia- 1488 KONGREGATIONEN UND RÄTE lisiert sind, wie auch „technischer Kommissionen” von Fachleuten zu bedienen, die in den einzelnen Nationen eingesetzt werden sollen. 4. Heute, über 25 Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil und den ersten nach-konziliaren Verfügungen, spricht „Pastores dabo vobis” vom Thema im Licht der in verschiedenen Teilen der Welt gemachten Erfahrungen, die in zahlreichen Beiträgen der Synodenväter auch formuliert wurden. Von der lebendigen Sorge um die Verstärkung der pädagogischen Wirksamkeit der Seminare getrieben, betonten sie die erwähnten Weisungen des Konzils und setzten einen starken Akzent auf das kollegiale, kirchliche und geistliche Format der Erzieher: „Die Aufgabe der Ausbildung der Priesteramtskandidaten erfordert gewiß nicht nur eine bestimmte besondere Vorbereitung seitens der Ausbilder, die wirklich technisch, pädagogisch, geistlich, menschlich und theologisch sein soll, sondern auch Gemeinschaftssinn und den Geist einmütiger Zusammenarbeit bei der Entfaltung des Ausbildungsprogramms, so daß die Einheit im pastoralen Wirken des Seminars unter der Leitung des Rektors stets gewahrt bleibt. Die Gruppe der Ausbilder soll Zeugnis eines wirklichen Lebens nach dem Evangelium und totaler Hingabe an den Herrn sein. Es ist zweckmäßig, daß sie eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweist und daß ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort in der Seminargemeinschaft sei. Sie soll innigst verbunden sein mit dem Bischof als dem Erstverantwortlichen in der Priesterausbilgung”. 5. Die Kongregation für das Katholische Bildungswesen bietet in der Absicht, die verschiedenen Erfahrungen und Verfügungen der Vergangenheit zu bekräftigen und sie nach den Empfehlungen von „Pastores dabo vobis” auf den neuesten Stand zu bringen, mit dem vorhegenden Dokument den Bischöfen und ihren Mitarbeitern in der Priesterausbildung einige Hinweise an, die als Kriterien für die Überprüfung der ergriffenen Initiativen und derer, die schon am Laufen sind, dienen können, und sie möchten ferner als operative Weisungen für die Planung der unmittelbaren Zukunft dienen. Zu diesem Zweck wirft das Dokument zunächst einen Bück auf einige Besonderheiten der heutigen Situation der Erzieher des Klerus und deren Ausbildung (I), um dann die hauptsächlichen Verantwortlichkeiten auf diesem Gebiet zu prüfen (II). Dann schlägt es einige Kriterien für die Auswahl der Erzieher vor (III) und gibt Hinweise für ihre Ausbildung (IV). Abschließend werden einige konkrete Hinweise geboten, die die Sorge der Kirche für diesen besonderen Dienst operativ und wirksam machen können (V). I. ASPEKTE DER HEUTIGEN SITUATION Um sich über die wirklichen Bedürfnisse auf diesem Gebiet Rechenschaft zu geben, müssen wir bei der heutigen Situation verweilen, die vom Mangel an Erziehern ge- 3 1489 Pastores dabo vobis, Nr. 66. KONGREGATIONEN UND RÄTE kennzeichnet ist, aber auch von den höheren Ansprüchen an das erzieherische Wirken und von einigen Initiativen und Erfahrungen, die in verschiedenen Ländern in den letzten Jahrzehnten gemacht wurden. 1. Die geringe Zahl der Erzieher 6. An erster Stelle wird ein großes Mißverhältnis zwischen der Verfügbarkeit von leitendem und lehrendem Personal und den wirklichen Bedürfnissen der Seminare sichtbar.; Es fehlt nicht an zufriedenstellenden und positiven Situationen, vor allem in den Diözesen und Nationen, die dank ihrer gesunden geistlichen Traditionen und einer klugen Erneuerung im Sinn des Konzils in der Lage waren, aktive christliche Gemeinschaften zu schaffen und beizubehalten, in denen missionarischer Geist lebt und das Ideal des Priesterberufes hochgehalten wird. Sie sorgen für ihre eigenen Bedürfnisse und sind oft auch noch in der Lage, dort, .wo es am notwendigsten scheint, Hilfe zu leisten. Doch solche Verhältnisse müssen wohl im Rahmen der Gesamtsituation als Ausnahmen gelten. 7. Die geringe Zahl der Erzieher zeigt sich auch in vielen Ländern mit alter christlicher Tradition. Infolge der Krise der vergangenen Jahre haben sich die Reihen des diözesanen Klerus und des Ördensklerus gelichtet, und das durchschnittliche Alter liegt weit höher, während die Kompliziertheit der neuen pastoralen Aufgaben eine Vermehrung der Seelsorger erfordert hätte. Eine ziemlich schwierige Situation zeichnet sich zumal in den Ländern des ehemaligen kommunistischen Blocks in Mittel- und Osteuropa ab, wo es aus vielen Gründen nicht leicht ist, geeignete Priester für den Dienst in den Seminaren zu finden; und wenn sich einige finden, dann können sie nicht immer von ihren Dienstaufgaben freigestellt werden, weil sie dort für unersetzlich gelten. 8. In einer heiklen Situation befinden sich auch die Diözesen - zumal in Missions-ländem und in Lateinamerika -, die eine spürbare Zunahme der Priesteramtskandidaten verzeichnen. Sie möchten ihre eigenen Seminare aufbauen, doch findet sich dafür nicht leicht eine genügende Zahl von entsprechend vorbereiteten Ausbildern. Improvisationen und Behelfslösungen, auf die man gelegentlich zurückgreift, erweisen sich als problematisch und ungenügend; sie können kein gutes geistliches, intellektuelles und pastorales Niveau des künftigen Klerus sicherstellen. 9. Um solche Schwierigkeiten zu überwinden, erhielten einige Diözesen und erhalten in verschiedenen Fällen auch weiter eine hochherzige Hilfe von seiten der Ordensinstitute. Diese Zusammenarbeit geht aber heute zurück infolge der Schwierigkeiten, die die Institute selber mit neuen Berufungen haben. In nicht wenigen Fällen mußten die Ordensleute nämlich ihren Dienst in den Seminaren vermindern oder auch aufgeben, weil ihnen das für eine solche Ausbildungsaufgabe vorbereitete Personal fehlte. 1490 KONGREGATIONEN UND RÄTE 2. Erfordernisse der pädagogischen Erneuerung 10. Mit der ausführlichen Analyse der geistigen Bedingungen der Welt und Kirche von heute, die das 1. Kapitel von „Pastores dabo vobis” vomimmt, wird die Kompliziertheit der Situation deutlich, in der sich die Seminare befinden. Ihre Ausbildungsaufgaben sind schwieriger geworden, und damit wurden auch die Kriterien für die Auswahl der Erzieher noch anspruchsvoller. Die Notwendigkeit, eine mehr dynamische, aktive und für die Realitäten des Lebens offenere Pädagogik aufzubauen, die, auch Entwicklungsvorgänge der Person, die immer differenzierter und komplizierter werden, berücksichtigt, erfordert die Gabe erprobter Gediegenheit in einem in vergangenen Zeiten fast unbekannten Ausmaß. Ferner wird heute von den Erziehern ein ständiges Bemühen, sich auf den neuesten Stand zu bringen verlangt, zumal auf ihrem spezifischen Fachgebiet, verbunden mit der Fähigkeit, den ganzen Ausbildungsprozeß mit einer beständigen und für die geistigen-Bedürfnisse der Gemeinschaft sowie einer jeden Einzelperson aufmerksamen Präsenz zu begleiten. Dies verlangt ein ständiges und aufreibendes persönliches Bemühen, welches entsprechende psychologische und physische Veranlagungen bei den für diese Erziehungsaufgabe vorgesehenen Kandidaten erfordert. 11. Ein weiteres Anliegen, auf welches das Apostolische Schreiben aufmerksam macht, und das zuweilen die Auswahl geeigneter Erzieher noch erschwert, ist die Notwendigkeit, über Priester verfügen zu können, die vom Geist der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit beseelt sind und die „Kenntnisse über die Formen von Gruppenarbeit” besitzen. <139> Es erweist sich daher die Auswahl und Ausbildung einzelner Erzieher als ungenügend, auch wenn sie reiche persönliche Gaben besitzen, wenn sie nicht in der Lage sind, wirkliche „Erzieherteams” zu bilden, die gut eingespielt sind und brüderlich Zusammenarbeiten. Es gilt daher Kandidaten auszuwählen, die von den echten priesterlichen Idealen ergriffen sind und die richtige Spiritualität und die rechte Lehre besitzen und die sich ferner für ein gemeinsames Erziehungsziel engagieren können. Die Erfahrungen zeigen nämlich, daß ohne eine echte Zusammenarbeit (Teamwork) ein gutes Funktionieren des Seminars nicht möglich ist. Dies also bildet auf der einen Seite die Voraussetzung für einen echten Fortschritt des Bildungsbemühens, vermehrt freilich andererseits die Schwierigkeiten bei der Suche nach für diese Tätigkeit geeigneten Priestern. Ebd. 3. Nachkonziliare Initiativen und Erfahrungen 12. Was die vorhergehende oder anfanghafte Vorbereitung der Erzieher angeht, so wurde sie nur in jenen Diözesen und Nationen erprobt, wo eine bestimmte Verfügbarkeit von Berufungen und Priestern eine gute Einplanung des Erzieherpersonals im Verhältnis zu den Bedürfnissen der jeweiligen Seminare gestattet. 1491 KONGREGATIONEN UND RÄTE Doch auch in diesen Fällen und erst recht in allen anderen Situationen legt man mehr Wert auf das „Charisma” und die persönlichen Gaben der Kandidaten als auf die Notwendigkeit einer spezifischen Ausbildung und spezieller Studien. Man begnügt sich im allgemeinen mit einer gediegenen theologischen und spirituellen Ausbildung sowie mit einem guten psychologischen Gleichgewicht und vertraut auf die Weiterbildung aufgrund der pädagogischen Praxis und durch den Besuch von Kongressen und Tagungen. Die Idee besonderer Institute für die Erzieher des Klerus ist daher bislang noch nicht in genügendem Umfang verwirklicht worden, so daß auch ein kritisches Überdenken der im Gang befindlichen Versuche möglich wäre. 13. Reichlicher und verbreiteter ist das Angebot an Kongressen und periodischen Fortbildungskursen von kürzerer oder jedenfalls nicht zu langer Dauer. Sie erweisen sich allgemein als sehr nützlich, vor allem wenn sie in einem intensiven und gelösten geistlichen Klima stattfinden und unter Leitung der Bischöfe und nach anspruchsvollen und organischen Programmen gestaltet sind. Eine besondere Bewertung ist dagegen bei Initiativen gefordert, die von vor allem auf psychologischem Gebiet stark „spezialisierten” Personen oder Instituten angeboten werden. Sie sind in dem Maße wertvoll, wie sie eine pädagogische Linie verfolgen, die in den Werten des Evangeliums und den Weisungen der Kirche für Priesteramtskandidaten verwurzelt ist, während sie sich als weniger fruchtbar erweisen oder gar zur Quelle falscher Orientierung werden, wenn sie nicht voll dieser Bedingung entsprechen und einseitige und fragwürdige Inhalte und Methoden vermitteln. Hier ist zu bemerken, daß das Päpstliche Lehramt, die Dokumente des Heiligen Stuhles und die „Rationes institutionis sacerdotalis” der nationalen Bischofskonferenzen, die von den zuständigen römischen Dikasterien gebilligt sind, unerläßlicher Bezugspunkt und Kriterium der Inspiration bleiben. 14. In verschiedenen Fällen wird die Hilfe der „technischen Kommissionen” in Anspruch genommen und gebührend geschätzt, die je nach den örtlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten Form und konkrete Gestalt annehmen, zumal dort, wo sie ausgewogen zusammengesetzt sind und die Gefahr vermeiden, auf die Führung der Seminare und die Auswahl der Berufungen ungebührlichen Einfluß zu nehmen. Solche Kommissionen ließen sich nicht in Nationen mit einer nur kleinen Anzahl von Diözesen bilden, wo die organisatorischen Ansprüche in diesem Punkt geringer sind. Als wertvoll hat sich der Beitrag der Ordensgemeinschaften und der Priestergemeinschaften erwiesen, die institutionell mit der Heranbildung des Klerus befaßt sind. Sie zeigen auf diesem Gebiet eine lobenswerte Verfügbarkeit und Initiativgeist. 15. Die wissenschaftliche und zum Teil auch didaktische Fortbildung der Lehrkräfte wird oft mit einem gewissen Eifer im Rahmen von Verbänden gefördert, die sich nach den verschiedenen theologischen und philosophischen Fächern ausrichten. Ihre jährlichen Kongresse und die Studienwochen, die inzwischen, zumal in den großen 1492 KONGREGATIONEN UND RÄTE Nationen, zur Gewohnheit geworden sind, werden normalerweise von den Dozenten der großen kirchlichen Fakultäten getragen und ausgerichtet, und zwar in Zusammenarbeit mit den bischöflichen Kommissionen für die Priesterausbildung oder für die Glaubenslehre. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre wird die Notwendigkeit einer solchen Zusammenarbeit und Abstimmung immer mehr als Garantie für eine sichere Ausrichtung empfunden, die den wirklichen geistlichen und pastoralen Bedürfnissen der Priesterausbildung entspricht. In neuerer Zeit bekommen die Lehrkräfte der Seminare eine wertvolle didaktische Hilfe durch die Abfassung von Lehrbüchern und bibliographischen Hilfen, die einige Fakultäten mit lobenswertem Eifer fördern, um so auf den ausdrücklichen Wunsch vieler Bischöfe und der Alumnen der Seminare einzugehen. Solche Hilfen verdienen daher aufrichtigen Dank, und sie sind zu ermuntern. 16. Die hier kurz aufgeführten Initiativen haben zwar nicht die von den amtlichen Verfügungen der Kirche gesetzten Ziele erreicht, sind aber doch sehr wirksam. Sie können als ein wichtiger Abschnitt in der Erneuerung der Seminare gelten. Wo sie in geistiger Offenheit und konstruktiv durchgeführt wurden, wurde das Leben der Seminare gestärkt. Der Austausch von Ideen und praktischen Erfahrungen, die Informationen über den Einsatz der pädagogischen Wissenschaften, die Mitteilung der Ergebnisse wissenschaftlicher Studien waren und sind für die Erzieher von unschätzbarem Wert, wie es im übrigen auch von zahlreichen anderen Beiträgen gilt: lehrmäßige, geistliche und pastorale Vertiefung des Dienstes und des Lebens der Priester, Kommentare zu den entsprechenden päpstlichen Dokumenten und den Verlautbarungen des Heiligen Stuhles, perönliche Begegnung auf breiter Ebene mit Kollegen und Fachleuten und nicht zuletzt engere Verbindungen mit den Bischöfen, von denen sich die Erzieher besser unterstützt und verstanden wissen. II. DIE ERZIEHER UND DIE FÜR IHRE AUSBILDUNG VERANTWORTLICHEN 17. Wie sich aus den Evangelien klar ergibt, war die Ausbildung der Apostel eine Aufgabe, die Jesus sich persönlich Vorbehalten hat, denn er schrieb ihr gmndlegende Bedeutung für die künftigen Geschicke der Kirche zu. Er übertrug dann diese Aufgabe den Aposteln, damit sie unter besonderen "Beistand des Heiligen Geistes sein Werk fortsetzten und ihrerseits Erzieher ihrer Jünger und Mitarbeiter wurden. Man kann daher sagen, daß der göttliche Meister der erste Anreger und das Vorbild für jeden Erzieher ist und daher „kein eigentliches Werk der Ausbildung zum Priestertum geschieht ohne den Einfluß des Geistes Christi”. Die ununterbrochene Tradition der Kirche bezeugt, daß die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, diese Sendung als Erzieher der Diener Christi im Dienst am Volke Pastores dabo vobis, Nr. 65. 1493 KONGREGATIONEN UND RÄTE des neuen Bundes ausgeübt haben, auch wenn sie dieser ihrer unveräußerlichen Verantwortung je nach den Verhältnissen ihrer Umwelt und der Geschichte in verschiedener Weise nachkamen und verschiedene Formen der Vermittlung und der Zusammenarbeit benutzten. Zu dieser ihrer Aufgabe gehörte ja gewöhnlich auch die, geeignete Erzieher des künftigen Klerus'auszuwählen und vorzubereiten. 18. „Erster Repräsentant Christi in der Priesterausbildung ist der Bischof’; <140> mit diesen Worten bekräftigt das nachsynodale Apostolische Schreiben die Verantwortung des Bischofs für die Grundausbildung und Weiterbildung seiner Priesterschaft. <140> Ebd. Die eigentliche und ausschließliche Pflicht und Berechtigung der Kirche in der Heranbildung jener, die zum heftigen Dienst bestimmt sind, <141> wird wahrgenommen, wenn der Bischof die Kandidaten, die er für geeignet hält, auswählt, beruft, ausbildet und zur Priesterweihe zuläßt. Aus dieser seiner Verantwortung für die Ausbildung der Priesteramtskandidaten ergibt sich die Notwendigkeit, „daß der Bischof sie häufig besuchen und auf bestimmte Weise bei ihnen ,sein’ sollte.” <142> Er kann freilich normalerweise diesen Dienst nicht allein ausüben. Die Auswahl der Berufungen und die Bildungsaufgaben sind derart komplex und schwierig, daß sie die Möglichkeiten einer einzigen Person übersteigen. <141> Can. 232 CIC. o Pastores dabo vobis, Nr. 65. Der Bischof ruft daher andere Personen zur Übernahme eines guten Teiles seiner Verantwortung auf diesem Gebiet: er muß besonders geeignete Mitarbeiter aus wählen und aufmerksam und mit ganz besonderer Sorgfalt für ihre Ausbildung sorgen. Er braucht „Priester mit vorbildlichem Leben” und „nach allgemein menschlichem Maßstab und nach dem des Evangeliums reife und starke Persönlichkeiten”. <143> Die für den Dienst in den Seminaren bestellten Verantwortlichen und Lehrbeauftragten sind also die unmittelbarsten Mitarbeiter des Bischofs bei seiner Aufgabe, den Klerus für seine Diözese heranzubilden. Sie sind sich pflichtgemäß bewußt, diese Aufgabe vom Bischof bekommen zu haben, und müssen sie in enger Verbindung mit ihm entsprechend seinen Weisungen ausüben. Es handelt sich nämlich nicht um eine private, sondern um eine öffentliche Tätigkeit, die zur Struktur der Kirche gehört: „Das Seminar ist an sich eine Ur-Erfahmng des Lebens der Kirche: in ihm ist der Bischof gegenwärtig durch das Amt des Rektors und den von ihm beseelten Dienst der Mitverantwortung und Gemeinschaft mit den anderen Erziehern”. Es ist also ein eminent kirchlicher Dienst, der von Beziehungen der Brüderlichkeit und Zusammenarbeit mit den Kollegen gekennzeichnet ist, ferner durch die hierarchische Abhängigkeit vom Ortsbischof, in Gemeinschaft mit dem Papst sowie in aufgeschlossenem Hören auf seine Weisungen für die ganze Kirche. <143> Pastores dabo vobis, Nr. 66. ^ Pastores dabo vobis, Nr. 60. 1494 KONGREGATIONEN UND RÄ TE Die Erfüllung der Leitungsaufgaben im Seminar erfordert freilich auch eine berechtigte Autonomie im Wirken des Rektors, die vom Codex des kanonischen Rechtes (vgl. cann. 238, 260, 261) sowie vom Statut und der Lebensordnung des Seminars umschrieben wird. 19. Ähnliches gilt in entsprechender Abwandlung und unter Maßgabe des can. 659 § 3 CIC für die Rechte und Pflichten, die den höheren Oberen der Ordens gemein-schaften und der Gemeinschaften des apostolischen Lebens, die kanonisch errichtet sind, obliegen, um ihren Gemeinschaften die Priester zu geben, die sie zur Erfüllung ihrer spezifischen Sendung brauchen. Zu diesen Pflichten und Rechten gehört nämlich auch für sie die Aufgabe, in Übereinstimmung mit Nr. 31 der „Weisungen zur Ausbildung in den Ordensinstituten”, für die Vorbereitung der Erzieher für die Ausbildungsgemeinschaften zu sorgen, in denen die Mitgheder dieser Familien des gottgeweihten Lebens sich auf das Priestertum vorbereiten. 20. Hält man sich die Hinweise des Apostohschen Schreibens „Christifideles laici” sowie des Apostohschen Briefes „Muheris dignitatem” vor Augen, auf die auch „Pastores dabo vobis” eingeht, kann es angebracht sein, „in klugem und den verschiedenen kulturellen Kontexten angepaßtem Maß auch die Mitarbeit von Laien -Männern und Frauen in die Ausbildungstätigkeit des Seminars einzubeziehen. „Diese sind auszuwählen gemäß ihren besonderen Begabungen sowie ihren nachgewiesenen Fähigkeiten”. Orte für eine fruchtbare Zusammenarbeit können auch für die ständigen Diakone gefunden werden. Die Tätigkeit dieser Personen, „die zweckmäßigerweise auf die vorrangige erzieherische Verantwortung hingeordnet und ihr eingeghedert ist,” soll die Ausbildung vor ahem auf jenen Gebieten bereichern, auf denen die Laien und die Diakone normalerweise besonders fachkundig sind, wie in der Spiritualität der Familie, der Pastoralmedizin, bei politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen, bei Grenzfragen der Wissenschaften, der Bioethik, der Ökologie, der Kunstgeschichte, der sozialen Kommunikationsmittel sowie den klassischen und modernen Sprachen. 21. Nützliche Bildungsbeiträge für die Erzieher des Seminars können auch von den Priestern in der Seelsorge herkommen, von im Apostolat sowie in den kirchlichen Verbänden und Bewegungen engagierten Laien. Die Erzieher können sich die Erfahrung mit den Problemen zunutze machen, die das tägliche Leben dem Glauben und der Pastoral stellt. Ein ständiges und lebendiges Verhältnis der Dienstbereitschaft und der gegenseitigen Wertschätzung zwischen Seminar, Priesterschaft und diözesaner Gemeinschaft ist unerläßliche Voraussetzung dafür, daß diese Beiträge zur Ausbildung der Erzieher sich in ihrer vollen Fruchtbarkeit entfalten können. 11 12 13 Pastores dabo vobis, Nr. 66. Ebd. Pastores dabo vobis, Nm. 59, 66. 1495 KONGREGATIONEN UND RÄTE Diese Verwurzelung in der Gemeinschaft des Klerus und der Gläubigen erweist sich als besonders günstig in den Diözesen, die reich sind an langen und gesunden Traditionen bei der Priesterausbildung. Sie prägen den Geist des Seminars und der Erzieher. Sie sind daher bei der Vorbereitung von Kandidaten für Erziehungsaufgaben zu schätzen und auszunützen, wobei man sie nicht nur bewahren, sondern sie auch, noch zusätzlich bereichert, den künftigen Generationen weitergeben soll. 22. Die ganze Gemeinschaft der Christen muß das Problem der Auswahl und Ausbildung der Erzieher des Seminars als ihr eigenes empfinden. Dieser Aspekt darf freilich nicht vom Leben und von der Verantwortung der Gemeinschaft der Diözese isoliert werden. Die Erfahrung zeigt uns, daß dort, wo der Glaube lebendig ist, die von Gott erweckten Charismen fruchtbar wirken können, da sie sich auf das Gebet, auf die Unterstützung und die Solidarität vieler verlassen können. Dennoch hegt die direkte Verantwortung für die Ausbildung der Erzieher in den Seminaren und in den Ordenshäusem bei den Bischöfen und den höheren Oberen. Sie müssen sich darum kümmern, daß den Mitarbeitern, die sie sich ausgesucht haben, eine angemessene spezifische Ausbildung garantiert wird. Sie müssen das sowohl durch persönlichen Kontakt tun, als auch durch geeignete Instimte und angemessene Mittel. III. KRITERIEN FÜR DIE AUSWAHL DER ERZIEHER Vorbemerkung 23. Was die Kriterien der Auswahl für die Erzieher angeht, zeigt sich die Kirche sehr anspruchsvoll. Nach dem Dekret „Optatam totius” „sollen Semiriarobere und Professoren aus den besten Kräften ausgewählt werden”. In diesem Punkt greift das Konzil die Enzyklika Pius’ XI. „Ad catholici Sacerdotii” wieder auf, die an die Bischöfe folgende Mahnung richtet: „Sorgfältig sollen vor allem die Oberen und Lehrer ausgewählt werden ... Gebt euren Kollegen die besten Priester; es soll euch nicht reuen, sie ihren Aufgaben zu entziehen, auch wenn diese allem Anschein nach wichtiger sind, aber sie können doch nicht mit dieser wesentlichen und unersetzlichen Aufgabe verglichen werden”. <144> <144> A4528( 1936)37-53. Diese genaue Aufgabenstellung ist im Sinn einer dringlichen Aufforderung zu verstehen, das Problem der Erzieher als eine der wichtigsten pastoralen Aktivitäten zu betrachten. Nichts darf in den Diözesen unversucht bleiben, den Seminaren das Leitungs- und Lehrpersonal zu verschaffen, das sie brauchen. 24. Die geforderten wesentlichen Qualitäten, auf die die erwähnten Dokumente an-spielen, sind in „Pastores dabo vobis”, <145> in der „Ratio fundamentalis” <146> und in den <145> Nr. 66. <146> Nr. 39. 1496 KONGREGATIONEN UND RÄTE nationalen „rationes” noch klarer entfaltet und verdeutlicht. Dort wird unter anderem die Notwendigkeit erwähnt, Glaubensstärke zu besitzen, ein lebendiges prie-sterliches und pastorales Bewußtsein, Festigkeit in der eigenen Berufung, eine deutliche kirchliche Gesinnung, Fähigkeit zu menschlichen Kontakten, Führungsqualitäten, ein reifes psychologisches und affektives Gleichgewicht, mit Klugheit und Weisheit verbundene Intelligenz, eine echte Kultur des Geistes und des Herzens, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, eine tiefe Kenntnis der jugendlichen Mentalität und Gemeinschaftsgeist. 25. Zur Berufung des Erziehers gehört auf der einen Seite ein gewisses Charisma, das in den Gaben der Natur und der Gnade zum Ausdruck kommt, auf der anderen Seite muß er weitere Fähigkeiten und Haltungen sich aneignen. Bei jedem Gespräch über seine Persönlichkeit muß immer dieser doppelte Aspekt beachtet werden: jede der bei einem Seminarerzieher wünschenswerten Eigenschaften enthält sozusagen angeborene Elemente und andere, die nach und nach durch Studium und Erfahrung heranreifen müssen. Die Festlegung der Kriterien für die Auswahl der Erzieher setzt immer ein Ideal voraus, das die verschiedenen oben aufgezählten Qualitäten zusammen mit vielen anderen wiederspiegelt, die sich aus dem Gesamt der Ausbildungsziele ableiten lassen, wie sie in ,,Pastores dabo vobis” angegeben sind. Im folgenden soll versucht werden, eine reiche Auswahl von ihnen vorzulegen, ohne freilich zu beanspruchen, daß alle diese. Gaben und Eigenschaften sich in den einzelnen Personen vollkommen verwirklicht finden. Es sollte nur ein Bezugspunkt für das Suchen und die Auswahl der Erzieher geboten werden, der gleichermaßen als Kriterium für die Planung ihrer Ausbildung und für die Überprüfung ihres Dienstes dienen kann. Selbst wenn wir uns die Grenzen der wirklichen Verhältnisse und die menschlichen Möglichkeiten vor Augen halten, schien es nicht unnütz, das Ideal etwas höher als diese voraussehbaren Grenzen anzusetzen, damit es einen ständigen Anruf und Antrieb zu ihrer Überwindung bilde. A. Gemeinsame Merkmale für alle Erzieher an Seminaren 1. Glaubensgeist 26. Aufgabe und Ziel der Erziehertätigkeit im Seminar können nur im Licht des Glaubens verstanden werden. Aus diesem Grund muß der Erzieher ein Mann sicheren Glaubens sein, der gut motiviert und überzeugt ist und so tief gelebt wird, daß er in all seinen Worten und Taten durchscheint. Beseelt von der Liebe läßt der Glaube im Leben die Freude und Hoffnung einer Ganzhingabe an Christus und seine Kirche aufscheinen. Er zeigt sich in den Entscheidungen für ein Leben nach dem Evangelium und in der aufrichtigen Anhänglichkeit an die moralischen und geistlichen <147> <147> Nr. 39. 1497 KONGREGATIONEN UND RÄTE Werte des Priestertums, die er ebenso zurückhaltend wie überzeugt mitzuteilen sucht. Bei den unterschiedlichen Meinungen auf den Gebieten der Dogmatik, der Moral und der Pädagogik hält sich der Erzieher an die vom Glauben angebotenen Kriterien, wobei er in herzlicher und intelligenter Gelehrigkeit den Weisungen des Lehramtes folgt. Auf diese Weise fühlt er sich als „Erzieher im Glauben” <148> für seine Alumnen, und er läßt sie dessen Schönheit und Lebenswerte entdecken; er zeigt sich aufgeschlossen und aufmerksam für ihren Glaubensweg und hilft ihnen bei der Überwindung ihrer Schwierigkeiten. <148> Presbyterorum ordinis, Nm. 6, 13. 27. Ein Erzieher, der aus dem Glauben lebt, erzieht mehr durch das, was er ist, als durch das, was er sagt. Sein Glaube wird zu einem konsequenten Zeugnis für ein priesterliches Leben, in dem apostolischer Eifer herrscht und ein lebendiger missionarischer Geist. „Die Oberen und Professoren sollen immer daran denken, wie sehr der Bildungserfolg bei den Alumnen von der Art und Weise ihres Denkens und Handelns abhängt”. <149> Sie zeigen in einfacher und entsprechender Form die Schönheit und die geistlichen Reichtümer wie auch die Fruchtbarkeit guter Werke auf, die aus einem Glauben erwachsen, der in der Form des priesterlichen Dienstes und Lebens gelebt wird. Wer im Horizont des Glaubens den Sinn des Lebens im eigenen Priestertum gefunden hat, ist auch fähig, die Freude an der eigenen Berufung auszustrahlen und sie anderen mitzuteilen. <149> Optatam totius, Nr. 5. Der Geist des Glaubens muß begleitet und getragen werden von der Liebe zur Liturgie und zum Gebet. Die Seminaristen brauchen heute mehr denn je die Hinführung „zum tief menschlichen Verständnis und zum religiösen Wert der Stille” <150> so als Vorbedingung für das Kennenlemen und die Erfahrung des echten Sinnes für das Gebet, die Litugie, das eucharistische Leben sowie eine echte marianische Frömmigkeit. Die Lehrer des Glaubens müssen daher echte Lehrer des Gebets und musterhafte Zelebranten für ihre Alumnen werden. <150> Pastores dabo vobis, Nr. 47. 2. Pastoraler Sinn 28. „Die gesamte Ausbildung der Priesteramtskandidaten ist dazu bestimmt, sie in besonderer Weise darauf vorzubereiten, die Kommunikation mit der Liebe Christi, des Guten Flirten, zu verwirklichen. Diese Ausbildung muß daher in ihren verschiedenen Aspekten einen im wesentlichen pastoralen Charakter haben”. <151> Alle Erzieher müssen darum bemüht sein, jeden Aspekt der Ausbildung auf dieses Hauptziel des Seminars hin auszuwerten. Zumal sollen die Professoren, unbeschadet der geschuldeten Wissenschaftlichkeit ihrer Aufgabe, deren pastorale Bedeutung heraussteilen, <151> Pastores dabo vobis, Nr. 57, vgl. auch Optatam totius, Nr. 4. 1498 KONGREGATIONEN UND RÄTE um „den Alumnen immer tiefer das Mysterium Christi zu erschließen so daß sie den Sinn, den Aufbau und das pastorale Ziel der kirchlichen Studien klar sehen”. <152> Die Erzieher werden diese Aufgeschlossenheit durch ihre eigene Teilhabe an der Pastoralen Liebe Christi erreichen, die sie in ihrem Dienst vor ihrer Ernennung erfahren haben, und die sie auch während ihres Dienstes hochherzig weiter pflegen, wenn auch innerhalb der Grenzen, die ihnen der Einsatz als Erzieher im Seminar auferlegt. Bei den verschiedenen erzieherischen Bemühungen werden sie versuchen, die Seminaristen immer mehr für die „heute stark vernehmbare Forderung nach der Evangelisierung der Kulturen und nach der Inkulturation der Glaubensbotschaft” <153> zu öffnen, so daß sie „die missionarische Grunddimension der Kirche und ihrer verschiedenen pastoralen Tätigkeiten lieben und aus ihr leben”. <154> <152> Optatam totius, Nr. 14. <153> Pastores dabo vobis, Nr. 55. 24' Pastores dabo vobis, Nr. 59. 3. Gemeinschaftsgeist 29. Die Erzieher sollen „eine enge Gemeinschaft in Gesinnung und Tat eingehen. Sie sollen untereinander und mit den Alumnen eine Familie bilden, die dem Gebet des Herrn ,auf daß sie eins seien’ (vgl. Joh 17,11 ) entspricht und in den Alumnen die Freude am eigenen Beruf nährt”. <155> <155> Optatam totius, Nr. 5. Diese vom Konzil nachdrücklich geforderte „Communio” betrifft näherhin die Natur des Dienstpriestertums und die Ausübung dieses Dienstes. „Pastores dabo vobis” sagt dazu folgendes: „Außerdem soll der Priester, eben weil er innerhalb des Lebens der Kirche der Mann der Gemeinschaft ist, in der Beziehung zu allen Menschen der Mann der Sendung und des Dialogs sein.” <156> Man kann sagen, daß der Erzieher nur in dem Maße in seinem Dienst echt ist und den Erfordernissen seines Priesterideals entspricht, wie er sich für die Einheit einzusetzen und aufzuopfem weiß, d. h., wenn er in seinem Denken, in seinen Haltungen und in seinem Gebet die Sorge für die Einheit und den Zusammenhalt der ihm anvertrauten Gemeinschaft ausprägt. Dieser Aspekt des erzieherischen Wirkens erfordert natürliche Gaben und solche der Gnade, und er wird durch eine besondere Gelehrigkeit gegenüber dem Heiligen Geist gepflegt, der das Band der Einheit innerhalb des göttlichen Lebens und im Leben der Kirche ist. <156> Pastores dabo vobis, Nr. 18. Wenn sie sich von einer echten „Communio-Ekklesiologie” <157> leiten lassen, werden die Erzieher in der Lage sein, die Seminargemeinschaft „zu Beziehungen der Brüderlichkeit, des Dienstes, der gemeinsamen Wahrheitssuche, der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden” hinzuführen, „an erster Stelle zu den Brüdern und Schwe- <157> Pastores dabo vobis, Nr. 12. 1499 KONGREGATIONEN UND RÄTE stem der anderen christlichen Kirchen und Konfessionen, aber auch zu den Gläubigen der anderen Religionen; zu den Menschen guten Willens”. <158> <158> Pastores dabo vobis, Nr. 18 30. Wie wir schon angedeutet haben, wirkt sich dieser Grundsatz der „Communio” in der bereitwilligen und brüderlichen Fähigkeit zur Zusammenarbeit aus. Um den Rektor herum, der in der Leitung des Seminars die wichtigste und schwerste Verantwortung trägt, müssen die Erzieher fähig sein zur Geschlossenheit, vor allem wenn es sich um die Festigung öder Wahrung der Einheitlichkeit des erzieherischen Vorgehens handelt. In der Ausarbeitung der Lebensordnung, des Studienprogramms, der geistlichen, pastoralen und liturgischen Ausbildung ist ein gegenseitig abgestimmtes Wirken gefordert und die Bereitschaft notwendig, die gemeinsamen Ziele und die von der Kirche bzw. vom Bischof aufgestellten Kriterien der Auswahl als maßgebend zu betrachten, die gegenüber persönlichen Anschauungen den Vorrang haben. Der Geist der Zusammenarbeit und des Übereinkommens ist von grundlegender Bedeutung zumal bei der Anwendung der Kriterien für die Auswahl der Berufungen im Hinblick auf die Zulassung der Kandidaten zum Seminar und zu den heiligen Weihen. Unter Wahrung der verschiedenen und unterschiedlichen Verantwortungen müssen sich alle Mitglieder der Seminarleitung mitverantwortlich fühlen und die Fähigkeit zeigen, ihre Beurteilungen sicher und gemäß den Normen der Kirche abzugeben. Doch auch bei anderen Gelegenheiten muß man sich immer vor Augen halten, daß für den Erfolg der Ausbildung nicht nur der Rektor oder der Spiritual verantwortlich sind, sondern alle Mitglieder des Erzieherteams. 31. Eine eigene Überlegung verdient der Geist der Zusammenarbeit, der zwischen den Lehrkräften der verschiedenen Fächer herrschen muß. Sie müssen sich bewußt sein, einen einzigen Lehrkörper zu bilden, und sich um die gegenseitigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Lehraufträgen und ihre Einheit kümmern. <159> Diese Aufgabe erweist sich schwierig in Zeiten eines weit verbreiteten theologischen Pluralismus und der Zersplitterung der Lehrkörper, die oft gezwungen sind, auf die gelegentliche Mitarbeit auswärtiger Professoren zurückzugreifen. Doch die Schwierigkeit erfordert die Fähigkeit zu noch intensiverer Zusammenarbeit. <159> Ratio fundamentalis 90; vgl. 63. 32. Ein besonderes Problem stellt die Notwendigkeit dar, eine gute Harmonie zwischen der theologischen Lehre und der erzieherischen Linie des Seminars mit seiner Sicht des Priestertums und der verschiedenen Fragen zum Leben der Kirche herzustellen. Dieser Geist der gegenseitigen Abstimmung, der stets in den Instituten zu verstärken ist, die über ein eigenes internes theologisches Lehrangebot verfügen, wird umso wichtiger in jenen Fällen, wo die Studien an theologischen Fakultäten oder in anderen theologischen Instituten erfolgen. Hier muß „der Theologiedozent -wie jeder andere Erzieher auch - in Gemeinschaft mit all den anderen Personen blei- 1500 KONGREGATIONEN UND RÄTE ben, die an der Ausbildung der künftigen Priester beteiligt sind, und herzlich mit ihnen Zusammenarbeiten und so mit wissenschaftlicher Genauigkeit, Großherzigkeit, Demut und Eifer seinen ihn eigenen qualifizierten Beitrag leisten”. <160> Angesichts der heute fließenden und komplexen Probleme in der Theologie, Pastoral und Pädagogik muß man sich bewußt sein, daß die gewünschte Einhiet des Geistes und Handelns für die Erzieher ein Ideal bleibt, das man Tag für Tag anzustreben sucht, aber nicht ein für allemal erreichen kann. Ihre Fähigkeit zur Zusammenarbeit und ihr Sinn für Gemeinschaft müssen notwendig ständig überprüft werden und erfordern daher besondere harmonische Persönlichkeiten, die in diesem Sinne begabt sind. Pastores dabo vobis, Nr. 67. 4. Menschliche Reife und psychisches Gleichgewicht 33. Es geht hier um einen Aspekt der Persönlichkeit, den man nur schwer abstrakt definieren kann, der aber konkret der Fähigkeit entspricht, ein gelöstes Klima zu schaffen und aufrechtzuerhalten, in freundschaftlichen Beziehungen zu leben, die Verständnis und Zutrauen ausdrücken, und eine ständige Selbstkontrolle zu besitzen. Weit vom Rückzug auf sich selbst entfernt, gewinnt der Erzieher Interesse an seiner Arbeit und den Personen, die ihn umgeben, aber auch für die Probleme, die er täglich zu meistern hat. Wenn er irgendwie das vorgestellte Ideal verkörpert, wird er zum nachahmenswerten Vorbild und fähig zu einer echten Führerschaft und folglich auch dazu, den zu Erziehenden in sein eigenes Bildungsziel einzubeziehen. Die Wichtigkeit dieses grundlegenden Persönlichkeitsmerkmals muß man immer vor Augen haben, auch um pädagogische Fehler zu vermeiden, die sich bei Erziehern ergeben können, die unzufrieden, verbittert und ängstlich sind. Sie übertragen dann ihre Schwierigkeiten auf die Alumnen, entmutigen sie und behindern ihre normale menschliche und geistliche Entwicklung. 34. Zuinnerst mit der Reife ist die Weisheit verbunden, verstanden als rechtes Selbstbewußtsein, Bewußtsein vom eigenen Wert und den eigenen Grenzen, die man ehrlich anerkennt und ernsthaft annimmt. Ein reifer Erzieher besitzt einen guten kritischen Abstand zu sich selbst, er ist offen für das Dazulemen und weiß Kritiken und Bemerkungen anzunehmen; er ist ferner bereit, sich zu korrigieren. Nur so kann er mit Recht auch den anderen gegenüber anspruchsvoll sein, wenn er die Mühe und die Grenzen nicht vergißt, denen die menschlichen Möglichkeiten ausgesetzt sind. Eine gute und ständige Bereitschaft zu weisen, zu ausgewogenen Bewertungen und zur Geduld stellt sicher, daß das Pflichtbewußtsein nie mit einem entmutigenden Rigorismus verwechselt wird, und verständnisvolle Liebe nicht zu nachgiebiger Schwäche führt. 30 1501 KONGREGATIONEN UND RÄTE 5. Unverfälschte und reife Fähigkeit zu lieben 35. Als integralen Teil der umfassenden Reife, von der oben die Rede war, und zugleich, als ihre wesentliche Folge ist es wichtig, bei den Erziehern eine gute affektive Reife vorzufinden. Unter diesem Ausdruck versteht man den freien und dauerhaften Besitz der eigenen affektiven Welt: die Fähigkeit, intensiv zu heben und Wohlwollen in richtiger und gereinigter Weise entgegenzunehmen. Wer sie besitzt, ist normalerweise zu hingebender Aufmerksamkeit für den anderen geneigt, zum inneren Verständnis seiner Probleme und zur klaren Erkenntnis dessen, was für ihn wirklich gut ist. Er lehnt auch die Dankbarkeit, die Hochachtung und die Zuneigung der anderen nicht ab, wobei er freilich damit keine Ansprüche verbindet und die eigene Verfügbarkeit zum Dienen nie davon abhängig macht. Wer affektiv reif ist, bindet die anderen nie an sich selber; er ist vielmehr in der Lage, in ihnen eine ebenfalls hingebungsvolle Affektivität auszubilden, die auf die von Gott in Jesus Christus empfangene Liebe zentriert und in ihr begründet ist und sich letztlich immer auf ihn bezieht. Das nachsynodale Schreiben betont mehrfach die Wichtigkeit dieses Aspektes bei der Heranbildung der künftigen Priester: es wird nicht möglich sein, ihnen das notwendige Wachstum auf den gelösten und befreienden Besitz dieser reifen Affektivität, hin zu garantieren, wenn nicht die Erzieher als erste dafür Beispiel und, Vorbild sind. <161> <161> 36. Die Erzieher müssen daher einen echten pädagogischen Sinn besitzen, das heißt jene Haltung geistlicher Vaterschaft, die in einer mitfühlenden Begleitung zum Ausdruck kömmt, die zugleich aber achtungsvoll und diskret das Wachstum der Person verfolgt mit einer guten Fähigkeit zur Einfühlung, und die in einem Klima gegenseitigen Vertrauens und der Wertschätzung gelebt wird. Der pädagogische Sinn ist in einem gewissem Maß angeboren und kann nicht theoretisch erlernt werden; man kann ihn auch nicht durch rein äußerliche Haltungen ersetzen; doch zugleich können die aufmerksame und selbstkritische Ausübung des Erzieherdienstes und eine gute Kenntnis der Grundsätze einer gesunden Psycho-Pädagogik ihn entfalten und vervollkommnen. 6. Fähigkeit zum Hinhören, zum Dialog und zur Kommunikation 37. Von diesen drei Fähigkeiten hängt großenteils das Gelingen des Erziehungsver-hältnisses ab. Auf der einen Seite steht der Erzieher mit seiner Rolle als Berater und Wegweiser, auf der anderen Seite der Alumne als Gesprächspartner, von den man erwartet, daß er Haltungen freier Initiative annimmt. In dieser Beziehung hängt viel von Maßnahmen des Erziehers ab, die psychologisch klug überlegt und gut dosiert sind. Zu vermeiden ist auf der einen Seite ein allzu passives Verhalten, das den Pastores dabo vobis, Nr. 44. 1502 KONGREGATIONEN UND RÄTE Dialog nicht fördert, und auf der anderen Seite ein übertriebenes Drängen, das ihn blockieren kann. Die Fähigkeit zu wirklicher und tiefer Kommunikation ermöglicht es, den innersten Kern der Person des Alumnen zu erreichen; sie begnügt sich nicht mit einem äußerlichen Erfassen der Werte, die mitgeteilt werden, was im Grunde gefährlich illusorisch wäre; sie erweckt vielmehr die lebendige Dynamik der Beziehungsfähigkeit, die die echtesten und tiefgründigsten Beweggründe der Person ins Spiel bringt, welche sich angenommen, angeregt und geschätzt weiß. Solche Gesprächsmöglichkeiten müssen häufig sein, um den Weg zu überprüfen, Ziele zu setzen, dabei die erzieherischen Anweisungen der Schrittlänge eines jeden anzupassen und es so zu schaffen, jenen Bereich zu erfassen, in dem sich die wahren Probleme und die wirklichen Schwierigkeiten einer jeden Person abspielen. 38. Um dazu fähig zu sein, müssen die Erzieher nicht nur über einen normalen Scharfblick verfügen, sondern auch die Grundkenntnisse der Humanwissenschaften über die interpersonale Kommunikation sowie die Dynamik der menschlichen Entscheidungsfindung besitzen. Die jungen Menschen von heute sind im allgemeinen hochherzig, aber zerbrechlich; sie spüren ein starkes, zuweilen übertriebenes Bedürfnis nach Sicherheit und Verständnis, und sie weisen die Spuren einer nicht immer gesunden familiären und sozialen Umgebung auf, die mit großen pädagogischen und geistlichen Taktgefühl zu heilen und zu integrieren sind. 39. Will der Erzieher seine Aufgabe wirksam erfüllen, muß er ein guter Vermittler sein und fähig, die Werte und Vorstellungen, die das Ziel der Ausbildung ausmachen, klar und die Aufnahmefähigkeit der Alumnen angepaßt vorzutragen; Daher muß das Seminar gerade wegen seiner pädagogischen Ausrichtung eine Schule der Kommunikation werden, die seine wahre Lebenskraft anregt und zugleich die künftigen Priester auf die diffizilen Aufgaben der Evangelisierung vorbereitet. In einem vor nicht allzu langer Zeit veröffentlichten Dokument spricht die Kongregation für das Katholische Bildungswesen von der Notwendigkeit, zwischen den Alumnen und den Erziehern ein Klima der Kommunikation zu schaffen, das sie in einen häufigen zwischenmenschlichen Dialog und in den der Gruppe einübt, wobei sie die Eigenart der Sprache, die Klarheit des Ausdrucks sowie die sachgerechte und wirksame Argumentation beachten, um die vorwiegend einbahnige Kommunikation auszugleichen, wie sie für eine Zivilisation des vorgefertigten Bildes typisch ist, wo der Einfluß der Massenmedien vorherrscht. <162> Leitlinien für die Ausbildung der künftigen Priester in den Medien der sozialen Kommunikation (19. März 1986), Nr. 24. Auch die Dozenten müssen, soweit es sie angeht, für größtmögliche Kommunikation und Verständlichkeit sorgen, indem sie ihre Redeweise heutigen Gegebenheiten anpassen und die Erfordernisse einer berechtigten Inkulturation der Glaubenswahrheiten berücksichtigen: „Alle sind unterschiedslos in der Einheit des Willens und der 32 1503 KONGREGATIONEN UND RÄTE Herzen aufgefordert, jene Gemeinschaft anzustreben, die nach allem christlichen Glauben das erste und letzte Ziel aller Kommunikation ist”. <163> Ebd. 40. Eine Aufgabe der Erzieher besteht auch darin, die Erziehungsgemeinschaft lebendig zu erhalten, sie auszurichten und anzuregen, damit sie ihre Ziele erreicht. Dies ist eine Tätigkeit, die Vorausschauenkönnen, das Ingangsetzen und das Lenken von Prozessen erfordert, in denen Haltungen verantwortlicher Beteiligung und Verfügbarkeit für einen hochherzigen und aktiven Einsatz innerhalb der Gemeinschaft reifen können. Hierbei ist gefordert, daß man es versteht, die Ausdrucksformen und unterschiedlichen Rollen der Erziehergemeinschaft und die Untergliederungen der umfangreicheren Gemeinschaft des Seminars entsprechend zu lenken, wobei man weise die geeigneten Mittel auswählt und alle Energien auf das gesteckte Ziel hin koordiniert, motiviert und lenkt. Abgesehen von einigen natürlichen Gaben wird sich der Erzieher eine Kenntnis der methodischen Grundsätze verschaffen, die die Organisation und die gute Beherrschung eines komplizierten Geflechts von Beziehungen und Verantwortlichkeiten regeln. Die Aufmerksamkeit, die diesem Anliegen gelten muß und zum Beispiel der Gruppendynamik oder in aktiven Lehrmethoden zum Ausdruck kommt, hat kein anderes Ziel als ein größeres und tieferes Mitwirken der Alumnen am Bildungsprozeß zu erreichen, an dem sich alle beteiligen müssen, statt ihn lediglich über sich ergehen zu lassen. leder Kandidat muß sich als notwendige und unvertretbare Hauptperson der eigenen Ausbildung sehen”. <164> Pasrores dabo vobis, Nr. 69. 7. Positive und kritische Aufmerksamkeit für die moderne Kultur 4L Angeregt vom kulturellen Reichtum des Christentums, der in den biblischen, liturgischen und patristischen Quellen begründet ist, kommt der Erzieher künftiger Priester nicht ohne eine umfangreiche Kenntnis der zeitgenössischen Kultur aus. Das Erziehungsverhältnis und seine Wirksamkeit erhalten nämlich viel Unterstützung durch die Kenntnis alles dessen, was zur Prägung der Mentalität und der Lebensstile in der heutigen Gesellschaft beiträgt. Dies gilt von der industrialisierten Welt des Westens, von den einheimischen Kulturen der Missionsgebiete, wie auch von den besonderen Gruppen des Arbeiterstandes, der lateinamerikanischen Landbevölkerung usw. Dieses intellektuelle Rüstzeug hilft dem Erzieher zu einem besseren Verständnis der Alumnen und bei der Entwicklung einer angemessenen Pädagogik für sie, indem er diese in den kulturellen Kontext unserer Zeiten einbettet. Män denke zum Beispiel an die Vielfalt der Denkströmungen, an die beschleunigte Veränderlichkeit der politischen und sozialen Verhältnisse, an die literarischen, musikalischen und künstlerischen Schöpfungen, die im allgemeinen von den Massen- 33 34 1504 KONGREGATIONEN UND RATE medien sehr rasch verbreitet werden, an die technischen und wissenschaftlichen Errungenschaften mit ihren Auswirkungen auf das Leben. Eine tiefe und zugleich positive und kritische Kenntnis dieser Phänomene trägt erheblich zu einer organischen und bewertenden Vermittlung der zeitgenössischen Kultur bei und erleichtert den Alumnen eine innere Synthese im Licht des Glaubens. Diese Synthese sollte der Erzieher für sich selber erreicht haben, und er muß sie ständig weiterentwickeln dank einer umfangreichen wissenschaftlichen, aber auch philosophischen und theologischen Information, ohne die es keine wirkliche Integration des menschlichen Wissens gibt. <165> <165> Johannes Paul II., Apost. Konst. „Ex corde Ecclesiae”, Nr. 16. 42. Diese Gabe setzt beim Erzieher eine gesunde Offenheit des Geistes voraus. Weit davon entfernt, sich abzuschließen und sich nur mit sich selber zu beschäftigen, muß der Erzieher für die Probleme der Personen, der sozialen Gruppen und der Kirche als Ganzes aufgeschlossen sein. Er muß ein „weitherziger” Mensch sein, das heißt ein Mann großer Weitsicht, die ihm das Verstehen der Ereignisse mit ihren Ursachen, ihrer Kompliziertheit und ihren sozialen und religiösen Auswirkungen ermöglicht, wobei er gegenüber oberflächlich gefühlsbetonten Haltungen, die mit dem Kurzlebigen und Augenblicklichen verbunden sind, entsprechenden Abstand hält. B. Qualifikationsmerkmale für die wichtigeren Ämter 43. Über die allen gemeinsamen Qualitäten hinaus gewinnt das konkrete Bild des Erziehers je nach den verschiedenen Aufgaben, die ihm anvertraut werden, weitere Einzelzüge. Es wird nützlich sein, hier einige kurz zu nennen. Will man sich besser mit den Qualitäten vertraut machen, die den Rektor des Seminars auszeichnen müssen, muß man die verschiedenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten bedenken, die sein Amt mit sich bringt. Er vertritt den Bischof; er ist der für das Leben des Seminars Erstverantwortliche, zugleich sein Vertreter gegenüber Kirche und Staat. <166> Er verfolgt und fördert die Erziehung der Alumnen unter all ihren Aspekten und sorgt für deren harmonischen Ausgleich und die gegenseitige Integration. Er nimmt den Rat und die Hilfe seiner Mitarbeiter an, trägt aber selbst die Verantwortung für das zusammenfassende Urteil, das er dem Bischof über die Tauglichkeit für die Zulassung zum Seminar, über die verschiedenen Abschnitte des Bildungsweges und die Zulassung zu den heiligen Weihen unterbreitet. Wenn das Erziehungsbemühen vor allem Planung und ebenso schöpferische wie kluge Gestaltung der Beziehungen und Erfahrungen ist, so steht der Rektor hier wiederum als Handelnder und Koordinator an erster Stelle. Ihm steht es zu, die Einheit der Ausrichtung der Erziehung und deren Übereinstimmung mit den Entscheidungen des <166> Cann. 238 § 2, 260 C1C. KONGREGATIONEN UND RÄTE Bischofs und der Kirche sicherzustellen, wobei er eine Verwirklichung mit Hilfe breitester Zusammenarbeit aller fördert. Man kann sich leicht vorstellen, wieviel an Autorität und Erfahrung durch diesen Komplex von nicht leichten Leitungs- und Erziehungsaufgaben gefordert wird. Es braucht hier nämlich viel Klugheit, Weisheit und Ausgewogenheit. 44. Sehr anspruchsvoll ist auch die Rolle des geistlichen Direktors oder Spirituals, der für den geistlichen Weg der Seminaristen im Gewissensbereich sowie für die Durchführung und Koordinierung der verschiedenen Übungen der Frömmigkeit und des liturgischen Lebens im Seminar verantwortlich ist. Er ist ferner der Koordinator der übrigen Priester, die vom Bischof mit der Seelenführung der Alumnen betraut sind, wie auch der Beichtväter,' um die Einheitlichkeit der Unterscheidungskriterien von Berufungen sicherzustellen; Über die Gaben der Weisheit, der affektiven Reife und des pädagogischen Geschicks hinaus muß er über solide Grundlagen der theologischen, geistigen und pädagogischen Ausbildung verfügen, in Verbindung mit einer besonderen Aufgeschlossenheit für die Abläufe des inneren Lebens der Alumnen. 45. Gewöhnlich steht, vor allem in den großen Seminaren, dem Rektor ein Vizerektor zur Seite, der ihm in den ihm zugewiesenen Bereichen des Seminarlebens hilft und im Fall der Abwesenheit ihn vertritt. Er muß besondere pädagogische Gaben, frohe Liebe zu seinem Dienst und den Geist der Zusammenarbeit besitzen. Ähnliche Haltungen werden auch von den übrigen Mitarbeitern gefordert: dem Ökonomen, dem Koordinator der pastoralen Tätigkeiten, dem Studienpräfekten, dem Bibliothekar und den Animatoren, die auf unterschiedlicher Weise auf verschiedenen Ebenen die erzieherische Verantwortung teilen. 46. Nach den Weisungen der Kirche müssen sich die Professoren als echte Erzieher betrachten, auch wenn die Institution für die Hochschulstudien von der des Seminars verschieden sein sollte. Sie spielen bei der Erziehung der künftigen Priester eine äußerst wichtige und delikate Rolle: Ihre Lehre muß eine gediegene Gesinnung des Glaubens nähren, welche die Alumnen befähigt, Diener des Evangeliums und Lehrer des Volkes Gottes zu werden. Zu dieser ihrer erzieherischen Verantwortung sagt „Pastores dabo vobis”, daß sie „oft kaüm weniger entscheidend .für die Entfaltung der priesterlichen Persönlichkeit ist als die der anderen Erzieher.” Gefordert ist daher, daß die Professoren besonders aufgeschlossen für die Vermittlung einer vollständigen und sicheren Lehre sind, auch wenn sie es nicht an geeigneter Vertiefung und eventuell kritischen Ausführungen Fehlen lassen müssen. Sie haben die Aufgabe, das umfassende Wachsen einer entsprechenden Fachkenntnis in den humanistischen, philosophischen und theologischen Fächern zu garantieren, das zu einer tiefreichenden, vollständigen und auf den pastoralen Dienst ausgerichteten Aneignung des christlichen Glaubensgutes führt. 1506 KONGREGATIONEN UND RÄTE Notwendig muß der Lehrer zeigen, daß sein eigenes Wissen, zumal wenn es ein theologisches ist, für ihn selber ein geistliches Erbe und ein Wert geworden ist, den er sich innerlich zu eigen gemacht hat, und der sein Leben erhellt und umgewandelt hat. In diesem Sinn muß der Lehrvorgang zu einem Handeln werden, das ein glaubender und betender Mensch vollzieht, und in dem das Verständnis des Geheimnisses und die gelehrte Vertrautheit mit ihm zusammenfallen. Eine der grundlegenden Gaben des Seminarprofessors muß über seine wissenschaftliche und didaktische Fachkenntnis hinaus daher die Eignung sein, als überzeugter Zeuge des Glaubens zu wirken. 47. Die lange und ins Einzelne gehende Aufzählung der von den Erziehern in den Seminaren geforderten Qualitäten darf nicht vergessen lassen, daß die Eignung einer Person sich nicht aus der Nebeneinanderstellung dieser Kennzeichen ergibt. Eine echte Reife und Fülle der Gaben ergibt sich aus dem harmonischen und integrierten Ganzen der in ihrer ganzen Tiefe besessenen Elemente. Man muß daher die Persönlichkeit eines Kandidaten für diesen Dienst entsprechend seinen Haltungen und tiefsten Überzeugungen und als Gesamtbild betrachten. In diesen Rahmen lassen sich dann die Bewertungen der einzelnen Aspekte seiner geistigen Gestalt passend ein-fügen. IV. DIE AUSBILDUNG DER ERZIEHER 48. Nachdem nun die Identität des Erziehers mit ihren verschiedenen Erfordernissen als Voraussetzung für eine gute Auswahl der Kandidaten verdeutlicht ist, stellt sich das Problem einer gediegenen Vorbereitung auf seine Aufgaben. In „Pastores dabo vobis” wird die Notwendigkeit einer „bestimmten besonderen Vorbereitung betont, die wirklich technisch, pädagogisch, geistlich, menschlich und theologisch sein soll”. Zu ihr gehören eine anfängliche Zeitspanne möglichst vor der Beauftragung und eine folgende Phase periodischer Verheutigung, d. h. der Weiterbildung. A. Die anfängliche Phase 1. Verschiedene Wege 49. Die künftigen Erzieher stellen im allgemeinen je nach den gemachten Studien und den vor ihrer Beauftragung ausgeübten Tätigkeiten verschiedene Ausbildungsanforderungen, auch entsprechend den mannigfaltigen Aufgaben, zu denen sie berufen werden. Am besten stehen hier die künftigen Lehrer da, wenn sie möglichst nach einer angemessenen Zeit direkter pastoraler Erfahrung sich den speziellen Studien für ihre Fachgebiete widmen können. Für die anderen Erzieher - Rektoren, Spirituale und 38 Nr. 66. 1507 KONGREGATIONEN UND RÄTE Mitarbeiter - verläuft der Weg anders. Die Möglichkeiten, sich eine spezielle Vorbereitung vor der Beauftragung an einem Ausbildungsinstitut für Erzieher des Klerus zu verschaffen, sind nicht groß, einmal weil diese Institute bisher nur sehr wenige sind, dann weil ihnen die Umstände ihrer Dienstverpflichtung, in der sie sich befinden, es gewöhnlich nicht gestatten, sich solchen vorbereitenden Studien voll und für einen ausreichenden Zeitraum zu widmen. Die Empfehlungen des Konzils und der Synoden treffen bei ihrer konkreten Anwendung auf nicht wenige Hindernisse. Es ist daher eine große Flexibilität verbunden mit dem Sinn für die Wirklichkeit nötig, um für die anfängliche Phase der Ausbildung ein nützliches und gehaltvolles Programm zu finden. 50. Wenn auch das Ziel einer Spezialausbildung über die allen Priestern gemeinsame hinaus bestehen bleibt, muß man doch bei aller Verschiedenheit der Mittel und Situationen die für das Erreichen des Zieles geeignetsten Hilfsmittel aus wählen. Wo das vorhandene Personal und die Mittel es gestatten, müssen die künftigen Erzieher eine solide vorherige Vorbereitung bekommen. In anderen Fällen wird die Phase der Vorbereitung notwendig mit anderen gewöhnlichen Beschäftigungen und auch mit dem vorgezogenen Beginn der Arbeit im Seminar verbunden werden müssen. 51. Es fehlt nicht an Diözesen, welche, um prekären und behelfsmäßigen Situationen vorzubeugen, die Auswahl und Vorbereitung der Erzieher schrittweise und langfristig planen. Wenn man darauf achtet, nicht eine aus dem Rahmen fallende Verantwortung schon in unangemessener und wenig pädagogischer Weise vorwegzunehmen, lassen sich bereits während ihrer Seminarzeit Persönlichkeiten herausfinden, die mit erzieherischen Fähigkeiten begabt sind, und man kann ihnen bereits den einen oder anderen ersten Auftrag der Beteiligung und des Dienstes für die Gemeinschaft übertragen. Nach der Priesterweihe können sie für pastorale Dienste vorgesehen werden, die ihrer Natur nach ein Wachsen und eine Prüfung solcher Fähigkeiten gestatten. Endlich bleibt es möglich, ihre direkte Einbeziehung in die Erziehungsgemeinschaft des Seminars mit Aufträgen der Zusammenarbeit, wie etwa als Assistent oder Vizerektor, zu beginnen, wobei sie von den älteren und erfahreneren Mit-brüdem begleitet und unterstützt werden. Ein ähnlicher Weg kann in Verbindung mit dem Besuch von Tagungen und Kursen für Spiritualität, Pädagogik und Psychologie, wie sie heute von den verschiedenen akademischen Zentren in einer gewissen Fülle angeboten werden, einen Priester darauf vorbereiten, Rektor oder Spiritual zu werden, ein Weg, der es zugleich dem Bischof gestattet, seine Fähigkeit und seine gesamte Reife zu prüfen. 52. Für welchen Weg der Ausbildung man sich auch immer entscheiden mag, es darf in keinem Fall ein ernsthaftes, in allen Einzelheiten des Zeitaufwands, der Methoden und Inhalte überlegtes Programm fehlen. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen den Grunderfordemissen, die für eine Grundausbildung notwendig sind, welche von Anfang an zu fordern ist, und den verschiedenen Fähigkeiten und Kenntnissen, die man in einem zweiten Zeitabschnitt erwerben und pflegen kann. 1508 KONGREGATIONEN UND RÄTE 2. Die Grundlinien der Ausbildung a) Lehrmäßige Vorbereitung 53. Nicht nur für die Professoren, sondern für alle Erzieher ist eine umfassende und gründliche lehrmäßige Vorbereitung unerläßlich, und zwar vor jeglichem Einsatz als Erzieher. Einen möglichen Hinweise dafür bildet ein guter Erfolg in den philosophisch-theologischen Studien, die vor der Weihe gemacht wurden, und wünschenswerterweise die Erlangung eines akademischen Grades in einer kirchlichen Wissenschaft. Notwendig ist die Prüfung, ob diese in den Erziehern vorhandene theologische Bildung einige wichtige Eigenschaften aufweist: - die klare Erfassung der allgemeinen Lehre der Kirche gemäß den Weisungen des Lehramtes und die daraus folgende Erkenntnis der Grenzen des theologischen Pluralismus; - tiefe und motivierte Überzeugungen von der Wichtigkeit einer gesunden philosophischen und theologischen Bildung gegenüber Tendenzen eines oberflächlichen Pragmatismus und einer bloßen Ausrichtung auf die Zwecke der Pastoral; - eine theologische Kultur, die im Kontakt mit dem Leben zutiefst angeeignet wurde und fähig macht, im Dialog mit den Alumnen ihr lehrmäßiges Wissen zu vertiefen und sie auf ihre künftigen pastoralen Aufgaben vorzubereiten; - eine entsprechende Weiterbildung in den heiligen Disziplinen, um einen fruchtbaren Dialog mit den Professoren und den Gedankenaustausch über die Bildungsprobleme der Alumnen führen zu können; - eine lebendige kirchliche Gesinnung in Verbindung mit der Kenntnis des Wesens und der Sendung der verschiedenen Stände in der Kirche; - eine besondere missionarische und ökumenische Aufgeschlossenheit für die Probleme des Lebens der Kirche, für die Aufgaben der Evangelisierung und die rechten Wege einer Inkulmration des Glaubens. 54. Hinsichtlich des theologischen Grundbesitzes des Erziehers gewinnt besondere Bedeutung die Klarheit seiner Vorstellungen über das Priestertum, den priesterli-chen Dienst und die Lebensführung, die es erfordert. Notwendig ist ein gutes Informiertsein über die geschichtliche, pastorale und theologische Problematik, die ihn befähigt, den Alumnen sichere Weisung zu geben und in entsprechender und überzeugter Weise auf die Schwierigkeiten zu antworten, die sie aufwerfen. Beim Umfang des zu behandelnden Themas hebt „Pastores dabo vobis” hervor: „Die Bedeutung und die Schwierigkeit der Hinführung zur priesterlichen Ehelosigkeit, insbesondere unter den heutigen sozialen und kulturellen Gegebenheiten” machen es erforderlich, daß die für die Priesterausbildung Verantwortlichen „Grundsätze festlegen, Kriterien und Hilfen anbieten für den Unterscheidungsprozeß auf diesem Gebiet”. <167> Dies setzt eine gute Kenntnis der entsprechenden Hinweise des päpstlichen <167> Nr. 50. 1509 KONGREGATIONEN UND RÄTE Lehramts, der Weisungen und Praxis der römischen Dikasterien, der gesicherten wissenschaftlichen Daten wie auch die Heranziehung von Erfahrungen und den Gedankenaustausch mit bewährten Erziehern voraus. Nicht zu vergessen ist insbesondere die Notwendigkeit, genau die verschiedenen rechtlichen Verfügungen über die Zulassung von Kandidaten ins Seminar und zu den Weihen zu kennen, <168> wie auch die Normen für die Führung des Seminars in ihren verschiedenen Aspekten. Kongregation für das katholische Bildungswesen, Rundschreiben vom 27. Juli 1992. b) Geistliche Vorbereitung 55. Was die spezifische geistliche Vorbereitung im engeren Sinn angeht, muß über die allen guten Priestern gemeinsamen Gaben hinaus bpi den Seminarerziehem die Ausformung einiger für die Erziehung sehr wichtiger Haltungen garantiert sein: - eine echte Freiheit des Geistes, die den Erzieher für die Anregungen der Gnade aufgeschlossen und aufmerksam macht, damit er die Zeichen des .göttlichen Willens im Leben der seiner Führung anvertrauten Kandidaten zu erkennen vermag; - eine von allem übertriebenen Subjektivismus freie Spiritualität, die in der Tradition der Kirche verwurzelt ist und den Erzieher aufmerksam dafür macht, daß er nicht subjektive Vorlieben und Kriterien' mit den wesentlichen Anforderungen des Planes Gottes verwechselt; - eine rechte Sorge um die Vertiefung der diözesanen Spiritualität und die Einheit der Priesterschaft, bei gleichzeitiger Aufgeschlossenheit für die Besonderheit der verschiedenen Charismen des gottgeweihten Lebens; - eine gesunde Offenheit des Geistes, die fähig ist, die klassischen Formen priester-Iicher Spiritualität mit den neuen'Erfordernissen und den neuen Akzenten geistiger Strömungen unserer Zeit in Einklang zu bringen; - eine gediegene Kenntnis der spirituellen Theologie, der Gesetze der Entwicklung des inneren christlichen Lebens, der Regeln der Unterscheidung und der Dynamik einer personalen geistlichen Beziehung, wobei man auf die Klassiker der westlichen und östlichen Tradition zürückgreift, eine angemessene Aufmerksamkeit aber auch den modernen und zeitgenössischen Autoren schenkt; - eine echte Liebe zur Liturgie und das Verständnis für ihre erzieherische Bedeutung; - die eifrige und meditierende Lektüre der Enzykliken, der Dokumente des Heiligen Stuhles und der Ortskirchen über das Priestertum und den Priesterberuf. Diese Gesamtheit von Haltungen und Kenntnissen ist notwendig, damit der Erzieher dem Kandidaten eine systematisch geistliche Anleitung garantieren kann, die zugleich in der Lage ist, ihren Fortschritt auf den einzelnen Abschnitten des Weges zu fördern und zu prüfen. Über eine solche Vorbereitung müssen auch die Beichtväter verfügen. 40 1510 KONGREGATIONEN UND RÄTE c) Pastorale Vorbereitung 56. Unerläßlich sind für den Seminarerzieher auch bedeutsame pastorale Erfahrungen, damit er seine Erziehertätigkeit und die Unterscheidung der Geister mit den wirklichen Bedürfnissen der Gläubigen und des Dienstamtes in Übereinstimmung bringen kann. Die amtlichen Dokumente der Kirche sprechen nicht von .der Dauer und Qualität dieser Erfahrungen. In jedem Fall müssen sie so sein, daß der Erzieher fachkundig die Haltungen der Alumnen im Hinblick auf die verschiedenen pastora-len Bedürfnisse und die Angemessenheit der Vorbereitung, die sie dazu erhalten, bewerten kann. Unter den Fähigkeiten der Erzieher auf diesem Gebiet sind zu nennen: - die Planung der pastoralen Einsätze der Alumnen, ihre Überwachung und Auswertung;: - die Harmonisierung der intellektuellen Ausbildung der Alumnen mit den pastoralen Anforderungen des Dienstamtes; - die Fähigkeit, die theoretischen und praktischen Erfordernisse der verschiedenen Aufgabenbereiche des pastoralen Lebens in Übereinstimmung und im Dialog mit dem Lehrkörper, zumal mit den Lehrern für pastorale Fächer, darzustellen; - die wirksame Sorge um die Heranbildung einer rechten Ausgewogenheit zwischen der Evangelisierung und der menschlichen und sozialen Förderung, wobei die großen pastoralen Linien der Diözese und der Weltkirche zu berücksichtigen sind; - die Integrierung der Offenheit für die missionarische Dimension des kirchlichen Lebens in die lebendige pastorale Tradition der Einzelkirche. d) Pädagogische Vorbereitung 57. „Pastores dabo vobis” betont die Notwendigkeit einer guten Vorbereitung in der Pädagogik und in den Humanwissenschaften Der gleiche Nachdruck fand sich bereits in „Optatam totius”. Es geht um eine unerläßliche anfängliche Vorbereitung für alle Erzieher, die dann immer wieder aufgegriffen, und das ganze Leben hindurch weitergeführt werden soll. Zu fördern ist die Reifung der notwendigen Fachkenntnis, damit man die systematische Beobachtung des Alumnen durchführen und dabei die Haltungen und zu fördernden Neigungen, aber auch die zu korrigierenden, endlich die bezeichnendsten Züge seiner Persönlichkeit zu erkennen vermag. Der Erzieher muß in der Lage sein, sich und anderen keine Illusionen über die vermutete Festigkeit und Reife des Alumnen zu machen. Dazu genügt kein „gesunder Menschenverstand” allein, nötig ist vielmehr ein aufmerksamer und scharfer Blick, den eine gute Kenntnis der Humanwissenschaften vermittelt, um über den bloßen Anschein und das Oberflächliche der Motivierungen und Verhaltensweisen hinwegzukommen und dem Alumnen zu helfen, sich ganz tief zu erkennen, sich unbe- KONGREGATIONEN UND RÄTE schwert anzunehmen; sich zu korrigieren und zu reifen, und zwar ausgehend vom „Herzen”, d. h. von den wirklichen und nicht illusorischen Wurzeln seiner Person. 58. Dabei darf man nicht vergessen daß vorrangig und normgebend die Grundsätze der christlichen Pädagogik bleiben, die den Beitrag der Humanwissenschaften weder unterbewertet, noch verabsolutiert. Sie befreit sie im Gegenteil von ideologischen Festlegungen, die oft ihre Funktion verfälschen. <169> Die Pädagogik des Seminars kann nie neutral sein, wenn es überhaupt eine solche Pädagogik geben kann. Sie ist ganz von den Werten des Evangeliums durchdrungen und auf die Heranbildung von echten Jüngern Christi hingeordnet, die bereit sind, das süße Joch seiner Hirtenliebe auf sich zu nehmen. Die formalen Grundsätze der Pädagogik, Soziologie und Psychologie als Humanwissenschaften gewinnen für den Seminarerzieher eine ganz spezifische Bedeutung, insoweit sie in den Dienst einer immer besseren Verwirklichung „christlicher Erziehung” <170> gestellt werden, die in ein beispielhaftes liturgisches und sakramentales Leben, in eine systematische individuelle und gemeinschaftliche Seelenführung und in die für die Kandidaten notwendigen disziplinarischen Normen eingefügt ist. Die Disziplin ist nämlich unentbehrlich „zur Gewinnung von Selbstbeherrschung, zur Entfaltung einer reifen Persönlichkeit und zur Heranbildung aller jener geistigen Haltungen, die zu einem disziplinierten und fruchtbaren Wirken der Kirche in hohem Maße beitragen” <171> Es geht also um eine wünschenswerte Synthese zwischen der erzieherischen Erfahrung der Kirche, die im Licht des Glaubens wie auch an anderen Erfahrungen der Vergangenheit, den Beispielen der Heiligen und den gut ausgewerteten Ergebnissen der Wissenschaften über den Menschen gereift ist. <169> Optatam totius, Nr. 11: „Die Grundsätze christlicher Erziehung sollen hochgehalten und durch die neueren Erkenntnisse einer gesunden Psychologie und Pädagogik ergänzt werden”. <170> Ebd. <171> Ebd. 59. Die Kirche lädt dazu ein, diesen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen gegenüber eine Haltung des Vertrauens einzunehmen, und ermuntert dazu, gegenüber ihnen ein Klima gegenseitigen Verständnisses und des Dialogs beizubehalten. <172> Doch zugleich läßt sie es nicht an Hinweisen auf ihre Grenzen fehlen, weil „gewiß jede wissenschaftliche Disziplin nur einen begrenzten Aspekt des Menschen in seiner Besonderheit erfassen kann”. Es bestehen wirklich konkrete Gefahren ungebührlicher Verallgemeinerungen von Einzelergebnissen und Risiken der ideologischen Festlegung solcher Forschungen, die nicht ignoriert werden dürfen. <172> Paul VI., Apost. Brief „Octogesima adveniens" (14. Mai 1971), Nr. 40. Es ist daher notwendig 1512 KONGREGATIONEN UND RÄTE - ein ständiger Bezug auf die vollständige und umfassende Sicht des Menschen, wie sie uns von einer gesunden theologischen Anthropologie gebeten wird; <173> <173> - eine rechte philosophische Vermittlung im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit verschiedenen psycho-pädagogischen und sozialen Theorien auf der Ebene der Vernunft; - eine besondere Aufmerksamkeit für die Äußerungen des Lehramtes über die spezifischen moralischen Probleme <174> und vor allem die Forderang nach Achtung vor dem intimen und unverletzlichen Charakter des menschlichen Gewissens. <175> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache „Esta hota” an die III. Generalversammlung der CELAM, 28. Januar 1979 in Puebla: AAS71(1979)195 f. ^ Zum Beispiel: Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik „Persona Humana” (29. Dezember 1975); Brief an die Bischöfe der katholischen Kirche über die pastorale Betreuung homosexueller Personen (1. Oktober 1986); Rundschreiben zu einigen Aspekten der christlichen Meditation „Orationisformas” (15. Oktober 1989). Past. Konst. „Gaudium et spes”, Nr. 16; Kongregation für die Glaubenslehre, Monitum „Cum compertum” über psychoanalytische Untersuchungen (1961); vgl. auch can. 220 CIC. 3. Die spezifische Vorbereitung für die verschiedenen Aufgabengebiete 60. Was über die Grundausbildung dargelegt wurde, die für alle Erzieher gefordert wird, muß noch einige weitere Akzente bekommen für die Erfüllung besonderer Aufgaben, die dem Rektor, dem Spiritual, den Lehrkräften, dem Koordinator der pastoralen Tätigkeiten und den übrigen Mitarbeitern Vorbehalten sind. Die vielfältigen Aufgaben des Rektors sind, wie wir gesehen haben, durch seine Beziehungen zum Bischof, zu den übrigen Erziehern, den Alumnen, der Priesterschaft und der ganzen diözesanen Gemeinschaft gekennzeichnet. Er muß daher ein Mann sein, der gediegene menschliche Beziehungen auf allen Ebenen aufbauen kann, vor allem ein Mann mit Gemeinschaftssinn, der in der Lage ist, einerseits sämtliche Beiträge und Fähigkeiten der anderen zu verwerten, andererseits aber auch mit fester Hand und Entschiedenheit den Weg der Einzelnen und der Gemeinschaft zu bestimmen, indem er die letztere bei verschiedenen Gelegenheiten würdig vertritt. Von ihm wird besonders ein ausgeprägter Sinn für das Seminar als kirchliche Institution erwartet, um so seine besonderen Zielsetzungen zu wahren sowie seine einheitliche Ausrichtung und Programmierung zu überwachen. Daher ist „eine einheitliche Leitung in der Person des Rektors und seiner Mitarbeiter” eine notwendige Voraussetzung, „daß das Seminar eine gewissenhafte Planung hat”, und damit diese „durch ihre Geschlossenheit und Einheitlichkeit dem einzigen Ziel dient, das die Existenz des Seminars rechtfertigt: nämlich der Ausbildung der künftigen Priester, der Hirten der Kirche”. <176> Es handelt sich um Fähigkeiten und Überzeugungen, die bei jedem Rektor vorausgesetzt werden, die aber immer weiter vervollkommnet werden können und müssen. <176> Pastores dabo vobis, Nr. 61. 1513 KONGREGATIONEN UND RÄTE 61. Der Spiritual ist beauftragt, der Gemeinschaft und den Einzelnen im Vertrauensverhältnis der Seelenführung eine sichere Begleitung beim Suchen nach dem Willen Gottes und bei der Klärung seiner Berufung anzubieten. Er muß seine Fähigkeiten des Annehmens, des Hörens, des Dialogs und des Verständnisses verfeinern, und zwar auf der Basis einer guten Kenntnis der spirituellen Theologie, der übrigen theologischen Fächer, sowie der pädagogischen und humanen Wissenschaften. Es sollen keine Mittel gespart werden, ihm die Möglichkeit zum Besuch eines Institutes oder wenigstens eines Intensivkurses in Spiritualität zu bieten. Die Vorbereitung des Spirituals für seine vielfältigen Aufgaben und zumal für die Betreuung der Gewissensbildung der Alumnen gründet sich auf gründliche Studien und eine umfangreiche Praxis als Seelenführer, die, wenn sie gute Ergebnisse bringen soll, ständig und über längere Zeit hin erfolgen muß. Man halte sich vor Augen, daß - die Seelenführung etwas ist, was wesentlich mit Theologie und Kirche zu tun hat, im Unterschied zur psychischen Hilfe und Therapie; der Betreute muß sie als Werkzeug und Anregung für den eigenen Glaubensweg und den Gehorsam gegen den Willen Gottes erfahren; - der Spiritual von daher ein Zeuge des Glaubens ist, Fachmann für die fortschreitende und demütige Entdeckung des Planes Gottes für das Leben seiner Kinder; - die verschiedenen gemeinschaftlichen Formen geistlicher Weisung, des Erfahrungsaustausches und der Überprüfung des Lebens die Seelenführung ergänzen können, sie aber nie ersetzen dürfen; - der Spiritual also der erste Hüter der eigenen Identität und der eigenen unverzichtbaren und unersetzlichen Aufgaben ist, die nicht verwechselt werden dürfen mit den Aufgaben anderer Pädagogen, noch unangemessener Weise ersetzt werden dürfen durch andere Formen des erzieherischen Eingreifens. 62. Über die wissenschaftliche Vorbereitung in ihren jeweiligen Fächern hinaus müssen sich die Lehrkräfte ein gutes didaktisches und pädagogisches Können aneignen und die Fähigkeit, die Gruppenarbeit anzuregen und eine aktive Beteiligung der Alumnen zu fördern. Eine entsprechende Vervollkommnung ihrer didaktischen Fähigkeiten erfordert die Sorge um eine klare und genaue Vermittlung, um eine angemessene Erneuerung der theologischen Sprache <177> und das beständige Bemühen darum, die innere und harmonische Einheit der gesamten Glaubenslehre hervorzuheben, wobei sie einen besonderen Akzent auf den heilsgeschichtlichen Aspekt legen. Ihre Lehrtätigkeit wird größere Lebenskraft gewinnen, wenn sie es lernen, zwischen ihren Vorlesungen auf der einen Seite und dem Leben sowie den pastoralen Problemen auf der anderen einen Bezug zu schaffen. Sie müssen sich ferner mit den wissenschaftlichen Methoden der theologischen Arbeit vertraut machen, deren Fortschritte verfolgen und auch die Alumnen durch ein begleitetes privates Studium <177> Kongregation für das katholische Bildungswesen, Die theologische Ausbildung der künftigen Priester (22. Februar 1976), Nr. 77. 1514 KONGREGATIONEN UND RÄTE darin einführen. Um eine integrale und nicht nur wissenschaftliche Ausbildung zu fördern, müssen die Dozenten versuchen, sich immer besser in die Seminargemeinschaft durch ihre Zusammenarbeit und den erzieherischen Dialog einzufiigen. „Pastores dabo vobis” empfiehlt in der Tat den Ausbildern, „daß ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort in der Seminargemeinschaft sein”. 63. Die pastoralen Einsätze der Seminaristen, die von den Normen der Kirche empfohlen werden, müssen, wenn sie wirklich fruchtbar sein und ihre Bildungsziele erreichen sollen, von einem erfahrenen Priester geleitet und koordiniert werden, der für diesen Dienst eigens bestellt ist. Er muß sich mit einigen Prinzipien der wirksamen Überwachung und Auswertung solcher Tätigkeiten vertraut machen und sich von echten Grundsätzen des heftigen Dienstes, die den Normen der kirchlichen Autorität entsprechen, leiten lassen. Der Beauftragte, der Direktor oder Koordinator der pastoralen Tätigkeiten genannt werden kann, muß die disziplinäre Ordnung des Seminars achten und in enger Zusammenarbeit mit dem Rektor, mit den übrigen Erziehern und Dozenten und zumal mit dem Professor für Pastoraltheologie Vorgehen. 64. Was die übrigen Mitarbeiter angeht - abgesehen von dem Vizerektor und den Assistenten, die wenigstens über eine gediegene Grundausbildung verfügen müssen -, so wird eine „technische” Ausbildung für einige besondere Ämter wie das des Bibliothekars und des Ökonomen verlangt. Für diese und andere ähnliche Aufgaben empfiehlt sich eine angemessene berufliche Befähigung durch den Besuch von speziellen Schulen oder Kursen. Die Bedeutung der Bibliothek für die Ernsthaftigkeit und das gute Niveau der Studien wie auch die Kompliziertheit und Schwierigkeit der .Verwaltungsprobleme erfordern für diese Aufgaben die Mitarbeit von wirklichen Fachleuten. B. Die ständige Weiterbildung der Erzieher 65. Die ständige Weiterbildung der Erzieher entspricht den vom II. Vatikanischen Konzil und in der „.Ratio fundamentalis” ausgesprochenen Wünschen. Sie kann entweder als Ergänzung und fortschreitende Verbesserung der anfänglichen Ausbildung betrachtet werden, die eine Überwindung von Haltungen des bloßen Wiederholens und der zunehmend geringeren Fachkundigkeit gestattet, oder als ein Faktor tiefer Erneuerung, wo die Methoden und Stile der Erziehung einem Prozeß radikalerer Überprüfung unterworfen werden müssen. In jedem Fall deckt sich die ständige Weiterbildung in den verschiedenen Formen, in denen sie bereits durchgeführt wird, und in den anderen Formen, die man für die Zukunft planen mag, mit der anfänglichen Ausbildung, wie sie in den vorherigen Nummern beschrieben wurde. Optatam totius, Nr. 21; Ratio fundamentalis 97-99. ^ Optatam totius, Nr. 5; Ratio fundamentalis 31 und 36. 1515 KONGREGATIONEN UND RÄTE Sie verfolgt das gleiche Ziel, bezieht sich auf den gleichen Gegenstand und verwendet die gleichen Methoden. Was sie aber kennzeichnet, ist die Auswertung der Erfahrungen und die Fähigkeit, Räume und Mittel zu finden, sie einer Überprüfung zu unterziehen und unter kritischer Kontrolle zu halten. 1. Ständige Verheutigung 66. Die Erfahrung der Erzieher selber ist eine bevorzugte Quelle für ihre ständige Weiterbildung. Der Erzieher lernt und vervollkommnet sich auch durch die konkrete Ausübung seines Dienstes, wenn er diese nur ständig brüderlich überprüfen läßt im Dialog mit den übrigen Erziehern, wobei er verschiedene pädagogische Vorgehensweisen vergleicht und schrittweise die kluge Erprobung von Plänen, Vorschlägen und Initiativen ausweitet. Die methodische Analyse konkreter Fälle, die oft bei Kursen für ständige Weiterbildung erfolgt, erweist sich bisweilen erhellender als die abstrakte Erklärung von Grundsätzen. Der Erzieher darf sich nie auf den eingegrenzten Kreis seiner eigenen persönlichen Erfahrung beschränken, er muß vielmehr für die Prüfung und Revision auch aufgrund des Beitrags der Erfahrungen anderer offen bleiben. Die Notwendigkeit einer andauernden Verheutigung mittels des gegenseitigen Gedankenaustausches mit Mitbrüdem und Fachleuten wird besonders in einigen Bereichen des kirchlichen und sozialen Lebens verspürt, die größeren Wandlungen unterhegen: die geistige Verfassung der Jugendlichen, die Umstände priesterhchen Lebens und Dienstes, die tiefreichenden und raschen Wandlungen der philosophisch-theologischen und kulturellen Strömungen im allgemeinen. 67. Die Kenntnis der Welt der Jugendlichen ist ihrer Natur nach immer für neue Entwicklungen offen. Die Forschungen und Studien zu diesem Thema vervielfältigen sich laufend, was die Beschreibung, Analyse und Reflexion angeht, und sie werden mit immer neuem Interesse zur Kenntnis genommen und studiert. Das postsynodale Schreiben macht auf den Einfluß dieser Wandlungen aufmerksam: „Es besteht eine starke Diskrepanz zwischen dem Lebensstil und der elementaren Formung der Kinder, Heranwachsenden und Jugendlichen einerseits, auch wenn diese Christen mitunter engagiert im Leben der Kirche sind, und dem ganz anderen Lebensstil des Seminars und seiner erzieherischen Erfordernisse andererseits.” Über diese Wandlungen, die immer stattfinden und je nach Orten und Umständen immer neue Aspekte annehmen, muß der Erzieher gut informiert sein, wenn er den Kontakt mit der Wirklichkeit beibehalteri will, der großenteils seine erzieherische Tätigkeit bestimmt. 68. Über die auf heutigen Stand gebrachte Kenntnis der Welt der Jugendlichen als Ausgangspunkt des erzieherischen Prozesses hinaus, muß man aufmerksam auch die 57 Pastores dabo vobis, Nr. 62. 1516 KONGREGATIONEN UND RATE Umstände priesterlichen Lebens und Dienstes betrachten, die die Zielsetzung dieses Prozesses bestimmen. Angesichts des Wandels und der Unbeständigkeit der pasto-ralen Situationen muß man sich ständig fragen, welche Forderungen an die Ausbildung für die künftigen Priester sich daraus ergeben. Die gründliche Analyse im ersten Kapitel des Apostolischen Schreibens unterstreicht geradezu die Wichtigkeit dieses Aspektes der ständigen Weiterbildung der Erzieher, die aufgefordert werden, sich immer die grundlegende Frage zu stellen: „Wie sind Priester auszubilden, die wirklich auf der Höhe dieser Zeit stehen und imstande sein sollen, die Welt von heute zu evangelisieren?”. <178> <178> Pastores dabo vobis, Nr. 10. 69. Die Erziehertätigkeit der Seminare wird ferner tief beeinflußt durch alles, was auf theologischem Gebiet aufgrund von Gedankenströmungen und Lebenshaltungen, die sich daraus ergeben, geschieht. Die Verantwortung bei der Lehre der Philosophie und Theologie ist in dieser Hinsicht sehr groß. Nicht nur die Professoren, sondern auch der Rektor, der Spiritual und die übrigen Erzieher müssen sich ständig kritisch und genau auf den neuesten Stand in diesen Fragen bringen und sie gelehrig ins Licht der Weisungen des Lehramtes stellen. <179> <179> Pastores dabo vobis, Nr. 10 und 67. 2. Die Revision 70. Manchmal wird es in bestimmten Fällen und angesichts von entsprechend komplizierten Problemen nötig sein, sich für eine längere Zeit der Ausbildung zu entscheiden, wobei die erzieherischen Themen von Grund auf wieder aufgegriffen werden durch den Besuch spezialisierter Kurse oder Zeiten einer begleiteten Revision in einem Zentrum für spezialisierte Studien oder einem akademischen Institut. Das Ziel solcher Ausbildungszeiten ist die Förderung einer genauen Überprüfung der Persönlichkeit des Erziehers, seines dienstlichen Engagements und seiner Art, den eigenen erzieherischen Auftrag zu verstehen und zu leben. 71. Zeiten der Ausbildung solcher Art sollten gut ausgewählte und entsprechend geplante Kurse auf dem Gebiet der kirchlichen Wissenschaften wie auch auf dem der Humanwissenschaften umfassen, die mit praktischen Übungen unter Mithilfe eines Überwachers verbunden sind, welche mit ihm auch kritisch überprüft werden. Auf diese Weise kann der Erzieher sich klarer seiner eigenen Fähigkeiten und Haltungen bewußt werden, aufrichtiger die eigenen Grenzen annehmen und die Kriterien für sein Wirken verheutigen und verbessern. In den Programmen für eine ständige Weiterbildung diese Umfangs müssen auch längere Zeiten geistlicher Erneuerung vorgesehen werden (ein „ignatianischer Monat”, Exerzitien oder Wüstenzeiten), um dem Erzieher eine Überprüfung der eigenen KONGREGATIONEN UND RÄTE Sendung in ihren tieferen geistlichen und theologischen Zusammenhängen und Wurzeln zu ermöglichen. Y. PRAKTISCHE VERFÜGUNGEN 1. Probleme der Ausbildung 72. Wenn es erlaubt ist, in nicht wenigen geographischen und kirchlichen Gebieten von einem neuen Aufschwung der Seminare zu sprechen, dann muß man gleichzeitig das Gespräch über die dringende Notwendigkeit einer spezifischen anfänglichen Ausbildung und Weiterbildung der Erzieher aufhehmen. Nichts kann den vorteilhaften Einfluß einer erneuerten und motivierten Überzeugung in diesem Punkt bei den Bischöfen und den übrigen hierin Verantwortlichen ersetzen. Einige Nationen und Ortskirchen haben bereits entsprechende Entscheidungen getroffen. Andere sollten ihrem Beispiel folgen. Um solchen Initiativen größeren Nachdruck zu geben, muß man auf einen gegenseitigen Erfahrungsaustausch hinarbeiten. 73. Auch wenn es nicht überall möglich ist, spezielle Institute für die Ausbildung der Erzieher zu schaffen, so bleibt es doch notwendig, zu einem Minimum an organischer Programmierung zu kommen, d. h. in jeder Nation Gruppen von Fachleuten verfügbar zu machen, auf deren Mitarbeit man immer bauen kann; ein gut umschriebenes Programm für die Dauer und zeitliche Abfolge wie auch für die Inhalte festzulegen, ein Programm, das den Bedürfnissen entspricht und einen guten organisatorischen Verlauf und die Beständigkeit der Ausbildung sichert. In den Zonen mit größerer geographischer Ausdehnung mit nur einer Sprache und gleicher Kultur könnte man sich ein „wanderndes” Institut vorstellen, das Intensivkurse im Dienst ah den je verschiedenen Verhältnissen abhält. 74. Wo es möglich ist, bediene man sich zu Zwecken der ständigen Weiterbildung der Mitarbeit der kirchlichen Universitäten und anderer akademischer Institute sowie von Forschungs- und Studienzentren, vor allem, was das Studium der Humanwissenschaften angeht. In diesen Fällen wird es gut sein, vorherige Abmachungen mit den Bischofskonferenzen zu treffen, um die lehrmäßige Gediegenheit des Äus-bildungsangebots zu sichern. 75. Obwohl die Räume und Mittel für eine wirkliche und tatsächlich vorausgehende Vorbereitung der Erzieher, wie wir gesehen haben, in der Praxis sehr beschränkt sind bleibt es doch notwendig, eine angemessene Zeit der spezifisch geistlichen und pädagogischen Vorbereitung für die künftigen Rektoren und Spirituale vor ihrer Anstellung vorzusehen. Man kann diese eventuell mit der Ausübung anderer Dienste im Seminar verbinden. Eine ganz besondere Aufmerksamkeit muß der anfänglichen und weiteren ständigen Ausbildung der Spirituale gelten angesichts der vielfältigen Probleme, die heute mit einer solchen Aufgabe in den Seminaren verbunden sind. 1518 KONGREGATIONEN UND RÄTE 76. Was die Vorbereitung der Professoren angeht, wird es notwendig sein, nicht nur die entsprechenden kanonisch anerkannten akademischen Titel zu verlangen, <180> sondern auch das Rüstzeug einer angemessenen spirituellen, didaktischen und pädagogischen Ausbildung, damit ihr Wirken einen wirksamen Beitrag zur integralen Heranbildung der-künftigen Priester leisten kann. ^ Ratio fundamentalis 34; Kongregation für das katholische Bildungswesen, Die theologische Ausbildung der künfligen Priester (22. Februar 1976), Nr. 118; Can. 253 § 1 CIC. 77. Wo für die Lehraufgaben Laien im Sinn des oben in Nr. 20 Gesagten eingesetzt werden, wird die Vorsorge für ihre angemessene religiöse und apostolische Ausbildung notwendig, damit ihr Wirken in allem den spezifischen Zielsetzungen der Heranbildung von Priestern entspricht. 78. Für die Vorbereitung der Erzieher müssen hauptsächlich die zahlreichen päpstlichen Universitäten und Erziehungsinstitute in Rom ausgenützt werden, wie es bereits in der „Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis” <181> entsprechend empfohlen wurde. Diesbezüglich können, vor allem was die pädagogische Vorbereitung der künftigen Erzieher angeht, speziell jene Nationen wertvolle Hilfe finden, die aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sind, eigene Institutionen ins Leben zu rufen. <181> Nr. 85. 79. Während der wertvolle Beitrag voll anerkannt wird, den die verschiedenen Kongregationen und vorhandenen priesterlichen Gemeinschaften für die Ausbildung der Erzieher leisten, wird man auch mit Sympathie und offenen Geistes einige neue Initiativen verfolgen, die die Gnade Gottes derzeit in der Kirche für die Heiligung des Klerus und die Priesterausbildung weckt, und sie mit Hilfen und der notwendigen Unterscheidung begleiten. <182> <182> Can. 605 CIC. 2. Rationellere Planung und Verteilung der Seminarerzieher 80. Da die Wirksamkeit der Erziehergemeinschaften der Seminare großenteils von ihrer Beständigkeit abhängt, wird es notwendig, mit einem gewissen Vorausblick auf ihre Bedürfnisse nach Auswechslung zu schauen, um rechtzeitig geeigneten Ersatz zu planen. Eine gute Planung vor allem des Lehrpersonals ist dort notwendig, wo das System der sogenannten Sabbatjahre oder -Semester in Geltung ist, damit alle Fächer stets auch während der Abwesenheit der einzelnen Dozenten entsprechend vertreten sind. 81. Während man versuchen wird, dem derzeitigen Mangel an Erziehern mit ihrer besseren Vorbereitung zu begegnen, muß man auch an deren angemessenere Planung und Verteilung denken. Vor allem legt sich die Notwendigkeit nahe, die Vermehrung der Großen Seminare maßvoll zu regulieren oder die Aufspaltung der 1519 KONGREGATIONEN UND RÄTE schon vorhandenen zu vermeiden. Angesichts des knapper werdenden Personals sollte man mehr die Aufforderungen zu einer vernünftigen Konzentration der materiellen Mittel und des Personals durch die Schaffung von nationalen, regionalen und auf die Kirchenprovinz bezogenen interdiözesanen Seminaren beachten. <183> <183> Can. 237 § 2 C/C; Ideal bleibt freilich immer das diözesane Seminar in Verhältnissen, die sein geziemendes und regelmäßiges Funktionieren gestatten, das heißt: „ubi id fieri potest atque expediat” (wo dies möglich und zweckmäßig ist), wie zu diesem Punkt der gleiche Canon 237 im ersten Paragraphen sagt. 82. Ferner erfordert es der notwendige „Austausch der Gaben” zwischen den Schwesterkirchen, den Johannes Paul II. wiederholt betont hat, daß die an Erziehern des Klerus reicheren Diözesen zur Hilfe für die ärmeren bereit sind. Nach „Pastores dabo vobis” soll der Priesteramtskandidat auf einen Dienst vorbereitet werden, „der von einzelnen Kandidaten die konkrete Verfügbarkeit dem Heiligen Geist und dem Bischof gegenüber fordern kann, sich aussenden zu lassen, um das Evangelium jenseits der Grenzen seines Landes zu verkünden”, <184> sich also auch einem Seminar zur Verfügung zu stellen. In diesen Fällen müssen die Priester, „die in ein anderes Land gehen wollen, nicht nur die Sprache jenes Gebietes erlernen, sondern sich auch den psychologischen und sozialen Charakter des Volkes, dem sie dienen wollen, so vollkommen wie möglich aneignen.” <185> <184> Nr. 59. <185> Presbyterorum ordinis, Nr. 10. Hier ist darauf hinzuweisen, daß der Heilige Stuhl eine Ständige Interdikasterielle Kommission für eine ausgeglichenere Verteilung der Priester in der Welt eingerichtet hat, deren Hauptziel gerade die Förderung des Austausches von Seminarerzie-hem und Berufsbewerbem ist. SCHLUSSWORT 83. Das vorhegende Dokument, welches die Kongregation für das Katholische Bildungswesen der Aufmerksamkeit der Hochwürdigsten Herren Bischöfe und der Erzieher in den Seminaren widmet, wurde verfaßt, und die getreue Umsetzung der im Jahre 1990 von der Bischofssynode gegebenen Empfehlungen zu erleichtern, jener Empfehlungen also, die dann in das Apostohsche Mahnschreiben „Pastores dabo vobis” Papst Johannes Pauls U. eingeflossen sind. In der Tat stellt die hinreichende Ausbildung der Erzieherteams, welche hiermit gefördert werden soll, eine unverzichtbare Voraussetzung dafür dar, daß die ureigenen Absichten jener Synodenversammlung verwirklicht werden können. Diese bestehen darin, in den Seminaren Bedingungen zu schaffen, die geeignet sind, der Kirche jene wahren Hirten der Seelen zu geben, die für die geistlichen Notwendigkeiten von heute sensibel sind. Es ist klar, daß nur gut ausgewählte Erzieher mit großer Erfahrung in der Pädagogik in der Lage sein werden, Priester auszubilden, welche jene spirituellen, intellektuellen und menschlichen Qualitäten besitzen, die allen so am Herzen hegen und die im 1520 KONGREGATIONEN UND RÄTE Apostolischen Mahnschreiben „Pastores dabo vobis” so ausführlich und mit detaillierten Angaben näher spezifiziert worden sind. Dies also ist der Grund, warum in dieser Hinsicht auf einige spezielle Anforderungen lehrmäßiger, pädagogischer und organisatorischer Art aufmerksam gemacht werden sollte, deren sich im übrigen die Hochwürdigsten Herren Bischöfe großenteils ohnedies bewußt sind und denen sie nachzukommen suchen, wobei es manchmal nicht geringe Schwierigkeiten zu überwinden gilt. Doch stellen sich.unter den gegenwärtigen Umständen, welche die Synode beleuchtet hat, diese Aufgaben mit großer Dringlichkeit und verlangen, daß sie mit größerem Mut, entschlossenerer Willenskraft und mit geeigneteren Mitteln angegangen werden. Es besteht diesbezüglich die Erwartung, daß eventuell existierende Mängel verbessert werden, und alle Verantwortlichen sich anstrengen, Programme und Initiativen zu fördern, die zur Erzielung weiterer Fortschritte geeignet sind. Deshalb ist es unser gemeinsamer sehnlichster Wunsch, daß die positiven Erfahrungen, die es in verschiedenen Diözesen schon gibt, bekräftigt, ja verstärkt und auf die ganze Kirche ausgeweitet werden, im Geiste gegenseitiger Solidarität und Zusammenarbeit. Rom, am Sitz der Kongregation, den 4. November 1993, dem Fest des Heiligen Karl Borromäus, des Patrons der Seminare. Pio Card. Laghi Präfekt Jose Saraiva Martins Titularerzbischof von Tubumica Sekretär Erklärung von Toronto über die Rechte der ,älteren Menschen und die Fürsorge für sie Erklärung und Einleitung von Alfonso Kardinal Lopez Trujillo, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, während des Internationalen Treffens über „Die Rechte der älteren Menschen und die Familien” vom 3.-5. Dezember Einleitung Zu Beginn des Jahres der Familie hat der Päpstliche Rat für die Familie ein Internationales Treffen über „Die Rechte der älteren Menschen und die Familien” einberufen (3.-5. Dezember 1993). Das Treffen wurde in Toronto (Kanada) gehalten, einer Stadt, die durch ihre verschiedenen erstklassigen Projekte und Einrichtungen zeigt, daß sie um die älteren Menschen bemüht ist. Die Teilnehmer waren Männer und 1521 KONGREGATIONEN UND RÄTE Frauen aus vielen verschiedenen Ländern, deren besonderes Interesse alten Menschen gilt. Mehrere Tage tauschten sie ihre Erfahrungen in der Seniorenarbeit an den Einrichtungen, die sie vertreten, aus. Dabei konzentrierte man sich in erster Linie auf die bedeutende und natürliche Würde der älteren Menschen, ihre Weisheit und Lebenserfahrung. Man befaßte sich aber auch mit den dringenden Fragen und Herausforderungen durch die steigende Zahl der alten Menschen in den meisten unserer Gesellschaften, Die Rechte der älteren Generation werden nicht überall geachtet, und mancherorts ist sogar ihr Leben in Gefahr, weil sie als Last für die Gesellschaft betrachtet werden wegen der Sorgen, die sie bereiten können, der Fürsorge, die sie brauchen, und der damit verbundenen wirtschaftlichen Kosten. Während des in der Kirche mit großem Enthusiasmus begangenen Jahres der Familie ist unter vielen positiven Aspekten besonders einer klar hervorgetreten: eine gründlichere Erwägung der integrierenden Kraft der Familie hinsichtlich ihrer Mitglieder, insbesondere ihrer bedürftigsten Mitglieder, nämlich der älteren Menschen. Im Laufe des Jahres wurde der älteren Generation auch einige Aufmerksamkeit in bezug auf die umfassendere Rolle der Familie innerhalb der Gesellschaft gewidmet. Deshalb hoffe ich, daß der vorhegende Text erneut die Rechte und die Würde der alten Menschen betont und jene ermutigt, die nach gerechten und kreativen Arten der Fürsorge für die Senioren suchen, nicht nur innerhalb der katholischen Kirche, sondern auch in anderen Bereichen der modernen Gesellschaft. Der Päpstliche Rat für die Familie dankt den folgenden Personen und Institutionen für ihre großzügige Zusammenarbeit bei diesem wichtigen Projekt: Erzbischof Aloysius Matthew Ambrosic, Toronto; Caritas Project, Toronto; St. Peter’.s Seniors, Woodbridge, Ontario; ICBA-Villa Colombo, Toronto; P.I.Di Luca & Associates, Downsview, Ontario; Catholic Truth Society, Kanada. Die Rechte der älteren Menschen und die Fürsorge für sie . Der uns leitende Grundsatz ist folgender: Die alten Menschen haben eine angeborene Würde als Personen; diese Würde muß innerhalb der Familie und der Gesellschaft immer geachtet werden. Angesichts dieses Grundsatzes ergaben sich bei unserem Treffen folgende Bemerkungen und Empfehlungen: 1. Die Menschheit hat in ihrem Kampf zur Überwindung von Krankheit und Tod bei Kindern und jungen Leuten große Fortschritte gemacht. Dies bedeutet, daß die Menschen heute eine weit längere Lebenserwartung haben: Der Mittelwert liegt bei 72 Jahren oder sogar mehr in den hochentwickelten Ländern, in weniger entwickelten Ländern bei 62 Jahren. Die Lebenserwartung wird ständig weiter steigen. 2. Abgesehen vom natürlichen Alterungsprozeß bessert sich der Gesundheitszustand der älteren Generation stetig. So können die Menschen oft ein hohes Alter errei- 1522 KONGREGATIONEN UND RÄTE chen, ohne viel Pflege in Anspruch zu nehmen. Es gibt allerdings Unterschiede, bedingt durch die geographische Lage, den Lebensstandard und den Grad an Hygiene etc. . , Die Gerontologen sind der Auffassung, daß ältere Menschen jetzt auch in einer vorgerückten Phase noch Lebensfreude zeigen können und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind. Tatsächlich kommt nur ein sehr geringer Prozentsatz der alten Leute in die Gefahr, an „dementia senilis” zu leiden. Jede soziale und wirtschaftliche Planung muß der zunehmenden Zahl an älteren Leuten Rechnung tragen, um ihr Wohl innerhalb der Familie und der Gemeinschaft zu fördern. 3. Die Jahre nach dem mittleren Lebensalter sind zunehmend für Arbeitsmöglichkeiten offen oder zumindest für die Chance, von Familie und Gesellschaft nicht als Last betrachtet zu werden. Diese Entwicklung bedarf aufmerksamer Bewertung. Jeder ältere Mensch ist ja ein Sohn, eine Tochter Gottes, reich an Erfahrung und Weisheit, und die heutige Generation verdankt ihnen viel. Daraus folgt, daß der ältere Mensch ein Recht darauf hat, nicht als Produktionsmittel ausgebeutet oder als „nutzlose Last” angesehen zu werden. Es gibt viele und verschiedenartige Möglichkeiten der Arbeit und Zusammenarbeit in der Familie, der Kirche und der Gesellschaft , die von den älteren Menschen ausgeführt und für die ihre Großmut und ihre Fähigkeiten gut eingesetzt werden können, Senioren können für die Kirche Wertvolles leisten, beispielsweise durch Einsatz für die Evangelisierung in Pfarreien, Apostolaten und Verbänden, wo sie ihre geistige Energie, ihre Erfahrung und ihr Zeugnis anderen vermitteln können. Wir empfehlen, daß der Beitrag, den die älteren Leute im Bereich der Arbeit leisten können, in einfühlsamer und positiver Weise entwickelt wird. 4. Mit all seinen neuen Gelegenheiten kann darum das „Dritte Lebensalter” nicht nur zu einer Zeit der Ruhe, Gelassenheit und Vertiefung der Weisheit werden, die der jüngeren Generation vermittelt werden kann, sondern auch zu einer Zeit der Weiterbildung. In einigen Ländern gibt es inzwischen Universitäten, die speziell auf ältere Menschen zugeschnitten sind. Dort haben Senioren die Möglichkeit, Studien in persönlich und sozial nützlichen Bereichen zu betreiben, um auf diese Weise innerhalb der Gesellschaft aktiv und beteiligt zu bleiben. Wir empfehlen mit Nachdruck, daß Regierungen und Institutionen, ermutigt durch die vorausgegangenen Erfahrungen, Weiterbildungszentren für die ältere Generation einrichten. 5. Heutzutage wird die aktive Teilnahme älterer Menschen in vielen gesellschaftlichen Bereichen akzeptiert und anerkannt. Sie haben in vielen verschiedenen Sektoren kostbare Beiträge geleistet und können es noch weiterhin tun. In Kulturen, in denen menschliche Werte sich größerer Achtung erfreuen, werden ältere Menschen respektiert und als Schatz angesehen, ja sogar als die eigentliche Grundlage der Kultur oder des Stammes. 1523 KONGREGATIONEN UND RÄTE In anderen Kulturen sollte jedoch ein stärkeres Bewußtsein geweckt werden hinsichtlich der falschen und unmenschlich utilitaristischen Einstellung, die eine Person nur anhand dessen, was sie produziert, mißt. Diese Einstellung bewirkt jenen Mangel an Respekt und Anerkennung, an dem viele ältere Menschen leiden. Sie entspringt einem verarmten und einseitigen Begriff von „Lebensqualität”, der nicht mit der Würde der menschlichen Person übereinstimmt, und dies trotz der jüngsten großen Fortschritte, die das Altem erleichtert und die Beeinträchtigung der geistigen Kräfte vermindert haben. Mit einer solchen negativen Einstellung betrachtet und als Last und Hindernis behandelt, sind alte Menschen einer großen Gefahr ausgesetzt. Diese negative Mentalität gegenüber älteren Leuten ist nämlich der fruchtbare Nährboden, auf dem die „eugenische” Versuchung zur Euthanasie wächst. Zur Euthanasie aber kommt es, wenn die Unantastbarkeit des Geschenks menschlichen Lebens mißachtet wird. Wir empfehlen, daß ernsthafte Studien durchgeführt werden in bezug auf diese Thematik und die entsprechenden ethischen Grandsätze, nämlich darüber, was das menschliche Leben ist, und daß Gott allein der Herr allen Lebens ist. Vor allem aber müssen jene, denen die Fürsorge für ältere Menschen anvertraut ist, lebendige Zeugen sein für den Wert, der dem Dasein dieser Menschen von Natur aus eigen ist, und sie müssen all deren Rechte, einschließlich des Rechts auf Frieden, Ruhe und Glück, schützen. 6. Das Verhältnis zwischen der Familie und dem älteren Menschen ist für uns von besonderer Wichtigkeit. In vielen verschiedenen Situationen, vor allem in den Großstädten, scheint heute die moderne wohlhabende Gesellschaft keinen Platz mehr für die alten Leute innerhalb der Familie, deren Ursprung sie sind, zu finden. Oftmals hat sich der gegenwärtige Lebensstil, im Vergleich zu der Welt, an die sie sich erinnern, grundlegend geändert. Wenn es aus vielerlei Gründen nicht möglich sein sollte, daß die älteren Leute bei ihren Familien leben, weil sie oft unabhängig sein wollen und es vorziehen, in einem eigenen Haus oder einem Wohnheim zu leben, empfehlen wir, daß ihre Familien als Zeichen der Liebe und Fürsorge den regelmäßigen Kontakt mit ihnen gewährleisten. Die Regierungen sollten sich speziell darum kümmern, angemessene Einrichtungen zur Förderung privater Initiativen zu schaffen, damit ältere Leute Frieden, Ruhe und Sicherheit erfahren können. Es müssen Gesetze verabschiedet werden (ein Gesetzeswerk), die der älteren Generation die Sicherheit bieten, die diese verdient, unter Berücksichtigung ihrer eigenen Erfahrungen und Vorschläge. 7. Innerhalb der Familie sind die älteren Menschen, und so sollte es auch sein, der Kreuzungspunkt für Kommunikation und Dialog zwischen den Generationen. Die mehrere Generationen umfassende Familie ist in sich selbst eine Schule für das Familienleben, und sie verdient die Unterstützung der erweiterten Gemeinschaft und der Massenmedien. 1524 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wir empfehlen, daß die Erziehung der Kinder eine positive Einschätzung der älteren Generation und der bereichernden Rolle einschließt, die sie innerhalb der Familie und der Gesellschaft spielt. 8. Wenn es einerseits wahr ist, daß ältere Menschen Gelegenheit zu Gebet, Meditation und Wachstum im inneren Leben haben, so werden sie doch andererseits oft nicht dazu ermutigt, ihr geistiges Potential zu entwickeln, und ihre geistigen Bedürfnisse und Probleme werden nicht richtig verstanden. Unterhaltung wird oftmals als Ersatz verwendet, anstatt diesen Bedürfnissen richtig zu entsprechen. Wir empfehlen, daß der Spiritualität der älteren Generation größere Aufmerksamkeit geschenkt wird und daß kreative Projekte ausgearbeitet werden, die den alten Menschen helfen, in Gnade und innerem Frieden zu wachsen. 9. Wir fordern die verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften dazu auf, die systematisch organisierte, pastorale Fürsorge der Senioren zu fördern. Dies sollgte in die für die pastorale Fürsorge der Familien zuständigen Organisationen integriert und mit diesen funktionell abgesprochen werden. Außerdem sollten Arbeitskontakte mit anderen Bereichen der Seelsorge hergestellt werden, z. B. mit den Verantwortlichen für Sozialhilfe, Gesundheitsfürsorge usw. Folgende Personen und Einrichtungen haben an dem Treffen teilgenommen: Kanada: Office of Senios Issues, the Ministry of Community and Social Services, Province of Ontario; Caritas Project, Toronto; Office of Cathohe Family Life, Erzdiözese Toronto; Family Life Office, Katholische Bischofskonferenz von Ontario; ICBA-Villa Colombo, Toronto; Cathohe Truth Society of Canada; Vicariato per la pastorale degli itahani, Toronto; P.I. Di Luca & Associates, Downsview, Ontario; Department of Psychology, Sunny Brook Hospital, North York, Ontario; Epiphany of Our Lord Church, Scarborough, Ontario; St. Peter’s Seniors, Woodbridge, Ontario; Frankreich: Vie Montante Internationale; Mouvement Chretien des Retraites; Ba-yard Presse; La Tour St. Joseph, Saint-Pem, Rennes; Deutschland: Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart; Hl. Stuhl: Erzbischof Renato R. Martino, Ständiger Beobachter des Hl. Stuhl bei den Vereinten Nationen, New York; Italien: Gynäkologisches Institut an der Medizinischen und Chirurgischen Fakultät der Kathohschen Herz-Jesu-Universität, Rom; Medizinische und Chirurgische Fakultät, Florenz; Institut für Sozialwissenschaften „Nicolö Rezzara”, Vicenza; Famme Furiane; Lateinamerika: Sektion für Familienpastoral der CELAM; Mexiko: Kommission für die Familie der Mexikanischen Bischofskonferenz; Vereinigte Staaten: All-Gerontological Center, Fordham University, New York. 1525 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die Kirche und das Internationale Jahr der Familie 1994 <186> Dieser Päpstliche Rat hat während der Vorbereitungsphase des I.J.F. allen Bischofskonferenzen, und durch diese auch allen im Dienst der Familie und des Lebens engagierten Organisationen ein Arbeitsdokument mit dem Titel „Internationales Jahr der Familie 1994: Kriterien und Orientierungen ” zugesandt. Päpstlicher Rat für die Familie vom 26. Dezember ZELEBRATION Die feierliche Ankündigung der Zelebration in der Kirche des Internationalen Jahres der Familie (I.J.F.) sprach der Heilige Vater Johannes Pauli, am vergangenen 6. Juni auf dem Petersplatz aus. Bei diesem Anlaß sagte er folgende Worte: „Die Kirche begrüßt herzlich diese Initiative und schließt sich ihr mit der ganzen Liebe an, die sie jeder menschlichen Familie entgegenbringt. Ich möchte vielmehr gerade im Laufe dieses Internationalen Treffens der Familien einen besonderen Aufruf an das gesamte christliche Volk richten. Ab dem Fest der Heiligen Familie dieses Jahres bis zum gleichen Fest im Jahr 1994 werden wir auch innerhalb der Katholischen Kirche das Internationale Jahr der Familie feiern. Der Päpstliche Rat für die Familie wird, in Verbindung mit den anderen zuständigen Organismen, den Initiativen der Vereinten Nationen im Geiste des Dialogs und der Zusammenarbeit folgen, zur Vorbereitung und Koordinierung der Feierlichkeiten und Veranstaltungen innerhalb der Katholischen Kirche. Dieser Päpstliche Rat hat. während der Vorbereitungsphase des I.J.F. allen Bischofskonferenzen und durch diese auch allen im Dienst der Familie und des Lebens engagierten Organisationen ein Arbeitsdokument mit', dem Titel „Internationales Jahr der Familie 1994: Kriterien und Orientierungen” zugesandt. Das Internationale Jahr der Familie wird ohne weiteres eine von der Vorsehung bestimmte Gelegenheit bieten, die grundlegenden Werte dieser natürlichen Institution zu vertiefen. Ich bin sicher, daß deren bessere Kenntnis und Aufwertung helfen wird, eine brüderlichere und solidarischere Welt zu bilden, die die Familie als fundamentale Zelle der Gesellschaft anerkennt. Ich lade deshalb die Bischofskonferenzen, die Bischöfe, die diözesanen und pfarrlichen Gemeinschaften, die Bewegungen, die Gruppen und Vereinigungen, ganz besonders solche, die täglich in der Familienpastoralarbeit engagiert sind, dazu ein, diesen einzigartigen Augenblick der Gnade anzunehmen für eine Arbeit, die in eine größere Tiefe Vordringen möge. " <187> , <187> L’Osservatore Romano, 7.-8. Juni 1993, Seite 5. 1526 KONGREGATIONEN UND RÄTE ■ 2 ZIELE Wir erinnern an die Ziele dieser Zelebration - die immer präzisere Konturen angenommen hat - sei es in Bezug auf die Feierlichkeiten innerhalb der Kirche, sei es bezüglich ihrer Relation zur ganzen Gesellschaft. A) Innerhalb der Kirche Das Internationale Jahr der Familie - das sich in den Bereich der Neuevangelisierung einfügt, dessen Zentrum die Familie ist, <188> mit der notwendigen Verteidigung und, dem Schutz des menschlichen Lebens von seiner Empfängnis an bis zum natürlichen Tod <189> - bietet eine große Gelegenheit zur Entwicklung einer organischen Pa-storalarbeit, welche die Familie in ihr Zentrum stellen sollte. <190> Das Sakrament der Ehe, heißt es in Familiaris Consortio, ist „in seinem inneren Wesen Verkündigung der Frohbotschaft über die eheliche Liebe in .der Kirche”. <191> Die christliche Familie drückt in besonderer Weise diese Frohbotschaft als fundamentale Aufgabe zum Dienst am Leben aus. <192> <193> <188> Vgl. Johannes Paul II., Rede an die Bischöfe von Afrika, die für die Familien-Pastoralarbeit verantwortlich sind, L’Osservatore Romano, 3. Oktober 1992, Seite 5. <189> Die Apostolische Konstitution Pastor Bonus, Art. 141, Paragraph 3, hat diesen Arbeitsbereich dem Päpstlichen Rat für die Familie anvertraut. Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Mitglieder des Päpstlichen Rates für die Familie, L'Osservatore Romano, 31. Januar 1993, Seite 5. ^ Familiaris consortio, Nr. 51. <192> Vgl. Familiaris consortio, Nr. 28. <193> Nm. 47-52. Es ist notwendig, daß die Familie ein starkes Zeugnis im Engagement gibt, denn als Subjekt und Objekt der Evangelisierung kündet sie den Menschen den Plan Gottes für das Wohl der Eheleute, der Kinder und der gesamten Gesellschaft. Auf diese Weise werden die Werte der Famihe anerkannt und tiefer verkörpert, .welche ihre Wurzel im Geheimnis der Liebe Gottes zu den Menschen haben. Für diese Arbeit im Bereich der Neuevangelisierung sind die folgenden die wichtigsten Dokumente des Lehramtes in Bezug auf Ehe und Familie: die Pastorale Konstitution Gaudium et Spes,s die Apostolische Ermahnung Familiaris Consortio, die Charta der Familienrechte des Heiligen Stuhls, <194> sowie der Katechismus der Katholischen Kirche. Wir sollen auch die gesamte Katechese des Heiligen Vaters über „die menschliche Liebe im göttlichen Plan” <195> vor Augen haben. ^ Veröffentlicht am 22. Oktober 1983. ^ Begonnen am 5. November 1979 und beendet am 28. November 1984. Der letzte Teil ist einer Betrachtung über die Enzyklika Humanae Vitae gewidmet. 1527 KONGREGATIONEN UND RÄTE Für alles, was sich auf die Verteidigung und den Schutz des Lebens seit seinem Ursprung bezieht, sind die Enzyklika Humanae Vitae von Papst Paul VI. und die konstante Lehre des Heiligen Vaters Johannes Paul II. Wegweisung und Führung. <196> Bei dem außerordentlichen Konsistorium der Kardinäle über die Bedrohungen des Lebens, welches der Heilige Vater vom 4. bis 6. April 1991 einberufen hatte, bat die Mehrheit der anwesenden Kardinäle den Papst um eine Enzyklika über das menschliche Leben, die er nach persönlicher Befragung von Bischöfen aus aller Welt begonnen hat vorzubereiten. Am Pfingstfest, dem 19. Mai 1991, sandte der Heilige Vater allen seinen Brüdern im Bischofsamt einen Brief, auf den später ein Rundschreiben des Staatssekretärs, Kardinal Angelo Sodano, mit einem Fragebogen folgte. <196> Vgl. u. a. die Rede an Experten über die natürlichen Methoden der Empfängnisregelung, L'Osservatore Romano, 12. Dezember 1992, Seite 6; Ansprache an die Teilnehmer des Kursus über natürliche Methoden, L'Osservatore Romano, 11. Januar 1992, Seite 5; vor kurzem, Predigt in Denver, 14. August 1993, L’Osservatore Romano, 17.-18. August 1993, Seite 5. Wir freuen uns auch, Ihnen mitteilen zu können, daß der Heilige Vater gelegentlich des I J.F. einen Brief an die Familien vorbereitet. Dieses Dokument wird ein kostbares Schriftstück zum Nachdenken, zum Studium und zur Förderung der Familien-pastoralarbeit sein. Es geht also darum, der gesamten Pastoralairbeit für Familie und Leben einen größeren Impuls zu geben. Wir zeigen hiermit einige Punkte auf: die Ehevorbereitung, <197> die Unterstützung von jungen Ehepaaren und Familien in Schwierigkeiten, Hilfe für die schwachen Mitglieder der Familien, Beachtung irregulärer Verhältnisse, verantwortliche Elternschaft und der Gebrauch natürlicher Methoden der Empfängnisregelung, wo deren Einsatz gerechtfertigt werden kann, die Annahme neugeborenen menschlichen Lebens und der Beistand bei dem zu Ende gehenden, die Unterstützung der Eltern in ihren erzieherischen Aüfgaben, das Geöffnetsein und das kirchliche und zivile Engagement der Familien usw. <197> Vor einigen Monaten wurde den Bischofskonferenzen ein Richtlinienprojekt für die Vorbereitung der Ehe zugesandt, im Hinblick auf ein zukünftiges Direktorium über das Thema. Einige von ihnen haben schon ihren Beitrag und ihre Vorschläge dazu erteilt. B) Hinsichtlich der gesamten Zivilen Gesellschaft In einer Haltung von positivem und herzlichem Dialog schenkt die Kirche gemäß der ihr eigenen Identität mit Liebe und Hoffnung allen Menschen das Beispiel der Familie, begründet in der Eheschließung, nach dem ursprünglichen Plan Gottes. <198> Diese natürhche Institution ist „von größter Bedeutung für den Fortbestand der Menschheit, für den persönlichen Fortschritt der einzelnen Familienmitglieder und ihr ewiges Heil; für die Würde, die Festigkeit, den Frieden und das Wohlergehen der Familie selbst und der ganzen menschlichen Gesellschaft”. <199> Denn die totale Einheit <198> Vgl. Mt 19,4-6; Gen 1,28-29; 2,23-24. <199> Vgl. Gaudium et Spes, Nr. 48. 1528 KONGREGATIONEN UND RÄTE von Leben und Liebe zwischen einem Mann und einer Frau, auf die Zeugung und die ganzheitliche Erziehung der Kinder hin orientiert, <200> ist die „erste und lebensnotwendige Zelle der Gesellschaft” <201> und deshalb unersetzbare Garantie für das Wohl der Menschheit. ^ Vgl. Kirchenrechts-Kodex, Kanon 1055; Charta der Familienrechte, Art. 5. ^ Il.Vat. Konzil, Dekret Apostolicam Actuositatem, Nr. 11. In der Enzyklika Centesimus annus wird daran erinnert, daß es im Schosse der Familie ist, wo „der Mensch die entscheidenden Anfangsgründe über die Wahrheit und das Gute empfängt, wo er lernt, was lieben und geliebt werden heißt und was es konkret besagt, Person zu sein”. <202> <202> Centesimus annus, Nr. 39. Die Kirche hat die Pflicht, den Wert der Familie sehr hoch zu stellen, als das Heiligtum des Lebens <203> und - als Übertragerin der Werte - die zentrale Quelle einer authentischen „Human-ökologie ”. <204> ^ Vgl. ebd. <204> Vgl. ebd. Das angemessene Mittel, um einen tiefgehenden Dialog in der Gesellschaft weiterzuführen, ist die Charta der Familienrechte des Heiligen Stuhls. Dieses Dokument wurde von der Bischofssynode im lahr 1980 <205> erbeten und ist das Ergebnis eines genauen Studiums sowie einer Befragung der Bischofskonferenzen und von Fachleuten dieser Materie aus verschiedenen Kulturen. <205> Vgl. Familiaris consortio, Nr. 46. Es heißt in der Einführung: „Die Charta richtet sich hauptsächlich an Regierungen. Indem die Charta zum Wohl der Gesellschaft das gemeinsame Bewußtsein von den wesentlichen Rechten der Familie erneut bekräftigt, bietet sie allen, die für das Gemeinwohl Verantwortung tragen, ein Modell und eine Grundlage für die Erarbeitung einer entsprechenden Gesetzgebung und Familienpolitik sowie eine Handreichung für konkrete Programme und Aktionen an”. Was die Familienrechte anbetrifft, kann zu einer größeren Sensibilisierung beigetragen werden hinsichtlich der Ausarbeitung einer richtigen Familienpolitik, in der die Familiengemeinschaft mit all ihrer ergänzenden Kraft in Bezug auf ihre Mitglieder so angenommen wird, daß ihr positiv geholfen und sie in keiner Weise in der Erfüllung ihrer spezifischen Sendung behindern wird. <206> <206> „Die staatlichen Autoritäten müssen die Würde, gesetzliche Unabhängigkeit, Privatsphäre, Einheit und Festigkeit jeder Familie achten und fordern”. (Charta der Familienrechte, Art. 6, a; vergl. auch Präambel I, Art. I, c; Art. 9, Anfang). Die Familienpolitik verlangt, daß die soziale Aufmerksamkeit zugunsten einer konkreten Kategorie der Familienmitglieder - wie z. B. Kinder oder alte Leute - nicht davon abläßt, diese im Schoß der Familie mit all ihrer ergänzenden Kraft zu sehen und deshalb die Institution der Familie als solche zu respektieren und zu verstärken. 1529 KONGREGATIONEN UND RÄTE ' 3 EMPFEHLUNGEN Ehe wir im nachfolgenden Teil einige Punkte des Programms behandeln, schlagen wir in einer Art von Empfehlungen vor was folgt, jedoch natürlich breiten Raum lassend für die Initiativen der Bischofskonferenzen, der Ortskirchen, der Institutionen und Organisationen: - Im nationalen Bereich und in den Diözesen sollten Kommissionen für das I.J.F. errichtet werden (verschieden von den Kommissionen der Regierungen, in welchen trotzdem die Teilnahme der Kirche sehr nützlich wäre). Diese Kommissionen werden bei der Vorbereitung und Abwicklung des I.J.F. mit-wirken und sich dafür einsetzen, daß aus der Perspektive der Neuevangelisierung die Bemühungen zur Vorbereitung für das neue Jahrtausend weitergehen mögen. Die Kommissionen werden in ständiger Verbindung mit diesem Päpstlichen Rat stehen, um ihn über ihre verschiedenen Aktivitäten zu informieren und ganz besonders in Bezug auf all das, was sich auf das Welttreffen der Familien mit dem Heiligen Vater bezieht, welches am Sonntag, dem 9. Oktober 1994, stattfinden wird. Über dieses Treffen werden wir im folgenden Abschnitt sprechen. - Soweit als möglich sollte in den Diözesen und evtl, in jeder Nation ein besonderer Akt zur Eröffnung des I.J.F. stattfinden. Der Heilige Vater hat es für gut befunden, daß der Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, als Päpstlicher Legat, das Internationale Jahr am Fest der Heiligen Familie am Sonntag, dem 26. Dezember 1993, in Nazareth eröffnet. Für weitere Feierlichkeiten verweisen wir - als. Beispiele - auf die bezeichnende Programmierung des Heiligen Vaters in Rom. - Reflexion und Studium des Briefes des Heiligen Vaters an die Familien. - Förderung von Studien, Untersuchungen sowie Abhaltung von Kongressen, Symposien usw. über Themen bezüglich der Familie. Dabei könnten Forschungsinstitute, Universitäten, Seminare, Bildungshäuser usw. mitwirken. - Förderung von Treffen mit Politikern, Gesetzgebern und Leitern, im Gespräch über die Charta der Familienrechte, um eine Politik für das Wohl der Familie zu erarbeiten. - Förderung von Treffen, Gesprächen, Untersuchungen über Themen in Bezug auf die Verteidigung des menschlichen Lebens, Aspekte der Bioethik, verantwortliche Elternschaft, die natürlichen Methoden der Empfängnisregelung, eine ganzheitliche Erziehung hinsichtlich der Sexualität usw. 1530 KONGREGATIONEN UND RÄTE - Förderang und Bekräftigung der kirchlichen Strukturen für die Familie und das Leben: <207> <207> Die 10. Plenartagung des Päpstlichen Rates für die Familie (26.-30. Januar 1993) hat das Thema: „Die Diözesan- und Nationalstrukturen für die Familie und das Leben, Bildungsstrukturen (Institute) und Strukturen für die Pastoralarbeit” behandelt. - Eine enge Zusammenarbeit mit den sozialen Kommunikationsmitteln, <208> welche üzel in diesem Bereich mittun können. <208> Vom 2. bis 4. Juni 1993 fand ein vom Päpstlichen Rat für die Familie in Gemeinschaft mit dem Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel angeregtes, achtiges Treffen statt über das Thema: „Die Rechte der Familie und die Massenmedien”; vgl. Charta der Familienrechte, Art. 5 f. 4 KALENDER DER FEIERLICHKEITEN A) Unter dem Vorsitz des Heiligen Vaters - Am Samstag, dem 1. Januar 1994: Muttergottes-Fest. 27. Welttag des Friedens: „Aus der Familie erwächst der Friede für die Menschheitsfamilie”. Hl. Messe im Petersdom um 10.00 Uhr. - Am Sonntag, dem 9. Januar 1994: Sonntag nach der Epiphanie. Fest der Taufe des Herrn. Taufe einer Gruppe von Kindern anläßlich des Internationalen Jahres der Familie, im Petersdom um 9.00 Uhr. - Am Mittwoch, dem 2. Februar 1994: Fest der Darstellung des Herrn im Tempel. Kerzenweihe, Prozession und Hl. Messe mit Ordensleuten als Danksagung an ihre eigenen Familien, im Petersdom um 17.30 Uhr. - Am Sonntag, dem 24. April 1994: 4. Sonntag in der Osterzeit. Auf dem Petersplatz um 10.00 Uhr. Päpstliche Kapelle: Seligsprechung der Diener Gottes: Isidoro Ba-kanja und die Familienmütter Gianna Beretta Molla und Elisabetta Canori Mora, anläßlich der Afrikanischen Synode und des Internationalen Jahres der Familie. - Am Samstag, dem 7. Mai 1994: Rosenkranz für die Familien um 20.30 Uhr, anläßlich des Internationalen Jahres der Familie. - Am Sonntag, dem 12. Juni 1994: 11. Sonntag im Jahreskreis. Im Petersdom um 9.00 Uhr, Hl. Messe und Feier des Sakramentes der Ehe für eine Gruppe von Paaren, anläßlich des Internationalen Jahres der Familie. - Am Sonntag, dem 9. Oktober 1994: Welttreffen der Familien, <209> Auf dem Petersplatz um 10.00 Uhr, Hl. Messe mit Erneuerung des Eheversprechens. Teilnahme der Väter der 9. Generaltagung der Bischofssynode über das gottgeweihte Leben. <209> Vor dieser Zelebration wird in den Römischen Basiliken nach Sprachgruppen eine Vigil stattfinden. 1531 KONGREGATIONEN UND RATE - Am Sonntag, dem 25. Dezember 1994: Fest der Geburt des Herrn. Im Petersdom 11m 10.30 Uhr, Hl. Messe und Segen „Urbi et Orbi”. Abschluß des Internationalen Jahres der Familie. B) Andere Feierlichkeiten - Am Sonntag, dem 26. Dezember 1993: Fest der Heiligen Familie. In Nazareth führt der Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, als Päpstlicher Legat den Vorsitz der Eröffnung des Internationalen Jahres der Familie. - Am Freitag, dem 25. März 1994: Fest der Verkündigung des Herrn. Im Petersdom Wortgottesdienst oder Gebets-Vigil. - Vom 21. bis 26. September 1994: Gespräch zwischen verschiedenen Religionen: Ehe und Familie in der heutigen Welt. Gestaltet vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und dem Päpstlichen Rat für die Familie. Initiativen in der Vorbereitungsphase: - Ökumenisches Treffen über die Familie. - Der Priester und die Familie. - Die Familie und die Berufung zum gottgeweihten Leben. - Die Familie und die Massenmedien. C) Treffen und Aktivitäten - Vom 18. bis 20. Januar 1994: Caracas (Venezuela). Kurs über die Familie und die Bioethik für Pastoralarbeiter in den Ländern Bolivars. - Vom 24. Januar bis 12. Februar 1994: Rom. 1. Seminar für das Studium und die Vertiefung der Themen Familie und Leben, für Bischöfe. - Vom 25. bis 27. Februar 1994: Sevilla (Spanien). Internationales Treffen über die Adoption. - Vom 20. bis 24. April 1994: Rom. Kongreß über „die Medizin im Dienst der Familie und des Lebens”. - Vom 24. bis 26. Mai 1994: Monterrey (Mexiko). Panamerikanischer Kongreß über Familie und Erziehung. - Vom 16. bis 18. Juni 1994: Mexiko (Mexiko). Internationales Treffen über „Frau, Familie und Unternehmen”. 1532 KONGREGATIONEN UND RÄTE - Vom 4. bis 8. Juli 1994: Santo Domingo (Dominikanische Republik). Internationales Treffen über Familie und Bioethik in der Universitätslehre. - Vom 27. bis 30. Juli 1994: Rio de Janeiro (Brasilien). Internationales Treffen über die Kinder auf der Straße. - Vom 22. bis 27. August 1994: Rio de Janeiro (Brasilien). 2. Lateinamerikanisches Treffen der Bewegungen für das Leben. 5 WELTTREFFEN DES HEILIGEN VATERS MIT DEN FAMILIEN Wie gesagt, wird der Heilige Vater am Sonntag, dem 9. Oktober, um 10.00 Uhr auf dem Petersplatz den Vorsitz bei der Eucharistiefeier führen, an der die Väter der Allgemeinen Bischofssynode über „das gottgeweihte Leben und seine Aufgabe in Kirche und Welt” teilnehmen werden. Diese Zelebration soll in den Diözesen vorbereitet werden, so daß die Delegationen ihre pastorale Vitalität im Bereich der Familie und des Lebens zum Ausdruck bringen und, nach dem Treffen mit dem Nachfolger Petri, wieder nach Hause zurückkehren, um mit Enthusiasmus auf dem Weg der Neuevangelisierung weiterzuschreiten. Wir hoffen, daß jede Diözese der Welt mindestens von einer Familie vertreten sein wird. Diesbezüglich ist die Koordinierung der Bischofskonferenzen wichtig und die Gewährleistung echter Solidarität, damit zu diesem kirchlichen Treffen auch Familien mit geringeren finanziellen Mitteln kommen können. Man wird das Mögliche tun, um die Unterbringung bei den Familien Roms und seiner Umgebung zu gewährleisten. Der Päpstliche Rat für die Familie hat einen Arbeitsausschuss für die angemessene Vorbereitung des Treffens gegründet. Für die Tage vor dem Treffen mit dem Heiligen Vater sind außerdem folgende Aktivitäten vorgesehen: Vigil der Vorbereitung Am Samstagnachmittag, dem 8, Oktober, wird in den großen Basiliken und in anderen Kirchen von Rom, je nach Sprachgruppen, eine Vigil der Vorbereitung des Treffens mit Johannes Paul II. stattfinden. Diese Vigil beinhaltet einen Wortgottesdienst und in diesem wird auch Raum gegeben für einige Zeugnisse. Sonntag, 9. Oktober Ab 8.30 Uhr wird sich auf dem Petersplatz, in Erwartung der Eucharistiefeier, das Fest der Familie mit Manifestationen und Zeugnissen aus aller Welt abwickeln. 1533 KONGREGATIONEN UND RÄTE Kongress Während der vorhergehenden Tage, am 6., 7. und am Morgen des 8. Oktober, wird ein Kongreß gehalten zum Thema: „Die Familie, das Herz der Zivilisation der Liebe”, an welchem die Delegationen der Diözesen teilnehmen werden, wie auch die Vertreter der Bewegungen, Vereinigungen, Gruppen des Apostolates für die Familie und der verschiedenen Bewegungen für das Leben. Vatikanstadt, den 26. Dezember 1993. Alfonso Kardinal Löpez Trujillo Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie Bischof Elio Sgreccia Sekretär 1534 VI. Anhang ANHANG Die Familie: ein Hort des Lebens Schlußerklärung der Teilnehmer des Kongresses „10. Jahrestag der Charta der Rechte der Familie” vom 8. bis 10. März Auf Einladung des Päpstlichen Rates für die Familie und in Zusammenarbeit mit der Italienischen Bischofskonferenz fand in Villa Bagnola in Gazzada (Varese) ein Kongreß statt, an dem Wissenschaftler, Politiker und im Dienst am Leben engagierte Persönlichkeiten aus ganz West- und Osteuropa teilgenommen haben. Anlaß war der 10. Jahrestag der Charta der Familienrechte, die der Hl. Stuhl im Jahre 1983 auch im Hinblick auf das Internationale Jahr der Familie veröffentlicht hatte. Der Kongreß fand vom 8. bis 10. März 1993 statt und wurde mit einem Referat von Kardinal Alfonso Lopez Trujillo über das Thema „Die Rolle der Politiker und Gesetzgeber zugunsten der Familie und des Lebens” eröffnet. Etwa 45 Persönlichkeiten nahmen teil, unter ihnen Univ.-Prof. Dr. Herbert Schambeck (Vizepräsident des Österreichischen Bundesrates), der über „Rechte der Familie und Verfassungsrecht sprach, sowie Prof. Roland Ganghofer (Universität Straßburg III), der über „Das Recht der Familie in Europa” referierte. Die Kongreßteilnehmer gaben folgende Schlußerklärung ab: I. Familie und Gesellschaft 1. Da wir uns dem Jahr der Familie nähern, sehen wir mit Freude das Interesse, das die wichtigsten internationalen Organisationen für die Institution Familie gezeigt haben. Dieses Interesse ist ein sehr positives Zeichen, das uns zum Nachdenken über die Rolle und Bedeutung der Familie in der Gesellschaft veranlaßt hat. 2. Wir freuen uns, feststellen zu können, daß Millionen von Männern und Frauen in der ganzen Welt ein wahres Familienleben führen in gutem Einvernehmen miteinander und mit ihren Nachbarn. Doch wir erkennen ebenfalls an, daß viele von ihnen Gesetzessystemen unterworfen sind, die ihnen Schwierigkeiten bereiten und ihr Bemühen um ein echtes Familienleben erschweren. Wir wünschen uns, daß diese bewußt herbeigeführten oder zufälligen Schwierigkeiten überwunden werden können, so daß das Leben der Familien ermutigt und gestärkt wird. 3. Bei unseren Überlegungen haben wir ein wichtiges Dokument benützt: die Charta der Familienrechte, am 22. Oktober 1983 vom Heiligen Stuhl vorgelegt. Diese Erklärung betont vor allem: „Die Familie hat ihre Grundlage in der Ehe, dieser innigen Lebensgemeinschaft in gegenseitiger Ergänzung von Mann und Frau, die durch das frei übernommene und öffentlich bekundete unauflösliche Eheband gebildet wird und offen ist für die Weitergabe des Lebens” {Präambel). 4. Die Existenz der Familie geht der des Staates und jeder anderen Gruppe voraus und erfreut sich eigener und unveräußerlicher Rechte. Ihre Wirklichkeit hat universalen Charakter und entspricht dem grundlegenden Streben nach Glück, das sich im Herzen eines jeden Mannes und einer jeden Frau findet. 5. Diesen eigenen und unveräußerlichen Rechten der Familie entsprechen Pflichten. Deshalb entfaltet sich das Familienleben nicht nur in der Privatsphäre. Die so ver- 1537 ANHANG standene Familie bildet eine unerschöpfliche Quelle für die Gesellschaft; vor allem in ihr findet man Gleichheit und Freiheit. 6. Die Aufgabe der Familie als Ort, der von der Geburt, der Erziehung und der Verwirklichung des Menschen bestimmt ist, wird von einer vom Individualismus geprägten Gesamtumwelt erschwert. Aber durch die gegenseitige Ergänzung und Vielfalt ihrer Mitgüeder trägt die Familie in bleibender Weise zur Heranbildung und Verwirklichung der Menschen bei. Die Familie ist eine naturgegebene Gemeinschaft, die der Staat als solche berücksichtigen muß, weil sie eine Zelle der Gesellschaft bildet. Doch muß der Staat zugleich kraft des Grundsatzes der Subsidiarität die berechtigte Autonomie der Familie achten und sich davor hüten, in ihr inneres Leben einzugreifen. 7. Als naturgegebene Gemeinschaft ist die Familie für uns Christen außerdem in den Plan Gottes eingeordnet; sie ist eine „Kirche im Kleinen”, eine „Hauskirche”, in der die Eltern sich gegenseitig unter Gottes Augen aufbauen und die Kinder im Glauben wachsen können. So drückt die Familie durch die Vielfalt ihrer Mitglieder etwas vom Reichtum des Geheimnisses der Liebe aus, das die Dreifaltigkeit ist. Kurz, als Zelle der Gesellschaft ist die Familie zugleich Zelle der Kirche. 8. Der beste Weg, der Familie die Ausübung ihrer Verantwortung in der Gesellschaft zu ermöglichen, ist daher die Anerkennung ihrer Stellung in den internationalen Abmachungen und Erklärungen wie auch in den Grundaussagen der Staaten, zumal in den Verfassungen. Die Familie stellt jenen Bereich dar, wo die Rechte eines jeden echte und zugleich einklagbare Rechte werden. Deshalb muß die Familie der Maßstab für alle gesetzlichen und verwaltungsmäßigen Verfügungen werden. Der Gesetzgeber muß immer die positive oder negative Auswirkung der gesetzgeberischen oder verwaltungsmäßigen Verfügungen auf die Familien vor Augen haben. 9. Die Grundsätze, von denen diese Dokumente ausgehen, müssen im Gesetz verankert werden. Die konkreten Anwendungen der gesetzlichen Verfügungen müssen von den Gerichtshöfen garantiert werden. Wir machen auf jene Gesetze aufmerksam, die mit der Feststellung der undiskutierbaren grundlegenden Prinzipien beginnen, doch später Artikel einfügen, die die vorher bejahten Prinzipien wieder aufheben. Diese „Technik der Einschränkung” führt den Gesetzgeber dahin, die Gesetze das Gegenteil von dem sagen zu lassen, was sie scheinbar sagen. Das ist zum Beispiel der Fall bei den ungeborenen Kindern, denen das Gesetz feierlich das Recht auf Leben zuerkennt, doch unmittelbar danach führt es Ausnahmen ein; die rasch verallgemeinert werden und tatsächlich das vorher verkündete Recht aufheben. 10. Die internationalen und nationalen Texte müssen besonders die Grundrechte der Kinder in der Familie garantieren; das Recht auf Leben; das Recht, einen Vater und eine Mutter zu haben, und zwar nicht nur im Augenblick der Befruchtung; das 1538 ANHANG Recht, mit den eigenen Geschwistern gemeinsam heranzuwachsen; das Recht auf eine Erziehung, die zur Familie und Liebe hinfuhrt; das Recht auf einen Namen, der sich an der vom Kind ererbten Kultur inspiriert; das Recht auf Achtung, die der Unschuld der Kinder gebührt; schließlich ganz einfach das Recht auf die Kindheit oder das Recht, nicht in die Konflikte der Erwachsenen einbezogen und voll und ganz als Mensch geachtet zu werden. 11. Immer wenn ihre Interessen im Spiel sind, haben die Familien das Recht und die Pflicht, durch geeignete Verbände an der Vorbereitung von Abkommen und Gesetzen teilzunehmen, auch über damit verbundene Entscheidungen hinaus, die im Rahmen der öffentlichen oder privaten Organisationen gefällt wurden. 12. Die Familien müssen zu allen Kommunikationsmedien Zugang haben angesichts der Tatsache, daß die letzteren zur Erziehung, Information, Kultur, Unterhaltung und Freizeitgestaltung beitragen. 13. Um ihrer Verantwortung nachzukommen und ihren Mitgüedem Lebensbedingungen zu sichern, die eines Menschen würdig sind, brauchen die Familien Frieden. Aus diesem Grund erwarten sich die Familien von den Staaten, daß sie ihre Konflikte gerecht und mit friedlichen Mitteln lösen. Die Wahrung eines gerechten und dauerhaften Friedens ist daran gebunden, daß unter den Familien, Völkern und Nationen eine aktive Solidarität im wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und affektiven Sinn besteht. 14. Die jeweilige Familienpolitik und die Gesetze, in denen diese Politik Form annimmt, entsprechen der Pflicht zur Gerechtigkeit, und sie müssen, sich vom Grundsatz der Solidarität unter den Generationen leiten lassen. Eine solche Politik darf sich ihrer Natur nach nicht auf eine Steuerpolitik der Umverteilung des Einkommens beschränken, aber auch nicht auf eine Politik der Sozialhilfe. Sie muß gerechte Löhne für jene sicherstellen, die derzeit Erziehungsaufgaben erfüllen. Diese Forderung nach Solidarität, die bereits die Beschäftigungs-, Gesundheits- und Rentenpolitik bestimmt, muß ebenso im Bereich der Familienpolitik beachtet werden. 15. Zusammenfassend können wir auf drei Ebenen des Nachdenkens und Handelns hinweisen: a) Die Familie trägt in entscheidender Weise zum Aufbau der Gerechtigkeit und zum Erstreben des Gemeinwohls bei. Sie ist mit Vorrang der Ort der Wertfindung zugunsten der politischen Gesellschaft. b) Die Achtung vor den Werten und Rechten der Familie wie auch die Förderung einer wirksamen Familienpolitik erweisen sich heute als unerläßliche Voraussetzungen zur Überwindung der Krise, die die heutige Welt erschüttert, aber auch zum Aufbau einer demokratischen Gemeinschaft im Dienst aller. c) Alle, die unsere Auffassung von der Familie teilen, rufen wir auf, mit vereinten Kräften und Energien das Wohl der Familie zu fördern, eine bessere Zukunft zu 1539 ANHANG bauen und für das Glück aller Menschen sowie der ganzen menschlichen Gemeinschaft zu wirken. II. Die Familie - bioethische Aspekte 1. Im Augenblick der Befruchtung beginnt ein neuer, einmaliger und unwiederholbarer Mensch sein Leben. Dadurch ist dieses empfangene Kind Mitglied der Menschheitsfamilie und Subjekt von natürlichen Rechten, und es muß wie jeder andere Mensch den vollen Schutz der Gesetze genießen können. Die biologische Wissenschaft ermöglicht heute mehr noch als früher die Feststellung, daß es sich von diesem wunderbaren Augenblick an nicht mehr um ein ungegliedertes Zellenganzes handelt; aber die physische Konstitution des Neuempfangenen, die individuell ist und sich von der des Vaters und der Mutter unterscheidet, kann nicht unabhängig von dem Lebewesen existieren, das es selbst herausbildet. Vom philosophischen Standpunkt aus kann die aus der substantiellen Vereinigung von Seele und Leib gebildete menschliche Person während des gesamten Verlaufs ihres irdischen Lebens nicht von ihrer körperlichen Konstitution getrennt betrachtet werden. Aus diesem Grund muß vom rechtlichen Standpunkt aus dem Menschen von seiner Befruchtung an der Wert einer Person zuerkannt werden, und zwar ohne zwischen den Entwicklungsstadien einen Wertunterschied zu machen, der somit eine Diskriminierung wäre; der Mensch als solcher muß die menschlichen Grundrechte und als erstes von allen das Recht auf Leben genießen können. Vom theologischen Standpunkt aus ist jeder Mensch vom Augenblick der Empfängnis an mit der Würde eines menschlichen Geschöpfes bekleidet, welches das Bild des Vaters in sich trägt. Der einzelne Mensch leitet - wie immer seine Entwicklungsstufe sein mag - seine Würde von seinem Geschöpfsein her und besitzt die Fähigkeit einer Person, frei zu handeln; deshalb ist er das Abbild Gottes. 2. Kraft dieser eigenen Würde hat jeder einzelne Mensch das Recht, bei einem durch die Ehe fest und unauflöslich verbundenen Eltempaar aufzuwachsen, also in einer Lebens- und Liebesgemeinschaft; der Mensch besitzt ferner das Recht, einem Akt freier und verantworteter ehelicher Liebe zu entstammen (vgl. Donum vitae, Nr. 2,4). Doch auch in den Fällen, wo die Empfängnis außerhalb dieser Liebesge-meinschaft erfolgt ist, verdient das empfangene Kind die volle Achtung, wie sie jedem Menschen gebührt. Es ist Träger des Rechts auf Leben und muß daher von der Mutter, möglichst innerhalb einer Familie, angenommen und erhalten werden. 3. Ausgehend von diesem „Familienprinzip” müssen wir für die Familie selbst, die Eltern und die anderen Mitglieder, die Zuständigkeit, das Recht und die Pflicht beanspruchen, jedes Kind zu versorgen und heranzubilden, das seinerseits ein kostbares Geschenk und für alle Mitglieder eine Quelle von Werten darstellt. 1540 ANHANG 4. Ausgehend von diesen unverzichtbaren Erwägungen, stellen wir angesichts der Schwierigkeiten, die sich für die Familie und das Ehepaar in verschiedener Form ergeben können, fest: a) Die Abtreibung ist weder eine gültige noch eine annehmbare Antwort, weil sie ein schweres Vergehen gegen das Leben des empfangenen Kindes darstellt, zugleich eine schwere Beeinträchtigung vom Leben und von der Würde der Frau, die angesichts dieses traurigen Vorgangs allein gelassen wird. Die Legalisierung der Abtreibung ist Teil der Korruption der Gesellschaft und des Rechtes, deren Aufgabe es doch wäre, das Leben jedes Einzelmenschen und die Mutterschaft zu schützen. Für dieses schwere Vergehen sind auch alle jene verantwortlich, die diesen Vorgang erleichtern, ausführen oder dabei mitarbeiten, ferner in entsprechendem Maß jene, die dafür die Voraussetzungen und günstigen Umstände schaffen oder nicht alles ihnen Mögliche tun, um diese zu beseitigen. Heute muß vor allem berücksichtigt werden, daß die Abtreibung nicht mehr nur ein Problem der Moral des einzelnen, sondern auch ein Problem der politischen Moral ist, weil es Formen der Politik gibt, die ihre Legalisierung programmieren, die Anreize dazu fördern und durch das Gesetz selbst eine Art sozialer Rechtfertigung schaffen. Unter dieser negativen Spirale leidet nicht nur die Achtung vor dem Leben, sondern auch die Würde des Gesetzes, ja sogar der Begriff einer echten Demokratie. Man muß sich darüber klar sein, daß eine Demokratie, die nicht das menschliche Leben aller schützt, keine wesentliche, sondern nur eine formelle Demokratie ist, und das Gesetz wird in diesem Zusammenhang zu einer bloßen Verfahrensweise. Die alternative Antwort auf die Abtreibung muß mit allen Kräften gegeben werden durch eine Politik, welche die Solidarität, die Familie und Gesellschaft fördert, so daß für alle das Recht auf Leben und eine Lebensqualität gesichert wird, die der Würde der Person entsprechen. Die Gemeinschaft muß den Frauen, die die negative und schmerzliche Erfahrung der Abtreibung gemacht haben, natürlich beistehen und sie moralisch und geistig unterstützen. b) Auch wenn uns die Schwierigkeiten bekannt und bewußt sind, die die Gesellschaft den Ehepaaren macht, wenn sie neues Leben annehmen wollen, so ist doch die Empfängnisverhütung, durch die die eheliche Intimität verarmt und geschädigt wird, weil sie die vereinigende Dimension des ehelichen Aktes von seiner Dimension der Zeugung trennt, keine gültige, humane Antwort auf das Problem der Geburtenregelung. Trotzdem ist die Empfängnisverhütung zusammen mit der Sterilisation leider eines der bevorzugten Mittel für die Politik der Geburtenbeschränkung, die oft der Bevölkerung aufgezwungen wird. Sie entspricht auch nicht dem, was die Offenbarung fordert, nämlich der Tatsache, daß Mann und Frau ein Fleisch sein sollen, wie man der biblischen Anthropologie entnehmen kann („una caro”, vgl. Gen 2,24; Mt 19,6). 1541 ANHANG Neue chemische Produkte und Impfstoffe, die als empfängnisverhütend vorgeschlagen werden, können die Abtreibung vor der Einnistung hervorrufen oder die Fortsetzung der Schwangerschaft verhindern, wodurch die Mentalität belastet und le-bensverneinende Methoden praktiziert werden. Deshalb sind die Wissenschaftler, Ärzte und Mitarbeiter des Gesundheitswesens aufgefordert, Methoden zu pflegen und vorzuschlagen, die die Würde des Lebens, der Ehe und der Familie achten; sie sollen Methoden der natürlichen Regelung der Fruchtbarkeit erarbeiten und verbreiten und ein echtes Verständnis von verantworteter Vater- und Mutterschaft aufbauen. Die jeweilige Sozialpolitik muß auch mehr das Recht der kinderreichen Familien anerkennen und die Möglichkeit der Eheschließung und Annahme des Lebens auch für jüngere Paare und alleinstehende Mütter fördern. c) Die Plage der Ehescheidung, die Ehe und Familie zerrüttet, wie schon bemerkt wurde, stellt eine Beleidigung des wahren Wohls der Eheleute dar, schafft für die Familienmitglieder selbst schwierige Lebensverhältnisse und trägt negativ zur sozialen Benachteiligung der Kinder und Jugendlichen bei. Es ist Aufgabe der ganzen Gemeinschaft, diesem Übel zuvorzukommen, seine Legalisierung im Rahmen der Ausübung der bürgerlichen Rechte zu verhindern sowie die schädlichen Folgen der Situationen der Krise und mehr oder weniger ständigen Trennung zu erleichtern. d) Die künstliche Zeugung, wenn sie als Ersatz für den ehelichen Akt erfolgt, wie es auch in vergleichbarer Form geschieht, bringt eine Trennung des Zeugungsaktes von seinem eigentlichen Ausgangspunkt, nämlich der ehelichen Vereinigung, mit sich; sie beleidigt in ihren andersgearteten Zeugungsweisen die Einheit der Familie und gibt bei der extrakorporalen Befruchtung Gelegenheit, über das empfangene Kind zu bestimmen, indem sie eine Manipulierung, Experimente, schließlich den Verlust und sogar die Beseitigung der empfangenen Kinder selbst möglich macht. Die Antwort auf die Probleme der Unfruchtbarkeit muß durch die wissenschaftliche Vervollkommnung echter und eigentlicher Therapien erfolgen, die der Unfruchtbarkeit Vorbeugen und sie heilen; ferner durch den erweiterten und hochherzigen Zugang zu sozialer Mutter- und Vaterschaft mittels Adoption von seiten einer echten Familie sowie der Betreuung alleinstehender und verlassener Kinder und die verschiedenen Formen des Einsatzes zu ihren Gunsten. Die Interpretation der Bibel in der Kirche Päpstliche Bibelkommission vom 23. April Geleitwort zum Dokument der Bibelkommission von Kardinal Joseph Ratzinger Das Studium der Bibel ist gleichsam die Seele der Theologie, so sagt das Zweite Vatikanum im Anschluß an ein Wort von Papst Leo XIII. (Dei Verbum, Nr. 24). 1542 ANHANG Dieses Studium ist nie abgeschlossen; jede Zeit wird auf ihre Weise neu nach dem Verstehen der heiligen Bücher suchen müssen. In der Geschichte der Auslegung hat das Entstehen der historisch-kritischen Methode eine neue Epoche eröffnet. Mit ihr haben sich neue Möglichkeiten aufgetan, das biblische Wort in seiner Ursprünglichkeit zu verstehen. Wie alles Menschliche so birgt auch diese Methode mit ihren positiven Möglichkeiten Gefährdungen in sich: Die Suche nach dem Ursprünglichen kann dazu führen, daß das Wort ganz in die Vergangenheit zurückgestellt und nicht mehr in seiner Gegenwärtigkeit vernommen wird. Sie kann dazu führen, daß nur noch die menschliche Dimension des Wortes als real erscheint, während der eigentliche Autor, Gott, sich dem Zugriff einer Methode entzieht, die eben zum Verstehen der menschlichen Dinge erarbeitet wurde. Die Anwendung einer „profanen” Methode auf die Bibel mußte Auseinandersetzungen herausfordem. Alles, was dazu hilft, Wahrheit besser zu erkennen und eigene Vorstellungen in Zucht zu nehmen, ist hilfreich und wertvoll für die Theologie. In diesem Sinne mußte die Methode Eingang in ihre Arbeit finden. Alles, was unseren Horizont einschränkt und uns hindert, über das bloß Menschliche hinauszuschauen und hinauszuhören, muß aufgebrochen werden. So hat das Aufkommen der historisch-kritischen Methode zugleich ein Ringen um ihre Tragweite und um ihre rechte Gestaltung in Bewegung gesetzt, das noch keineswegs abgeschlossen ist. In diesem Ringen hat das Lehramt der katholischen Kirche mehrmals mit gewichtigen Dokumenten Stellung bezogen. Zunächst hat Papst Leo XIII. am 18. November 1893 mit der Enzyklika Providentissimus Deus einige Markierungen in die Landkarte der Exegese eingezeichnet. Wenn sich Leo XIII. in der Zeit eines äußerst selbstsicheren und geradezu dogmatisch auftretenden Liberalismus überwiegend kritisch geäußert hatte, ohne das Positive der neuen Möglichkeiten auszuschließen, so konnte fünfzig Jahre später aufgrund der fruchtbaren Arbeit großer katholischer Exegeten Papst Pius XII. in seinem Schreiben Divino afflante Spiritu vom 30. September 1943 vor allem positiv ermutigen, die modernen Methoden für das Verstehen der Bibel fruchtbar zu machen. Die Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die göttliche Offenbarung, Dei Verbum, vom 18. November 1965 griff dieses alles auf; sie hat uns eine Synthese zwischen den bleibenden Einsichten der Vätertheologie und den neuen methodischen Erkenntnissen der Moderne geschenkt, die maßgebend bleibt. Inzwischen hat sich das methodische Spektrum exegetischer Arbeit in einer Weise ausgeweitet, wie es vor dreißig Jahren noch nicht abzusehen war. Neue Methoden und neue Zugänge bieten sich an, vom Strukturalismus bis hin zur materialistischen, zur psychoanalytischen, zur liberationistischen Exegese. Andererseits sind auch neue Versuche im Gang, die Methoden der Väterexegese wiederzugewinnen und erneuerte Formen geistlicher Auslegung der Heiligen Schrift zu erschließen. So hielt es die Päpstliche Bibelkommission für ihre Pflicht, hundert Jahre nach Providentissimus Deus und fünfzig Jahre nach Divino afflante Spiritu eine Standortbestimmung katholischer Exegese in dieser gegenwärtigen Situation zu suchen. Die Päpstliche 1543 ANHANG Bibelkommission ist nach ihrer im Anschluß an das Zweite Vatikanum erfolgten Neugestaltung kein Organ des Lehramts, sondern eine Kommission aus Gelehrten, die in ihrer zugleich wissenschaftlichen und kirchlichen Verantwortung als gläubige Exegeten zu wesentlichen Problemen der Schriftauslegung Stellung nehmen und sich dabei vom Vertrauen des Lehramts getragen wissen. Auf diese Weise ist das hier vorliegende Dokument entstanden. Es gibt einen fundierten Überblick über das Panorama gegenwärtiger Methoden und bietet so dem Fragenden Orientierung über Möglichkeiten und Grenzen dieser Wege. Dies alles voraussetzend stellt sich der Text dann der Frage danach, wie denn der Sinn der Heiligen Schrift erkannt werden könne, dieser Sinn, in dem Menschenwort und Gotteswort, die Einmaligkeit historischen Geschehens und das Immerwährende des ewigen Wortes ineinandergreifen, das jeder Zeit gleichzeitig ist. Das bibüsche Wort kommt aus einer realen Vergangenheit, aber nicht nur aus Vergangenheit, sondern zugleich aus der Ewigkeit Gottes. Es führt uns in die Ewigkeit Gottes hinein, aber wieder auf dem Weg über die Zeit, zu der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gehören. Ich glaube, daß das Dokument für die große Frage nach dem rechten Weg zum Verstehen der Heiligen Schrift wirklich hilfreich ist und Weiterführendes sagt. Es greift die Linie der Enzykliken von 1893 und 1943 auf und führt sie in einer fruchtbaren Weise weiter. Den Mitgliedern der Bibelkommission möchte ich für das geduldige und oft mühsame Ringen danken, in dem allmählich dieser Text gewachsen ist. Ich wünsche dem Dokument eine weite Verbreitung, damit es ein wirksamer Beitrag werde auf der Suche nach einer tieferen Aneignung des Wortes Gottes in der Heiligen Schrift. Rom, am Fest des heiligen Evangelisten Matthäus 1993 Joseph Cardinal Ratzinger Einführung Die Interpretation der biblischen Texte stößt auch heute auf reges Interesse und gibt zu wichtigen Diskussionen Anlaß. Diese haben in den letzten Jahren neue Dimensionen gewonnen. Da die Bibel für den christlichen Glauben, für das Leben der Kirche und für die Beziehungen zwischen Christen und Gläubigen anderer Religionen von entscheidender Bedeutung ist, wurde die Päpstliche Bibelkommission ersucht, sich zu diesem Thema zu äußern. A. Die aktuelle Problematik Das Problem der Bibelauslegung ist keine moderne Erfindung, wie man manchmal glauben machen will. In der Bibel selbst sehen wir, daß ihre Auslegung Schwierigkeiten bereitet. Neben eindeutigen Texten enthält sie dunkle Stellen. Als Daniel gewisse Prophetenworte von Jeremia las, suchte er lange nach ihrem Sinn 1544 ANHANG (Dan 9,2). In der Apostelgeschichte hören wir, wie ein Äthiopier im 1. Jahrhundert in Bezug auf einen Abschnitt des Jesaja-Buches (Jes 53,7-8) sich in der gleichen Lage befand und sich an einen Interpreten wenden mußte (Apg 8,30-35). Im 2. Petrusbrief lesen wir, daß „keine Weissagung der Heiligen Schrift eigenmächtig ausgelegt werden darf” (2 Petr 1,20), und weiter, daß in den Briefen des Apostels Paulus „manches schwer zu verstehen (ist), und die Unwissenden, die noch nicht gefestigt sind, diese Stellen ebenso wie die übrigen Schriften zu ihrem eigenen Verderben verdrehen” (2 Petr 3,16). Das Problem ist also nicht neu, doch hat es im Laufe der Zeit an Gewicht gewonnen: um zu den Fakten und Aussagen der Bibel vorzudringen, müssen die Leser sich um fast zwanzig oder dreißig Jahrhunderte zurückversetzen, und das ist nicht ohne Schwierigkeiten möglich. Zudem sind heutzutage die Probleme der Interpretation wegen der Fortschritte der Geisteswissenschaften komplexer geworden. Wissenschaftliche Methoden wurden zur Erschließung der Texte der Antike entwickelt. Inwieweit sind diese Methoden auch für die Auslegung der Heiligen Schrift geeignet? Aus pastoraler Klugheit hat die Kirche lange Zeit sehr zurückhaltend auf diese Frage reagiert, denn oft waren diese Methoden trotz ihrer positiven Werte an Optionen gebunden, die dem christlichen Glauben entgegengesetzt waren. Schließlich hat eine positive Entwicklung stattgefunden, die durch eine ganze Reihe päpstlicher Dokumente gekennzeichnet ist, angefangen von der Enzyklika Providentissimus von Leo Xm. (18. Nov. 1893) bis zur Enzyklika Divino afflante Spiritu von Pius XU. (30. Sept. 1943). Diese Entwicklung wurde durch die Erklärung Sancta Mater Ecclesia (21. April 1964) der Päpstlichen Bibelkommission und vor allem durch die Dogmatische Konstitution Dei Verbum des II. Vatikanischen Konzils (18. Nov. 1965) bestätigt. Die Fruchtbarkeit dieser konstruktiven Haltung zeigte sich deutlich. Die biblischen Studien in der katholischen Kirche nahmen einen bemerkenswerten Aufschwung, und ihr wissenschaftlicher Wert wurde im Kreis der Wissenschafter und unter den Gläubigen immer mehr anerkannt. Der ökumenische Dialog wurde dadurch wesentlich erleichtert. Der Einfluß der Bibel auf die Theologie verstärkte sich und half mit zu einer theologischen Erneuerung. Das Interesse an der Bibel wuchs bei den Katholiken und diente dem Fortschritt des christlichen Lebens. All jene, die eine ernsthafte Ausbildung auf diesem Gebiet erworben haben, erachten es als unmöglich, auf den Stand einer vor-kritischen Auslegung zurückzukommen, die sie zu Recht als ungenügend erachten. Zum gleichen Zeitpunkt, wo die am weitesten verbreitete wissenschaftliche Methode - die „historisch-kritische” - in der Exegese, also auch in der katholischen Exegese, allgemein angewendet wird, wird diese Methode in Frage gestellt: einerseits durch das Aufkommen anderer Methoden und Zugänge in der wissenschaftlichen Welt selbst und andererseits durch die Kritik vieler Christen, die diese Methode vom Standpunkt des Glaubens aus als mangelhaft erachten. Zur historischkritischen Methode, die sich, wie ihr Name sagt, besonders mit der historischen 1545 ANHANG Entwicklung der Texte bzw. Traditionen beschäftigt, treten heute Methoden in Konkurrenz, die auf einem synchronen Verständnis der Texte bestehen, sei es in Bezug auf die Sprache, die Komposition, die narrative Struktur oder die rhetorische Form. Außerdem wird bei vielen der Versuch der diachronen Methoden, die Vergangenheit zu rekonstruieren, durch die Tendenz ersetzt, die Texte zu hinterfragen, indem man sie in die Perspektive der heutigen Zeit setzt, sei es unter philosophischer, psychoanalytischer, soziologischer oder politischer Hinsicht. Dieser Pluralismus der Methoden und Zugänge wird von den einen als Reichtum geschätzt, bei andern jedoch hinterläßt er den Eindruck einer großen Verwirrung. Ob diese Verwirrung nun real oder vermeintlich ist, jedenfalls liefert sie den Gegnern der wissenschaftlichen Exegese neue Argumente. Ihrer Meinung nach zeigt der Konflikt bei der Interpretation, daß man nichts dabei gewinnt, wenn die biblischen Texte den Ansprüchen der wissenschaftlichen Methoden unterworfen werden. Im Gegenteil, man verliere dabei viel. Sie betonen, die wissenschaftliche Exegese schaffe Verwirrung und löse Zweifel in Dingen aus, die vorher mühelos angenommen wurden; sie dränge gewisse Exegeten zu Positionen, die dem Glauben der Kirche in so wichtigen Fragen widersprächen, wie der jungfräulichen Empfängnis Jesu, seinen Wundem, ja sogar seiner Auferstehung und seiner Gottheit. Auch wenn es nicht zu solchen Negierungen kommt, so charakterisierte sich ihrer Meinung nach die wissenschaftliche Exegese doch durch ihre Sterilität in bezug auf das christlichen Leben. Statt einen leichteren und sichereren Zugang zu den frischen Quellen des Wortes Gottes zu schaffen, mache sie aus der Bibel ein verschlossenes Buch, dessen doch immer problematische Interpretation raffinierte technische Mittel erheische und so aus der Bibel ein Reservat für Spezialisten mache. Für diese gilt, so glauben einige, das Wort des Evangeliums: „Ihr habt den Schlüssel (der Tür) zur Erkenntnis weggenommen; ihr selbst seid nicht hineingegangen, und die, die hineingehen wollten, habt ihr daran gehindert” (Lk 11,52; vgl. Mt 23,13). Folglich ist man nun der Meinung, es sei notwendig, an die Stelle der geduldigen Arbeit der wissenschaftlichen Exegese einfachere Zugänge zu eröffnen, wie z. B. die eine oder andere Form synchroner Lesung, die man als genügend erachtet; oder man preist sogar eine sogenannte „geistliche” Lesung der Bibel an, womit man eine Lektüre meint, die einzig und allein durch die persönliche, subjektive Eingebung geleitet ist und die diese Eingebung nähren soll. Einige suchen in der Bibel den Christus ihrer persönlichen Auffassung und die Befriedigung ihrer spontanen Religiosität. Andere behaupten, in ihr direkte Antworten auf vielerlei persönliche und die Gemeinschaft.betreffende Fragen zu finden. Viele Sekten bieten eine Interpretation als allein wahr an, die sie, so behaupten sie, in einer Offenbarung erhalten hätten. . 1546 ANHANG B. Ziel dieses Dokumentes Es geht also darum, die verschiedenen Aspekte der heutigen Situation in bezug auf die Interpretation der Bibel ernsthaft zu bedenken, Kritik, Klagen und Erwartungen aufmerksam anzuhören und die durch die neuen Methoden und Zugänge eröffneten Möglichkeiten zu nützen. Schließlich soll die Orientierung, die dem Auftrag der Exegese in der katholischen Kirche am besten entspricht, genau bestimmt werden. Das ist das Ziel dieses Dokumentes. Die Päpstliche Bibelkommission möchte die Wege aufzeigen, die zu einer dem menschlichen und zugleich göttlichen Charakter der Bibel möglichst getreuen Auslegung führen. Sie erhebt nicht den Anspruch, zu allen Fragen Stellung zu beziehen, die sich in Bezug auf die Bibel stellen, wie z. B. die Theologie der Inspiration. Sie will nur die Methoden prüfen, die erlauben sollen, den ganzen Reichtum, der in den biblischen Texten enthalten ist, zu erschließen, damit das Wort Gottes immer mehr zur geistigen Nahrung für die Güeder seines Volkes werden kann, zur Quelle für ein Leben aus dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe und zum Licht für die ganze Menschheit (vgl. Dei Verbum, Nr. 21). Um dieses Ziel zu erreichen, will dieses Dokument: 1. eine kurze Beschreibung der verschiedenen Methoden und Zugänge <210> mit ihren Möglichkeiten und Grenzen geben; Unter exegetischer „Methode” verstehen wir die gesamten wissenschaftlichen Vorgehensweisen zur Auslegung der Texte. Wir sprechen, von „Zugängen”, wenn es sich um Forschung nach einem bestimmten Gesichtspunkt handelt (Anm. der Bibelkommission). 2. Fragen der Hermeneutik ansprechen; 3. Überlegungen über die spezifischen Dimensionen der katholischen Interpretation der Bibel und über ihren Bezug zu den andern theologischen Disziplinen vorlegen; 4. die Stellung erwägen, die der Interpretation der Bibel im Leben der Kirche zukommt. I. Methoden und Zugänge für die Interpretation A. Historisch-kritische Methode Die historisch-kritische Methode ist die unerläßliche Methode für die wissenschaftliche Erforschung des Sinnes alter Texte. Da die Heilige Schrift, als „Wort Gottes in menschlicher Sprache”, in all ihren Teilen und Quellen von menschlichen Autoren verfaßt wurde, läßt ihr echtes Verständnis diese Methode nicht nur als legitim zu, sondern es erfordert auch ihre Anwendung. 1. Zur Geschichte dieser Methode Will man diese Methode in ihrem heutigen Stand richtig bewerten, muß man einen Blick auf ihre Geschichte werfen. Gewisse Elemente dieser Interpretationsmethode 1547 ANHANG sind sehr alt. Sie wurden in der Antike von griechischen Kommentatoren der klassischen Literatur angewandt und später, in der patristischen Zeit, von Autoren wie Origenes, Hieronymus und Augustinus. Die Methode war damals noch wenig ausgearbeitet. Ihre modernen Formen sind das Ergebnis von Vervollkommnungen, besonders seit den Humanisten der Renaissance und ihrem recursus ad fontes. Die Textkritik des Neuen Testamentes entwickelte sich jedoch als wissenschaftliche Disziplin erst seit etwa 1800, nachdem man sich vom Textus receptus losgelöst hatte, während die Literarkritik schon auf das 17. Jahrhundert zurückgeht. Bahnbrechend war das Werk von Richard Simon, der die Aufmerksamkeit auf die Doppelungen, die Differenzen im Inhalt und auf die Stilunterschiede, wie man sie im Pentateuch feststellen kann, lenkte, Feststellungen, die mit der Vorstellung eines einzigen Autors Mose nicht vereinbar sind. Im 18. Jahrhundert genügte für Jean Astruc noch die Erklärung, Mose hätte sich eben verschiedener Quellen bedient (besonders zweier Hauptquellen), um das Buch Genesis zu verfassen. Doch die Kritik bestritt in der Folge immer entschiedener die Verfasserschaft Moses für den Pentateuch selbst. Die Literarkritik beschränkte sich lange Zeit auf das Bestreben, in den Texten die verschiedenen Quellen (Dokumente) voneinander zu scheiden. So entwickelte sich dann im 19. Jahrhundert die „Urkundenhypothese”, die der Redaktion des Pentateuchs Rechnung zu tragen versucht. Vier zum Teil parallele Dokumente bzw. Quellenschriften aus verschiedenen Epochen wären miteinander verschmolzen worden: der Jahwist (J), der Elohist (E), das Deuteronomium als Quelle (D) und die Priesterschrift (P). Die letztere hätte dem Endredaktor dazu gedient, das Ganze zu strukturieren. In analoger Weise berief man sich auf die Zweiquellenhypothese, um die beobachteten Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den drei synoptischen Evangelien zu erklären; gemäß dieser Hypothese wären die Evangelien von Matthäus und Lukas aufgrund zweier Hauptquellen entstanden: dem Evangelium von Markus einerseits, und andererseits einer Sammlung von Worten Jesu (genannt Q = Quelle). Im wesentlichen werden diese beiden Hypothesen auch heute noch in der wissenschaftlichen Exegese vertreten, sind jedoch auch umstritten. Im Bestreben, die Chronologie der biblischen Texte zu erstellen, beschränkte sich die Literarkritik auf die Abtrennung und Zergliederung von Texteinheiten, um die verschiedenen Quellen zu unterscheiden. Sie wendete der Endgestalt des biblischen Textes nicht genügend Aufmerksamkeit zu. Die Botschaft, die dieser in seiner jetzigen Form zum Ausdruck bringt, war ihr nicht von Bedeutung (man zeigte wenig Achtung für das Werk der Redaktoren). Aus diesem Grunde konnte die historischkritische Methode als zersetzend und zerstörerisch erscheinen, dies umso mehr, als gewisse Exegeten unter dem Einfluß der vergleichenden Religionsgeschichte, so wie sie damals gepflegt wurde, oder philosophischer Anschauungen negative Urteile über die Bibel äußerten. 1548 ANHANG Hermann Gunkel hat die Methode aus dem Ghetto einer eng verstandenen Literar-kritik herausgeführt. Obwohl er die Bücher des Pentateuchs <211> weiterhin als Sammelwerke betrachtete, so wandte er doch seine Aufmerksamkeit der besonderen Beschaffenheit der verschiedenen Abschnitte zu. Er versuchte, die Gattung jeder einzelnen Einheit (z. B. „Legende” oder „Hymnus”), sowie ihre Herkunft oder ihren „Sitz im Leben” (z. B. Rechtswesen, Liturgie usw.) zu bestimmen. Mit dieser Erforschung der literarischen Gattungen ist die „kritische Erforschung der Formen” verbunden, die „Formgeschichte”, die in die Exegese der Synoptiker durch Martin Di-belius und Rudolf Bultmann eingeführt wurde. Letzterer verband das Studium der Formgeschichte mit einer biblischen Hermeneutik, die bei der existentialistischen Philosophie von Martin Heidegger Anregung suchte. Die Folge davon war, daß die Formgeschichte oft zu ernsthaften Vorbehalten führte. Doch diese Methode an und für sich führte zum Ergebnis, daß deutlich wurde, wie die neutestamentliche Überlieferung ihre Herkunft <212> in der christlichen Gemeinde hatte, und ihre Form von der Urkirche empfing, daß sie von der. Verkündigung Jesu selbst zur Verkündigung über Jesus als dem Christus gelangte. Zur Formgeschichte gesellte sich die Redaktionsgeschichte, eine kritische Untersuchung der Redaktion. Diese versuchte, den persönlichen Beitrag jedes Evangelisten und die theologische Ausrichtung, die seiner Redaktionsarbeit zugrunde lag, hervorzuheben. Durch die Anwendung dieser letzten Methode wurde die Reihe der verschiedenen Schritte der historisch-kritischen Methode vollständiger: von der Textkritik kommt man zur Literarkritik, die die Texte zerlegt (Quellenforschung), dann zu einer kritischen Erforschung der Formen und schließlich zu einer redaktionsgeschichtlichen Analyse, die dem Text als ganzem ihre Aufmerksamkeit schenkt. So wurde ein klareres Verständnis der Absicht der Verfasser und der Redaktoren der Bibel möglich, und dadurch auch der Botschaft, die sie den ersten Empfängern vermitteln wollten. Die historisch-kritische Methode gewann dadurch eine hervorragende Bedeutung. Gemeint sind die Quellenschriften des Pentateuch. Der Ausdruck „ihre Herkunft” (frz.: son origine) ist mißverständlich. Gemeint ist die Herkunft der Gestaltung der neutestamentlichen Überlieferung. 2. Prinzipien Die Grundprinzipien der historisch-kritischen Methode in ihrer klassischen Form sind die folgenden: Es ist eine historische Methode; nicht nur, weil sie sich auf alte Texte bezieht - im vorliegenden Fall auf die der Bibel - und deren historische Tragweite erforscht, sondern auch und vor allem, weil sie versucht, den historischen Prozeß der Entstehung der biblischen Texte zu klären: dieser diachrone Prozeß war oft kompliziert und von langer Dauer. In den verschiedenen Stadien ihrer Entstehung wandten sich die Bibeltexte an verschiedene Kategorien von Zuhörern oder Lesern, die sich in verschiedenen Situationen in Raum und Zeit befanden. 2 3 1549 ANHANG Es ist eine kritische Methode, denn sie arbeitet in ihrem ganzen Vorgehen (von der Textkritik bis zur Redaktionskritik) mit Hilfe wissenschaftlicher, möglichst objektiver Kriterien, um so dem heutigen Leser den Zugang zum Inhalt der biblischen Texte zu ermöglichen, deren Sinn oft schwer zu erfassen ist. Als analytische Methode erforscht sie den biblischen Text auf die gleiche Art und Weise wie sie jeden anderen Text der. Antike erforscht. Sie erläutert ihn als Erzeugnis der menschlichen Sprache. Sie hilft dadurch aber dem Exegeten, vor allem in der Erforschung der Redaktion der Texte, den Inhalt der in der Bibel enthaltenen göttlichen Offenbarung besser zu erfassen. 3. Beschreibung Im derzeitigen Stand ihrer Entwicklung durchläuft die historisch-kritische Methode folgende Etappen: Die Textkritik, die seit langer Zeit geübt wird, eröffnet die Reihe der wissenschaftlichen Forschungsvorgänge. Indem sie sich auf das Zeugnis der ältesten und besten Manuskripte stützt, wie auch auf die Papyri, die alten Übersetzungen und die Patristik, versucht sie, nach bestimmten Regeln, einen biblischen Text zu erstellen, der dem Originaltext so nahe wie möglich kommt. Danach wird der Text einer linguistischen (morphologischen und syntaktischen) und semantischen Analyse unterzogen, die die Erkenntnisse der historisch-philologischen Forschung benützt. Die Literarkritik bemüht sich dann, Anfang und Ende der großen und kleinen Texteinheiten zu bestimmen und die innere Kohärenz des Textes zu prüfen. Die Existenz von Dubletten, unvereinbaren Gegensätzen und anderen Indizien lassen den zusammengesetzten Charakter gewisser Texte erkennen; man unterteilt sie in kleine Einheiten, um deren mögliche Zugehörigkeit zu verschiedenen Quellen zu ermitteln. Die Gattungskritik versucht, die literarischen Gattungen, ihr Ursprungsmilieu, ihre spezifischen Merkmale und ihre Entwicklung zu bestimmen. Die Traditionskritik situiert die Texte in den Überheferungsströmen, deren Entwicklung im Laufe der Geschichte sie zu präzisieren versucht. Die Redaktionskritik schließlich untersucht die Veränderungen, die die Texte erfahren haben, bevor sie zu ihrer endgültigen Form gelangten; sie analysiert diese Endgestalt, indem sie die Texte unter dem Gesichtspunkt ihrer jeweiligen Orientierungen voneinander unterscheidet. Während man in den früheren Schritten versucht hat, den Text in seinem Werden in einer diachronen Perspektive zu erklären, so schließt dieser letzte Schritt mit einer synchronen Untersuchung: man erläutert nun den Text als solchen, dank der gegenseitigen Beziehungen der verschiedenen Elemente untereinander und betrachtet ihn unter dem Gesichtspunkt einer Botschaft, die der Verfasser seinen Zeitgenossen vermitteln will. So kann auch die pragmatische Funktion des Textes berücksichtigt werden. 1550 ANHANG Wenn die untersuchten Texte einer historischen literarischen Gattung <213> angehören oder in Verbindung mit geschichtlichen Ereignissen stehen, so ergänzt die historische Kritik die Literarkritik, um die geschichtliche Bedeutung des Textes im modernen Sinn des Ausdrucks festzustellen. „Historisch” ist hier nicht im Sinne der modernen Geschichtswissenschaft gemeint, sondern im Hinblick auf biblische Geschichtsdarstellung. Auf diese Weise werden die verschiedenen Stufen der konkreten Entwicklung der biblischen Offenbarung ans Licht gebracht. 4. Bewertung Welcher Wert kommt der historisch-kritischen Methode zumal im gegenwärtigen Stand ihrer Entwicklung zu? Wenn diese Methode auf objektive Weise angewendet wird, schließt sie kein Apriori in sich. Wenn solche Apriori ihre Anwendung bestimmen, so kommt dies nicht von der Methode her, sondern von hermeneutischen Optionen, die die Auslegung bestimmen und tendenziös sein können. Zu Beginn war die Methode auf Quellenkritik und Religionsgeschichte ausgerichtet; doch danach ergab sich, daß sie einen neuen Zugang zur Bibel eröffnete, indem sie aufzeigte, daß diese eine Sammlung von Schriften ist, die meistens, besonders im Alten Testament, nicht von einem einzigen Verfasser stammen, sondern eine lange Vorgeschichte haben. Diese wiederum ist unentwirrbar mit der Geschichte Israels oder derjenigen der Urkirche verflochten. Vorher war sich die jüdische und christliche Auslegung der Bibel der konkreten historischen Gegebenheiten, in denen das Wort Gottes Wurzeln'gefaßt hatte, nicht so klar bewußt. Ihre Kenntnis war summarisch und unscharf. Die Konfrontation der traditionellen Exegese mit einer wissenschaftlichen Methode, die in ihren Anfängen bewußt vom Glauben absah, ihm manchmal sogar widersprach, war gewiß ein schmerzlicher Prozeß; doch später stellte er sich als heilsam heraus: nachdem die Methode endlich von den ihr anhaftenden Voreingenommenheiten befreit war, führte sie zu einem genaueren Verständnis der Wahrheit der Heiligen Schrift (vgl. Dei Verbum, Nr. 12). Gemäß Di-vino afflante Spiritu ist die Erforschung des Literalsinnes der Heiligen Schrift eine wesentliche Aufgabe der Exegese. Um diese Aufgabe zu erfüllen, ist es notwendig, die literarische Gattung der Texte zu bestimmen (vgl. EnchB 560). Dazu ist die Hilfe der historisch-kritischen Methode unentbehrlich. Gewiß, die klassische Anwendung der historisch-kritischen Methode zeigt auch Grenzen, denn sie beschränkt sich auf die Forschung nach dem Sinn des biblischen Textes in den historischen Bedingungen seiner Entstehung und interessiert sich nicht für die weiteren Sinnmöglichkeiten, die im Verlauf späterer Epochen der biblischen Offenbarung und Kirchengeschichte zu Tage getreten sind. Gleichwohl hat diese Methode zu exegetischen und bibeltheologischen Werken von großem Wert beigetragen. 1551 ANHANG Seit langem hat man auf eine Vermischung der Methode mit einem philosophischen System verzichtet. Jüngst hat eine exegetische Tendenz die Methode im Sinn einer Betonung der Textgestalt auf Kosten des Interesses für seinen Inhalt umgebogen. Doch wurde diese Tendenz durch eine differenzierte Semantik (Semantik der Worte, der Sätze, des Textes) und die Erforschung der pragmatischen Dimension der Texte korrigiert. Was den Einschluß einer synchronen Analyse der Texte in die Methode betrifft, muß man anerkennen, daß es sich um ein legitimes Unterfangen handelt. Denn der Text in seiner Endgestalt und nicht in irgendeiner früheren Fassung ist der Ausdruck von Gottes Wort. <214> Die diachrone Rekonstruktion bleibt jedoch unentbehrlich, um die geschichtliche Dynamik, die der Heiligen Schrift innewohnt, und ihre reiche Komplexität aufzuzeigen: so spiegelt z. B. das Bundesbuch (Ex 21-23) eine andere politische, soziale und religiöse Situation der israelitischen Gesellschaft wieder als die anderen Gesetzessammlungen im Deuteronomium (Dtn 12-26) oder im Buch Levitikus (Heiligkeitsgesetz, Lev 17-26). Man konnte der alten historisch-kritischen Exegese ihre historistische Tendenz vorwerfen, doch darf man auch nicht in das gegenteilige Extrem verfallen, d. h. in eine ausschließlich synchrone Exegese, die die Geschichte der Texte ignoriert. <214> Das bedeutet freilich nicht, daß Vorstufen des Textes theologisch ohne Bedeutung wären; vielmehr bereiten sie den Endtext als den verbindlichen Ausdruck von „Gottes Wort” vor, zielen auf ihn hin und tragen zu seinem Verständnis bei. So ist es Ziel der historisch-kritischen Methode, in vorwiegend diachroner Weise den Sinn hervorzuheben, den die Verfasser und Redaktoren ausdrücken wollten. Zusammen mit andern Methoden und Zugängen öffnet sie so dem modernen Leser den Zugang zum Verständnis der Bibeltexte, wie sie heute vorliegen. B. Neue Methoden der literarischen Analyse Keine wissenschaftliche Methode der Erforschung der Bibel kann dem Reichtum der biblischen Texte ganz gerecht werden. So kann auch die historisch-kritische Methode nicht den Anspruch erheben, allem zu genügen. Sie läßt unweigerlich zahlreiche Aspekte der Texte, die sie erforscht, im Dunkeln. Es ist deshalb nicht erstaunlich, daß heute auch andere Methoden und Zugänge vorgeschlagen werden, um den einen oder andern wichtigen Aspekt eines Textes tiefer zu erfassen. In diesem Abschnitt (B) möchten wir einige jüngst entwickelte Methoden der literarischen Analyse vorstellen. In den folgenden Abschnitten (C, D, E) werden wir kurz verschiedene neue Zugänge prüfen; die einen beziehen sich auf Forschungen zur Tradition, andere auf die „Geisteswissenschaften”, andere wieder auf besondere zeitgenössische Situationen. Schließlich (F) werden wir uns der fundamentalistischen Lektüre der Bibel zuwenden, die jede methodische Interpretationsbemühung ablehnt. 1552 ANHANG Die biblische Exegese, die die Fortschritte der heutigen Sprach- und Literaturwissenschaften nutzt, macht sich immer mehr die neuen Methoden der Literaturanalysen zu eigen, besonders die rhetorische, narrative und semiotische Analyse. 1. Die rhetorische Analyse In Wirklichkeit ist die rhetorische Analyse als solche keine neue Methode. Neu ist einerseits ihre systematische Anwendung auf die Interpretation der Bibel und andererseits die Entstehung und Entwicklung einer „Neuen Rhetorik”. Die Rhetorik ist die Kunst, mit einer Rede zu überzeugen. Da im Grunde genommen alle biblischen Texte bis zu einem gewissen Grad überzeugen wollen, gehört eine gewisse Kenntnis der Rhetorik zum normalen Rüstzeug der Exegeten. Die rhetorische Analyse muß kritisch angewendet werden, denn die wissenschaftliche Exegese muß kritischen Ansprüchen genügen. Viele neuere bibüsche Forschungen haben der Rhetorik in der Heiligen Schrift große Aufmerksamkeit geschenkt. Man kann drei verschiedene Zugänge unterscheiden. Der erste stützt sich auf die klassische, griechisch-lateinische Rhetorik; der zweite widmet seine Aufmerksamkeit den Abfassungsprozessen im semitischen Kulturraum; der dritte geht von modernen Erkenntnissen aus, die man „Neue Rhetorik” nennt. Jede Rede wird in einer bestimmten Situation gehalten, die aus drei Elementen besteht: der Redner (oder Verfasser), die Rede (oder der Text) und die Hörerschaft (oder die Empfänger). Die klassische Rhetorik unterscheidet somit drei Überzeugungsfaktoren, die zur Qualität einer Rede beitragen: die Autorität des Redners, die Argumentation der Rede und die Emotionen, welche die Rede in der Hörerschaft auslöst. Verschiedenheit von Situation und Hörerschaft beeinflussen die Rede sehr stark. Seit Aristoteles unterscheidet die klassische Rhetorik drei Redegattungen: die forensische (vor dem Gericht), die beratende (in den politischen Versammlungen) und die anschauliche (bei Feiern). In der hellenistischen Kultur hatte die Rhetorik einen enormen Einfluß. Aus diesem Grund benützt eine immer größere Zahl von Exegeten die klassische Literatur zur Rhetorik, um gewisse Aspekte der biblischen Schriften, besonders des Neuen Testaments, genauer analysieren zu können. Andere Exegeten wiedemm richten ihre Aufmerksamkeit auf die spezifischen Merkmale der biblischen Literaturtradition. Da diese in der semitischen Kultur beheimatet ist, hat sie, wie die semitische Kultur ganz allgemein, eine betonte Vorliebe für symmetrische Kompositionen, die zwischen den verschiedenen Textelementen Verbindungen schaffen. Die Erforschung der vielfältigen Formen des Parallelismus und anderer semitischer Kompositionsweisen erlaubt es, die literarische Struktur der Texte besser zu erfassen und dadurch zu einem besseren Verständnis ihrer Botschaft zu gelangen. Die „Neue Rhetorik” geht von einem allgemeineren Standpunkt aus. Sie will nicht nur eine Art Inventar der Stilfiguren, der Redekunst und der Gattungen von Rede 1553 ANHANG sein. Sie erforscht, warum dieser oder jener spezifische Sprachgebrauch hier oder dort wirksam ist und Überzeugung wecken kann. Sie will „realistisch” sein, indem sie sich nicht einfach auf eine Formanalyse beschränkt. Sie widmet der Situation des Gesprächs die notwendige Beachtung. Sie erforscht Stil und Komposition als Mittel zu dem Zweck, die Hörerschaft zu beeinflussen. Zu diesem Zweck profitiert sie von den neueren Forschungsergebnissen gewisser Disziplinen wie Semiotik, Anthropologie und Soziologie. Will man die „Neue Rhetorik” auf die Bibel anwenden, so heißt dies, daß sie bis zum Kern der Sprache der Offenbarung als religiöse Sprache, die überzeugen soll, Vordringen und ihre Wirkung im Kontext der sozialen Kommunikation bestimmen will. Die rhetorischen Analysen verdienen hohe Beachtung, besonders in ihren jüngsten Ergebnissen, denn diese bereichern die kritische Erforschung der Texte. Sie beheben eine lange Vernachlässigung und lassen ursprüngliche Perspektiven hervortreten oder setzen sie neu ins Licht. Die „Neue Rhetorik” zieht zu Recht die Aufmerksamkeit auf die Überzeugungskraft der Sprache. Die Bibel ist nicht einfach eine Bekundung von Wahrheiten. Sie ist Botschaft und hat Kommunikationsfunktion in einem bestimmten Kontext. Dieser Botschaft hegt eine Argumentationsdynamik und eine rhetorische Strategie. zugrunde. Die rhetorischen Analysen haben jedoch auch ihre Grenzen. Sind sie rein deskriptiv, so haben ihre Ergebnisse oft nur stilistisches Interesse. Wegen ihrer Synchronie können sie nicht behaupten, eine unabhängige Methode darzustellen, die sich selbst genügte. Ihre Anwendung auf biblische Texte wirft Fragen auf: Gehörten die Verfasser dieser Texte einem hochkultivierten Milieu an? Bis zu welchem Punkt benützten sie bei der Abfassung ihrer Texte die Rhetorikregeln? Welche Rhetorik ist für die Analyse solcher Texte geeigneter: die griechisch-lateinische oder die semitische? Ist man nicht versucht, gewissen biblischen Texten eine allzu entwickelte Rhetorik zuzuschreiben? Solche und andere Fragen wollen selbstverständüch vom Gebrauch solcher Analysen nicht abraten; sie wollen nur davor warnen, sich ihrer ohne Unterscheidung zu bedienen. 2. Die narrative Analyse Die narrative Exegese bietet eine Verständnis- und Kommunikations-Methode für die biblische Botschaft, die deren Erzählungs- und Zeugniseharakter entspricht. Dieser Charakter ist eine Hauptform der Kommunikation zwischen Menschen und somit eine Charakteristik auch der Heiligen Schrift. In ihr legt das Alte Testament eine Heilsgeschichte dar, deren Erzählung: sich: auswirkt und zum Inhalt des Glaubensbekenntnisses, der Liturgie und der Katechese führt (vgl. Ps 78,3-4; Ex 12,24-27; Dtn 6,20-25; 26,5-11). Die Verkündigung des christlichen Kerygmas ihrerseits enthält die Erzählungsfolge von Leben, Tod und Auferstehung Jesu Chri- 1554 ANHANG sti, Geschehnisse, deren ausführliche Erzählung in den Evangelien enthalten ist. Auch die Katechese bietet sich in narrativer Form dar (vgl. 1 Kor 11,23-25). Was die narrativen Zugänge betrifft, ist es wichtig, analytische Methoden und theologische Reflexion zu unterscheiden. Zahlreiche analytische Methoden werden heute verwendet. Die einen gehen von der Erforschung der narrativen Modelle der Vergangenheit aus. Die andern stützen sich auf aktuelle „Narratologien”, die gewisse Gemeinsamkeiten mit der Semiotik haben können. Die narrative Analyse widmet ihre Aufmerksamkeit besonders den Textelementen, auf denen der Spannungsbogen, die Charaktere und der Gesichtspunkt des Erzählers beruhen; sie erforscht die Art und Weise, wie eine Geschichte erzählt wird, um den Leser in „die Welt der Erzählung” und ihr Wertsystem miteinzubezie-hen. Verschiedene Methoden unterscheiden zwischen „realem Autor” und „implizitem Autor”, zwischen „realem Leser” und „implizitem Leser”. Der „reale Autor” ist derjenige, der die Erzählung verfaßt hat. Mit „implizitem Autor” bezeichnet man das Bild des Autors, so wie es der Text nach und nach durch die Lektüre erscheinen läßt (seine Kultur, sein Temperament, seine Tendenzen, sein Glaube usw.). Beim „realen Leser” geht es um alle Personen, die Zugang zum Text haben, angefangen von den ersten Empfängern, die ihn gelesen oder gehört haben, bis zu den heutigen Lesern oder Hörem. Unter dem „impliziten Leser” versteht man denjenigen, der vom Text vorausgesetzt oder produziert wird, der fähig ist, die notwendigen geistigen und affektiven Bewegungen zu vollziehen, um in die Welt der Erzählung einzutreten und so darauf zu antworten, wie es der reale Autor durch den impliziten Autor erstrebt. Ein Text übt seinen Einfluß solange aus, als die realen Leser (z. B. wir, am Ende des 20. Jahrhunderts) sich mit dem impliziten Leser identifizieren können. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Exegese, diese Identifikation zu erleichtern. Aus der narrativen Analyse entsteht eine neue Art und Weise, die Tragweite der Texte zu ermessen. Während die historisch-kritische Methode den Text eher als „Fenster” sieht, das Beobachtungen zu einer gegebenen Epoche erlaubt (nicht nur zu den erzählten Einzelheiten, sondern auch zur Situation der Gemeinschaft, für welche die Erzählung bestimmt war), so hebt man nun hervor, daß der Text auch die Funktion eines „Spiegels” hat, in dem Sinne, daß er ein bestimmtes Bild der Welt widerspiegelt - der „Welt der Erzählung” -, das seinen Einfluß auf den Leser ausübt und ihn veranlaßt, bestimmte Werte anzunehmen. Die theologische Reflexion hat sich mit dieser spezifisch literarischen Forschungsgattung verbunden, um den Einfluß der Erzählungsart - also des Zeugnisses - der Heiligen Schrift auf die Annahme des Glaubens zu bestimmen und von da aus eine Hermeneutik für das konkrete Leben und für die Pastoral abzuleiten. Das ist eine Reaktion auf die Reduktion des inspirierten Textes auf eine Reihe theologischer Thesen, die nach Kategorien und in einer Sprache formuliert sind, die nicht biblisch sind. Man erwartet von der narrativen Exegese, daß sie in neuen historischen Kon- 1555 ANHANG texten die Bedeutungs- und Kommunikationsformen des biblischen Erzählens transponiert, um so seine Wirkkraft für das Heil besser erfahren zu lassen. Es wird auf die Notwendigkeit Gewicht gelegt, „das Heil zu erzählen” („informativer” Aspekt der Erzählung) und es „im Blick auf das Heil zu erzählen” („performativer” Aspekt). Explizit oder implizit enthält ja die biblische Erzählung tatsächlich einen existentiellen Anruf an den Leser. Die narrative Analyse ist für die Exegese der Bibel offensichtlich von Nutzen, denn sie entspricht der narrativen Natur einer sehr großen Zahl biblischer Texte. Sie kann dazu beitragen, den oft mühsamen Übergang vom Sinn des Textes in seinem historischen Kontext - so wie die historisch-kritische Methode ihn zu definieren versucht -zur Bedeutsamkeit des Textes für den heutigen Leser zu erleichtern. Demgegenüber nimmt die Komplexität der Interpretationsprobleme mit der Unterscheidung von „realem Autor” und „implizitem Autor” zu. Was die Bibel betrifft, kann sich die narrative Analyse nicht damit begnügen, dieser irgendwelche vorfabrizierte Modelle überzustülpen. Die Analyse muß sich bemühen, der Eigenart der Bibel Rechnung zu tragen. Der synchrone Zugang zu den Texten muß durch diachrone Forschungen ergänzt werden. Ferner muß sie sich vor der möglichen Tendenz hüten, jede systematisierende, lehrhaft formulierte Interpretation der in der Bibel enthaltenen Erzählungen auszuschließen. Sie würde dadurch in Widerspruch treten zur biblischen Tradition, die solche lehrhaften Texte enthält, und zur kirchlichen Tradition, die auf diesem Weg weitergegangen ist. Und schließlich darf man die existentielle subjektive Wirksamkeit des auf narrative Weise übermittelten Wortes Gottes nicht als ausreichendes Kriterium für allein wahre Interpretation betrachten. 3. Die semiotische Analyse Unter den sogenannten synchronen Methoden, d. h. den Methoden, die sich auf die Erforschung des biblischen Textes konzentrieren, so wie er sich in seiner Endfassung darbietet, finden wir die semiotische Analyse, die sich in den letzten zwanzig Jahren in gewissen Kreisen sehr stark entwickelt hat. Diese Methode, die zuerst mit dem allgemeinen Begriff „Strukturalismus” bezeichnet wurde, hat zu ihrem Ahnen den schweizerischen Linguisten Ferdinand de Saussure. Dieser hat zu Beginn dieses Jahrhunderts eine Theorie ausgearbeitet, nach der jede Sprache ein System von Beziehungen ist, das bestimmten Regeln gehorcht. Linguisten und Literaturwissenschaftler nahmen entscheidend Einfluß auf die Entwicklung der Methode. Die Mehrheit der Bibliker, die die Semiotik für die Erforschung der Bibel benützen, beruft sich auf Algirdas J. Greimas und die Pariser Schule, deren Gründer er ist. Ähnliche Methoden oder Zugänge, die auf der modernen Linguistik gründen, entwickelten sich aber auch anderswo. Wir wollen hier als ein Beispiel kurz die Methode Greimas’ vorstellen und analysieren. Die Semiotik ruht auf drei Hauptprinzipien oder Hauptvoraussetzungen: 1556 ANHANG Das Immanenzprinzip', jeder Text formt eine Bedeutungseinheit; die Analyse betrachtet den ganzen Text, doch nur den Text; sie stützt sich auf keine „äußeren” Gegebenheiten wie z. B. Verfasser, Empfänger, erzählte Ereignisse oder Redaktionsgeschichte. Das Prinzip der Sinnstruktur: einen Sinn gibt es nur durch und in der Beziehung, besonders in der Beziehung der Differenzen zueinander; die Analyse eines Textes besteht somit darin, das Netz der Beziehungen zwischen den Elementen zu ermitteln (Oppositionen, Identifikationen), woraus sich dann der Sinn des Textes ergibt. Das Prinzip der Textgrammatik: jeder Text benützt eine Grammatik, d.h. eine gewisse Anzahl von Regeln oder Strukturen; in einer Einheit von Sätzen, die man Rede nennt, gibt es verschiedene Ebenen, von denen jede ihre eigene Grammatik hat. Der Gesamtinhalt eines Textes kann auf drei Ebenen analysiert werden: Narrative Ebene: In einem Text werden die Veränderungen erforscht, die zwischen der Anfangs- und der Schlußsituation stattgefunden haben. Innerhalb eines narrativen Bogens sucht die Analyse die verschiedenen Phasen herauszuarbeiten, die miteinander logisch verbunden sind und zur Transformation geführt haben. In jeder dieser Phasen präzisiert man die Beziehungen zwischen den „Rollen”, die von „Aktanten” ausgeführt werden, die die Situationen definieren und die Transformation herbeiführen. Diskursive Ebene: Die Analyse besteht in drei Arbeitsgängen: (a) die Figuren, d. h. die Bedeutungselemente eines Textes (handelnde Personen, Zeit und Ort) werden bestimmt und klassifiziert; (b) die Bahn, die jede Figur eines Textes durchläuft, wird bestimmt, um festzustellen, in welcher Weise dieser Text sie benützt; (c) die thematischen Werte der Figuren werden untersucht; diese Untersuchung besteht in der Beantwortung der Frage, „in wessen Namen” (= Wert) die Personen in einem gegebenen Text gerade diese Entwicklung durchlaufen. Logisch-semantische Ebene: Diese ist die tiefste Ebene. Sie ist auch die abstrakteste. Sie beruht auf dem Postulat, daß jeder Rede und ihrer narrativen und diskursiven Gestaltung logische Formen und Formen des Bedeutens zugrunde liegen. Auf dieser Ebene besteht die Analyse darin, die Logik zu präzisieren, die den grundlegenden Gliederungen des erzählerischen und figurativen Bogens eines Textes innewohnt. Zu diesem Zweck wird oft ein Instrument verwendet, das man „semiotisches Viereck” („carre semiotique”) nennt; es benützt die Beziehungen zwischen zwei „gegensätzlichen” und zwei „sich widersprechenden” Ausdrücken (z. B. weiß und schwarz; weiß und nicht-weiß, schwarz und nicht-schwarz). Die Theoretiker bauen die semiotische Methode immer weiter aus. Die gegenwärtigen Forschungen beziehen sich namentlich auf die „Ausdrucksweise” („Enonciation”) und auf die „Intertextualität”. Zuerst wurde diese Methode auf die erzählenden Texte der Heiligen Schrift angewendet, da sich diese besser dazu eignen. Doch überträgt man sie immer mehr auch auf andere Gattungen biblischer Darstellung. 1557 ANHANG Diese sehr geraffte Beschreibung der Semiotik und vor allem die Darstellung ihrer Voraussetzungen lassen den Gewinn und die Grenzen dieser Methode bereits erahnen. Indem sie vermehrt darauf aufmerksam macht, daß jeder biblische Text ein kohärentes Ganzes ist, das bestimmten linguistischen Gesetzen gehorcht, trägt die Semiotik zu unserem Verständnis der Bibel, dem Wort Gottes in menschlicher Sprache bei.. Die Semiotik kann zur Erforschung der Bibel nur dann gebraucht werden, wenn man diese Methode der Analyse von gewissen in der strukturalistischen Philosophie entwickelten Voraussetzungen frei macht, d. h. wenn man sie von der Negierung des erzählenden Subjekts und des äußer-textlichen Bezugs löst. Die Bibel ist ein Wort über die Wirklichkeit. Gott hat es in einer Geschichte gesprochen. In ihm wendet er sich auch heute noch an uns durch die Vermittlung von menschlichen Verfassern. Der semiotische Zugang muß für die Geschichte offen sein: zuerst für die Geschichte der Akteure der Texte, dann für die der Textverfasser und für die ihrer Leser. Bei denjenigen, die die semiotische Analyse verwenden, ist das Risiko groß, sich mit einer formellen Erforschung des Inhaltes zu begnügen und so an der Botschaft der Texte vorbeizugehen. Wenn die semiotische Analyse sich nicht in den Labyrinthen einer komplizierten Sprache verliert, wenn sie in einfacher Sprache in ihren Hauptelementen dargelegt wird, kann sie in uns Christen das berechtigte Bedürfnis wecken, den biblischen Text zu studieren und seine Sinndimensionen zu entdecken, auch wenn wir nicht im Besitz aller historischer Kenntnisse sind, die sich auf den Text und seine sozio-kul-turelle Welt beziehen. So kann sich diese Methode selbst in der Seelsorge, besonders für eine Aneignung der Heiligen Schrift in nicht spezialisierten Kreisen <215>, als nützlich erweisen. <215> Kreise ohne besondere Fachkenntnisse. C. Auf die Tradition gegründete Zugänge zur Heiligen Schrift Obschon sich die oben dargestellten literarischen Methoden von der historisch-kritischen Methode durch größere Gewichtung der inneren Einheit der erforschten Texte unterscheiden, genügen sie allein für die Interpretation der Bibel nicht, da sie jeden Text isoliert für sich untersuchen. Die Bibel ist aber nicht einfach eine Sammlung von Texten ohne Beziehungen untereinander. Sie ist vielmehr eine Einheit von Zeugnissen einer einzigen großen Tradition. Um ihrem Forschungsgegenstand zu entsprechen, muß die biblische Exegese dieser Tatsache Rechnung tragen. Mehrere moderne Zugänge zur Heiligen Schrift werden in dieser Perspektive verständlich. 1. Kanonischer Zugang („Kanonkritik”) Der „kanonische” Zugang entstand vor ca. zwanzig Jahren in den USA. Nachdem festgestellt worden ist, daß es der historisch-kritischen.Methode manchmal schwer- 1558 ANHANG fällt, theologisch relevante Ergebnisse zu erzielen, möchte der „kanonische” Zugang eine theologische Interpretationsmethode anwenden, die sich explizit im Rahmen des Glaubens bewegt: sie stützt sich auf die Bibel als Ganzes. Jeder biblische Text wird demgemäß im Lichte des Kanons der Heiligen Schrift interpretiert, d. h. im Licht der Bibel als Weisung für den Glauben einer Gemeinschaft von Gläubigen. Die Methode sucht jeden Text innerhalb des einzigen Planes Gottes zu situieren, um eine Aktualisierung der Heiligen Schrift für unsere Zeit anzustreben. Dadurch soll die historisch-kritische Methode nicht ersetzt, sondern ergänzt werden. Es wurden zwei verschiedene Gesichtspunkte vorgeschlagen: Brevard S. Childs konzentriert sein Interesse auf die kanonische Endform des Textes (Buch oder Sammlung von Büchern), die Form, die von der Gemeinschaft als die Autorität angenommen wird, die ihren Glauben ausdrückt und ihr Leben lenkt. James A. Sanders seinerseits schenkt seine Aufmerksamkeit mehr dem „kanonischen Vorgang” - der progressiven Entwicklung der von der Glaubensgemeinschaft als normativ anerkannten Schriften - als der stabilisierten Endform des Textes. Die kritische Erforschung dieses Vorganges versucht herauszufinden, auf welche Weise die alten Traditionen in einem andern Kontext neu gebraucht wurden, bevor sie ein Ganzes bildeten, das dauerhaft und anpassungsfähig zugleich ist, kohärent und verschiedenartige Elemente umfassend, ein Ganzes, aus dem die Glaubensgemeinschaft ihre Identität schöpfen kann. Bei diesem Prozeß wurden, und werden auch heute noch nach der Fixierung des Kanons, hermeneutische Methoden angewendet; sie gleichen oft der Art des Midrasch und dienen der Aktualisierung des biblischen Textes. Indem sie sich auf eine Interpretation berufen, die es sich zur Aufgabe macht, die Tradition zu aktualisieren, begünstigen sie eine fortwährende Interaktion zwischen der Gemeinschaft und ihren heiligen Schriften. Der kanonische Zugang reagiert zu Recht gegen eine Überbewertung dessen; was als originell und ursprünglich angesehen wird, als ob dies allein authentisch wäre. Die inspirierte Schrift ist jedoch in Wirklichkeit jene Heilige Schrift, die von der Kirche als ihre Glaubensregel anerkannt wurde. <216> In dieser Hinsicht kann man das Gewicht entweder auf die Endgestalt legen, in der sich heute jedes Buch der Bibel befindet, oder auf die Gesamtheit, die den Kanon bildet. Ein Buch wird nur im Lichte des ganzen Kanons zum „biblischen Buch”. <216> Diese Aussage darf freilich nicht im Sinne einer „inspiratio consequens” mißverstanden werden. Die Glaubensgemeinschaft ist unzweifelhaft der angemessene Kontext für die Interpretation der kanonischen Texte. In ihr bereichern der Glaube und der Heilige Geist die Exegese. Die kirchliche Autorität, die im Dienste der Gemeinschaft steht, muß darüber wachen, daß die Interpretation der großen Tradition, aus der die Texte hervorgingen, treu bleibt (vgl. Dei Verbum, Nr. 10). Der kanonische Zugang wirft verschiedene Probleme auf, besonders wenn er versucht, den „kanonischen Vorgang” zu definieren. Von wann an kann man einen 1559 ANHANG Text als „kanonisch” betrachten? Es läßt sich die. Position vertreten, dies sei von dem Zeitpunkt an der Fall, an dem eine Gemeinschaft dem Text normative Autorität zuerkennt; dies kann sogar vor der definitiven Festlegung dieses Textes geschehen. Von einer „kanonischen” Hermeneutik spricht man, wenn die Wiederholung der Traditionen, trotz neuen religiösen, kulturellen, theologischen Bedingungen in sich verändernden Situationen, die Identität der Botschaft aufrechterhält. Doch stellt sich die Frage: Soll der Interpretationsprozeß, der zur Bildung des Kanons geführt hat, auch heute noch als Interpretationsregel für die Heilige Schrift gelten? Andererseits verursachen die komplexen Beziehungen zwischen dem jüdischen und dem christlichen Kanon der. heiligen Schriften zahlreiche Interpretationsprobleme. Die christliche Kirche hat als „Altes Testament” die Schriften übernommen, die in der jüdisch-hellenistischen Gemeinschaft maßgebend waren; darunter finden sich solche, die nicht oder in anderer Form in der hebräischen Bibel enthalten sind. Das Corpus der Texte ist somit verschieden. Aus diesem Grund kann die kanonische Interpretation beider „Schriften” nicht identisch sein, da ja jeder Text in seiner Beziehung zum ganzen Corpus gelesen werden muß. Vor allem aber liest die Kirche das Alte Testament im Lichte des österlichen Geschehens - Tod und Auferstehung Jesu Christi. Das führte zu etwas grundlegend Neuem und verleiht den heiligen Schriften mit souveräner Autorität einen entscheidenden und definitiven Sinn (vgl. Del Verbum, Nr. 4). Diese neue Sinnbestimmung gehört voll und ganz zum christlichen Glaubensgut. Trotzdem darf sie deshalb der älteren, kanonischen Interpretation, die dem christlichen Osterglauben vorausging, nicht jede Bedeutung absprechen. Denn jede Phase der Heilsgeschichte muß auch in ihrem Eigenwert geachtet werden. Das Alte Testament seines Sinnes zu entleeren, hieße das Neue Testament von seinen geschichtlichen Wurzeln abschneiden. 2. Zugänge über die jüdische Interpretations-Tradition Das Alte Testament erhielt seine Endgestalt im Judentum der letzten vier oder fünf Jahrhunderte, die der christlichen Zeitrechnung vorausgingen. Dieses Judentum war das Ursprungsmilieu des Neuen Testamentes und der entstehenden Kirche. Zahlreiche Studien der alten jüdischen Geschichte und namentlich die Forschungen, zu denen die Entdeckungen von Qumran Anlaß gaben, haben die Komplexität der jüdischen Welt dieser Zeit, sei es im Land Israel oder in der Diaspora, ins Licht gestellt. Die Interpretation der Heiligen Schrift begann in diesem Milieu. Eines der ältesten Zeugnisse der jüdischen Interpretation der Bibel ist die antike griechische Übersetzung, die Septuaginta. Die aramäischen Targumim stellen ein anderes Zeugnis des gleichen Bemühens dar, das sich bis heute fortsetzt. Das Judentum hat eine außergewöhnliche Summe von gelehrten Mitteln im Dienst der Erhaltung des Textes des Alten Testaments und der Sinnerklärung der biblischen Texte hervorgebracht. Zu allen Zeiten haben die besten christlichen Exegeten, seit Origenes und Hieronymus versucht, die jüdische biblische Gelehrsamkeit für ein besseres Verständnis der Heiligen Schrift zu nutzen. Zahlreiche moderne Exegeten folgen diesem Beispiel. 1560 ANHANG Im besonderen erlauben uns die alten jüdischen Traditionen, die Septuaginta besser kennenzulemen, eine jüdische Bibel in griechischer Sprache, die den ersten Teil der christlichen Bibel zumindest während der ersten vier Jahrhunderten der Kirche bildete, was im Orient bis heute der Fall ist. Die reiche und mannigfaltige jüdische, außerkanonische Literatur, die man apokryph oder zwischentestamentlich nennt, ist eine wichtige Quelle für die Interpretation des Neuen Testaments. Die verschiedenen exegetischen Vorgehensweisen, die im Judentum der verschiedenen Richtungen praktiziert wurden, lassen sich im Alten Testament selber wiederfinden, z. B. in den Chronikbüchem in ihrem Verhältnis zu den Königsbüchem, und im Neuen Testament, z. B. in gewissen exegetischen Beweisführungen bei Paulus. Die Vielfalt der Formen (Parabeln, Allegorien, Anthologien und Centos, „relectures”, <217> pescher, Verbindung von weit auseinanderliegenden Texten, Psalmen und Hymnen, Visionen, Offenbarungen und Träume, weisheitliche Kompositionen usw.) ist dem Alten und Neuen Testament gemeinsam, so wie auch der Literatur aller jüdischen Kreise vor und nach der Zeit Jesu. Die Targumim und die Midraschim repräsentieren die Homiletik und die biblische Interpretation breiter Kreise des Judentums der ersten Jahrhunderte. Centos sind Zitatmosaiken aus antiken Dichtern. Unter „relecture” versteht man eine umgestaltende und akzentuierende Wiederaufnahme. Zahlreiche Exegeten des Alten Testaments wenden sich außerdem an jüdische Kommentatoren, Grammatiker und Lexikographen des Mittelalters oder der neueren Zeit, um zum besseren Verständnis unklarer Abschnitte oder seltener oder nur einmal vorkommender Wörter zu gelangen. Weit mehr als früher bezieht man sich heute in der exegetischen Diskussion auf solche jüdische Werke. Der Reichtum des jüdischen Wissens von der Antike bis heute im Dienst der Bibel ist eine Hilfe ersten Rangs für die Exegese der beiden Testamente, jedoch unter der Bedingung, daß dieses Wissen sachgerecht eingesetzt wird. Das alte Judentum war sehr mannigfaltig. Die pharisäische Form, die später im Rabbinismus weiterlebte, ist nicht die einzige Form. Die alten jüdischen Texte verteilen sich auf mehrere Jahrhunderte, und es ist wichtig, sie chronologisch einzuordnen, bevor man sie miteinander vergleicht. Vor allem ist der Gesamtrahmen der jüdischen und der christlichen Gemeinschaft grundlegend verschieden: auf jüdischer Seite geht es, wenn auch in mannigfaltigen Formen, um eine Religion, die ein Volk und eine Lebenspraxis auf der Basis einer geoffenbarten Schrift und einer mündlichen Tradition bestimmt, während auf christlicher Seite der Glaube an den gestorbenen, auferstandenen und nun lebendigen Herrn Jesus, den Messias und Sohn Gottes, Fundament der Gemeinschaft ist. Diese zwei Ausgangspunkte schaffen für die Interpretation der heiligen Schriften zwei Kontexte, die trotz vieler Kontakte und Ähnlichkeiten radikal verschieden sind. 1561 ANHANG 3. Der Zugang über die Wirkungsgeschichte des Textes Dieser Zugang beruht auf zwei Grundtatsächen: a) ein Text wird nur dann zum literarischen Werk, wenn er Leser findet, die ihn lebendig werden lassen, indem sie ihn sich zu eigen machen; b) diese Aneignung des Textes, die individuell oder gesellschaftlich und in verschiedenen Bereichen (Literatur, Kunst, Theologie, Aszetik und Mystik) stattfinden kann, trägt zum besseren Verständnis des Textes selbst bei. Dieser Zugang zum Text entfaltete sich hauptsächlich zwischen 1960 und 1970 in den Literaturwissenschaften, obschon man ihn auch schon in der Antike kannte. Damals begann sich die Literaturkritik intensiv für die Beziehung zwischen Text und Leserschaft zu interessieren. Die biblische Exegese profitierte von dieser Forschung, dies umso mehr, als die philosophische Hermeneutik ihrerseits die notwendige Distanz zwischen Werk und Autor, wie zwischen Werk und Lesern betonte. Deshalb begann man, in der Interpretationsarbeit die Geschichte der Wirkung eines Buches oder eines Abschnittes der Heiligen Schrift zu beachten (Wirkungsgeschichte oder Rezeptionsgeschichte). Man bemüht sich, den Entwicklungsverlauf der Interpretation im Rahmen der Funktion der sich wandelnden Situation der Leser zu verfolgen und die Bedeutung der Tradition und ihrer Funktion für das Verständnis der biblischen Texte zu bestimmen. In der Begegnung des Textes mit den Lesern entsteht eine Dynamik; denn der Text besitzt eine Ausstrahlung und löst Reaktionen aus. Er läßt einen Ruf erklingen, der von den Lesern, sei es einzeln oder gemeinsam, gehört wird. Leser und Leserin sind übrigens nie isolierte Individuen. Sie gehören zu einem sozialen Raum und befinden sich innerhalb einer Tradition. Sie gehen den Text mit ihren Fragen an, wählen aus, schlagen eine Auslegung vor und können schließlich ein neues Werk schaffen oder Initiativen ergreifen, die ihnen direkt von ihrer Lektüre der Heiligen Schrift eingegeben werden. Beispiele für diesen Zugang sind bereits zahlreich. Die Geschichte der Auslegung des „Hohenliedes” ist dafür ein besonders deutliches Zeugnis. Sie zeigt, wie dieses Buch in der Zeit der Kirchenväter, im lateinisch-monastischen Milieu des Mittelalters oder in der Mystik wie beim hl. Johannes vom Kreuz aufgenommen wurde. Sie erlaubt daher, alle Sinndimensionen dieser Dichtung besser zu erfassen. Auf gleiche Weise ist es im Neuen Testament möglich und nützlich, den Sinn einer Perikope (z. B. der reiche junge Mann in Mt 19,16-26 par.) im Lichte der im Lauf der Kirchengeschichte durch sie ausgelösten Impulse zu interpretieren. Doch die Geschichte zeigt auch die Existenz von falschen und einseitigen Tendenzen der Interpretation, die unheilvolle Auswirkungen hatten, z. B. wenn sie zum Antisemitismus oder zu anderen Rassendiskriminierungen oder etwa zu millenaristi-schen Illusionen führten. Daraus wird ersichtlich, daß dieser Zugang allein für die Interpretation nicht genügen kann. Eine Differenzierung ist notwendig. Man muß sich davor hüten, den einen oder andern Zeitpunkt der Wirkungsgeschichte eines 1562 ANHANG Textes zu privilegieren, um ihn zur einzigen Interpretations-Regel dieses Textes zu erheben. D. Zugänge über Human Wissenschaften Um sich mitzuteilen, hat das Wort Gottes im konkreten Leben eines Volkes Wurzeln gefaßt (vgl. Sir 24,12). Es bahnte sich einen Weg durch die psychologischen Bedingungen der biblischen Verfasser hindurch. Deshalb können die Humanwissenschaften - besonders die Soziologie, Anthropologie und Psychologie - zu einem besseren Verständnis gewisser Aspekte der Texte vieles beitragen. Es muß jedoch beachtet werden, daß es verschiedene Schulen mit beträchtlichen Divergenzen bezüglich der Natur dieser Wissenschaften gibt. Trotzdem haben tatsächlich zahlreiche Exegeten aus den neuesten Forschungen auf diesen Gebieten Gewinn gezogen. 1. Soziologischer Zugang Religiöse Texte stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zu den Gesellschaften, in denen sie entstehen. Diese Feststellung gilt zweifellos auch für die biblischen Texte. Folgüch benötigt die kritische Erforschung der Bibel eine möglichst genaue Kenntnis des für die verschiedenen Milieus charakteristischen sozialen Verhaltens, in denen die biblischen Traditionen entstanden sind. Diese sozio-historische Information muß durch eine korrekte soziologische Erklärung ergänzt werden, die im Einzelfall die Bedeutung der sozialen Existenzbedingungen wissenschaftlich auswertet. Die soziologische Betrachtungsweise hat schon seit langem Einzug in die Geschichte der Exegese gehalten. Davon zeugt die Aufmerksamkeit, die die Formgeschichte dem Entstehungsmilieu („Sitz im Leben”) der Texte geschenkt hat: allgemein wird anerkannt, daß die biblischen Traditionen die Charakteristika ihrer sozialgeschichtlichen Überlieferungsmilieus widerspiegeln. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erforschte die „Chicago-Schule” die sozio-historische Situation der Urchristenheit und gab dadurch der historischen Kritik einen starken Impuls. Seit den letzten zwanzig Jahren (1970-1990) gehört der soziologische Zugang zu den biblischen Texten voll und ganz zur exegetischen Forschung. Zahlreich sind die Fragen, die sich von daher für die Exegese des Alten Testaments stellen. So muß man sich zum Beispiel fragen, welche verschiedenen sozialen und religiösen Organisationsformen Israel im Verlaufe seiner Geschichte kannte. Reicht das ethnologische Modell einer akephalen segmentären Gesellschaft als Ausgangsbasis für die Beschreibung der vorstaatlichen Epoche Israels aus? Wie gelangte man von einem losen Sippenverband zu einem monarchisch organisierten Staat und von da zu einem Gemeinwesen, das seine Einheit allein aus Religion und Abstammung erhält? Welche wirtschaftlichen, militärischen und sonstigen Veränderungen wurden in der Struktur der Gesellschaft durch die Bewegung der politischen und religiösen Zentralisation bewirkt, die zur Monarchie führte? Trägt die Erforschung der Verhal- 1563 ANHANG tensnormen im Alten Orient und in Israel nicht wirksamer zum Verständnis des Dekalogs bei als die rein literarischen Rekonstruktionsversuche eines postulierten Urtextes? <218> " „Urtext” im Sinne von „Urform”. Für die Exegese des Neuen Testamentes stellen sich natürlich andere Fragen. Man muß sich zum Beispiel fragen: Welcher Wert ist der Theorie einer Charismatiker-gruppe, die ohne festen Wohnsitz, ohne Familie und ohne Habe umhergezogen ist, beizumessen, um die vorösterliche Lebensform Jesu und seiner Jünger zu erklären? Besteht eine Kontinuität zwischen der radikalen Loslösung <219>, wie sie von Jesus geübt wurde und zu der er die Jünger in seiner Nachfolge aufrief, und der Haltung der christlichen, nachösterlichen Bewegung in den verschiedensten Milieus der Urkir-che? Was wissen wir von der sozialen Struktur der paulinischen Gemeinden im Rahmen der von Fall zu Fall in Frage kommenden entsprechenden städtischen Kultur? ^ Von Familie und Besitz. Im allgemeinen hat der soziologische Zugang für die exegetische Arbeit viele positive Aspekte; insbesondere wird sie dadurch offener. Für die historische Kritik ist es unerläßlich, die soziologischen Gegebenheiten zu kennen. Diese tragen dazu bei, die wirtschaftliche, kulturelle und religiöse Situation der biblischen Welt verständlich zu machen. Die dem Exegeten gestellte Aufgabe, das Glaubens Zeugnis der apostolischen Kirche adäquat zu erfassen, kann ohne die exakte wissenschaftliche Erforschung der engen Zusammenhänge der neutestamentlichen Texte mit dem sozialen Kontext der Urkirche nicht erfüllt werden. Die Anwendung von soziologischen Modellen eröffnet dem Bibliker viele neue Möglichkeiten, die damaligen geschichtlichen Verhältnisse zu erforschen, doch müssen diese Modelle selbstverständlich der zu untersuchenden Realität angepaßt werden. Wir müssen indes auch auf einige .Risiken hinweisen, die der soziologische Zugang für die Exegese mit sich bringt. Die Arbeit der Soziologie besteht darin, lebende Gesellschaften zu erforschen. So wäre es in der Tat nicht erstaunlich, daß Schwierigkeiten auftauchen, wenn man diese Methoden auf längst vergangene soziale Verhältnisse anwenden will. Die biblischen und außerbiblischen Texte stellen nicht ohne weiteres eine genügend große Dokumentation dar, um eine Gesamtübersicht der damaligen Gesellschaft zu bieten. Die soziologische Methode hat außerdem gelegentlich die Tendenz, den wirtschaftlichen und institutionellen Aspekten der menschlichen Existenz ein größeres Gewicht zuzuerkennen als ihren persönlichen und religiösen Dimensionen. 2. Zugang über die Kulturanthropologie Der Zugang zu den biblischen Texten, der sich auf die Forschungen der Kulturanthropologie stützt, steht in enger Beziehung mit dem soziologischen Zugang. Der Unterschied zwischen diesen beiden Zugängen hegt gleichzeitig auf der Ebene der 1564 ANHANG Sensibilität, der Methode und der Realitätsaspekte, die hier die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Während der soziologische Zugang - wie wir eben sahen - vor allem die wirtschaftlichen und institutioneilen Aspekte analysiert, interessiert sich der anthropologische Zugang an einer Vielzahl anderer Aspekte, die sich in Sprache, Kunst, Religion widerspiegeln, aber auch in Kleidung, Schmuck, Festen, Tänzen, Mythen, Legenden und allem, was zur Ethnologie gehört. Im allgemeinen versucht die Kulturanthropologie die Charakteristika der verschiedenen Menschentypen in ihrem sozialen Umfeld zu definieren - z. B. des Menschen des Mittelmeerraums - mit allen Untersuchungen ihres ländlichen oder städtischen Milieus, der von der Gesellschaft anerkannten Werte (Ehre und Unehre, Verschwiegenheit, Treue, Tradition, Art der Erziehung, Schulen), der Art und Weise, wie die soziale Kontrolle ausgeübt wird, der Vorstellungen über Familie, Haus, Verwandtschaft, Stellung der Frau, der institutioneilen Binome wie Patron - Klient, Eigentümer - Mieter, Wohltäter - Empfänger, freier Mensch - Sklave, ferner der Begriffe heilig und profan, der Tabus, der Initiationsrituale, der Magie, des Ursprungs der natürlichen Produktionsmittel, der Gewalt, der Information usw. Auf der Basis dieser verschiedenen Elemente werden Typologien und „Modelle” erstellt, die in mehreren Kulturen Vorkommen. Diese Forschungsrichtung kann natürlich für die Interpretation der biblischen Texte nützlich sein. Sie wird hauptsächlich für die Erforschung der Verwandtschaftsbegriffe im Alten Testament gebraucht, für die Stellung der Frau in der israelitischen Gesellschaft, für den Einfluß von Agrarriten usw. In Texten, die die Lehre Jesu wiedergeben, z. B. die Gleichnisse, können viele Einzelzüge durch diese Methode erhellt werden. Das Gleiche gilt für solche Grundbegriffe wie „Reich Gottes” oder für die Art, die Zeit in der Heilsgeschichte zu verstehen, sowie für die Prozesse der Gemeindebildung in der Urkirche. Dieser Zugang erlaubt eine bessere Unterscheidung zwischen bleibenden Elementen der biblischen Botschaft, die in der menschlichen Natur begründet sind und kontingenten Prägungen, die von besonderen Kulturen herrühren. Allerdings ist dieser Zugang ebenso wie andere besondere Zugänge allein nicht in der Lage, den spezifischen Beitrag der Offenbarung zu erfassen. Dies darf man bei der Beurteilung der Bedeutung seiner Ergebnisse nicht aus dem Auge verlieren. 3. Psychologische und psychoanalytische Zugänge Psychologie und Theologie haben den gemeinsamen Dialog nie abgebrochen. Die moderne Ausweitung der psychologischen Forschung auf die dynamischen Strukturen des Unbewußten hat zu neuen Interpretationsversuchen alter Texte geführt, so auch für die Bibel. Ganze Werke wurden der psychoanalytischen Deutung der biblischen Texte gewidmet. Lebhafte Diskussionen folgten darauf: wie weit und unter welchen Bedingungen können psychologische und psychoanalytische Forschungen zu einem tieferen Verständnis der Heiligen Schrift beitragen? 1565 ANHANG Die psychologischen und psychoanalytischen Forschungen tragen zur. Bereicherung der biblischen Exegese bei, denn dank ihnen können Bibeltexte als Lebenserfahrungen und Verhaltensmuster verstanden werden. Man weiß, daß Religion immer in einem Dialog- und Spannungsverhältnis zum LFnbewußten steht. Sie trägt in beachtlichem Maße zur richtigen Orientierung der menschlichen Triebe bei. Die Dimensionen, die die historische Kritik methodisch erforscht, sind durch die Analyse der verschiedenen Realitätsebenen, die in den Texten ausgesprochen werden, zu ergänzen. Die Psychologie und die Psychoanalyse bemühen sich, in diese Richtung zu gehen. Sie öffnen einem mulitidimensionalen Verständnis der Heiligen Schrift den Weg und helfen so, die menschliche Sprache der Offenbarung aufzuschlüsseln. Die Psychologie und in ihrer Weise auch die Psychoanalyse haben im besonderen ein neues Symbolverständnis gebracht. Die symbolische Sprache erlaubt es, Sphären der reügiösen Erfahrung auszudrücken, die dem rein begrifflichen Denken nicht zugänglich, für die Frage nach der Wahrheit aber wertvoll sind. Interdisziplinäre Forschung, die von Exegeten und Psychologen oder Psychoanalytikern gemeinsam durchgeführt wird, bringt deshalb echte Vorteile mit sieh; die objektiv begründet sind und sich in der Pastoral bewähren. Zahlreiche Beispiele können aufgeführt werden, die die Notwendigkeit gemeinsamer Bemühung der Exegeten und Psychologen zeigen, so z, B. wenn es darum geht, den Sinn der kultischen Riten, der Opfer, der Tabus zu erhellen, die bildliche Sprache der Bibel zu entschlüsseln, die metaphorische Tragweite der Wundererzählungen, die Triebkräfte des in den apokalyptischen Visionen und Auditionen sich abspielenden Dramas zu bestimmen. Es geht nicht einfach darum, die symbolische Sprache der Bibel zu beschreiben, sondern auf ihren Offenbarungs- und Aufrufs-Charakter einzugehen; in ihr tritt die numinose Realität Gottes in Kontakt mit dem Menschen. Selbstverständlich muß der Dialog zwischen Exegese und Psychologie oder Psychoanalyse im Hinblick auf ein besseres Verständnis der Bibel kritisch sein und die jeder Disziplin eigenen Grenzen beachten. Eine atheistische Psychologie oder Psychoanalyse wäre naturgemäß nicht in der Lage, Glaubenswirklichkeiten adäquat zu verstehen. Psychologie und Psychoanalyse sind sicher von Nutzen, wenn es darum geht, das Ausmaß menschlicher Verantwortung zu bestimmen; sie dürfen aber nicht die Wirklichkeit von Sünde und Heil in Frage stellen. Man muß sich außerdem davor hüten, spontane Religiosität mit der biblischen Offenbarung zu verwechseln oder den geschichtlichen Charakter der biblischen Botschaft anzutasten, der ihr den Wert eines einmaligen Ereignisses verleiht. Außerdem muß man beachten, daß man nicht einfach von „psychoanalytischer Exegese” sprechen kann, als ob es nur eine gäbe. In Wirklichkeit gibt es je nach den verschiedenen Schulen und Richtungen der Psychologie eine große Zahl von Erkenntnissen, die dazu dienen können, das menschliche und theologische Verständnis der Bibel zu vertiefen. Es ist keineswegs von Vorteil für die gemeinsame Aufgabe, wenn man gewisse Positionen der verschiedenen Schulen verabsolutiert, im Gegenteil, es schadet ihr eher. 1566 ANHANG Die Humanwissenschaften beschränken sich nicht auf die Soziologie, Kulturanthro-pologie und Psychologie. Auch andere Forschungsrichtungen können für die Bibelauslegung nützlich sein. In all diesen Bereichen muß man die gegenseitigen Kompetenzen respektieren und zur Kenntnis nehmen, daß nur selten die gleiche Person zugleich in der Exegese und einer Humanwissenschaft qualifiziert ist. E. Kontextuelle Zugänge zur Heiligen Schrift Die Auslegung eines Textes hängt immer von der Mentalität und der Situation seiner Leser ab. Diese wenden gewissen Aspekten besondere Aufmerksamkeit zu und vernachlässigen unbewußt andere. Es ist deshalb unvermeidlich, daß die Exegeten in ihrer Arbeit unter dem Einfluß aktueller Denkströmungen neue Gesichtspunkte entdecken, die vorher nicht genügend wahrgenommen wurden. Dies verlangt jedoch kritisches Unterscheidungsvermögen. Heute sind es besonders die Befreiungsbewegungen und der Feminismus, die auf die größte Beachtung stoßen. 1. Der Zugang zur Heiligen Schrift im Umfeld von Befreiung Die Befreiungstheologie ist ein komplexes Phänomen, das man nicht ungehörig vereinfachen darf. Als theologische Bewegung konsolidierte sie sich in den siebziger Jahren. Zusammen mit den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gegebenheiten der lateinamerikanischen Länder waren es zwei große kirchliche Ereignisse, die sie hervorbrachten: das II. Vatikanische Konzil mit seinem ausgesprochenen Willen zum aggiornamento und zur Ausrichtung der kirchlichen Seelsorge auf die Bedürfnisse der heutigen Welt; die 2. Vollversammlung des CELAM 1968 in Medellin, die die Lehre des Konzils den Bedürfnissen Lateinamerikas anpaßte. Diese Bewegung hat sich dann in anderen Ländern und Erdteilen verbreitet (Afrika, Asien, farbige Bevölkerung der USA). Es ist schwierig zu sagen, ob es „eine” Befreiungstheologie gibt und welches ihre Methode ist. Es ist ebenso schwierig, adäquat zu beschreiben, wie sie die Bibel best und so ihren Beitrag und ihre Grenzen herauszuarbeiten. Man kann sagen, daß es sich nicht um eine besondere Methode handelt. Sie liest die Heilige Schrift von eigenen sozio-kulturellen und politischen Standpunkten aus und bezieht sie auf die konkreten Bedürfnisse des Volkes, das ja in der Bibel Nahrung für seinen Glauben und sein Leben finden soll. Man begnügt sich also nicht mit einer objektivierenden Auslegung des Textes, die sich auf seine Aussage in seinem ursprünglichen Kontext konzentriert. Man sucht vielmehr nach einem Verständnis, das aus der gelebten Situation des Volkes erwächst. Wenn dieses in Unterdrückung lebt, muß es auf die Bibel zurückgreifen, um die Nahrung finden zu können, die es in seinem Ringen und in seinen Hoffnungen unterstützt. Die konkrete Reaütät darf nicht ignoriert werden, im Gegenteil, sie muß direkt angegangen und durch das Licht des Wortes der Heiligen Schrift erhellt werden. Von diesem Licht her entsteht die authentische christliche Praxis, die durch Ge- 1567 ANHANG rechtigkeit und Liebe auf eine Wandlung der Gesellschaft hinzielt. Der Glaube findet in der Heiligen Schrift den Ansporn, sich für die integrale Befreiung einzusetzen. Dieser Zugang basiert auf folgenden Grundeinsichten: ; Gott ist in der Geschichte seines Volkes gegenwärtig, um es zu erlösen. Er ist der Gott der Armen, der weder Unterdrückung noch Ungerechtigkeit duldet. So kann auch die Exegese nicht neutral bleiben, sondern muß wie Gott für die Armen Partei ergreifen und sich im Kampf für die Befreiung der Unterdrückten engagieren. Wer an diesem Kampf teilnimmt, findet in den biblischen Texten einen Sinngehalt, der nur offenbar wird, wenn sie im Kontext wirklicher Solidarität mit den Unterdrückten gelesen werden. Die Gemeinschaft der Armen ist der beste Adressat der Bibel als Wort der Befreiung, denn die Befreiung der Unterdrückten ist ein gemeinschaftlicher Prozeß. Die biblischen Texte sind ja überdies für Gemeinschaften geschrieben worden, und es sind Gemeinschaften, denen die Bibellesung in erster Linie anvertraut ist. Dank der den „Gründungsereignissen” (Auszug aus Ägypten, Leidensgeschichte und Auferstehung Jesu) innewohnenden Kraft, im Laufe der Geschichte neue Realisierungen hervorzubringen, ist und bleibt das Wort Gottes immer aktuell. Die Befreiungstheologie enthält unbezweifelbar wertvolle Elemente: ein tiefer Sinn für die erlösende Gegenwart Gottes, Betonung der gemeinschaftlichen Dimension des Glaubens, Dringlichkeit einer befreienden Praxis, die in Gerechtigkeit Und Liebe wurzelt, eine neue Aneignung der Bibel, die aus dem Wort Gottes Licht und Nahrung für das Volk Gottes inmitten seiner Kämpfe und seiner Hoffnungen schöpft. So ist die volle Aktualität des inspirierten Textes hervorgehoben. Eine solche engagierte Art, die Bibel zu lesen, enthält indes Risiken. Doch da sie an eine Bewegung gebunden ist, die noch ganz im Werden begriffen ist, haben die folgenden Bemerkungen nur vorläufigen Charakter: Diese Weise, die Bibel zu lesen, stützt sich vor allem auf narrative und prophetische Texte, die Unterdrückungssituationen erhellen und eine Praxis inspirieren und so auf eine soziale Veränderung hin orientiert sind. Hier und da kann sie wohl etwas voreingenommen sein und nicht allen Texten der Bibel ihre gleiche Aufmerksamkeit schenken. Die Exegese kann, nie ganz neutral sein; sie muß sich jedoch vor Einseitigkeit hüten. Außerdem gehört das soziale und politische Engagement nicht direkt zu den Aufgaben des Exegeten. Theologen und Exegeten mußten sich der Instrumente der Gesellschaftsanalyse bedienen, um die biblische Botschaft im sozio-politischen Kontext zum Tragen zu bringen. Gewisse Strömungen der Befreiungstheologie haben in dieser Perspektive eine Analyse vorgenommen, die von materialistischen Doktrinen inspiriert war. Die Bibel wurde dann in diesem Rahmen gelesen. Dies wirft Fragen auf, namentlich, was das marxistische Prinzip des Klassenkampfs anlangt. 1568 ANHANG Unter dem Druck ungeheurer sozialer Probleme wurde der Akzent eher auf eine irdische Eschatologie gelegt, manchmal auf Kosten der transzendenten endzeitlichen Dimension der Heiligen Schrift. Die sozialen und politischen Veränderungen führen diesen befreiungstheologischen Zugang zur Heiligen Schrift dazu, sich neuen Fragen zu stellen und neue Orientierungen zu suchen. Für seine weitere Entwicklung und seine Fruchtbarkeit in der Kirche wird es entscheidend sein, seine hermeneutischen Voraussetzungen, seine Methoden sowie seine Kohärenz mit dem Glauben und der Tradition der gesamten Kirche zu klären. 2. Feministischer Zugang Die feministische Bibelhermeneutik entstand am Ende des 19. Jahrhunderts in den USA, im sozio-kulturellen Kontext des Kampfes für die Frauenrechte, mit dem Komitee der Bibelrevision. Dieses brachte „The Woman’s Bible” in zwei Bänden (New York 1885, 1898) heraus. Seit den Siebziger Jahren unseres Jahrhunderts, im Gefolge der Frauen-Emanzipation trat diese Strömung mit neuer Kraft in Erscheinung und hatte eine enorme Entwicklung, hauptsächlich in Nordamerika. Genau genommen, muß man verschiedene feministische biblische Hermeneutiken unterscheiden, denn der Umgang mit der Heiligen Schrift ist in diesem Umkreis sehr verschieden. Ihre Einheit kommt vom gemeinsamen Thema, der Frau, und vom verfolgten Ziel, der Befreiung der Frau und der Erlangung gleicher Rechte wie die des Mannes. Wir wollen hier drei Hauptformen der feministischen Bibelhermeneutik erwähnen: die radikale, die neu-orthodoxe und die kritische Form. Die radikale Form weist die Autorität der Bibel total zurück, indem sie sagt, die Bibel sei ein Produkt von Männern mit dem Zweck, die Herrschaft des Mannes über die Frau zu sichern (Androzentrismus). Die neu-orthodoxe Form nimmt die Bibel als prophetisches Buch und ist bereit, sich ihrer in dem Maß zu bedienen, als sie für die Schwachen, also auch für die Frauen Partei ergreift; diese Orientierung gilt als „Kanon im Kanon”, um all das ins Licht zu stellen, was der Befreiung der Frau und ihrer Rechte dient. Die kritische Form benützt eine subtile Methodologie und versucht, Stellung und Rolle der christlichen Frau innerhalb der Jesus-Bewegung und in den paulinischen Gemeinden zu entdecken. Zu dieser Zeit hätte man sich zur Gleichberechtigung der Geschlechter bekannt. Doch diese Situation wäre dann zum großen Teil schon in den heiligen Schriften des Neuen Testamentes und erst recht später verwischt worden, da der Patriarchalismus und der Androzentrismus immer mehr die Oberhand gewannen. Die feministische Hermeneutik hat keine eigene neue Methode ausgearbeitet. Sie bedient sich gängiger Methoden der Exegese, speziell der historisch-kritischen. Sie fügt aber zwei Forschungskriterien hinzu. Das erste ist das feministische Kriterium, das der Frauen-Emanzipation entnommen ist und sich auf der Linie der allgemeineren Bewegung der Befreiungstheologie be- 1569 ANHANG wegt. Es benützt eine Hermeneutik des Verdachtes: da die Geschichte regelmäßig durch die Sieger geschrieben wird, kann man nur zur Wahrheit gelangen, wenn man sich nicht einfachhin auf die Texte verläßt, sondern in ihnen nach Indizien sucht, die andere Sachverhalte durchblicken lassen. Das zweite Kriterium ist soziologischer Art. Es stützt sich auf die Erforschung der Gesellschaft der biblischen Epoche, ihrer sozialen Schichten und der Stellung der Frau. Was die neutestamentlichen Texte anlangt, so ist letzten Endes das Forschungsziel nicht die Auffassung von der Frau, wie sie im Neuen Testament erscheint, sondern die geschichtliche Rekonstruktion von zwei verschiedenen Situationen der Frau im 1. Jahrhundert: die gewöhnliche in der jüdischen und griechisch-römischen Welt und die schöpferisch neue, die in der Bewegung Jesu und in den paulinischen Gemeinden aufgekommen war, wo alle, Männer und Frauen, eine „Gemeinschaft von Jüngern und Jüngerinnen Jesu” geformt hätten, die „alle gleich” waren. Man beruft sich für diese Ansicht auf den Text von Gal 3,28. Es geht darum, für die heutige Zeit die vergessene Geschichte der Rolle der Frau in der Urkirche wieder zu entdecken. Die positiven Beiträge der feministischen Exegese sind zahlreich. Seit ihrem Aufkommen nehmen die Frauen aktiver an der exegetischen Forschung teil. Es ist ihnen oft besser als den Männern gelungen, die Präsenz, die Bedeutung und die Rolle der Frau in der Bibel, in der Geschichte der, christlichen Ursprünge und in der Kirche wahrzunehmen. Der moderne kulturelle Horizont, der der Würde und der Rolle der Frau in Gesellschaft und Kirche mehr Beachtung schenkt, läßt uns dem biblischen Text neue Fragen stellen, aus denen sich Gelegenheiten für Neuentdeckungen ergeben. Die frauliche Sensibilität findet und korrigiert gewisse geläufige Interpretationen, die tendenziös waren und darauf hinausliefen, die Herrschaft des Mannes über die Frau zu rechtfertigen. Was das Alte Testament betrifft, so haben sich verschiedene Studien um ein besseres Verständnis des Gottesbildes bemüht. Der Gott der Bibel ist nicht die Projektion einer patriarchalen Mentalität. Er ist Vater; er ist aber auch ein Gott der Zärtlichkeit und mütterlicher Liebe. In dem Maß, in dem sich die feministische Exegese einem einseitigen Programm verschreibt, setzt sie sich der Versuchung aus, die biblischen Texte in tendenziöser und damit in anfechtbarer Weise zu interpretieren. Um ihre Thesen zu belegen, muß sie dann oft in Ermangelung besserer Argumente auf das Argumentum e silentio zurückgreifen. Dieses ist, wie man , weiß, meist unzuverlässig; es genügt jedenfalls nicht, um solide Schlußfolgerungen zu ziehen. Andererseits ist der Versuch fragwürdig, mit Hilfe flüchtiger Indizien in den Texten eine geschichtliche Situation zu rekonstruieren, die diese Texte angeblich verschleiern wollen. Ein solcher Versuch führt nämlich in seiner letzten Konsequenz dazu, den Inhalt der inspirierten Texte selbst zurückzuweisen, um ihm dafür eine andere, hypothetische Konstruktion vorzuziehen. 1570 ANHANG Die feministische Exegese wirft häufig die Machtfrage in der Kirche auf, die bekanntlich Gegenstand von Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten ist. In diesem Bereich kann die feministische Exegese der Kirche nur in dem Maße nützlich sein, als sie nicht dem Übel erliegt, das sie selbst anklagt, und ihrerseits die Lehre des Evangeliums über die Macht als Dienst nicht aus dem Auge verliert, eine Lehre, die Jesus an alle seine Jünger, Männer und Frauen, gerichtet hat. <220> Über den Text dieses letzten Abschnittes wurde abestimmt. 11 von 19 Stimmen sprachen sich für ihn aus, 4 dagegen, und 4 enthielten sich der Stimme. [Gegenstand der Abstimmung war die Warnung an die Adresse der Frauen, die dieser Satz enthält.] Die Minorität der Kommissionsmitglieder [hielt eine solche Kritik von seiten von Männern für wenig angebracht. Sie] verlangte, daß das Resultat dieser Abstimmung im Text publiziert werde. Die Kommission hat sich dazu verpflichtet. F. Der fundamentalistische Umgang mit der Heiligen Schrift Die fundamentalistische Verwendung der Bibel geht davon aus, daß die Heilige Schrift - das inspirierte Wort Gottes und frei von jeglichem Irrtum - wortwörtlich gilt und bis in alle Einzelheiten wortwörtlich interpretiert werden muß. Mit solcher „wortwörtlicher Interpretation” meint sie eine unmittelbare buchstäbliche Auslegung, d. h. eine Interpretation, die jede Bemühung, die Bibel in ihrem geschichtlichen Wachstum und in ihrer Entwicklung zu verstehen, von vomeherein ausschließt. Eine solche Art, die Bibel zu lesen, steht im Gegensatz zur historisch-kritischen Methode, aber auch zu jeder anderen wissenschaftlichen Interpretationsmethode der Heiligen Schrift. Der fundamentalistische Umgang mit der Heiligen Schrift hat seine Wurzeln in der Zeit der Reformation, wo man dafür kämpfte, dem Literalsinn der Heiligen Schrift treu zu bleiben. Nach der Aufklärung erschien diese Art, die Bibel zu lesen, im Protestantismus als Reaktion auf die liberale Exegese. Der Begriff „fundamentalistisch” wurde auf dem Amerikanischen Bibelkongreß geprägt, der 1895 in Niagara im Staate New York stattfand. Die konservativen protestantischen Exegeten legten damals „fünf Punkte des Fundamentalismus” fest: die Lehre von der wörtlichen Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift, der Gottheit Christi, der jungfräulichen Geburt Jesu, der stellvertretenden Sühne Jesu und der körperliche Auferstehung bei der Wiederkunft Christi. Als der fundamentalistische Umgang mit der Bibel sich in anderen Weltteilen ausbreitete, führte er in Europa, Asien, Afrika und Südamerika zu weiteren Spielarten, die alle auch die Bibel „buchstäblich” lesen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fand der fundamentalistische Gebrauch der Bibel in religiösen Gruppen und Sekten wie auch unter den Katholiken immer mehr Anhänger. Obschon der Fundamentalismus mit Recht auf der göttlichen Inspiration der Bibel, der Irrtumslosigkeit des Wortes Gottes und den anderen biblischen Wahrheiten insistiert, die in den fünf genannten Grundsätzen enthalten sind, so wurzelt seine Art, diese Wahrheiten darzulegen, doch in einer Ideologie, die nicht biblisch ist, mögen ihre Vertreter auch noch so sehr das Gegenteil behaupten. Denn diese verlangt ein 1571 ANHANG totales Einverständnis mit starren doktrinären Haltungen und fordert als einzige Quelle der Lehre im Hinblick auf das christliche Leben und Heil eine Lektüre der Bibel, die jegliches kritisches Fragen und Forschen ablehnt. Das Grundproblem dieses fundamentalistischen Umgangs mit der Heiligen Schrift besteht darin, daß er den geschichtlichen Charakter der biblischen Offenbarung ablehnt und daher unfähig wird, die Wahrheit der Menschwerdung selbst voll anzunehmen. Für den Fundamentalismus ist die enge Verbindung zwischen Göttlichem und Menschlichem in der Beziehung zu Gott ein Ärgernis. Er weigert sich zuzugeben, daß das inspirierte Wort Gottes in menschlicher Sprache ausgedrückt und unter göttlicher Inspiration von menschlichen Autoren niedergeschrieben wurde, deren Fähigkeiten und Mittel beschränkt waren. Er hat deshalb die Tendenz, den biblischen Text so zu behandeln, als ob er vom Heiligen Geist wortwörtlich diktiert worden wäre. Er sieht nicht, daß das Wort Gottes in einer Sprache und in einem Stil formuliert worden ist, die durch die jeweilige Epoche der Texte bedingt sind. Er schenkt den literarischen Gattungen und der menschlichen Denkart, wie sie in den biblischen Texten vorliegen, keinerlei Beachtung, obschon sie Frucht einer sich über mehrere Zeitepochen erstreckende Erarbeitung sind und Spuren ganz verschiedener historischer Situationen tragen. Der Fundamentalismus betont über Gebühr die Irrtumslosigkeit in Einzelheiten der biblischen Texte, besonders was historische Fakten oder sogenannte wissenschaftliche Wahrheiten betrifft. Oft faßt er als geschichtlich auf, was gar nicht den Anspruch auf Historizität erhebt; denn für den Fundamentalismus ist alles geschichtlich, was in der Vergangenheitsform berichtet oder erzählt wird, ohne daß er auch nur der Möglichkeit eines symbolischen oder figurativen Sinnes die notwendige Beachtung schenkt. Der Fundamentalismus hat oftmals die Tendenz, die Probleme des biblischen Textes in seiner hebräischen, aramäischen oder griechischen Sprachgestalt zu ignorieren. Nicht selten ist er eng an eine bestimmte, alte oder neue Übersetzung gebunden. Auch geht er nicht auf die Tatsache von „relectures” in gewissen Abschnitten innerhalb der Bibel selbst ein. Was die Evangelien anlangt, so trägt der Fundamentalismus dem Wachsen der Tradition der Evangelien keine Rechnung, sondern verwechselt naiv den Endtext dieser Tradition (das, was von den Evangelisten geschrieben wurde) mit ihrer Erstform (die Taten und Worte des geschichtlichen Jesus). Zugleich vernachlässigt er eine wichtige Dimension: die Art und Weise, wie die ersten christlichen Gemeinden selbst die Wirkung von Jesus und seiner Botschaft verstanden haben. Dabei bezeugt gerade dieses urchristliche Verständnis die apostolische Herkunft des christlichen Glaubens und ist ihr direkter Ausdruck. Der Fundamentalismus macht so den vom Evangelium selbst intendierten Anspruch unkenntlich. Dem Fundamentalismus kann man auch eine Tendenz zu geistiger Enge nicht absprechen. Er erachtet z. B. eine alte vergangene Kosmologie, weil man sie in der Bibel findet, als übereinstimmend mit der Realität. Dies verhindert jeglichen Dialog 1572 ANHANG mit einer offenen Auffassung der Beziehungen zwischen Kultur und Glauben. Er stützt sich auf eine unkritische Interpretation gewisser Bibeltexte, um politische Ideen und soziales Verhalten zu rechtfertigen, das von Vorurteilen gekennzeichnet ist, die ganz einfach im klaren Gegensatz zum Evangelium stehen, wie z. B. Rassendiskrimination und dgl. mehr. Und schließlich trennt der Fundamentalismus die Interpretation der Bibel von der Tradition, weil er auf dem Prinzip der „sola Scriptura” beruht. Die Tradition, die vom Geist Gottes geführt wird, entwickelt sich jedoch innerhalb der Glaubensgemeinschaft organisch aus der Heiligen Schrift heraus. Es fehlt dem Fundamentalismus die Erkenntnis, daß das Neue Testament in der christlichen Kirche entstanden ist und daß es Heilige Schrift dieser Kirche ist, deren Existenz der Abfassung ihrer Schriften schon vorausging. Aus diesem Grund ist der Fundamentalismus oft „antikirchlich”. Er erachtet die Glaubensbekenntnisse, die Dogmen und das liturgische Leben, die Teil der kirchlichen Tradition geworden sind, als nebensächlich. Das Gleiche gilt für die Lehrfunktion der Kirche selbst. Er stellt sich als eine Form privater Interpretation dar, die nicht erkennt, daß die Kirche auf der Bibel gründet und ihr Leben und ihre Inspiration aus den heiligen Schriften bezieht. Der fundamentalistische Zugang ist gefährlich, denn er zieht Personen an, die auf ihre Lebensprobleme biblische Antworten suchen. Er kann sie täuschen, indem er ihnen fromme, aber illusorische Interpretationen anbietet, statt ihnen zu sagen, daß die Bibel nicht unbedingt sofortige, direkte Antworten auf jedes dieser Probleme bereithält. Ohne es zu sagen, lädt der Fundamentalismus doch zu einer Form der Selbstaufgabe des Denkens ein. Er gibt eine trügerische Sicherheit, indem er unbewußt die menschlichen Grenzen der biblischen Botschaft mit dem göttlichen Inhalt dieser Botschaft verwechselt. II. Probleme der Hermeneutik A. Philosophische Hermeneutiken Der Weg der Exegese muß in dem Sinn neu überdacht werden, als sie der zeitgenössischen philosophischen Hermeneutik Rechnung tragen muß. Diese hebt die Implikation der Subjektivität im Erkennen, besonders im geschichtlichen Erkennen, hervor. Die hermeneutische Reflexion hat mit den Arbeiten von Friedrich Schleiermacher, Wilhelm Dilthey und besonders mit Martin Heidegger einen neuen Aufschwung genommen. Im Gefolge dieser Philosophen, aber auch unabhängig von ihnen, haben verschiedene Autoren die zeitgenössische hermeneutische Theorie und ihre Anwendung auf die Heilige Schrift vertieft. Unter ihnen sind namentlich Rudolf Bultmann, Hans Georg Gadamer und Paul Ricoeur zu erwähnen. Es ist hier nicht möglich, eine Zusammenfassung ihrer Arbeiten zu geben. Es muß genügen, einige 1573 ANHANG zentrale Ideen ihrer Philosophie zu skizzieren, die die biblische Interpretation beeinflußthaben. <221> <221> Die Hermeneutik des Wortes, wie sie von Gerhard Ebeling und Ernst Fuchs entwickelt wurde, geht von einem andern Zugang aus und gehört zu einem andern Bereich des Denkens. Es geht bei ihr eher um eine hermeneutische Theologie als um eine hermeneutische Philosophie. Ebeling.geht immerhin mit Autoren wie Bultmann und Ricoeur in der Betonung der Bedingung einig, daß das Wort Gottes nur dann seinen vollen Sinn erhält, wenn es seine Adressaten erreicht. 1. Moderne Perspektiven Da zwischen der Welt des 1. und 20. Jahrhunderts eine kulturelle Distanz liegt, hat Bultmann mit Nachdruck auf das , Vorverständnis’ hingewiesen, das für jedes Verstehen notwendig ist. Er hat in diesem Sinne eine existentiale Interpretationstheorie der neutestamentlichen Texte ausgearbeitet. Es geht ihm darum, daß die Realität, von der die Heilige Schrift handelt, den heutigen Menschen anspricht. Indem er sich auf Heidegger beruft, stellt er fest, daß die Exegese eines biblischen Textes ohne bestimmte, das Verstehen bedingende Voraussetzungen eben nicht möglich ist. Das ,Vorverständnis’ beruht auf einem Lebensverhältnis des Interpreten zur Sache, von der der Text spricht. Das ,Vorverständnis’ muß sich aber vertiefen und erweitern, ja sogar verändern und korrigieren lassen durch das, von dem der Text spricht, damit der Interpret dem Subjektivismus entgeht. Die Frage, die sich stellt, ist die nach der richtigen Begriffhchkeit, mit der die Heilige Schrift angegangen werden muß, damit sie der heutige Mensch verstehen kann. Die Antwort glaubt Bultmann in Heideggers Existentialanalyse zu finden. Die Existentiale Heideggers hätten eine universale Bedeutung und würden die am besten geeigneten Strukturen und Begriffe anbieten, die menschliche Existenz zu verstehen, wie sie sich in der Botschaft des Neuen Testamentes offenbart. Gadamer unterstreicht ebenfalls die geschichtliche Distanz zwischen dem Text und seinem Interpreten. Er nimmt die Theorie vom hermeneutischen Zirkel wieder auf und entwickelt sie weiter. Die Vorwegnahmen und die Vorverständnisse, die unser Verstehen kennzeichnen, kommen aus der Tradition, die uns trägt. Diese besteht aus einer Gesamtheit von historischen und kulturellen Gegebenheiten, die unsere Lebenswelt, unseren Verstehenshorizont darstellen. Der Interpret ist aufgefordert, mit der Realität, von der der Text spricht, in Dialog zu treten. Das Verstehen ereignet sich in der Verschmelzung der beiden Horizonte, dem des Textes und dem des Lesers („Horizontverschmelzung”). Sie ist nur möglich, wenn es eine Entsprechung („Zugehörigkeit”) gibt, d.h. eine grundlegende Verwandtschaft zwischen dem Interpreten und seinem Objekt. <222> Die Hermeneutik ist ein dialektischer Vorgang: das Verständnis eines Textes ist immer auch ein erweitertes Selbstverständnis. <222> Es handelt sich um eine grundlegende Verwandtschaft zwischen dem Denken des Interpreten und den Aussagen des Textes. Vom hermeneutischen Denken Ricoeurs ist zuerst die Betonung festzuhalten, die er auf den Vorgang der Distanzierung als eine unentbehrliche Voraussetzung für eine 1574 ANHANG echte Aneignung des Textes legt. Eine erste Distanz liegt zwischen dem Text und seinem Autor; denn sobald er verfaßt ist, bekommt der Text eine gewisse Autonomie seinem Autor gegenüber; er beginnt eine ,Sinn-Karriere’. Eine andere Distanz trennt den Text von seinen jeweiligen Lesern; diese müssen die Andersartigkeit der Welt des Textes respektieren. Die Methoden der literarischen und geschichtlichen Analyse sind somit für die Interpretation notwendig. Der Sinn eines Textes kann jedoch nur dann voll erfaßt werden, wenn er im Erleben der Leser aktualisiert wird, die ihn sich aneignen. Diese sind aufgerufen, aus ihrer Situation heraus neue Bedeutungen in der Perspektive des grundlegenden Sinnes, wie er vom Text ausgeht, freizusetzen. Die Kenntnis der Bibel darf nicht etwa an der Sprache hängenbleiben. Sie muß vielmehr bis zur Realität Vordringen, von der der Text spricht. Die religiöse Sprache der Bibel ist eine symbolische Sprache, die „zu denken gibt”, eine Sprache, deren Sinnreichtum sich nie erschöpft. Es ist eine Sprache, die eine transzendente Realität meint und auf sie verweist, und zugleich im Menschen den Sinn für die Tiefendimension seines Seins weckt. 2. Der Beitrag der Hermeneutik zur Exegese Wie sind diese zeitgenössischen Theorien der Textinterpretation zu beurteilen? Die Bibel ist Wort Gottes für alle aufeinanderfolgenden Zeiten. Deshalb darf man sich keiner hermeneutischen Theorie verschließen, die es erlaubt, Methoden der literarischen und historischen Kritik in ein weiteres Interpretationsmodell einzubetten. Es geht darum, die Distanz zwischen der Epoche der Autoren und ersten Adressaten der biblischen Texte und unserer heutigen Zeit zu überbrücken, um so die Botschaft der Texte in richtiger Weise zu aktualisieren, damit sie das Glaubensleben der Christen nährt. Jede Textexegese muß durch eine „Hermeneutik” im modernen Sinn des Wortes ergänzt werden. Die Notwendigkeit einer Hermeneutik, d. h. einer Interpretation im Heute unserer Welt, findet ihre Berechtigung in der Bibel selbst sowie in der Geschichte ihrer Interpretation. Die gesamten heiligen Schriften des Alten und Neuen Testamentes sind Produkte eines langen Prozesses der Neu-Interpretation der Gründungsereignisse im Zusammenhang mit dem Leben der Gemeinschaften der Gläubigen. In der kirchlichen Tradition waren die Kirchenväter, die ersten Ausleger der Heiligen Schrift, der Ansicht, daß ihre Textexegese erst dann vollständig war, wenn sie den Sinn des Textes für die Christen ihrer Zeit, in ihrer Situation aufgezeigt hatten. Man ist der Absicht der biblischen Texte nur in dem Maß treu, in dem man versucht, durch ihre Formulierungen hindurch die Wirklichkeit des Glaubens zu erreichen, die in ihnen zur Sprache kommt und diese mit der Glaubenserfahrung der heutigen Zeit verbindet. Die moderne Hermeneutik ist eine gesunde Reaktion auf den historischen Positivismus und auf die Versuchung, bei der Erforschung der Bibel Kriterien der Objektivität anzuwenden, die für die Naturwissenschaften Geltung haben. Einerseits sind die Ereignisse, die in der Bibel erwähnt werden, interpretierte Ereignisse. Andererseits 1575 ANHANG impliziert jede Exegese der Erzählungen von diesen Ereignissen notwendigerweise die Subjektivität des Exegeten. Das richtige Verständnis des biblischen Textes ist nur dem zugänglich, der eine lebendige Beziehung zu dem hat, wovon der Text spricht. Die Frage, die sich jedem Interpreten stellt, ist die: Welche hermeneutische Theorie ermöglicht es, die tiefe Wirklichkeit zu erfassen, von welcher die Heilige Schrift spricht, und diese für den heutigen Menschen klar und sinnvoll auszudrük-ken? Man muß in der Praxis freilich anerkennen, daß gewisse hermeneutische Theorien zur Interpretation der Heiligen Schrift ungeeignet sind. So schließt Bultmanns exi-stentiale Interpretation die biblische Botschaft in die Enge einer besonderen Philosophie ein. Zudem ist die religiöse Botschaft der Bibel - wegen der Voraussetzungen, die diese Hermeneutik leiten - ihrer objektiven Wirklichkeit größtenteils entleert, weil sie zu weitgehend „entmythologisiert” wird. Auch tendiert sie dahin, die biblischen Texte einer anthropologischen Konzeption zu unterwerfen. Die Philosophie wird so zur Interpretationsnorm anstatt zum Instrument des Verstehens dessen, was das zentrale Objekt jeglicher Interpretation der Heiligen Schrift ist: die Person Jesu Christi und die Heilsereignisse, die in unserer Geschichte stattgefunden haben. Eine authentische Interpretation der Heiligen Schrift ist somit zuerst die Annahme eines in diesen Ereignissen gegebenen Sinnes, der in ausgezeichneter Weise in der Person Jesu Christi aufscheint. Dieser Sinn kommt in den Texten zur Sprache. Um dem Subjektivismus zu entgehen, muß eine gute Aktualisierung auf der Untersuchung des Textes beruhen, und die Voraussetzungen der Textinterpretation müssen sich immer wieder am Text selbst überprüfen lassen. Auch wenn die biblische Hermeneutik zur allgemeinen Hermeneutik literarischer und geschichtlicher Texte gehört, ist sie dennoch zugleich ein Sonderfall dieser Hermeneutik. Ihre besonderen Charakteristika kommen ihr von ihrem Objekt her zu. Die Heilsereignisse und ihre Erfüllung in der Person Jesu Christi geben der gesamten Geschichte der Menschheit Sinn. Die neuen geschichtlichen Interpretationen <223> können nichts anderes sein als die Entschleierung oder die Entfaltung der Fülle dieses Sinnes. Die biblische Erzählung dieser Ereignisse kann durch den Verstand allein nicht voll erfaßt werden. Ihre Interpretation bedarf besonderer Voraussetzungen, z. B. des in der kirchlichen Gemeinschaft gelebten Glaubens und der Führung durch den Heiligen Geist. <224> Mit dem Wachsen des Lebens im Geiste weitet sich bei der Leserschaft das Verständnis der Wirklichkeiten, von denen der biblische Text spricht. <223> Das Heilsgeschehen erfuhr im Laufe der Geschichte immer wieder neue Interpretationen. <224> Der französische Text spricht von dem „Licht des heiligen Geistes”. 1576 ANHANG B. Sinn der inspirierten Schrift Der moderne Beitrag der philosophischen Hermeneutiken und die neueren Entwicklungen der Literaturwissenschaft ermöglichen der biblischen Exegese ein tieferes Verständnis ihrer Aufgabe, deren Komplexität deutlicher zutage tritt. Die ältere Exegese, die natürlich noch nicht modernen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen konnte, wies jedem Text der Heiligen Schrift verschiedene Sinnebenen zu. Die geläufigste Unterscheidung war die zwischen Literal- und geistlichem Sinn. Die mittelalterliche Exegese unterschied im geistlichen Sinn drei verschiedene Aspekte: den Bezug auf die offenbarte Wahrheit, auf das konkrete Leben und auf die letzte Erfüllung. Von da kommt das berühmte Distichon des Dominikaners Augustinus von Dänemark (XIII. Jh.): „Littera gesta docet, quid credas allegoria, moralis quid agas, quid speres anagogia.” Als Reaktion auf die Theorie des vielfachen Schriftsinnes hat die historisch-kritische Exegese mehr oder weniger offen die These eines einzigen Sinnes vertreten, derzu-folge ein Text nicht gleichzeitig mehrere Bedeutungen haben kann. Das ganze Bemühen der historisch-kritischen Exegese geht dahin, den genauen Wort-Sinn dieses oder jenes biblischen Textes in der Situation seiner Entstehung zu bestimmen. Doch läßt sich diese These heute angesichts der Erkenntnisse der Sprachwissenschaften und der philosophischen Hermeneutiken, die die Polysemie geschriebener Texte anerkennen, so nicht mehr halten. Das Problem ist nicht einfach, und es stellt sich nicht in gleicher Weise für alle Textgattungen: geschichtliche Erzählungen, Gleichnisse, Prophetenworte, Gesetze, Sprichwörter, Gebete, Hymnen usw. Man kann jedoch einige allgemeine Grundsätze nennen, ohne dabei die verschiedenen Auffassungen zu übersehen, die vertreten werden. 1. Der wörtliche Sinn (sensus litteralis) Es ist nicht nur legitim, sondern unerläßlich, den genauen Sinn der Texte, so wie sie von ihren Autoren verfaßt wurden, zu bestimmen. Er heißt wörtlicher Sinn, sensus litteralis. Schon Thomas von Aquin hat auf seine grundlegende Bedeutung hingewiesen (S.Th. I, q.l, a.10, ad 1). Der wörtliche Sinn darf nicht mit dem „buchstäblichen” verwechselt werden, wie es die Fundamentalisten zu tun pflegen. Es genügt z. B. nicht, einen Text buchstäblich zu übersetzen, um seinen wörtlichen Sinn zu erhalten. Man muß ihn den literarischen Konventionen der Zeit entsprechend verstehen. Ist ein Text metaphorisch, so ist sein wörtlicher Sinn nicht derjenige, der sich aus einem wortwörtlichen Verständnis ergibt (z. B. „eure Lenden seien gegürtet”, Lk 12,35), sondern derjenige, der der metaphorischen Verwendung entspricht („seid immer bereit”). Handelt es sich um eine Erzählung, so erlaubt der wörtliche Sinn nicht unbedingt die Beteuerung, die erzählten Fakten hätten in der Tat stattgefunden; denn es kann sein, daß 1577 ANHANG eine Erzählung nicht der Gattung geschichtlicher Erzählungen angehört, sondern ein Produkt der Phantasie ist. Der wörtliche Sinn der Heiligen Schrift ist derjenige, der von den inspirierten menschlichen Autoren direkt ausgedrückt wurde. Da er Frucht der Inspiration ist, ist dieser Sinn auch der von Gott, dem eigentlichen Autor (auctor principalis) gewollte. Er läßt sich mit Hilfe einer genauen Analyse des Textes im Rahmen seines literarischen und geschichtlichen Kontextes ermitteln. Die Hauptaufgabe der Exegese ist es, diese Analyse sorgfältig durchzuführen, wobei alle Möglichkeiten der literarischen und geschichtlichen Forschungen auszuschöpfen sind, um den wörtlichen Sinn der biblischen Texte mit größtmöglicher Genauigkeit zu erfassen (vgl. Divino qfflante Spiritu, EnchB 550). Zu diesem Zweck ist die Erforschung der antiken literarischen Gattungen von ganz besonderer Notwendigkeit (ebd. 560). Gibt es nur einen wörtlichen Sinn eines Textes? Im allgemeinen ja; aus zwei Gründen handelt es sich dabei jedoch nicht um ein absolutes Prinzip. Einerseits ist es möglich, daß ein menschlicher Autor sich gleichzeitig auf verschiedene Realitätsebenen beziehen will. Dies kommt in der Lyrik oft vor. Die biblische Inspiration schließt diese Möglichkeit der menschlichen Sprache und Psychologie nicht aus; das vierte Evangelium liefert dafür viele Beispiele. Andererseits ist es auch dann, wenn ein menschlicher Ausdruck scheinbar nur eine Bedeutung hat, durchaus möglich, daß die göttliche Inspiration ihn so steuert, daß Mehrdeutigkeit entsteht. Dies ist der Fall beim Wort von Kajaphas in Joh 11,50. Es drückt gleichzeitig eine politische unmoralische Berechnung und eine göttliche Offenbarung aus. Diese zwei Aspekte gehören beide zum wörtlichen Sinn, denn sie sind beide durch den Kontext gegeben. Obschon es sich hier um einen Extremfall handelt, ist er doch bedeutungsvoll. Er warnt vor einer zu engen Auffassung des wörtlichen Sinnes der inspirierten Texte. Bei vielen Texten ist es insbesondere angebracht, auf ihren dynamischen Charakter zu achten. Der Sinn der Königspsalmen zum Beispiel darf nicht ausschließlich auf die geschichtlichen Bedingungen ihrer Entstehung eingeschränkt werden. Wenn er vom König spricht, ruft der Psalmist zugleich den Gedanken an eine konkrete Institution und an eine Idealvision des Königtums, das dem Plan Gottes entspricht, hervor, so daß sein Text über die königliche Institution, wie sie in der Geschichte real erscheint, weit hinausgeht. Die historisch-kritische Exegese hatte zu oft die Tendenz, den Sinn der Texte ausschließlich mit genauen geschichtlichen Ereignissen in Verbindung zu bringen und ihn darauf zu fixieren. Sie muß demgegenüber vielmehr versuchen, die Richtung des im Text ausgedrückten Gedankens zu bestimmen, eine Richtung, die den Exegeten nicht dazu einlädt, den Sinn aufzuhalten, sondern ihm im Gegenteil nahelegt, die mehr oder weniger voraussehbaren Entfaltungen des Sinnes zu erfassen. Eine Strömung der modernen Hermeneutik hat den unterschiedlichen Stellenwert hervorgehoben, der dem menschlichen Wort zukommt, sobald es geschrieben ist. Ein geschriebener Text kann in neuen Situationen eine andere Beleuchtung erhalten, so daß sich seinem Sinn neue Bedeutungen hinzufügen. Diese Fähigkeit des ge- 1578 ANHANG schriebenen Textes ist besonders im Fall der biblischen Texte gegeben, die als Wort Gottes anerkannt werden. In der Tat, was die Glaubensgemeinschaft dazu bewegte, sie aufzubewahren, ist die Überzeugung, in ihnen Licht und Leben auch für die kommenden Generationen zu finden. Der wörtliche Sinn ist von Anfang an für spätere Entwicklungen offen, die durch „Wiederaufnahmen” (relectures) in neuen Kontexten ausgelöst werden. Daraus ergibt sich nicht, daß einem biblischen Text irgendein beliebiger Sinn beigelegt werden kann, indem man ihn auf subjektive Weise interpretiert. Im Gegenteil, man muß jede Interpretation als unauthentisch zurückweisen, die dem Sinn zuwiderläuft, den die menschlichen Autoren in dem von ihnen niedergeschriebenen Text ausgedrückt haben. Ließe man einen heterogenen Sinn zu, würde man die biblische Botschaft in ihren Wurzeln treffen und subjektiver Willkür überlassen; denn diese Botschaft ist ein Wort, das Gott in der Geschichte gesprochen hat. 2. Der geistliche Sinn (sensus spiritualis) Man darf jedoch den Ausdruck „heterogen” nicht in zu engem Sinne auffassen, der jegliche Möglichkeit höherer Erfüllung von vornherein ausschlösse. Das österliche Geschehen, Tod und Auferstehung Jesu, haben einen völlig neuen geschichtlichen Kontext geschaffen, der auf neue Art die alten Texte erhellt und zu einer Veränderung des Sinnes führt. So müssen namentüch gewisse Texte, die in früheren Situationen als hyperbolisch betrachtet werden mußten (z. B. das Prophetenwort, in welchem Gott in bezug auf einen Davidssohn verhieß, dessen Thron ..für immer” zu festigen, 2 Sam 7,12-13; 1 Chr 17,11-14), nunmehr wörtlich genommen werden, weil „Christus, von den Toten auferstanden, nicht mehr stirbt” (Röm 6,9). Exegeten, die einen engen, „historistischen” Begriff vom wörtlichen Sinn haben, werden der Meinung sein, daß es sich hier um Heterogeneität handelt. Diejenigen, die dem dynamischen Aspekt der Texte offen gegenüberstehen, werden hingegen darin eine tiefe Kontinuität erkennen und zugleich einen Übergang auf eine andere Stufe: Christus herrscht für immer, jedoch nicht auf dem irdischen Thron Davids (vgl. auch Ps 2,7-8; 110,1.4). In Fällen dieser Art spricht man vom „geistlichen Sinn”. In der Regel läßt sich der geistliche Sinn in der Perspektive des christlichen Glaubens als der Sinn definieren, den die biblischen Texte ausdrücken, wenn sie unter dem Einfluß des Heiligen Geistes im Kontext des österlichen Mysteriums Christi und des daraus folgenden neuen Lebens gelesen werden. Diesen Kontext gibt es tatsächlich. Das Neue Testament erkennt darin die Erfüllung der Schriften. So ist es natürlich, die Schriften im Lichte dieses neuen Kontextes zu lesen, der das Leben im Heiligen Geiste ist. Aus dieser Definition ergeben sich mehrere nützliche Klärungen der Beziehung zwischen geistlichem und wörtlichem Sinn: Entgegen einer weit verbreiteten Meinung unterscheiden sich die beiden Sinne nicht notwendigerweise. Wenn ein biblischer Text sich direkt auf das Ostergeheimnis Christi oder auf das daraus folgende neue Leben bezieht, so ist sein wörtlicher Sinn 1579 ANHANG ein geistlicher. Dies ist im allgemeinen im Neuen Testament der Fall. Deshalb spricht die christliche Exegese von geisthchem Sinn meistens in bezug auf das Alte Testament. Doch schon im Alten Testament gibt es manche Texte, die als wörtlichen Sinn einen religiösen und geistlichen Sinn haben. Der christliche Glaube erkennt in ihnen einen Sinn, der das neue, durch Christus gebrachte Leben vorwegnimmt. Wenn eine Unterscheidung vorliegt, so darf der geistliche Sinn nie ohne Bezug zum wörtlichen Sinn bestimmt werden. Dieser bleibt die unerläßliche Basis. Sonst könnte man nicht von „Erfüllung” der Heiligen Schrift sprechen. Damit von Erfüllung die Rede sein kann, ist eine kontinuierhche und homogene Beziehung wesentlich. Es muß aber auch ein Übergang auf eine höhere Stufe der Wirklichkeit stattfinden. Der geistliche Sinn darf nicht mit subjektiven Interpretationen verwechselt werden, die aus Einbildungskraft oder intellektueller Spekulation stammen. Der geistliche Sinn ist das Ergebnis der Beziehung zwischen dem Text und Wirklichkeiten, die ihm nicht fremd sind, nämlich dem Osterereignis in seiner unerschöpflichen Fruchtbarkeit, das den Höhepunkt der göttlichen Geschichtsmächtigkeit im Leben Israels zugunsten der ganzen Menschheit darstellt. Eine in Gemeinschaft oder individuell vollzogene geistliche Lesung entdeckt einen authentischen geistlichen Sinn nur dann, wenn sie sich in diese Perspektive versetzt. Denn dann werden die drei Realitätsebenen miteinander in Beziehung gebracht: biblischer Text, Ostergeheimnis und gegenwärtige Situation des Lebens im Heiligen Geiste. Da die frühere Exegese davon überzeugt war, daß das Mysterium Christi der Schlüssel zur Auslegung aller Schriften ist, lag ihr daran, einen geistlichen Sinn bis in die winzigsten Einzelheiten der biblischen Texte zu finden, z. B. in jeder Vorschrift der Ritualgesetze, wobei sie sich entweder rabbinischer Methoden bediente oder sich von der hellenistischen Allegorese inspirieren ließ. Die moderne Exegese kann solchen Interpretationsversuchen keinen wirklichen Wert mehr für heute beimessen, welchen pastoralen Nutzen sie auch immer in der Vergangenheit gebracht haben mag (vgl. Divino afflante Spiritu, EnchB 553). Einer der möglichen Aspekte des geistlichen Sinnes ist der typologische Sinn. Von diesem wird gewöhnlich gesagt, er gehöre nicht zur Heiligen Schrift selbst, sondern zu den in der Heiligen Schrift zur Sprache gebrachten Realitäten: Adam versinnbildlicht Christus (vgl. Röm5,14), die Sintflut versinnbildlicht die Taufe (/ Petr 3,20-21), usw. Tatsächlich basiert der typologische Bezug normalerweise auf der Art und Weise, wie die Heilige Schrift die alte Wirklichkeit beschreibt (vgl. die Stimme Abels: Gen 4,10; Hebr 11,4; 12,24), und nicht einfach auf dieser Wirklichkeit an und für sich. Es handelt sich also in Wirklichkeit um einen von der Heiligen Schrift geschaffenen Sinn. 1580 ANHANG 3. Der sensus plenior Der sensus plenior, eine relativ neue Kategorie, gibt zu Diskussionen Anlaß. Man kann ihn als tieferen Sinn eines Textes definieren, der von Gott gewollt ist, aber vom menschlichen Autor nicht klar ausgedrückt wurde. Man stößt auf ihn, wenn man einen biblischen Text im Lichte anderer biblischer Texte, die auf ihm fußen, oder in seiner Beziehung zur inneren Entwicklung der Offenbarung untersucht. Es handelt sich somit entweder um den Sinn, den ein biblischer Autor einem ihm bekannten früheren biblischen Text zuerkennt, wenn er ihn in einem neuen Kontext wiederverwendet, der ihm einen neuen wörtlichen Sinn verleiht; oder es geht um die Bedeutung, die eine authentische Lehrtradition oder eine Konzilsdefinition einem Text der Bibel zuerkennt. Der Kontext von Mt 1,23 zum Beispiel gibt dem Prophetenwort von Jes 7,14 von der ‘almäh, die empfangen wird, einen sensus plenior, indem Mt die Übersetzung der Septuaginta übernimmt: „Die Jungfrau (parthenos) wird ein Kind empfangen”. Die Lehre der Kirchenväter und der Konzilien über die Heiligste Dreifaltigkeit bringt den sensus plenior der Aussagen des Neuen Testamentes über Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist zum Ausdruck. Die Definition der Erbsünde durch das Konzil von Trient kann ebenso als sensus plenior der Lehre von Paulus in Röm 5,12-21 bezüglich der Auswirkungen der Sünde Adams auf die Menschheit verstanden werden. Wo aber eine solche Kontrolle durch einen expliziten biblischen Text oder durch eine authentische Lehrtradition fehlt, könnte das Zurückgreifen auf einen sogenannten sensus plenior zu subjektiven Auslegungen Anlaß geben, denen jede Berechtigung fehlen würde. Alles in allem könnte man den Ausdruck sensus plenior als eine andere Bezeichnung des geistlichen Sinnes in dem Fall auffassen, wo sich der geistliche Sinn vom wörthchen Sinn eines biblischen Textes unterscheidet. Er beruht darauf, daß der Heiüge Geist, der Hauptverfasser der Bibel, den menschlichen Verfasser in der Auswahl seiner Ausdrücke so führen kann, daß diese eine Wahrheit ausdrücken, die dem Autor selbst nicht in ihrer ganzen Tiefe bewußt war. Diese wird erst mit der Zeit umfassender offenbart, einerseits dank späterer göttlicher Heilssetzungen in der Geschichte, die die Tragweite der Texte besser zeigen, andererseits auch dank der Aufnahme der Texte in den Kanon der Heiligen Schrift. So wird ein neuer Kontext geschaffen, der Sinnmöglichkeiten erscheinen läßt, die der ursprüngliche Kontext im Dunkeln gelassen hatte. III. Charakteristische Dimensionen der katholischen Interpretation Die katholische Exegese unterscheidet sich nicht durch eine besondere wissenschaftliche Methode. Sie stimmt der Erkenntnis zu, daß die biblischen Texte das Werk menschlicher Autoren sind, die sich ihrer eigenen Ausdrucksmöglichkeiten bedient haben und mit den Mitteln arbeiteten, die ihnen je nach Zeit und Milieu zur Verfügung standen. Daher benützt sie ohne Vorbehalte alle wissenschaftlichen Me- 1581 ANHANG thoden und Zugänge, die den Sinn der Texte in ihrem sprachlichen, literarischen, sozio-kulturellen, religiösen und historischen Umfeld erschließen, indem sie diesen Sinn genauer erfaßt, wenn sie die Quellen erforscht und der Persönlichkeit des jeweiligen Autors Rechnung trägt (vgl. Divino ajflante Spiritu, EnchB 557). Sie leistet einen aktiven Beitrag zur Weiterentwicklung der Methoden und zum Fortschritt der biblischen Wissenschaft. Ihre Charakteristik ist es, bewußt in der Linie der lebendigen Tradition der Kirche zu stehen, deren oberstes Anliegen es ist, die Offenbarung zu bewahren, wie sie von der Bibel bezeugt wird. Wie oben erwähnt wurde, haben die modernen Hermeneutiken die Unmöglichkeit gezeigt, einen Text zu interpretieren, ohne von irgendeinem Vorverständnis auszugehen. Die katholische Exegese geht die biblischen Schriften mit einem Vorverständnis an, das die moderne wissenschaftliche Kultur und die religiöse Tradition, die von Israel und der christlichen Urgemeinde herstammt, eng miteinander verbindet. Ihre Interpretation steht somit in Kontinuität mit der Interpretationsdynamik, die innerhalb der Bibel selbst zutage tritt und sich im Leben der Kirche fortsetzt. Sie entspricht der Notwendigkeit der unabdingbaren „Verwandtschaft” zwischen dem Interpreten und dem Gegenstand, von dem der biblische Text handelt. Diese innere „Verwandtschaft” ist eine Bedingung der Möglichkeit für alles exegetische Arbeiten. Jedes Vorverständnis hat jedoch auch seine Gefahren. Im Fall der katholischen Exegese besteht das Risiko darin, den biblischen Texten einen Sinn zu geben, den sie nicht ausdrücken, sondern der Frucht einer späteren Entwicklung der Tradition ist. Der Exeget muß sich vor dieser Gefahr hüten. A. Die Interpretation innerhalb der biblischen Tradition Die Texte der Bibel sind Ausdruck religiöser Traditionen, die bereits vor ihnen bestanden. Sie machen sich diese Traditionen in ganz verschiedenen Weisen je nach der Kreativität der Autoren zu eigen. Im Laufe der Zeit sind mannigfaltige Traditionen zusammengeflossen, um schließlich eine gemeinsame große Tradition zu bilden. Die Bibel zeigt diesen Prozeß sehr klar auf: sie hat zu seiner Verwirklichung beigetragen, und sie reguliert ihn weiterhin. „Die Interpretation innerhalb der biblischen Tradition” hat vielfältige Aspekte. Man kann unter diesem Begriff die Art und Weise verstehen, wie die Bibel menschliche Grunderfahrungen oder besondere Ereignisse der Geschichte Israels interpretiert, oder aber die Art, wie die biblischen Texte schriftliche oder mündliche Quellen benützen - von denen manche aus andern Religionen oder Kulturen herstammen mögen -, indem sie diese neu interpretieren. Doch da das gestellte Thema die Interpretation der Bibel ist, sollen nicht diese komplexen Fragen erörtert werden, sondern nur einige Beobachtungen zur Interpretation der biblischen Texte innerhalb der Bibel selbst vorgelegt werden. 1582 ANHANG 1. „ Wiederaufnahmen ” (relectures) Was der Bibel ihre innere und einzigartige Einheit verleiht, beruht unter anderem auf der Tatsache, daß die späteren biblischen Schriften sich oft auf die früheren stützen. Sie machen Anspielungen auf sie, indem sie diese wiederaufnehmen und aus ihnen -manchmal weit entfernt vom ursprünglichen Sinn - neue Sinn-Aspekte entwickeln, oder aber sie beziehen sich direkt auf ihn, sei es, um diesen Sinn zu vertiefen, sei es, um seine Erfüllung aufzuzeigen. So wird „das Erbe” eines Landes, wie Gott es Abraham für seine Nachkommen verheißen hatte (Gen 15,7.18), zum Eintritt in das Heiligtum Gottes (Ex 15,17), zur Teilnahme an der Ruhe Gottes (Ps 132,7-8), die den wahrhaft Glaubenden Vorbehalten ist (Ps 95,8-11; Hehr 3,7-4,11), und schließlich zum Eingehen in das himmlische Heiligtum (Hebr 6,12.18-20), „das ewige Erbe” (Hebr 9,15). Die Weissagung des Propheten Natan, der David ein „Haus”, d. h. eine dynastische Erbfolge, „beständig auf immer” (2 Sam 7,12-16) verspricht, wird an mehreren Stellen wiederholt (2 Sam 23,5; 1 Kön 2,4; 3,6; 1 Chr 17,11-14), vor allem in Notzeiten (Ps 89,20.38), nicht ohne bedeutsame Abwandlungen. Es wird auch durch weitere Prophetenworte ergänzt (Ps 2,7-8; 110,1.4; Am 9,11; Jes 7,13-14; Jer 23,5-6 usw.), von denen einige das Wiederkommen von Davids Reich selbst verkünden (Hos 3,5; Jer 30,9; Ez 34,24; 37,24-25; vgl. Mk 11,10). Das verheißene Reich hat universale Dimensionen (Ps 2,8; Dan 2,35.44; 7,14; vgl. Mt 28,18). Es realisiert die Berufung des Menschen in ihrer Fülle (Gen 1,28; Ps 8,6-9; Weish 9,2-3; 10,2). Jeremias Weissagung über die 70 Jahre der verdienten Strafe Jerusalems und Judas (Jer 25,11-12; 29,10) ist in 2 Chr 25,20-23 wiederaufgenommen, wo ihre Verwirklichung aufgezeigt wird. Viel später meditiert sie der Autor des Buches Daniel von neuem in der Überzeugung, daß dieses Wort Gottes noch einen verborgenen Sinn enthält, der die gegenwärtige Situation erhellen kann (Dan 9,24-27). Die grundlegende Überzeugung, daß die vergeltende Gerechtigkeit Gottes die Guten belohnt und die Bösen bestraft (Ps 1,1-6; 112,1-10; Lev 26,3-33 u. a.), stößt sich oft an unmittelbarer gegenteiliger Erfahrung. So läßt die Heilige Schrift kräftigen Einwänden und Bestreitungen Raum (Ps 44; Ijob 10,1-7; 13,3-28; 23-24) und geht diesem Geheimnis immer tiefer nach (Ps 37; Ijob 38-42; Jes 53; Weish 3-5). 2. Beziehungen zwischen Altem und Neuem Testament Die intertextuellen Bezüge sind in den Schriften des Neuen Testamentes von größter Dichte, die zahlreiche Anspielungen auf das Alte Testament und ausdrückliche alt-testamentliche Zitate enthalten. Für die Verfasser des Neuen Testamentes hat das Alte Testament göttlichen Offenbarungswert. Sie verkünden, daß diese Offenbarung ihre Erfüllung im Leben, in der Lehre und vor allem im Tod und in der Auferstehung Jesu gefunden hat, in denen die Quelle der Versöhnung und des ewigen Lebens liegt. „Christus ist für unsere Sünden gestorben gemäß der Schrift, und er ist begra- 1583 ANHANG ben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas ...” (1 Kor 15,3-5): dies ist der eigentliche Kern der apostolischen Verkündigung (7 Kor 15,11). Zwischen den Ereignissen, die die Heilige Schrift erfüllen, und der Heiligen Schrift selbst bestehen nie nur einfache materielle Übereinstimmungen, sondern wechselseitige Erhellungen und dialektischer Fortschritt: man stellt zugleich fest, daß die Heilige Schrift den Sinn der Ereignisse offenbart und die Ereignisse den Sinn der Heiligen Schrift offenbaren. Mit anderen Worten, die Ereignisse zwingen dazu, gewisse Aspekte der herkömmlichen Interpretation beiseite zu lassen, eine neue Auslegung anzunehmen. Von Anfang seines öffentlichen Wirkens an hat Jesus eine persönliche und originelle Haltung in bezug auf die Heilige Schrift eingenommen, die sich von der Interpretation seiner Epoche, derjenigen der „Schriftgelehrten und der Pharisäer”, unterschied {Mt 5,20). Dafür gibt es zahlreiche Beweise, so z. B. die Antithesen der Bergpredigt {Mt 5,21-48), die souveräne Freiheit Jesu in der Beobachtung des Sabbats {Mk 2,27-28 par.), seine Art, die Vorschriften über rituelle Reinheit zu relativieren {Mk 7,1-23 par.), andererseits seine radikalen Forderungen auf anderen Gebieten {Mt 10,2-12 par.; 10,17-27 par.) und vor allem seine offene Haltung gegenüber „den Zöllnern und den Sündern” {Mk 2,15-17 par.). Dies entsprang nicht dem Bedürfnis nach der Rolle des Außenseiters, sondern zutiefst der Treue zum Willen Gottes, wie er sich in der Heiligen Schrift ausdrückt (vgl. Mt 5,17; 9.13; Mk 7,8-13 par.; 10,5-9 par.). Tod und Auferstehung Jesu haben die begonnene Entwicklung zu ihrem Höhepunkt geführt, indem sie in gewissen Punkten einen totalen Bruch und zugleich eine unerwartete Öffnung zeitigten. Der Tod des Messias, des „Königs der Juden” {Mk 15,26 par.) hat eine Umwandlung der innerweltlichen Auslegung der Königspsalmen und der messianischen Weissagungen hervorgebracht. Jesu Auferstehung und seine himmlische Verherrlichung als Gottes Sohn haben diesen gleichen Texten eine Sinnfülle gegeben, die vorher unvorstellbar war. Ausdrücke, die zuvor hyperbolisch schienen, müssen von nun an wörtlich genommen werden. Sie erscheinen als von Gott vorbereitet, um die Herrlichkeit Jesu Christi auszudrücken, denn Jesus ist wahrhaft „Herr” {Ps 110,1) im stärksten Sinn des Wortes {Apg 2,36; Phil 2,10-11; Hebr 1,10-12); er ist Sohn Gottes {Ps 2,7; Mk 14,62; Röm 1,3-4), Gott mit Gott {Ps 45,7; Hebr 1,8; Joh 1,1; 20,28); „seiner Herrschaft wird kein Ende sein” {Lk 1,32-33; vgl. 1 Chr 17,11-14; Ps 45,7; Hebr 1,8), und er ist zugleich „Priester auf ewig” {Ps 110,4; Hebr 5,6-10; 7,23-24). Die Verfasser des Neuen Testamentes haben das Alte im Lichte der österlichen Ereignisse neu gelesen. Der vom verherrlichten Christus gesandte Heilige Geist (vgl. Joh 15,26; 16,7) hat sie dessen „geistlichen” Sinn entdecken lassen. Mehr denn je sind sie so dahin geführt worden, einerseits den prophetischen Wert des Alten Testamentes hervorzuheben, andererseits aber auch dessen Wert als Heilsinstitution stark zu relativieren. Dieser zweite Gesichtspunkt, der schon in den Evangelien 1584 ANHANG sichtbar wird (vgl. Mt 11,11-13 par.; 12,41-42 par.; Joh 4,12-14; 5,37; 6,32), tritt in manchen paulinischen Schriften sowie im Hebräerbrief überaus klar zu Tage. Paulus und der Verfasser des Hebräerbriefes zeigen auf, daß die Thora als Offenbarung selbst ihr eigenes Ende als System der Gesetzgebung ankündet (vgl. Gal 2,15-6,1; Röm 3,20-21; 6,14; Hebr 7,11-19; 10,8-9). Daraus folgt, daß die Heiden, die zum Glauben an Christus kommen, nicht allen Vorschriften der biblischen Gesetzgebung unterworfen werden müssen, die von nun an gesamthaft auf den Rang von Institutionen eines bestimmten Volkes beschränkt sind. Die Gläubigen aus dem Heidentum sollen sich aber vom Alten Testament als dem Wort Gottes nähren, denn es erlaubt ihnen, alle Dimensionen des österlichen Geheimnisses zu entdecken, aus dem sie leben (vgl. Lk 24,25-27.44-45; Röm 1,1-2). Innerhalb der christlichen Bibel sind die Beziehungen zwischen Neuem und Altem Testament zweifellos komplex. Wenn es um die Benützung bestimmter Texte geht, lesen sie die Verfasser des Neuen Testaments natürlich im Rahmen der Kenntnisse und Interpretationsweisen ihrer Epoche. Es wäre ein Anachronismus, wollte man von ihnen verlangen, sich der modernen wissenschaftlichen Methoden zu bedienen. Der Exeget muß vielmehr die früheren Interpretationsweisen kennen lernen, um ihren Gebrauch verstehen und würdigen zu können. Andererseits soll er selbstverständlich dem keinen absoluten Wert beimessen, was nur von der Begrenzung menschlicher Auslegungskunst Zeugnis ablegt. Schließlich muß noch darauf hingewiesen werden, daß, wie schon im Alten Testament, innerhalb des Neuen Testamentes verschiedene Perspektiven nebeneinander stehen, die sich manchmal in Spannung zueinander befinden, so z. B., was die Situation Jesu anlangt (Joh 8,29; 16,32 und Mk 15,34) oder die Geltung des Gesetzes des Mose (Mt 5,17-19 und Röm 6,14) oder die Notwendigkeit der Werke, um gerechtfertigt zu werden {Jak 2,24 und Röm 3,28; Eph 2,8-9). Es ist gerade eine Eigenart der Bibel, kein strenges System zu bilden, sondern im Gegenteil in der Dynamik von Spannungen zu stehen. Die Bibel hat verschiedene Weisen, die gleichen Ereignisse zu interpretieren oder die gleichen Probleme zu bedenken. Sie lädt somit ein, Vereinfachungen und geistige Enge zurückzuweisen. 3. Einige Schlußfolgerungen Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die Bibel selbst zahlreiche Hinweise und Anregungen zur Kunst der Interpretation enthält. In der Tat, seit ihren Anfängen ist die Bibel selbst Interpretation. Ihre Texte wurden von den Gemeinschaften des Alten Bundes und der apostolischen Zeit als gültiger Ausdruck ihres Glaubens anerkannt. Gemäß der Auslegung dieser Gemeinschaften und in Abhängigkeit von ihr wurden diese Texte als Heilige Schrift anerkannt. So wurde z. B. das Hohelied im Zusammenhang mit seiner Deutung auf die Beziehung zwischen Gott und Israel als Heilige Schrift anerkannt. Während der ganzen Entstehungszeit der Bibel wurden die zu ihr gehörenden Schriften in vielen Fällen neu aufgenommen und neu interpretiert, um auf neue, unbekannte Situationen Antworten zu geben. 1585 ANHANG Die Art und Weise, wie die Heilige Schrift selbst Texte interpretiert, legt folgende Bemerkungen nahe: Da die Heilige Schrift aufgrund der Übereinstimmung von gläubigen Gemeinschaften entstand, die in ihrem Text den Ausdruck des geoffenbarten Glaubens erkannten, muß gerade auch ihre Interpretation selber wieder für den lebendigen Glauben der kirchlichen Gemeinschaften zur Quelle einer Übereinstimmung in den wesentlichen Punkten werden. Da der Ausdruck des Glaubens, wie man ihn in der von allen anerkannten Heiligen Schrift fand, sich immer wieder erneuern mußte, um neuen Situationen zu begegnen - was die wiederholten „Wiederaufnahmen” („relectures”) vieler biblischer Texte erklärt-, bedarf die Auslegung der Bibel in gleicher Weise einer schöpferischen Dimension und der Stellung neuer Fragen, um von der Bibel her Antwort auf sie zu finden. Da die Texte der Heiligen Schrift manchmal in Spannung zueinander stehen, ist die Interpretation notwendigerweise pluralistisch. Keine einzelne Interpretation kann den Sinn des Ganzen erschöpfen, der wie eine Symphonie mehrstimmig ist. Die Auslegung eines einzelnen Textes darf also nicht exklusivistisch geschehen. Die Heilige Schrift steht in fortwährendem Dialog mit den Glaubensgemeinschaften: sie ist ja aus ihren Glaubenstraditionen hervorgegangen. Ihre Texte haben sich in der Beziehung zu diesen Traditionen entwickelt und andererseits zu ihrer Entwicklung beigetragen. Daraus folgt, daß die Auslegung der Heiligen Schrift innerhalb der Kirche stattfindet, in ihrer Pluralität und ihrer Einheit, und in ihrer Glaubenstradition. Die Glaubenstraditionen bildeten das lebendige Umfeld, in das sich die literarische Tätigkeit der Verfasser der Heiligen Schrift einfügen könnte. Hierzu gehörten auch das liturgische Leben und die äußere Tätigkeit der Gemeinschaften, ihre geistige Welt, ihre Kultur und ihr geschichtliches Schicksal. Die biblischen Verfasser nahmen an alledem teil. In ähnlicher Weise verlangt also die Auslegung der Heiligen Schrift die Teilnahme der Exegeten am ganzen Leben und Glauben der Glaubensgemeinschaft ihrer Zeit. Der Dialog mit der Heiligen Schrift in ihrer Gesamtheit, also auch mit dem Verständnis des Glaubens, das früheren Epochen eigen war, geht notwendigerweise mit dem Dialog mit der zeitgenössischen Generation einher. Dies hat zur Folge, daß sich die Herstellung einer Beziehung von Kontinuität, aber auch die Feststellung von Verschiedenheiten ergibt. Daraus folgt, daß die Interpretation der Heiligen Schrift in Überprüfung und Auswahl besteht: sie bleibt in Kontinuität mit früheren exegetischen Traditionen, von denen sie viele Elemente beibehält und sich zu eigen macht; in gewissen Punkten aber befreit sie sich davon, um fortschreiten zu können. B. Die Interpretation innerhalb der Tradition der Kirche Die Kirche, das Volk Gottes, ist überzeugt, daß ihr der Heilige Geist beim Verständnis und bei der Interpretation der Heiligen Schrift beisteht. Die ersten Jünger 1586 ANHANG Jesu waren sich bewußt, daß sie nicht in der Lage waren, sofort alle Aspekte der ganzen Fülle, die ihnen geschenkt wurde, zu verstehen. In ihrem Gemeinschaftsleben, das sie mit Ausdauer pflegten, erfuhren sie eine ständige Vertiefung und eine fortschreitende Erkenntnis der geschenkten Offenbarung. Darin erkannten sie den Einfluß und das Wirken des von Jesus versprochenen „Geistes der Wahrheit”, der sie zum ganzen Reichtum der Wahrheit führt (Joh 16,12-13). So geht auch die Kirche, gestützt auf die Zusage Christi, ihren Weg: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe” {Joh 14,26) 1. Die Entstehung des Kanons Vom Heiligen Geist geleitet und im Licht der erhaltenen, lebendigen Überlieferung hat die Kirche die Schriften festgestellt, die als Heilige Schrift zu betrachten sind, in dem Sinne, als „sie unter Einwirkung des Heiligen Geistes geschrieben, Gott zum Urheber haben und als solche der Kirche übergeben sind” (Dei Verbum, Nr. 11) und „die Wahrheit, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte”, enthalten {ebd.). Die Feststellung eines „Kanons” der Heiligen Schrift war das Resultat eines langen Prozesses. Die Gemeinschaften des Alten Bundes (von besonderen Gruppen wie den prophetischen Kreisen oder dem priesterlichen Umfeld an bis zum gesamten Volk) haben in einer gewissen Anzahl von Texten das Wort Gottes erkannt, das ihren Glauben weckte und ihrem Leben eine Richtung gab; sie haben diese Texte wie ein Erbe zu treuen Händen erhalten, das es zu bewahren und weiterzugeben galt. So sind diese Texte nicht mehr nur Ausdruck der Inspiration einzelner Autoren; sie sind zum gemeinsamen Besitz des Gottesvolkes geworden. Das Neue Testament verehrt diese heiligen Texte, die es vom jüdischen Volk als wertvolles Erbe erhalten hat. Es erachtet sie als „heilige Schriften” (Röm 1,2), „die vom Geist Gottes eingegeben wurden” {2 Tim 3,16; vgl. 2 Petr 1,20-21) und „[die] nicht aufgegeben werden können” {Joh 10,35). Mit diesen Texten, die das „Alte Testament” bilden (vgl. 2 Kor 3,14), hat die Kirche jene Schriften eng verbunden, in denen sie einerseits das authentische, vom Heiligen Geist garantierte Zeugnis der Apostel (vgl. Lk 1,2; 1 Joh 1,1-3 bzw. 1 Petr 1,12) über „alles, was Jesus getan und gelehrt hat” {Apg 1,1) und andererseits die Lehren erkannte, die die Apostel selbst und andere Jünger verkündet hatten, um die Gemeinschaft der Glaubenden zu schaffen. Diese zweite Reihe von Schriften hat schließlich den Namen „Neues Testament” erhalten. In diesem Prozeß haben viele Faktoren eine Rolle gespielt: die Gewißheit, daß Jesus - und die Apostel mit ihm - das Alte Testament als inspirierte Schrift anerkannt haben, und daß das österliches Mysterium Jesu dessen Erfüllung darstellt; die Überzeugung, daß die Schriften des Neuen Testaments letztlich aus der apostolischen Verkündigung stammen (was nicht heißen will, daß sie alle von den Aposteln selbst verfaßt wurden); die Feststellung, daß sie mit der Regel des Glaubens überein- 1587 ANHANG stimmten und in der christlichen Liturgie verwendet wurden; die Erfahrung schließlich, daß sie mit dem kirchlichen Leben der Gemeinschaften im Einklang stehen und fähig sind, dieses Leben zur Entfaltung zu bringen. Indem die Kirche den Kanon der Schriften feststellte, hat sie ihre eigene Identität deutlich erkannt und definiert, so daß die Heilige Schrift fortan wie ein Spiegel ist, in dem die Kirche ihre Identität immer wieder entdecken und durch die Jahrhunderte hindurch die Art und Weise verifizieren kann, wie sie selbst fortwährend auf den Ruf des Evangeliums antwortet und wie sie sich ihrem Auftrag als dessen Übermittlerin entsprechend verhält (vgl. Dei Verbum, Nr. 7). Dies verleiht den kanonischen Schriften einen Heilsweit und eine theologische Stellung, wodurch sie sich radikal von anderen alten Texten unterscheiden. Wenn diese zwar auch Licht auf die Anfänge des Glaubens werfen können, so können sie doch niemals die Autorität der heiligen Schriften beanspruchen, die als kanonisch und damit als für das Verständnis des christlichen Glaubens grundlegend erachtet werden. 2. Die Exegese der Kirchenväter Seit dem Beginn war man der Überzeugung, daß der gleiche Heilige Geist, der die Verfasser des Neuen Testaments zur Niederschrift der Heilsbotschaft drängte {Dei Verbum, Nr. 7; Nr. 18), auch der Kirche bei der Auslegung ihrer inspirierten Schriften ständig beisteht (vgl. Irenäus, Adv. Haer. 3.24.1; vgl. 3.1.1; 4.33.8; Orige -nes, De Princ., 2.7.2; Tertullian, De Praescr., 22). Den Kirchenvätern, die beim Bildungsprozeß des Kanons eine besondere Rolle spielten, kommt gleicherweise eine grundlegende Rolle im Hinblick auf die lebendige Überlieferung zu, welche die Lesung und Interpretation der Schriften in der Kirche fortwährend begleitet und führt (vgl. Providentissimus, EnchB 110-111; Di-vino afflante Spiritu, 28-30, EnchB 554; Dei Verbum, Nr. 23; Päpstliche Bibelkommission, Instructio de historica evangeliorum verdate <225>, 1). Der eigene Beitrag der Exegese der Kirchenväter innerhalb der großen Tradition besteht in folgendem: sie hat aus dem Ganzen der Heiligen Schrift die grundlegenden Orientierungen herausgearbeitet, die der Lehrtradition der Kirche ihre Form gaben, und sie hat eine reiche theologische Lehre hervorgebracht, die der Belehrung und geistlichen Nahrung der Gläubigen bis heute dient. <225> Lateinischer Text im Anhang von EnchB4 (1965) 3*-ll*; lateinischer Text und deutsche Übersetzung: Joseph A. Fitzmyer; Die Wahrheit der Evangelien (SBS 1) Stuttgart 1965. Bei den Kirchenvätern nehmen Lesung und Interpretation der Heiligen Schrift einen beträchthchen Platz ein. Davon zeugen zuerst jene Werke, die direkt dem Verständnis der heiligen Schriften gewidmet sind, insbesondere die Homilien und Kommentare, aber auch Kontroversschriften und Werke der Theologie, in denen die Berufung auf die Heilige Schrift als Hauptargument dient. Der gewöhnliche Ort der biblischen Lesung ist die Kirche, im Rahmen der Liturgie. Deshalb ist die vorgetragene Auslegung der Väter immer theologischer, pastoraler 1588 ANHANG und gnadenbezogener Natur und steht im Dienste der Gemeinschaften und der einzelnen Gläubigen. Für die Kirchenväter ist die Bibel vor allem „Buch Gottes”, einzigartiges Werk eines einzigen Autors. Sie reduzieren aber dadurch die menschlichen Autoren keineswegs zu passiven Instrumenten. Sie verstehen es durchaus, diesem oder jenem Buch, für sich genommen, ein eigenes Ziel zuzuweisen. Von ihrem Standpunkt aus widmen sie jedoch der geschichtlichen Entwicklung der Offenbarung nur geringe Aufmerksamkeit. Zahlreiche Kirchenväter erklären den Logos, das Wort Gottes, als Autor auch des Alten Testaments und versichern, daß die ganze Heilige Schrift eine christologische Relevanz hat. Außer einigen Exegeten der antiochenischen Schule (besonders Theodor von Mop-suestia) fühlen sich die Väter berechtigt, einen Satz aus seinem Kontext herauszunehmen und in ihm so herausgelöst und kontextunabhängig eine von Gott geoffen-barte Wahrheit zu erkennen. In der Apologetik mit den Juden oder in dogmatischen Streitgesprächen mit anderen Theologen zögern sie nicht, sich auf Interpretationen solcher Art zu stützen. Da den Vätern vor allem daran lag, aus der Botschaft der Bibel in Einheit mit ihren Brüdern zu leben, begnügten sie sich oftmals mit dem in ihrem Umfeld gängigen biblischen Text. Origenes, der sich methodisch für die hebräische Bibel interessierte, ging es vor allem darum, mit den Juden aufgrund von Texten zu argumentieren, die für sie annehmbar waren. Hieronymus, der Herold der liebraica veritas, erscheint als Außenseiter. Die Väter benützten mehr oder weniger häufig die allegorische Methode, um den Anstoß aus dem Weg zu räumen, den gewisse Christen und die heidnischen Gegner des Christentums an manchem Abschnitt der Bibel nehmen konnten. Die wörtliche Bedeutung und der geschichtliche Bezug der Texte wurden jedoch nur sehr selten aufgegeben. Der Rückgriff der Väter auf die Allegorie geht im allgemeinen über das Phänomen einer Adaptation der allegorischen Methode der heidnischen Autoren hinaus. Der Rückgriff auf die Allegorie beruht auch auf der Überzeugung, daß die Bibel, das „Buch Gottes”, von ihm seinem Volk, der Kirche, gegeben worden ist. Grundsätzlich darf daher in ihr nichts als veraltet oder als definitiv überholt übergangen werden. Gott richtet eine stets aktuelle Botschaft an sein christliches Volk. In ihren Erläuterungen der Bibel bringen die Väter typologische und allegorische Interpretationen oft durcheinander und vermischen sie zu einem fast unentwirrbaren Geflecht. Dies geschieht immer aus pastoralen und pädagogischen Gründen. Denn alles, was geschrieben steht, wurde für unsere Belehrung geschrieben (vgl. 1 Kor 10,11). In der Überzeugung, daß es sich um das „Buch Gottes”, also um ein unauslotbares Buch handelt, glauben die Väter, manche Abschnitte einem bestimmten allegorischen Schema gemäß interpretieren zu können, doch stellen sie jedem einzelnen frei, etwas anderes vorzuschlagen, wenn dabei nur die Analogie des Glaubens gewahrt bleibt. 1589 ANHANG Die allegorische Interpretation der Schriften, die für die patristische Exegese charakteristisch ist, wirkt auf den heutigen Menschen befremdlich. Doch die Erfahrung der Kirche, die sich in solchen Interpretationen ausdrückt, stellt auch heute noch einen nützlichen Beitrag dar (vgl. Divino afflante, Spiritu, 31-32; Dei Verbum, Nr. 23). Die Väter lehren, wie die Bibel innerhalb einer lebendigen Tradition in wahrem christlichem Geist theologisch zu lesen ist. 3. Die Rolle der verschiedenen Glieder der Kirche bei der Interpretation Da die heiligen Schriften der Kirche geschenkt wurden, sind sie ein gemeinsamer Schatz des ganzen Volkes der Gläubigen: „Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes. Voller Anhänglichkeit an ihn verharrt das ganze heilige Volk, mit seinen Hirten vereint, ständig in der Lehre und Gemeinschaft der Apostel...” {Dei Verbum, Nr. 10; vgl. auch Nr. 21). Die Vertrautheit der Gläubigen mit den Texten der Heiligen Schrift war freilich nicht in allen Epochen der Kirchengeschichte gleich. Jedoch in allen wichtigen Zeiten der Erneuerung im Leben der Kirche, von der monasti-schen Bewegung der ersten Jahrhunderten angefangen bis zur Zeit des II. Vatikanischen Konzils, haben die heiligen Schriften immer eine Stellung ersten Ranges eingenommen. Das gleiche Konzil lehrt, daß alle Getauften, wenn sie im Glauben an Christus an der Eucharistiefeier teilnehmen, die Gegenwart Christi auch in seinem Wort erkennen dürfen, „denn in seinem Wort ist er gegenwärtig, da er selbst spricht, wenn die heiligen Schriften in der Kirche gelesen werden” {Sacrosanctum Concilium, Nr. 7). Diesem Hören des Wortes entspricht der „Glaubenssinn” (sensus fidei), der das ganze Volk (Gottes) auszeichnet (vgl. Lumen Gentium, Nr. 12) ... „Durch jenen Glaubenssinn nämlich, der vom Geist der Wahrheit geweckt und genährt wird”, empfängt das Gottesvolk „nicht mehr das Wort von Menschen, sondern wirklich das Wort Gottes (vgl. 1 Thess 2,13)” {ebd.) Dabei steht es „unter der Leitung des heiligen Lehramtes, in dessen treuer Gefolgschaft” {ebd.) es „den einmal den Heiligen übergebenen Glauben (vgl. Jud 3) unverlierbar festfhältj. Durch ihn dringt es mit rechtem Urteil immer tiefer in den Glauben ein und wendet ihn im Leben voller an” {ebd.). So haben alle Glieder der Kirche eine Rolle bei der Interpretation der heiligen Schriften zu übernehmen. In Ausübung ihres pastoralen Amtes sind die Bischöfe als Nachfolger der Apostel die ersten Zeugen und Garanten der lebendigen Tradition, in deren Licht die Schriften in jeder Zeit interpretiert werden. „Unter der erleuchtenden Führung des Geistes der Wahrheit” müssen sie das Wort Gottes „in ihrer Verkündigung treu bewahren, erklären und ausbreiten.” <226> <227> <228> {Dei Verbum, Nr. 9; vgl. Lumen ^ Der im Dokument zitierte französische Konzilstext und die offizielle deutsche Übersetzung weichen in Lumen Gentium, Nr. 12, beträchtlich voneinander ab. <228> Auch hier differieren die französische und deutsche Version des Konzilstextes beträchtlich. 1590 ANHANG Gentium, Nr. 25). Als Mitarbeiter der Bischöfe haben die Priester als erste Aufgabe die Verkündigung des Wortes (Presbyterorum Ordinis, Nr. 4). Sie sind mit einem besonderen Charisma für die Interpretation der Heiligen Schrift versehen, wenn sie nicht ihre eigenen Gedanken, sondern das Wort Gottes vortragen und die ewige Wahrheit des Evangeliums auf die konkreten Lebensverhältnisse anwenden (ebd.). Es kommt den Priestern und den Diakonen zu, besonders bei der Sakramenten-spendung die Einheit aufzuweisen, die Wort und Sakrament im Dienst der Kirche hervorbringen. Als Vorsteher der eucharistischen Gemeinschaft und Erzieher im Glauben obliegt es den „Dienern des Wortes” als ihre Hauptaufgabe, nicht nur zu lehren, sondern den Gläubigen zu helfen, das zu vernehmen und zu verstehen, was das Wort Gottes ihnen im Innersten ihres Herzens sagt, wenn sie die heiligen Schriften hören und meditieren. So wird die gesamte Ortskirche, nach dem Modell Israels, des Volkes Gottes (Ex 19,5-6), zu einer Gemeinschaft, die weiß, daß Gott zu ihr spricht (vgl. Joh 6,45), und die es sich angelegen sein läßt, ihn in Glauben und Liebe zu hören und sich durch sein Wort führen zu lassen (Dtn 6,4-6). Solche Gemeinschaften, die wirklich auf das Wort Gottes hören, werden, wenn sie im Glauben und in der Liebe mit der ganzen Kirche vereint bleiben, in ihrem Umfeld zu kraftvollen Brennpunkten der Evangelisierung und des Dialoges, wie auch zu Trägem sozialer Veränderungen (Evangelii NuntiandP, Nm. 57-58; Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre über die christliche Freiheit und die Befreiung <229>, Nm. 69-70). enthalten in: Arbeitshilfe 66. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 70. Der Heilige Geist ist natürlich auch den einzelnen Christen und Christinnen gegeben, so daß ihr Herz „in ihnen brennt” (vgl. Lk 24,32), wenn sie im persönlichen konkreten Lebenszusammenhang beten und sich betend die heiligen Schriften aneignen. Deshalb verlangt das II. Vatikanische Konzil dringend, daß der Zugang zu den Schriften auf alle mögliche Arten erleichtert werde (Dei Verbum, Nm. 22; 25). Man darf nie vergessen, daß eine solche Lesung der Heiligen Schrift nie rein individuell ist, denn der Gläubige liest und interpretiert die Heilige Schrift immer innerhalb des Glaubens der Kirche, und er vermittelt in der Folge der Gemeinschaft die Frucht seiner Lektüre und bereichert so den gemeinsamen Glauben. Die ganze biblische Überlieferung und namentlich die Lehre Jesu in den Evangelien nennen als bevorzugte Hörer des Wortes Gottes diejenigen, die von der Welt als Leute einfacher Herkunft betrachtet werden. Jesus hat erkannt, daß die den Gelehrten und Weisen verborgenen Dinge den einfachen Leuten geoffenbart wurden (Mt 11,25; Lk 10,21) und daß das Reich Gottes denen gehört, die den Kindern gleichen (Mk 10,14 par.). In der gleichen Linie verkündete Jesus: „Selig ihr Armen, denn euer ist das Reich Gottes” (Lk 6,20; vgl. Mt 5,3). Es ist eines der Zeichen der messianischen Zeit, daß die Frohbotschaft den Armen gebracht wird (Lk 4,18; 7,22; Mt 11,5; vgl. Instruktion 19 20 1591 ANHANG der Kongregation für die Glaubenslehre über die christliche Freiheit und die Befreiung, Nr. 47-48). Diejenigen, die sich in ihrer Ohnmacht und ohne alle menschliche Macht- und Hilfsmittel gezwungen sehen, ihre einzige Hoffnung auf Gott und seine Gerechtigkeit zu setzen, haben für das. Wort Gottes eine Auffassungsgabe und ein Verständnis, was die gesamte Kirche ernst nehmen muß und auch eine Antwort auf sozialem Gebiet verlangt. Indem die Kirche die Verschiedenheit der Gaben und Funktionen anerkennt, die der Heilige Geist in den Dienst der Gemeinschaft stellt, insbesondere die Gabe des Leh-rens (1 Kor 12,28-30; Röm 12,6-7; Eph 4,11-16), schenkt sie ihre Wertschätzung denen, die das besondere Charisma haben, durch ihre Kompetenz in der Schriftauslegung zum Aufbau des Leibes Christi beizutragen (Divino afflante Spiritu, 46-48, EnchB 564-565; Dei Verbum, Nr. 23; Päpstliche Bibelkommission, Instructio de historica evangeliorum verdate, Einführung). Obwohl ihre Arbeiten nicht immer auf Wertschätzung stießen, wie dies heute der Fall ist, so stehen die Exegeten, die ihr Wissen in den Dienst der Kirche stellen, doch in einer reichen Tradition, die von den ersten Jahrhunderten an, seit Origenes und Hieronymus bis in die jüngste Zeit zu Pater Lagrange und anderen führt, und die bis heute fortdauert. Besonders die Erforschung des Literalsinns der Heiligen Schrift, die heute vor allem betont wird, verlangt vereinte Anstrengungen aller, die sich auf dem Gebiet der alten Sprachen, der Geschichte und Kulturen, der Textgeschichte und der Analyse der literarischen Formen und in den Methoden der wissenschaftlichen Kritik auskennen. Von dieser Beachtung des Textes in seinem ursprünglichen historischen Kontext abgesehen, erwartet die Kirche von den Exegeten, daß sie vom gleichen Heiligen Geist, der die Heilige Schrift inspiriert hat, angeleitet sind, um sicherzustellen „daß die größtmögliche Zahl von Dienern des Wortes Gottes in der Lage sind, dem Volk Gottes wirklich die Nahrung der heiligen Schriften zu reichen” (Divino ajflante Spiritu, Nm. 24; 53-55, EnchB 551, 567; Dei Verbum, Nr. 23; Paul VI, Sedula Cura [1971]). Eine besondere Freude ist heute die wachsende Zahl von Frauen, die als Exegetinnen oft in die Interpretation der Heiligen Schrift neue Einsichten einbringen und Aspekte ins Licht rücken, die in Vergessenheit geraten waren. Wenn die heiligen Schriften, wie oben erwähnt wurde, das Gut der ganzen Kirche sind und zum „Glaubenserbe” gehören, das alle, Seelsorger und Gläubige, „festhalten, verkünden und in gemeinsamer Anstrengung verwirklichen” sollen, so bleibt doch wahr, daß die „Aufgabe, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären (...) nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut (ist), dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird” (Dei Verbum, Nr. 10). So ist es in letzter Instanz also Sache des Lehramtes, die Echtheit der Interpretation zu garantieren und gegebenenfalls zu sagen, daß diese oder jene besondere Interpretation mit dem authentischen Evangelium unvereinbar ist. Es erfüllt diese Aufgabe innerhalb der koindnia des Leibes Christi, indem es den Glauben der Kirche amtlich ausdrückt, um so der Kirche zu dienen. Zu diesem Zweck konsultiert es die Theologen, die Exegeten und andere Experten, deren legitime Forschungsfreiheit es aner- 1592 ANHANG kennt und mit denen es in wechselseitiger Beziehung steht, im Hinblick auf das gemeinsame Ziel, „das Volk Gottes in der Wahrheit, die frei macht, zu bewahren” (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen <230>, Nr. 21). Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 98. C. Der Auftrag der Exegeten Der Auftrag der katholischen Exegeten kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet werden. Es ist ein kirchlicher Auftrag, denn er besteht darin, die Heilige Schrift so zu erforschen und zu erklären, daß ihr ganzer Reichtum für die Seelsorger und die Gläubigen zugänglich wird. Aber es ist zugleich auch eine wissenschaftliche Aufgabe, die den katholischen Exegeten mit seinen nichtkatholischen Kollegen und mit Fachleuten verschiedener Gebiete der wissenschaftlichen Forschung in Beziehung bringt. Überdies besteht dieser Auftrag in Forschung und Lehre zugleich, die normalerweise auch zu Veröffentlichungen führen. 1. Hauptsächliche Aspekte Die katholischen Exegeten müssen den geschichtlichen Charakter der biblischen Offenbarung wahmehmen, wenn sie ihren Auftrag erfüllen wollen. Beide Testamente drücken ja in menschlichen, zeitgebundenen Worten die geschichtliche Offenbarung aus, in der Gott sich selbst und seinen Heilsplan auf verschiedene Weisen mitgeteilt hat. Es ist deshalb unerläßlich, daß die Exegeten die historisch-kritische Methode anwenden, ohne ihr jedoch exklusiven Charakter zu geben. Alle Methoden der Textinterpretation sind geeignet, ihren Beitrag zur Bibelexegese zu leisten. Die katholischen Exegeten dürfen bei ihrer Interpretationsarbeit nie vergessen, daß sie das Wort Gottes auslegen. Ihr gemeinsamer Auftrag ist noch nicht beendet, wenn die Quellen unterschieden, die Gattungen bestimmt und die literarischen Ausdrucksmittel erklärt sind. Das Ziel ihrer Arbeit ist erst erreicht, wenn sie den Sinn des biblischen Textes als gegenwartsbezogenes Wort Gottes erfaßt haben. Zu diesem Zweck müssen sie den verschiedenen hermeneutischen Perspektiven Rechnung tragen, die helfen, die Aktualität der biblischen Botschaft wahrzunehmen und es ihr erlauben, auf die Anliegen der heutigen Leser der Heiligen Schrift eine Antwort zu geben. Die Exegeten haben auch die christologische, kanonische und kirchliche Tragweite der biblischen Schriften zu erklären. Die christologische Tragweite der biblischen Texte ist nicht immer von vomeherein klar ersichtlich; sie muß jedoch, wenn immer möglich, ins Licht gerückt werden. Obwohl Christus in seinem Blut den Neuen Bund gestiftet hat, so haben doch die Bücher des Alten Bundes ihren Wert nicht verloren. In die Verkündigung des Evangeliums übernommen, erhalten und offenbaren sie ihre volle Bedeutung im 1593 ANHANG „Geheimnis Christi” (Eph 3,4). Sie beleuchten viele Aspekte dieses Geheimnisses, wobei sie gleichzeitig selbst von ihm erhellt werden. Diese Bücher bereiteten faktisch das Volk Gottes auf seine Ankunft vor (vgl. Dei Verbum, Nm. 14-16). Obschon jedes Buch der Bibel in einer bestimmten Absicht geschrieben wurde und so seine spezifische Bedeutung hat, offenbart es sich doch als Träger eines weiteren Sinnes, sobald es Teil des kanonischen Gesamtkorpus wird. Der Auftrag der Exege-ten umfaßt somit die Entfaltung des vom hl. Augustinus aufgestellten Prinzips: „Novum Testamentum in Vetere latet, et in Novo Vetus patet” (Augustinus, Quaest. in Hept., 2,73, CSEL 28,III, S. 141). Die Exegeten haben auch die Aufgabe, die Beziehung zwischen Bibel und Kirche deutlich zu machen. Die Bibel entstand in Glaubensgemeinschaften. Sie drückt den Glauben Israels und dann den der ersten christlichen Gemeinden aus. Zusammen mit der lebendigen Überlieferung, die ihr vorausging, sie begleitet und sich von ihr nährt (vgl. Dei Verbum, Nr. 12), ist sie das bevorzugte Instrument, dessen Gott sich bedient, um auch heute noch den Aufbau und das Wachstum der Kirche als Volk Gottes zu steuern. Mit der kirchlichen Dimension ist auch die ökumenische Öffnung bei der Auslegung der Heiligen Schrift untrennbar verbunden. Dadurch, daß die Bibel den Heilsplan Gottes für alle Menschen enthält, hat die Aufgabe des Exegeten eine universale Dimension. Diese verlangt, daß den anderen Religionen und den Erwartungen der heutigen Welt volle Aufmerksamkeit geschenkt wird. 2. Forschung Die exegetische Aufgabe ist zu weitgefächert, als daß sie von einem einzelnen Menschen erfüllt werden könnte. Eine Arbeitsteilung unter Spezialisten verschiedener Gebiete ist namentlich für die Forschung unumgänglich. Die möglichen Nachteile der Spezialisierung werden durch interdisziplinäre Arbeit ausgeglichen. Für das Wohl der ganzen Kirche und ihren Einfluß in der modernen Welt ist es sehr wichtig, daß sich eine genügend große Zahl gut ausgebildeter Personen der Forschung in den verschiedenen Gebieten der exegetischen Wissenschaft widmen. Die Bischöfe und Ordensobem sind aus Sorge für die unmittelbaren Bedürfnisse der Seelsorge oft versucht, ihre Verantwortung für diese fundamentale Notwendigkeit nicht sehr ernst zu nehmen. Eine Karenz auf diesem Gebiet bringt der Kirche jedoch große Nachteile, denn Seelsorger und Gläubige laufen dann Gefahr, die Lücke mit einer nicht kirchlich interessierten Exegese ohne Bezug zum Leben des Glaubens zu füllen. Das II. Vatikanische Konzil erklärt, daß „das Studium des heiligen Buches gleichsam die Seele der heiligen Theologie” sein soll (Dei Verbum, Nr. 24). Damit hat es die Bedeutung der exegetischen Forschung nachdrücklich unterstrichen. Gleichzeitig hat es so auch die katholischen Exegeten indirekt daran erinnert, daß ihre Forschung mit der Theologie in einem lebensnotwendigen Zusammenhang steht, dessen sie sich bewußt sein müssen. 1594 ANHANG 3. Lehre und Unterricht Die Konzilserklärung hebt ebenfalls die entscheidende Bedeutung hervor, die der Lehre und dem Unterricht der Exegese in den Theologischen Fakultäten, Priesterseminaren und Studienhäusem zukommt. Selbstverständlich ist das Niveau des Studiums in den verschiedenen Institutionen unterschiedlich. Es ist übrigens wünschenswert, daß die Exegese durch Männer und Frauen gelehrt wird. Dieser Unterricht, in den Fakultäten mehr methodisch und spezialisiert, soll in den Priesterseminaren eher pastoral ausgerichtet sein. Doch darf ihm auch da nie eine ernsthafte intellektuelle Dimension fehlen. Andernfalls wäre der Würde des Wortes Gottes nicht Genüge getan. Die Lehrer und Lehrerinnen der Exegese sollen den Studierenden eine tiefe Achtung vor der Heiligen Schrift vermitteln, indem sie zeigen, wie sehr die Bibel eine sorgfältige und objektive Erforschung verdient, um ihren literarischen, historischen, sozialen und theologischen Wert immer besser zur Geltung zu bringen. Sie dürfen sich nicht damit begnügen, eine Reihe von Kenntnissen zu vermitteln, die passiv aufgenommen werden. Sie müssen vielmehr in die exegetischen Methoden einführen und die wichtigsten Schritte der exegetischen Arbeit erklären, damit die Studierenden zu einem eigenen Urteil fähig werden. Da nur eine begrenzt Zeit zur Verfügung steht, ist es gut, abwechselnd zwei Unterrichtsmethoden zu verwenden: auf der einen Seite Vorlesungen, die in die biblischen Bücher als ganze einführen und die alle wichtigen Sektoren des Alten und Neuen Testaments behandeln; auf der andern Seite die paradigmatische gründliche Analyse gut ausgewählter die Texte, die zugleich eine Einführung in die praktische Ausübung der Exegese darstellt. Im einen wie im andern Fall muß darauf geachtet werden, Einseitigkeiten zu vermeiden, d.h. sich weder auf einen geistlichen Kommentar ohne historisch-kritische Basis zu beschränken noch auf eine historisch-kritische Behandlung, die des theologischen und geistlichen Inhalts ermangelt (vgl. Divino afflante Spiritu, EnchB 551-552; Päpstliche Bibelkommission, De Scriptum Sacra recte docenda, EnchB 598). Der Unterricht muß zugleich die geschichtliche Verwurzelung der biblischen Schriften aufzeigen, ihre Eigenschaft als persönliches Wort des himmlischen Vaters, der sich in Liebe an seine Kinder wendet (vgl. Dei Verbum, Nr. 21), ins Licht stellen und die unerläßliche Rolle der Bibel für die seelsorglichen Aufgaben (vgl. 2 Tim 3,16) verständlich machen. 4. Veröffentlichungen Als Ergebnis der Forschung und Ergänzung des Unterrichts spielen die Veröffentlichungen eine bedeutende Rolle für den Fortschritt und die Verbreitung der Exegese. In unseren Tagen geschieht die Veröffentlichung nicht mehr nur durch gedruckte Texte, sondern auch durch andere, schnellere und weiter reichende Mittel (Radio, TV, elektronische Techniken). Es ist unerläßlich, sich auch solcher Medien zu bedienen. 1595 ANHANG Die hochwissenschaftlichen Veröffentlichungen sind das Hauptinstrument des Dialogs, der Diskussion und der Zusammenarbeit zwischen den Forschern. Dank ihnen kann sich die katholische Exegese im Austausch mit anderen Sektoren der exegetischen Forschung sowie mit der wissenschaftlichen Welt im allgemeinen behaupten. Kurzfristig gesehen sind es indessen die andern Veröffentlichungen, welche die größten Dienste leisten, indem sie sich den verschiedenen Kategorien von Lesern und Elörem anpassen, von der gebildeten Leserschaft bis zu den Kindern im Religionsunterricht, Bibelgruppen, apostolischen Bewegungen und religiösen Vereinigungen. Die Exegeten, die für leichtverständliche Veröffentlichungen begabt sind, leisten einen äußerst nützlichen und fruchtbaren Beitrag, der für die notwendige Verbreitung der exegetischen Studien unverzichtbar ist. In diesem Sektor ist die Notwendigkeit einer Aktualisierung der biblischen Botschaft besonders dringend. Die Exegeten müssen die legitimen Ansprüche kultivierter und gebildeter Personen unserer Zeit in Rechnung stellen und für sie klar unterscheiden, was als zweitrangiges, geschichtlich bedingtes Detail oder als mythische Sprache zu interpretieren und was als eigentlicher historischer und inspirierter Sinn zu betrachten ist. Die biblischen Schriften sind nicht in einer modernen Sprache und nicht im Stil des 20. Jahrhunderts verfaßt. Ihre Ausdrucksformen und die literarischen Gattungen, die sie in ihrem hebräischen, aramäischen oder griechischen Text benutzen, müssen den Menschen unserer Zeit verständlich gemacht werden; sonst könnten diese versucht sein, die Bibel als uninteressant beiseite zu legen oder sie auf grob vereinfachende, buchstäbliche oder phantastische Art zu interpretieren. Trotz aller Vielfalt seiner Aufgaben hat der katholische Exeget als einziges Ziel den Dienst am Wort Gottes. Es darf nicht sein Ehrgeiz sein, das Resultat seiner Arbeit an die Stelle der biblischen Texte zu setzen, wenn es sich um die Rekonstruktion alter Texte, die von den inspirierten Autoren verwendet wurden, handelt, oder um seine Präsentation der neuesten Ergebnisse der wissenschaftlichen Exegese. Im Gegenteil, sein Ehrgeiz soll dahin gehen, die biblischen Texte selbst in größeres Licht zu stellen, zu ihrer Wertschätzung beizutragen und zu versuchen, sie mit größerer geschichtlicher Genauigkeit und geistlicher Innigkeit zu verstehen. D. Beziehungen zu den anderen theologischen Disziplinen Da die Exegese selbst ein theologisches Fach ist - auch für sie gilt „fides quaerens intellectum” -, unterhält sie mit den andern Disziplinen der Theologie enge und komplexe Beziehungen. In der Tat hat einerseits die systematische Theologie einen Einfluß auf das Vorverständnis, mit dem die Exegeten die biblischen Texte angehen, andererseits aber liefert die Exegese den andern theologischen Disziplinen Vorgaben, die für diese bestimmend sind. Es entstehen somit wechselseitige Beziehungen zwischen Exegese und andern theologischen Diszipünen, die zu einem Dialog in gegenseitiger Achtung der je eigenen Besonderheit führen. 1596 ANHANG 1. Theologie und Vorverständnis der biblischen Texte Die Exegeten haben unweigerlich ein Vorverständnis der biblischen Texte, die sie erforschen wollen. Im Fall der katholischen Exegese geht es auch um ein Vorverständnis, das auf Glaubensüberzeugungen beruht: die Bibel ist ein von Gott inspirierter Text, welcher der Kirche anvertraut wurde, um Glauben zu wecken und das christliche Leben zu lenken. Diese Glaubensüberzeugungen kommen nicht in einem formlosen Zustand zu den Exegeten, sondern in der Form, die sie in der kirchlichen Gemeinschaft durch die theologische Reflexion bereits empfangen haben. So sind die Exegeten bei ihrer Forschung durch die dogmatische Reflexion über die Inspiration der Heiligen Schrift und über deren Rolle im kirchlichen Leben bestimmt. Umgekehrt aber verleiht der Umgang mit den inspirierten Texten den Exegeten eine Erfahrung, der die Dogmatiker Rechnung tragen müssen, um die Theologie der Schriftinspiration und der kirchlichen Interpretation der Bibel sachgerecht zu entfalten. Die Exegese bringt insbesondere ein wacheres und genaueres Bewußtsein des geschichtlichen Charakters der biblischen Inspiration mit sich. Sie zeigt, daß der Prozeß der Inspiration geschichtlich ist, nicht nur weil er innerhalb der Geschichte Israels und der Urkirche stattfand, sondern auch, weil er sich unter Vermittlung von Menschen vollzog, die durch ihre Zeit geprägt waren und die unter der Führung des Heiligen Geistes eine aktive Rolle im Leben des Volkes Gottes gespielt haben. Außerdem wurde die theologische Feststellung der engen Beziehung zwischen inspirierter Schrift und kirchlicher Tradition durch die Entwicklung der exegetischen Forschung bestätigt und präzisiert; denn gerade diese Entwicklung machte die Exegeten stärker auf den Einfluß der Lebensbedingungen aufmerksam, unter denen die Texte entstanden sind („Sitz im Leben”). 2. Exegese und dogmatische Theologie Ist die Heilige Schrift auch nicht der einzige locus theologicus, so stellt sie doch die Hauptgrundlage der theologischen Forschungsarbeit dar. Um die Heilige Schrift wissenschaftlich und gründlich zu interpretieren, sind die Theologen auf die Arbeit der Exegeten angewiesen. Die Exegeten ihrerseits müssen ihre Forschung so orientieren, daß das „Studium der Heiligen Schrift” wirklich „gleichsam die Seele der Theologie” ist (Dei Verbum, Nr. 24). Deshalb müssen sie vornehmlich dem religiösen Inhalt der biblischen Schriften ihre Aufmerksamkeit widmen. Die Exegeten können den Dogmatikern helfen, zwei Extreme zu vermeiden: einerseits einen Dualismus, der die Lehrwahrheit von ihrem sprachlichen Ausdruck total trennt, so als ob dieser gar keine Bedeutung hätte; andererseits einen Fundamentalismus, der Menschliches und Göttliches vermengt und sogar das geschichtlich Bedingte an den menschlichen Ausdrücken für geoffenbarte Wahrheit hält. Um diese beiden Extreme zu vermeiden, muß man unterscheiden lernen ohne zu trennen, und somit eine bleibende Spannung akzeptieren. Das Wort Gottes hat sich im Werk menschlicher Autoren ausgedrückt. Gedanken und Worte sind von Gott 1597 ANHANG und vom Menschen zugleich, so daß alles in der Bibel gleichzeitig von Gott und vom inspirierten Autor stammt. Daraus darf man jedoch nicht schließen, Gott hätte der geschichtlichen Erscheinungsweise seiner Botschaft einen absoluten Wert gegeben. Seine Botschaft ist der Interpretation und Aktualisierung fähig, d.h. sie kann von ihrer geschichtlichen Bedingtheit wenigstens teilweise losgelöst werden, um auf die gegenwärtigen geschichtlichen Bedingungen sinnvoll bezogen zu werden. Die Exegese bereitet die Grundlagen zu diesem Unterfangen, das der Dogmatiker weiterführt, indem er die anderen loci theologici in Betracht zieht, die zur Entwicklung des Dogmas beitragen. 3. Exegese und Moraltheologie Analoge Bemerkungen können zu den Beziehungen zwischen Exegese und Moraltheologie gemacht werden. Mit den heilsgeschichtlichen Erzählungen sind in der Bibel viele Weisungen zum richtigen menschlichen Verhalten verbunden: Gebote, Verbote, Rechtsvorschriften, Ermahnungen und prophetische Scheltreden sowie Belehrungen der Weisen. Eine der Aufgaben der Exegese ist es, Tragweite und Bedeutung dieses umfangreichen Materials zu präzisieren und so die Arbeit der Moraltheologen vorzubereiten. Diese Aufgabe ist jedoch nicht einfach, denn oft kümmern sich die biblischen Texte kaum darum, allgemeingültige sittliche Gebote von rituellen Reinheitsvorschriften und besonderen Rechtsbestimmungen zu unterscheiden. Alles geht zusammen. Andererseits spiegelt die Bibel eine bedeutende Entwicklung des sittlich-moralischen Denkens, die ihre Vollendung im Neuen Testament findet. Es genügt also nicht, eine bestimmte Position hinsichtlich der Moral im Alten Testament bezeugt zu finden (z. B. die Praxis der Sklavenhaltung oder der Ehescheidung oder der Vernichtung der Feinde im Kriegsfall), um daraus die fortdauernde Berechtigung dieser Praxis zu folgern. Eine Differenzierung drängt sich auf, die dem unübersehbaren Fortschritt des sittlichen Bewußtseins Rechnung trägt. Die Schriften des Alten Testaments enthalten „Unvollkommenes und Zeitbedingtes” (Dei Verbum, Nr. 15), das die göttliche Pädagogik nicht ohne weiteres eliminieren konnte. Das Neue Testament selbst ist im Bereich der Moraltheologie nicht leicht zu interpretieren, denn es äußert sich oft in bildlicher oder paradoxer oder sogar herausfordernder Art, und das Verhältnis der Christen zum jüdischen Gesetz gab zu heftigen Kontroversen Anlaß. Die Moraltheologen haben somit allen Grund, den Exegeten viele wichtige Fragen zu stellen, die deren Forschung nur stimulieren können. In manchem Fall wird die Antwort sein, daß kein biblischer Text das anstehende moderne Problem explizit behandelt. Doch sogar dann kann das Zeugnis der Bibel, in seiner gesamten kraftvollen Dynamik genommen, eine fruchtbare Orientierungshilfe geben. Für die wichtigsten Punkte bleibt die Ethik des Dekalogs ausschlaggebend. Das Alte Testament enthält schon die Grandsätze und Werte für ein der Würde der menschlichen Person entsprechendes gebotenes Handeln, die als „Abbild Gottes” erschaffen worden ist 1598 ANHANG (Gen 1,27). Vom Neuen Testament her fällt ein noch helleres Licht auf diese Grundsätze und Werte dank der Offenbarung der Liebe Gottes in Christus. 4. Verschiedene Gesichtspunkte und notwendiges Zusammenwirken Die Internationale Theologische Kommission hat in ihrem Dokument von 1988 über die Interpretation der Dogmen daran erinnert, daß in der Moderne ein Konflikt zwischen Exegese und dogmatischer Theologie entstanden ist; sie hebt anschließend die positiven Beiträge der modernen Exegese zur systematischen Theologie hervor (L’interpretation des dogmes, 1988, C.I.l <231>). Es ist nützlich, des nähern hinzuzufügen, daß dieser Konflikt von der überalen Exegese verursacht wurde. Zwischen der katholischen Exegese und der dogmatischen Theologie gab es keinen allgemeinen Konflikt, sondern nur Momente starker Spannungen. Es ist jedoch wahr, daß Spannungen in Konflikte aus arten können, wenn von der einen wie von der andern Seite die legitimen Unterschiede der Gesichtspunkte forciert und schließlich zu unheilbaren Gegensätzen gemacht werden. <231> Dt.: Die Interpretation der Dogmen. Dokument der Internationalen Theologenkommission: IKaZ 19 (1990) 246-266. Die Gesichtspunkte sind in der Tat verschieden und müssen es auch sein. Die erste Aufgabe des Exegeten ist es, mit Genauigkeit den Sinn der bibüschen Texte in ihrem eigenen Kontext festzustellen, d. h. zuerst in ihrem literarischen und besonderen geschichtlichen Kontext, und dann im Kontext des Kanons der heiligen Schriften. Indem er diese Aufgabe erfüllt, stellt der Exeget den theologischen Sinn der Texte ins Licht, sofern diese eine solche Bedeutungsdimension haben. Somit wird eine Kontinuität zwischen Exegese und späterer theologischer Reflexion möglich. Doch der Gesichtspunkt ist nicht der gleiche, denn die Aufgabe des Exegeten ist grundsätzlich historisch und beschreibend und beschränkt sich auf die Interpretation der Bibel. Der Dogmatiker steht vor einem mehr spekulativen und systematischen Werk. Für seinen Zweck interessiert er sich besonders für bestimmte Texte und Aspekte der Bibel; außerdem bezieht er viele andere Gegebenheiten in seine Reflexion ein, die nicht biblisch sind - patristische Quellen, Konzilsdefinitionen und weitere Dokumente des Lehramtes, die Liturgie wie auch philosophische Systeme und kulturelle, soziale und politische Gegenwartsbedingungen. Seine Aufgabe ist nicht die Bibelinterpretation, sondern das umfassend durchdachte Verständnis des christlichen Glaubens in all seinen Dimensionen und namentlich in Hinsicht auf seinen entscheidenden Bezug zur menschlichen Existenz. Aufgrund ihrer spekulativen und systematischen Ausrichtung ist die Theologie oft der Versuchung erlegen, die Bibel als ein Reservoir von dicta probantia anzusehen, die Positionen der Lehre bestätigen sollten. Heute haben die Dogmatiker ein geschärftes Bewußtsein für den literarischen und geschichtlichen Kontext und seiner 1599 ANHANG Bedeutung für eine richtige Interpretation der alten Texte, und sie nehmen infolgedessen häufig auf die Arbeiten der Exegeten Bezug. Als geschriebenes Wort Gottes hat die Bibel einen Sinnreichtum, der nicht voll und ganz ausschöpfbar ist und in keiner systematischen Theologie adäquat eingeschlossen werden kann. Eine der hauptsächlichsten Funktionen der Bibel ist es, die theologischen Systeme herauszufordem und die Existenz wichtiger Aspekte der göttlichen Offenbarung und der menschlichen Realität beständig in Erinnerung zu rufen, die in der systematischen Reflexion manchmal vergessen oder vernachlässigt wurden. Die Erneuerung der exegetischen Methodologie kann zu dieser Bewußtwer-dung beitragen. Umgekehrt muß die Exegese für die theologische Forschung offen sein. Diese kann sie dazu stimulieren, an die Texte wichtige Fragen zu stellen und so deren Tragweite und Fruchtbarkeit besser zu entdecken. Das wissenschaftliche Studium der Bibel darf sich nicht von der theologischen Forschung absondem, und ebensowenig von der geistlichen Erfahrung und dem Urteil der Kirche. Die Exegese bringt ihr besten Früchte, wenn sie in ihrem Vollzug den Zusammenhang mit dem lebendigen Glauben der christlichen Gemeinschaft eingebunden bleibt, der auf das Heil der ganzen Welt ausgerichtet ist. IV. Die Interpretation der Bibel im Leben der Kirche Obwohl die Bibelinterpretation die besondere Aufgabe der Exegeten darstellt, ist diese jedoch keineswegs ihr Monopol; denn die Interpretation der Bibel in der Kirche geht über die wissenschaftliche Analyse der Texte hinaus. Für die Kirche ist die Bibel ja nicht einfach eine Sammlung von geschichtlichen Dokumenten ihrer Ursprünge. Sie empfängt die Bibel als Wort Gottes, das hier und heute an sie und an die ganze Welt ergeht. Diese Glaubensüberzeugung hat zur Folge, daß die biblische Botschaft aktualisiert und inkulturiert wird, wie auch die inspirierten Texte im Leben der Kirche vielfältig verwendet werden: in der Liturgie, bei der persönlichen „Lectio divina”, in der Seelsorge und in der ökumenischen Begegnung. A. Aktualisierung Schon innerhalb der Bibel selbst - wie wir es im vorhergehenden Kapitel gesehen haben - läßt sich die Praxis der Aktualisierung beobachten: ältere Texte werden im Lichte neuer Zusammenhänge neu gelesen und auf die gegenwärtige Situation des Volkes Gottes bezogen. Aufgrund der gleichen Überzeugung von der dauernden Lebendigkeit der Heiligen Schrift ergibt sich mit Notwendigkeit die Aktualisierung der Texte in den Glaubensgemeinschaften. 1. Prinzipien Die Praxis der Aktualisierung geht von folgenden Voraussetzungen aus: 1600 ANHANG Aktualisierung ist möglich, denn die Sinnfiille des biblischen Textes verleiht ihm einen dauernden Wert für alle Epochen und alle Kulturen (vgl. Jes 40,B; 66,18-21; Mt 28,19-20). Die biblische Botschaft kann die Wertsysteme und die Verhaltens-normen jeder Generation gleichzeitig relativieren und vertiefen. Aktualisierung ist notwendig, denn obwohl die Botschaft der bibhschen Texte von immerwährendem Wert ist, sind diese doch unter Einwirkung vergangener Situationen und in einer durch verschiedene Epochen bedingten Sprache verfaßt worden. Um ihre Bedeutung für die Menschen von heute zu zeigen, ist es unumgänglich, ihre Botschaft auf die gegenwärtige Situation zu beziehen und sie in einer an die heutige Zeit angepaßten Sprache auszudrücken. Dies setzt eine hermeneutische Bemühung voraus, die durch geschichtliche Bedingtheiten hindurch zu den wesentlichen Elementen der Botschaft vorstößt. Die Aktualisierung muß überdies ständig den komplexen Beziehungen Rechnung tragen, die in der christlichen Bibel zwischen Neuem und Altem Testament bestehen. Das Neue Testament ist ja zugleich Erfüllung und Überbietung des Alten Testaments. Die Aktualisierung geschieht im Spannungsfeld dieser dynamischen Einheit der beiden Testamente. Die Aktualisierung kommt dank dem dynamischen Charakter der lebendigen Überlieferung einer Glaubensgemeinschaft zustande. Diese steht ausdrücklich in der Nachfolge der Gemeinschaften, in denen die Heilige Schrift entstanden ist und wo sie bewahrt und überliefert wurde. In der Aktualisierung erfüllt die Tradition eine doppelte Aufgabe: einerseits schützt sie vor abweichenden Interpretationen; andrerseits sorgt sie dafür, daß die ursprüngliche Dynamik weitergeht. Aktualisierung heißt also keineswegs Manipulation der Texte. Es geht nicht darum, auf die bibhschen Texte neue Meinungen oder Ideologien zu projizieren, sondern aufrichtig der Botschaft nachzuspüren, die sie für die heutige Zeit bereit halten. Der Text der Bibel übt in jeder Zeit in der christlichen Kirche seine Autorität aus und bleibt, obwohl viele Jahrhunderte seit seiner Entstehung vergangen sind, der vor-nehmliche Wegweiser, den man nicht manipulieren kann. Das Lehramt der Kirche steht nicht „über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiügen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt.” (Dei Verbum, Nr. 10). 2. Methoden Auf diesen Voraussetzungen beruhen verschiedene Aktualisierungsmethoden. Die Aktualisierung, die bereits innerhalb der Bibel zu beobachten ist, wurde in der späteren jüdischen Tradition weiter geübt, und zwar mit Hilfe von Methoden, wie sie in den Targumim und Midraschim bezeugt sind: es werden Parallelstellen herangezogen (gez-er-ah sch-aw-ah), die Textlesart wird geändert und ersetzt (’al tiqrey), ein zweiter Sinn wird eingeführt (tartey mischma’) usw. 1601 ANHANG Die Kirchenväter haben sich ihrerseits der Typologie und der Allegorien bedient, um die biblischen Texte so zu aktualisieren, daß sie in der Situation der Christen ihrer Zeit relevant wurden. Heutzutage muß die Aktualisierung die Entwicklung der Mentalitäten und die Fortschritte der Interpretationsmethoden einbeziehen. Jede Aktualisierung setzt eine korrekte Exegese des Textes voraus, die den wörtlichen Sinn feststellt. Wenn der Leser, der den Text aktualisiert, nicht selbst exegetisch gebildet ist, muß er zu guten Anleitungen Zuflucht nehmen, die ihm eine zutreffende Interpretation erlauben. Eine der sichersten und fruchtbarsten Methoden der Aktualisierung ist die Auslegung der Heiligen Schrift durch die Heilige Schrift selbst; dies gilt besonders für die Texte des Alten Testaments, die entweder schon im Alten Testament selbst eine neue Deutung empfingen (z. B. das Manna von Ex 16 in Weish 16,20-29) oder im Neuen Testament (Joh 6). Die Aktualisierung eines biblischen Textes in der christlichen Existenz darf den Bezug auf das Geheimnis Christi und die Kirche nie außer acht lassen. Es würde z. B. nicht angehen, als Modelle für den Befreiungskampf von Christen nur Episoden aus dem Alten Testament heranzuziehen (Exodus, 1-2 Makkabäer). ■ Die Formen philosophischer Hermeneutik legen für das hermeneutische Vorgehen drei Etappen nahe: 1) das Wort wird in einer gegebenen Situation gehört; 2) es werden Aspekte der gegenwärtigen Situation unterschieden, die vom biblischen Texte beleuchtet oder in Frage gestellt werden; 3) aus der Sinnfülle des biblischen Textes werden diejenigen Elemente ausgewählt, die geeignet scheinen; die gegenwärtige Situation gemäß dem Heilswillen Gottes in Christus positiv umzuwandeln. Dank der Aktualisierung kann die Bibel viele moderne Probleme erhellen, z. B. die Ämterfrage in der Kirche, die gemeinschaftliche Dimension der Kirche, die vorrangige Option für die Armen, die Befreiungstheologie, die Stellung der Frau usw. Die Aktualisierung kann auch besonders auf Werte achten, die mehr und mehr vom heutigen Bewußtsein anerkannt sind, wie die Rechte der Person, der Schutz des menschlichen Lebens, die Bewahrung der Natur, das Streben nach universalem Frieden. 3. Grenzen Übereinstimmung mit der in der Bibel ausgedrückten Heilswahrheit verlangt von jeder Aktualisierung die Anerkennung bestimmter Grenzen, die sie nicht überschreiten darf: Obwohl jede Lektüre der Bibel zwangsläufig partiell ist, müssen dennoch tendenziöse Arten, die Bibel zu lesen abgelehnt werden. Dies gilt von jenen, die anstatt sich am bibüschen Text zu orientieren, ihn für beschränkte Ziele dienstbar machen (wie dies bei den Aktualisierungen in Sekten, z. B. bei den Zeugen Jehovas, geschieht). 1602 ANHANG Die Aktualisierung verliert ihren Wert völlig, wenn sie sich auf theoretische Voraussetzungen stützt, die mit den fundamentalen Orientierungen des biblischen Textes unvereinbar sind, wie z. B. auf einen dem Glauben entgegengesetzten Rationalismus oder den atheistischen Materialismus. Selbstverständlich muß man auch jede Aktualisierung ablehnen, die im Widerspruch zur evangeliumsgemäßen Gerechtigkeit oder Liebe steht, z. B. Aktualisierungen, die Apartheid, Antisemitismus, männlichen oder weibüchen Sexismus aus den biblischen Texten ableiten wollen. Mit besonderer Schärfe und ganz im Geist des II. Vatikanischen Konzils (Nostra Ae täte, Nr. 4) muß unbedingt verhindert werden, daß bestimmte Texte des Neuen Testamentes so aktualisiert werden, daß sie feindselige Einstellungen gegenüber den Juden wecken oder bestärken können. Die tragischen Ereignisse der Vergangenheit müssen uns im Gegenteil immer wieder eindringlich daran erinnern, daß nach den Aussagen des Neuen Testaments die Juden von Gott „geliebt” bleiben, „denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt” (Röm 11,28-29). Solche Abweichungen werden verhindert, wenn die Aktualisierung von einer korrekten Textinterpretation ausgeht und unter Führung des kirchlichen Lehramtes in der Perspektive der lebendigen Überlieferung geschieht. Auf alle Fälle bildet die Gefahr von Entgleisungen keinen gültigen Einwand gegen die Verwirklichung einer unverzichtbaren Aufgabe, die Botschaft der Bibel an die Ohren und Herzen der Menschen unserer Generation dringen zu lassen. B. Inkulturation Den Bemühungen um Aktualisierung, die der Bibel zu allen Zeiten erlaubt, Früchte zu bringen, entsprechen die Bemühungen in den verschiedenen Ländern und Kulturkreisen der Welt um die Inkulturation, die dafür sorgt, daß die biblische Botschaft in den verschiedensten Gebieten in die Kultur eingewurzelt wird. Doch gibt es zwischen den Kulturen übrigens auch Gemeinsamkeiten. Jede echte Kultur ist in einem gewissen Sinne Trägerin universaler Werte, die ihre Begründung in Gott haben. Die theologische Basis für die Inkulturation ist die Glaubensüberzeugung, daß das Wort Gottes die Kulturen transzendiert, in denen es sich ausdrückt, und daß es die Fälligkeit hat, sich in anderen Kulturen zu verbreiten, derart daß es alle Menschen in ihrer kulturellen lebensweit erreichen kann. Diese Überzeugung kommt von der Bibel selbst, die schon vom Buch der Genesis an eine universale Perspektive hat (Gen 1,27-28), die in der Verheißung des Segens für alle Völker durch Abraham und seine Nachkommen weitergeht (Gen 12,3; 18,18) und sich definitiv erfüllt, als die christliche Verkündigung „an alle Nationen” ergeht (Mt 28,18-20; Röm 4,16-17; Eph 3,6). Die erste Stufe der Inkulturation besteht darin, die inspirierte Schrift in eine andere Sprache zu übersetzen. Diese Stufe wurde schon in der Zeit des Alten Testaments überschritten, als man den hebräischen Text der Bibel mündlich ins Aramäische 1603 ANHANG (Neh 8,8.12) und schriftlich ins Griechische übersetzte. Eine Übersetzung ist in der Tat immer mehr als eine bloße Übertragung des Originaltextes in eine andere Sprache. Der Übergang von einer Sprache zur andern bringt notwendigerweise eine Änderung des kulturellen Kontextes mit sich: die Begrifflichkeit ist nicht dieselbe, und die Bedeutung der Symbole ist verschieden, denn sie wachsen aus anderen Denktraditionen und anderen Lebensformen heraus. Das griechisch geschriebene Neue Testament ist durch und durch von einer dynamischen Inkulturation geprägt, denn es überträgt die vom Land Palästina geprägte Botschaft Jesu in die jüdisch-hellenistische Kultur und offenbart dadurch den klaren Willen, die Grenzen eines bestimmten kulturellen Milieus zu überschreiten. Obschon die Übersetzung eine entscheidende erste Stufe ist, kann sie allein für eine wahre Inkulturation der biblischen Botschaft nicht genügen. Diese muß sich in einer Interpretation fortsetzen, die die biblische Botschaft in eine tiefere Beziehung zu den Denk- und Ausdrucksarten, zur Gefühls- und Lebenswelt setzt, die jeder lokalen Kultur eigen sind. Von der Interpretation führt die Inkulturation auf andere Stufen weiter, die zur Herausbildung einer lokalen christlichen Kultur überleiten, die alle Dimensionen der menschlichen Existenz betrifft (Gebet, Arbeit, soziales Leben, Brauchtum, Recht und Gesetze, Wissenschaft und Kunst, philosophische und theologische Reflexion). Das Wort Gottes ist in der Tat ein Samenkorn, das seinem Erdreich all das entnimmt, was es für sein Wachstum und Gedeihen braucht (vgl. Ad Gentes, Nr. 22). Daher müssen die Christen und Christinnen zu erkennen suchen, „was für Reichtümer der freigebige Gott unter den Völkern verteilt hat; zugleich aber sollen sie sich bemühen, diese Reichtümer durch das Licht des Evangeliums zu erhellen, zu befreien und unter die Herrschaft Gottes, des Erlösers zu bringen” {Ad Gentes, Nr. 11). Wie man sieht, geht es hier nicht um einen einseitigen Prozeß, sondern um eine „gegenseitige Bereicherung”. Einerseits erlauben die in den verschiedenen Kulturen enthaltenen Reichtümer dem Wort Gottes, von neuem Früchte zu bringen, und andererseits erlaubt es das Licht des Wortes Gottes, in dem, was die Kulturen beitragen, eine Auswahl zu treffen, um schädliche Elemente abzuweisen und die Entwicklung gültiger Elemente zu fördern. Die wahre Treue zur Person Christi, zur Dynamik seines österlichen Geheimnisses und zu seiner Liebe zur Kirche wird zwei falsche Lösungen verhindern: diejenige einer oberflächlichen „Anpassung” der Botschaft und die einer synkretistischen Konfusion (vgl. Ad Gentes, Nr. 22). Im christlichen Orient und im Abendland fand die Inkulturation schon von den ersten Jahrhunderten an statt und war offensichtlich von großer Fruchtbarkeit. Man darf die Inkulturation aber nie als abgeschlossen betrachten. Sie ist immer von neuem zu leisten entsprechend der ständigen Weiterentwicklung der Kulturen. In Ländern, wo die Evangelisierung erst vor kurzem stattfand, stellt sich das Problem anders. Denn dort war es wohl unvermeidlich, daß die Missionare das Wort Gottes in der Form brachten, wie es sich am Anfang in ihrem Heimatland inkulturiert hatte. Die neuen Ortskirchen müssen sich nun sehr bemühen, diese ihnen fremde Inkultu- 1604 ANHANG ration der Bibel zu überwinden und zu einer andern Form zu gelangen, die der Kultur ihres eigenen Landes entspricht. C. Vom Gebrauch der Bibel 1. ln der Liturgie Seit Beginn der Kirche gehört die Lesung der heiligen Schriften ganz zur christlichen Liturgie, und diese ist ein Stück weit Erbin der synagogalen Liturgie. Auch heute noch kommen die Christen vor allem in der Liturgie und besonders bei der sonntäglichen Eucharistiefeier mit der Heiligen Schrift in Kontakt. Die Liturgie, und besonders die Liturgie der Sakramente, deren Höhepunkt und Mitte die Eucharistiefeier ist, aktualisieren wohl am besten die biblischen Texte, denn sie stellt die Verkündigung in die Mitte der um Christus vereinigten Glaubensgemeinschaft, die sich Gott nahen will. Da ist Christus „gegenwärtig ... in seinem Wort, da er selbst spricht, wenn die heiligen Schriften in der Kirche gelesen werden” (Sacrosanctum Concilium, Nr. 7). So wird der geschriebene Text zum lebendigen Wort. Die liturgische Reform, wie sie vom II. Vatikanischen Konzil beschlossen wurde, hat sich bemüht, den Katholiken eine reichere biblische Nahrung anzubieten. Die drei Zyklen der Sonntagslesungen geben den Evangelien einen privilegierten Platz, um das Geheimnis Christi als Ursprung unseres Heils auszuzeichnen. Indem dieser Zyklus regelmäßig einen Text aus dem Alten Testament in Beziehung zum Evangeliumstext setzt, legt er für die Schriftinterpretation oft den Weg der Typologie nahe. Wie wir wissen, ist diese jedoch nicht die einzige mögliche Art, die Heilige Schrift zu lesen. Die Homilie, die das Wort Gottes ausdrücklich aktualisiert, gehört voll und ganz zur Liturgie. Wir werden im Zusammenhang mit der Bibel in der Seelsorge auf sie zurückkommen. Das Lektionar, das aus dem Konzil hervorgegangen ist (Sacrosanctum Concilium, Nr. 35), soll eine „reichere, mannigfaltigere und passendere” Lesung der Heiligen Schrift ermöglichen. In seiner gegenwärtigen Form entspricht es aber nur teilweise diesem Ziel. Immerhin hat es schon positive ökumenische Auswirkungen gezeitigt. In gewissen Ländern zeigte es auch auf, wie wenig die Katholiken in der Heiligen Schrift „zu Hause” sind. Der Wortgottesdienst ist ein entscheidendes Element bei der Feier eines jeglichen Sakramentes der Kirche. Er besteht nicht einfach aus einer Abfolge von Lesungen, denn er erfordert auch in gleicher Weise Momente der Stille und des Gebetes. Diese Liturgie, besonders das Stundengebet, schöpft aus dem Psalmenbuch, um die christliche Gemeinschaft zum Gebet anzuleiten. Hymnen und Gebete sind ganz von der biblischen Sprache und ihrer Symbolik durchdrungen. Es ist deshalb unerläßlich, daß die Liturgiefeier in eine regelmäßige Praxis der Lesung der Heiligen Schrift eingebettet ist. 1605 ANHANG In den Lesungen „richtet Gott sein Wort an sein Volk ” (Missale Romanum, n. 33); deshalb verlangt der Wortgottesdienst große Sorgfalt in der Verkündigung der Lesungen wie in deren Auslegung. Die Ausbildung der zukünftigen Vorsteher der liturgischen Versammlung und aller, die in ihr eine Rolle übernehmen, muß deshalb den Erfordernissen des vollständig erneuerten Wortgottesdienstes entsprechen. So kann die Kirche dank der Bemühungen aller Beteiligten die ihr aufgetragene Sendung erfüllen, „vom Tisch des Wortes Gottes wie des Leibes Christi ohne Unterlaß das Brot des Lebens zu nehmen und den Gläubigen zu reichen” (Dei Verbum, Nr. 21). 2. Die Lectio divina oder geistliche Lesung Die Lectio divina ist eine Lesung in individueller oder gemeinschaftlicher Form eines mehr oder weniger langen Abschnittes der Heiligen Schrift, die als Wort Gottes angenommen wird. Unter dem Einfluß des Heiligen Geistes fuhrt sie zur Meditation, zum Gebet und zur Kontemplation. Das Bemühen um eine regelmäßige, ja sogar tägliche Lesung der Heiligen Schrift entspricht einer schon frühen Übung in der Kirche. Als gemeinsame Praxis ist sie im 3. Jh., zur Zeit des Origenes bezeugt. Origenes pflegte in seinen Homilien von einem Text der Heiligen Schrift auszugehen, der fortlaufend die Woche hindurch gelesen wurde. Es gab damals tägliche Versammlungen, die der Lesung und der Auslegung der Heiligen Schrift dienten. Diese Praxis, die später wieder aufgegeben wurde, hat bei den Christen jedoch nicht immer großen Anklang gefunden (Origenes, Hom. Gen. X,l). Die Lectio divina ist als vorwiegend individuelle Praxis im Mönchtum schon früh belegt. In unserer Zeit hat eine von Papst Pius XII. genehmigte Instruktion der Bibelkommission sie allen Priestern, Diözesaü- und Ordenspriestem anempfohlen (De Scriptura Sacra recte docenda, 1950; EnchB 592). Die Bedeutung der Lectio divina unter ihrem doppelten, individuellen und gemeinschaftlichen Aspekt ist somit wieder aktuell geworden. Es geht darum, eine „echte und beständige Liebe” zur Heiligen Schrift, dem Ursprung inneren Lebens und apostolischer Fruchtbarkeit (EnchB 591 und 567) zu wecken und zu stärken, weiterhin darum, ein besseres Verständnis der Liturgie zu fördern und der Bibel einen wichtigeren Platz in den theologischen Studien und im Gebet zu sichern. Die Konzilskonstitution Dei Verbum (Nr. 25) empfiehlt den Priestern und Ordens-leuteü ebenfalls eindringlich die eifrige Lesung der heiligen Schriften. Sie lädt aber auch „alle an Christus Glaubenden” ein, „durch häufige Lesung der Heiligen Schrift sich die ,alles übertreffende Erkenntnis Jesu Christi’ (Phil 3,8) anzueignen”. Dies ist eine Neuheit! Verschiedene Mittel werden dazu vorgeschlagen. Neben der individuellen Lesung werden Bibellesegruppen empfohlen. Der Text des Konzils unterstreicht, daß das Gebet die Lesung der Heiligen Schrift begleiten muß, denn es ist gleichsam die Antwort auf die Begegnung mit dem Wort Gottes, dem man in der Heiligen Schrift unter dem Beistand und der Führung des Heiligen Geistes begegnet. 1606 ANHANG Zahlreiche Initiativen wurden im christlichen Volk für das gemeinsame Lesen ergriffen. Zu diesem Verlangen nach einer besseren Kenntnis Gottes und seines Heilsplanes in Christus, wie er in der Heiligen Schrift ausgedrückt ist, kann nur ermutigt werden. 3. In der Seelsorge Die Empfehlung in Dei Verbum (Nr. 24), die Bibel in der Seelsorge möglichst oft zu lesen, kann in verschiedenen Formen realisiert werden, je nach der von den Priestern angewendeten Hermeneutik und den Verständnismöglichkeiten der Gläubigen. Es lassen sich drei Hauptsituationen unterscheiden: Katechese, Verkündigung und biblisches Apostolat. Zahlreiche Faktoren spielen dabei eine Rohe, entsprechend dem Niveau des christlichen Lebens. Die Erklärung des Wortes Gottes in der Katechese (Sacrosanctum Concilium, Nr. 35; Directorium catechisticum generale <232>, 1971, 16) hat als Hauptquelle die Heilige Schrift. Diese bildet, im Kontext der Tradition gelesen, den Ausgangspunkt, die Basis und die Norm der katechetsichen Unterweisung. Eines der Ziele der Katechese ist eben gerade die Einführung in ein richtiges Verständnis der Bibel und in ihre fruchtbare Lesung, so daß die in ihr enthaltene göttliche Wahrheit gefunden und eine großherzige Antwort auf die Botschaft, die Gott durch seih Wort an die Menschheit richtet, gegeben werden kann. 22 Private deutsche Übersetzung: Allgemeines Katechetisches Direktorium. Übersetzung mit Erlaubnis der Hi. Kongregation, besorgt von Raphael von Rhein, Fulda 21979. Die Katechese muß vom geschichtlichen Kontext der göttlichen Offenbarung ausgehen, um Personen und Ereignisse des Aten und Neuen Testaments im Lichte des Planes Gottes darzustellen. Um vom biblischen Text zu seiner Heilsbedeutung für unsere Zeit vorzudringen, lassen sich verschiedene bibelhermeneutische Unterrichtsmethoden denken, die Anlaß zu verschiedenartigen Kommentaren geben. Die Fruchtbarkeit der Katechese hängt selbstverständlich vom Wert der angewendeten bibelhermeneutischen Unterrichtsmethoden ab. Die Gefahr besteht, sich mit oberflächlichen Erklärungen zu begnügen, die an einer chronologischen Betrachtung der verschiedenen Ereignisse und Personen der Bibel hängen bleiben. Die Katechese kann natürlich nur einen ganz kleinen Teil der biblischen Texte auswerten. Im allgemeinen benützt sie vor allem die Erzählungen des Neuen wie des Aten Testaments. Der Dekalog spielt eine hervorragende Rolle. Es muß aber darauf geachtet werden, daß auch die Worte der Propheten, die Weisheitslehre und die großen Reden des Evangeliums, z. B. die Bergpredigt, zu Worte kommen. Die Darstellung des Evangeliums soll zu einer Begegnung mit Christus führen. Er ist ja gleichsam der Schlüssel zur ganzen biblischen Offenbarung und überbringt den Anruf Gottes, auf den jeder zu antworten habt. Die Botschaft der Propheten und der 1607 ANHANG „Diener des Wortes” (Lk 1,2) muß in ihrer Darlegung als Botschaft an die heutigen Christen erscheinen. Analoge Bemerkungen betreffen den Dienst der Predigt, die aus den alten Texten eine geistliche Nahrung für die Bedürfnisse der heutigen christlichen Gemeinschaft schöpfen soll. Heute wird der Dienst der Predigt hauptsächlich in der Homilie am Ende des ersten Teils der Eucharistiefeier, die auf die Verkündigung des Wortes Gottes folgt, ausgeübt. Die Erklärung der biblischen Texte in der Homilie kann nicht auf alle Einzelheiten eingehen. Es ist jedoch angebracht, die Hauptelemente der Texte hervorzuheben, die am meisten den Glauben beleuchten und den Fortschritt des individuellen und gemeinschaftlichen christlichen Lebens fördern können. Bei der Erklärung dieser Elemente ist es entscheidend, sie zu aktualisieren und zu inkulturieren, wie es oben ausgeführt wurde. Dafür braucht es gültige hermeneutische Prinzipien. Wer in dieser Hinsicht nicht genügend vorbereitet ist, erliegt deswegen meistens der Versuchung, darauf zu verzichten, die biblischen Lesungen tiefer zu erfassen, um sich mit moralisierenden Nutzanwendungen zu begnügen oder nur über aktuelle Fragen zu sprechen, ohne diese mit dem Wort Gottes zu konfrontieren. In manchen Ländern gibt es Veröffentlichungen, die unter Mithilfe von Exegeten verfaßt wurden, um den Verantwortlichen der Seelsorge zu helfen, die biblischen Lesungen der Liturgie korrekt zu interpretieren und auf gültige Weise zu aktualisieren. Es ist wünschenswert, daß solche Bemühungen das ihnen gebührende Echo finden. Die Betonung darf selbstverständlich nicht einseitig auf den Verpflichtungen der Gläubigen hegen. Die biblische Botschaft muß ihren grundlegenden Charakter als die Gute Nachricht vom Heil, das Gott uns schenkt, unbedingt bewahren. Die Predigt erreicht weit mehr und wird auch der Bibel gerechter, wenn sie den Gläubigen hilft, „die Gabe Gottes zu erkennen” (Joh 4,10), so wie sie in der Heiligen Schrift offenbart ist, und in positiver Art die Ansprüche zu erfassen, die sich aus dieser Gabe ergeben. Das biblische Apostolat hat zum Ziel, die Bibel als Wort Gottes und Quelle des Lebens zu verbreiten. In erster Linie fördert es die Übersetzung der Bibel in die verschiedenen Sprachen sowie die Verbreitung dieser Übersetzungen. Es erweckt zahlreiche Initiativen und unterstützt sie: Bildung von Bibelgruppen, Vorträge über die Bibel, Biblische Wochen, Veröffentlichung von Zeitschriften und Büchern usw. Ein wichtiger Beitrag kommt von den kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen, die die Bibellesung in der Perspektive des Glaubens und mit christlichem Engagement in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten rücken. Zahlreiche „Basisgemeinden” stellen ihre Zusammenkünfte unter die Bibel und setzen sich ein dreifaches Ziel: die Bibel kennenzulemen, die Gemeinschaft aufzubauen und dem Volk zu dienen. Auch hier ist die Hilfe der Exegeten nützlich, um schlecht begründete Aktualisierungen zu vermeiden. Aber man darf sich freuen, die Bibel in den Händen der Armen, der ein- 1608 ANHANG fachen Leute zu sehen, die zu ihrer Auslegung und Aktualisierung in geistlicher und existentieller Hinsicht ein helleres Licht bereitstellen können, als was eine selbstgerechte Wissenschaft zu seiner Erklärung beizutragen vermag (vgl. Mt 11,25). Die wachsende Bedeutung der Kommunikationsmittel, Massenmedien, Presse, Radio, Fernsehen usw., erheischt eine tatkräftige Verkündigung des Wortes Gottes und die Verbreitung „biblischer” Kenntnisse auch durch diese Medien. Ihre Eigenart und andererseits ihr gewaltiger Einfluß auf das breite Publikum verlangen jedoch für ihre Benutzung eine spezifische Ausbildung, die es erlaubt, kläglich improvisierte oder effekthascherische Behandlungen der Bibel zu verhindern. Ob es sich um Katechese, Verkündigung oder biblisches Apostolat handelt, der Bibeltext muß immer mit der ihm gebührenden Achtung dargelegt werden. 4. In der Ökumene Wenn auch die Ökumene als spezifische und organisierte Bewegung relativ neu ist, so ist doch der Gedanke der Einheit des Volkes Gottes, den diese Bewegung zu erneuern versucht, tief in der Heiligen Schrift verwurzelt. Diese Einheit war die ständige Sorge des Herrn (Joh 10,16; 17,11.20-23). Es ist eine Einheit der Christen im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe (Eph 4,2-5), in der gegenseitigen Achtung (Phil 2,1-5) und in der Solidarität (1 Kor 12,14-27; Röm 12,4-5), aber auch und vor allem die organische Einheit mit Christus, so wie die Reben und der Rebstock (Joh 15,4-5), die Glieder und das Haupt (Eph 1,22-23; 4,12-16) eins sind. Diese Einheit muß so vollkommen sein wie die Einheit von Vater und Sohn (Joh 17,11.22). Die Heilige Schrift liefert hierfür die theologische Basis (Eph 4,4-6; Gal 3,27-28). Die erste apostolische Gemeinschaft ist ein konkretes und lebendiges Modell dafür (Apg 2,44; 4,32). Die meisten Probleme im ökumenischen Dialog haben einen Bezug zur Interpretation der biblischen Texte. Einige dieser Probleme sind theologischer Art: im Hinblick auf die Eschatologie, die Kirchenstruktur, den Primat und die Kollegialität, die Ehe und die Scheidung, das priesterliche Amt für die Frauen usw. Andere sind kirchenrechtlicher und jurisdiktioneller Art; sie betreffen die Verwaltung der Universalkirche und der Ortskirchen. Andere wieder sind ausschließlich biblisch: die Liste der kanonischen Bücher, bestimmte hermeneutische Fragen usw. Die biblische Exegese kann zwar all diese Probleme gewiß nicht allein lösen; sie ist aber aufgerufen, einen wichtigen Beitrag zur Ökumene zu leisten. Bemerkenswerte Fortschritte wurden bereits realisiert. Dank der Annahme gleicher Methoden und analoger hermeneutischer Ziele sind die Exegeten der verschiedenen christlichen Konfessionen zu einer weitgehenden Übereinstimmung in der Interpretation der heiligen Schriften gekommen, wie es der Text und die Anmerkungen verschiedener ökumenischer Übersetzungen der Bibel und auch andere Veröffentlichungen zeigen. Andererseits sind die Unterschiede in der Auslegung der heiligen Schriften in bestimmten Punkten offensichtlich oft auch stimulierend, ja sie können sich in manchen Fällen als komplementär und bereichernd erweisen. Dies ist der Fall, wenn sie 1609 ANHANG besondere Werte der Eigentraditionen der verschiedenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften ausdrücken und so die vielfältigen Aspekte des Geheimnisses Christi zum Ausdruck bringen. Da die Bibel im übrigen die gemeinsame Basis der Glaubensregel darstellt, drängt der ökumenische Auftrag alle Christen gebieterisch dazu, die inspirierten Texte neu zu lesen, sich durch sie unter der Führung des Heiligen Geistes belehren zu lassen, sie in Liebe, Aufrichtigkeit und Demut zu meditieren und daraus zu leben, um zur Umkehr des Herzens und zur Heiligkeit des Lebens zu gelangen; diese stellen, zusammen mit dem Gebet um die Einheit der Christen die Seele jeder ökumenischen Bewegung dar (vgl. Unitatis Redintegratio, Nr. 8). Aus diesem Grunde ist es wichtig, einer möglichst großen Zahl von Gläubigen den Erwerb einer Bibel zu ermöglichen, zu ökumenischen Übersetzungen zu ermutigen - denn ein gemeinsamer Text hilft zu einer gemeinsamen Lektüre und zu einem gemeinsamen Verständnis -, ökumenische Gebetsgruppen zu fördern, um so durch ein echtes, lebendiges Zeugnis an der Wiedergewinnung der vollen Einheit in der Vielfalt mitzuwirken (vgl. Rom 12,4-5). Schlußfolgerangen Aus all dem, was in diesen langen, und doch auch wieder zu knappen Ausführungen zur Sprache kam, geht als erste Folgerung hervor, daß die biblische Exegese in der Kirche und in der Welt eine unersetzliche Aufgabe erfüllt. Wollte man die Bibel ohne sie verstehen, würde man sich einer Illusion hingeben. Es wäre auch ein Mangel an Ehrfurcht vor der inspirierten Schrift. Fundamentalisten möchten die Exegeten als reine Übersetzer betrachten, wobei sie übersehen, daß die Übersetzung der Bibel schon Exegese ist. Sie weigern sich, exegetischer Forschung zu folgen. Sie geben sich dabei keine Rechenschaft, daß sie sich trotz lobenswerten Bemühens um Treue dem ganzen Wort Gottes gegenüber in Wirklichkeit auf Wege einlassen die sie vom genauen Sinn der biblischen Texte, und damit auch von der vollen Annahme der Konsequenzen der Menschwerdung selbst entfernen. Die Menschwerdung des ewigen Wortes fand ja in einem bestimmten Zeitraum der Geschichte, dn-einem genau umschriebenen sozialen und kulturellen Umfeld statt. Wer Gottes Wort vernehmen möchte, muß es in Demut da suchen, wo es hörbar wurde, ohne die notwendige Hilfe des menschlichen Wissens zu verschmähen. Seit der Epoche des Alten Testaments hat sich Gott, um zu Männern oder Frauen zu sprechen, aller Möglichkeiten der menschlichen Sprache bedient, aber gleichzeitig mußte er auch sein Wort allen Bedingtheiten dieser Sprache unterwerfen. Wahre Ehrfurcht vor der inspirierten Schrift heißt, keine der notwendigen Anstrengungen zu unterlassen, die es ermöglichen, ihren Sinn richtig zu erfassen. Es ist bestimmt nicht mögüch, daß jeder Christ selbst alle Gebiete der Forschung kennt, die für ein besseres Verständnis der biblischen Texte unerläßlich sind. Diese Auf- 1610 ANHANG gäbe ist den Exegeten anvertraut. Sie sind auf diesem Gebiet zum Nutzen aller zuständig. Als zweite Schlußfolgerung soll unterstrichen werden, daß die biblischen Texte zu ihrer Interpretation naturgemäß der Anwendung der K wenigstens in ihren hauptsächlichen Zügen bedürfen. Die Bibel gibt sich ja in der Tat nicht als unmittelbare Offenbarung zeitloser Wahrheiten zu erkennen, sondern vielmehr als das schriftliche Zeugnis von Gottes widerholtem Eingreifen in der menschlichen Geschichte, durch das er sich offenbart. Im Unterschied zu den heiligen Lehren anderer Religionen ist die biblische Botschaft fest im Boden der Geschichte verwurzelt. Dies ist der Grund, daß die biblischen Schriften ohne Untersuchung ihrer geschichtlichen Entstehung nicht korrekt verstanden werden können. Die „diachrone” Forschung wird für die Exegese immer unerläßlich sein. Die „synchronen” Zugänge, so nützlich sie sind, können sie niemals ersetzen. Um auf eine fruchtbare Weise arbeiten zu können, müssen sie zunächst die Ergebnisse der historisch-kritischen Methode, wenigstens in den Hauptlinien, übernehmen. Unter dieser Bedingung vermögen die synchronen Zugänge (rhetorische, narrative, semiotische und andere Methoden) zur Erneuerung der Exegese beizutragen und die exegetischen Einsichten und Erkenntnisse zu erweitern. In der Tat kann die historisch-kritische Methode ja kein Monopol beanspruchen. Sie muß sich ihrer Grenzen bewußt werden und auch der Gefahren, denen sie aüsgesetzt ist. Die jüngsten Entwicklungen der philosophischen Hermeneutiken und was wir in Bezug auf die Interpretation der Heiligen Schrift innerhalb der biblischen Tradition und der Tradition der Kirche feststellten, haben das Interpretationsproblem in einem neuen Licht erscheinen lassen, das die historisch-kritische Methode nicht immer wahmehmen wollte. Die alles beherrschende Absicht dieser Methode, den Sinn der Texte zu bestimmen, indem sie diese in ihren ursprünglichen historischen Kontext einordnet, macht sie in der Tat manchmal weniger offen für den dynamischen Aspekt der Bedeutung und die Möglichkeiten einer weiteren Entwicklung des Sinnes. Namentlich wenn sie nicht bis zur Redaktionsgeschichte vordringt, sondern bei Quellenproblemen und literarischen Schichtungen der Texte stehen bleibt, erfüllt sie ihre exegetische Aufgabe nicht genügend. Aus Treue zur großen Überlieferung, von der auch die Bibel selbst Zeugnis ablegt, muß die katholische Exegese so weit wie möglich solche Arten von „Betriebsblindheit” vermeiden und ihre Identität als theologische Disziplin bewahren, deren Hauptziel die Vertiefung des Glaubens ist. Dies bedeutet keineswegs geringere Ernsthaftigkeit der kompetenten wissenschaftlichen Forschungsarbeit und auch keine Beugung der Methoden aus apologetischem Interesse. Jedes Gebiet der Forschung (Textkritik, Linguistik, literarische Analysen usw.) besitzt seine eigenen Regeln, denen die Forschung in voller Unabhängigkeit folgen muß. Aber keines dieser Spezialgebiete der Exegese stellt ein Ziel für sich dar. In der Gesamtorganisation der exegetischen Arbeit muß die Ausrichtung auf das Hauptziel bestimmend bleiben; nur so lassen sich Abwege und Sackgassen vermeiden. Die katholische Exe- 1611 ANHANG gese darf nicht einem Wasserlauf gleichen, der in einer hyperkritischen Analyse versandet. Sie hat in Kirche und Welt eine entscheidende Funktion zu erfüllen: zur möglichst authentischen Vermittlung der inspirierten Botschaft der Heiligen Schrift das Ihre beizutragen. Ihre Bemühungen gehen ja bereits in dieser Richtung, indem sie an der Erneuerung der anderen theologischen Disziplinen und an der seelsorgerlichen Arbeit der Aktualisierung und Inkulturation des Wortes Gottes mitwirkt. Diese Darlegungen haben die gegenwärtige Problematik geprüft und einige Reflexionen dazu formuliert. Es ist zu hoffen, daß sie mithelfen werden, bei allen das Bewußtsein von der Rolle des katholischen Exegeten zu klären. Rom, den 15. April 1993 Nachwort zur Übersetzung Der hier gebotene deutsche Text des Dokuments ist eine von Lothar Ruppert, Freiburg i.Br„ und Adrian Schenker OP, Freiburg/Schweiz, Mitgliedern der Bibelkommission, im ausdrücklichen Einverständnis des wissenschaftlichen Sekretärs der Bibelkommission, Albert Vanhoye SJ, Rom, erstellte Revision der von den beiden Erstgenannten autorisierten, 1993 bei der Libreria Editrice Vaticana erschienenen deutschen Übersetzung. Die Anmerkungen 1, 11 und 12 sind Anmerkungen der Bibelkommission selbst, die übrigen sind dem besseren Verständnis des Textes dienende Fußnoten von L. Ruppert und A. Schenker. 1612 ANHANG Die Gesellschaft ethisch, kulturell und geistlich weiter entwickeln Ansprache des Leiters der Delegation des Hl. Stuhls, Msgr. Elio Sgreccia, auf der Genfer Bevölkerungskonferenz am 26. März Herr Präsident! 1. Während dieser Europäischen Bevölkerungskonferenz wurden die wichtigsten quantitativen und strukturellen Elemente der Bevölkerungssituation in der Region weitgehend identifiziert. Dennoch würde es sich unserer Meinung nach tunlich empfehlen, vermehrt auf die ethischen, kulturellen und geistlichen Faktoren hinzuweisen, deren Rolle für die Lösung der genannten Probleme und Mißstände entscheidend sein kann und die zur harmonischeren Entwicklung der positiven Elemente, die bereits in unseren Gesellschaften vorhanden sind, beitragen können. 2. Diese Faktoren ethischer und kultureller Art können helfen, eine angemessene und annehmbare Lebensqualität für diese Bevölkerungen, die in einer „neuen demographischen Revolution” begriffen sind, besser zu definieren und zu erreichen, aber auch um unter den Staaten engere und positvere Beziehungen der Solidarität entstehen zu lassen. In dieser Hinsicht erscheint es angebracht, vier Faktoren hervorzuheben: a) den Faktor Verantwortlichkeit, b) das Familienprinzip, c) eine neue Solidarität, d) neue Horizonte der wissenschaftlichen Forschung. a) Das Verantwortlichkeitsprinzip (H. Jonas) kann, ohne den Wert der individuellen Freiheit, auf den die westlichen Demokratien sich stützen, zu vermindern, dem Sinn des Lebens und der menschlichen Tätigkeit eine deutlichere Ausrichtung auf das umfassende Wohl der Person und der Gesellschaft geben. Es ist wichtig, dieses Prinzip neu zu entdecken und ihm seinen Platz in der Pflege der Gesundheit zu geben, besonders in der Gesundheitserziehung und der Achtung des Leibes, so daß das Konzept der „verantworteten” Elternschaft der einzige Weg wird, um in Achtung der Rechte des Menschen an die Frage der Geburtenregelung heranzutreten. Dieses Prinzip wird auch nützlich sein für einen besseren Schutz des Lebens der Individuen vor und nach der Geburt sowie für den Umweltschutz. Denker, Philosophen und Wissenschaftler aller Richtungen haben im Lauf der letzten Jahre das Prinzip der Verantwortung gegenüber der Umwelt und gegenüber den kommenden Generationen im Rahmen dessen, was als 1613 ANHANG „Zukunftsethik” und „Sicherung des Überlebens der Menschheit und der ethnischen Vielfalt” bezeichnet wurde, beschworen. In dieser Perspektive der Verantwortung und einer Ethik der Zukunft der Region fordern wir, daß .man die Verbreitung einer Erziehung zur verantworteten Vater- und Mutterschaft mittels Methoden, die das Leben, die Gesundheit und die Bio-Ökologie respektieren, fördert. Es gibt sichere und mit einem Sinn der Verantwortung und der Achtung des Lebens vereinbare Methoden in der natürlichen Regelung der Fruchtbarkeit und der motivierten Distanzierung der Geburten. Der Kampf gegen die soziale Geißel der Abtreibung kann und muß innerhalb einer klaren und entschiedenen Erziehung zu verantworteter Fortpflanzung geführt werden. b) Ein anderer entscheidender Faktor ist der der Stabilität und Harmonie der Familie: Man nennt ihn das „Familienprinzip”. Die Psychologie und die Sozialwissenschaften haben zur Genüge die Schäden, die Verirrungen und die Gewalt unter Beweis gestellt, die aus dem Mangel an Liebe herrühren, an dem Kinder und Jugendliche oft leiden. Es genügt nicht mehr, Sozialpolitiken der Familienmitglieder, einzeln genommen - wie Kinder, Behinderte, Alte - zu verwirklichen. Es braucht Politiken, die auf die Familie in ihrer Gesamtheit ausgerichtet sind, um deren Fähigkeit des Zusammenhalts, der Erziehung und des Unterhalts der Kinder zu stärken. In dieser Hinsicht können zahlreiche Interventionsstrategien ins Auge gefaßt werden: Hilfe für die Frau, vor allem während der Mutterschaft; Aufwertung der Hausarbeit; Möglichkeit für die Eltern, aus Gründen der Kindererziehung der Berufsarbeit femzubleiben; wirtschaftliche Maßnahmen, die ermutigen, Kinder zu zeugen, und kinderreiche Familien oder solche, in denen Mitglieder in Schwierigkeiten sind, unterstützen. Was der Staat auf diese Weise für die Familie ausgibt, kann als Vorbeugung gegen zahlreiche sozialer Geißeln zurückgewonnen werden. c) Das dritte Prinzip ist das einer neuen Solidarität, um die es in unserer Region aufgrund des Individualismus und des Nützlichkeitsdenkens schlecht bestellt ist. Diese Solidarität sollte, wie Papst Johannes Paul II. in der Enzyklika Centesi-mus annus betont hat, bezüglich der unterentwickelten Zonen verwirklicht werden, einschließlich derer, die außerhalb unserer Region liegen. In der Tat kommen aus diesen Regionen die Faktoren der Destabilisierung und die großen Einwanderungswellen, von denen wir so schwer betroffen sind. Die mit der Furcht vor einer Überbevölkerung und mit dem Hunger zusammenhängenden Probleme könnten besser gelöst werden, wenn man allen Völkern Zugang zu einer harmonischen und beschleunigten Wirtschaftsentwicklung verschaffte. 1614 ANHANG Die weltweite Abrüstung brachte nicht, wie es wünschenswert und möglich gewesen wäre, vermehrte Hilfe für die Entwicklungsländer. Dagegen tragen die Leichtigkeit der Waffenbeschaffung und der heimliche Handel mit nuklearem Material dazu bei, zu gewaltsamen Lösungen der politischen Probleme zu ermutigen, was Spannungen und Kriege hervorruft, die Ursache für neue Migrationen sind. Diese neue Solidarität muß den Menschen gegenüber gelebt werden, die als Einwanderer in unsere Region kommen. Sie soll eine Kultur der Mannigfaltigkeit entstehen lassen, die fähig ist, eine plurikultürelle und vielrassige Gesellschaft zu schaffen, die den Migranten und Flüchtlingen die Möglichkeit bietet, an den Strukturen und Entscheidungen der sie aufnehmenden Gesellschaft teilzunehmen. Man darf in diesem Zusammenhang nicht das universal anerkannte Recht auf Rückkehr in das Heimatland außer acht lassen. Der Hl. Stuhl konnte über diesen Punkt einen bedeutsamen Beitrag zu den Beschlüssen dieser Konferenz liefern. d) Es ist viertens wichtig, der wissenschaftlichen Forschung neue Horizonte zu eröffnen. Die Wissenschaft, die mitunter für die Schaffung von Mitteln des Todes und der negativen Beeinflussung von Bevölkerungen dienstbar gemacht und mißbraucht worden ist, könnte hingegen dazu beitragen, neue Bedingungen hinsichtlich der Lebensqualität zu schaffen. Die wissenschaftliche Forschung kann dazu beitragen, Methoden der Fruchtbarkeitsdiagnostik, der Vorbeugung und Behandlung von Ursachen der Unfruchtbarkeit und der Verhütung von Emährungskrankheiten zu entwickeln. Was die Erhaltung der Umwelt betrifft, haben die Fortschritte in der Energieumwandlung und der Biotechnologie die Entwicklung von Methoden gestattet, die die Verschmutzung verringern und sogar biologische Wirkstoffe produzieren, die fähig sind, eine gewisse Zahl von Verschmutzungsfaktoren zu sanieren. Die experimentelle Forschung auf dem Gebiet der Biotechnologie kann auch dazu beitragen, den Ertrag aus Ackerbau und Viehzucht in den Entwicklungsländern zu verbessern, um so dem Bevölkerungswachstum Genüge zu leisten. Wir möchten in diesem Zusammenhang die Worte Johannes Pauls II. in Erinnerung bringen: „Diese neuen Verhältnisse dürfen aber nicht nur mit wissenschaftlichen Erwägungen aufgebaut werden, wichtiger ist der Rückgriff auf alle verfügbaren intellektuellen und geistigen Energien. Die Menschen müssen die moralische Bedeutung der Einhaltung von Grenzen neu entdecken; sie müssen wachsen und reifen in ihrem Verantwortungsbewußtsein gegenüber jedem Aspekt des Lebens” {Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, 22. November 1991, in: O.R.dt., 24.1.92). Ich danke Ihnen. 1615 ANHANG In der pastoralen Liebe Christi leben Schlußbetrachtungen auf dem Internationalen Symposium „Pastores dabo vobis - Der Priester heute” von Erzbischof Crescenzio Sepe, Sekretär der Kongregation für den Klerus, am 29. Mai Herr Kardinal, hochwürdiger Pater Rektor, sehr geehrte Professoren, Brüder und Schwestern! Gestatten Sie mir zum Abschluß dieses Internationalen Symposiums, da uns die Worte des Heiligen Vaters, die wir heute morgen in der Sonderaudienz vernommen haben, noch frisch in Erinnerung sind, zusammen mit Ihnen dem Herrn für diese drei Tage intensiven Nachdenkens über die Gestalt und Identität des Priesters und des katholischen Priestertums zu danken. Das Thema ist von vielen Sichtwinkeln und Blickrichtungen her angegangen worden, und ich glaube sagen zu können, daß dabei - am Ende - ein harmonisches Gesamtbild von seltener theologischer, geistlicher und kirchlicher Tiefe hervorgetreten ist, vor allem durch den wirkungsvollen Beitrag der Referenten, die den kulturellen Schnitt stets auf hohem Niveau gehalten und dem Hauch der Liebe zum Priestertum und zur katholischen Kirche fruchtbringend Raum gegeben haben. Auch ihnen aufrichtigen Dank im Namen der Kongregation für den Klerus und in meinem eigenen. Ein ganz besonderer Dank geht an die Gregoriana-Universität und ihren Rektor P. Pittau, die mit großem Einsatz und Bereitwilligkeit dieses Symposium organisiert haben. Ich meine sagen zu können, daß dieser Kongreß eine der bedeutendsten Antworten ist, die auf das nachsynodale Apostolische Schreiben Pastores dabo vobis Johannes Pauls n. gegeben wurden; eine Antwort, die wir nicht ins Leere fallen lassen, sondern voraussichtlich in einem Band sammeln werden, damit sie auch denen - Bischöfen, Laien und vor allem Priestern - von Nutzen sein kann, die in diesen Tagen nicht bei uns sein konnten. Mir kommt es nun zu, einen, nicht leichten Versuch zu wagen, nämlich: in eine Synthese zu fassen, was an dem Symposium in bisweilen tiefer und origineller Weise über die Gestalt des Priesters ausgesagt wurde. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich werde versuchen, die Kernpunkte dessen herauszustellen, was die Referenten im Laufe dieser drei Studientage nacheinander meisterhaft darlegten, und ich hoffe, daß jeder Referent sich sozusagen zwischen den Zeilen in meinen Ausführungen wiederfinden kann. In der Tat ist es mir nicht möglich, jeden einzelnen Autor der Referate zu zitieren: Ich habe deren Geist und die tiefen Beweggründe der ausgeführten Gedanken aufgenommen. 1616 ANHANG Ausgangnehmend von Pastores dabo vobis möchte ich meine ganze Synthese um den Satz in Mk 3,14: „Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben ... wollte” konstruieren, der die drei Hauptpunkte der heutigen Problematik der Priester beleuchtet, die in diesen Tagen zu Diskussion standen, und zwar: die Identität, die Ausbildung (Mittel) und die Spiritualität (Sendung) des Priesters. „Bei Jesus sein” Die von Jesus in Mk 3,14 ausgedrückte Intention („Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben ... wollte”) zeigt zugleich ein Entstehungsort der priesterli-chen Identität, den Weg der Ausbildung sowie die Grundlage des Priesteramtes und der apostolischen Sendung. Die persönliche Beziehung zum Herrn als Haupt und Hirten der Kirche, der die Apostel mit einer besonderen und persönlichen Bindung um sich sammelt, und diese innige Freundschaft mit ihm lädt - wie in Pastores dabo vobis mehrmals betont wird - zur Nachahmung der Liebe Christi, des Guten Hirten, ein. 1. Identität „Tut dies zu meinem Gedächtnis!” Die Liebe des Guten Hirten zeigt sich in der Hingabe des Lebens an den Vater für die Herde: Jesus verwirklicht vollständig die bedingungslose Hingabe seiner selbst - höchster Akt seines Priestertums - durch das eucharistische Zeichen seines hingegebenen Leibes und seines vergossenen Blutes, das die Wirklichkeit der Aufopferung am Kreuz vorwegnimmt, die dann zur Auferstehung führt. Auf diese Weise wird der neue Bund eingesetzt und daher auch die neue prie-sterliche Vermittlung, die dem ganzen Volk der Erlösten aufgetragen ist. Dieses universale Priestertum erfordert einen speziellen Dienst, der er verwirklicht, es in immer neuen Personen entstehen läßt, der es nährt, bewahrt und in der gesamten Gemeinschaft liebt. Daher die Wahl Jesu, seine eigene österliche Hingabe „in forma vicaria” denen anzuvertrauen, die, aus dem Volk Gottes gewählt, zum Priestertum zum Nutzen dieses Volkes bestellt sind. Solche Personen leben und handeln „in Persona Christi capitis”, und indem sie der Eucharistie und der Gemeinschaft vorstehen, sind sie für die ganze Kirche lebendiges Zeichen des Primats der Gnade. In dieser christologischen und ekklesiologischen und spezieller noch euchari-stischen Optik ist auch die Gabe des Zölibats eine Weise, Jesus Christus und die Kirche zu lieben, die mehr und mehr zu einer Lebensweise wird und daher nicht primär im Verzicht oder im Opfer besteht. Seit den Zeiten der Apostel ist die Kirche gesinnt, diese radikale und prophetische Form der Nachfolge Christi zu verfolgen und von ihren Amtsträgem zu verlangen, wobei sie diese nicht als eine rein funktionelle Regelung betrachtet, 1617 ANHANG sondern als einen eng mit der bräutlichen und eucharistischen Identität des Priesters verbundenen Wert anbietet und diesen einer freien, begründeten und reifen Zustimmung des Gerufenen vorlegt. Diesbezüglich verdeutlicht Vastores dabo vobis, daß die Identität des Priesters der „Ort” seines Zölibats ist, dessen Spiritualität an eine Moralität des Wollens und an einen dem Priesteramt innewohnenden Dienst an der Kirche gebunden ist (vgl. Nr. 29). 2. Ausbildung Bei Jesus sein ist auch Einladung zur ständigen Weiterbildung. Unter Ausbildung zum Priestertum ist „Zeit der Prüfung, Reifung und Klärung” zu verstehen. Der Mensch wird als ein Wesen angesehen, das auf dem Weg und der Vervollkommnung fähig ist: auf einem menschlichen Weg, doch vor allem auf einem geistlichen Weg. Der Heilige Vater spricht in Vastores dabo vobis unter vielfachen Aspekten von der Ausbildung: der menschlichen, geistlichen, intellektuellen und Pastoralen; doch immer in der Perspektive der Integration und der Einheit. Diese Einheit kann man folgendermaßen beschreiben: - die menschliche Dimension ist das Fundament (vgl. Nr. 43 A), - die geistliche Formung ist das Herz (vgl. Nf. 45 C), - die intellektuelle Ausbildung ist das Instrument, - die pastorale Ausbildung das Ziel, das die Einheit des ganzen Ausbildungsprozesses in seinen verschiedenen Dimensionen bestimmt. 3. Mittel Nach dem schon Gesagten hat die Versammlung auch das Problem der Mittel in Angriff genommen, die heute nötig sind, um eine solche Ausbildung zu erreichen. Vastores dabo vobis zeichnet die Gestalt des Priesters in bezug auf die Funktionen, die er in der Kirche zu versehen hat, und stellt die geistliche Formung, die darauf hinzielt, dem Sein und Handeln des Priesters Einheit und Leben zu vermitteln, an die erste Stelle. Die geistliche Formung ist in der Tat von so zentraler Bedeutung, daß sie die Seele aller anderen Ausbildungsaspekte bildet, deren klassische, doch stets gültige und aktuelle Mittel sind: die Teilnahme am eucharistischen Mysterium, die gläubige Feier des Stundengebetes, die Verehrung der heiligen Jungfrau Maria, das innere Gebet, der häufige Empfang des Bußsakramentes, die jährlichen geistlichen Exerzitien. Zentral und unersetzlich bei der geistlichen Formung ist die geistliche Führung. 1618 ANHANG Alle diese Mittel zusammen sind ihrerseits auf das einzige Ziel einer immer tieferen und lebendigeren persönlichen Beziehung zu Jesus als Haupt und Hirten ausgerichtet. Die umfassende Ausbildung des Priesters bezieht sowohl die Verantwortung der Kirche, die im Bischof und in der erziehenden Gemeinschaft ausgedrückt ist, als auch die persönliche und aktive Verantwortung des Kandidaten mit ein, der gerufen ist, sich mit seinen menschlichen, moralischen, geistigen und geistlichen Veranlagungen auseinanderzusetzen sowie mit seinem physischen und psychischen Gesundheitszustand, der - wenn nötig - auch durch Konsultation von Ärzten und erfahrenen Psychologen geprüft werden kann. Im Klima allgemeiner Sensibilität für die Achtung der menschlichen Person erscheint es nützlich, hinsichtlich der Durchführung psychologischer und psychoanalytischer Untersuchungen an die diesbezüglichen Empfehlungen des Hl. Stuhls zu erinnern: 1) Es ist die freie und vorhergehende Zustimmung des Betreffenden nötig, die niemals in irgendeiner Weise erzwungen werden darf. 2) Es wird an die Schweigepflicht gemahnt. Der Psychologe darf ohne die freie Zustimmung des Betreffenden die gewonnenen Kenntnisse über dessen psychologisches wie auch moralisches Innenleben nicht dritten gegenüber äußern (vgl. Brief des Staatssekretärs an die Bischofskonferenzen, Nr. 311.157 vom 6. August 1976). Unter Vorbehalt dieser Bedingungen - die übrigens von ernsthaften Fachleuten immer erfüllt werden - steht der positive Beitrag der Humanwissenschaften sowohl für die Planung der Ausbildungswege als auch für eine harmonische Begleitung der einzelnen Kandidaten eindeutig fest. 4. Sendung „... die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten Die Identität des Priesters hat ebenso wie seine Ausbildung die Bereitschaft zur Sendung als notwendige Folge. An diesem Klärungsprozeß wird der Priester gemäß seiner spezifischen Verantwortung aktiv teilnehmen und daraus weitere Nahrung beziehen, um sich seiner eigenen Identität im Konkreten bewußt zu werden. In dem Akt selbstloser Hingabe wird er sich selbst finden und daraus ständig neue Energien für seinen Bildungsweg schöpfen, der keine Pausen kennt. Die dem Priester anvertraute Sendung zeigt sich als Fundament und Aufforderung zu einer entsprechenden Identität, die keine andere sein kann als die, in der pastoralen Liebe Christi zu leben. Solchermaßen ist die Identität des Priesters „nichts anderes als im Bewußtsein und in Freiheit, also im Geist, im Herzen, in den Entscheidungen und Hand- 1619 ANHANG lungen die Wahrheit der ihm anvertrauten Sendung anzunehmen”, die Wahrheit des priesterlichen Dienstes als „amoris officium” (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 24 E). Maria, die der Leitstern der Evangelisierung und des Klerus ist, vertrauen wir alle Priester der Welt an, die mit Freude ihr Priestertum leben und so vor den Menschen unserer Zeit bezeugen, daß Christus der Weg und die Wahrheit und das Leben ist. Menschenrechte - universales gemeinsames Gut Erklärung des Delegationsführers des Hl. Stuhls, Msgr. Jean-Louis Tauran, Sekretär für die Beziehungen des Hl. Stuhls zu den Staaten, bei der Weltkonferenz für die Menschenrechte in Wien am 21. Juni Herr Präsident! 1. Gern schließe ich mich all denen an, die Ihnen ihre Glückwünsche zu Ihrer Wahl als Präsident dieser wichtigen Konferenz ausgesprochen haben, und spreche zugleich den österreichischen Autoritäten die lebhafte Anerkennung der Delegation des Hl. Stuhls für die Organisation dieser sehr bezeichnenden Begegnung in der berühmten Stadt Wien aus, die die Geschichte von gestern und heute zum Treffpunkt der Menschen und ihrer Bestrebungen gemacht hat. 2. Diese Weltkonferenz für die Menschenrechte ist in sich selbst ein außergewöhnliches Ereignis. Die Anwesenheit von so zahlreichen Delegationen zeigt, wie weit sich die Verantwortlichen der Nationen bewußt sind, daß es kein harmonisches und festes nationales und internationales Zusammenleben geben kann, wenn man nicht den Menschen in all seinen Dimensionen ins Auge faßt. Wenn wir uns heute in Wien befinden, dann auch deswegen, weil jeder von uns überzeugt ist, daß nach dem 10. Dezember 1948, dem Tag der Annahme der universalen Erklärung der Menschenrechte, und nach der Konferenz von Teheran im Jahre 1968 die Zeit für eine Bilanz gekommen ist und mehr noch zur Formulierung der zuverlässigen Bezugspunkte für die Freiheitsrechte, die jeden Menschen betreffen. 3. Der Hl. Stuhl durfte seiner Natur und Sendung nach bei dieser Begegnung nicht fehlen. Er ist glücklich, seinen Beitrag zu den Arbeiten hier leisten zu können. Er tut das um so Heber, als die kathoHsche Kirche nach dem Willen ihres Gründers und seit ihren Ursprüngen sich dafür eingesetzt hat, daß der Mensch, seine Natur, seine Würde, seine Freiheit und seine geistigen Bestrebungen niemals Einzelinteressen geopfert werden. In diesem Punkt sind wir 1620 ANHANG uns auch mit den anderen religiösen Familien einig, die im Menschen, der denkt und der liebt, das Bild Gottes anerkennen. 4. Wenn wir Bilanz ziehen, ist es tröstlich, die immense von der Organisation der Vereinten Nationen und anderen regionalen Instanzen geleistete Arbeit zu überblicken; ich denke besonders an die Organisation der amerikanischen Staaten, an den Europarat, an die Organisation für die Einheit Afrikas und die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die rechtliche Festlegung von internationalen Normen, die als Kontrollmechanismen gedacht sind, Erklärungen, Gespräche und Informationen sind ebenso viele konkrete Ausdrucksformen für diesen Dienst am Menschen alle diese Jahre hindurch. Der Hl. Stuhl kann sich über dieses ständige Bemühen, das sich von keinem Hindernis entmutigen ließ, nur freuen. Diese Beharrlichkeit ist zugleich der beste Garant für die Zukunft, wie es das Leitwort der Konferenz: „Halten wir die Flamme lebendig” so passend zeigt. Zu dieser geduldigen Arbeit, die ein Ergebnis des oft verborgenen Wirkens erfahrender Diplomaten ist, kommt der sorgfältige Einsatz der nicht regierungsamtlichen Organisationen hinzu, die durch ihr konkretes Angehen der Wirklichkeiten unablässig daran erinnert haben, daß jede rechtliche Festlegung nur in dem Maße etwas wert ist, wie sie die Lebensverhältnisse einer jeden Frau und eines jeden Mannes erreicht und verbessert. 5. Wenn wir aber um uns bücken, können wir leider nur mit Erschrecken feststellen, daß Ungerechtigkeiten, Zerstörungen und Tod weiterhin unsere heutige Welt bedrängen. Allzu viele Menschen erfreuen sich noch nicht der Gewissens- und der Ausdrucksfreiheit. Auch die Reügionsfreiheit ist weit davon entfernt, überall verwirklicht zu sein. Unterentwicklung, soziale Ungerechtigkeiten und Diktaturen aller Art hindern immer noch Millionen von Frauen und Männern daran, wirkliche Partner im Aufbau der Gesellschaft zu sein, in die sie eingefügt sind. Gar nicht weit von uns, in Bosnien-Herzegowina, kann man feststellen, daß sämtliche Menschenrechte systematisch und ständig verletzt werden. Nicht einmal ein elementares Recht wie das Leben auf dem Boden, wo man geboren ist, wird mehr geachtet. Welcher Grund könnte einen ebenso absurden wie grausamen Krieg wie den rechtfertigen, der diesen Teil Europas überzieht? Die Verhaltensweisen all derer, die politisch oder moraüsch für, diese brudermörderischen Kämpfe verantwortlich sind, werden von der Geschichte streng verurteilt werden. In den letzten Tagen haben weitere Gewaltanwendungen einen Teil Afrikas, nämlich Somalia, mit Blut befleckt, wo die durch viele Jahre der Unterdrückung erschöpfte Bevölkerung erneut Gefahr läuft, zum Opfer neuer Gewalttätigkeiten zu werden, die selbst die Glaubwürdigkeit derer, die ihr zu Hilfe kommen wollten, zunichte machen kann. Das alles zeigt leider, daß die Grundsätze der internationalen Gemeinschaft, die so 1621 ANHANG mühsam ausgearbeitet und in rechtsgültige Form gebracht wurden, noch weit davon entfernt sind, „gemeinsames Erbe der Menschheit” zu sein. 6. Doch wer sollte leugnen, sollte nicht wissen - ja, ich möchte sogar sagen -, nicht glauben, daß die Welt ohne Frieden, Gerechtigkeit und Entwicklung nicht überleben kann? Am Fundament dieser Forderung aber steht der Mensch als Subjekt von Rechten und Pflichten, jedesmal wenn Mißbrauch der Autorität, Korruption, Beherrschen der Schwachen, Weigerung, den Menschen das Recht der Teilnahme am politischen leben und an politischen Entscheidungen zuzugestehen, und bewußte Entscheidung für Gewalt und Terror überwiegen, ist der Friede in Gefahr. Jedesmal wenn das Leben, die physische Integrität, das Gewissen, das Denken, der religiöse Glaube und die persönliche Freiheit eines Jeden Bürgers mißachtet werden, ist der Mensch bedroht. 7. Deswegen ist es also angebracht, heute hier in Wien erneut die Wichtigkeit der bürgerlichen und politischen Rechte auszusprechen, die einerseits der Person die Ausübung ihrer individuellen Freiheiten gestatten und andererseits den Bürgern die aktive Beteiligung an den öffentlichen Angelegenheiten erleichtern. Wie sehr ist es ferner notwendig, daran zu erinnern, daß diese individuellen Freiheiten, wenn sie sich fruchtbarer auswirken sollen, von der Sicherung durch soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte begleitet sein müssen, die die integrale Entfaltung der Person und den Aufbau einer solidarischen Gesellschaft fördern. 8. Tatsächlich .findet im Gleichgewicht dieser beiden großen Rechtskategorien der Rechtsstaat seinen Ausdruck. Und es ist zweifellos angebracht, daß sich die gesamte internationale Gemeinschaft einmütig in diesem Punkt einig wird, denn es geht hier um grundlegende Prinzipien. - Es geht um die Unteilbarkeit der Menschenrechte, so daß sich niemand auf ein Recht berufen kann, um sich für die Verietzung eines anderen zu entschuldigen. Der Mensch ist Leib und Geist. Seine Rechte sind Rechte einer Person, die notwendig in eine Gemeinschaft eingefügt ist, weil der Mensch von Natur aus ein soziales Wesen ist. - Es geht um die Universalität der Grundrechte, die sich aus der Tatsache ergibt, daß die Menschen an der gleichen Natur Anteil haben. Es gibt also ein universales gemeinsames Gut, und deshalb gibt es eine universale Erklärung der Menschenrechte. Die regionalen Erfahrungen mit dem Schutz der Menschenrechte tragen zur Reifung des universalen Bewußtseins und zur Ausarbeitung von Normen bei, die das gemeinsame Erbe der Menschheit bereichern. 9. Aus der Konferenz von Wien darf sich nicht nur die Bekräftigung einer universalen Solidarität ergeben, sondern wir brauchen auch Verpflichtungen - mit Mechanismen von Kontrollorganen - im Dienst einer universalen Organisation 1622 ANHANG zur Förderung und zum Schutz der Grundrechte des Menschen. Das ist um so wichtiger, als sich vor uns neue Situationen auftun, die ein vertieftes Nachdenken erfordern. Denken wir zum Beispiel: -an das Recht auf Selbstbestimmung, das sich mit dem Ende der politisch-ideologischen Konflikte in Europa aus dem kolonialen Kontext, der es entstehen ließ, gelöst hat und zu einem neuen Aufkommen von Nationalismen führen könnte; - an das Recht der Minderheiten, das zweifellos morgen der Test für die Demokratie werden wird; - an das humanitäre Recht, das immer mehr als Ausdruck nicht nur des Grundsatzes des freien Zugangs zu den Geschädigten erscheint, sondern auch als Ausdruck eines konkreten Sinns für Solidarität. Es handelt sich hier um Probleme, die die Existenz - oft das Überleben - von Millionen von Frauen und Männern betreffen und deren Lösung daher nicht der Improvisation oder, was noch schlimmer wäre, der Willkür der Staaten überlassen werden darf. Dringend müssen genaue und zwingende Normen ausgearbeitet werden. Gestatten Sie mir, Herr Präsident, die Hoffnung auszusprechen, die derzeitige Entwicklung in der Praxis des internationalen Rechts, die oft Organisationen wie jener der Vereinten Nationen die Ausarbeitung und Überwachung von Rechten überträgt, welche bis dahin den Staaten Vorbehalten waren, möge weitergehen und damit eine überholte Form der Ausübung der nationalen Souveränität beseitigen, damit immer mehr die solidarische Verantwortung der internationalen Gemeinschaft sichtbar wird, da ja die grundlegenden Rechte und Freiheiten der Person des Menschen auf dem Spiele stehen! 10. Letztlich müßte diese Begegnung von Wien, Herr Präsident, für alle eine Gelegenheit bieten -, für die Verantwortlichen der Gesellschaft ebenso wie für die einfachen Bürger - die Bemühungen um die Förderung einer echten Erziehung zu den Menschenrechten zu verstärken. Denn wenn man mit Recht die Beanspruchung der Rechte betont, sollte man nicht die damit verbundenen Aufgaben und Verpflichtungen aus den Augen verlieren. Jeder ist verpflichtet, bei den anderen jene Rechte zu achten, die er für sich selbst beansprucht. Bei dieser Erziehungs- und Sensibilisierungsaufgabe haben die religiösen Familien gewiß eine erstrangige Rolle zu spielen. Die katholische Kirche setzt sich ihrerseits durch die Lehräußerungen von Papst Johannes Paul II. sowie des Episkopates dafür ein, die Gläubigen daran zu erinnern, daß sie „ohne Unterlaß daran arbeiten müssen, die Würde, die der Mensch von seinem Schöpfer empfängt, besser zur Geltung zu bringen. Sie müssen ihre Energien mit denen der anderen vereinen, um, diese Würde zu verteidigen und zu fördern "{Ansprache von Johannes Paul II. beim Symposium „Die' Kirche und die Menschenrechte” , 15. November 1988: O.R.dt., Nr. 50, vom 9.12.88, S. 8,4). 1623 ANHANG 11. Herr Präsident, abschließend möchte ich betonen, wie sehr der HL Stuhl wünscht, daß die Arbeiten und Ergebnisse dieser Weltkonferenz über die Menschenrechte für unsere Zeitgenossen zum Zeichen der Hoffnung werden. Angesichts der Spaltungskräfte und des Wiederaufkommens der Barbarei, die zuweilen unseren Planeten zu überschwemmen scheinen, bedeutet das Nachdenken über die Grundrechte des Menschen und ihre Abfassung in rechtsgültiger Form, daß man Gesten setzt und sich andere versagt. Es bedeutet, klar zu sagen, was menschlich und was unmenschlich ist. Gestatten Sie mir, hier die Worte von Papst Johannes Paul II. zu wiederholen: „Die Gesellschaft, die alle herbeiwünschen, kann nur auf eine internationale Ordnung gegründet sein, in der Recht und Freiheit für alle unteilbar sind” (Osterbotschaft 1991: O.R.dt., Nr. 15, S. 7,7). Humanitäre Hilfe entspricht einem moralischen Imperativ Internationale Konferenz über den Schutz der Kriegsopfer vom 30. August bis 1. September in Genf - Stellungnahme von Erzbischof Paul V. Tabet, Apostolischer Nuntius und Leiter der Delegation des Heiligen Stuhls, vom 30. August Herr Präsident! Ich möchte vor allem im Namen des Heiligen Stuhles dem Rat der Schweizer Föderation dafür danken, daß er die wichtige Initiative der Einberufung dieser Internationalen Konferenz über den Schutz der Kriegsopfer ergriffen hat. Die bewaffneten Konflikte, deren Zeugen wir sind und die so viele Opfer gefordert und vor allem der Zivilbevölkerung so viel Leid zugefügt haben, haben uns tief traurig gemacht und erschüttert. Wir stehen hier vor einem doppelten Paradox: Auf der einen Seite wütet der Krieg trotz aller Bemühungen auf Ebene der internationalen Institutionen, den Ausbruch den bewaffneten Konflikten zu verhindern, in unserer Welt weiter; auf der anderen Seite war das internationale Menschenrecht trotz seines bemerkenswerten Aufschwungs und der offensichtlichen Ergebnisse bisher nicht in der Lage, wirksam die bösen Folgen der bewaffneten Konflikte für die Menschen zu vermindern, die davor geschützt werden müßten. Daher legt es sich gebieterisch nahe,., daß die internationale Gemeinschaft erneut nach den Bedingungen für einen echten Schutz für alle Opfer von bewaffneten Konflikten im neuen Kontext der Welt von heute fragt. Doch noch bevor man den humanitären Schutzmaßnahmen redet, gilt es festzustellen: Wenn wir Zeugen eines Wiederauflebens der Verletzungen der Menschenrechte sind, dann kennen die in die mörderischen Kämpfe engagierten 1624 ANHANG Parteien den letzten Wert des Menschenlebens nicht mehr und stützen sich beim Ablauf der Feindseligkeiten ausschließlich lauf ihre bewaffnete Macht. Auch unsere Konferenz müßte sich daher als erstes Ziel die Bekräftigung der Würde einer jeden menschlichen Person setzen. Diese Würde hat nämlich die Ausarbeitung und praktische Anwendung der Menschenrechte geleitet, und sie muß diese daher mehr denn je weiter anregen. Der Heilige Stuhl ist ferner der Auffassung, daß ohne die Überzeugung, daß diese Würde eine transzendente Quelle hat, der Mensch im gegebenen Augenblick nur schwer darauf verzichten wird, jedes geeignete Kampfmittel, das ihm den Sieg garantiert, um jeden Preis auch einzusetzen. Freilich hat unsere Beteiligung an dieser Konferenz ebenfalls das Ziel, die Notwendigkeit und Dringlichkeit der praktischen Anwendung der internationalen Menschenrechte zu betonen, um wirksam den neuen Herausfordemngen zu entsprechen. Es geht oft um „nicht internationale” bewaffnete Konflikte, die in der Zeit, wo wir leben, am meisten den Frieden der Welt gestört und unschuldige Opfer gefordert haben. Brudermörderische Kämpfe, hinter denen Motive völkischer, religiöser und sprachlicher Diskriminierung stehen, sind ein Gebiet geworden, wo die Menschenrechte nicht nur verletzt, sondern sogar völlig vergessen werden. In einem solchen Zusammenhang ist der Schutz dieser Opfer nicht nur sein-schwer, sondern zuweilen selbst für die internationalen Organisationen und trotz der Mittel, über die sie verfügen, unmöglich geworden. Viele wenden sich heute an die internationale Gemeinschaft, damit sie dank der Strukturen, die sie sich gegeben hat, präsent wird und bei den immer grausameren Konfliktsituationen, wo die Würde des Menschen verneint und das Recht der Völker offenkundig verletzt wird, wirksam eingreift. Wir dürfen tatsächlich nicht übersehen, daß das internationale Menschenrecht, so wie es im „Recht von Genf’ niedergelegt ist, einen integralen Teil des Völkerrechtes bildet, ebenso wie jede im Namen des Menschenrechts unternommene Aktion ein Ergebnis dieses Rechtes ist. Daher gehören die Grundsätze, die dem Menschenrecht zugrunde liegen, zur intemationalen Rechtsordnung und fordern Achtung für alle, auch über die bloß konventionellen Verpflichtungen hinaus, die die Staaten freiwillig übernommen haben. Das gemeinsame Bewußtsein der Menschheit ist der Auffassung, daß diese Grundsätze nicht abgeschafft werden dürfen: Daher soll das Menschenrecht das Verhalten aller einzelnen Mitglieder der internationalen Gemeinschaft bestimmen. Das nicht berücksichtigen wollen oder sich seinen Verpflichtungen entziehen, läuft nicht nur auf eine Verletzung der konventionellen Normen hinaus, son- 1625 ANHANG dem vor allem auf eine Verletzung der Grundsätze, die die Grundlage der Existenz der Völker bilden. Gerade aufgrund einer solchen Sicht der Menschenrechte gewinnt das Eingreifen der internationalen Institutionen Gestalt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und die Föderation der Gesellschaften vom Roten Kreuz und des Croissant-Rouge bieten uns ein deutliches Beispiel nicht nur für die Wirksamkeit oder den Ausschluß von einseitigen Interessen, sondern ebenfalls daß sie es verstanden haben, sich rasch an neue Situationen anzupassen. Damit diese Institutionen ihren Auftrag erfüllen können, muß die internationale Gemeinschaft weiter alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihre Aufgabe zu erleichtern. Die Ereignisse der letzten Monate haben gezeigt, daß der „Eingriff der Menschheit” oder mit anderen Worten der Wille, „die Konflikte zu vermenschlichen”, auf jede Form von Hindernissen gestoßen ist, die Gefahr laufen kann, ihn zu verfälschen. Daher sind die internationale Gemeinschaft und ihre Institutionen aufgemfen, ihre Rolle in diesem neuen Zusammenhang gründlicher zu bedenken. Hier sind zumal die Bemühungen zur Ausarbeitung von spezifischen Normen und entsprechender Strukturen zu erwähnen, die die Verantwortlichen für Verbrechen gegen das internationale Menschenrecht vor Gericht stellen und bestrafen sollen. Ein Beispiel hegt uns bereits mit dem Plan eines „Codex für Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit” vor, dessen endgültige Ausarbeitung heute an die Auseinandersetzung über die Einrichtung einet internationalen Strafgerichtsbarkeit gebunden ist. Seine Existenz und sein wirksames Funktionieren könnten eine wichtige abschreckende Wirkung haben. Vergessen wir freilich nicht, daß das „Recht von Genf’ bereits eine Verpflichtung für die Staaten Vorsieht, in ihrer inneren Rechtsordnung Verfügungen des internationalen Menschenrechts vorzusehen, die es gestatten, jene, die sie verletzen, vor Gericht zu stellen. Der Schutz der Kriegsopfer erfordert, wie die auf dieser Konferenz besprochenen Themen zeigen, nicht nur ein Eingreifen materieller und technischer Ordnung, sondern auch den Einsatz von Menschen und Mitteln, die mit eventuell dringlichen Situationen fertig werden können. Die Erfahrung lehrt uns, daß das kollektive Eingreifen der internationalen Gemeinschaft, wenn es sich auf diese Aspekte Beschränken würde, Gefahr liefe, ungenügend zu bleiben oder sich auch als unfähig erweisen könnte, die Probleme zu lösen und die eigentlichen Ursachen von Verhaltensweisen, die Kriegsopfer hervorbringen, auszuschalten. Echt humanitäres Eingreifen darf nicht das Recht des Stärkeren bekräftigen. Ganz im Gegenteil, wie kürzlich Papst Johannes Paul II: dem Generalsekretär 1626 ANHANG der Vereinten Nationen, Dr. Boutros-Ghali, geschrieben hat: „Die Autorität des Rechtes und die moralische Macht der höchsten internationalen Instanzen bilden die Grundlagen, auf denen das Interventionsrecht zum Schutz von Volksgruppen ruht, die ein Opfer des mörderischen Wahnsinns von Kriegstreibern geworden sind” (Brief vom 1. März 1993). Ein solches Eingreifen muß den schönen Namen „humanitär” tragen, daß heißt ein Werkzeug der Hilfe, des Beistands und der Unterstützung der Opfer sein, aber zugleich ein besonderes Werkzeug der Vermittlung und des Dialogs, die eingeleitet werden müssen, um Konflikte zu verhindern oder sie rasch zu lösen, wenn sie einmal ausgebrochen sind. Gestatten Sie mir am Ende, Herr Präsident, den letzten Abschnitt der Erklärung des Heiligen Stuhles in Verbindung mit der Ratifikationsurkunde für die beiden Protokolle von 1977 in Erinnerung zu rufen: „Der Heilige Stuhl wünscht in dem Gedanken, damit die Sorgen und Hoffnungen der Völker zum Ausdruck zu bringen, daß der ermutigende in Genf mit der Kodifizierung des Menschenrechts bei bewaffneten Konflikten eröffhete Weg kein toter Buchstabe bleibt oder ein rein formelles Engagement, vielmehr in das Bewußtsein Eingang findet, in die Praxis überführt und weiter verfolgt wird, bis sein Endziel erreicht und alle Kriege abgeschafft sind, wie immer sie im einzelnen aussehen mögen.” Diese Ziele werden vor allem durch ein Erziehungsbemühen erreicht, das sich vom Grundsatz der Einheit der Menschheitsfamilie leiten läßt und damit alle Initiativen zur Ablehnung des Kriegs fördert. Ich bin überzeugt, daß diese Wünsche von allen bei dieser Konferenz anwesenden Delegationen geteilt werden und daß diese Einheit der Standpunkte in der angenommenen Schlußerklärung ihren Niederschlag finden wird. Gewiß handelt es sich hier um einen langen und schwierigen Weg, auf dem freilich trotz schmerzlicher Stillstände die Menschheit bereits voranschreitet. Möge diese Konferenz mit Gottes Hilfe ein entscheidender Abschnitt auf diesem Weg werden. Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Sarajevo, werde wieder, was du warst! Appell von Kardinal Roger Etchegaray zum Abschluß des internationalen Gebetstreffens für den Frieden in Sarajevo vom 3. Oktober Am Ende dieser Messe, die ich mit dem Erzbischof der Metropolitankirche von Sarajevo, unserem heben Vinko Puljic, konzelebriert habe, möchte ich einfach sein Diakon sein und euch in seinem Namen sagen: „Geht hin im Frieden des 1627 ANHANG Herrn!” Idite u miru. Wie schön ist es, den Frieden zu wünschen, vor allem euch, die ihr in Sarajevo lebt. So ermahnt uns heute der hl. Paulus in einem Brief an die Christen von Philippi, einer von hier nicht weit entfernten Stadt: „Sorgt euch um nichts ... Der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen ... bewahren!” (Phil 4,6). Wenn wir also in unseren Herzen den Frieden tragen, der alles Verstehen und alle Hoffnung übersteigt, wiederholen wir unwillkürlich das Gebet des hl. Franz von Assisi (dessen Fest wir morgen begehen): „Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens!” Das hat sich während dieser Tage in Sarajevo ereignet: Freitag in der Begova-Moschee, Samstag in der Synagoge, Sonntag in der orthodoxen und jetzt in der katholischen Kathedrale. Ich persönlich möchte nur der staunende Zeuge dessen sein, was ich bei den vier Gemeinden erlebte, die den gleichen Gott Abrahams anbeten. In dieser Stadt Sarajevo, die seit 18 Monaten verzweifelt durch die Wahnsinnstaten der einen Seite und isoliert ist infolge der Ohnmacht der anderen, nahm ich den Atem Gottes wahr, der wie am Anfang der Schöpfung die Glaubenden berührte und weckte und ihnen half, einander geschwisterlich die Hände zu reichen. Ja, dieser Atem ist kaum spürbar, werden doch die ersten zaghaften Worte des Friedens inmitten des immer noch dröhnenden Waffenlärms geflüstert. Ja, der Frieden ist kaum wahrnehmbar, denn es ist schwierig, die Logik des Übels zu sprengen und alle Menschen aus dem Teufelskreis des Mißtrauens, der Mißachtung, der Rachsucht und der Gewalt zu befreien. Aber alles ist möglich für den, der im Gebet auf Gott vertraut, sich in sein Licht stellt und den Plan Gottes annimmt, ohne den sich kein menschlicher Plan entfalten kann. Die wahren Freunde Gottes werden sicher immer eine Minderheit sein, doch sind gerade sie, wie Christus sagt, der Sauerteig in der Masse und das Salz der Erde; gerade sie müssen das Gewissen der Menschheit sein. Im Namen dieser zaudernden und richtungslosen Menschheit ruft Gott euch zu, euch, der Handvoll Glaubender - Juden, Christen, Muslime -, die ihr in diesen Tagen im Namen Gottes vereint sind: Habt Mut! Findet euch weiterhin um jeden Preis zusammen, lernt von neuem, zusammenzuleben und einander vorurteilslos zu begegnen, ganz so, als ob alles neu wäre. Habt Mut, trotz der von gottvergessenen Menschen geschändeten Kirchen und Kathedralen, und macht mit vereinten Kräften die Erde für Menschen bewohnbar, die alle in gleicher Weise vom gemeinsamen Vater geliebt werden. Sarajevo, es sei Ehrensache für dich, anstelle dieses Krieges, wo die Armen einander die Brosamen streitig machen, einen Frieden aufzubauen, der es. den Armen gestattet, sich vom gleichen Brot der Geschwisterlichkeit zu nähren. 1628 ANHANG Sarajevo, du bist mit Recht auf deine Vergangenheit stolz, die durch religiöse Toleranz und kulturellen Austausch gekennzeichnet war: Werde wieder das, was du zugunsten von ganz Bosnien warst. Sarajevo, da du mit Schrecken einen zweiten, leid vollen Winter herannahen siehst, bitte ich nun nochmals die internationale Gemeinschaft, sie möge ihre Anstrengungen der Solidarität und der Hilfe für dich und für die anderen leidgeprüften Städte sowie für das Herr der entwurzelten Flüchtlinge verdoppeln. Sarajevo, Sarajevo, Gott wird die Menschheit aufgrund dessen richten, was sich vor deinen Augen abspielt. Gestern abend haben wir Papst Johannes Paul II. für dich beten gehört: Die ganze Kirche betet mit ihm zur Jungfrau Maria, der Königin des Friedens. Mögen sich jetzt die Stimmen der Gerechten in aller Welt erheben, um von Gott dein Heil zu erflehen und dir das Heil zu bringen, das du von deinen Brüdern und Schwestern, von mir, von uns allen erwartest. Amen. Zu den rechten Zielen der UNICEF zurückkehren Rede des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen, Erzbischof Renato R. Martino, vor der UNO-Konferenz am 3. November Herr Präsident! Erlauben Sie mir, mich meinen Vorrednern anzuschließen und Ihnen wie auch den anderen Mitgliedern des Exekutivausschusses zu Ihrer Wahl zu gratulieren. Der Hl. Stuhl verpflichtet sich jedes Jahr, die Entwicklungsarbeit der Vereinten Nationen in begrenzter Form finanziell zu unterstützen. Diese Summen sind von symbolischer Bedeutung nicht nur für sein permanentes Engagement der Hilfeleistung und Entwicklungsförderung, sondern darüber hinaus sind sie Ausdruck jener Ermutigung und moralischen Unterstützung, die der Hl. Stuhl den verschiedenen Initiativen der Vereinten Nationen, seinen Organen und Sonderorganisationen entgegenbringt. Als Zeichen seiner Unterstützung entwicklungsfördemder Initiativen der Vereinten Nationen wird der Hl. Stuhl folgende symbolische Beiträge zur Verfügung stellen: $ 2.500 für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, wobei diese Summe speziell für Agrarentwicklungsinitiativen bestimmt ist; $ 3.000 für das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF); und $ 2.000 für die zum Dezennium der Vereinten Nationen gegründete Stiftung für Behinderte. Den meisten hier Anwesenden ist bekannt, daß dieser - offensichtlich symbolische - Beitrag Teil jenes umfangreichen internationalen Beitrags ist, den die 1629 ANHANG katholische Kirche in Form von Personen, Fachkenntnissen und Ressourcen (nicht nur beschränkt auf oder gemessen an finanzieller Unterstützung) täglich in aller Welt leistet, um die ganzheitliche menschliche Entwicklung der Benachteiligten und Notleidenden zu fördern. Durch die Erhöhung des symbolischen Beitrags für UNICEF von $ 2.000 auf $ 3.000, als eindeutige Unterstützung jener lobenswerten Initiativen, die diese Organisation seit langem im Dienst an Müttern und Kindern in aller Welt leistet, hat sich der Hl. Stuhl dieses Jahr erstmalig entschlossen, eine Zweckbestimmung für seinen symbolischen UNICEF-Beitrag für eines der folgenden speziellen Programme vorzunehmen („earmark”), und zwar die Emährungs-programme für Mutter und Kind während der Schwangerschaft, im Säuglingsalter und der frühen Kindheit; universale hnpfungsprogramme für Kinder; die Bekämpfung akuter Infektionen der Atemwege und diarrhöische Darmerkrankungen und die Förderung der natürlichen Säuglingsemährung durch die Mutter. Diese Entscheidung des Hl. Stuhls wird zweifellos Folgen für Katholiken und katholische Organisationen haben, die ihre UNICEF-Beiträge bestimmten und klar definierten Programmen, wie die obengenannten, zweckbestimmt zuwenden können, die weder der katholischen Morallehre noch dem ursprünglichen Mandat der UNICEF widersprechen. Seit Jahrzehnten haben der Hl. Stuhl und Katholiken in aller Welt, insbesondere Frauen und Kinder, an unzähligen UNICEF-Projekten erfolgreich teilgenommen. Mit großem Bedauern muß der Hl. Stuhl nun feststellen, daß sich in letzter Zeit, unter dem Druck einiger Geberländer, die ursprünglich positive Orientierung der Organisation für das Wohl von Müttern und Kindern und zur Förderung des Lebens auf zweifelhafte aber bezeichnende Art und Weise gewandelt hat. Trotz der in dem Dokument „Die Politik des Kinderhilfswerks im Bereich der Familienplanung” enthaltenen Erklärungen, nach dem UNICEF „nie Methoden zur Schwangerschaftsunterbrechung unterstützt hat und die Abtreibung auch weiterhin nicht als Mittel zur Familienplanung erachtet wird”, und daß UNICEF empfängnisverhütende Mittel nicht mit dem organisationseigenen Fond finanziert, kann der Hl. Stuhl weder der allgemeinen Orientierung des Dokuments, noch der Resolution (1993/11) über das gleiche Argument zu-stimmen, da beide mit der grundlegenden Morallehre der katholischen Kirche und den Überzeugungen eines großen Teils der Weltbevölkerung im Widerspruch stehen. Der Hl. Stuhl hofft, daß UNICEF seine Haltung ändern wird, um Katholiken zu erlauben, diese Organisation wieder in vollem Maße zu unterstützen. Herr Präsident, ich danke Ihnen. 1630 ANHANG Anmerkungen zur Rede des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen, Erzbischof Renato R. Martino, vor der UNO-Konferenz am 3. November Der Hl. Stuhl hat immer die Meinung vertreten, daß Kinder, nach den Worten von Papst Johannes Paul II. „ein großer Reichtum sind, der die Weisheit und Menschlichkeit jeder Generation herausfordert”. Nicht die Regierungen, die internationalen Organisationen oder die Erwachsenen geben dem Kind seinen Status, vielmehr sind die Rechte der Kinder auf ihrer menschlichen Natur begründet, denn das Kind ist der ursprüngliche Gegenstand aller Menschenrechte, da der Anspruch auf Leben das primäre aller Rechte ist. Ihrer jahrhundertelangen Tradition der Kinderfürsorge und Entwicklungsförderung entsprechend erlebte die Kirche in der heutigen Zeit die Entstehung und erfolgreiche Arbeit des „Päpstlichen Werkes der Heiligen Kindheit” wie auch unzähliger anderer katholischer Institutionen. Dieses ausgedehnte Netz nationaler und internationaler kirchlicher Werke, das Tausende von Schulen, Krankenhäusern, medizinischen Fürsorgestellen, Waisenhäusern und für Entwicklungsförderung, Flüchtlingshilfe und Unterstützungsaktionen zuständige Organisationen einschließt, sind eine ständige Erinnerung und konkrete Antwort auf das Gebot des Evangeliums, das zur Fürsorge und zum Schutz der Kinder aufruft. Diese katholischen Einrichtungen stellen für die Programme und Projekte der in jüngster Zeit gegründeten nationalen und internationalen Vertretungen und Organisationen wie UNICEF ihre volle Mitarbeit zur Verfügung. Ein praktisches Beispiel hierfür sind erfolgreiche Initiativen, wie die oft unter extrem schwierigen Bedingungen durchgeführten nationalen Impfungsprogramme für Kinder, die in enger Zusammenarbeit zwischen UNICEF und der katholischen Kirche realisiert wurden, 1990 war der Hl. Stuhl unter den ersten, die der Konvention über die Rechte des Kindes beitraten: damals ermutigte er alle Länder und Völker zur Unterzeichnung dieses Abkommens zur Gewährleistung von Rechtsschutz und wirksamer Unterstützung für das Wohl der Kinder in aller Welt. Im gleichen Jahr war der Hl. Stuhl ein aktiver Teilnehmer der Weltgipfelkonferenz für den Schutz der Kindheit und stimmte sowohl der in diesem Rahmen abgegebenen Erklärung und dem entsprechenden Aktionsplan zu. Beide Initiativen standen im Einklang mit der langen Tradition der katholischen Kirche, sich der Schwächeren anzunehmen, die weniger in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen, wie zahlreiche Mütter und Kinder in aller Welt. Dennoch brachte der Hl. Stuhl in beiden Fällen Vorbehalte ethischer Natur zum Ausdruck, auf die er offen gesagt immer schon hingewiesen hatte. Gegenwärtig beharrt der Hl. Stuhl auf seiner Einstellung im Hinblick auf einige Aspekte, die er bereits während der Tagungen des UNICEF-Exekutivausschus- 1631 ANHANG ses von 1992 und 1993 Mar zum Ausdruck gebracht und definiert hatte. Einer dieser Punkte bezieht sich auf die Rolle der UNICEF im Bereich der Familienplanung (E/1CEF/1993/L.5), die Methoden einschließen könnte, die für die katholische Kirche und einen großen Teil der Weltbevölkerung in moralischer Hinsicht unvertretbar sind. Der Hl. Stuhl vertritt den festen Standpunkt, daß dieses wachsende Engagement der UNICEF dem ursprünglichen Mandat der Organisation nicht mehr entspricht, eine Wiederholung anderer Programme der Vereinten Nationen ist und den Einsatz der begrenzten Mittel für wesentliche UNICEF-Programme verhindert - und all das während die Vereinten Nationen bestrebt sind, ihre Ausgaben zu kürzen. Es ist allgemein bekannt, daß der Hl. Stuhl Jahr für Jahr während der jährlichen Konferenzen zur Ankündigung der Beitragsleistungen seine Solidarität mit UNICEF in konkreter Form bewiesen hat. Daher fühlt sich der Hl. Stuhl mit großem Bedauern verpflichtet, obwohl er unermüdlich versucht hat, es bei den Sitzungen der UNICEF-Exekutivausschüsse zu vermeiden, seinen diesjährigen symbolischen Beitrag während der Konferenz zur Ankündigung der für EntwicMungsförderung vorgesehenen Beitragsleistungen, vom 2.-3. November 1993 im Sitz der Vereinten Nationen in New York, für einen bestimmten Zweck festzulegen. Der Hl. Stuhl hat somit beantragt, daß sein Beitrag für eines der folgenden speziellen Programme bestimmt wird: Emährungspro-gramme für Mutter und Kind während der Schwangerschaft, im Säuglings- und Kleinkindalter; weltweite Impfungsinitiativen für Kinder; die Bekämpfung akuter Infektionen der Atemwege, diarrhöischer Erkrankungen und die Förderung der natürlichen Ernährung durch die Mutter. Dieser Entschluß des Hl. Stuhls wird sich zweifellos auf jene Katholiken und katholische Organisationen auswirken, die nun den Zweck für ihre UNICEF-Beiträge zur ständigen Finanzierung, Unterstützung und Kooperation im Hinblick auf die obengenannten Programme bestimmen können, die mit dem Bereich der Familienplanung weder verbunden sind noch sein dürfen. Der Hl. Stuhl hofft, daß Katholiken auch weiterhin an UNICEF-Initiativen teilnehmen und zu ihrer Unterstützung beitragen können. Der Fortbestand dieser Form der Zusammenarbeit hängt von UNICEF ab. Gleiches gilt für die Gewährleistung, daß die Beiträge für jede von einzelnen Katholiken und katholischen Einrichtungen unterstützte gegenwärtige oder zukünftige Initiative den Sektoren der obengenannten Programme zugeführt werden. New York, 2.-3. November 1993 1632 ANHANG Unterstützung der Friedensbemühungen in Nahost Erklärung des Apostolischen Nuntius Erzbischof Renato R. Martino, Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen, vor dem politischen Sonderkomitee der UN-Vollversammlung über das Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten am 15. November Herr Vorsitzender! Da meine Delegation zum ersten Mal die Ehre hat, zu diesem Komitee zu sprechen, möchte ich Ihnen wärmstens zu Ihrer Wahl zum Vorsitzenden dieses einflußreichen Gremiums gratulieren und den Mitgliedern des Büros meine besten Wünsche aussprechen. Die politischen Ereignisse dieses Jahres im Nahen Osten ließen meiner Delegation den Zeitpunkt als passend erscheinen, an der heutigen Debatte teilzunehmen. Mit dem Briefwechsel über die Anerkennung der Grundsatzerklärung zwischen dem Staat Israel und der Palästinensischen Befreiungsbewegung und mit der Unterzeichnung in Washington ist ein neuer Zeitabschnitt für das Gebiet angebrochen, in dem das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) seinen Dienst versieht. Beim sonntäglich Segen am Mittag des 12. September 1993 sagte Papst Johannes Paul II, „Heute haben wir für unser inniges Gebet zum Herrn noch einen anderen, besonderen Anlaß. Er kommt aus dem Heiligen Land und dem Nahen Osten, von wo uns nach so langer Zeit und so vielen Leiden historische Zeichen des Friedenswillens erreichen. Wir danken dem Herrn, daß er das Herz mutiger Verantwortlicher dazu inspiriert hat, Mißtrauen, Ängste und schwere objektive Schwierigkeiten zu überwinden und endlich einen konkreten und konstruktiven Weg einzuschlagen zum Wohl ihrer Völker und ihrer Region”. Meine Delegation anerkennt diese ersten Schritte auf dem langen Weg, der dem Land, das von Juden, Christen und Muslimen heilig genannt wird, Frieden bringen wird. Wir stimmen der Erklärung von Ministerpräsident Rabin zu, der betonte: „...Wir sagen euch heute laut und deutlich: Es ist genug des Blutes und der Tränen. Genug!” Herr Vorsitzender, der Hl. Stuhl weiß sehr wohl um die Leiden und Schmerzen, die die Menschen dieses Landes erfahren haben, sowohl Israelis wie Palästinenser. Durch die Arbeit der Päpstlichen Mission für Palästina, die Papst Pius XII. 1949 gegründet hat, setzte die katholische Kirche sich dafür ein, Opfern des Konflikts Nahrung, Wohnung und Erziehung zukommen zu lassen und denen beizustehen, die medizinische Hilfe brauchten. Diese manchmal in Zusammenarbeit mit dem UNRWA durchgeführten Programme wurden weltweit von hochherzigen Spendern unterstützt, so z. B. von der Catholic Near East Welfare Association, von Misereor, Missio, den Kinderhilfen Betlehem, der 1633 ANHANG Caritas Intemationalis, von den Erzdiözesen Köln und Osaka, um nur einige zu nennen. In Zusammenarbeit mit Verantwortlichen der Ortskirchen wurde jede Anstrengung unternommen, die Leiden derer, die sich in Notlagen befanden zu lindem und Mittel für die Bildung einer angemessen Infrastruktur zu beschaffen, um die Familie und die Gemeinschaftsbeziehungen aufrechtzuerhalten. Alle Volksgruppen im Heiligen Land wurden in irgendeiner Weise von diesen durch die weltweite Gemeinschaft der Katholiken unterstützen Unternehmungen berührt.: . Weil die Vorgeschichte in der Region eine so. lange Dauer aufweist, erkennt meine Delegation an, daß die ersten Schritte des Friedensvertrages verstärkt werden müssen, damit sie für alle in der Region zum Frieden führen. Der Vorsitzende Arafat bemerkte bei der Unterzeichnung des Vertrages im September: „Wir werden mehr Mut brauchen, um den Weg des Aufbaus von Existenz und Frieden zwischen uns fortzusetzen.” Es gibt in der Tat noch viele schwierige Fragen zu lösen. Unter diesen ist sicherlich die Frage nach dem Status von Jerusalem. Wie Erzbischof Jean-Louis Tauran am 26. September 1992 bemerkte, ist „Jerusalem - besonders das Gebiet innerhalb der Mauern - ein Gut für die Menschheit, das in all seinen Dimensionen und charakteristischen Eigenwerten erhalten werden muß. um diesen Wert zu bewahren, bittet der Hl. Stuhl, daß der Stadt ein Sonderstatus mit internationalen Garantien gegeben werde... Eine suprationale und internationale juristische Person sollte mit entsprechenden Mittel ausgestattet werden, um die Erhaltung der besonderen Kennzeichen der Stadt mit ihren heiligen Stätten und den freien Zutritt zu ihnen und den religiösen und völkischen Gemeinschaften zu gewährleisten als Garantie ihrer wesentlichen Freiheit und ihres städtischen Gefüges”. Diese Aufgaben sind nicht leicht, aber mit allseitigem guten Willen können sie bewältigt werden. In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 1993 bemerkte Papst Johannes Paul II.: „Wenn wir von ,Frieden’ reden, soll damit viel mehr gesagt sein als nur die Abwesenheit von Kriegen; es heißt, Voraussetzungen zu fordern für die wahre Achtung der Würde und Rechte jedes Menschen, so daß ihm seine volle Verwirklichung ermöglicht wird” (Willst du den Frieden, komm den Armen entgegen, in: O.R. dt., 51, 1992, S. 7). Mit Anerkennung des Guten, das schon erreicht wurde, und im Hinblick auf das Gute, das noch getan werden muß, spricht der Hl. Stuhl denen seine Anerkennung aus, die für den Frieden im Heiligen Land arbeiten. Der Hl. Stuhl wird an Ort und Stelle seine Bemühungen fortsetzen, örtlichen Gemeinschaften durch die Kirchen zu helfen und:der menschlichen Not derer, die noch leiden, entgegenzukommen, damit Stabilität innerhalb der verschiedenen Gemein- 1634 ANHANG schäften und in ihrem Umfeld einen fruchtbaren Boden bilden, in dem die Saat des Friedens aufblühen kann. Gerechte Handelsregeln sollen alle Nationen an der Weltwirtschaft beteiligen Ansprache Delegationsleiter des Hl. Stuhls, Erzbischof Alois Wagner, auf der 27. Tagung der Generalkonferenz der Weltemährungsorganisation (FAO) in Rom am 15. November Herr Präsident, Herr Generaldirektor, Ständige Vertreter, meine Damen und Herren! l.Wenn ich nun das Wort ergreife vor dieser Expertenversammlung, deren Teilnehmer in ihren je eigenen Verantwortungsbereichen zur Arbeit der FAO beitragen, möchte ich zunächst dem neuen Vorsitzenden dieser Konferenz, Herrn Jacques Diouf, zu seiner Wahl gratulieren. Ferner möchte ich die Befriedigung der Delegation des Hl. Stuhls über all die Bemühungen der FAO zur Veranstaltung dieser wichtigen Tagung zum Ausdruck bringen. Ich nehme diese Gelegenheit wahr, um all denen meinen.Dank auszusprechen, die der Audienz beiwohnten, in der Papst Johannes Paul II., wie es nunmehr Brauch ist, die Teilnehmer dieser Konferenz empfing. : Die Worte des Papstes werden zweifellos ein wertvoller Beitrag für unsere Arbeit sein und uns helfen, die Ursachen der dringlichsten Probleme der Landwirtschaft und der ländlichen Welt zu erkennen, Probleme, mit denen sich diese Konferenz auf technischer Ebene befassen wird, um der FAO das Arbeitsprogramm für die kommenden zwei Jahre zu unterbreiten. Ganz besonders möchte ich Herrn Edouard Saouma grüßen, der diese Organisation viele Jahre lang mit großer fachlicher Kompetenz und tiefer Hingabe an die Ziele, die Arbeit und die „Sache” der FAO geleitet hat. Verschiedene Schwierigkeiten, denen sich die FAO in dieser Amtsperiode gegenübersah, sind überwunden worden, und die Organisation konnte mit neuer Energie wieder ihren Weg gehen. Ich danke Ihnen, Herr Saouma, und wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft. Dienst für das Wohl des Menschen Mit Freude gratuliert die Delegation des Hl. Stuhl Herrn Jacques Diouf, den diese Konferenz gewählt hat, die schwere Verantwortung für die Leitung der 1635 ANHANG größten Sonderorganisation der Vereinten Nationen zu tragen, und gleichzeitig ermuntert sie ihn für seine schwierige Aufgabe und bekräftigt ihre solidarische Haltung für die zukünftige Arbeit der Organisation. Wir alle wissen, daß sich die Unterstützung des Hl. Stuhls von der der Mitgliedstaaten unterscheidet. Dennoch ist sie nicht weniger ausdrücklich und wirksam. Die FAO war die erste internationale Organisation, zu der der Hl. Stuhl dauerhafte Beziehungen aufnahm, da er die humanitäre Natur ihrer Bestrebungen erkannte: den aufrichtigen Dienst für das Wohl des Menschen und seiner ganzheitlichen Entwicklung. Die Arbeit der FAO befaßt sich mit der praktischen Förderung der menschlichen Person, angefangen von der Ernährung, die einer der grundlegenden Aspekte der menschlichen Existenz ist, wie auch mit der Landwirtschaft, die zu den wichtigsten Bereichen der Wirtschaft zählt. Über diese einleitenden Gedanken hinaus möchte die Delegation des Hl. Stuhls ihren Standpunkt zu den Themen der Tagesordnung erläutern, um zum erfolgreichen Ausgang unserer Arbeit beizutragen. 2. Die Tagesordnungspunkte zeigen, daß der landwirtschaftliche Sektor im Brennpunkt jeder wirtschaftlichen Tätigkeit steht, auch in einer Welt, die durch die Erfahrungen der modernen Technologie in jeder Hinsicht mehr und mehr beeinflußt zu sein scheint. Darüber hinaus ist die Landwirtschaft der grundlegende Bezugspunkt nicht nur für alle Tätigkeiten, die die Entwicklung der Völker und der Nationen unterstützen, sondern auch für die weltumfassende Wirtschaftsförderung im allgemeinen. Durch die Überwachung dieses Sektors ist es in der Tat möglich, die gesamte Entwicklung der Wirtschaft zu verfolgen, nationale und weltweite Wirtschaftsprobleme zu erkennen und annehmbare Lösungen vorzuschlagen. Die genauen, aus Studien des Agrarsektors in aller Welt hervorgehenden Daten, die der FAO zur Verfügung stehen, unterstützen eine präzise Analyse, die der Ansicht widerspricht, landwirtschaftliche Probleme seien nur mit bestimmten geographischen Gebieten oder mit Entwicklungsländern verbunden. Wir müssen heute erkennen, daß die dominierende Rolle des Agrarsektors nicht das Zeichen eines rückständigen Wirtschaftssystem ist. Demzufolge sollte weder die Agrarpolitik der hochentwickelten Staaten noch die der Entwicklungsländer von dieser Meinung beeinflußt werden; ebenso sollte nicht ausschließlich dem Ertrag landwirtschaftliche Produkte Beachtung geschenkt werden, während ein direktes Eingreifen in ländlichen Gebieten zugunsten der dort lebenden Menschen versäumt wird. Wie aus der auf Angaben zur weltweiten Landwirtschaftslage basierenden Analyse - vor allem aus den von der FAO in dem Dokument „Agriculture To-ward 2010” veröffentlichten Richtlinien - hervorgeht, verlangt der Agrarsektor und die mit ihm verbundene Nahrungsmittelproduktion in der Tat ein Höchst- 1636 ANHANG maß an Aufmerksamkeit sowohl auf nationaler Ebene als auch in jenem Wirkungsbereich, in dem internationale Kooperation angebracht ist. Die Gründe für diese Aufmerksamkeit liegen auf zwei verschiedenen Ebenen: der wirtschaftlichen und der politischen. Aber dieser Gesichtspunkt kann uns nicht verleiten, den menschlichen Faktor außer acht zu lassen. Dieses Element findet sich in der Situation jener Völker und Gemeinschaften, die in einer ländlichen Umgebung leben und arbeiten und ihren täglichen Lebensunterhalt aus ihr bestreiten. Allzu häufig wird ihre Lage lediglich als die Folge wirtschaftlicher Entscheidungen bezeichnet und nicht, wie es sein sollte, als Ausgangspunkt jeder Politik und wirtschaftlichen Tätigkeit, die mit der Landwirtschaft verbunden ist. 3. Als besonders wichtig erachtet die Delegation des Hl. Stuhls das problematische Mißverhältnis zwischen der Weltagrarproduktion, global betrachtet, und dem rückläufigen Produktionsstand in den gefährdeten Gebieten, wo Unterentwicklung, Umweltzerstörung, Bevölkerungszuwachs und andere sozio-öko-nomische Faktoren dazu beitragen, daß Armut entsteht und weiterbesteht, und Voraussetzungen für eine neue Nahrungskrise schaffen. Wie sehr auch immer Naturkatastrophen und Unglücke schuld daran sein mögen, so haben wir doch alle den starken Verdacht, daß die entscheidende Schwierigkeit noch darin liegt, eine ausgewogene Lösung für die eng miteinander verbundenen Probleme wirtschaftlicher Art zu finden. Obwohl der globale Charakter der Wirtschaft weltweit bestätigt wird, so ist doch die agrarpolitische Orientierung einiger der größten landwirtschaftlichen Erzeuger überwiegend von internen Preissetzungsmechanismen abhängig. Solch eine national ausgerichtete Einstellung berücksichtigt weder eventuelle Auswirkungen auf „Armutsgebiete”, noch stellt sie die Frage nach der Koordinierung der Landwirtschaftspolitik mit den Anforderungen, die die Entwicklung der ärmsten Länder verlangt. Daher sollte es uns nicht überraschen, wenn das Endresultat eine weitere Verschlechterung der Nahrungsqualität und der landwirtschaftlichen Bedingungen in den Entwicklungsländern ist. In diesem Zusammenhang sind unbedingt zu erwähnen die einstimmigen Beschlüsse der FAO-Regionalkonferenzen und anderer FAO-Versammlungen über die zahlreichen negativen Auswirkungen der seit langem ins Stocken geratenen Gatt-Verhandlungen auf Erzeugung, Handel und Vertrieb - und somit auf die Sicherheit der Nahrungsmittel. Es scheint, daß vor allem die Landwirtschaft von einem positiven Ausgang der Uruguay-Gesprächsrunde, zu der die FAO in bezug auf primäre landwirtschaftliche Erzeugnisse ihren sachkundigen Beitrag geleistet hat, konkrete Ergebnisse erwartet. Es ist nicht die Aufgabe des Hl. Stuhls, technische Hinweise zu Wirtschaftstheorien und -Strategien zu geben, aber er ist überzeugt, daß die internationale 1637 ANHANG Wirtschaftspolitik nie von den besonderen Bestrebungen einzelner Staaten oder Staatengruppen bestimmt werden sollte. Da die Delegation des Hl. Stuhls die Dinge unter dem Gesichtspunkt der menschlichen Würde und Solidarität betrachtet, möchte sie die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger der größten Staaten darin bestärken, sich für die Suche nach echten Lösungen einzusetzen; ebenso ist es ihr Anhegen, jede bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit zu unterstützen die die tragbare Entwicklung des gesamten landwirtschaftlichen Sektors und gleichzeitig auch die Erhaltung der rechte der Bauernschaft ermöglichen könnte. Das Interesse für interne Probleme, so ernsthaft sie auch sein mögen, muß stets Hand in Hand gehen mit der Aufmerksamkeit für Forderungen nach einer gerechten Regelung des Welthandels und insbesondere für die Stimme der ärmsten Länder, die einen Platz in der Weltwirtschaft fordern, um die volle Entwicklung ihrer Landbevölkerung zu bewirken. Wir hoffen, daß die Lösung der Agrarfrage und alle Gatt-Abkommen entscheidend zur Steigerung der Landwirtschafts- und Nahrungsmittelversorgung beitragen werden, und wir glauben, daß die FAO, als das wichtigste internationale Studien- und Diskussionsforum, den Regierungen in diesen Angelegenheiten wesentliche Hilfestellung leisten kann, wie es in der Vergangenheit stets der Fall war. Herr Präsident! 4. Auf dieser Tagung der Konferenz sollten auch Angaben gesammelt werden, die, über die verschiedenen Maßnahmen der Nationen im Anschluß an die UNO-Konfereriz über Umwelt- und Entwicklungsfragen Aufschluß geben. Die Delegation des Hl. Stuhls hofft, daß dieser Erfahrungsaustausch nicht nur ein reines Informationsmittel bleiben, sondern vielmehr als Ausgangspunkt für die Tätigkeit der FAO auf dem Umweltsektor dienen wird. In der Tat wird die FAO in den Beschlüssen des Gipfeltreffens von Rio aufgefordert, sich für die Realisierung der wesentlichen Punkte von „Aktion 21” einzusetzen, wie es im Arbeits- und Haushaltsplan der kommenden zwei Jahre, insbesondere im mittelfristigen Programm für 1994-1999, vorgesehen ist, unter spezieller Berücksichtigung der Bodennutzung und des Fischerei- und Forstbestands. Der Einsatz der FAO betrifft den wichtigsten Bereich internationaler Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, der noch verwundbarer ist, weil er unmittelbar die Emäh-rungsprobleme der Weltbevölkerung beeinflußt, auch im Hinblick auf die Schätzungen für den Bevölkerungszuwachs der Zukunft. 1638 ANHANG Einsatz für den Schutz des Ökosystems Die FAO ist aufgerufen, ihre Erfahrung für die Erhaltung der Agrar-, Forst- und Fischereibestände einzusetzen. Tatsächlich ist, dank der FAO bereits vieles zum Schutz des Ökosystems getan worden. Eines der wichtigsten unter den noch verbleibenden Problemen ist die volle Durchführung jener Beschlüsse, die die von der FAO 1979 einberufene Weltkonferenz für Agrarreformen und ländliche Entwicklung gefaßt hat. Sie erklärte, daß nicht nur die Ausarbeitung einer Agrarpolitik, sondern auch eine Politik für die Entwicklung des ländlichen Raumes im weiteren Sinne notwendig sei, die sich mit technischen und wirtschaftlichen Fragen ebenso wie mit Problemen des Lebensstandards, des Naturschutzes und der Erhaltung der ländlichen Umgebung befaßt. 5. Schließlich möchte die Delegation des Hl. Stuhls diese Konferenz auffor-dem, darüber zu wachen, daß sich in der Arbeit der FAO der Entwicklungsprozeß nicht nur auf die technischen oder auf die ausschließlich mit der Produktion verbundenen Aspekte konzentriert, denn hier sind erzieherische Maßnahmen unerläßlich. Die Erziehung zur Entwicklung ist daher der wesentliche Punkt der speziellen Tätigkeit der FAO, was auch die dem Arbeits- und Haushaltsplan der kommenden zwei Jahre gewidmete Aufmerksamkeit bestätigt. Die Delegation des Hl. Stuhls hofft, daß die FAO, um die Ziele und Zwecke ihrer Arbeit und ihres Wirkens zu erreichen, die Rolle und die Einstellung der nichtstaatlichen Organisationen erkennen und fördern wird. In der Tat gehen die nichtstaatlichen Organisationen (NGO) in ihrer Arbeit von einem besonderen Standpunkt aus: Sie bringen die technischen Indikatoren mit den Kenntnissen der landwirtschaftlichen und ländlichen Gemeinschaften, ihrer Kultur, ihren Problemen und ihren menschlichen Anforderungen in Einklang. In dieser Hinsicht können der Hl. Stuhl und die katholische Kirche mittels ihrer im Sozial- und Entwicklungsbereich tätigen Einrichtungen in aller Welt der FAO ihre Unterstützung und Mitarbeit zusichem. Tatsächlich sind die Förderung der armen Landbevölkerung und die zentrale Rolle der Landwirtschaft wichtige Elemente der kirchlichen Soziallehre. Diese Prioritäten werden in Enzykliken wie Mater et magistra von Papst Johannes XXIII. und Populorum progresio von Paul VI. wie auch in Laborem exercens und Sollicitudo rei socialis von Papst Johannes Paul II. hervorgehoben; in all diesen Dokumenten wird besonders auf die Achtung der menschlichen Würde der Landbevölkerung und die Anerkennung der Rechte der Bauernschaft hingewiesen. Herr Präsident! Dies sind die Hoffnungen der Delegation des Hl. Stuhls für den Ausgang dieser Konferenz. Zusammen mit den ländlichen Gemeinden sehen wir erwartungsvoll einer neuen Tatkraft und internationalen Zusammenarbeit entgegen, die jenen Herausforderungen mit Respekt begegnen, die sich aus der landwirtschaftlichen Arbeit und dem Leben der Landbevölkerung ergeben. 1639 ANHANG Ihr sollt meine Zeugen sein Brief der delegierten Präsidenten der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika an alle Bischöfe von Afrika und Madagaskar vom 28. November Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! Wir sind vom Heiligen Vater, dem Präsidenten aller Synodenversammlungen, dazu ernannt worden, während der Versammlung der Synode für Afrika die Aufgaben der delegierten Präsidentschaft zu übernehmen, und halten uns den Wunsch vor Augen, den der Rat des Sekretariates für diese Synodenversammlung in seiner Tagung vom 23.-25. Juni 1993 ausgesprochen hat, es solle euch in Absprache mit dem Generalsekretariat der Bischofssynode ein Brief geschrieben werden. So möchten wir euch ermuntern, euren Einsatz für den Synodenprozeß weiterzuführen, um so, während wir uns auf die uns erwartende wichtige Aufgabe vorbereiten, euch einzuladen, auch eurerseits euch auf dieses historische Ereignis durch euer ständiges Gebet und euer unermüdliches Interesse vorzubereiten. Termine der Synode Wie ihr bereits wißt, hat der Papst am 9. Februar 1993 in der Kathedrale von Rubaga in Kampala/Uganda angekündigt, daß die Arbeitssitzung der Synode im Vatikan am Weißen Sonntag, dem 10. April 1994, beginnen wird. Ihr wird etwas später eine Phase der Feierlichkeiten folgen, während der er verschiedene Orte Afrikas besuchen will, um dem Volk die Ergebnisse der Synode mitzuteilen. Im übrigen hat das Generalsekretariat der Bischofssynode bereits die Entscheidung des Papstes mitteilen können, die Arbeitssitzung am 8. Mai 1994 abzuschließen. Gott Dank sagen An erster Stelle wird die Synode Gelegenheit bieten, den allmächtigen Vater zu feiern und ihm für das kostbare Geschenk des Glaubens an Jesus Christus zu danken, das Milhonen von Afrikanern zuteil geworden ist. Wir danken ihm für die Lebenskraft unserer Kirchen, von denen viele gerade erst die Jahrhundertfeier ihrer Evangelisierung begangen haben oder kurz davor stehen. Wir danken ihm, daß er uns so viele Berufungen zum Priestertum geschenkt hat, daß er so zahlreiche unserer Söhne und Töchter zum gottgeweihten Leben und zur Nachfolge Christi hingezogen hat und daß sich so viele gläubige Laien für Christus einsetzen. 1640 ANHANG Der Synodenprozeß bis heute Der Rat des Generalsekretariates für die Sonderversammlung für Afrika hat euch, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, über die verschiedenen Meilensteine unserer Synode informiert. Dennoch meinen wir, es wäre nicht überflüssig, einige davon kurz in Erinnerung zu rufen. 6. Dezember 1988: Der Papst trifft im Vatikan mit dem Präsidenten des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM), den neuen Präsidenten der regionalen Konferenzen, dem Präfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker und dem Generalsekretär der Bischofssynode zusammen. Es folgt die Entscheidung, eine Synode einzuberufen. Die Gruppe bildet zugleich eine Commissio antepraeparatoria. 6. Januar 1989: Bei seiner Ansprache zum Angelus kündigt der Papst die Sonderversammlung für Afrika an. 7. -9. Januar 1989: erste Versammlung der Commissio antepraeparatoria. Der Papst nimmt das empfohlene Thema an: „Die Kirche in Afrika und ihre Sendung zur Evangelisierung im Hinblick auf das Jahr 2000: Ihr sollt meine Zeugen sein” (Apg 1,8). 1.-3. März 1989: zweite Zusammenkunft der Commissio antepraeparatoria. Nach dieser Zusammenkunft ernennt der Papst über die Kommission hinaus sechs afrikanische Bischöfe und den Kardinal-Präsidenten des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog und setzt zugleich den Rat des Generalsekretariates der Bischofssynode für die Sonderversammlung über Afrika ein. 21.-23. Juni 1989: erste Versammlung des Rates, der in fünf Kommissionen arbeitet, je eine für die fünf Unterthemen, die umfangreich analysiert werden. 14.-16. Dezember: zweite Versammlung des Rates, der die von den fünf Kommissionen entworfenen Projekte prüft. Zwei Bischöfe werden mit der Vorbereitung des endgültigen Entwurfs der Lineamenta beauftragt. 25. Juli 1990: Der Generalsekretär der Bischofssynode legt in Lome bei der IX. Vollversammlung von SECAM die Lineamenta vor. Die Versammlung nimmt unter anderem ein Gebet für die Synode an, das bis zu ihrem Ende zu sprechen ist. 8. -10. September 1990: dritte Versammlung des Rates in Yamoussou-kro/Elfenbeinküste. Der Papst persönlich wünscht, daß diese Versammlung während seines Besuches in Afrika stattfindet. Die Versammlung schließt in Anwesenheit des Papstes. 1641 ANHANG 15.-18. Januar 1991: vierte Versammlung des Rates, bei der dem Papst vorzulegende Empfehlungen zu den Kriterien für die Beteiligung an der Versammlung diskutiert werden. 24.-27. März 1992: fünfte Versammlung des Rates, welche die Antworten auf die Lineamenta mit Hilfe von fünf afrikanischen Theologen prüft. Es wird ein erster Entwurf des Instrumentum laboris ausgearbeitet. 9.-12. Juni 1992: sechste Sitzung des Rates in Luanda/Angola. Zum zweitenmal versammelt sich der Rät auf afrikanischem Boden. Bei der Eröffnung führt der Papst den Vorsitz. Drei Bischöfe der drei Sprachgruppen Afrikas und zwei afrikanische Theologen werden mit der Vorbereitung der • Endfassung des In-: strumentum laboris beauftragt. Sie arbeiten daran während der letzten Septemberwoche in Rom. 9.-12. Februar 1993: siebte Versammlung des Rates in Kampala/Uganda, Bei dieser Tagung veröffentlicht der Päpst das Instrumentum laboris und gibt zugleich Zeiten und Orte der Synode bekannt. Die Tagung beendet die Diskussion der Kriterien für die Beteiligung von Delegierten und anderen und gibt Empfehlungen für die beiden Phasen der Synode. 23.-25. Juni 1993: achte Versammlung des Rates. Der Papst ernennt die Offiziale der Synode. Die verschiedenen Offiziale arbeiten bereits mit dem Generalsekretariat der Bischofssynöde zusammen, um sich auf ihre Aufgaben vorzubereiten. Die delegierten Präsidenten sind kaum zusammengetreten, da finden sich zum Beispiel bereits am 7. Oktober die Mitglieder der Kommission für die Information mit den verschiedenen Informationsdiensten des Vatikans zusammen. Der Berichterstatter, sein Helfer und die besonderen Sekretäre aber treffen sich am 13. Oktober. Wichtig ist auch der Hinweis, daß nach Ankündigung der Sondersynode für Afrika der Papst oft über die Synode zu verschiedenen Gruppen von Gläubigen bei seinen Pastoralbesuchen auf dem afrikanischen Kontinent gesprochen hat. Die Synode - ein gemeinsamer Weg des ganzen Volkes Gottes Wir danken allen Führungskräften des Volkes Gottes in Afrika und Madagaskar für ihre umfangreichen Antworten auf die Lineamenta. Nicht weniger als 32 Bischofskonferenzen von 34 (das sind 94 Prozent) haben ihre ausführlichen Antworten eingesandt, ein in der Geschichte der Bischofssynode noch nie erreichtes Ergebnis. Etliche von euch haben die Lineamenta und das Instrumentum laboris in ihren verschiedenen Ländern nachgedruckt und dem Volk Gottes Tausende von Exemplaren zur Verfügung gestellt. Einige von euch haben die Texte sogar übersetzt und in der einheimischen Sprache veröffentlicht, andere haben sie als Beilagen mit Hinweisen zur Diskussion und Reflexion veröffentlicht. Pfarr- und Diözesanblätter, katholische 1642 ANHANG Verlagshäuser und andere Medien der Kommunikation haben Neuigkeiten über die Synode heraus gebracht sowie Artikel und Diskussionen über die Themen angeboten. Durch diese und andere Mittel befindet sich das Volk Gottes in Afrika und Madagaskar bereits auf der Synode und geht gemeinsam im Nachdenken über den Glauben und seine Forderungen voran. Wir ermuntern euch, diese Bemühungen fortzusetzen. Wir vergessen auch nicht, Radio Vatikan, dem L’Osservatore Romano, der Agentur Fides, Omnis Terra und vielen weiteren kirchlichen Informationsmedien zu danken, die uns auf dem Weg der Synode mit viel Eifer und Sachkenntnis begleitet haben. Der letzte Abschnitt der Vorbereitung Am 25. Juni 1993 hat der Papst den Endabschnitt der Vorbereitung eröffiiet und die Offiziale der kommenden Sonderversammlung für Afrika ernannt (siehe die beigefügte Liste). Es ist das erste Mal seit der Einsetzung der Synode, daß diese Offiziale so früh ernannt wurden. Derzeit seid ihr mit der Auswahl eurer Delegierten und der Reflexion über die Themen der Synode beschäftigt, um zu sehen, welche Punkte des Instrumen-tum laboris oder weitere Themen ihr behandelt sehen möchtet und welche Prioritäten ihr aufstellen wollt. Es ist notwendig, daß die Teilnehmer an der Synode ihre Beiträge vorbereiten, um die Probleme, Bedürfnisse, Hoffnungen und Vorschläge ihrer Kirchen getreu wiederzugeben. Jeder wird leicht begreifen, daß die Beiträge der Teilnehmer größtenteils die Ergebnisse der Synode bestimmen. Das tägliche Gebet für den Erfolg der Synode bildet einen wichtigen Teil der Vorbereitung. Die Diskussion über die Lineamenta und das Instrumentum laboris muß auf den Missionsstationen, in den Pfarreien, auf diözesaner und nationaler Ebene weitergehen. Dabei müssen alle an Christus Glaubenden in; den Prozeß der Synode eingefugt werden, jeder nach der Gabe, die er vom Heiligen Geist empfangen hat. Wir bitten vor allem die führenden Persönlichkeiten, ohne die die Ortskirchen nur schwer ihren vollen Beitrag leisten können, zum Beispiel die Präsidenten der verschiedenen Bischofskonferenzen, die Diözes-anbischöfe und die Pfarrer, unsere afrikanischen Theologen und Fachleute, die Ordensoberen und die einflußreichen gläubigen Laien, ihr Bestes für den Erfolg der Synode zu tun. Dank an den Papst Die Kirche in Afrika und Madagaskar möchte dem Papst ihre Dankbarkeit dafür aussprechen, daß er ihr die Gelegenheit einer Synode geboten hat, um das, was bis heute in Afrika geleistet worden ist, wertzuschätzen, und was noch zu tun ist zu planen, damit das Evangelium noch mehr auf dem Kontinent verbreitet wird und sich im Schoß seines Volkes noch mehr verwurzelt. Wir sind besonders zufrieden damit, daß die Synode als solche die Gemeinschaft der ganzen katholischen Kirche anspricht und uns ihre Solidarität zusichert, wenn wir über die Evangelisierung Afrikas für das dritte Jahrtausend nachdenken. 1643 ANHANG Der Papst hat ständig sein persönliches Engagement für den Erfolg der Synode gezeigt; er hat jede Gelegenheit ergriffen, ihre Wichtigkeit zu betonen und die großen Hoffnungen herauszustellen, die er auf sie für das ständige Wachstum einer katholischen Kirche setzt, die zugleich afrikanisch ist. Er hat vor allem ein rückhaltloses Vertrauen in den afrikanischen Episkopat bewiesen, den er bei jedem Abschnitt des Synodenprozesses konsultiert hat, zumal die Mitglieder des Generalsekretariates der Bischofssynode für die Sonderversammlung für Afrika, mit denen er sich regelmäßig getroffen und deren Empfehlungen für ihre Organisation er immer sehr hochgeschätzt hat. Er hat auch der Bitte der afrikanischen Bischöfe nach einer umfangreicheren Beteiligung an der Versammlung entsprochen. Die Synode und die Gemeinschaft der Kirche Da die Synode ein Ereignis der universalen Kirche ist, betrifft auch die Sonderversammlung für Afrika die universale Kirche und nicht nur die Kirche in Afrika. Vom Papst, dem Hirten der universalen Kirche, einberufen und unter seinem Vorsitz ist die Synode ein Symbol und Ausdruck seiner Sorge und der des katholischen Episkopates in der ganzen Welt um das Wohl der ganzen Kirche. Aufgrund dieser kirchlichen Communio, die alle Einzelkirchen verbindet, senden wir ein Exemplar dieses Briefes an die Präsidenten aller Bischofskonferenzen in der ganzen Welt. In-diesem Zusammenhang möchten wir die Entscheidung für die Vatikanstadt als Ort für die Arbeitssitzung der Synode klären. Die verschiedenen Bedürfnisse der Synodenversammlung selbst und die Wichtigkeit der Wahl des Ortes ebenso wie die aktuelle sozio-politische Situation in zahlreichen Gegenden Afrikas wurden innerhalb des Rates umfassend geprüft. Alle vorgeschlagenen Orte wurden erwogen, und zuletzt hat der Papst noch sämtliche afrikanischen Kardinäle am 26. Januar 1993 zusammengerufen, um ihre Meinung zu den Terminen und Orten für die Versammlung zu erfahren. Nachdem erneut sämtliche Elemente des Gesprächs geprüft waren, entschied der Papst für zwei Phasen der Synode: die ArbeitsSitzung im Vatikan und die Phase der Feier, zu der er auch selbst in verschiedenen Gebieten Afrikas anwesend sein wird. Wir möchten die Worte des Briefes aufgreifen, die der Rat im vergangenen Februar an euch gerichtet hat. „Wir sind wirklich glücklich über diese Entscheidung des 1644 ANHANG Papstes. Die Arbeitssitzung wird in Rom stattfinden, also am Sitz des Petrus, der, wie der heilige Ignatius von Antiochien gesagt hat, ,den Vorsitz in der universalen Gemeinschaft der Liebe’ führt. Die ständige Anwesenheit des Papstes bei den Arbeiten der Tagung der Sonderversammlung, die wir lebhaft wünschen, wird erleichtert, wenn die Tagung in Rom stattfindet. Wir sind dem Papst zugleich recht dankbar, daß er uns seinen Wunsch mitgeteilt hat, persönlich für die Phase der Feier dieser Sonderversammlung nach Afrika zu kommen.” Unsere Hoffnungen für die Synode Viel ist bereits für die Evangelisierung Afrikas geschehen, zumal in den letzten 150 lahren. Die großen Möglichkeiten der Evangelisierung brauchen freilich Wertschätzung, Ermunterung und eine kluge Planung auf kontinentaler Ebene. Wir setzen dafür große Hoffnungen in die kommende Versammlung. Afrika ist ein Kontinent mit zahlreichen Problemen. Da es vor allem den Afrikanern zukommt, ihre eigenen Prioritäten festzulegen, hat der Papst von Zeit zu Zeit den Akzent auf die Tatsache gelegt, daß die weltweite Solidarität gegenüber Afrika und den übrigen in der Entwicklung befindlichen Kontinenten gerade in dieser Stunde nicht zurückgehen darf. Wir sind überzeugt, daß Afrika das Heil im Evangelium Jesu Christi entdecken wird, und wir hoffen daher, daß die kommende Synode für Millionen Menschen in Afrika ein großer Vorteil sein wird. Der Heilige Geist ist die Seele der Kirche und der Hauptagent der Evangelisierung. Am ersten Pfingstfest hat er wie ein gewaltiger Wind geweht und ist in Zungen von Feuer aufgeleuchtet. Möge er alle Vorgänge auf der Synode anregen und alle Personen leiten, die daran beteiligt sind, damit sie das Antlitz Afrikas erneuern. Möge die allerseligste Jungfrau Maria, die Mutter der Kirche und Königin Afrikas, Fürbitte für uns einlegen und während der Vorbereitung dieses kirchlichen Ereignisses und bei seinem Ablauf selbst bei uns sein. Paulus Kardinal Tzadua, Delegierter Präsident Christian Kardinal Tumi, Delegierter Präsident Francis Kardinal Arinze, Delegierter Präsident Jan P. Schotte CICM, Generalsekretär 1645 ANHANG ERNENNUNGEN 1. General-Berichterstatter: Kardinal Hyacinthe Thiandoum, Erzbischof von Dakar, Senegal. 2. Zusätzlicher General-Berichterstatter: Msgr. John Olorunfemi Onaiyekan, Bischof von Abuja, Nigeria. 3. Spezialsekretäre: Msgr. Jaime Gonsalves, Erzbischof von Beira, Mozambique; Msgr. Robert Sarah, Erzbischof von Conakry, Guinea. 4. Delegierte Präsidenten: Kardinal Frangis Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog; Kardinal Christian Wiyghan Tumi, Erzbischof von Douala, Kamerun, Präsident des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar; Kardinal Paulus Tzadua, Erzbischof von Addis Abeba, Äthiopien. 5. Kommission für die Information: Msgr. Wilfrid Fox Napier OFM, Erzbischof von Durban, Südafrika, Präsident; Msgr. Raphael Ndingi, Erzbischof von Nakuru, Kenya, Vizepräsident. 6. Kommission für die Botschaft: Msgr. Paul Verdzekov, Erzbischof von Ba-menda, Kamemn, Präsident; Msgr. Faustin Ngabu, Bischof von Goma, Zaire, Vizepräsident. 1646 Wortregister Abendmahl(s) - Abschiedsgebet beim 451 - Einsetzung des 1007 - letztes 57 f„ 141, 273, 822 f., 829 f. Abendmahlssaal 407, 418, 449, 461, 618 f. Aberglaube(n) 510 Abrüstung 1615 Abtreibung 473, 546,1079,1209, 1381, 1404, 1426, 1446, 1468, 1541, 1614, 1630 - Legalisierung der 1541 Achtung 274,714 - der Freiheit 696 f. - der Menschenrechte 333-336, 655, 696 f„ 713,715, 1613 - der menschlichen Person 529, 1093 f. - des Individuums 528, 1613 - des Lebens 20, 552-555, 1054, 1329 - gegenseitige 315, 652 f., 729 - gegenüber Kindern 705 - kirchl. A. der Religionen u. Kulturen 1479 f. - religiöser Überzeugungen (vor rel. Identität) 44 f., 256 - vor der Schöpfung 1184 - vor Gott 601 - vor jedem Menschen 45, 132 f., 236 f„ 309 f„ 313, 601, 696, 1212-1216 Adoption 745, 1542 Adoptivkinder - Gottes 225, 702, 704 Advent(s) 210 f., 1251 f. -Liturgie des 1251 Aggiomamento 599, 989 Agrarpolitik 1205, 1636, 1639 AIDS 279-287, 298 f„ 535, 1397 Alkohol 1382 - Mißbrauch von 514,1472 Allerheiligen 194, 1198-1200 - als Fest der Erlösung 1198 Alter 1152,1523 - als Zeit der Hoffnung und des Gebets 683-685 American Psychiatric Association 706-708 Amt(es/Ämter) - dreifaches 1099 - kirchliches 873 - priesterliches 79 Analphabeten 315, 1210 Anbetung - der heiligen Eucharistie 454 f. - des Kindes Jesu 708 f. - Gottes 619 f., 655, 1084 Anthropologie 1422, 1466 - christliche 737, 1434 Antisemitismus 1404, 1603 Antwort - auf den Ruf J. Chr. 790-794 Apartheid 1603 Apostel 5-10,46,52,537,616,630, 919 f„ 1141, 1370 - als Augenzeugen 62 - als demütige Diener 133 - als „Priester des Neuen Bundes” 449 f. - Auftrag Christi an die 36-39, 536, 644-648,1141 - Ausbildung der 1493 - Berufung der 120 - des Evangeliums 276 - die Zwölf 52 f., 122 - Einheit in der Gruppe der 141 - Paulus 14 f„ 66 f., 69 f„ 76, 90, 108 f„ 726 - Petrus 8, 16, 108 f., 990 - Sendung der 52, 646, 1370 - Vollmacht der A. und ihrer Nachfolger 16-19, 52 f„ 57 f„ 141 Apostelfürsten 17, 108 f. Apostelgeschichte 389 f. 1647 Apostelkollegium(s) - Haupt des 8 Apostolat 575, 650 - an der Jugend 1436 - biblisches 1607 f. - der Caritas 917 - der christlichen Familien 293 - der Jugend 538 -der Kirche 1481 - der Laien 168, 213, 598-600, 1307, 1338, 1380, 1390, 1432, 1442 - des Gebetes 1437 Apostolischer(n) Stuhl(s) 758 f. - Gehorsam gegenüber dem 1180 Apostolisches Schreiben - Ad pascendum (Papst Paul VI.) 179 - Christifideles laici 189, 191,196, 200, 209, 905, 985, 1238, 1333, 1356 f„ 1433, 1441 f., 1495 - Evangelii nuntiandi 1335 - Familiaris consortio 305,738-741, 950, 1297, 1306, 1346, 1381, 1397, 1469, 1527 - Hungarorum gens 1158 - Mulieris dignitatem 1235 f„ 1495 - Pastor bonus 736, 739 - Pastores dabo vobis 76, 85-88, 91, 96 f., 111, 116 f., 122 f„ 492-494, 507, 769, 825, 931-934, 1225, 1307, 1323, 1331, 1342, 1350 f., 1362, 1368, 1371, 1398, 1428, 1488, 1495, 1616-1620 - Patres Ecclesiae 1193 - Reconciliatio et Paenitentia 782, 1069 f. - Redemptoris custos 1196 - Sacrum Diaconatus Ordinem (Papst Paul VI.) 181, 185 f. - Salvifici doloris 750 Arbeit 427, 922, 1486 - der Universitäten 1177 - Evangelium der 424 - Kultur der 406, 426 - Patron der 349 - Recht auf 347 - und Mensch 424 f. - Versklavung durch die 50 f. - wissenschaftliche 381 f. - Würde der menschl. 1128 Arbeiter 467 - christlicher 1128 - für die Evangelisierung 535, 769 - in seinem Weinberg 604 Arbeitsemigration 922 Arbeitslose 1392, 1404 Arbeitslosigkeit 424, 466, 473, 483 f„ 672, 698, 1300-1304, 1327, 1382, 1454 Arbeitsprobleme 345-347 Arbeitswelt 404-407, 742, 1302 - Probleme der 424-427 Arme(n) 282 f., 463, 593, 973, 982 f„ 1154, 1327, 1485 - Ausbeutung der 696 - Dienerin der 370 - Gemeinschaft der 1568 - Gott der 1568 - Jesus Christus und die 463, 982 f. - Leid der 701 - Liebe zu den 525 - Option für die 129 - Reiche und 695-701 - Solidarität mit den 1485 Armut 3,269,409, 514, 523 f„ 697-701, 762, 1128, 1204, 1313, 1344, 1454, 1464, 1486 f. - als Bedrohung für den Frieden 695-701 - als Leitfaden der Spiritualität 126 - bei Kindern 1426 - evangelische 126-129, 253, 572, 700 f„ 982-984, 1418 - Geist der 126-129, 1112 - Kampf gegen die 1464 - Krieg und 713 - materielle und geistige 512, 716-718 - und Elend 695-697 Aschermittwoch(s) 26-28 - Liturgie des 759 - Predigt an 759-761 Askese 90 f., 1225 1648 Asylrecht 775 Atheismus 153 f„ 372, 590, 792, 1449 Atomismus - sozialer 1471 Attentat(en) - unschuldige Opfer von 136 Aufbau - der (christlichen) Gemeinschaft 56, 76, 156, 176, 586 - der Kirche 291 f. - der Nation in Rumänien 961-963 - der Zukunft 615 - des Friedens 3 f., 696, 750 - des Gemeinwohls 308 f., 514 - des Leibes Christi 139,156, 190 f., 281 - einer demokratischen Gesellschaft 374, 754 - einer menschlicheren (gerechteren) Gesellschaft 200, 286 f„ 292 f„ 303 f„ 309, 312 f„ 314, 320, 333, 388, 507-510, 586, 754, 775, 1304-1308, 1622 - einer neuen Welt 415^1139 - eines neuen Afrikas 314, 719 Auferstehung 550, 689, 759 - der Kirche in Albanien 361-370 - Jesu Christi 61-64, 290, 365, 749 f„ 835 f., 847, 1119 - Kreuz und 434 - Zeugen der 434 f. Aufgabe(n) - der Bischofskonferenzen 186, 739 f. - der Christen 308, 321 - der Diözesen 739 f. - der Eltern 396 f. - der Evangelisierung 413, 1190, 1355, 1374 f. - der Familie 218, 228 f„ 489, 691 f. -der Frau 1235-1239 - der Gläubigen 674 - der Hirten 263 f., 744 - der Jugendlichen 271, 1220 - der Katechese 413 - der Katecheten 332 - der Kirche 52, 134, 259, 264, 281, 391, 1146 - der Laien 167, 263, 1353, 1356 f. - der Moraltheologie 1102 - der Neuevangelisierung 669, 776, 792, 799, 1166, 1314 - der Ordensleute 446 - der Ortskirche (Pfarrgemeinde) 739 f. - der Priester 53, 66-70, 85-88, 128 f„ 168 f„ 278, 508, 1323 - der UNO 773 f. - des Diakons 175-177,179-181, 186 - des Heiligen Geistes 220 - des Hl. Stuhls 767 - des Lehramtes 37 f., 1109 - des Menschen 548 f. - des Papstes 39, 48, 264 - des Staates 1242 - karitative 181 - zu heilen 707 f. Aufrichtigkeit 673 Auftrag(s) - an die Priester 169 - an die Zukunft 536 - apostolischer 934 - Christi 36-39, 536, 644-648, 1098, 1141 - der Glaubensbezeugung 895 - der katholischen Exegeten 1593-1596 - der Kirche 536 - lehramtlicher 36-39 - vom Herrn 993 - zur Neuevangelisierung 907 Ausbeutung 312-316, 425 - der Armen 696 Ausbildung 315,422 - der Apostel 1493 - der Jugendlichen 285, 423, 632 -der Laien 599, 1341, 1356 f„ 1401, 1432, 1442 - der Lehrer 724 - der Schüler 723 Ausbildungszentrum - berufliches 421-423 1649 Auschwitz 821 - Karmelitinnen in 831 Auslandsschulden 698 Auswanderung 588,699 Auszug - aus Ägypten 829 Authentizität 661 Autonomie 1045 f. - christlicher Gemeinschaften 1243 - der Familie 1538 - der Vernunft 1046 - einer Nation 696 f. - moralische 1043 - politische 153 f, - Sloweniens 754 f. - wahre sittliche 1046 - wissenschaftl. Erkenntnisse 379 Autorität(en) - der heiligen Schriften 1588 - des Bischofs 150 f., 1180 - des päpstl. Lehramtes 42 Barmherzigkeit 116,814,925,974 - Gottes 761, 787 f„ 838 f., 847-851, 855,966 - Werke der 973 Bedrohung(en) - Armut als B. für den Frieden 695-701 - der Familie 229-231,785 - des Lebens 545 f. Befreiung - Bibel als Wort der 1568 - der Frau 1569 - der Kinder 1467 - der Mittel- u. Osteuropäischen Staaten 1133 - geistliche 919 - innere 603 - von der Sünde 1357 - wahre 443 Befreiungstheologie 1567-1569 Begegnung(en) - jüdisch-christliche 666 - mit Jesus Christus 364 f., 688, 886, 1218 - mit Gott 277, 602, 791 - Ort für 422 - zw. Kultur und Evangelium 631, 809, 1479 Behinderte(n) 296-299, 609 f„ 908 f. - in der Gesellschaft 908 - Solidarität mit 909 Beichtgeheimnis 813 Beichtvater(-väter) 788, 810-814 Bekehrung 449, 666 - Bemühen um 926 - des Apostels Paulus 14 f., 726 - geistliche 309 f. - Weg der 428 f., 966 Bekenntnis(-nisse) - der Sünden 812 - des Petrus 990 - Glaube wird 1086, 1099, 1407 Berufung(en) 139,206,405,670, 888, 1019, 1120, 1140, 1218, 1321-1325, 1346, 1494 - aller Gläubigen 573, 1003 - als Christen 195 f„ 390 f., 607, 955 - als Geschenk Gottes 74 f., 170-172, 492 - Annahme der 888-891 - aufgrund der Taufe 447,1192, 1200, 1396 - der (christlichen) Familie 170 f., 218,229-231,675 - der Apostel 120 - derDiakone 187 - der Eheleute u. Eltern 959 - der Jugendlichen 281 f., 446, 558 f. - der Kirche 108, 403, 937, 962, 1350 - der Laien 195 f„ 200 f., 207-210, 511,600, 650, 952 f., 1200 - der Ordensgemeinschaften(-leute) 251,277, 456 - der Priester 278, 281, 456, 494, 650, 816, 825-828,946, 1179, 1341 f. - des Bischofs 264 - des Blinden 802 - des Menschen (transzendentale B.) 272, 543, 597, 625, 955, 992, 1020 1650 - des Theologen in der Kirche 1100, 1208 - Förderung der 767 - Gabe der 1181 - Gebet um 171 f., 445 f. - geistliche 826, 1288 - Gnade der 1345 - jeder Frau 325 - Krise der 1227 -missionarische 650f., 1219, 1350, 1394 - ökumenische 620, 914 - Petri 27 - Rückgang von 765-768 - zum gottgeweihten Leben 170-172, 1127, 1140 - zum Ordensleben 747,1290,1365, 1371 - zum Priestertum 816,1195-1198, 1255 f„ 1290, 1298 f„ 1307, 1356, 1365,1371 - zum Zölibat 1351 - zur Heiligkeit 194 f„ 207-210, 573, 669, 793, 1165, 1425 Berufungspastoral 889, 1182, 1288, 1316 - Jugendpastoral als ausdrückl. 889 - Programm für die 767 Bevölkerung - afrikanische 719 - auf dem Balkan 562 - eingeborene B. Amerikas 521-526 - Genfer Bevölkerungskonferenz 1613-1615 -in Europa 1613 - Überb. 1614 - von Bosnien-Herzegowina 772 f. - Weltb. 1638 Bewegung(en) - für das Leben 1450 - geistliche B. (genannt: französische Schule) 768 - neue religiöse 1305,1371 - ökumenische 148 f., 514-516, 627, 728, 912-914, 1192, 1246, 1320 - pseudo-religiöse 1416 Bewußtsein - sittliches 1089 f. Beziehung(en) - der Exegese zu den anderen theol. Diziplinen 1596-1600 - diplomatische B. mit dem Hl. Stuhl 712 - internationale 997 - ökumenische 13, 505, 1286 - unter Christen 912-914 - zw. AT und NT 1583-1586 - zw. Bischöfen u. Priestern 150-153 - zw. dem Apost. Stuhl u. der slowak. Republik 959 - zw. dem Apost. Stuhl u. Rumänien 961-963 - zw. Kirche und Staat 574, 633, 636, 754 f. - zw. Maria u. Priester 109-113, 452 - zw. orientalisch kath. und orthodoxen Kirchen 99 - zw. Priestern u. Gläubigen 166-169 Bibel 1480 f„ 1597 - als Gute Nachricht vom Heil 1275, 1608 - als Wort der Befreiung 1568 - als Wort Gottes 1600 - Bibel-Lesegmppen 1606 - Botschaft der 870 - Einfluß der B. auf die Theologie 1545 - Gebrauch der 1605-1610 - Gott der 866 - Heilswirksamkeit der 870 - in der Ökumene 1609 f. - in der Seelsorge 1607-1609 - Inkulturation der ,1603-1605 - Interpretation der (Methoden, Zugänge siehe: Bibelauslegung) 862-871, 1542-1612 - Studium der 976, 1542 f. - und Kirche 975,1594 Bibelauslegung 1544 f. - auf die Tradition gegründete Zugänge bei der 1558-1563 - befreiungstheologische 1567-1569 - Beitrag der Hermeneutik bei der 1573-1581 - Beziehungen der B. zu den anderen theol. Diziplinen 1596-1600 1651 - charakteristische Dimensionen der katholischen 1581-1600 - der Kirchenväter 1588-1590 - feministische 1569-1571 - fundamentalistische 1571-1573 - historisch-kritische Methode der 1547-1552 - im Leben der Kirche 1600-1610 - innerhalb der biblischen Tradition 1582-1586 - innerhalb der Tradition der Kirche 1586-1593 - kirchliche 1542-1612 - Lehre und Unterricht der 1595 - neue Methoden der literarischen Analyse bei der 1552-1558 - Rolle der verschiedenen Glieder der Kirche bei der 1590-1593 - Zugänge über Humanwissenschaften 1563 Bildung 285,538,798 - christliche 512, 1004 - der Jugend 268 f. - der Katecheten 1306, 1330-1335 - der Laien 769, 1306 f„ 1310 f., 1356 f., 1380, 1441 - der Priester 931-934 - der Priesteramtskandidaten 769 - der Seminaristen 324, 389 - ganzheitliche 396 f. - geistliche 389, 798, 1356, 1376 - moralische 1438 - theologische 1356, 1376, 1509 - von Kultur und Gewissen 923-925 Bildungsstätte(n) - katholische B. in Kanada 1317-1321 Bill of Rights 528 Biotechnologie 1615 Bischof(s/Bischöfe) 52, 480 f., 541, 1291-1295, 1590 f. - als authentische Zeugen 1410 - als Diener (der Einheit, des Evangeliums) 325, 369, 1355 - als Glaubensboten 1406, 1410 - als Hirten des Volkes Gottes 710 - als Nachfolger (der Apostel, Jesu Christi) 367,966 - als Verkünder des Evangeliums 931 - andalusische 469 - Autorität der 150 f., 1180 - Berufung des 264 - der Vereinigten Staaten von Amerika 965-967 - Dienst (Hirtendienst) der 36 f., 262, 302-307, 367, 758, 1408 - Ernennung der ersten 17 f. -europäische 1166 f. - Evangelisierungsauftrag der 1296, 1365-1369 - Gemeinschaft der 325 f. - Identität des 1296 - Pflichtender 151 f., 1106 - ugandische 301 - und Priester 51-55, 85,140 f., 150-153, 1494 - und seine Mitarbeiter 789 - Verantwortung der B. (gegenüber dem Glauben) 740, 1104-1107 - von Benin 262-267 -vonRom 16f., 28-31, 37 - Zusammenarbeit der 264 f. Bischofsamt 710 - im Lichte des Zweiten Vat. Konzils 1291-1296 Bischofskollegium(s) 5,29-31,262 - Papst und 29-31, 37, 483 Bischofskonferenz(en) 767 - 4. Generalkonferenz der lateinamerikanischen 455 -Aufgaben der 186, 739 f. - des Indischen Ozeans (C.E.D.O.I.) 1309-1312 - Deutsche 758 f. - Europäische 1132-1135 - Kubanische 1167 f. - Schweizer 770 f. - Spanische 482, 498 Bischofssynode - Sonderversammlung der B. für Afrika 272, 279, 304, 321-329, 1640-1646 - von 1971 67, 75 f„ 78, 102, 110 - von 1990 765 Bischofsweihe 264, 302, 364-368 - in der Kathedrale von Scutari 71 f. 1652 - Predigt bei der 708-710 - Sakrament der 366 Böse(n) 283-287,401 - Einfluß des 253 f. - Gut und 239 f„ 283-287, 547, 576, 638, 759-761, 966, 1014 f., 1043, 1048 f. - vom B. befreien 702 Botschaft - an die (der) Jugend der Welt 440-444, 1116-1121, 1216-1221 - anläßlich des internationalen Gebetstreffens in Mailand 1138-1140 - Christi 38 f., 270 f„ 398 f. - christliche 159, 436, 783, 803 - der Bibel 870 - der Familie 954-956 - der Fastenzeit 759,761-763 - der hl. Margareta 432 - des Engels Gabriel an Maria 416 f.. 625 f„ 644 - des Evangeliums 264, 560, 601, 732, 899, 959, 1027, 1289, 1370 - des Friedens 954-956 - österliche B. über Jesus 61, 365, 835-839 - Weihnachtsbotschaft 703 f., 721, 1273 - zum Weltfriedenstag (Sammelband zum 25. Jahrestag) 253, 695-704, 716, 763 f„ 1277 - zur 500-Jahrfeier der Evangelisierung Amerikas 523 Brief(es) - an die Hebräer 116 f. - an die Familien 1528 - des hl. Paulus an Titus 813 - erster B. des Johannes 115 f. - erster B. des Petrus 390 Brot - des ewigen Lebens 963 Bruderliebe 680 Bruderschaft(en) - Rocio-B. 468 Brüderlichkeit 256, 639 f., 647, 715 f„ 1628 -derPriester 495,1178-1182 - geistliche 248, - Weg zur 619, 638 - zw. Bischöfen und Priestern 151 - zw. Priestern und Gläubigen 166 Buch - „B. der Synode” 987-992 Bürgerkrieg - im Sudan 330 Buhe - Päpstliche B.: Totus Tuus Poloniae populus 1378 f. Bund(es) 826, 1372 - Alter 646, 829 f. - der Liebe 1326 - Geheimnis des 830, 1372 - Gott des 829, 956, 964 - Gottes 345, 579, 1257 - Neuer 646, 829 f„ 1023, 1067, 1253 Bundesvolk 1023 Buße 32 f., 318, 402, 782 f., 791, 1403 - Sakrament der 77, 97 f., 443, 788, 810-814, 1292, 1314, 1422 f., 1438 Bußtaufe 245 Caritas 917, 962, 1392 CELAM 1170 Charisma(Charismen) 391, 487, 917, 1188, 1226 f. - der hl. Klara 252 - der Laien 167 f. - der Ordensleute 1224-1228 - der Priesteramtskandidaten 1425-1430 - der Unfehlbarkeit 41-44 - des einzelnen Priesters 76, 78 - des hl. Kajetan 1187 - des kontemplativen Lebens 799 - des Seminarerziehers 1497 - des Zölibats 1429 - priesterliches 932 - Vielfalt der 156,747 1653 Charta - für die Familienrechte (10. Jahrestag) 739, 905. 949, 1466 f., 1470, 1527, 1529, 1537-1542 Chemikalien - sind Risiken für Mensch u. Umwelt 1183 Chor 420 f. Christ(en) 195, 224, 1003, 1072, 1245 - als Zeugen 447, 607, 718 - Aufgabe der 241, 308, 321 - Berufung als 195 f., 390 f., 607, 955 - Beziehungen unter 912-914 - die ersten 12 f. - Einheit der 10-14, 124 f., 162, 219, 272 f., 288-290, 307, 515, 624, 646, 648, 722, 725-729, 912 f„ 969, 979, 1007 f„ 1192, 1334 f„ 1343, 1404, 1456 - Gebetstreffen der Juden, Chr. u. Muslime 235-254 - gegenseitige Achtung unter den 729 - Gemeinschaft der 423, 1243,1285 - Gewissensfreiheit der 1065 - im Irak 878 - in ganz Afrika 1369 - Muslime und 26, 268 f., 336, 338, 498, 733 f„ 1462 -Pflichtder 66,619 - sein 402, 441 - Sendung der 320 - Spaltungen unter den 530, 620, 645,1007 - und Juden 999 - Verantwortung der 552 - von Lettland 623 - von Uganda 281 - Wirken der Chr. in der Gesellschaft 1313 - Zusammenleben der 595 Christenheit - marianischer Mittelpunkt der 1121 Christentum(s) 143,497 f. - an der Elfenbeinküste 1302 - Entwicklung des 122 - in Afrika 23-26 - in Albanien 71 - in Uganda 288 - ist Religion des menschgewordenen Wortes 602 - Spaltungendes. 665 -und Europa 1133 Christenverfolgung(en) 39, 70, 372 Codex - der Menschenrechte 497 - der Rechtsvorschriften der Orientalischen Kirchen 735 -. des kanonischen Rechtes 735-737, 871-876, 1421 . Communio 865, 873, 979, 1207, 1364, 1499 ' - C.-Ekklesiologie 936, 979, 1499 f. -kirchliche 1312 f., 1644 - priesterliche 139-141 - Prinzip der 883 Credo(s) -Wahrheitendes 1411 Dank - für das vergangene Jahr 1277-1280 Definition(en) - einer Glaubenswahrheit 47 f. - „ex cathedra” 42 f., 46 f. Dekalog 1598 f., 1607 Demokratie(n) 585 f., 654, 858, 918, 1094, 1142-1145, 1394-1399, 1464 - Diskriminierung in 591 - in Afrika 256 f„ 263, 714, 719 - in Mozambique 1353 - junge 373 f. - sittliche Stärke einer 1137- - Wert der 636 Demut 677, 680 - des Geschöpfes 199 Denken(s) 592 f., 632 f. - Ethik des 592 - Freiheit des 641 Denkmodell - „humanitäres Eingreifen” 721 Diakon(s/en) 174-177 -Aufgaben des 175-177,179-181, 186 1654 - Berufung der 187 - Dienst des 175,179-181,184-187, 509 - Katechesen über den 174-177,179-181, 184-187 Diakonat(s) 174-177, 179-181, 184-187,1311 - Sakrament des 181,185 - Schriften des NT zum 174 - und Priestertum 175-177 Diakonatsweihe 179-181 Diakonie 412 Dialektik - zw. Freiheit und Natur 1051, 1055 Dialog(s) 149,272,313,335-337, 339, 363, 641-644, 773, 925-927, 960, 962,1174 f., 1308,1320,1328, 1394, 1479 f. - brüderlicher 728 f. - der Liebe 13, 628, 994 - der Verkündigung 223 - der Wahrheit 728 - evangelische Grundsätze des 525 - Fähigkeit des Seminarerziehers zum 1502 f. - für den Frieden 304 - Geist des 958 - innerhalb der KEK 844 - interkultureller 809, 1244 - internationaler 584, 588 - interreligiöser 265 f., 274 f., 327, 593 f„ 666, 834, 1192, 1244, 1366, 1476-1481, 1641 - jüdisch-christlicher 999, 1404 - mit buddhistischen u. hinduistischen Mönchen 666 - mit den traditionellen Religionen 1476-1481 - mit der Hl. Schrift 1586 - mit Medienfachleuten 778 - mit Nichtgläubigen 1334 - ökumenischer 11, 71, 162, 327, 666, 843, 846 f., 914, 1545, 1609 - theologischer 99, 124 f., 289, 992-994 - Weg des 714,962 - zw. den christlichen Kirchen 99, 729, 1129, 1286 - zw. den Glaubenden 636 - zw. Exegese, Psychologie u. Psychoanalyse 1566 - zw. Gott u. Menschheit 318,1060 - zw. Hl. Stuhl und Estland 1129-1131 - zw. Katholiken und Juden 819 - zw. Kirche und Jugend 1382 - zw. Kirche und Kultur 163, 354, 593, 630-632, 637, 643, 1449 - zw. Muslimen und Christen 392, 498, 733 f., 1264 - zw. tibetanischen u. kath. Mönchen 916 - zw. Wissenschaft und Glaube 377-382, 706-708 - zwischenmenschlicher 1503 Dienst 184 f. - am Evangelium 945, 1299,1345 - am Gemeinwohl 132-136, 170-172, 505 f„ 742 f„ 1445 - am Leben 903 - am Menschen 122 f., 132-136, 378, 643, 886, 902, 934, 1090 f„ 1146, 1344-1349, 1397 - am Nächsten 412, 852, 984 - am Wort Gottes 75-77,173, 1596 - an den Kindern 802 - an den Kranken 423, 750 f., 794 f., 902, 972-974 - an der Familie 738 - an der Gemeinschaft 875, 877 - an der Wahrheit 632 f. -demütiger 116,185 - der Bischöfe (Hirtendienst der) 36 f„ 262, 302-307, 367, 758,1408 - der Kirche 172 f., 1015 f., 1167, 1172, 1390 f. - der Laien 214,220-222 - der Moraltheologen 1102 - der Ordensleute 277, 282 - des Diakons 175, 179-181, 184-187,509 - des Priesters 54 f., 75-78, 117-119, 122 f., 132-136, 150 f., 155 f., 258, 260, 281, 331, 388 f., 494 f„ 787, 1342 - freiwilliger 688-690 - für den Frieden 734 f. 1655 - für Gott u. die Menschen 122 f., 132-136, 185 - im D. der Evangelisierung 154, 1190, 1365-1369 - in der Pfarrgemeinde 1384 - öffentlicher 732 - pädagogischer 724 - pastoraler 967 Dienstamt - des Akolythen 179-181 -des Lektors 179-181 Dienstbereitschaft 673, 686 Diktatur - in Albanien 71 f. Diözesanmission 670 Diözesansynode - römische 93,731,752,935-939, 978-980, 1278 Diözese(n) 156 - Aufgabe der 739 f. - Priesteraustausch unter den 766 f. - Schwierigkeiten in der D. Chur 770 f. Diplomatie 585-587 Diplomatisches Korps 312,496,712-722 - in Vilnius 584-589 Diskriminierung 312-316 - gesellschaftliche 731 - in Afrika 1331 - in Demokratien 591 Dokument(s/e) - Arbeitsdokument: „Internationales Jahr der Familie 1994: Kriterien und Orientierungen” 1526 - „Die Interpretation der Bibel in der Kirche” 869-871 - „Einige Richtlinien für die Ausbildung an den Priesterseminaren” 1307, 1371 - „Instrumentum laboris” (Arbeitspapier für die Sondersyn. in Afrika) 326-329 - „Pornographie u. Gewalt in den Kommunikationsmedien: eine pasto-rale Antwort” 949 - Postquam Apostoli (1980) 766 - von Puebla 522 Dozent(en) - als Lehrer der Wahrheit 1178 Dreifaltigkeit 310 f., 549 - Einheit der 408 - Geheimnis der Heiligsten 137, 307, 619, 954 f. - Lebensgemeinschaft mit der Heiligsten D. 1283-1286 - Vereinigung mit der göttlichen 442 Drogen 483 f„ 514, 672, 698 f„ 930 f„ 1300-1304, 1312, 1382, 1472 Egoismus 601, 1447 - kultureller 631 Ehe 285,431,554, 674, 737 f„ 904 f„ 958, 1223, 1306, 1310, 1338 f.,1372 - als (sakrale; naturgegebene) Institution 785, 958,1426, 1468 -christliche 231,286 - E.-konsens 737 - Einehe 1346 - gesetzl. und staatl. Schutz der 1467 - kirchl. Förderung der 1342 - Krise der 1381 - Sakrament der 77, 286, 305 f„ 1289, 1314, 1427 - unauflösliche 228, 1466 f. - und Familie 905, 1537 - Verzicht auf die 121 Ehebund 310 f„ 956 Eheleute 285,1222 - Berufung der 959 - christliche 209, 293 - Gewissen der 554 - Mission für die 673-676 - Neuevangelisierung der 905 - Spiritualität der 740 Ehelosigkeit - um des Himmelsreiches willen 122 f. Ehepaar(e) 310 - christliche 519 - moralisches Leben der 905 1656 Ehescheidung(en) 473, 675, 1358, 1381, 1426, 1473, 1542 Ehevorbereitung 1528 Ehrfurcht - vor Gott 44 f. Einheit 86, 272, 309, 514, 620, 627, 645, 846, 993, 1245 f„ 1375, 1386-1395 - als Quelle eines dauerhaften Friedens 960 - als Zeichen der Liebe Gottes zur Menschheit 648 - der Christen 10-14, 124 f., 162, 219, 272 f„ 288-290, 307, 515, 624, 646, 648, 722, 725-729, 912 f„ 969, 979, 1007 f„ 1192, 1334 f„ 1343, 1404, 1456 - der Dreifaltigkeit 408 - der Kirche 100, 264, 458-461, 617, 619 f„ 651, 758 f„ 789, 919 f„ 945, 989, 1008, 1035, 1285, 1300 f., 1306, 1320, 1367, 1378, 1403, 1480 f. - der Mensch- u. Gottheit 223, 865, 1417 - der Menschheitsfamilie 100, 1166 f., 1174 - der Teilkirchen 307 - der Welt 651 - des Abendmahlssaals 619 - des Geistes u. Handelns 1501 - des Glaubens 996 f., 1207-1209, 1349, 1433, 1481 - des heutigen Italiens 992 - des Volkes Gottes 148 f„ 968-970, 1609 -Europas 919 f., 961 - Gabe der 969 - Gebet um 10 f., 149, 162 f„ 165, 288, 307-312 - Geheimnis der 272 - im Leib Christi 88, 515, 727 - in Christus 140, 630 -in der Liebe 926,1349 - in der Wahrheit 13 f., 947 - in E. leben u. handeln 139 - ist ein Geschenk Gottes 12 - katholische 1439 f. - politische 1117 - Ruf zur 618 f. - Sehnsucht nach 919 f. - unter den Aposteln und Jüngern 141,513-516, 622 - von Glaube und Leben 386, 411-414, 441, 657-660 - von Körper und Geist (Leib und Seele) 706 f., 1053 f. - Weg zur 269-273 - Zeichen der 1285 - zw. Apost. Stuhl u. der Kirche in Deutschi. 758 f. Einrichtung(en) - soziale 466 Einsamkeit - der alten Menschen 731 Einsiedelei 666 f. Einwanderer 731, 1327 Ekklesiologie 914, 1207 - der Communio (Gemeinschaft) 936, 979, 1228, 1440, 1499 f. Elend - Armut und 695-697 - ist Bedrohung des Friedens 716 - moralisches 717 Eltern 285, 675, 1010, 1310, 1346, 1467, 1540 - alleinerziehende 1473 - Aufgabe der 396 f. - Berufung der 959 - christliche 281, 305 f. - Pflicht der 268 - Trennung der 1472 - Verantwortung der 554, 950, 1469-1473, 1613 Emanzipation - der Frau 1569 f. Embryo 1216 Emmigrant(en) 1392f. Empfängnis 1540 - eines Menschen 223 Empfängnisregelung 1528 Empfängnisverhütung 1209,1222 f., 1381, 1540-1542 1657 Engel 1275 Entchristlichung 1098, 1328 Entmenschlichung - des modernen Lebens 1407 Entscheidung(en) 1059 - des Glaubens 1066 f. - gegen Gott 1070 Entwicklung 1639 - Afrikas 342 - als moralische Pflicht 1465 - Benins 268 - der armen Länder 697-701,1463-1465 - der Gesellschaft 723 f. - der Kinder 397,1631 - des Christentums 122 - ganzheitliche E. des Menschen 1184,1463 - industrielle 762 - Litauens und Polens 596 Entwicklungsländer 506,1137, 1183 f., 1206, 1376, 1463, 1615, 1636 - Außen Verschuldung der 315 - mangelnde medizinische Betreuung in den 750 - moralische Verpflichtung gegenüber den 1184 - Umweltproblemein 1183 - Zukunft der 764 Entwicklungsmodell(e) - falsche 546 Entwicklungspolitik 1639 Enzyklika(en) - Ad catholici Sacerdotii (Papst Pius XI.) 1496 - Centesimus annus 406, 425 f., 634, 697, 740, 858, 918 f., 949, 953, 1136, 1142, 1337, 1377, 1396, 1447, 1469, 1471, 1482-1484, 1529, 1614 - Dives in misericordia 974 - Divino afflante Spiritu 862-868, 1543, 1545, 1551 - Dominum et vivificantem 1125 - Ecclesiam suam 990 - Fidei donum (Papst Pius XII.) 765 - Humanae vitae 554, 739, 1221-1224, 1310, 1427, 1451 f., 1528 - Laborem exercens 424 f., 922, 1391 f„ 1639 - Mater et magistra 350 f., 1639 - Pacem in terris 947, 997 f. - Populorum progressio 1463, 1639 - Providentissimus Deus 862-868, 1543, 1545 - Quadragesimo anno 633 f. - Redemptor Hominis 1196 - Redemptoris Mater 1122,1124, 1126, 1196 - Redemptoris missio 105, 262, 306, 323, 493, 972, 1000, 1189 f., 1196, 1383, 1390, 1455, 1479 - Rerum novarum 591, 633 f. - Slavorum apostoli 920, 927 f. - Sollicitudo rei socialis 701, 774, 1463, 1639 - Veritatis splendor 172 f., 178, 182 f„ 188, 193, 195, 198, 1014-1110, 1162, 1165, 1223, 1251, 1266, 1297, 1310, 1334, 1357, 1367, 1376 f„ 1445 f„ 1447, 1450 Epiphanie 708 f. - Geheimnis der 746 Erbarmen(s) 304, 947 - Gottes 15, 966, 1096 Erbe - apostolisches 366 -Christi 241,248 - christliches E. Norwegens 1155 - der Propheten 999 - des Glaubens 1279 - geistliches 392 - kulturelles 927 - menschlicher und religiöser Werte 159, 395 Erben - Gottes 225 Erde 606 Erfordemis(-nisse) - pastorale E. in Ungarn 939-941 Erkenntnis(-nisse) - wissenschaftliche 379 f. 1658 Erklärang(en) - Sancta Mater Ecclesia 1545 Erlöser(s) - Jesus Christus der 137, 311, 443, 702, 756, 837, 880, 1096 - Lob des 952 - Tod des 835 f. Erlösung 59,216,321,1198 - der Welt 197 - E.-opfer Christi 1199 - Geheimnis unserer 279 f., 756 - Gnade der 1375 - Mensch bedarf der 160 - von der Sünde 385 - Wirklichkeit der E. durch Christus 726, 756,1096 - Wunderder 226 Ernährung 1636 - der Weltbevölkerung 1638 - Emährungsprogramm 1630 Erneuerung 399 f., 402, 405, 553, 971 f. - Albaniens 363, 371 - apostolische 622 - der Familien 958 - der Gesellschaft 427, 490, 518, 606, 960, 1440, 1613-1615 - der Politik 406, 732 f. - der Welt 607 - des gesellschaftl. Lebens 354, 404 f„ 1092-1095, 1327 f. - des Glaubens 349 f., 769, 782 - des Lebens 836 - des Ordenslebens 1325, 1418 f. - des Pfarreilebens 1431 - ethische 1396 - der Kirche (in den USA) 107, 486, 622, 937, 994, 1165, 1415, 1417 f„ 1420, 1440, 1454 - geistliche 326 f., 1227 - moralische 309 f., 720 - Osterzeit als Zeit der 1340 - politische 714 - Weg der 669 Emeuerungsbewegung - Charismatische 1140 f. Erstes Vatikanisches Konzil 16, 29 f. - über die Unfehlbarkeit 42 f. Erwachsenenbildung 1403 Erzieher 492, 1168, 1488-1521 - heilige Erzieherinnen 797 f. -Märtyrer als 1163 - Professoren als 1506 f. - Verantwortung der 950 Erziehung 396 f., 949, 998, 1163, 1168, 1189, 1315, 1397, 1412, 1614 - atheistische 571 - christliche 705, 723-725, 802 - der Kinder u. Jugendlichen 490, 731 f., 958, 1169, 1189 - moralische 1396 - religiöse 510, 1315, 1402, 1437 - zum Dialog u. zur Gemeinschaft 925-927 - zum Glauben 692, 882 Erziehungswesen - katholisches E. in Kanada 1319 Esoterismus (Esoterik) 601 Ethik(en) 382,566 - christliche 554 f., 1077 f. - der Gentechnik 1212 - des Denkens 592 - des Lebens 1452 - in der Wirtschaft u. in der Politik 1484 - individualistische 1041 - teleologische 1074 f. Eucharistie 101 -103, 221 f., 460 f., 462, 493, 618, 780, 822 f., 900, 911, 963-965, 1031, 1231, 1316, 1424 f. - als höchster Ausdruck der Liebe 648 f. - als lebendige Gegenwart J. Chr. 964 - als Zeichen der Brüderlichkeit 456-458 - Anbetung der heiligen 454 f. - Einsetzung der 57 f., 449,461, 822 f. - enthält das gesamte Heilsgut der Kirche 80 f. - Geheimnis der 150, 273, 454-456, 459, 944 f„ 965, 963-965, 1006 - im christl. Leben 944 f., 965 1659 - im spirituellen Leben des Priesters 100-103, 118 - ist Quelle (der Einheit, Versöhnung) 87 f„ 118,273,308,943-945 - Opfercharakter der 1180,1322 - Rolle der E. in der priesterl. Gemeinschaft 141 f. - Rückkehr der 364-368 - Sakrament der 79-82, 102, 105, 272 f„ 464 - schafft Kirche 458, 1231 - und Evangelisierung 104-106, 454 f„ 462, 465, 491 - und Nächstenliebe 463 - und Priestertum 449-451, 827 - universaler u. missionarischer Sinn der 459 Eucharistiefeier(n) 78 f., 81, 102, 212, 221 f„ 302, 454, 459, 1180, 1292 f. - als Gelegenheit zur Katechese 1361 - einheimische Traditionen in afrikanischen 24 - für die Fokolar-Bewegung 956-959 - für verstorbene Päpste Paul VI. u. Johannes Paul I. 1147 f. - sonntägliche 456 Europa(s) 160, 485, 584, 637; 653, 716, 839-841, 960 f., 1133, 1240 - als versöhnte Gemeinschaft 1167 - Bevölkerung in 1613 - Binnenmarkt in 718 - Christentum und 148, 1133 - Einheit 919 f., 961 - erste Evangelisierung 1126 - Friede in 235-254, 653 - gemeinsames Haus E. 1234 - in Solidarität mit 959-961 - Kirche in 594, 596, 1134, 1360 - neues 652,1232 - Neuevangelisierung 839, 841-846, 1134 - Patrone 148 Europarat 589 Euthanasie 546. 1079, 1209, 1329, 1446, 1451, 1468, 1524 Evangelisation siehe: Evangelisierung Evangelisierung 5, 9, 69 f., 188, 256, 258, 263 f., 316 f„ 320, 326-329, 473-475, 518-520, 599, 670, 689 f., 724, 755 f„ 882 f„ 1000 f„ 1126, 1135, 1218, 1261, 1285, 1309, 1311, 1317-1321, 1334 f„ 1343-1345, 1356, 1366, 1370, 1371, 1379 f„ 1387-1389, 1397, 1409, 1419, 1428, 1432, 1480 - aller Völker 647 - als Grundlage für echte menschl. Entwicklung 1348 - Amerikas (Fünfhundert-Jahrfeier) 32 f„ 104 f„ 144, 146, 455, 462, 471, 476,490, 497, 505 f„ 513, 517, 521,776, 820, 1264 f„ 1320 f. - an der Elfenbeinküste 1300 - Apostel und Träger der 670 - Arbeiter der 535, 769 -Aufgabe der 413,1190,1355, 1374 f. - der Familie (in der; verläuft über die) 676, 738-741, 890, 955 f„ 959, 1371, 1381 - der Gesellschaft 732 - der Jugend 1253, 1382 - der Kultur 809, 907, 1968, 1371, 1390 f. - des Sudans 25 - Einsatz älterer Menschen zur 1523 - Eucharistie und 104-106, 454 f., 462, 465, 491 - Identität der 1338 -im Dienst der 154,1190,1365-1369 - im Kongo 1330 f. -in Afrika 1640-1646 - in Brasilien 942 f. - in Ghana 1305 - in Lateinamerika 719,1169-1171 -in Litauen 1337 f. - in Madagaskar 1341 - in Osteuropa 1266 -in Polen 1378 - Mitarbeit der Kinder (u. Jugendlichen) bei der 897-899, 1189 - Sendung zur 845, 896 f. - und Katechese 1285, 1288, 1443 - Verantwortung für 1320 - von Piemont 679 1660 -Werkzeug der 1170,1202 - Ziel der 262, 277 - zwei Ströme der 148,162 Evangelisierungsauftrag 66, 1338 - an die Apostel 46 - der Bischöfe 1296 - der Kirche 323, 465, 1299, 1307, 1393 - der Laien 474 - des Priesters 75-77 Evangelisierungspastoral 483 Evangelisierungswerk 927 - der Kirche 925 Evangelium(s/ien) 129, 185, 395, 473, 674, 690, 745, 755 f., 760, 955, 983, 1219, 1319, 1374 - Annahme des 368 - Apostel des 276 - Botschaft (Heilsb.) des 264, 560, 601, 732, 843, 899, 959, 1027, 1289,1370 - der Arbeit 424 - der Freiheit und Solidarität 1133 f., 1482-1487 - der Hoffnung u. der Liebe 844, 925, 958, 1187 - des Friedens 10 f. - des Lebens 910, 1188-1191 - Dienst am 945, 1299, 1345 - Einsatz für das 1295 - Forderung des 525, 700 - Frauen als lebendige Zeugen des 910 - Geist des 276 f. - Heilskraft des 1371 - Identität des 1338 - Inkulturation des 809, 887, 1306, 1345,1350 -Jesu Christi 718,1006 - Lebensregeln im 271 - Licht des 5 f„ 293, 304, 321 f. -Macht des 1347,1357 - Missionare des 687 - Moral des 1020, 1098 - Offenbarung des 64, 408 - Predigt des 1285 - Prinzipien des 132-136 - Prolog zum Johannes-E. 225 -Reichtum des 1338 - Sauerteig des 405, 413, 436 f., 447 - Treue zum 705, 747,1454 f. - über die Auferstehung 62 - über Sendung der Apostel u. Jünger (Lukasev.) 52 f. - und Kulturen 631, 809,1479 - Verbreitung des 389 f., 677, 953, 1332 - Verkündigung des 8, 37, 41, 64-70, 262, 274 f., 280, 304, 383 f„ 412 f., 518 f., 521 f„ 560, 644, 675, 778 f„ 858, 911, 962, 1194, 1287, 1294-1296, 1315, 1330-1335, 1343-1350, 1366 - von der Hochzeit zu Kana 472, 475 - Wahrheit des 13, 63, 68, 517 f., 525, 756, 850, 947, 1448 -Zeugendes 705,791,1156-1158 - Zeugnis für das 747,1332 Exegese - als Beitrag zur Ökumene 1609 - Auftrag der E. in der kath. Kirche 1547 - Beziehungen der E. zu den anderen theol. Diziplinen 1596-1600 - der Kirchenväter 1588-1590 - des AT 1563 f. - Gegner der wissenschaftlichen 1546 - Hermeneutik und 1575 f. - katholische 865, 868, 1543 f., 1581 f., 1597 - Komplexität der biblischen 1577, 1610 - Lehre und Unterricht der 1595 Exeget(en) - Auftrag der katholischen 1592-1596 Exerzitien - des Priesters 97 Existenz - menschliche 1118 Familie(n) 20, 121, 268, 281, 285, 305, 310 f„ 351, 355, 358, 431, 519, 554, 560, 638, 650, 681, 705, 738, 742 f„ 904-907, 922, 924, 938, 954 f„ 1010, 1157, 1230, 1250- 1661 1255, 1272, 1277, 1289,1296 f., 1302, 1306, 1310, 1345,1358, 1362 f„ 1377,1426,1466, 1524, 1526-1534, 1537-1542, 1614 - als Gemeinschaft 228, 231, 956, 1538 - als Hauskirche 305, 503, 600, 604, 607, 676, 739, 741, 905, 921, 1004, 1127, 1340-1344, 1538 - als Heiligtum des Lebens 739, 744, 784 f„ 1529 - als Kemzelle der Gesellschaft 215, 228 f., 741, 921, 958, 1468 f.,1537-1540 - als (naturgegebene; sakrale) Institution 785, 958, 1426, 1468 - Apostolat der christlichen 293 - Aufgabe der 218, 228 f„ 489, 691 f. - Autonomie der 1538 - Bedrohung für die 229-231, 785 - benediktinische F. von Camäldoli 666 f. - Berufung der (christlichen) 170 f., 218, 229-231, 675 - Botschaft der 954-956 - christliche 210, 226, 305,489, 502 f„ 520, 738, 887, 1004, 1363 - Dienst an der 738 -Eheund 905,1537 - eine F. Gottes 1139 - Erneuerung der 958 - Evangelisierung der (in der; verläuft über die) 257-261,676,738-741, 890, 905, 955 f„ 959, 1338 f„ 1371, 1381, 1527 - F.-gesetze 1473 - Heiligkeit der 905,1127 - Identität der 347 - im Krieg 956-959 - in Polen 1381 f. - Internationales Jahr der F. (1994) 215, 223, 228 f„ 738-741, 905, 948 f„ 955, 957 f„ 1230, 1254, 1268, 1271 f„ 1277, 1310, 1521-1534 - Katechese für die 1306 - katholische 1346,1381 - kirchl. Förderung der 1342,1345 - Krise der 215, 392, 473, 514, 1353 f., 1358, 1381 - Lebensbedingungen für die 345-347 - Mission in der 673-676, 905 - neue 957-959 - Pflichten der 1537 f. - Rechte der {siehe auch: Familienrechte) 1358, 1465-1474, 1469 f„ 1529 1537-1542 - Schutz der 305, 948-950, 1243 - Sorge um 906 f. - spanische 489 - und älterer Mensch 1524 - Urbild der 957 - Welttreffen der 1530-1534 - Werte der 268 f., 489, 1211, 1289, 1467, 1527 -Würdeder 717,848 - Zersetzung der 1471-1473 Familiengruppen - Erfahrungen der 740 Familienpastoral 305 f., 310, 502, 744, 785 f„ 904-907, 958, 1221 f„ 1289, 1296 f„ 1304-1312, 1333 f., 1378-1386, 1396 f„ 1427, 1526-1534 - Ausbildung der Mitarbeiter in der 784-786 - Diözesanstrukturen der 738-741 - in Madagaskar 1342 - Strukturen für eine sinnvolle 786 Familienplanung 1427 -UNICEF und 1629-1632 Familienpolitik 742 f., 904-907, 949, 1529, 1539 Familienrechte 948-950, 1381, 1469 f„ 1529 - Charta der 739, 905, 949, 1466 f., 1470,1527, 1529, 1537-1542 FAO siehe: Weltemährungsorganisation Fasten 235-254 Fastenzeit 26-28, 32 f., 782, 791 - als eine Zeit des Heils 760 f. - Botschaft zur 759, 761-763 1662 Feier - 600-Jahr-Feier zu Ehren des hl. Johannes Nepomuk 787-790 - der Sakramente 1193, 1420 f. - des heiligen Meßopfers 934 Fels - der Kirche 988 f., 995 - Petrus als 15, 540 f., 544 f., 987 Feminismus 1430, 1433 f. Ferien 114 f. Fernsehen 1145-1147 Fest - Allerheiligen 194, 1198-1200 - der Darstellung des Herrn 745-748 - der Heiligen Familie 210, 228 f. - der Heiligsten Dreifaltigkeit 99 - der Himmelfahrt J. Chr. 434-437 - der hll. Petrus und Paulus 993 f. - der Kreuzerhöhung 160 - der Slawenapostel Kyrill und Me-thod 927-930 - der Unbefleckten Empfängnis 216 f. - des hl. Josef 345-347, 349 f., 358 - Dreikönigsfest 708-710 - Emtedank 203 - Fronleichnam 963 - Geburtsfest der Gottesmutter 629 - Hochfest der Epiphanie 708 f. - liturgisches F. d. Kathedra Petri 27 Finsternis 59, 64 - der Unwissenheit 285 - des Bösen 283-287 - Werke der 294 Firmung 220 Fleiß 677 Flüchtling(e) 130, 236, 282 f„ 309 f„ 313, 340, 699 f„ 773-775, 1173, 1327, 1404 f„ 1615 - Aufnahme von 774 - aus Bosnien-Herzegowina 1005, 1475 - Hilfe für 764, 774 f„ 1475 - Leiden der 774 -Rechte der 1173 f. -Würde der 1173 f. Flüchtlingslager 1173 Förderung - der Berufungen 767 - der Qualität von Radio- u. TV-Pro-duktion 1145-1147 - des Ordenslebens 1376 - ganzheitliche F. der Menschen 575, 589,1169-1171 - kirchl. F. der Ehe u. Familie 1342, 1345 - Lateinamerikas 1170 Fokular-Bewegung 956-959 Forschung 592 f. - exegetische 1594 - medizinische 901 f. - wissenschaftliche 632, 1615 - zum Wohl der Kinder 901-903 Fortschritt 382, 387 f.923 - der Kirche 486 - der Weltgemeinschaft 695-701 - der Wissenschaft 1212 - des Menschengeschlechts 997 f. - im theologischen Dialog 992-994 - integraler F. Albaniens 363, 367 - menschlicher 638 - religiöser 7 f. - Weg zum 342, 714 Frage(n) - des Menschen 543, 591 f., 1106 f. - kulturelle 1092 - moralische 1019-1036 - nach dem Guten 1019-1036 - nach Sinnerfüllung 1019 Frau(en) 488, 504, 848, 1238 - als Exegetinnen 1592 - als lebendige Zeugen des Evangeliums 910 - am Grab Christi 70 - Aufgabe der 1235-1239 - Befreiung der 1569 - Berufung jeder 325 - Emanzipation der 1569 f. - Frau-Sein 1236, 1238, 1324 - Gewalt gegenüber 744 f., 1236 - in der sambischen Gesellschaft 1397 - Rechte der 1433 1663 - Rolle der F. in Gesellschaft u. Kirche 1127 f., 1235-1239, 1315, 1324, 1433, 1570 - Sendung der 785, 1236 - Solidarität für 744 f. - Stellung der F. (im NT) 1570 - ugandische 292 f. - Würde der 785, 848, 909-912, 1235-1239 Freiheit(en) 272, 275, 641-644, 686, 1025, 1065, 1067 f„ 1093, 1389 f„ 1446 - Achtung der 696 f. - Berufung zur 1028 - das Evangelium zu verkünden 754 f. - der Kirche 367, 1348 - des Denkens 641 - des Menschen 173 f., 634, 707, 1017, 1033, 1040, 1043, 1047, 1058, 1067, 1083, 1446 - Evangelium der 1482-1487 - Friede und 696 f. - Geheimnis der 15 - Grand-Freiheiten 754 - illusorische 687 - in Christus gefundene 561 - individuelle 1622 - Moral ohne 1041 - rechter Gebrauch der 551, 556 - religiöse 569, 919 - und göttliches Gesetz 1028, 1047, 1051, 1058, 1081 -und Natur 1051,1055 - und Solidarität 1134 - und Verantwortung 605 -undWahrheit 556,707,1017, 1042, 1045, 1061 f„ 1082-1085, 1093, 1095, 1134, 1137, 1223, 1446 - vollkommene 1085 -Wegder 371,374,583 - Wert der 642, 654 - wiedergewonnene 362 f., 366, 372 - wirtschaftliche 634 Fremder 1175 -alsNächster 1175 Freude 226, 441 - österliche 847 Frieden(s) 3-5, 133, 235-254, 310, 373, 392 f„ 410, 570, 572, 584, 586, 589, 614, 620, 695-701, 713-716, 783 f., 834, 960, 1130, 1274-1277, 1284, 1290, 1539, 1622 - als einer der höchsten Werte 695-701, 962 - Armut als Bedrohung für den 695-701 - Assisi die Stadt des 4 f., 11 - Aufbau des 3 f„ 696, 750 - Aufforderung zum 1191-1193 - Boten des 1274-1277 - Botschaft des 954-956 - Dialog für den 304 - Dienst für den 734 f. - Einheit als Quelle eines dauerhaften 960 - Elend als Bedrohung für den 716 - Evangelium des 10 f. - für Algerien 227 - für Bosnien-Herzegowina 249 - für den Balkan 941 f., 1151 f. -für Sarajevo 1627-1629 - für Togo 261 - Gebet für den 4-6, 88, 164, 174, 182,219, 269, 1150 - Gebetstreffen (-wache) für den 235-254, 715 f., 734, 744, 1138-1140, 1151 f., 1627-1629 - Gut des 703 - im Heiligen Land 1634 - im Mittleren Osten 1267 - im Sudan 333 f. - in Angola 27 f„ 100, 719 - in der Gesellschaft der Kirche 734 f. -in der Welt 941,945,1276 - in Europa 235-254, 653 - in Mozambique 1349 -inNahost 714,1633-1635 - ist das Werk der Gerechtigkeit 529, 764, 773 - ist ein Geschenk Gottes 4, 6, 235-254, 1139, 1150, 1152, 1276 - ist eine Aufgabe der Christen 241 - ist Gnade 1150 - Jesu Christi 5 f„ 239, 247, 612 f„ 653, 703 - Kultur des 303 1664 -Mut zürn 715, 772 f„ 1149 - Recht, Gerechtigkeit und 734-737 - religiöser 615 - und Freiheit 696 f. - Weg zum 161, 242, 268 f„ 714 -Zeichendes 722,1139 Frömmigkeit - des Mittelalters 464 - eucharistische 460 - marianische 460, 1498 Frohbotschaft 407 - Aufnahme der 277 - des Heils 1275 - Verkündigung der 8, 37, 41, 64-70, 262, 274 f„ 280, 304, 383 f„ 412 f„ 518 f., 521 f„ 560, 644, 675 - Wahrheit der 13, 63, 68, 517 f., 525, 756, 850, 947, 1448 Fürsorge - für ältere Menschen 1521-1525 Fundamentalismus 1571-1573 - sektiererischer 510 Gabe(n) - Austausch der 1262 f. - der Berufung 1181 - der Einheit 969 -derGnade 412,1033 - der heiligen drei Könige 708 f. - des (Hl.) Geistes 140, 508, 727, 1032 -Gottes 258 f„ 401, 1246 - Vielfalt von 208 Galilei Galileo - der Fall 378 Gastfreundschaft 309 f., 314, 371, 665-667, 672 - christliche 1327 - der Pfarrgemeinde 1174 f. Gebet(es) 32, 102 f„ 145 f., 212, 284, 451,671,791,937,967, 1436 f„ 1453 f„ 1498, 1605 f. - als Begegnung mit dem Herrn 277, 602 - als Kraftquelle 1189 - Alter als Zeit der Hoffnung und des 683-685 - am Grab der sei. Angela 504 - Angelus-Gebet 556, 1123 - Apostolat des 1437 - das hohepriesterliche 141 f., 269 f., 308 - der Kirche 995 f. - Familieng. 740 - für den Frieden 4-6, 88, 164, 174, 182, 219, 235-254, 269, 727, 744, 1150 - für die Versöhnung aller Christen 513 f. - G.s-leben 212 - gemeinsames G.( ist die Seele der ökum. Bewegung) 124 f., 306, 513 f„ 665 - Jahr des G. für die Familie 229-231 - Jesu Christi 95, 271, 451, 995 f. - persönliches 292, 937 - Rosenkranzg. 83 f. - Stundeng. 97, 1361, 1605 - um Berufungen 171 f., 445 f. - um Einheit 10 f., 149, 162 f., 165, 288,307-312 -Vaterunser 411 - zu Maria 1239-1241 Gebetstreffen - für den Frieden (in Assisi) 235-254, 715 f„ 734, 744, 1138-1140, 1151 f„ 1627-1629 - interreligiöses 1148-1151 - internationales G. in Mailand 1138-1140 - ökumenisches G. in Kingston (Jamaika) 513-516 - ökumenisches G. in Riga (Lettland) 618 Gebetswache 398 f. - für den Frieden 235-254 - Jesu Christi 238 Gebetswoche siehe: Weltgebetswoche Gebot(s/e) 559, 1022 f„ 1027, 1035 f„ 1056, 1092 - als Grundregeln jedes gesellschaftl. Lebens 1092 - der Ethik u. Dienstbereitschaft 467 - der Gottesliebe 1029 1665 - der Nächstenliebe 386, 628, .1024, 1026,1029,1033 - der Vollkommenheit 1033 ^ -des Bundes 1076 -dieZehn 545,1021-1024 - drittes 50 - einhalten 192, 195, 1023, 1028, 1032 f. - erstes 40 f. - Jesu 132 f. - sechstes 810-814 - sittliches 1034, 1068, 1082 f„ 1105 - Verletzung des göttlichen 384 - zweites 45 Geburt - des Herrn 883 Geburtenregelung 1222, 1541 f., 1613 Geburtenrückgang 674 Gefängnis 427-430 Gefangene 427-430 Gegensatz(-sätze) ; - Überwindung der 713 - zw. nördl. u. südl. Hemisphäre 380 f. Gegenwart - des Heiligen Geistes 1225,1434 - des Reiches Gottes 1347 - Gottes 484, 750 f., 761-763, 859 - Herausforderungen der 595, 608, 1440 - Jesu Christi 437, 454, 462, 607, 651, 750 f„ 964, 1034, 1218,1252 Geheimnis(-nisse) 380, 454 f., 852, 1346,1411 - Christi (u. seiner Kirche) 481, 1197, 1226, 1419 f., 1453 - der Dreifaltigkeit 137, 307, 619, 954 f. - der Einheit 272 - der Epiphanie 746 - der Erlösung 279 f., 756 - der Eucharistie 57 f., 101, 150, 273, 442, 454-456, 459, 944 f„ 963-965, 1006 - der Freiheit 15 - der Gemeinschaft (der Heiligen) 1122, 1355 - der Hl. Familie 1271 - der Kirche 1378 - der Menschwerdung J. Chr. 201 f., 625, 709, 863, 865-868, 871, 1123 f., 1254, 1259, 1358, 1389, 1407 - des (Neuen) Bundes 830, 1372 - des Glaubens 461 - des Heils 57-60, 605, 818, 883 - des Kreuzes 609, 611, 1231 - des Lebens 881,902 - des Menschen 475, 706 f. - des Todes und der Auferstehung J. Chr. 27 f., 58 f., 160, 297-299 - des Wortes 1176 f. -Gottes 598,957,1176 Gehorsam 1085 - der Priester 151 f. - des Glaubens 1407, 1439 - gegenüber dem Gesetz Gottes 1095-1098 : - gegenüber dem Papst 659,1180 - gegenüber der Wahrheit 1014 -Jesu 152 f„ 1030 Geist(es) 3, 157, 184 f„ 502, 550, 579 f„ 638, 983, 1108 -der Armut 126-129,1112 - der Versöhnung 1284 - der Wahrheit 398 f„ 538, 1016, 1100 - der Weisheit 434 - der Zusammenarbeit 1500 - des Dialogs 958 - des Evangeliums 276 f. - des Zweiten Vat. Konzils 834 - Einheit des G. u. Handelns 1501 -Frucht des 11-14,727 - Gabe des 140, 508, 727, 1032 -Gottes 93,541,664 -Jesu Christi 1032,1119 - missionarischer 676 - ökumenischer 515,618 - Tröster-geist 5l6 -von Assisi 1139 - Werkzeuge des 597 Gemeinde - christl. G. und Eucharistie 944 1666 - polnische 594-598 - priesterlose 180 - vietnamesische G. in den USA 563 Gemeindeseelsorge - Aufgaben des Diakons in der 179-181 Gemeinschaft(en) 206, 352-355, 419, 665,692, 925-927, 1191, 1314, 1327, 1499 - als Quelle aller pastoraler Tätigkeit 1355-1359 - Aufbau der (christlichen) 76,156, 586 - der Armen 1568 - der Bischöfe 325 f. - der Christen 423, 1243, 1285 - der Heiligen 796-799 - der Katholiken 510,1409 - der Kinder Gottes 1157 - der Kirche 540 f. - der Nationen in Europa 1232-1235 - des Diözesanklerus 495 - Dienst an der 875, 877 - Ekklesiologie der 1228, 1440 - eucharistische 462 - Familie als 228, 231, 956, 1538 - Franziskanische 662-667 - Geheimnis der 1122, 1355 - hierarchische 150-153 - im Glauben 594, 964, 980-982, 1175,1207,1295 - internationale 340 f., 374 f., 497, 499, 528 f., 639 f.,-700, 713, 715, 772-775,998,1136,1149 - Kirche als 85, 166, 325-329, 487, 692, 766 f.,’770 f., 775 f., 1035, 1201, 1387, 1431, 1439 f., 1442 - mit dem Nächsten 788, 982 - muslimische 249 f., 267-269 - priesterliche 138-142, 155-158, 166, 1181 - Sant'Egidio 733, 833 f. -Sinnfür 718,723-725 - Theologie der 1441 - universale 753 - weibliche monastische 206 - wissenschaftliche 377 f., 381 - Zeugnis der 64 f., 412 - zw. kath. u. orthodoxer Kirche 920 Gemeinwohl 259, 263, 276 f„ 316, 336, 355, 395, 466, 490, 518, 524, 638 f„ 732, 1145, 1613 - Aufbau des 308 f., 514 -Dienst am 132-136,170-172, 505 f„ 742 ff, 1445 - Mitverantwortung für das 336, 512, 527 f. - Sorge um das 425, 754, 1137, 1308 Generation(en) - der jungen Menschen 401 f., 716 - Solidarität unter den 1539 Gentechnik 1212 Gerechtigkeit 133, 240 f., 246, 250 f„ 286, 310, 313, 333-336, 410, 462, 525, 584, 681, 685, 713, 774, 1212, 1293, 1462, 1622 - Friede ist das Werk der 529, 764, 773 - Gottes 760 f., 1446 - Option für die 320 f. - Recht, G. und Friede 734-737 - soziale 132 f., 250,1391 - Zeichen der 244 f. Gerichtshof - der Rota Romana 734-737 Gesamtkirche 87, 264 f., 326 f. - Hirt der 28-31,46 Gesang - sakraler 1275 f. Geschichte 590, 1150 - als Heilsgeschichte 1336 - der Kirche 643 - der Menschheit 598, 648, 1118 - der Synode für Afrika 1641-1646 - Europas und der Welt 637, 653 - Israels 1023 - und Kultur 642 Geschöpf(e) 199, 1002 Gesellschaft(en) 209 f., 240, 326, 401,422,560,634,875,1326, 1613-1615 - afrikanische 271, 719 - amerikanische 1137 - atomisierte 1471 1667 - Aufbau einer menschlicheren (gerechteren) 200, 286 f., 292 f., 303 f., 309, 312, 314, 320, 333, 388, 507-510, 586, 754, 775, 1304-1308, 1622 - Behinderte in der 908 - bürgerliche 638 f. - christliche Werte in einer 487, 490, 600, 635, 918 f„ 1313 - demokratische 72, 374, 613 f., 754 - der hl. Teresa von Jesus 488 - Entwicklung der 723 f. - Erneuerung der- 427, 490, 518, 606, 960, 1440, 1613-1615 - Evangelisierung der 732 - Familie als Kemzelle der 215, 228 f„ 741, 921, 958, 1468 f„ 1537-1540 - Fortschritt der 209 f. - Grundlagen einer gerechten 1326-1330 - heutige 662 f., 673, 976 f„ 1130 - italienische 1142 -Kirche und 419, 636, 717 f. - Mensch und 631 - Moral der 966 - multikulturelle 1358, 1615 -norwegische 1154 f. - orientierungslose 487, 490, 717 - solidarischere 3, 342, 425, 696, 700 - spanische 483 - Verantwortung der 697 - Wiedereingliederung in die 427-430 -Zukunft der 519,707 - Zusammenleben der menschl. 717 Gesetz(es/e) 592 - authentische Interpretation des 1035 - das Neue 1033, 1050 - ewiges 107L - Familieng. 1473 - Freiheit und göttliches 1028,1047, 1051, 1058, 1081 - Gottes 651, 1029, 1043, 1048-1050, 1058, 1071, 1083, 1095-1098 - Jesus ist lebendige Erfüllung des 1026 - kanonisches 735-737 - mosaisches 6-10, 1026, 1031 - natürliches 1023 - und Gnade 1032 Gesetzgebung - kirchliche G. hinsichtl. des Priesterzölibats 121 Gesundheit 903 - geistige 706 - Pflege der 1613 Gesundheitsdienst 421-423 Gesundheitspolitik 903 Gesundheitswesen 299, 421-423 Getaufte(n) 705 - Berufung der 447, 1192, 1200, 1396 - haben am dreifachen Amt Christi teil 990 Gewalt 3, 483 f„ 578, 674, 745, 1353 - des Papstes 29-31 - Gleichgültigkeit gegenüber G. ist Schuld 712-722 - in den Großstädten 555 - in den Medien 948-950 - ist Leugnung der Menschenwürde 555 - Logik der 587 - sinnlose 695 - Wurzel (Ursache) der 555, 999 Gewissen(s) 173, 183, 193, 198, 248, 373, 383-386, 400, 426, 545, 547 f„ 559, 581, 673, 946, 966 f„ 1016, 1040, 1042, 1059 f„ 1438, 1446 - christliches 908 f. - der Eheleute 554 - der jungen Menschen 546 f. - gemeinsames G. der Menschheit 497, 695, 998 - irrendes 1063 - ist Stimme Gottes 502, 547, 1107 - reuevolles 1097 -und Wahrheit 1058-1065 - Würde des sittlichen 1058-1061, 1438 1668 Gewissensbildung 133-135, 199, 268, 923-925, 1065, 1083, 1319 - im Glauben 981 Gewissensfreiheit 70, 267-269, 335, 1040 - der Christen 1065 Gewissensurteil(e) 1060-1063 - ist kein unfehlbares Urteil 1063 Gläubige(n) 390, 1326 - allgemeines Priestertum der 80, 220-222, 873, 986, 1322 - als Erbauer des Friedens 1192 - als Katechisten 1368 - Aufgabe der 674 - Gemeinschaft der 1207 - Katechese der 1372 f. - Nächstenliebe der 127 - Priester und 166-169 - sakramentales Leben der 81 f. - Sendung der 845 - solidarisches Handeln der 275 Glaube(n/ns) 34, 61, 137, 213, 250, 338, 350,445, 469, 596, 672, 855-857, 865,995, 1156, 1086, 1123, 1177, 1208, 1226, 1248, 1275, 1283, 1289, 1350, 1416, 1444, 1497, 1597, 1608 - als freie Antwort des Menschen 642 f. - Annahme des 1350, 1555 - Austausch des G. zw. den Generationen 605 - bewirkt neue Sicht 213 - christlicher 38, 61-64, 271 f., 367, 475,968,1086, 1103, 1108 - der Kinder 897 - der Kirche 863, 965, 1406 f„ 1411 - des hl. Josefs 349 f. - Einheit des 996 f., 1207-1209, 1349, 1433, 1480 f. - Einheit von G. und Leben 657-660 - Entscheidung des 1066 f. - Erbe des 1279 - Erneuerung des 349 f., 769, 782 - Erzieherim 1496-1498 - Erziehung zum 692, 882 - Geheimnis des 461 - Gehorsam des 1407, 1439 - gemeinsamer 444-447 - Gemeinschaft im 594, 964, 980-982, 1175, 1295 - Geschenk des 579-583 - Glaubensprobe des Petrus 995 - Gnade des 384 - Inkarnation des 883 - Inkulturation des 263 f., 304, 871, 883,1311,1358 - katholischer 1319 - Kraft aus dem G. schöpfen 372 - Pilgerweg des 145, 556 f., 905 f. -Sinn des 441,1100 - und Kultur 470, 593, 808-810 - und Leben 386, 411-414,441 -und Moral 1017,1085,1087,1438 -undVernunft 589-594 - Verantwortung gegenüber dem 1104-1107 - Verteidigung des 154, 864 - Vorbilder des 292 - Weitergabe des 67 f., 579-583, 679, 692, 1314 f„ 1357, 1363, 1381 f„ 1404 - Wissenschaft und 377-382, 706-708 -Zeugendes 781 - Zeugnis geben von seinem 76 f., 613, 894 f. Glaubende(n) 66-70,1197 - Berufung aller 669, 1003 - Dialog zw. den 636 - Hoffnung der 424 - verschiedener Religionen 256 Glaubensbekenntnis 1086, 1099, 1407 Glaubensgemeinschaft 594, 964, 980-982, 1175, 1295 - Glaubensgut(es) - Bewahrung des 1317 - Überlieferung des 758 Glaubenskrise 441,1360 Glaubenslehre 34-43 - katholische 882 - und Sittenlehre 46 Glaubenssinn (sensus fidei) 1590 1669 Glaubensverkündigung 75 f. Glaubenswahrheit(en) - Reflexionen über 1038 Glaubwürdigkeit 889 Gleichberechtigung - der Geschlechter 1569 Gleichgültigkeit - gegenüber Gewalt ist Schuld 712-722 - religiöse 484, 601, 614, 680, 977 Gleichnis(-nisse) 1006 r - Jesus spricht „in G.” 1001 f. - Schöpfiing ist ein großes 1002 - vom barmherzigen Samariter 1025 - vom barmherzigen Vater 400 f. - vom Guten Hirten' 542, 550 - vom Kaufmann 487 - vom Pharisäer und vom Zöllner 1097 - vom Schatz und von der Perle 538 f„ 1067 - vom Weinberg 200' - vom Weinstock u. den Reben 453 - von den Talenten 405 Gnade 91, 139 f., 200, 226, 645 f„ 1095-1098, 1150, 1123 f., 1510 - Christi 645 f„ 957 - der (priesterl.) Berufung 1299, 1345 • - der Erlösung 1375 - der Rechtfertigung 1069 - der Sakramente 1200 - des Glaubens 384 - die Maria empfangen hat 1123 - Gesetz und 1032 - Gnadengaben (des Hl. Geistes) 412, 1033 - Gottes 410, 483 f., 537, 791, 796-799, 1033, 1283 - heiligmachende 54, 704 - Ökumenismus ist eine 620 - sakramentale (Diakonatsg.) 177, 179-181, 184-187, 221 - Theologie der 201 - Werk der 349 Gnadenzeiten 538, 647 f. Gott(es) 40, 45, 213, 378 f„ 385, 409, 478, 539, 592, 635, 637, 882, 956, 1002 - Achtung vor 601 - Adoptivkinder 225,702, 704 - als Erzieher seines Volkes 882 - als Quelle der Einheit der Kirche 618,1008 - Anbetung 619 f„ 655, 1084 - Barmherzigkeit 761, 787 f., 838 f., 847-851,855,966 - Begegnung mit 791 - der Armen 1568 - der Bibel 866 - der Freude 385 - der menschgewordene 59 - der Name Gott 44 f., 408 - des Bundes 829, 956, 964 - des Friedens 235, 999 - Ehrfurcht vor 44 f. - Entscheidung gegen 473, 635, 1070 - erzwungenes Schweigen über 571 f., 576, 599, 622, 626, 638 - Gaben 258 f„ 401, 1246 - Gegenwart 484, 750 f„ 761-763, 859 -Geheimnis 598,957,1176 - Geist 93, 541, 664 - Gerechtigkeit 760 f., 1446 - Gericht 1002 - Geschenk 4, 6, 12, 74, 143, 235-254, 378-382,-527, 551 f., 559, 708-f„ 1139, 1150, 1152, 1179; 1276 - Gesetz 651, 1029, 1043, 1048-1050, 1058, 1071, 1083, 1095-1098 - Gnade 410, 483 f., 537, 790 f., 796-799, 1283 - Gott-Jahwe 542 - Heiligkeit 539 - Heilsplan 59, 63, 213, 726, 1164 f. - Heilswirken 1256, 1273 f. - Herr der Geschichte 595 - Hingabe an 592, 664 - inneres Gespräch mit 725 - ist der Schöpfer 483, 542, 866 - ist Liebe 855, 867, 1022, 1033 - Liebe 12 f., 41, 143, 279-283, 289, 386, 402, 429, 442, 492, 550, 674 f„ 851-856, 900, 955, 1348 f. 1670 - Liebe zu 40 f., 115, 213, 1025, 1029, 1076 - Macht 340, 1031 - Offenbarung 27 f„ 193, 305, 358, 434, 439, 726, 956, 1024, 1044 - Rechte 34, 44 . - sich für G. entscheiden 666 - Söhne und Töchter 399 -Stimme 502,547,1107 -Tempel 479 f., 517, 541 - Transzendenz 1448 f. - Umkehr zu. 15, 33 - und Mensch 629, 701, 703, 706, 895, 1048, 1060 f. - Unendlichkeit 478 - Vaterschaft 345-347 - Vereinigung mit 408,793 -Verheißung 417,726 - Verherrlichung 1099,1275 - Versöhnung mit 787 f. - Vertrauen auf 338-341 - Wahrheit 995, 1446 - Weihe an 89 - wer ist G. 407 f. -Wille 118,618,620,702 Gottesdienstbesucher 1403 Gotteserfahrung 493, 663 Gotteserkenntnis - persönliche 442 Gottesliebe 1025, 1029, 1076 Grab Jesu 61 f. Gründonnerstag 57, 822-825, 829 f. Gmndbedürfnis(-nisse) 717 Grundrecht(e) - Schutz der 773 f. - Universalität der 1622 Grundwert(e) 465, 587, 962 Gruppe(n) - neue religiöse 485 Güte 87, 889 Gut(Güter) 1071 f. - Bestimmung der 635 - der Erde 762 - des Friedens 703 -geistige 303,631 - gerechte Verteilung der 696-697, 700, 716 f. - menschl. Leben ist unteilbares 21 - Verwaltung der Kircheng. 127 f. - Verzicht auf irdische , 126-129 - wirtschaftliche 631 Gute(n) 201, 637-639, 1015, 1021 - das sittlich 1020, 1082-1085 - Frage nach dem 1021,1023 - im Dienst des 382 - Sehnsucht nach dem 788 - und Böse 239 f„ 283-287, 547, 576, 638, 759-761, 966, 1014 f., 1043, 1048 f. Handauflegung 179-181,258,264 Handeln(s) - Absicht und Folgen menschl. 1073-1076 • - des Hl. Geistes 746 - Einheit des Geistes u. 1501 - moralische Bewertung des freien 1073 - sittliches 1037, 1074 - Verantwortung für das eigene 743 Handlungen) - die der menschl. Würde widersprechen 1094 - Gegenstand der freien menschlichen 1075-1078 - in sich schlechte 1079 f., 1087, 1090 - sittl. Qualität menschlicher 1068, 1071-1082 Handwerksbetriebe - Zukunft der 354 f. Hauskirche - Familie als 305, 503, 6Q0, 604, 607, 676, 739, 741, 921, 1004, 1127, 1340-1344, 1538 Heiden 6-10 Heil(s) 1116,1123,1260,1291 - Bibel als gute Nachricht vom 1275, 1608 - ewiges 538 - Fastenzeit als eine Zeit des 760 f. - Mysterien des 883 1671 - Weg zum 1016 - Wirklichkeit des 915 Heilige Familie 210, 228 f., 676, 1254, 1268 - Geheimnis der 1271 Heihge(n) 204, 443, 489, 781, 783 f., 796-799,10881,1151 - 600-Jahr-Feier zu Ehren des hl. Johannes Nepomuk 787-790 -Afrikas 23-27,251-254 - als Fürsprecher 804 - Beispiel des hl. Franz 4411, 658 - Erfahrung der 442 f. - Gemeinschaft der 796-799, 1122, 1355 ■ - Leben der 801 1, 1099 Heilige(n) Schrift(en) 38, 89, 238, 975 1, 1544, 1547 1, 1586, 1597 f. - Aktualisierung der 1600-1603 - Auslegung der Hl. Schrift (Methoden, Zugänge siehe: Bibelauslegung) 862-871, 1542-1612 - Autorität der 1588 - Christus als Schlüsselfigur der 1026 - ein Werkzeug für die Einheit 976 - Erzählungs- u. Zeugnischaraikter der 1554 f. - geschichtl. Dynamik der 1552 - im Leben der Kirche 975,1594 - Inkulturation der 1603-1605 - Inspiration der 866-868 - Kanon der 1587 f. - Rhetorik in der 1553 - Studium der 783 Heiliger(n) Geist(es) 7,12, 69, 91, 93, 96, 99, 176, 212, 222, 257, 280, 302, 321 f„ 345 f„ 517, 536, 549, 572, 580, 596, 606-608, 669 f., 689, 739, 783, 867, 936, 957, 998, 1030, 1033 f„ 1099, 1112, 1123-1125 f„ 1154, 1409, 1586 f., 1591, 1597, 1610 - als Träger der Evangelisierung 1379 - Aufgabe des 220 - durch Salbung des 54, 89 f., 606 f. - Erleuchtung des 7, 69 - Fülle des 621 - Gabe des 140, 508, 727, 1032 - Gegenwart des 1225, 1434 - Handeln des 746 - Kraft des 317, 679 - Präsenz des 555 - setzt Anfang der „neuen Schöpfung” 622 - ständiger Beistand des 42-44, 47, 1035 - Wirken des 10, 93, 1112, 1164, 1335 Heiliger(n) Stuhl(s) 589, 655 f„ 953 f. - Aufgabe des 767 - Dialog zw. Estland und 1129 - diplomatische Beziehungen des 316,712,959,961-963 - Erziehungsaufgabe des 1464 -und UNICEF 1629-1632 Heiliges Jahr - von Compostela 485 Heiliges(n) Triduum(s) 828 f. Heiligkeit 207-209, 491, 573, 647, 926 - als allen angebotene Gnade 677 f. - Aufruf zur 89-92, 669, 1200-1202, 1418 - Berufung zur 194 f., 207-210, 573, 669,793,1165,1425 - der Familie 905, 1127 - der Kirche 207, 648, 1088, 1162-1164 - des (menschlichen) Lebens 484, 792, 1099, 1297, 1376 - des Priesters 810-814,934 - Gottes 539 - Märtyrer als Vorbilder der 1163 - ontologische 208 - Streben nach 90, 92, 292, 669 - Weg der 402 f. Heiligsprechung 105 f., 796-799 - der hl. Teresa de Jesus „de los An-des” 798 f., 800-804 - der seligen Claudine Thevenet 800-804 - von Enrique de Ossö y Cervellö 487-491 1672 Heiligtum(-tümer) - „Berg der Kreuze” 161 f., 165, 609-612 - der ugandischen Märtyrer (in Na-mugongo) 24, 288-294 - Familie als H. des Lebens 739, 744, 784 f„ 1529 - franziskanisches 665 Heiligung 91, 1164 - des Klerus 1181 - des täglichen Lebens 1165 - durch die Sakramente 75-77 Heilsbotschaft 424-427, 516 - des Evangeliums 264, 560, 601, 732, 843, 899, 959, 1027, 1289, 1370 - vom Kreuz Christi 833 - vom Reich Gottes 1189 Heilsgeheimnis 818, 883 - des christl. Lebens 57-60 - Kreuz und 605 Heilsgeschichte 215,318,761,830, 1270, 1336, 1554 f., 1560 - Aufgabe Marias in der 628 f., 1273 Heilsökonomie 606 f. - göttliche 658 Heilsplan 428,598,881 - Christi 357 - Gottes 59, 63, 213, 726, 1164 f. - universaler 1187 Heilssendung - der Kirche 778, 1292 - des Volkes Gottes 844, 947 - Jesu Christi 703, 746 Heilswert - der kanonischen Schriften 1588 Heilswillen - des Bundesgottes 829 Heilung - von den Wunden des Krieges 1284, 1329 Heim(e) - Berg-Vinzenz-H. 565-567 Heimat - Rückkehr in die 942 f. Herausforderung(en) - der Gegenwart 595, 608, 1440 - pastorale H. in den USA 1410 f. Hermeneu tik(en) 1573-1581 - biblische 1576 - hermeneutische Grundsätze bei der Interpretation der kanonischen Gesetze 736 f. - Notwendigkeit der 1575 - philosophische 1573-1576 - und Exegese 1575 f. Herz(ens) 579,581 - des Menschen 602, 607, 680 - Umkehr des 270 f., 782 Hierarchie -in der Kirche 16,179,191 Hilfe 156-158 - für Bosnien-Herzegowina 227, 1474 - für Flüchtlinge 764,774 f., 1475 -humanitäre 313,775,1206,1474, 1624-1627 - von der Völkergemeinschaft 315 Hilfswerke(-organisationen) - Aktion „Nachbar in Not” 82 f. - internationale 314 - Renovabis 73 f. Himmel 64, 1023 Himmelfahrt - Jesu Christi 434-437 Hingabe 277,402,818,911 - an die Mitmenschen 926 - an Gott 592, 664 - an Jesus Christus 140 f., 793 - eheliche Liebe als ganzheitliche 1223 - Jesu Christi 58 f„ 79, 279-283, 1084-1086 Hirt(en) 5, 166, 302 - Aufgabe der 263 f., 744 - Bischöfe als 710 - der Gesamtkirche 28-31,46 - der gute H. (Jesus) 85, 115-119, 142 f„ 206, 279-283, 450, 542, 544 f„ 549, 551,566, 874 - Papst als universaler 37, 483 - Priester als 607 1673 Hirtenamt - der Priester 85-88, 115-119 Hirtenauftrag - der Priester ,118 - des römischen Papstes 36 Hirtenbrief : - der ugandischen Bischöfe 303-307, 320 f. Hirtenhebe' 281, 302, 323 f„ 450 Hoffnung 214, 266, 386, 415, 445, 525, 614, 918, 1186 f„ 1275, 1280 - Alter als Zeit der H. und des Gebets 683-685 - auf das ewige Leben 297 f. - auf die Verheißungen Gottes 417, 726, 881 - auf Frieden 1284 - christliche 470 - der Glaubenden 424 - Evangelium der H. und der Liebe 844,925,958,1187 -Leiden und 1260 - Licht der 284, 372 f. - Weg der 762 - Zeichen der 314 Holocaust 593 Humanismus -europäischer 1133 f. Humanwissenschaft(en) 1563-1567 - Moraltheologie und 1102 f. Hunger 313, 762, 1204 f., 1284, 1614 - Kampf gegen 1205 Hygiene 421-423 Hymnen 1605 Ideal - der christlichen Familie 489 - der Heiligkeit 491 - der Liebe und Solidarität 615 - des christlichen Lebens .670 - des Zölibats 122, 176 f. - franziskanisches 252 f. Identifizierung - der Priester mit Christus 573, 661, 985 - mystische 102 Identität(en) 641-644, 960 - Afrikas 291 - als Jünger des Sohnes Gottes 1220 - als Kinder Gottes 1301 - christliche 522, 537 - der Familie 347 - des Bischofs 1296 - des Evangeliums u. der Evangelisierung 1338 - des Priesters 53-55, 95, 932, 1180, 1617 f. - des sittl. Gewissens 1060 - katholische 146, 523, 563, 885, 1413 f. - kulturelle 522 - nationale I. (Lettlands) 641, 753, 961,1142-1145 Ideologie(n) 578, 633 - blinde 489 - kommunistische .372 Ikone(n) 1122 Immigrant(en) - philippinische 920-922 • Individualismus 139, 1469 - religiöser 1408 Individualität - biologische 223 Individuum(s) - Achtung des 528, 1613 Industrialisierung 1310 Industrieländer 700 Initiative(n) - gemeinschaftliche 157 f. - „Gesamtchristlicher Rat für Uganda” 288 - missionarische 608 - „Nachbarn in Not” 764 Inkulturation 272, 870, 927 f., 1479 f. - der Hl. Schrift (der Bibel) 1603-1605 - des Evangeliums 809, 887, 1306, 1345,1350 1674 - des Glaubens 263 f., 304, 871, 883, 1311,1358 - Theologie der 1358 Inspiration - der Hl. Schrift 866-868 Institut(s/e) - „I. beider Rechte” 1242-1245 - „I. des Sources chretiennes” 1193-1195 Institution(en) - Ehe u. Familie als (sakrale; naturgegebene) 785, 958, 1426, 1468 Instruktion(en) - über die Kindertaufe 1421 - über die kirchl. Berufung des Theologen 1100, 1208 - über den Gebrauch der soz. Kommunikationsmittel in der Förderung der Glaubenslehre 1208 Integration 335 - europäischer I.-prozeß 1133, 1144 f. Intellektueller 642 - als Pilger der Wahrheit 632 f. Interdependenz 620 Interkommunion 515 Internationale Stiftung - „Weg zum Frieden” 773-775 Internationale Union - der Generaloberinnen 909-912 Internationaler Tag - zur Bekämpfung der Armut 184 Internationales Jahr - der Familie (1994) 215,223, 228 f., 738-741, 905, 948 f., 955, 957 f., 1230,1254,1268,1271 f„ 1277, 1310, 1521-1534 Internationales Symposion - über Pastores dabo vobis 931-934 Internationales Treffen - über „Die Rechte der älteren Menschen u. die Familien” (Erklärung v. Toronto) 1521-1525 Interpretation - der Bibel (Methoden, Zugänge siehe: Bibelauslegung) 862-871, 1542-1612 - Gültigkeit der 868 - Normen für die I. der kanonischen Gesetze 735-737 Islam 336, 497 f. Islamischer Weltbund 733 f. Israel 6, 987, 1023 Italienisches Studienzentmm - für die internationale Versöhnung 997 f. Jahr(e) - das Jahr 2000 624, 733 f„ 937, 1121, 1254, 1409 - Internationales J. der Familie (1994) 215, 223, 228 f„ 738-741, 905, 948 f., 955, 957 f., 1230, 1254, 1268, 1271 f„ 1277, 1310, 1521-1534 Jahresrückblick - Vatikanischer J. 1993 1262-1268 Jahwe („der, der da ist”) 408, 542 Jesus(Jesu) Christus(Christi) 61, 116 f„ 445, 544, 552, 561,761, 829 f., 854 f„ 935, 1001 f., 1098, 1480 f. - Abschiedsgebet 271 - als das ewige Heil 880 - als das vollkommene Vorbild 116 f„ 122, 129, 201, 649, 931-934, 1493 f. - als Erlöser der Menschen 137, 311, 443, 702, 756, 837, 880, 952, 1096 - als Heiland 702-704, 880 - als Menschensohn 133, 609, 1128 - als Messias 6, 58 f„ 621 f„ 745 f„ 761 - als Mittelpunkt der Geschichte u. des Lebens 947, 1226 - als Offenbarung der Barmherzigkeit Gottes 1108 - als Sohn des lebendigen Gottes 345-347 - als Tempel des Neuen u. Ewigen Bundes 479 f„ 517 1675 - als Vater, Sohn u. Hl. Geist (wesenseins) 625,957,1004 - als wahrer Gott und wahrer Mensch 58 f., 386, 479 f., 549, 968,1214 - als Weggefährte und Freund 425, 686 - Antwort J. auf Fragen der Menschen 441, 1015, 1083 - Auferstehung 61-64, 290, 365, 749 f„ 835 f., 847, 1119 - Auftrag Chr. an die Apostel (Jünger) 36-39, 536, 644-648, 1141 - Befreiung durch 133, 1084 - Begegnung mit 364 f., 442, 688, 886, 1218 - Beispiel J. nachahmen 116-118, 129, 151, 803 f. - das hohepriesterliche Gebet 141 f., 269 f„ 308 - das Licht der Welt 5 f., 104, 224, 238, 240, 246, 271, 283-287, 290-295, 463, 466, 604, 800-802, 804, 1014 - der Auferstandene 400,414-416 - der Friedensfürst 5 f., 239, 247, 613,703 - der Gekreuzigte 610, 657 f., 663, 932, 1083, 1113 f. - der gute Hirt (Hirt der Welt) 85, 115-119, 142 f„ 206, 279-283, 450, 542, 544 f„ 549, 551,566, 874 - der Name Jesus (Gott rettet) 702-704 - der Retter 702-704 - Einheit in 140 f., 630 - Erbe 241,248 - Freunde J. Chr. 755 -Gebet 95,271,451,995 - Gebets wache 238 - Gegenwart J. Chr. (in der Eucharistie) 437,454,462,607,651, 750 f., 964, 1034, 1218, 1252 - Gehorsam 152 f„ 1030, 1085 - Geist 1032, 1119 - Gnade 645 f„ 957 - Handeln 755, 1030 - Himmelfahrt 434-437 - Hingabe an 140 f., 793 - Identifizierung mit 573, 661, 985 - ist das Leben 137, 645, 800 f., 1118, 1120 f., 1157 - ist das lebendige Brot 461,463 f. - ist der Eckstein 390,480, 582 - ist der einzige Hohepriester 51, 79, 110 - ist der Erstgeborene von vielen Brüdern 625,627,679 - ist der Herr (der Geschichte) 516, 531,681, 1268-1271 - ist der Weg, die Wahrheit u. das Leben 56,143, 393, 408 f., 411, 413, 442, 464, 529, 532, 536, 597, 617, 880, 968, 1081, 1090, 1119 - ist der Weinstock 453 - ist derselbe heute, gestern und in Ewigkeit 624, 776 f., 990, 1057 f. - ist die Hoffnung der Welt 532 - ist die Schlüsselfigur der Hl. Schrift 1026 - ist die Weisheit 1109 - ist Emanuel 454, 479, 539, 594, 648 f„ 651 - ist Mittler zw. Gott und Mensch 51 f„ 85, 891-893 - Kirche 390, 875 - Königtum 204 f„ 708-710 - Kreuz 550, 557, 612, 658, 796, 833,974,986, 1110 - Leben auf Chr. ausrichten 144, 146, 682, 932 -Leben 116,202,701 - Leiden 59, 296, 300, 684 - Liebe 115-119, 133, 279-283, 311, 403, 459, 511, 627, 649, 663, 847, 1011,1159,1336 -Liebe zu 488, 911,925 - Menschwerdung 202, 224-226, 552 f„ 605, 726, 1259, 1269 f. - messianische (Tätigkeit) Sendung 257 f., 260, 327, 407 f., 435, 621, 702 f., 746 - Opfertod 57, 101, 142, 202, 280-283,311,1199 - Priester und 89-92, 96, 101 f„ 129, 573,931-934,985 - Priestertum 51,150, 493, 932, 986 - rückhaltlose Entscheidung für 401, 665, 1225 f. 1676 - Ruf 200, 399, 520, 536, 790-794, 1141 - schenkt das Leben in Fülle 532, 816-818 - Selbsthingabe (gab sein Leben) 58 f., 79, 279-283, 757, 1084 - Sieger über Sünde und Tod 64, 282, 462, 845,1119,1316 - Taufe 244 f. - Tod u. Auferstehung 297-299, 749 f. - und die Armen 463, 982 f. - und Kirche 367, 390, 452-456, 549 f„ 553, 875, 989 - und Sakramente 442 - Urbild der neuen Menschheit 225 - Verbundenheit mit 200,212,213 - Vereinigung mit 795 f. - Wille 52-55 - Zeugnis geben für 39, 218, 277, 436, 507, 671, 788 f„ 1086 Jubiläumsjahr 2000 624, 732 f„ 937, 1121, 1254, 1409 Juden 6-10 - Christen und 999 - Gebetstreffen der J„ Christen u. Muslime 235-254 Judentum 497 f., 1561 Jünger(n) 536 - Auftrag J. Chr. an die 36-39, 536, 644-648, 1141 - Einheit unter den Aposteln u. 141, 513-516, 622 - Emmaus-J. 364-368 - Jesu 139, 239 f„ 259, 294, 407, 647, 1030 f., 1220 - Sendung der 52 - Zweifel der 645 Jugend 131,355, 357-359, 473 f„ 803, 888-891, 938, 949, 1012, 1252, 1290, 1377, 1409 - als Diener Jesu Christi 403 - amerikanische 1136, 1436 - Apostolat an der 1436 - Apostolat der 538 - Bildung der 268 f. - Botschaft an die (der) J. der Welt 440-444, 1116-1121, 1216-1221 - Evangelisierung (Neu-) der 1253, 1382 - in Denver 526-540 - in Litauen 600-605 - in Polen 1382 f. - Katechese der 1309-1312 - Kirche und 604, 779 f. - Not der 284, 538 - Organisationsformen der 306 - sizilianische 398-403, 410 f. - von Asti 685-690 - von Uganda 283-287, 306 - Welttag der 55-57, 114 f., 119 f„ 131, 142 f„ 144-147, 400 f., 526-540, 542-552, 597, 685, 689 f., 816, 964, 1116-1121, 1136, 1201, 1216-1221,1252,1265, 1297,1318, 1382, 1409, 1414, 1419, 1424, 1429, 1434-1436, 1446, 1453 -Zukunft der 1310 Jugendforum - Internationales 536-540 Jugendliche(n) 266,407,418 f., 426, 490, 512, 527, 562, 661, 671, 698 f„ 717, 731, 1127, 1157, 1265, 1277, 1300-1304, 1310, 1315, 1346, 1435 f„ 1453, 1516 - aller Rassen u. Kulturen 114, 551 - als Apostel (Missionare) der Neuevangelisierung 56, 145 f., 688, 1219, 1253, 1265 f. - als Baumeister der Erneuerung 1252, 1265 f. - als Zeugen des Evangeliums 306, 690,1157 -Aufgabe der 271,1220 - Ausbildung der 285,423, 632 - behinderte 242-244, 609 f. - Berufung der 281 f., 446, 558 f. - Botschaft an die (der) 440-444, 1116-1121,1216-1221 - Erziehung der 490, 731 f., 958, 1169, 1189 - europäische 587 f. - heranreifende Persönlichkeit der 389, 742 - in Denver (Weltjugendtag) 542-551,557-562, 1201 - in Mozambique 1353 f. 1677 - Kirche und 145, 560, 603 f., 1157, 1382 - Mitarbeit der J. bei Evangelisierung 895-899,1189 - Nöte der 284, 538 - Papst und 145-147, 443 f. - religiöse Unterweisung der 1397 f. - Schutz der 950 -Sendung der 558 f. - Verantwortung der 271 f., 285 - vonArezzo 440 - Wertsystem für 526-529, 601 Jugendmission 670, 686 Jugendpastoral(-seelsorge) 485, 670, 1296 f., 1301, 1309-1312, 1382 - als ausdrückliche Berufungspastoral 889 Jungfräulichkeit 1127, 1372 - der Ordensleute und Priester 1376 - um des Himmelreiches willen 1127 Kanon(s) - der Hl. Schrift 1587 f. Kapitalismus 633 f. Karfreitag 58 f. , ,. ■ Kasuistik 1076 Katakombe(n) 618, 622 f. Katechese(n) 68, 292, 366, 510, -582, 599, 881 f„ 937, 1191 f„ 1290, 1309-1312, 1317-1321, 1361, 1366, 1383, 1403, 1607 - als Einführung in das kirchl. Leben 881 f. - Aufgabe der 413 - der Gläubigen 1372 f. - Evangelisierung Und 1285,1288, 1443 - Familienk. 1306,1309-1312 - Jugendk. 1309-1312 - Schulk. 1383 - Stärkung der K. in den USA MIO- MM : - über das Geheimnis der Eucharistie 459 - über das geistl. Leben des Priesters 51-55,101-1034115-119, 138-142, 150-153, 155-158, 166-172 - über den Diakon 174-177,179-181, 184-187 - über die Laien 220^222 - weckt neue Berufungen 1295-1299 Katechet(en/Katechisten) 181, 263, 281, 292, 444, 512, 525 f„ 1294, 1333, 1346 f. -Aufgabeder 332 - Bildung der 1306, 1330-1335 - Gläubige als 1368 - Schulung der 1376 Katechismus - als Norm für die Lehre des Glaubens 305 - der Jugend 688 - der Katholischen Kirche 50, 52, 54, 66, 79 f„ 112, 116, 123, 181 f„ 190 f., 196, 217, 263, 304 f„ 463, 486, 599, 704 f„ 717, 724, 739, 823-825, 880-884, 913, 1018, 1093 f„ 1158, 1170, 1202, 1285 f„ 1290, 1294, 1302, 1306, 1310,1314 f„ 1319, 1334, 1338 f„ 1341, 1346 f„ 1357, 1360, 1366, 1373, 1379, 1386, 1398, 1403, 1406, 1411 f., 1417, 1421, 1427, 1444, 1453, 1457, 1474, 1483, 1527 - neuer K. für die Familie 738-741 - Weltk. 782 Katechumenat 815 Kathedrale - Unserer Lieben Frau von Almudena (Madrid) 478, 481 f. - von Asti 673 - von Scutari 367 -vonVilnius 571 Katholik(en) - aktive Mitarbeit der 754 f. - der Vereinigten Staaten 877,1137, 1442 f. ' - des Kongo 1334 - Gemeinschaft der 510, 1409 - Ghanas 1308' - im Vorderen Orient 1192 - in Äthiopien u. Eritrea 1284 - in Papua Neuguinea u. auf den Sa-lomon-Inseln - 1373 - Malawis 1344 1678 - ökumenische Bildung der 912 - Ugandas 303, 321 -undJuden 819 - und Lutheraner 846 f. - und Orthodoxe 99, 727-729, 969 - Verantwortung der 614 Katholische Aktion Italiens 217 Katholische Bibelföderation 975 f. Katholizismus 885 kenosis 1125 Keuschheit 283-287 Kind(er) 210, 396, 527, 675, 697, 895-899, 949, 1010, 1210, 1540, 1631 - Achtung gegenüber 705 - als Missionare 896-899,1189 - als Zukunft der Gesellschaft 1209 - Armut bei 1426 - Befreiung der 1467, - behinderte 242-244, 609 f. - des Lichts 284 f. - Dienst an den 802 - Entwicklung der 397,1631 - Erziehung der 490, 731 f., 958, 1169,1189 - Förderung der 1210, 1631 - Forschung zum Wohl der 901-903 - Glauben der 897 - Impfungsprogramm der 1630 - Leid (Not) der 396, 1190 - Mitarbeit des K. bei Evangelisierung 895-899,1189 - Pastoral für die 785 - Rechte der (Konvention für die) 566, 785, 1212, 1465-1474, 1538, 1631 - Schutz der 950, 1210, 1631 -Sorge um das 565-567,1631 - ungeborenes 744 f. - von Bethlehem 1113 - Weltgipfel für die 1210 Kinder Gottes 183, 703, 1118, 1157, 1310 - Identität als 1301 Kinderarbeit 1465 f. Kirche(n) 46, 105, 326, 365, 384, 390, 398 f., 455,462, 506, 552 f„ 719 f., 728, 806 f„ 859, 874 f„ 935-939, 944, 951 f„ 963, 976, 1015, 1034, 1225, 1278,1465-1474, 1571, 1588 f. - äthiopische orthodoxe 968-970 - als Braut Christi 553 - als Gemeinschaft (der Liebe) 85, 166, 325-329, 487, 540 f„ 692, 766 f„ 770 f„ 875 f., 1035, 1201, 1387,1431,1439-1442 - als Haus des Gebets 82 - als Lehrerin der Wahrheit 1065 -als Mutter 1198 - als Sakrament 458 - als Volk Gottes 874 - als Weggefährtin 1219 - als Zeichen des Widerspruchs 1388 f. - Apostolat der 1481 - auf dem Weg nach Emmaus 364 f. - Aufbau der 291 f. - Aufgabe der 52,134,259,264, 281,391,1146 - Auftrag der 536 - Berufung der 108, 403, 937, 962, 1350 - braucht Apostel 474 - christliche 1155 - das sittl. Gute für das Leben der K. u. der Welt 1082-1085 - Dienst der 172 f., 1115 f., 1167, 1172, 1390 f. - Einheit der 100, 264, 458-461, 617, 619 f„ 651, 758 f„ 789, 919 f., 945, 989, 1008, 1035, 1285, 1300 f„ 1306, 1320, 1367, 1403, 1480 f. - Einsatz der K. (für Leben, Frieden, Kinder) 143, 1456, 1466 - Erneuerung der 107, 486, 622, 937, 994, 1165, 1415, 1417 f., 1420, 1440, 1454 - Erziehungsprogramme der 1285 f. - Eucharistie schafft 458,1231 - Evangelisierungsauftrag der 323, 465,1299,1307, 1393 - Evangelisierungswerk der 925 - ewige Jugend der 1274 f. - Fortschritt der 486 1679 - Freiheit der 367, 1348 - Gebet der 995 - Geheimnis der 1378 - Geschichte der 643 - Glaube der 863, 965, 1406 f., 1411 - gründet auf göttlicher Vollmacht 646 - Heiligkeit der 207, 648, 1088 f., 1162-1164 - Hierarchie der 16,179,191 - Hl. Schrift im Leben der 975,1594 - in der Welt von heute 196 f., 405, 1313, 1326 f., 1388 - interreligiöser Dialog der kath. 274 f. - ist das neue Israel 987 - Jesus Chr. u. 367, 390, 453-456, 549 f„ 553, 875, 989 - junge 181 - katholische 124 f., 264, 335 - Kompetenz der K. hinsichtl. sittl. Normen 1044,1090 - Leben der 621 f., 871-876 - Lehramt der 39, 305, 1036, 1109, 1409, 1592 - Lehre der (Heiligen) 555, 947, 953, 1090, 1294, 1318, 1408 -Macht in der 1571 - Martyrium für die 1159-1162 - Mensch und 319, 1015 f., 1106 f. - Missionstätigkeit der 5, 93, 413, 507, 939, 972, 1176, 1355, 1379 - moral, u. materielle Unterstützung (Hilfe) der 362, 754 f„ 952-954 - Morallehre der 172 f., 1016, 1018, 1328, 1404, 1446, 1630 - Neuevangelisierung der 937 - orientalische 99, 121 f. - orthodoxe 99, 124 f., 728, 981 - Ost- und Westkirche 1245-1250, 1267 f. - Pilgerweg der 990, 1329 - rumänisch orth. 962 - Schutz der 1243 - Sendung (Heilss.) der 279-283, 296, 299, 374, 412, 493, 518, 633, 778, 862, 871-876, 936, 1000, 1242, 1292, 1444 f„ 1455 - Sendungsauftrag der 1090 - Sittenlehre der 1037 f., 1445 - Solidarität der 329, 555, 1309 f. - Sorge der K. (um Kranke) 296, 299, 745,1142, 1146 - Soziallehre der 524, 574, 633-638, 644, 953,1093, 1134,1143, 1290, 1311, 1313, 1327, 1333 f., 1348, 1353, 1367, 1372, 1388, 1391, 1394, 1397, 1443, 1454 f. - Streitfragen der 378 - Teilnahme am Leben der 200 f. - Treue zur 868 - Überlieferung der 1406 - und die Stadt Rom 16-19, 730-733 - und Gesellschaft 419, 636, 717 f. - und Jugendliche 145, 560, 603 f., 1157,1382 - und Kultur 163, 354, 593, 630-632, 637, 643, 1449, 1479 f. - und Medien 777-779, 1295 - und Politik 484, 732 f. - und Priester 67,1181 - und Staat 574, 633, 636, 754 f. - und Wissenschaft 378-382 - Universalität der 676,1291,1383, 1405, 1644 - Verantwortung der 188 - Verfolgung der 163, 367 - Verkündigung der 357,453-456, 525 - von Rom 16-19, 93 f., 106, 978-980, 989-992 - Weg der 650, 938 - Wirken der 483, 728 - Zeugnis der 299, 374 - Zukunft der 767 Kirchenvater(-väter) 11943-1195 - Exegese der 1588-1590 Klausumonnen 251-154 Klerikalismus 574 Kleriker(n) - „Marianische K. der Unbefleckten Jungfrau Maria” 190 f., 965 f., 976-978 Klerus 570-576 - Fortbildung des 599 - geistl. u. theologische Bildung des 1355 f., 1376 - Heiligung des 1181 1680 - Vollversammlung der Kongregation für den 1178-1182 Kloster 666 f. Koinonia 462 f., 515, 1007 f. Kollegium - apostolisches 482 f. Kollekte - für das Hl. Land 981 KoUoquium(s) - IX. internationales juristisches K. 1242-1245 Kolonialismus 315 Kolonisierung 522 Kommission(en) - „Behördenübergreifende Ständige K. für die Kirche in Osteuropa” 710 f. - Bischofsk. für die Familie u. das Leben 784 f. - „Glaube u. Kirchenverfassung” des Weltkirchenrats 1007 f. - für den theolog. Dialog zw. kath. u. orth. Kirche 993 f. - Ökum. K. der Bischofskonf. u. der Synoden der Orient. Kirchen 912-914 - Päpsü. K. für die Kulturgüter der Kirche 808-810 - Ständige Kurienk. für die gleichmäßige Verteilung der Priester auf Weltebene 765-768 Kommunikation 865, 1502 f. - Pastoralpläne für die 777 Kommunikationsmittel - als Geschenk Gottes 1261 - soziale 484, 923-925, 948-950, 1146, 1208 Kommunikationswesen 923-925 Kommunismus 634, 961 Konferenz(en) - 27. K. der Weltemährungsorgani-sation (FAO) 1202-1207, 1635-1640 - der lat. Bischöfe in arabischen Gebieten (CELRA) 1191-1193 -der UNO 1629-1632 - der Vereinten Nationen für Umwelt u. Entwicklung 717 - für Sicherheit u. Zusammenarbeit in Europa (KSZE) 589, 715, 1232-1235 - Genfer Bevölkerungskonferenz 1613-1615 - Internationale K. über den Schutz der Kriegsopfer (Genf) 1624-1627 - karibische K. der Kirchen 514 Konflikt(e) 528 f., 587, 1051, 1055, 1174 - bewaffnete 1624 - ideologische 588 Kongregation(en) - der Barmherzigen Töchter vom hl. Kreuz (100. Gründungsjubiläum) 972-974 - der Diener der Nächstenliebe 982-984 - der Priester vom Heiligsten Sakrament 943-945 - für das Katholische Bildungswesen 1488-1521 - für die Evangelisierung der Völker 1307 - für die Glaubenslehre 1207-1209 - Vollversammlung der K. für den Klerus 1178-1182 - vom Unbefleckten Herzen Mariens 1000 f. - von Jesus und Maria (Eudisten) 768-770, 800-804 Kongreß - „10. Jahrestag der Charta der Rechte der Familie” 1537-1542 - 11. Internationaler Mariologischer 471 f. - 18. Internationaler Marianischer 471 f. - 45. Euch. Weltk. in Sevilla (1993) 454 f., 458 f. - der Generaloberen 1224-1228 - der Italienischen Katholischen Volksschullehrervereinigung 723-725 - für Seminarerzieher 1492 1681 - Internationaler Eucharistischer 100, 453, 466 - Nationalk. zum Thema „Frau, Neuevangelisierung u. Humanisierung des Lebens” 1235-1239 Konsum 601, 700, 717, 1400 Kontemplation 50 f., 120, 501 f., 664, 934, 1112, 1114, 1606 - Vorbild der 795 Konvention - für die Rechte des Kindes 566, 1465,1631 Konzentrationslager - von Auschwitz 756 Konzil(s) - II. K. von Lyon (1274) 37 - von Florenz (1439) 28 f„ 37 - von Trient 101, 200, 1095 Konzilsaussagen - über d. Bischof v. Rom 28-31, 37 - über die Unfehlbarkeit 43 f., 45-49 Kranke(n) 282 f„ 296-301, 314,418, 423, 749-751, 985, 1128, 1185-1187,1257,1259 - Aids-K. 279-287, 298 f„ 535 - Dienst an den 423, 750 f., 794 f., 902, 972-974 - erster Welttag für die 299, 748-752,794 - Lepra-K. 20 f. Krankenhaus 299-301 - Menschenwürde im 1257 f. - Universitätsklinik „Umberto I.” 1257-1260 Krankenpflege 1209 Krankensalbung - Sakrament der 77,1314 Krankenseelsorge - für die Selbständigkeit der Behinderten 908 f., 1258 Krankheit(en) 749-751, 762, 796 - bei Neugeborenen 901-903 - im Licht des Evangeliums 1185- 1187 .. ■ Kreuz(es/e) 59, 160, 202, 441, 578 f., 610 f., 618, 689, 856, 973 - Allmacht des 1259 - auf sich nehmen 139, 534 - Christi 550, 557, 612. 658, 796, 833,974, 986, 1110 - Geheimnis (Heilsg.) des 605, 609, 611,1231 -Lehrevom 611 - Leiden und 571 - und Auferstehung 434 - und Neuevangelisierung 986 - Verehrung des 832 f. Kreuzesopfer(s) 610 f. - Jesu Christi 79, 280-283, 311 - Teilhabe am 214 Kreuzigung 935 Kreuzweg 832 f. Krieg(es) 3, 34, 499, 699 f„ 941, 1133, 1139, 1149 f., 1192, 1621 - als Quelle von Armut und Elend 696 f. - auf dem Balkan 246, 396, 941 f. - Bruderkrieg 696 f. - Familie im 956-959 - im Sudan 149 - in Äthiopien u. Eritrea 1283 - in Afrika 713 f. -in Angola 100,149 - in Bosnien-Herzegowina 66,130, 202 f., 218, 235T, 239, 245, 695, 714 f„ 744 f„ 772 f„ 1232 f„ 1474 f. - Leiden des (durch den) 238, 699 f., 749 - Opfer des 98,100, 115, 138, 236-238, 248-250, 313, 772 f., 1149, 1624-1627 - und Armut 713 Kriminalität 395, 426, 1472 Krise 593,1205 -der Ehe 1381 - der Familie 215, 392, 473, 514, 1353 f., 1381 - der heutigen Gesellschaft 1445 f. - der Kirche 1390 - der Werte 298, 484, 601, 1426, 1454 1682 - jugoslawische 1233 - moralische 527 - religiöse 356 f. Kult - geistlicher 221 f. - marianische K.-formen 469 Kultur(en) 354, 523, 559, 591, 599, 652, 672, 723, 923-925, 1057, 1145, 1371, 1390 - Bauemkultur 348 - christliche 264,470, 1381 - der Achtung u. Brüderlichkeit 429 - der Arbeit 406,426 - der Gewaltlosigkeit 593 - der Liebe 400 f., 465, 560, 852, 1111, 1217, 1224, 1279, 1341 - der Menschenrechte 656 - der Moral 1396 - der Rechte und Pflichten 1144 - der Solidarität 404-407 - der Wahrheit 1279 - des Friedens 303 - des Lebens 890, 1120, 1224, 1279, 1381 - des Todes 131, 192, 283, 294, 559, 662, 1297, 1353 - Erforschung der estländischen 641 f. - Evangelisierung der 809, 907, 1368, 1371, 1390 f. - Evangelium und 631, 809, 1479 - Geschichte und 642 - Glaube und 470, 593, 808-810 - hedonistische 674 - Kirche und 163, 354, 593, 630-632, 637, 643, 1449, 1479 f. . - lettische 631 - Schnittpunkt christlicher u. islamischer 387 f„ 392 -semitische 1553 - technologische 547 - und Wissenschaft 592, 641 -Welt der 163,589-594 - Werke der 105 - zeitgenössische (moderne) 183, 193,1005,1041,1082 - Zersetzung der menschl. Laie(n) 167, 181, 189-192,199-201, 211-214, 263, 276 f„ 291-294, 304, 411-414, 446 f„ 510 f„ 519, 786, 1301, 1310 f„ 1326 f., 1352, 1362, 1369 f., 1372 f„ 1379-1381, 1431 f. - als Missionare 1442 - als Sauerteig des Evangeliums 1289 f. - Apostolat der 168, 213, 598-600, 1307, 1338, 1380, 1390, 1432, 1442 - Aufgaben der 167, 263, 1353, 1356 f. - Ausbildung der 599, 1341, 1356 f., 1401, 1432, 1442, 1450 - Berufung der 195 f„ 200 f., 207-210, 511, 600, 650, 952 f„ 1200 - Bildung der 769, 1306 f„ 1310 f., 1356 f„ 1380, 1441 - Charismen der 167 f. -Dienstder 214,220-222 - Einsatz der 952 - Evangelisierungsauftrag der 474 - Katechese über die 220-222 - kirchl. Identität der 189-191 - Mitarbeit der 168, 669-671, 1200, 1495 - Ordensleute und 1227 - Priester und 167, 190 f. - prophetisches Amt der 1356 f. - rechte Freiheit der 167-169 - Sendung der 134, 190, 195 f., 221, 1442 - Spiritualität für die 211-214 - Ugandas 291-294 - Verantwortung der (in Pfarrgemein-den) 600, 1341, 1380 - Weltcharakter der 195-197, 199, 201 - Würde der 167-169, 190 f. Laienbewegung(en) 600, 1307 Laizismus 574 Land(Länder) - baltische 588 - „Land der Kreuze” 571 f. - neue europäische 718 f. - Recht der ärmsten L. auf Entwicklung 697-701, 1463-1465 Landarbeiter(s) 347-352 Landbevölkerung 1639 f. 1683 Landflucht 1301 Landwirtschaft 203, 350, 354 f., 1635 f. Landwirtschaftspolitik 351 f., 1636 Leben(s) 405,418,546,549,587, 650, 720, 759, 962, 1117, 1148 - Achtung des 20, 552-555, 1054, 1329 - als Geschenk 143, 527, 551 f., 558 f„ 1209-1212, 1329 - als Gut 21 - auf Christus ausrichten 144, 146, 682 f„ 932 - Bedrohung des 545 f. - Bewegung für das 1450 - christliches 56-59, 96, 294, 357, 432, 670, 686, 704-706, 762, 797 f., 1162-1164, 1359-1364 - das neue 400 f„ 727, 836, 1120 - der Heiligen 801 f., 1099 - der Kirche 621 f., 871-876 - Dienst am 903 - Einheit von Glaube und 386,411-414, 441, 657-660 - Evangelium des 910, 1188-1191 -ewiges 297 f„ 311 f., 461, 611, 689, 1020, 1023 f„ 1032-1034, 1072 - franziskanisches 664 - Geheimnis des 881, 902 - geistliches 185, 214 - gesellschaftliches 354, 404 f., 962, 1092-1095, 1327 f. - gottgeweihtes 170-172, 265, 272, 446, 575, 746-748, 1127, 1140 - Heiligkeit des (menschlichen) 484, 792, 1099, 1297, 1376 - hingeben 108, 142 f„ 163, 755-757 - in kirchlichen Diensten 804-807 -Jesu 116,202,701 - Jesu Christus ist das 137, 645, 800 f„ 1120 f., 1157, 1118 - kontemplatives 96, 251-254, 799, 926 -Kulturdes 890,1120,1224,1279, 1381 - L. „in Fülle” haben 142-147, 192 f„ 551,597, 686, 1116 f. - menschliches 20, 131, 330-333, 380 f„ 524, 527, 560 - priesterliches 95,100-104 - Recht auf 303 f., 528,1138, 1381, 1468, 1538, 1540 - Schutz des menschlichen 751, 1527, 1613 - Sieg des L. über den Tod 59 f., 246 - Sinn des 142 f„ 543, 601, 706 f„ 803, 1014 f„ 1155, 1168 -sittliches 1022,1073,1086,1100 - transzendentes 527 - Unverletzlichkeit des 1450 - Verherrlichung des 557 f. - Verteidigung des 910 f. - Wahrheit des 55, 534, 537, 965, 1072, 1118 - Weitergabe des 554, 958,1222, 1238 - werdendes 650 - Wert des 131, 243, 467, 686, 1378-1386, 1404 : - Würde des 524,1377 - zerstörtes 774 Lebensgeschichte - des hl. Jacobus de Marchia 1010-1013 Lebensplan 689 Lebensstil 1524 Lehramt(es) - als Wächteramt 1101 f. - der Kirche 39, 305, 1036, 1109, 1409, 1592 - der Priester 85 - päpstliches (Äußerungen des) 37, 39, 42,45-49 Lehrauftrag 41 f. Lehre(n) - der (Heiligen) Kirche 555, 947, 953, 1090,1294, 1318, 1408 - des Zweiten Vat. Konzils 730, 968, 1335-1340, 1385 - Jesu Christi 757 - katholische (u. orthodoxe) 1245, 1411,1443 - „L. von Nazaret” 1127 - Studienkongress über die L. J. E. de Balaguer 1164-1166 - vom Kreuz 611 - von der Taufe 705 1684 Lehrer 486, 492, 1001 - als Zeugen 724 f., 1187 f. - Ausbildung der 724 - falsche L. des Lebens 545 f., 1118 f. -Märtyrer als 1163 - Weiterbildung der 723 Lehrgewalt (ex cathedra) 46 Leib(es) - Einheit von Seele und 1053 f. - ist ein Tempel des Hl. Geistes 517 - menschlicher 1053 Leib(es) Christi 517,645 - Aufbau des 139, 156, 190 f„ 281 - Einheit im 88, 515, 727 - Glieder des mystischen 195 f. - Sakrament des 964 - Teilhabe am 273 Leid(en/ens) 137, 299-301, 535, 749, 1004 f„ 1128, 1186 - Afrikas 751 f. - der Armen 701 - der Flüchtlinge 774 - der Menschen 605, 684, 986, 1259 - des albanischen Volkes 72 f. - des (durch) Krieges 238, 699 f., 749 - im Sudan 339 - in Bosnien-Herzegowina 744 - in der ganzen Welt 239 f., 313, 441 - Jesu Christi (Anteil an L.) 59, 296, 300, 684 - Sinn des 1258-1260 - und Hoffnung 1260 - und Kreuz 571 Leidender(e/en) 748-751,973,985 Lesung - der heiligen Schriften (lectio divina) 1605-1607 - geistliche L. (lectio divina) 1606 f. Liberalismus 591, 1469 Licht 64, 1269 - Christi (L. der Welt) 5 f., 104, 224, 238, 240, 246, 271, 283-287, 290-295, 463, 466, 604, 800-802, 804, 1014 - der Erlösung 59 - der Hoffnung 284, 372 f. - der Offenbarung 379 - der Vernunft 379 -der Wahrheit 285, 319 f. - des Evangeliums 5 f., 293, 304, 321 f. - des Guten 283-287 - Kinder des 284 f. Liebe 12-14, 141, 152, 247, 258, 260, 466, 523, 529, 549, 572, 660, 686 f„ 745, 762, 847-849, 855 f„ 897, 903, 954, 1148, 1275, 1283, 1293, 1326, 1348 - berufen zur 208-210, 1029 - Bund der 1326 - christliche 511 - das Hohelied der 492 - Dialog der 13, 994 - eheliche 1221-1223 - Einheit in der 926, 1349 - Eucharistie als höchster Ausdruck der 648 f. - evangelische 1413 - Evangelium der 925, 958 - Gott ist 855, 867, 1022, 1033 - Gottes 12 f„ 41, 143, 259 f„ 279-283, 298, 386, 402, 429, 442, 492, 550, 674 f„ 851-856, 900, 955, 1348 f. - hingabevolle 534, 755-757 - Ideal der 615 - Jesu Christi 115-119, 133, 279-283, 311, 403, 459, 511, 539, 627, 649, 663, 847 f., 1011, 1159, 1336 - Kultur der 400 f., 465, 560, 852, 1111, 1217, 1224, 1279, 1341 - Universalität der 132 f. - Weg der 686, 762 - Zivilisation der 283, 552, 554, 566, 750, 983 - zu den Armen 525 - zu den Leidenden 748-751 - zu den Menschen 649, 1090 -zuGott 40f„ 115,213,1025, 1029, 1076 - zu Jesus Christus 488, 911, 925 Liebesgebot(s) 86, 132 f„ 245, 982, 1033 1685 Liturgie 24, 155, 466, 963-965, 1289, 1292, 1420-1425, 1498, 1510, 1605 f. - der Osterzeit 63 f., 835 f. -des Advents 1251 - des Aschermittwochs 759 - eucharistische 466 -Feierder 1293 - transzendenter Charakter der 1293 Logik 592 - der Gewalt 587 Lutheraner - Katholiken und 846 f. Macht - der wissenschaftlichen Erkenntnis 380 - des auferstandenen Sohnes 837 - des Evangeliums 1347,1357 -in der Kirche 1571 Märtyrer 178, 319, 364 f., 788 f., 1089,1151, 1159, 1338 - als Kämpfer des Glaubens 1161 f. - als Lehrer u. Erzieher 1163 - als Vorbilder christl. Lebens 1162-1164 - als Zeichen der Heiligkeit der Kirche 1162-1164 - der Unabhängigkeit (1991) in Vilnius 577 - italienische 1160, 1163 - Litauens 578 - Opfer der 290 f. - sind Jünger Christi 294 - spanische 1159 f., 1162 ff - ugandische 23-26, 165, 288-294 - Verfolgung von 1160 - von Barbastro 747 Mafia 388 f., 392, 404-407, 409, 426 Maria(s) 93, 173, 199, 254, 456, 561,575,6141,626, 934, 1121-1129, 1239-1241, 1273 1, 13051 - als „Pforte des Himmels” 678, 682 - als „Sitz der Weisheit” 977, 1109 - als Gottesmutter (Theotokos) 3 1, 74, 110-113, 165, 223 1, 452, 471, 476, 598, 682, 920-922, 1125, 1280 - als treue Weggefährtin 403, 5341, 12731 - als Typus (Vor- und Urbild) der Kirche 112,211,2161,383,385, 417, 439, 556, 626, 871, 1109, 1125,1228,12731,13051 - Aufgabe M.s in der Heilsgeschichte 628 1, 1273 1 - Aufnahme M.s in den Himmel 42 1, 47, 558 - bei der Verkündigung in Nazaret 6251,664 - Botschaft des Engels Gabriel an 416 1, 625 1, 664 - das „fiat” 105, 110-113, 419, 439, 561, 1124 - dem Schutz M.s anvertraut 2941, 370, 439 1, 465, 469, 503, 541 1, 627 - die erste Jüngerin des Herrn 627 - die Magd des Herrn 83 - die Rolle M.s im Leben des Priesters 109-113,452 - Elisabet und 417 - führt die Gläubigen zur Eucharistie 464 - Fürsprache 13, 65, 301, 419, 472, 922 - geht dem Volk Gottes voran (Licht des V. G.) 105, 165, 383, 629 -Glaubensweg 417 f„ 439, 604, 1124 ' - im Abendmahlssaal von Jerusalem 417 f. - Jungfrau 27, 35, 922 - Königin des Friedens (der Apostel) 4-6, 154, 164, 206, 295, 558, 628, 941,1151,1182,1398 - Leben u. Sendung 1131 - Lehrerin des Gebets 45 - Liebe 922 ; - Madonna auf dem Monte Col 1004 - Magnifikat 557 f„ 561 f„ 776, 1131 - Mariengebet: „Engel des Herrn” .439 - Mutter der Barmherzigkeit (des Vertrauens, des ...) 576 f., 974, 978,1108-1110 1686 - Mutter der Kirche 75,109,149, 206, 561 f„ 576, 626, 1124 f. - Mutter des Erlösers 35, 216 f., 385, 387,419, 534 - Mutter (vom Guten Rat, aller) 41, 72, 295, 368-370, 556, 628, 661 - Stern der Evangelisierung 57,109, 188 f„ 456,471 f„ 476, 767 f„ 846, 938, 1178,1239,1395 - Unbefleckte Empfängnis 42 f., 47, 216 f„ 757 - universale Mutterschaft 41,110-113,704 - Weihegebet an (Gehet zu) 254, 438, 476-478, 1239-1241 Marienheiligtum(-tümer) 160, 246, 482 - der Madonna vom Guten Rat 363 f., 369 - des Baltikums 162 - Gnadenbild der „Madonna Porta Pa-radisi” 678 - Heiliges Haus Loretö (700 Jahre) 1121-1129 - in Aglona (Lettland) 625-630 - Mutter vom Trost 439 - Santa Maria del Sasso 661 f. - Tor der Morgenröte in Wilna 154, 162, 165, 576 - Unsere liebe Frau der Könige (Sevilla) 456 f. - Unserer Lieben Frau de la Almudena (Madrid) 481 f. - Unserer Lieben Frau de la Cinta 475 - Unserer Lieben Frau der Wunder (Kloster v. La Räbida) 472, 476-478 - Unserer Lieben Frau vom Roclo 468, 472 - Unserer Lieben Frau von La-Vang 565 Marienverehrung 109-113,162, 294 f., 468-470, 628, 659, 661 f„ 934, 985, 1305 f. Mariologie 757 Marktwirtschaft 634, 1482-1487 Martyrium 1086-1090 - der albanischen Kirche 364-368 - des hl. Johannes Nepomuk 788 f. - der täglichen Pflicht 1160 f. - für die Kirche 1159-1162 - ist Zeichen der Heiligkeit der Kirche 1089 - Petri 16 Marxismus 585, 590, 634, 1469 Materialismus 580, 599 Medien 778 f., 1220, 1402 f., 1409, 1539 - christl. Botschaft in den modernen 924, 1294 f. - der sozialen Kommunikation 923 - Gewalt in den 948-950 - katholische 778 - Kirche und 777-779, 1295 - Massen-M. 923, 950, 966, 1146, 1390, 1609 - Verantwortung der 555 - verantwortungsvoller Gebrauch der 924 f. Meditation 755-757,1606 Medizin 421-423 - Humanisierung der 750 - psychiatrische 706 Mensch(en) 170-172, 333 f„ 592, 661, 720, 1073, 1134,1174,1223, 1257 - Achtung vor jedem 45,132 f., 236 f„ 309 f. 313, 601, 696, 1212-1216 - als Abbild des Schöpfers 41,137, 173 f„ 198, 272, 280, 374, 542 f„ 605, 619 f„ 635, 707,1021, 1312, 1540 - als Geschöpf 379, 425 f„ 1284 - als Kind Gottes 183 - als Krönung der Schöpfung 50, 1001-1004, 1464 - als Mittelpunkt 635 - als Opfer 717 - als Ware 424-427 - als Werkzeug Gottes 706 - als Zeuge der Wahrheit 801 - alter 473, 731, 1004 f„ 1521-1525 1687 - Arbeit und 424 f. - Aufgabe des 548 f. - bedarf der Erlösung 160 - Bedrohung des 721 - Berufung des 272, 543, 597, 625, 955, 992, 1020 - der heutige 760, 787 f. - der M. der sich dem Glauben öffnet 409, 707 - der neue 15, 413, 679 - Dienst am 122 f„ 132-136, 378, 643, 886, 902, 934, 1090 f„ 1146, 1344-1349, 1397 - Frage des 543, 591 f„ 1106 f. - Freiheit des 173 f., 634, 707, 1017, 1033, 1040, 1043, 1047, 1058, 1067, 1083, 1446 - ganzheitliche Entwicklung des 1184, 1463 - ganzheitliche Förderung der 575, 589,1169-1171 - Geheimnis des 475, 706 f. - Geschichte des 1118 - Gott und 629, 701, 703, 706, 895, 1048,1060 f. - gottgeweihte 747 - Herz des 602, 607, 680 - ist ein Beziehungswesen 481,635 - junge 670 - Leben des 20,131, 330-333, 380 f„ 524, 527, 560 - Leiden der 605, 684 f., 986, 1259 - letztes Ziel des 1072 - Natur des 201, 223, 1057,1223 - ohne Gott leben 591 - Rechte des (aller) 34 f., 44, 240, 242,313, 652 f„ 698, 775 - Sehnsucht des 391,1019 - Solidarität zw. 1184 -Sündedes 1108 - Teilhabe des M. an der göttl. Herrschaft 1045 - Teilhabe des M. an Gottes Schöpfung 542 f. - transzendente Bestimmung des 634, 1450 - und Gesellschaft 631 - und Kirche 319, 1015 f., 1106 f. - Wahl des 790 f. - Wahrheit über den 206, 963, 1080 f. - Wert des 635 - Würde des 34, 173 f., 198, 223 f„ 242, 303 f„ 313, 340, 374, 458,514, 578, 586, 651, 752-756, 929, 960, 962, 1047, 1093, 1243, 1408, 1446, 1522 - Zeugung des 223, 1223 Menschengeschlecht(es) - Einheit des 100, 1166 f., 1174 - wahrer Fortschritt des 997 f. Menschenrecht(e) 35 f., 70 f., 593, 720 f„ 754, 998, 1210, 1336, 1464, 1620-1625, 1624 f. - Achtung der 333-336, 655, 696 f„ 713, 715, 1613 - als angeborene Naturrechte 1468 - Codex der 497 - Definition der 587 - internationale 1625 - Kultur der 656 - Unteilbarkeit der 1622 - Verletzung der 246, 1624 f. - Verteidigung der 133 - Wahrung der 529, 587, 1284 - Weltkonferenz über die M. (Wien) 497,1620-1624 Menschenwürde 584, 707, 1202 - Gewalt ist Leugnung der 555 - grauenhafte Verletzung der 34 f., 506 - im Krankenhaus 1257 f. - steht vor nationalen Interessen 752-755 - und Religionsfreiheit 1242-1245 Menschheit 381, 593 - als solidarische Familie 1271-1273 - gemeinsames Gewissen der 497, 695, 998 - Geschichte der 598, 648, 1118 - solidarische Entwicklung der 1463 - Verantwortung der gesamten 1254 - Verbrechen an der 559 - Zukunft der 489 Menschheitsfamilie 250, 272, 309, 498,753,928,1271-1273 -Einheit der 100, 1166 f., 1174 1688 Menschwerdung 1002, 1311, 1409, 1572, 1610 - als Allianz des Friedens 613 -des Wortes 1122 f., 1125,1176 - Geheimnis der 201 f., 625, 709, 863, 865-868, 871, 1123 f., 1254, 1259, 1358, 1389, 1407 - Heiligtum der 1125 - Jesu Christi 202, 224-226, 552 f., 605, 726, 1259, 1269 f. - Realismus der 866 Messe 1199, 1361 Messias 6, 58 f., 621 f., 745 f., 761 Methode(n) (der Interpretation) - diachrone 1546 - exegetische 1545 f. - histor.-kritische 1543,1547-1552 - Pluralismus der 1546 - synchrone 1546 Metropolitankirche(n) 996 Migranten 1615 - Seelsorge für 1173-1176 - Tag für die 206 Migration(en) 1173-1176 Minderheit(en) 3341,1130 - Recht der 1244, 1405, 1623 Ministrant(en) 171 f. Mission(en) 38, 586, 916, 937, 1000, 1189 1, 1376, 1448 f. - Anbruch eines neuen Missionszeitalters 1305 -Arbeitder 281 - der Kirche 507, 939, 972, 1176, 1355, 1379 - für die Eheleute 673-676, 905 - Geist der 676 -inAfrika 3161 -inAsien 915-918 - in der Familie 673-676 - in der Mongolei 10001 - Lettlands 621 Missionar(e) 104, 188, 274 1, 314, 323, 332, 507, 516, 522, 551, 747, 1190, 1306, 1370 - China-M. 501 - Comboni-Patres 281, 316 1 - Consolata-M. 970-972 - des Evangeliums 687 - in Mozambique 1350 - in Nigeria 1366 - Jugendliche als 56, 145 1, 688, 1219, 1265 f. - katholische 1474 -Kinderals 896-899,1189 - Laien als 1442 - spanische 462, 472, 485 Missionsauftrag 415 f., 1287, 1448 - der Laien 1442 Missionsländer 1371 Mitleid 1283 f. - Jesu 116 f. Mitmensch(en) - Hingabe an die 926 - Liebe zu den 649 Mißbrauch - der sozialen Kommunikationsmittel 949 - von Alkohol 514, 1472 Mönch(e) 666 Mönchtum - der Benedikter 120 Moral 486, 1016, 1092-1095, 1098-1100,1328,1449,1484 - „Antwort” auf die Fragen der 1105 - „Quellen der Moralität” 1073 - autonome 1074 - biblische 1080 - christliche 475, 1029 f., 1108 f., 1435 - der Gesellschaft 966 - des Evangeliums 1020, 1098 - des Neuen Bundes 1067 -Glaube und 1017,1085,1087, 1438 - Grundprinzipien der 1377 - Kultur der 1396 - menschliche 1044 - ohne Freiheit 1041 Moralgesetz 193, 198, 1450 - natürliches 1043 Moralkatechese - der Apostel 1034 1689 Morallehre -der Kirche 172 f., 1016,1018, 1328, 1404, 1446,1630 Moraltheologe(n) 1102 f. Moraltheologie 1037 f., 1101, 1209 -Aufgabe der 1102 - Beurteilung einiger Tendenzen • heutiger 1037-1081 - Exegese und 1598 f. - Grundlagen der 1017 - und Humanwissenschaften 1102 f. Mord 1079 - an dem Militärbischof von El Salvador 107 Motu Proprio - Ecclesiae Sanctae (Papst Paul VI.) 765 f. Musik 420 f. - als Gottesverehrung 1275 Muslime 23, 301 - Gebetstreffen der Juden, Christen u. 235-254 - und Christen 26, 268 f., 336, 338, 498, 733 f., 1462 - Verfolgung der 70 , Mut 285, 298, 426, 444-447 - der Heiligen u. Seligen 797 - zum Frieden 715, 772 f., 1149 Mysterium siehe: Geheimnis Mystiker 1112 Nachfolge 170-172, 290 f„ 399, 401, 436, 539, 659, 1031 - apostolische 481 - Christi 688-690, 1028-1031, 1067, 1109, 1439 - echte N. des Herrn 63, 120, 139, 185, 277, 281 - Weg der 306 Nachfolger - des Petrus 16-19, 28-31, 36-39, 42 f„ 45-49 - Vollmacht der Apostel und ihrer 16-19, 52 f., 57 f„ 141 Nächstenliebe 32, 127, 133, 207-210, 259, 284, 287, 370, 554 f„ 649, 782, 803, 926, 981 f„ 984, 1025, 1076, 1157,1344-1349, 1462 - des Priesters 115 f., 118 - Dienst der 852 - Eucharistie und 463 - Gebot der 386, 628, 1024, 1026, 1029, 1033 - Zeugnis der 432, 937 Nächster(n) - Dienst am 412, 852, 984 - Gemeinschaft mit dem 788, 982 Nahrung 1210 - Recht auf 1202 Nation(en) 941,1143 - aus mehreren Volksstämmen 713 - Autonomie einer 696 f. - friedliches Zusammenleben der eu-rop. 942 - Gegensatz zw. reichen und armen 380 f. - gegenseitige Abhängigkeit der 315 f„ 586 - italienische 1143 - Wiederaufbau der 303 f., 363 f., 374 f. Nationalismus 1150 - aggressiver 373 Natur 119,380 - des Menschen 201, 223, 1057, 1223 - Freiheit und 1051, 1055 - Schönheit der 5481,1004 - Sprache der 893 f. - Wunder der 349 Naturalismus 1052 Naturgesetz(es) 1017, 1046, 1048-1050, 1054, 1057, 1061, 1071, 1078 - Universalität des 1055 f. Naturkatastrophe(n) 714,1377 f. Naturrecht(e) - Menschenrechte als angeborene 1468 Naturreligion(en) - afrikanische 23 Nazismus 590 f. 1690 Neuevangelisiemng 33,154, 163, 188, 259, 262 f„ 386, 396, 452,455, 474, 484,491, 493, 519, 538, 570, 599, 608, 624, 680 f„ 685, 688, 747 f„ 824, 876, 880-884, 899, 901, 926, 934, 936 f„ 944, 1000 f„ 1098-1100, 1120, 1140, 1158, 1187, 1227, 1236, 1299, 1312-1317, 1321, 1328, 1339, 1388 f., 1405, 1411, 1435, 1439, 1454,1527,1530, 1533 - Aufgabe der 669, 776, 792, 799, 1166, 1314 - Aufgabe der Laien bei der 1356 f. - Auftrag zur 907 - braucht neue Zeugen 483 - der christl. Eheleute 905 - der ganzen Welt 476, 899 - der Kirche 937 - Einsatz der Ordensleute in der 1227 - Europas 839, 841-846, 1134 - Familie u. Leben als Mittelpunkt der 785 f. - Herausforderungen der 1289 -in Kanada 1318 - in Lateinamerika 695 - Jugend als Apostel der 56, 145 f., 688, 1219,1253,1265 f. - Kreuz und 986 - Ungarns 940 New-Age-Bewegung 1416 Norm(en) - allgemeine u. unveränderlich sittliche 1057, 1059,1090-1092, 1103 - für die Interpretation der kanonischen Gesetze 735-737 - Kompetenz der Kirche hinsichtl. sittlicher 1044, 1090 - moralische 1308 Not - der Jugend 284, 538 - die zu Zwangsauswanderung führt 1174 - in Somalia, 713 Ökologie 377-382, 546, 1639 Ökumene 289, 337, 624, 726, 912-914 -Bibel in der 1609 f. - Exegese als Beitrag zur 1609 - für die Ö. beten 124 Ökumenischer Patriarchat - von Konstantinopel 992-994 Ökumenismus 11, 162 f., 647, 655, 1246 - ist Gnade 620 - katholischer 913 - kultureller 632, 636 - Voraussetzungendes 619 Offenbarung 378 f„ 425, 1480 f„ 1582, 1587, 1599 - des Evangeliums 64,408 - des Messias' 745 f. - geschichtl. Charakter der biblischen 1572 - Gottes 27 f„ 193, 305, 358, 434, 439,726, 956, 1024,1044 - Licht der 379 Offenbarungszelt 103 Opfer 221,339,535 - Christi 1199 - der Hungersnot 340 - der Märtyrer 290 f. - des Lebens für den sittl. Wert 1090 - des nazistischen Völkermordes 821 - eucharistisches 273 -Menschals 717 - Sorge um die 966 - unschuldige 130, 136 - (Zeugnisse von) Ö. des Krieges 98, 100, 115, 138, 236-238, 248-250, 313,772, 1149, 1624-1627 Opferbereitschaft 921 Opfertod - Christi 57, 101, 142, 202, 280-283, 311,1199 - der Märtyrer 178 OpusDei 1164-1166 Ordensfamilie 917, 925 Ordensfrauen 324, 332, 389, 748, 786, 909-912, 1343, 1351 f„ 1369 f. - als Botschafterinnen der Hoffnung 1333 - am Kongo 1332 f. - heilige 797 - in Litauen 575 1691 Ordensgemeinschaft(en) 277, 1157, 1288, 1402 - Berufungen in den 1140 - der Kapuziner-Klarissen 917 f. - der Karmelitinnen 831 - der Klarissinnen 251-254,1112-1116 - der Oblaten vom hl. Josef 677 f. - der Prämonstratenser 899-901 - Franziskaner-O. 662 - Kleine Missionsschwestem von der Liebe 925-927 - kontemplatives Leben der 252 - Nachwuchs der O. in Ungarn 1402 - rechtmäßige Autonomie der 1368 Ordensinstitut(e) 1228 Ordensleben(s) 324,910,916,945, 1297 f., 1307, 1333, 1363 f„ 1370, 1398, 1418 f. - als Geschenk Gottes an seine Kirche 747, 1352 - als Zeichen in der Welt 745-748 - Berufungen zum 747,1290, 1365, 1371 - Erneuerung des 1325, 1418 f. - Förderung des 1376 - in den Vereinigten Staaten 1418 f. - in Sambia 1398 Ordensleute 150, 331, 388 f., 411-414, 446, 525 f„ 564, 570-576, 670, 899, 945, 1001, 1257, 1288, 1307, 1316, 1325, 1339, 1368 - als Apostel des Gottesreiches 1226 - als Eigentum Gottes 1225 - als Zeichen u. Träger der Liebe Gottes 1227 - Aufgabe der 446 - Berufung der 277 - Charismen der 1224-1228 - Dienst der 277, 282 - Einsatz der O. in der Neuevangeli-sierunge 1227 - geben Zeugnis für die Wahrheit 324 - Hilfe der 265 - in Australien 1298 - in den Priesterseminaren 1490 f. -inMalawi 1347 - in Neuseeland 1356 - und Laien 1227 - von Jamaika 509 - Zölibat u. Jungfräulichkeit der 1376 Ordensmänner 324, 748, 786, 1168, 1343, 1351 f„ 1369 f. Ordnung(en) 735 - der kirchlichen Gemeinschaft 876 - des menschlichen Zusammenlebens 652 - gerechte 653 - objektive sittliche 1080 Organisation(en) - der Vereinten Nationen siehe: UNO - humanitäre 699 - internationale 699 - nichtstaatliche 1639 Organübertragung 1209 Orientalische Kirchen - Union der Flilfswerke für die (R.O.A.C.O.) 980-982 Orthodoxe(n) - Katholiken und 99, 727-729, 969 Ortskirche 1350,1591 - Aufgabe der 739 f. Osterbotschaft 61, 365, 837-839 Ostergeheimnis 330-333, 366, 936, 1125 Osterkatechese 366 Ostern 27 f., 60, 62-64, 835 f„ 883, 915 - als Zeit der Erneuerung 1340 Pädagogik 723 Päpstl. Bibelkommission 1542-1612 Päpstliche Akademie der Wissenschaften 378,1183-1185,1212-1216 Päpstliche Diplomatenakademie 780 Päpstliche(n) Kommission für Rußland - Richtlinien der 728 f. Päpstliche Missionswerke - 150. Jahrestag des P. Kinder-missionsw. 895-899 Päpstliche Schweizergarde 79 f. 1692 Päpstliches Institut für die Ostkirchen 1245-1250 Päpstliches Werk der Hl. Kindheit 1211, 1631 Pallium 994-997 Palmsonntag 55, 817 Papst(es/Päpste) - 15. Jahrestag der P.wähl 1171-1173 - als Bote der Hoffnung (u. Versöhnung) 391,713 - als Diener der Diener Gottes 653 - als Haupt der Kirche 150, 333 - als Hirt der ganzen Kirche 37, 483 - als Lehrer der Gesamtkirche 38 - als Nachfolger Petri (Statthalter Petri) 43,45 f., 280, 291, 1480 f. - als Pilger (des Evangeliums) 144, 148, 394, 415, 587, 600, 617, 638 - Appel des P. (für den Frieden) 19, 34, 66, 124, 130, 149, 247 f., 313, 524,715,750, 764, 1151 f. - Aufgabe des 39, 48, 264 - Begegnung des P. mit der einheimischen Bevölkerung 144 f. - Besuch des P. in Spanien 104 f. - Gebet des 433 f. - Gehorsam gegenüber dem 659, 1180 - geistl. Lehre des 945-948 - Hirtenauftrag des 36 - höchste Gewalt des 29-31 - Hoffnung des 333 f., 1171-1173 - Johannes XXIII. 94, 945-948 - Pastoralbesuch des P. (in Denver) 144-147, 159, 255, 352 f„ 361-364, 639 f„ 1154 f„ 1263 f. - Paul VI. 109 - Petrus der erste 544 - Pilgerreise des 21, 148 f., 154, 161, 164 f., 301 f., 312,712, 1263 f. - Sendungsauftrag des 39 f., 371, 440 - und Bischofskollegium 29-31,37, 483 - und Jugendliche 145-147,443 f. - Verantwortung des 47 f. Parusie 435, 437 Paschamysterium 1218, 1316 - Christi 915 Pastoral (siehe auch: Seelsorge) 942, 1126 - der Arbeitenden 1392 - der Arbeitslosen 1392 - der Flüchtlinge/Migranten 1174 - der geistlichen Berufungen 1288 - Familienp. 305 f., 310, 502, 738-741, 744, 784-786, 904-907, 958, 1221 f., 1289, 1296 f„ 1304-1312, 1333 f., 1342, 1378-1386, 1396 f„ 1427, 1526-1534 - für die Kinder 785 - Jugendp. 485, 670, 889, 1296 f., 1301, 1309-1312, 1382 - P.-Pläne für die Kommunikation 777 - Tourismusp. 1312 Pastoraleinheit(en) 670, 692 Pastoralinstruktion - Aetatis novae 777 f., 923 Pastoralsynode - der Diözese Rom 84 Patriotismus 11504 Person(en) - Achtung der menschl. 529, 1093 f. - christliche Aussage über die 425 - Fördemng der menschl. 133 - Liebe zur menschlichen 1090 - Recht der 45, 919 - Schutz der Rechte u. Freiheiten der 497, 528 - Unantastbarkeit der 1079 - Wert einer jeden 314 - Wohl der 1024, 1054 f„ 1082, 1613 - Würde der menschl. 144,184,192, 236,280, 335, 425, 514, 696-701, 919, 1024, 1057, 1091 f., 1166 f„ 1397, 1447, 1625 Petrusamt(es) 29-32, 36 Pfarrei(en/Pfarrgemeinde) 156, 170 f„ 311,650, 692, 859 f., 1157, 1322, 1380, 1431 - als brüderliche Familie 1175 1693 - Aufgabe der 739 f. - der Stadt Rom 859-861,1278 -Dienst in der 1384 - Erneuerung des Pfarreilebens 1431 - Gastfreundschaft der 1174 f. - Heranbildung der Laien in der 511 Pfarreischulen - in den USA 1412 Pfarrkirche 860 - fehlende P. in der Stadt Rom 859-861 Pfingstfest 435, 883, 936, 1125 Pfingstgeist 647 Pfingsttag 93, 365 - Jerusalem am 538 Pflicht(en) - der Bischöfe 151 f., 1106 - der Christen 66, 619 - der Eltern 268 - der Familie 1537 f. - der Staaten 721 - Entwicklung als moralische 1465 - Kultur der Rechte und 1144 Physizismus 1052 Pilger - äthiopische 968 - des Friedens 4-6 - jugendliche 541 - norwegische 1154 f. Pilgerfahrt 1217 - Ad-Limina Apostolorum 957 - ungarische nationale 1156-1158 Pilgerweg - der Kirche 990,1329 f. - des Glaubens 145, 556 f„ 905 f. Plan Gottes 7,13, 16 f., 111, 196, 216, 228, 615, 625, 675, 1031 f. Pluralismus 499 - der exegetischen Methoden 1546 - kultureller u. religiöser 356 f. Politik 1393 f. -Agrarp: 351 f„ 1205, 1636, 1639 - Entwicklungsp. 1639 - Erneuerung der 406, 732 f. - Ethik in der 1484 - Kirche und 484, 732 f. - Sloweniens 754 -und Priester 132-136 Politiker 130, 138 Pornographie - in den Medien 948-950 Prägemal 54 - als unauslöschliches Zeichen 89 Predigt(en) 68 f., 1608 - an Aschermittwoch 759-761 - bei der Abschlußmesse des Weltjugendtages 557-562 - bei der Begräbnisfeier für Kadinal Sebastiano Baggio 804-807 - bei der Bischofsweihe 708-710 - bei der Heiligsprechung in Madrid 487 - bei der Weihe der Kathedrale in Madrid 478-482 - Bergp. 1027 - der Priester 67-70 - des Evangeliums 1285 - in der Jahresschlußmesse 1277-1280. - während der Exequien für Kardinal F. Carpino 1152-1154 - während der hl. Messe in der Weihnachtsnacht 1268-1271 - zum Abschluß des 45. euch. Weltkongresses 460-463. Presbyterium(s) 155-158 Priester(s) 85, 89-92, 118, 128 f„ 138-142, 323 f„ 388 f„ 411-414, - 445 f„ 485, 491-496, 525 f., 541, 564, 570-576, 787, 966, 986,1157, 1195-1198, 1278 f„ 1288, 1294, 1301, 1307, 1339, 1351, 1356, 1367 f„ 1369 f„ 1384 f„ 1400-1402, 1423, 1428,1591, 1616-1620 - als Beichtvater 788,810-814 - als Diener (und Verwalter Christi) 82, 117, 166 f., 788, 810-814, 932, 1179 - als Hirten des Gottesvolkes 607 - als lebendiges Werkzeug Christi 89-92, 101, 1179 f. 1694 als Mann des Gebets 94-98, 451 f. als Mann Gottes 89, 115 f., 118, 129 als Verkünder des Evangeliums 931 als Verwalter der Eucharistie 449-451, 827 Aufgaben der 53, 66-70, 85-88, 128 f„ 168 f„ 278, 508, 1323 Auftrag an die 169 Austausch der P. unter den Diözesen 766 f. Berufung zum 278, 281, 456, 494, 650,816, 825-828, 946,1179, 1341 f. Bildung des 931-934 Bischöfe und 51-55,85,1401, 150-153, 1494 Brüderlichkeit der 1178-1182 Bußsakrament und 97 f. Charismen des einzelnen 76, 78 die Rolle Marias im Leben des 109-113,452 Dienstdes 541,75-78,117-119, 1221, 132-136, 1501, 155 1, 258, 260, 281, 331, 388 1, 494 1, 1342 Eucharistie im Leben des 100-103, 118 Evangelisierungsauftrag des 75-77 Gehorsam der 1511 geistliche Vaterschaft des 1347 Heiligkeit des 810-814,934 Hirtenliebe des 281, 3231,450 Identität des 53-55, 95, 932, 1180, 16171 in Litauen 572, 574, 1339 in Polen 1384 1 in Ungarn 1400 1 Katechese über die 51-55,101-103, 115-119, 138-142, 150-153, 155- 158, 166-172 Kirche und 67,1181 kranke, alte, notleidende 984-987 Leben (und Sein) des 126-129, 916, 931 Lehramt, Priesteramt u. Hirtenamt des 51-56, 66-69, 75-82, 85-92 Pflichten der 152 Politik und 132-136 Predigt der 67-70 - Sendung (Sendungsauftrag) der 51-55, 79-82, 132-136, 508, 1619 f. - Sorge der 169,450 - Teilhabe am Priestertum Christi 90, 97, 101, 150, 155 -undBischöfe 51-55,150-153,1494 - und Gläubige 166-169 - und Jesus Christus 89-92, 96, 101 f., 129, 573, 931-934, 985 - und Laien 167, 190 f. - Verantwortung der 86 f., 1196 - Verhältnis der P. untereinander 155-158, 1347 - Vertrauen der 1181 - Vollmacht der 80 - Weiterbildung der 27, 151 f., 324, 769, 1181, 1331 f. - wird „Sacerdos et Hostia” 80, 91 f., 101-103 - Zeugnis der 281,452 - Zölibat u. Jungfräulichkeit der 1376 Priesteramt(es) 78-80, 85, 278, 445 f., 1398 - Aufgabe des 78 f. - Auslegung des 54 f. - Berufung zum 825-828, 1307 - Lehre der Kirche über das 101-103 - theologale Wurzeln des 572 Priesteramtskandidaten 331, 493, 575, 1197, 1303, 1362 - Bildung von 769 - Charisma der 1425-1430 Priesterausbildung 492-494, 508 f., 877 f„ 931, 1181, 1197, 1288, 1298 f., 1303, 1307, 1323, 1330-1335, 1339, 1347 f„ 1356, 1362, 1368, 1370 f„ 1398,1402, 1417 f„ 1423, 1428, 1488-1521, 1618 f. - die Rolle des Bischofs bei der 1494 - Mitarbeit von Laien in der 1495 Priesterbund - marianischer 984-987 Priestergemeinschaft(en) 985, 1384 Priesterkollegium(s) 446 Priestermangel 52 f., 176, 180, 765, 1322-1324, 1348, 1351, 1424, 1432 1695 Priesterseminar 397, 1488-1521 - in Moskau 1135 - in Polen 1391 - Ordensleute in den 1490 f. - Römisches 757 - verschiedene Ämter im 1505-1507 - von Saint-Gall 262 Priestertum(s) 101,116,892,1197, 1315, 1370, 1428, 1617 - allgemeines P. der Gläubigen 80, 220-222, 873, 986, 1322 - als Geschenk Gottes 1179, 1182 - als Sakrament 1179 - Amtsp. 826 f„ 873, 933, 1322 -Berufungzum 816,1195-1198, 1255 f„ 1290, 1298 f„ 1307, 1356, 1365, 1371 -Diakonat und 175-177 - Einsetzung des 51-55,139 - Eucharistie und 101-103,449 - ist immer Teilhabe am P. Christi 51-55, 150, 155,493,933, 1180 - J. Chr. 51, 150, 493, 932, 986 - Katechesen über das 51-55 - Schriften des NT zum 51-55 - Wesen des 121 f. Priesterweihe 51-56, 74, 89, 105, 117,452, 892, 932, 1288, 1314 - Gnade der 828 f. - Predigt bei der 449, 452 - Sakrament der 140, 257 f., 829 Primat - des Papstes (der Nachfolger Petri) 16-19, 29 f. Prinzip(-pien) - das Verantwortlichkeitsp. 1613 - derCommunio 883 - der Solidarität 1614 - der Teilhabe 151 - marianisches 369 - pretinisch-apostolisches 369 Privateigentum(s) 635 Prob lem(e) - der Arbeitswelt 424-427 - der Landwirtschaft 1635 - der Stadt Rom 730-733 - des Primats 29 f. - gesellschaftliche u. politische 356, 707 - in Afrika 21 f. - in Süditalien 405 - nationale u. internationale 1136 - soziale 466 Professor(en) 486 - als Erzieher 1506 f. Prophet(en) 318 - Erbe der 999 -falsche 545 f„ 601, 1118 Proportionalismus 1074 Proselytismus 728 f. Prostitution 1312 Protektionismus 1205 Psalm(en) 345 Pseudokultur 473 Psychiater 706-708 Psychologie - und Theologie 1565-1567 Qumran 1560 Rassismus 1331, 1404, 1455 Rat(Räte) - der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) 839-846 - evangelische 331 f„ 747 f. - Päpstl. R. der Seelsorge für Migranten u. Menschen unterwegs 774 f., 1173-1176 - Päpstl. R. für den Dialog mit den Nichtglaubenden 808-810 - Päpstl. R. für die Familie 738-741, 784 f., 948-950, 1221, 1465-1474, 1521-1534 - Päpstl. R. für die Interpretation von Gesetzestexten 736 f. - Päpstl. R. für die Kultur 808-810 - Päpstl. R. für die Laien 1200-1202 - Päpstl. R. für die Pastoral im Krankenhaus 1209-1212 - Päpstl. R. für die soz. Kommunika-tionsmittel 777-779, 948-950 - Päpstl. R. zur Förderung der Einheit der Christen 969 1696 - Päpstlicher R. „Cor Unum” 774 f., 1474, 1482-1487 Recht(e) - auf Arbeit 347 - auf Gewissens- u. Religionsfreiheit 70, 274 f„ 303 f„ 340, 498, 1040, 1243 f. - auf Leben 303 f., 528, 1138, 1381, 1468, 1583, 1540 - auf Nahrung 1202 - auf Selbstbestimmumg 941, 1623 - das Kanonische R. 872-876 - der älteren Menschen 1521-1525 - der ärmsten Länder auf Entwicklung 697-701 - der Eltern 1470 - der Familie (siehe auch: Charta für Familienr.) 1358, 1465-1474, 1469 f., 1529,1537-1542 - der Flüchtlinge 1173 f. - der Frauen 1433 - der Kinder (siehe auch: Konvention der ...) 566, 785, 1212, 1465-1474, 1538, 1631 - der Person 44, 919 - der Völker 652 f. - des Menschen (aller) 34 f., 44, 240, 242,313,6521, 698, 775 - des Ungeborenen 554 - Gottes 34, 44 - humanitäres 1623 - internationales 497 - Kultur der R. und Pflichten 1144 - R., Gerechtigkeit und Frieden 734-737 - von Minderheiten 1244,1405, 1623 Rechtfertigung - Gnade der 1069 Rechtswissenschaft 735-737 Reformation 162 Regel(n) - „goldene R.” 998 Reich(es) Gottes 1003, 1006 - Aufbau des 92, 679, 857 1, 1287 - Entfaltung des (Ausbreitung des) 134, 537, 948, 1285 - Gegenwart des 1347 - Heilsbotschaft vom 1189 - Jesus ist das 1006 - suchen 196 - Verkündigung des 636 Reiche - und Arme 695-701 Relativismus 1082 - ethischer 193, 1094 f„ 1328, 1447 - kultureller 425, 1438 - moralischer 1320, 1438, - religiöser 972,1320,1438 Religion(en) 336 - alle 1139 - des Islam 1264 - Kirchl. Achtung der 1479 f. - traditionelle 1476-1481 Religionsfreiheit 70, 72, 267-269, 314 f„ 335, 373, 497, 499, 583, 601, 654, 962, 1040, 1155, 1285, 1308, 1336, 1400, 1621 - Anerkennung der 1242 - Menschenwürde und 1242-1245 - Recht auf Gewissens- u. 70, 274 f., 303 f„ 340, 498, 1040, 1243 Religionsgemeinschaft(en) - Führer der verschiedenen 336 f. - Zusammenarbeit der drei großen 373 Religionsunterricht 490, 1308, 1383, 1401 f. Religions Verfolgung 154 Religiosität 680, 1415 f. Resignation 386 Reue 428,966,1011 Rhetorik - in der Heiligen Schrift 1553 f. Römische Kurie 776 f. Ruf - Christi 200, 399, 520, 536, 790-794, 1141 - falscher Propheten 601 - Gottes 275, 446, 797 - zur Buße 318 f, 1697 - zur Einheit 618 f, - zur Heiligkeit 209, 211,1200-1202, 1418 - zur Umkehr 215, 318 f. Rundfunk 1145-1147 Säkularisierung 446, 473, 484, 680, 1360, 1406 f. Säkularismus 688-690 Sämann 1002 Sakrament(e) 67, 78,442, 512, 603, 1119,1124,1126,1195,1314 - der Bischofs weihe 366 - der Buße 77, 97 f„ 443, 788, 810-814, 1292, 1314, 1422 f„ 1438 -der Ehe 77, 286, 305 f„ 1289, 1314, 1427 - der Einheit und Liebe 618 - der Eucharistie 79-82, 102,105, ■ 272 f„ 464 - der Krankensalbung 77,1314 - der Taufe -77, 207 f„ 580-582, 704-706, 800 f. - der Versöhnung 451, 603,1251 - der Weihe (Priesterweihe) 52, 54, 140, 150, 257, 495, 829 - des Diakonats 181,185 - des Leibes Christi 964 - Empfang der 75 f., 1373 - erwecken neues Leben 76 f., 836 -Feierder 1193, 1420 f. - Gnade der 1200 - Heiligung durch die 75-77 - Kirche als 458 - Priestertum als 1179 S akramen tenlehre 1434 Sakramentenpastoral 873 Salbung 257,607,829 - sakramentale S. des Hl. Geistes 54, 89 f., 606 f. Salz der Erde 293 f., 604 Samariter - barmherziger 685 Sanktuarium - der hl. Margareta von Cortona 431 Sauerteig - des Evangeliums 405,413, 436 f., 447 Schlechte - „das in sich Schlechte” 1078-1081 Schmerz(es/en) 1186 Schöpfer 548 f„ 606, 1002 - Lob des 952 - Sch.-gott 483, 542, 866 Schöpfung 50, 120, 378 f„ 513, 548 f., 1001, 1203 - Achtung vor der 1184 - ist ein großes Gleichnis 1002 - Mensch als Krone der 50, 1464 - Teilhabe des Menschen an Gottes 542 f. Schreiben - an die Bischöfe der kath. Kirche über Kirche als Communio 1207 - der Dt. Bischöfe über den Priester-lichen Dienst 75, 89, 96, 102, 110, 123, 128, 133-136, 152 - „Die Flüchtlinge - eine Herausforderung an die Solidarität” 774 f. Schriftenreihe - „Sources chretiennes” (50-jährige Gründung) 1193 Schüler 723 Schulbildung 1413 Schuld 1064 - Gleichgültigkeit gegenüber Gewalt ist 712-722 Schule 285,397 - der Semiotik 642 - katholische 490 - Schulkatechese 1383 Schutz 772 f. - der Familie 305, 948-950,1243 - der Grundrechte 773 f. - der Kinder u. Jugendlichen 950, 1210, 1631 - der Kirche 1243 - der Kriegsopfer 1624-1627 - der Rechte u. Freiheiten der menschl. Person 497, 528 1698 - des menschlichen Lebens 751, 1527, 1613 - des Ökosystems 1639 - gesetzl. und staatl. Schutz der Ehe 1467 Schwangerschaft 1426, 1630 Schweigen - des hl. Josef 358 - erzwungenes Sch. über Gott 571 f., 576, 599, 622, 626, 638 - meditatives 659 Seele 579,1053,1165 - Einheit von S. und Leib 1053 f. - kontemplative 803 - unsterbliche 223 Seelsorge (siehe auch: Pastoral) 82, 494, 574, 1222 -Bibel in der 1607-1609 - Krankens. 908 f., 1258 Sehnsucht - des Menschen 391,1019 - nach dem Guten 788 - nach der absoluten Wahrheit 1014 - nach Einheit 919 f. Sekte(n) 485, 571, 601,1305,1371, 1377, 1382, 1416, 1546 f., 1571 - pastorale Herausforderung der 1333 Selbsthingabe 302, 400, 1028, 1086 - an die Kirche 323 f., 1181 - Jesu Christi 79, 302, 1084, 1086 - von Dina Beianger 795 - von Pater Maximilian Kolbe 755-757 - Zeugnis der 324 Selbstmord 131, 1079, 1329, 1451 Selbstoffenbarung - Gottes 1021 f. Selbstverleugnung 139 f. Selige 489, 504, 796-799, 847-856 - Afrikas 23-26 - neue 64 f„ 83, 178, 793 - sudanesische 25, 337-341 Seligpreisung(en) 1027, 1154 Seligsprechung(en) 597, 678-681, 684, 847-856, 915-918, 1111,1159-1165 - Feierlichkeiten bei der 796-799 - Prozeß der 1147 - von Dina Beianger 790-795 Seminarerzieher(n) - Richtlinien für die Vorbereitung der 1488-1521 Seminaristen 389, 397, 444, 491-496, 509,570-576 - Arbeiter im Weinberg 324 - Bildung der 324, 389 Sendung 1187 - als Verkünder u. Lehrer des Glaubens 1355 - der Apostel 52, 646, 1370 - der Christen 320 - derEudisten 769 - der Frau 785,1236 - der Gläubigen 845 - der Jünger 52 - der Jugendlichen 558 f. - der Kirche 279-283, 296, 299, 374, 412,493, 518, 633, 778, 862, 871-876, 936, 1000,1242, 1292,1444 f., 1455 - der Laien 134, 190 f„ 195 f„ 221, 1442 - der Priester 51-55, 79-82, 132-136, 504, 1619 f. - messianische S. Jesu Christi 257, 260, 327, 407 f„ 435, 621, 702 f., 746 - missionarische 536, 1370, 1455 - zur Evangelisierung 845, 896 f. Sendungsauftrag(s) 37 - der Kirche 1090 - der Priester 508 - des Papstes 38 - Jesu an die Apostel u. Jünger 36-39, 52 f„ 536, 644-648, 1141 Seniorenarbeit 1522 sensus Ecclesiae 47 f. Septuaginta 1560 f. Sexismus 1603 1699 Sexualität 285 f„ 1224, 1310, 1372, 1427, 1451 f. - menschliche S. und ihre Manipulierung 1223 - sakraler Charakter der 1377 Sexualmoral 1358, 1372 Shoah 819 Sinn - der Hl. Schrift 1544, 1577-1581 - des Glaubens 441 - des Lebens 142 f., 543, 601, 706 f., 803, 1014 f„ 1155, 1168 - des Leidens 1258-1260 - für Gemeinschaft 718,723-725 - für Solidarität 723-725 - Suche nach 1416 - wahrer 391 Sittengesetz(es) 1046 - das Gott den Menschen gibt 1043 - Gebote des 1082 f. - Objektivität des 1097 - Wahrheit des 1058 Sittenlehre 46,1016 f. - christliche 1066 - der Kirche (Quelle der S.) 1037 f., 1445 Sittlichkeit 1057, 1068, 1072 - der Handlungen 1071-1082 Sklaverei 519, 1079 Solidarität 3 f„ 20, 116 f., 133, 141, 260, 286 f„ 315, 335, 363, 373 f., 395 f„ 425 f„ 467, 470, 586, 620, 639 f„ 641-644, 681, 685, 718, 762, 775,782, 844 f„ 935, 1093 f„ 1143 f., 1187, 1190, 1302, 1327, 1344, 1391, 1396, 1413, 1446 f., 1464, 1614, 1629 - Appell zur 524 f. - brüderliche 204 f., 1485 - christliche 727 f. - der Gesamtkirche mit den Teilkirchen 329 - der Kirche 329, 555, 1309 f. - Europas mit anderen Kontinenten 841-846 - Evangelium der 1482-1487 - Freiheit und 1134 -fürAfrika 22,313 - für Frauen 744 f. - Herausforderung an die 773 - Ideal der 615 - in S. mit Europa 959-961 - Kultur der 404-407 - mit Bedürftigen 1392 - mit Behinderten 909 - mit Bosnien-Herzegowina 35 - mit dem Libanon 138 - mit den Armen 1485 - mit den Unterdrückten 1568 - mit Leidenden u. Sterbenden 1451 - multikulturelle 1413 - Prinzip der 1614 - Sinn für 723-725 . - soziale 908 f. -universale 841-846, 1622f. - unter den Generationen 1539 - unter den Völkern 713 f., 1376, 1539 - wahre 467 - Zusammenarbeit in 697 f. - zw. den Ländern 1136 f., 1206 - zw. den Menschen 1184 Sonnengesang 661 Sonntag 456 - Tag des Herrn 50 f. Souveränität -derStaaten 721 - eines Volkes 696 f. Sozialdienst - Kirchlicher S. (UNITALSI) 1229-1231 Soziale Woche - 42. S. W. in Turin 1142-1145 Sozialismus 591 Soziallehre - Aufgabe der 634 - der Kirche 524, 574, 633-638, 644, 953, 1093, 1134, 1143, 1290, 1311, 1313, 1327, 1333, 1348, 1353, 1367, 1372, 1388, 1391, 1394, 1397, 1443, 1454 f. - ist wesentlich Theologie 634 - katholische 286 f., 350, 506 1700 - Verkündigung der christlichen 907, 953 Spiritualismus 1118 Spiritualität 184 f., 538, 664, 944, 1197, 1226 f., 1454, 1510 - Armut als Leitfaden der 126 - Bewegungen der 603 - christliche 212,485 - der älteren Generation 1525 - der Eheleute 740 - des hl. Johannes Eudes 768-770 - für die Laien 211-214 - marianische 976-978 - priesterliche 110, 934 Sprache 641 f. - der Natur 893 f. - ist Ausdruck der Kultur 631 Staat(en) 589, 1133 - Aufgaben des 1242 - Kirche und 574, 633, 636, 754 f. - Pflicht der 721 - Rechts- und Sozialstaat 635 f., 1622 - Souveränität der 721 - Vielvölker-St. 334 - Wirtschaftsbeziehungen der 697-701 - Zusammenarbeit zw. den 586 Staatsrecht 872-876 Stadt - mit uralter Kultur 394 - Rom (als Sitz Petri) 16-19, 730-733 - Stadtflucht 742 Stammesunterschiede 312-316 Sterben 313 Sterilisation 1209 Stiftung - „Centesimus Annus - Pro Pontifice” 952-954 - „Populorum Progressio” 525 Stigmatisation - von La Verna 659 Strafe(n) 966 Studie(n) - patristische 1193 Studium -der Bibel 783, 976, 1542 f. Subjektivismus 1214, 1438 Subjektivität 1573 f. Subsidiarität 1143 f. Sünde(n) 15, 201, 208, 216, 245, 384, 443, 603, 759 f„ 965-967, 1064, 1069, 1095 - des Menschen 1108 - Erlösung (Befreiung) von der 385, 1357 - soziale 383-385 - Strukturen der 662 - Sündenbekenntnis 812 - Tods. 1069 f„ 1423 - Vergebung der 451, 965, 1422 Sünder 966 Symposium - der europäischen Bischöfe 1132-1135 - Internationales S. „Pastores dabo vobis - Der Priester heute” 1616-1620 Synkretismus 601, 1267, 1479 Synode 419 - „Buch der S.” 978 f„ 987-992, 1263 - der Begriff S. 326 - der Kirche in Rom 989 - Pastoraldiözesans. von Rom siehe: Diözesansy. 106, 217, 1263, 1278 - Sondersynode der Bischöfe für Afrika 22, 25 f„ 326-329, 1398 f„ 1640-1646 Tabernakel 454 Tagung(en) - über Familienrechte u. soziale Kommunikationsmittel 948-950 Taufe 89, 190, 220, 288, 293 f„ 442, 462, 480, 511, 516, 530, 581, 600, 726 f„ 892, 1031, 1118, 1200 f„ 1316, 1338 f„ 1355, 1421 f., 1431 - als Fundament christl. Lebens 704-706 1701 - als Geschenk des göttl. Vaters an das Kind 705,1422 - Berufung aufgrund der 447, 1396 - der Heiden 6-10 - Jesu Christi 244 f. - Lehre von der 705 - Sakrament der 77, 207 f„ 580-582, 704-706, 800 f. Taufprägemal 221 Technik - Wissenschaft und 380 f. Teilhabe 151, 1049, 1177 - am Leben Christi 207, 225 - am Leib Christi 273 - am Paschageheimnis Christi 442 - am Priestertum Jesu Christi 187, 220-222, 493 - der Laien an der Sendung der Kirche 1442 - des Menschen an der göttlichen Herrschaft 1045 - des Menschen an Gottes Schöpfung 542 f. Teilkirche(n) 264 f. - Einheit der 307 - Zusammenarbeit zw. den 766 f. Teleologie 1071, 1073 f„ 1078 Teleologismus 1071,1074 Tempel(n) - der Eintracht 395 - des Heiligen Geistes 517 -Gottes 479 f„ 517, 541 - griechischer (in Sizilien) 393, 408 f. - Jesus Christus ist der T. 479 f., 517 -Stadtder 394 - von Jerusalem 480 Terrorismus 483 f. Testament(s) - Altes 345, 1560 - Beziehungen zw. AT und NT 1194, 1583-1586 - Exegese des AT 1563 f. - Exegese des NT 1564 - Neues T. (Texte zum Priestertum) 51-56,399,1560 Teufel 384 Theologe(n) 38, 1038 - Berufung des T. in der Kirche 1100,1208 - Kirchenväter als erste 1194 Theologie 1101, 1177, 1363, 1391, 1510, 1597 - der Gemeinschaft 1441 - der Gnade 201 - der Inkulturation 1358 - Einfluß der Bibel auf die 1545 - priesterlich eucharistische 80 - Psychologie und 1565-1567 - Th.-unterricht 486 Theonomie 1047 Tod(es) 364 f„ 545, 550, 611, 759, 1209, 1329 - der Unschuldigen Kinder 229 - des Erlösers 835 f. - Jesu Christi - 61-64, 749 f. - Kultur des 131, 192, 283, 294, 559, 662, 1297,1353 - Sieg des Lebens über den 59 f. Toleranz 256, 392, 683 Totalitarismus 1093,1095,1137 Tote(n) , -Gedenkender 1198-1200 Tourismus 588, 1312 - T.-Pastoral 1312 Tradition(en) 121, 358 f., 528 - Bibelauslegung innerhalb der biblischen 1582-1586 - christliche 38, 42 f., 83, 89,185 - des Landlebens 351 f. - einheimische 24 - franziskanische 663 - kanonistische 737 - missionarisch T. der Kirche 507 - religiöse 235-237, 274 f., 354 Transzendenz 196 -Berufung zur 312 - Gottes 1448 f. Trauma - der Entwurzelung 878-880 Treue 286, 1434 - eheliche 674, 1346 1702 - zu den menschlichen Werten 353 - zu Jesus Christus 1374-1378 - zum apostolischen Glauben 1356 - zum Evangelium 705, 747, 1454 f. - zum Hl. Geist 670 - zur eigenen religiösen Tradition 235-237 - zur Kirche 868 Triduum - heiliges 57-60 Tugend(en) 512, 638, 1064 f„ 1163 - der Gerechtigkeit 1093 f. - der Mäßigung 1093 f. - des Glaubens 1064 f. - Liebe als göttliche 954 - menschliche 574 f., 724 - theologale 574 f. Übel 966, 1064 Überlieferung 868, 961 - apostolische 1035 - der Kirche 1406 - des Glaubensgutes 758 Umkehr 14 f., 26, 553, 687, 782 f., 967 - des Herzens 270 f., 782 -Ruf zur 215, 318 f. - zu Gott 15, 33 Umwelt 717,1183-1185 - Förderung einer menschlichen 635 - Gleichgewicht der 120, 762 - U.-Holocaust 377-382, 593 - Zerstörung der 474 Umweltbewußtsein 1185 Umweltschutz 119 f., 1376, 1613 Unabhängigkeit - anderer Nationen 586 - der Baltischen Staaten 652, 655 - Estlands 640 - nationale 654 - Ugandas 303 Unabhängigkeitserklärung 528 UNESCO 631 Unfehlbarkeit 45-49 - Charisma der 41-44 Unfruchtbarkeit 1542 Ungerechtigkeit(en) - soziale 1621 UNIAPAC 1482-1487 UNICEF 1629-1632 Universalität - der Grundrechte 1622 -derKirche 676,1291,1383,1405, 1644 - der Liebe 132 F. - des Naturgesetzes 1055 f. - des Volkes Gottes 709 Universität(en) 632 -Arbeit der 1177 - kath. U. in Polen 1391 - Päpstliche 1176-1178 UNO 228 f., 772 f„ 1005 - Aufgabe der 773 f. - Entwicklungsarbeit der 1629 f. - Konferenz der 1629-1632 Unterdrückung - totalitaristische U. (Albaniens) 362 f., 366, 371 f. Unterentwicklung 1204 Untemehmen(s) 406 Untemehmenskultur 405-407 Unternehmer 404-407, 467 - christliche 406 - Initiative der 426 Urkirche 6-10 Urteil(e) 1059 - moralisches 1078 Utilitarismus 1074, 1471 Vaterschaft - des hl. Josef 345-347 - Gottes 345-347 Vatikanisches Fernsehzentrum 1260-1262 Verantwortlichkeitsprinzip 1613 Verantwortung(en) 402, 405, 716 f., 773 - Afrikas für die eigene Zukunft 315 1703 - apostolische 608 - bei der Weitergabe des Lebens 1222 - der Eltern u. Erzieher 554, 950, 1469-1473, 1613 - der Bischöfe (gegenüber dem Glauben) 740, 1104-1107 - der Christen 552 - der gesamten Menschheit 1254 - der Gesellschaft 286, 697, 967 - der Gläubigen 607 f. - der internationalen Gemeinschaft 772 f. - der Jugendlichen 271 f., 285 - der Katholiken 614 -der Kirche 188 -derLaien 600,1341,1380 - der Medien 555 - der Priester 86 f., 1196 - des Papstes 47 f. - ethische 380, 1136 - Freiheit und 605 - für das eigene Handeln 743 - für das Gemeinwohl 527 f. - für Evangelisierung u. Katechese 1320 - gegenüber dem Glauben 1104-1107 - gegenüber Kindern 705 - in der Verkündigung 67, 675 - moralische 948 f. - soziale und politische 938 Verantwortungsbewußtsein 672, 677, 687 Verbrechen 65 - an der Menschheit 559 - des Drogenhandels 930 f. Verdammnis - ewige 1069 Verehrung - des hl. Johannes Nepomuk 787-790 - des Kreuzes 832 f. - eucharistische 457 - Gottes 1275 - liturgische V. von Johannes Duns Scotus 790-794 - marianische (der Jungfrau) 457, 468-470 Vereinigung für Krankenwallfahrten - nach Lourdes (OFTAL) 794-796 Verfolgung(en) - der Christen 39, 70, 372 - der Kirche 163,367 - der Muslime 70 - Opfer der 165 - von Märtyrern 788 f., 1160 Vergebung 966, 1012 - Bitte um 239 - brüderliche 623 - der Sünden 451, 965, 1422 Verhältnis - zw. Familie u. älteren Menschen 1524 Verhalten 966 f. - des Priesters 118 - sittliches 1035 Verheißung 1023 - des ewigen Lebens 1032 f. -Gottes 417,726,881 Verkündigung 258,390,412,451, 937, 1287, 1411, 1605, 1607 - christliche 413, 643 - der christl. Soziallehre 907, 953 - der Kirche 357, 453-456, 525 - der Lehre der kath. Kirche 1318 - des Evangeliums (der Frohen Botschaft) 8, 37, 41, 64-70, 262, 274 f„ 280, 304, 383 f„ 412 f„ 518 f„ 521 f„ 560, 644, 675, 778 f„ 858,911,962, 1194, 1287, 1294-1296, 1315, 1330-1335, 1343-1350, 1366 - des Reiches Gottes 636 - des Wortes Gottes 66-70,484, 1306, 1355 - Dialog der 223 - Erstv. 1285 - Mariens 1123 - moralische V. Christi 1025 - Verantwortung in der 67, 675 Vernunft 592, 1061 - Autonomie der 1046 -Glaube und 183,589-594 - Licht der 379 - menschliche 1044, 1046, 1049 1704 - natürliche 1048 - Teilhabe an der ewigen 1049 V eröffentlichung(en) - exegetisch-wissenschaftl. 1595 f. Verpflichtung - moralische 1206 Versagen - moralisches V. als Gelegenheit zur Sensationsmache 966 Versklavung - der Afrikaner 506 Versöhnung 309 f., 335, 720, 783 f„ 1220 - der Gefangenen mit der Gesellschaft 429 - des Volkes in Mozambique 1349-1355 - Gebet für die V. aller Christen 513 f. - Geist der 1284 - internationale 997 f. - Sakrament der 451, 603,1251 - unter den einzelnen u. den Völkern 877, 1234 - zw. Gott und der Menschheit 703, 787 f. Verständnis 714 - für Frauen 744 f. - gegenseitiges 156-158 Verstand(es) 380 - menschlicher 379 Verteidigung - der Frau und ihrer Würde 911 - der Menschenrechte 133 - der Würde der menschl. Person 696-701 - des Glaubens 154, 864 - des Lebens 910 f. Vertrauen 576, 825 - auf Gott 338-341 - der Priester 1181 Verzeihen 428 Video- u. Audiokassetten 923-925 Völkermord 1233 Völkerwanderung 308 f. - ethische Analyse der 1174 Volk Gottes 353. 446 f., 487, 607 f„ 646, 936, 955 - Einheit des 148 f., 968-970,1609 - Heilssendung des 844, 947 - Kirche als 874 - Leidenserfahrung des 165 - Universalität des 709 V olk(es/V ölker/n) -Afrikas 315,342 - albanisches 72 f., 361-364, 368-375 - andalusisches u. spanisches 470 - baltische 154, 583, 585 - der Roma 821 f. - der Sabiner 353 - der Vereinigten Staaten 1138 - Einheit in den V. Europas 919 f. - Förderung der 589 - Israel 684, 1022 - jüdisches 65 - kubanisches 720,1167 - Rechte der 652 f. - russisches 583 f. - Sendung zu den Völkern 1371 - sizilianisches 393, 410 - slowenisches 753 - Solidarität unter den 1376,1539 - Souveränität eines 696 f. - Versöhnung unter den 1234 - vietnamesisches 564 - von Bosnien-Herzegowina 23 - von Madrid 479 - von Mozambique 1349-1355 - Würde der 962 - Zusammenarbeit unter den 497 Volksreligion 468-470 - in Andalusien 470 Vollkommenheit 1028, 1045 - christliche 208-210, 1112 - Gebot der 1033 - sittlicher u. geistlicher Weg der 1026 f„ 1030 Vollmacht - der Apostel u. ihrer Nachfolger 16-19, 52 f., 57 f„ 141 - der Priester 80 1705 -Petri 6-10,16-19,28-31,46 - sakramentale 150 Vorbild(er) - christlichen Lebens 798 f., 1162-1164 - der Kontemplation 795 - der priesterlichen Berufung 1195 - des Glaubens 292 - Jesus Christus als 116 f., 122, 129, 201,649, 931-934, 1493 f. Vorsehung 917, 1359-1364 - göttliche 379 Wachstum - der kirchlichen Gemeinschaft 875 Wahrhaftigkeit - im politischen Bereich 1094 Wahrheit(en) 40, 173 f., 193, 286, 379, 381 f„ 702, 889, 953, 1040-1042,1048,1059 f., 1093, 1317, 1319, 1447 - Dialog der 728 - des Evangeliums (der Frohbotschaft) 13, 63, 68, 517 f„ 525, 756, 850, 947, 1448 - des Lebens 55, 534, 537, 965, 1072,1118 - des Sittengesetzes 1058, 1090 f. - Dienst an der 632 f. - Einheit in der 13 f., 947 - Erforschung der 633 - ethische 1456 - Förderung der 528 - Freiheit und 182 f., 556, 659, 707, 1017, 1042,1045, 1061 f„ 1082-1085, 1093, 1095, 1134, 1137, 1223, 1446 - Gehorsam gegenüber der 1014 - Geist der 398 f., 538, 1016, 1100 - Gewissen und 1058-1065 - Gottes 995, 1446 - Kirche als Lehrerin der 1065 - Kultur der 1279 - Licht der 285, 319 f. - Mensch als Zeuge der 801 - moralische 183, 547, 1456 - objektive/subjektive 1063 - offenbarte 46 f. - Sehnsucht nach der absoluten 663, 1014 - seiner Gottessohnschaft 346 - Suche nach der 268, 357, 655 - transzendente 1093 - über den Menschen 206, 963, 1080 f. - über den Messias 621 f. - was ist 1082 - Zeugnis für die 324, 1089 Wahrheitsanspruch - unabdingbarer 1040 f. Wallfahrt(en) 533 f., 626, 1121 - des Glaubens 468 - Friedensw. 1138 - nachLourdes 794-796,1229-1231 - ökumenische 24 Wallfahrtsort(e) 1121-1129 Wandlung(en) 399 f. - kulturelle 742 -soziale 381,742 - unserer Denk- u. Lebensart 782 - Zeit schneller, radikaler 399 Warschauer Ghetto - 50. Jahrestag des Aufstandes im 819 Wasser 762 Weg(es) 399 f. - der Bekehrung 428 f., 966 - der Erneuerung 669 - der Freiheit 371,374,583 - der Heiligkeit 402 f. - der Hoffnung 762 - der Kirche 650, 938 - der Liebe 686, 762 - der Nachfolge 306 -desDialogs 714,962 - des Glaubens 905 f. - des sittlichen Lebens 1016 - geistlicher W. des hl. Franziskus 659 - Liturgie des 963-965 - mariani scher 165 - nachsynodale W. der Kirche 938 - neokatechumenaler 815 f. - sittlicher u. geistlicher W. der Vollkommenheit 1026 f., 1030 1706 - zum Fortschritt 342 f., 714 - zum Frieden 161, 242, 268 f., 714 - zum Glück 600-602 -zumHeil 1016 - zum wahren Leben 55, 1072 - zur Brüderlichkeit 619,638 - zur Einheit 269-273 Weihe 1225 - an Gott 89 - an Maria 439 - einer Kirche 105, 478 - niedere 179 f. - Sakrament der 52, 54, 150, 495 Weiheämter 180 Weihnachten 210,224-226,1251, 1269, 1272 Weihnachtsbaum 1255 f. Weihnachtsbotschaft 703 f., 721, 1273 Weinberg - Arbeiter in seinem 604 - des Herrn 679-682 Weisheit 96, 683, 1501 - Geist der 434 -göttliche 663,1176-1178,1082 - Jesus Christus selbst ist die 1109 - menschliche 538 Weisung(en) - pastorale 978-980 Weiterbildung - der Diakone 186 f. - der Lehrer 723 - der Priester 27, 151 f., 324, 769, 1181, 1331 f. - für Seminarerzieher 1492,1515-1518 Weizenkom 534 Welt 196 f., 660, 712, 944 - als Geschöpf 379 - Aufbau einer neuen 415,1139 - das sittl. Gute für das Leben der Kirche u. 1082-1085 - der Arbeit 404-407, 424-427, 742, 1302 - der Begriff „W.” in den Evangelien 197 - der Kultur 163, 589-594 - durch gegenseitige Abhängigkeit gekennzeichnete 697 f. - Einheit der 499, 651 - Erlösung der 197 - Erneuerung der 607 f. - Frieden in der 941, 945, 1276 - gezeichnet von Sünde 137 - ist der Weinberg Gottes 679 f. - ist ein Widerschein der Güte u. Allmacht Gottes 548 - Kirche und 196 f. - Leid in der ganzen 239 f., 313, 441 - Neuevangelisiemng der 476, 899 - solidarische 958, 1139 - ungerechte Zustände in der 1092 - verändern 1010-1013 Welt-Lepratag 20 f. Weltbund - des-Islams 498 Weltemährungsorganisation (FAO) 1635-1640 Weltfriedenstag 3 f. - Botschaft zum W. (26. W.; 1993) 253, 695-704, 716, 763 f., 1277 Weltgebetstag - für geistliche Berufe 74, 888-891 Weltgebetswoche - für die Einheit der Christen 10, 13, 219, 722, 725-729, 969 Weltgemeinschaft 1462 - Fortschritt der 695-701 - Rechte u. Pflichten der 998 Weltgeschichte 593 W eltgipfel treffen - für den Schutz der Kindheit 1631 - für soziale Entwicklung (Genf 1993) 1463-1465 Welthandelsordnung - Bewegung für eine neue 1206 - gerechte 1638 Weltkirche 461, 536, 1365, 1378, 1385 1707 Weltkonferenz - über die Menschenrechte 497, 1620-1624 Weltkongress(es/e) - 1. W. über Familiengesetzgebung u. Rechte der Kinder 1465-1474 - 19.W. derUNIAPAC (Monterrey/Mexiko) 1482-1487 - 45. Eucharistischer W. 449, 458-460, 464 Weltmissionssonntag 188, 1188-1191 Weltordnung 584, 735 Weltrat - der Kirchen 969 Welttag - 1. W. für die Kranken 299,748-752, 794 - 8. W. der Jugend (Denver/USA) 55-57, 114 f., 119 f., 131, 142 f„ 144-147, 400 f, 526-540, 542-552, 597, 685, 689 f„ 816, 964, 1116-1121, 1136, 1201, 1252, 1265, 1297, 1318, 1382, 1409, 1414, 1419, 1424, 1429, 1434-1436, 1446, 1453 - 9. und 10.W. der Jugend 1216-1221 - für das Leben 20 Welttreffen - der Familien (9. Oktober 1994) 1530-1534 Weltwirtschaft 1635-1640 Wert(e) 114, 192, 274, 620, 684, 1117 - Anerkennung einiger grundlegender 373 f„ 428 - christliche 487, 490, 600, 635, 918 f. - der Demokratie 636 - der Familie 268 f„ 489, 1211, 1289, 1467, 1527 - der Freiheit 642,654 - des Gewissens 1059 - des Lebens 131, 243, 467, 686, 1378-1386, 1404 - des Menschen 353, 635, 717, 1150 - des Zölibats 1307 - einer jeden Person 314 - ethische 387 f. - Frieden als einer der höchsten 695, 962 - geistige u. moralische 303 f., 469, 1134 - Gesellschaft ohne 717 - Infragestellen der 673, 691 f. -Krise der 298,484,601,1426, 1454 - religiöse 248 - sittlicher W. einer Handlung 1072 - wahre menschliche 717,1150 - Weitergabe der 358 f. - Zerfall der 392, 409, 473, 1400 - Zurückgewinnen der 428 Wertsystem 528, 547 - für Jugendliche 526-529 Wiederaufbau - der albanischen Nation 363 f., 374 f. - Kambodschas 719 Wille - der afrikanischen Völker 719 - freier 1074 -Gottes 118,620,702 - guter 1077 - Jesu Christi 52-55 - zur Wiedergutmachung 1277, 1279 Wirken - der Christen in der Gesellschaft 1313 - der Kirche (pastorales) 483, 728 - des Heiligen Geistes 10, 93, 1112, 1164, 1335 - des Wort Gottes 1372 Wirtschaft 426, 731,1391 f., 1483 - Entartung der 425 - Ethik in der 1484 Wirtschaftsbeziehungen -derStaaten 697-701 Wirtschaftskrise 742, 1486 Wirtschaftspolitik 1205 1708 Wirtschaftssystem(e) 473, 524, 697 f. Wissenschaft(en) 902,1213 - exegetische 864 - Fortschritte der 1212 - Kirche und 377-382 - Kultur und 592,641 - moralische Probleme der 1213 f. - theologische 1194 - und Glaube 377-382, 706-708 - und Technik 380 f. - W.s-Zentrum „Ettore Maiorana” 377-382 Wissenschaftler 377-382 Wohlstandsgesellschaft 131 Wort Gottes 293, 345, 391, 435 f., 469, 862-871, 883, 963, 1176, 1287, 1304, 1407, 1593, 1597 f. - als Vorbild der apost. u. priesterl. Berufung 1196 - Betrachtung des 96 - Bibel als 1600 - Diener des 69 f. - Dienst am 75-77, 173, 1596 - Kraft des 1010-1013 - Menschwerdung des 1122 f., 1125 - Verkündigung des 66-70, 159 f., 484, 1306, 1355 - Wirksamkeit des 1372 Wort(es/e) - der Bibel 870 - des Kreuzes 441 - des Lebens 534, 537, 600 - des Simeon (Darstellung des Herrn im Tempel) 746 - Fleischwerdung (Menschwerdung) des 159,1122 f„ 1125,1176 f. - Geheimnis des 1176 - und Sakrament 78 Worte Jesu Christi 80, 142 f., 170 f., 182 f„ 184 f„ 212, 271, 293, 356, 407, 703, 756, 804 - an die Apostel 57 f. - beim letzten Abendmahl 57 f., 407, 755-757 Wortgottesdienst 1605 Würde - als Kind Gottes 523 - der Familie 717, 848 - der Flüchtlinge 1173 f. - der Frau 785, 848, 909-912, 1235-1239 - der Laien 167-169, 190 f. - der Landbevölkerung 1639 f. - der menschl. Arbeit 1128 - der menschl. Person 144,184,192, 236, 280, 335, 425, 514, 696-701, 919, 1024, 1057, 1166 f„ 1397, 1447, 1625 - der Völker 962 - des Geschöpfes 45 - des Lebens 524, 1377 - des Menschen 34, 173 f., 198, 223 f„ 242, 303 f., 313, 340, 374, 458, 514, 523, 578, 586, 651, 752-756, 929, 960, 962, 1047, 1093, 1243, 1408, 1446, 1522 - des sittlichen Gewissens 1058-1061, 1438 Wüste 761-763,791 Wunder - der Erlösung 226 - der Natur 349 Wundmal(e) - des hl. Franziskus 658 Zeichen - der Einheit 1285 - der Gerechtigkeit 244 f. - der Heiligkeit der Kirche 1089, 1162-1164 - der Hoffnung 314 -derzeit 107,167,353,723 - des Friedens 722, 1139 - des göttlichen Bundes 1049 - des Widerspruchs 658 - die Wolke als 435 Zeit - der Erwartung (Advent) 210 f. - der Versöhnung 309 f. - des Menschen 1277 - haben 114 - Herausforderungen unserer heutigen 608 1709 - schneller, radikaler Wandlungen 399 - Zeichen der 107, 167, 353, 723 Zeitgeist 976-978 Zeitung - Tageszeitung „Avvenire" 884-888 Zerstörung - menschlichen Lebens 381 - ökologischer Ressourcen 381 Zeuge(n) 62, 1157 - Bischöfe als 1410 - Christen als 447, 607, 718 - der Auferstehung 434 f. - des Evangeliums 705, 791,1156-1158 - des Glaubens 781 - des neuen Lebens 964 f. - Frauen als lebendige Z. des Evangeliums 910 - für die Beständigkeit der Kirche 807 - Jesu Christi 436 f., 964 - Jugendliche als 306, 690, 1157 - Kirchenväter als Z. des Glaubens 1195 -Lehrerals 724f„ 1187f. -Märtyrer als 178,1159 Zeugnis(-nisse) 1089 f. - christliches 884-888 - der Gemeinschaft (i. d. Liebe) 64 f., 412 - der Hanna (Darstellung des Herrn im Tempel) 746 - der Heiligen u. Seligen 796-799 - der hl. Hedwig 783 f. - der Kirche 299, 374 - der Nächstenliebe 937 - der Priester 281,452 - der Selbsthingabe 324 - für das Evangelium 747, 1332 - für die Wahrheit 324,1089 - für die Werte des Geistes 389 - geben (für Christus) 39, 218, 277, 436, 507, 671, 788 f„ 1086 - geben von seinem Glauben 76 f., 613, 894 f. - Jesu Christi 1086 - Lebenszeugnis 68, 188 f., 446 - Petrus gibt 7 - über den Diakonat 174 f., 509 - von Kriegsopfern 236-238, 248-250 Zeugung - des Menschen 1223 - künstliche 1223, 1542 Zigeuner 821 Zivilisation 423, 648 - der Liebe 283, 552, 554, 566, 750, 983 Zölibat(s) 186, 573, 827, 932, 934, 1332, 1372,1376, 1398 - als Bedingung für die Priesterweihe 1323 - als Zeichen des Widerspruchs 1181 - Berufung zum 1351 - Charisma des 1429 - der Ordensleute 1376 - Gründe für den 123 - Ideal des 122,176 f. - ist ein Gnadengeschenk 491-496, 508, 825 - priesterlicher 120-124,452,1181, 1323, 1347, 1376 - Scheitern am 1324 - Vorraussetzungen für den 123 f. - Wert des 1307 Zukunft 355, 410, 1280 - Angst vor der 399 - Aufbau der 615 - Auftrag an die 536 - der Entwicklungsländer 764 - der Gesellschaft 519, 707 - der Handwerksbetriebe 354 f. - der Jugend 1310 - der Kirche 767 - der Landwirtschaft 354 f. - der Menschheit 489 - gestalten 371-375 - Weg in eine bessere 343, 356 Zurückweisung(en) - der Liebe Gottes zur Menschheit 1070 Zusammenarbeit 275, 301 - aller 731 f. - der Bischöfe 264 f. 1710 - der drei großen Religionsgemeinschaften 373 - der Eltern, Kommunikationsmittel u. öffentl. Behörden 949 - der internationalen Gemeinschaft 700 - der Kirchen Europas 842 - der priesterl. Gemeinschaft 140 f., 155 - evangelische Grundsätze der 525 - für das Gemeinwohl 336 - Geist der 1500 - in Solidarität 697 f. - interreligiöse 71 - ökumenische 289, 844, 976, 1404, 1481 - pastorale 155 f. - unter den V ölkem 497,753 - von Bischöfen und Ordensoberen 265 - von Bischöfen und Priestern 151-153, 33.1, 367 - von Glaube u. Wissenschaft 378 - von Jugendlichen und Erwachsenen 268 f. - von Kirche und staatl. Verwaltungsorganen 742 f. - von Priestern 152 - wechselseitige 766 f. - zw. äthiopisch-orthodoxer und kath. Kirche 969 f. - zw. Christen und Muslimen 339, 733 f. - zw. dem Hl. Stuhl und Nationen 712 - zw. den Staaten 586 - zw. den Teilkirchen 766 f. - zw. Hirten u. Gläubigen 1192 - zw. Hl. Stuhl u. FAO 1202-1207 Zusammenleben - menschlicheres 1152 Zweites(en) Vatikanisches(en) Konzils) 16, 43, 176, 476, 596, 650, 676, 840, 859, 872, 990, 1015, 1038, 1045, 1048, 1079, 1165 - Ad gentes 181, 184, 765 f. - als eine neue Aussendung der Apostel 987-992 - Apostolicam actuositatem 167, 213, 1469 - Christus Dominus 765 f. - das Bischofsamt im Lichte des 1291-1295 - Dei Verbum 863, 975, 1543, 1545, 1606 - Gaudium et spes 197 f., 484, 543, 697, 730 f„ 732. 847 f., 991, 1045, 1144 f„ 1474,1527 - Geist des 834 - Gravissimum educationis 724 - Hauptaufgaben des 11 - Inter mirifica 778, 948 - Lehren des 730, 968,1335-1340, 1385 - Lumen Gentium 30 f., 41, 43, 47-49, 80,150 f., 176,180,195 f„ 207, 220, 262, 561,991, 1124, 1263, 1445 - Nostra aetate 250, 498 - Optatam totius 494,1371,1398, 1488, 1496 - Perfectae caritatis 332, 575 - Presbyterorum ordinis 52-55, 66, 68, 76 f„ 80-82, 85-92, 96 f„ 101 f„ 112, 117 f., 121-123, 127-129, 150-153, 155-158, 166-169, 495, 765 f. - Sacrosanctum Concilium 273,1607 - Unitatis redintegratio 125, 515, 727 1711 Personenregister Abastoflor, Edmundo, Msgr. Direktor der Abteilung Familienpa-storal des CELAM 784 Abel 545, 1580 Abraham 227, 417, 819, 829, 1268, 1583, 1603, 1628 Acs, Istvän Weihbischof in Eger (Ungarn) 1399 Adalbert (Vojtech), hl. (f 967) Märtyrer, Bischof von Prag, Missionar 787 Adam 310, 384, 417, 1015, 1226, 1580 f. Adeodatus II., Papst (672-676) 725 Adimou, Christophe Alt-Erzbischof von Cotonou (Benin) 258, 264 Agnes von Prag, hl. 253, 1112, 1114 f. Albert I. (t 1229) Bischof von Livland, ab 1201 von Riga, zweiter Nachfolger Bischof Meinhards (f 1196) 617 Albert II. König von Belgien 1116 Alexej II. (Alexiis II.) Patriarch von Moskau 162,729 Alfons Maria deLiguori, hl. (f 1787) 91, 813, 1017 Allamano, Giuseppe, sei. (f 1926) 679, 971 Alvarez, Elias Yanes Erzbischof von Saragossa, Vorsitzender der Spanischen Bischofskonferenz 482 Amadei, Roberto Bischof von Bergamo 945 Amalio, sei. (f 1936) Schulbmder vom Kolleg La Salle in Almena 1159 Ambrosic, Aloysius Matthew Erzbischof von Toronto 1522 Ambrosius von Mailand, hl. 374 Bischof von Mailand 1021, 1026, 1097, 1109, 1125, 1139 Amichia, Joseph Botschafter 712 Amoroso, Domenico Bischof von Trapani 383, 385 Arnos der 3. der Kleinen Propheten 9 Anastas Erzbischof der orthodoxen Kirche 71,362 Anchieta SJ, Jose (Joseph) de, sei. (f 1597), Missionar 522 Andreas, hl. Bruder des Apostels Petrus 993 f. Andreas von Kreta, hl. (f 740) 1096 Anfilochio Metropolit von Montenegro 817 Angela vom Kreuz (Angela de la Cruz), sei. (f 1932) 457, 460 Angela von Foligno, sei. (f 1309) Mystikerin 504 Angelico OP, Fra (Beato) (t 1455) eigentl. Giovanni da Fiesoie, Maler 431 Angelini, Fiorenzo, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst 1209 Anna 685 Ansalone, Giacinto Giordano, hl. 394 Anselm, hl. 1241 Antigone 1483 Anwarite, sei. (aus Zaire) 23, 25 Arafat, Yassir PLO-Chef 1634 Arbues, Benito, Bruder 1168 Arinze, Francis, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für 1712 den interreligiösen Dialog 1461, 1646 Aristoteles 1553 Ashta, Robert Bischof von Pulati 72, 367 Assogba, Nestor Bischof von Parakou (Benin) 270 Astruc, Jean 1548 Aubry, Gilbert Bischof von Saint-Denis-de-La-Reunion 1311 Augustinus von Dänemark (Aage) OP (f 1285) 1577 Augustinus von Hippo, hl. (354-430) ab 395 Bischof von Hippo, Kirchenlehrer 23, 26, 40, 175, 194, 198, 200, 291, 592, 725, 734, 845, 867, 1025, 1028, 1031-1033, 1048, 1055, 1080, 1084,1108, 1119, 1122, 1124, 1194, 1240, 1276, 1548, 1594 Augustus, Kaiser 1270 Aurelio Maria, sei. (f 1936) Schulbruder vom Kolleg La Salle in Almena 1159 f. Averkamp, Ludwig Bischof von Osnabrück (jetzt: Erzbischof von Hamburg) 172 Avema, Francisco Rosario 424 Backis, Audry Juozas Erzbischof von Vilnius 580, 604 Baggio, Sebastiano, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 800, 804-807, 980 Bakanja, Isidoro, sei. (f 1909) 1531 Bakhita (Bakita), Giuseppina (Josephine), sei. (aus Sudan) (f 1947) 23, 25, 332, 337-341, 1264 Bakyenga, Paul Bischof von Mbarara 308 Baiäs, Bela Bischof von Kaposvär (Ungarn) 1399 Barelli, Eugenio 657 Bargellini, Emanuele, Generalprior 665 Barnabas 8 f. Baroni, Agostino ehern. Erzbischof von Khartum 317 Bartholomäus I. (Bartholomeos) Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel 727 f., 992, 994, 996 Baudouin I. König von Belgien 1009, 1116 Beaupre, Anne de, hl. 1479 Beethoven, Ludwig van (1770-1827) Komponist 1172 Beianger, Dina (Maria a Sancta Cae-ciliaRomana), sei. (t 1929) 790-797, 802, 1313 Benedikt von Nursia, hl. Schutzpatron Europas 120, 665 f., 845, 917, 942 Benedikt XIII., Papst (1724-1730) 789 Benedikt XV., Papst (1914-1922) 735, 862, 1122, 1245, 1248 f. Benincasa, Orsola, Schwester (1547-1618) 1187 f. Berchmans, Johannes, hl. 1279 Berisha, Sali Präsident der Republik Albanien 71, 361 f„ 859 Bemardin (Bemhardin) von Siena (degli Albizeschi) OFM, hl. (1380-1444) 1011 Bemardo, Valerio, sei. (t 1936) Schulbruder vom Kolleg La Salle in Almena 1159 Bernhard von Clairvaux, hl. 1122 Bertone, Tarcisio Erzbischof von Vercelli 794 1713 Betti OFM, Umberto Rector magnificus der Lateranuniversität 1242 Bidawid, Raphael Patriarch von Babylon der Chaldäer 878 Biffi, Giacomo, Kardinal Erzbischof von Bologna 859 Boccaccio, Salvatore Bischof von Sabina-Poggio Mirteto 348, 352, 356 Bodet, Henri, Msgr. Generalsekretär des Päpstlichen Missionswerks der Kinder 896 Boffo, Dino 884 Bonaventura OFM, hl. (f 1274) Kirchenlehrer und Kardinal 657, 659, 663, 1060 Bonhomme, Pater 1300 Bonifatius (Winfried) OSB, hl. (f 754) 845 Bonifazi, Alessio Bürgermeister von Torri di Sabina 348 Bonner, Isaia (Isaias Boner gen. Isaias von Krakau jun.), sei. (f 1471) 850 Borghero Missionar in Benin 276 Bormann, Professor 763 Borsisevicius, Venccentas Bischof von Telsia 610 Bosco, Giovanni, hl. siehe: Don Bosco Bourgeoys, Margaret, hl. (f 1700) 1325 Boutros-Ghali, Boutros Generalsekretär der Vereinten Nationen 772, 1626 Boyle, Leonard Präfekt der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek 820 Boyle, Paul Michael Bischof des Apostolischen Vikariates Mandeville (Jamaica) 505,517 Branzi, Piergiorgio 1145 Brigitta (Brigitte) von Schweden, hl. 846 Brogi, Marco 980 Brown, Douglas Leiter des Anglikanischen Zentrums in Rom 939 Bruckner, Anton (1824-1896) Komponist 1172 Bulis, Janis Bischof von Liepaja 623 Bultmann, Rudolf (1884-1976) evangelischer Theologe 1549, .1573 f., 1576 Buona Speranza, Filippo di Prämonstatenserabt 900 Bwemi Magambo, Serapio Bischof em. von Fort-Portal 308 Byabazaire, Deogratias Bischof von Hoima 308 Cäcilie von Rom, hl. 792 Cafasso, Giuseppe, hl. 679 Calabrese, Vito, Pater 677 Calasanz, hl. 848 Caliaro, Marco Bischof em. von Sabina-Poggio Mirteto 353 Camdessus, Michel 1482 Campione, Guiseppe Präsident der Region Sizilien 421 Canori Mora, Elisabettä, sei. (f 1825) 1531 Caprio, Giuseppe, Kardinal 876 Carconi, Pasqualino, Bürgermeister 356 Camelutti, Francesco, Jurist 735 1714 Carpino, Francesco, Kardinal 1152-1154 Carraro, Flavio Roberto Präsident der Union der Generaloberen 1224 Carrasco de Paula, Ignazio, Msgr. (OpusDei) 1164 Carter, Samuel, Erzbischof 505,517 Cartier, Jacques 1330 Casoria, Ludwig von (Ludovico da Casoria), sei. (t 1885) 64, 847 f., 852 Casserä, Enzo 908 Cassidy, Edward Idris, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 912, 1138 Cataldi, Luigi 901 Catarinicchia, Emanuele Bischof von Mazara del Vallo 387 f„ 391 Causero, Diego, Erzbischof Nuntius in Tschad 709 Cecilio, Jose, sei. (| 1936) Schulbruder vom Kolleg La Salle in Almena 1159 Cevoli, Florida (Lucretia Helena), sei. (t 1767) 83, 915-917 Champagnat, Marcellin Joseph Benedikt, sei. (f 1840) 1168 f. Chanel, Petrus Aloisius Maria, hl. (t 1841) 1374 Charlet, Paula, Schwester 509 Cheli, Giovanni, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs T173 Chiaia, Maria Präsidentin des ital. Zentrums für Frauen 1235 Chiaretti, Guiseppe Bischof von San Benedetto del Tronto Ripatransone-Montalto 1010 Childs, Brevard S. 1559 Chrisostomos orthodoxer Erzbischof 580 Churchill, Thomas, Pater 507 Cicero 875 Clarke, Edgerton Roland Bischof von Montego Bay 505, 517 Clasen OFM, Sophronius 657 Clinton, William Jefferson Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika 722 Colomba, Johanna Gabriel, sei. (f 1926) 83, 915-917 Columbus (Kolumbus), Christoph 104, 471, 476, 490, 505, 507, 510, 517,1264 f. Comboni, Daniele (1831-1881) Missionar, Gründer der Comboni-Missionsschwestem 25 Consbruch, Paul Weihbischof in Paderborn 182 Conso, Giovanni italienischer Justizminister 427 Cooke, Sh Howard Generalgouvemeur (Jamaika) 505 Cordero Lanza di Montezemolo, Andrea 980 Cordes, Paul, Bischof 1140 Cordoba, Pedro de, Missionar 522 Cornelius 987 Cornelius, Papst (251-253) 179 Cottolengo, Giuseppe Benedetto, hl. (t 1842) 679 Crucitti, Professor 1186 Cyprian, hl. 23, 26, 107, 175, 291 Cyrill siehe: Kyrill 1715 D’Ascenzi, Giovanni Bischof von Arezzo-Cortona-Sanse-polcro 431,437,444,657 Daniel 1544 Danielou, Jean, Kardinal 1193 Dante Alighieri (t 1321) 814 Dao Lee, Tsung 377 Darida, Gabriele, Pater Generaloberer 1187 Dartois Bischof in Benin 276 David, König 759, 1583 Ddungo, Adrian Bischof von Masaka (Uganda) 291 Dehaene, Jean Luc Premierminister Belgiens 1009 De Jong, Dennis Harold Bischof von Ndola (Zambia) 1395 Dekäny, Vilmos Weihbischof in Esztergom 1399 Del Mestri, Felicitas Schwester von Kardinal Del Mestri 1009 Del Mestri, Guido, Kardinal 1009 del Portillo, Alvaro Bischof (Opus Dei) 1164 Dengel, Anna Gründerin der Missionsärztlichen Schwestern 44 Deskur, Andreas Maria, Kardinal 217 Dezza, Paolo, Kardinal 1279 Dias, Ivan, Erzbischof Apostolischer Nuntius in Albanien 72, 369 Dibelius, Martin evangelischer Theologe (f 1947) 1549 Diego, Juan, Indianer, sei. 526 Diego de San Vitores (Didacus Aloi-sius), sei. (f 1672) 1374 Diez y Bustos de Molina, Victoria, sei. (1 1936) 1160 Dilthey, Wilhelm 1573 Dimitrios I., Patriarch, verst. 241 Dimitros, Patriarch 99 Diouf, Jacques Generaldirektor der FAO 1203, 1635 Djabla, Barthelemy Bischof von San Pedro 1300 Don Bosco 679 Donatus, hl. Bischof und Patriarch von Arezzo 436 Dostojewskij, Fedor Michailowitsch (t 1881), russischer Dichter 1483 Drandua, Frederick Bischof aus Arua (Uganda) 280 Drouin, Pierre, Pater Generalsuperior der Kongregation von Jesus und Maria 768 Ducoli, Maffeo Bischof von Belluno-Feltre 1003 Dugiol, Louise 512 Duns Scotus, Johannes, sei., Franziskaner 790-792,794,796 Dupeyron, James, Pater 509 Edmigio, sei. (| 1936) Schulbruder vom Kolleg La Salle in Almeria 1159 Egger OFMCap, Wilhelm Bischof von Bozen-Brixen 1166 Einstein, Albert 378, 380 Elisabet (Elisabeth), hl. hebr. „mein Gott ist Fülle”, Frau des Priesters Zacharias, eine Verwandte Marias; sie wurde in hohem Alter Mutter von Johannes dem Täufer 93, 383, 416 f„ 557 f„ 1124 Elisabeth Ann Seton, hl. 1415 Elisabeth von Thüringen, hl. 204 1716 Empedokles griechischer Philosoph, geh. 490 v. Chr. in Agrigent 394 Enrique y Tarancön, Vicente Kardinal, ehern. Erzbischof von Madrid 479 Ephräm, hl. 879 Escrivä de Balaguer, Josemaria, sei. Priester und Gründer des Opus Dei 1164-1166 Etchegaray, Roger, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum 842,1463, 1474, 1482,1627 Eva 384,417 Eymard, Pierre-Julien, hl. (t 1868) Gründer der Kongregation der Priester vom Heiligsten Sakrament 943 f. Ezechiel, Prophet 270, 308, 622, 1246 Fabiola Königin von Belgien 1009 Fagiolo, Vincenzo Erzbischof em. von Chieti-Vasto 872 Fagnano, Giuseppe, Msgr. 679 Falchi, Gian Luigi, Professor 1242 Felicitas, hl. 23,26,291 Femandez, Missionar in Benin 276 Femandez Solar, Juanita siehe: Teresa de Jesus „de los Andes” Ferraro, Carmelo Bischof von Agrigent 394, 398, 410 f. Fidelis von Sigmaringen Missionar und Märtyrer 971 Filippi, Emesto Erzbischof von Monreale 1153 Finau, Patelisio Bischof von Tonga 1374 Follerau, Raoul 20 Forbin-Janson, Charles de Bischof von Nancy, Gründer des Päpstlichen Missionswerks der Kinder 896, 1189 Fox Napier OFM, Wilfrid Erzbischof von Durban 1646 Franz von Assisi, hl. 4 f., 204, 235, 237, 241, 243 f„ 248 f„ 251-254, 301, 432, 441-443, 657-665, 756, 848,855,1011 f.. 1114 f., 1140, 1161,1163,1628 Franziskus, hl. siehe: Franz von Assisi Fratoni, Paola Bürgermeister von Magliano 353 Friedrich II., Kaiser 1113 Frischmuth, Gert, Chorleiter 1171 Fritzsch, Karl SS-Hauptsturmführer; Schutzhaftlagerführer des Konzentrationslagers Auschwitz (bis Ende 1941) 756 Furlong, Winifred Aloysius, Schwester 509 Gabriel, Erzengel 223,416,471 Gadamer, Hans Georg 1573 f. Gagnon, Edouard, Kardinal Präsident des Päpstlichen Komitees für die Internationalen Eucharisti-schen Kongresse 459 Galilei, Galileio Naturwissenschaftler 378 Ganghofer, Roland, Professor 1537 Gantin, Bemardin, Kardinal 255, 258, 261, 270, 276, 996, 1169, 1171 Garberoglio, Johannes, sei. (f 1954) 679 Garsia, Alfredo Maria Bischof von Caltanissetta 415 f. Gerlandus von Bcsancon, hl. erster Bischof des neu errichteten Bistums Agrigent (1093) 394,413 Giedroyc, Michael, sei. 850 1717 Giorgini, Antonio 985 Goebel, Gerhard Bischof der Territorialprälatur Tromsö 1154 Goicoechea, Angel Suquia, Kardinal 479 Gonsalves, Jaime Erzbischof von Beira 1646 Gonzaga, Aloisius, hl. (f 1591) 1279 Gonzalez, Manuel Bischof von Palencia 454 Gonzalez Moralejo, Rafael Bischof von Huelva 468, 471, 476 Goretti, Sergio Bischof von Assisi-Nocera Umbra-GualdoTadino. 243,251 Goryszewski stellvertretender Ministerpräsident von Litauen 595 Grachane, Germano Bischof von Nacala 1349 Gregor, hl. Bischof von Agrigent 394 Gregor der Große, hl. 31, 1089 Gregor von Nyssa, hl. 1045,1071 Gregor VII., Papst (1406-1415) 899 Gregor XIII., Papst (1572-1585) 590 Gregor XVI., Papst (1831-1846) 356 Greimas, Algirdas J. 1556 Grignion de Montfort, Ludwig Maria, hl. 916 Groer, Hans-Hermann, Kardinal Erzbischof von Wien 763,1131 Guanella, Luigi, sei. 982-984 Guardini, Romano 62 Guerrero Gonzalez, Angela siehe: Angela vom Kreuz Gulbinowicz, Henryk, Kardinal Präsident der Polnischen Bischofskonferenz 1386 Gullotti, Antonino, Professor 421 Gutierrez, Domingo Andres, Professor 1242 Halem’Imana, Barnabas Bischof von Kabale 308 Hamard, Pater 1300 Hanifen, Richard Charles Bischof von Colorado Springs 552 Hanna, Prophetin Zeugin der Darstellung Jesu im Tempel 271,746,748 Hart, Joseph Hubert Bischof von Cheyenne 552 Hauteville, Roger von 392 Hedwig (Edvige) von Andechs, hl. (f 1243) 1172 Hedwig (Jadwiga) von Anjou, sei. (f 1399) Königin von Polen 594, 783 f. Heidegger, Martin 1549, 1573 f. Henrici SJ, Peter Weihbischof in Chur 771 Herbut, Joakim Bischof von Skopje-Prizren 375 Herodes 701, 994 f. Hieronymus, hl. 862, 1548, 1560, 1589, 1592 Hippolyt 179 Hoffmann, Alessandro, Professor 421 Hubert, Bemard Bischof von Saint Jean-Longueuil 1312 Huhn, Bernhard, Bischof Apostolischer Administrator von Görlitz 784 Hume, Basile, Kardinal 842 Iby, Paul Bischof von Eisenstadt 21 Ignatius von Antiochien, hl. 16, 18, 53, 118, 174, 179, 1089, 1193, 1406, 1645 1718 Ignatius von Loyola, hl. Gründer der Gesellschaft Jesu 1265, 1277 Iliescu, Ion Präsident der Republik Rumänien 961 Illia, Frano Erzbischof von Scutari 71, 366 Innozenz III., Papst (1198-1216) 655 Innozenz IV., Papst (1243-1254) 569 Irenaus Bischof von Backa 817 Irenaus von Lyon, hl. (gest. um 202) Kirchenvater 16, 18, 1405 Isabella, hl. 534 Isabella die Katholische spanische Königin 476 Isidor, hl. 457 Jacobus de Marchia, hl. 1010, 1012 f. Jacono, Guido 243 Jagello (Jagiello) Großherzog von Litauen 569 Jakobus, hl., Apostel Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes 8 f„ 77, 121, 224, 239, 284, 486, 646, 1088,1217 Jaricot, Pauline-Marie 896 Jeremia(s), Prophet 451, 1179, 1544, 1583 Jeremias Metropolit von Frankreich 996 Jesaja, Prophet 65, 240, 242, 257, 259, 290, 318, 471, 517, 538, 553, 621, 715, 725, 763, 817, 1001, 1003, 1140, 1160, 1162, 1251, 1270 f„ 1374 Joaquin, Teodomiro, sei. (f 1936) Schulbruder vom Kolleg La Salle in Almena 1159 Joel, Prophet 938, 1098 Johannes, hl. Apostel und Evangelist, Bruder des Jakobus 59, 62, 111-113, 121, 159, 166, 225 f., 285, 400, 403, 429, 438, 455, 464, 479, 517, 576, 603, 609, 618, 646, 768, 800, 804, 895, 985, 993, 1025, 1033, 1086, 1109, 1120, 1182, 1271 f„ 1277, 1279 f., 1422, 1485 Johannes XII., Papst (955-964) 939 Johannes XXIII. (Angelo Roncalli), Papst (1958-1963) 94, 350, 872, 945-947, 990, 1128, 1153, 1229, 1263, 1639 Johannes Chrysosthomos, hl. 708, 1033 Johannes der Täufer 8, 215 f., 218, 245, 318-321, 647, 704, 761, 974, 1087, 1251 Johannes Eudes, hl. Gründer der Kongregation von Jesus und Maria 768-770 Johannes Paul I. (Albino Luciani), Papst (1978) 1147 Johannes Paul II., Papst (seit 1978) 24, 1463, 1469, 1471, 1475, 1479, 1484-1486, 1488, 1520, 1528, 1614-1616, 1623 f„ 1626, 1629, 1631, 1633-1635, 1639 Johannes vom Kreuz, hl. 491, 1265, 1562 Johannes von Avila, hl. (t 1569) 451, 493 Johannes OFM von Capestrano, hl. (t 1456) 1011 Johannes (von) Gerson (f 1429) 792 Johannes von Kety, hl. (t 1473) 850 Johannes von Nepomuk, hl. (t 1393) Märtyrer von Kosice 781, 787-790 Jonas Vater des Simon (Petrus) 541, 987 f. Jonas, H. 1613 1719 Josef (Joseph), hl. 226, 228 f., 345-349, 352, 354, 356-358, 471, 513, 677 f„ 682, 685, 702, 706, 746, 790, 907, 948, 1123, 1254, 1263, 1268, 1270 f., 1273 - Patron Kanadas 1321,1330 Justin, hl. 175 Justinus, hl. 1090,1194 Juvenal (Decimus Junius Juvenalis) römischer Dichter (um 58-140) 1089 Juvenalj, Metropolit 1249 Kain 545 Kajaphas 1088, 1578 Kajetan von Thiene, hl. 1187 f. Kakubi, John Baptist Alt-Bischof von Mbarara 308 Kalanda, Paul Bischof von Fort Portal 308 Kalemba, Mulumba (Matthias), hl. (t 1886), ugandischer Märtyrer 23, 291, 319-321 Kamsi, Willy Gjon Botschafter Albaniens beim Hl. Stuhl 857 Kanyarushoke, Dekan B otschafter von Rwanda 312 Kasimir, hl. 154, 570 f„ 594 Kastriota, Gjergj (f 1468) albanischer Nationalheld 71 f., 364, 371, 857 Katharina von Siena, hl. (f 1380) 1113 Katona, Istvän Weihbischof in Väc 1399 Kazimierczyk, Stanislaw 850 f. Kazotic, Augustin, sei. (| 1323) 1151 Keeler William Henry Erzbischof von Baltimore, Präsident der Bischofskonferenz der USA 530, 1453 Kephas siehe: Petrus Kerekou, Mathieu General, ehern. Präsident von Benin 267 Keszthelyi, Ferenc Bischof von Väc 1399 Kim, Andre (Kum-hai), hl. (f 1846) 533 Kiwanuka, Denis Bischof von Kotido (Uganda) 318 Kiwanuka, Joseph Bischof von Kampala, erster einheimischer Bischof 25, 325 Kizto, hl 321 Klara von Assisi, hl. 244, 251-254, 432, 664 f„ 1112-1115, 1140, 1161, 1163 f. Klemens, hl., Papst (ca. 89-97) 17, 53 Klemens (Clemens) XI., Papst (1700-1721) 71 Kochanowski, Jan polnischer Dichter 1262 Koci, Sabri Großmufti der islamischen Gemeinschaft 71,362 König, Franz, Kardinal 763 Kolbe, Maximilian, hl. 755-757, 821 f. Kolumbus, Christoph siehe: Columbus Kolvenbach, Hans-Peter, Pater Generaloberer der Gesellschaft Jesu 1245 Kombo, Emest Bischof von Owando 1334 Kondrusiewicz, Tadeusz, Erzbischof Apostolischer Administrator von Rußland 595, 1135 Konrad von Marburg Beichtvater der hl. Elisabeth von Thüringen 204 1720 Kopiec, Jan Weihbischof in Oppeln 709 Kornelius, Hauptmann 6-8 Kouassi, Alexandre Bischof von Bondoukou 1300 Kovac, Michal Präsident der slowakischen Republik 959 Kowalska, Faustina, sei. 65, 597, 847, 849-854, 856 Kozminski, Honorat (Wenzeslaus), sei. (f 1916) 849 Krainer, Josef Landeshauptmann 1255 Krenn, Kurt Bischof von St. Pölten 782 Kreon 1483 Kresztes, Sändor Botschafter der Republik Ungarn beim Hl. Stuhl 1156 Krol, John, Kardinal 877 Kucan, Milan Präsident der Republik Slowenien 752 Kyrill (Cyrillus), hl. (Mönch) Schutzpatron Europas 22, 845, 919 f„ 927-929, 942, 959, 1151 Kyrillos von Alexandrien, hl. 1072 Laghi, Pio, Kardinal Präfekt der Kongregation für das Katholische Bildungswesen 1245 Lagrange, Pater 1592 Lara, Castillo, Kardinal 952 La Salle, Johannes Baptiste de, hl. (t 1719) 1160 Las Casas OP, Bartolome de (f 1566), Missionar 522 Läszlö, Stefan Altbischof von Eisenstadt 21 Laval, Jacques Desideratus, sei. (t 1864) 1309 Leander, hl. 457 Lehmann, Karl Bischof von Mainz, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz 192, 758, 842 Leo der Große, hl., Papst (440-461) 224, 954, 1124, 1195 Leo XIII., Papst (1878-1903) 591, 633, 862, 864, 866 f., 871,981, 1049, 1542 f„ 1545 Leone di Fonte Avellana, Eremit 666 Leseur, Elisabeth, sei. (t 1914) 208 Libertinus, hl. (3. Jhdt) 1. legendärer Bischof von Agri-gent(o) 394 Livinhac, Pater 319 Lopez Rodriguez, Nicoläs de Jesus, Kardinal Präsident des CELAM 784 Lopez Trujillo, Alfonso, Kardinal 948, 1532, 1537 Lourdel, Pere 323 Lourdusamy, D. Simon, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 1245 Lubac, Henri de, Kardinal 1193 f. Lubich, Chiara Gründerin der Fokolar-Bewegung 100 Luciani, Albino siehe: Johannes Paul I., Papst Ludovico da Casoria (Ludwig von Casoria; eigentl.: Arcangelo Palmen-tieri), sei. (f 1885) gründete u. a. die „Grauen Schwestern” (Elisabethinnen) und die „Grauen Brüder” 64, 847 f„ 852 Ludwig IV., der Heilige (f 1227) Landgraf von Thüringen, Gemahl der hl. Elisabeth 204 Lukas, hl., Evangelist 52, 62, 121, 400, 471, 645, 814, 871, 1021, 1024, 1112, 1225, 1548 1721 Lukudu, Paulinus Erzbischof von Juba 337 Luluga, Martin Bischof aus Gulu (Uganda) 280 Lungu, Paul Bischof von Monze 1395 Lwanga, Charles (Karl), hl. (1865-1886), ugandischer Märtyrer 23 f., 26, 290 f„ 295, 299, 307, 321, 324 Macchi, Pasquale Erzbischof von Loreto (ab Alma Domo Laurentana), Päpstlicher Legat für den Wallfahrtsort Loreto 1121 Macharski, Franciszek, Kardinal Erzbischof von Krakau 1378 Machebeuf, Joseph P. erster Bischof von Denver (USA) 565 Magatto (vom Klan der Musu) Pflegevater von Mulumba Matthias Kalemba 319 Magdalena 59 Magdalena von Canossa, hl. 25 Maillet, Msgr. 1274 f. Maleachi (Malachias), Prophet 1196 Mamie, Pierre Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz 770 Manara, Miguel de 463 Mandlate, Paulo Bischof von Tete, Präsident der Bischofskonferenz von Mozambique 1349 Manjon, Andres (f 1923) 1163 Mansell, Henry J. Weihbischof in New York (USA) 709 Marello, Giuseppe (Joseph), sei. (t 1895), Bischof von Acqui, Gründer der Kongregation der Oblaten vom hl. Josef 669, 677-680, 682, 684, 688 Margaret von Youville, hl. 1325 Margareta von Cortona, hl. (t 1297) 431-434, 436,441,443 Margeot, Jean, Kardinal Bischof von Port Louis 1310 Margherita Mutter des hl. Giovanni Bosco 691 Maria Francesca von Jesus, sei. siehe: Rubatto, Anna Maria Maria la Real de la Almudena, hl. 479 Maria Magdalena (NT) 836 Maria vom hl. Ignatius siehe: Thevenet, Claudine Maria von Bethanien 803 Maria von der hl. Cäcilia von Rom siehe: Beianger, Dina Marie-Leonie (Paradis), sei. siehe: Paradis, Alodia Virginia Marie-Louise de Jesus (Trichet) siehe: Trichet, Maria Aloisia Markus, hl., Evangelist 61, 121, 645, 1021, 1024 Martha Schwester des Lazarus 803 Martini, Carlo Maria, Kardinal Erzbischof von Mailand 839, 842, 1139 Martino, Renato R., Erzbischof Apostolischer Nuntius, Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen 1525,1629,1631, 1633 Martyniak, Jan, Bischof Ordinarius der ukrainisch-byzantinischen Diözese Przemysl 1386 Mary Humiliana (Humiliana de Cer-chi), Schwester (f 1246) 509 Massaia, Guglielmo, Kardinal Missionar, Apostel des Gallastammes 679 Mastroianni, Umberto 381 1722 Matsulevits, Tiit Botschafter Estlands beim Hl. Stuhl 1129 Matthäus, hl., Evangelist 121, 260, 625, 644 f., 834, 1019,1024, 1027, 1548 Matulaitis (Matulewicz), Georg, sei. (1871-1927) Erzbischof und Apostolischer Visitator in Litauen, Neugründer der Ma-rianer 571,581,977 Matulionis, Teofilius Erzbischof von Kaisiadorys 610 Mayer, Mihäly Bischof von Pecs 1399 Mazzucconi, John (Johann Baptist), sei. (f 1855) 1373 Medina Estevez, Jorge Arturo Bischof von Rancagua (Chile) 776 Medina Olmos, Manuel, sei. (t 1936) Bischof von Guadix 1159 Meinhard, hl., Bischof erster Bischof von Riga 154, 616 f., 619, 621 f. Meisner, Joachim, Kardinal Erzbischof von Köln 781 Meri, Lennart Präsident Estlands 1129 Method (Methodius), hl., Bischof Schutzpatron Europas 22, 845, 919 f., 927-929, 942, 959, 1151 Methodius siehe: Method Metzler, Joseph, Pater Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs 820 Micciche, Francesco Weihbischof in Messina-Lipari-Santa Lucia del Mela 398 Michael, Erzengel 416, 1373 Mickiewicz, Adam Bernhard polnischer Dichter 598 Migne, Jacques-Paul (1800-1875) Mitbegründer der patristischen Editionsreihe Patrologia Latina und Pa-trologia Graeca 1193 Miklöshäzy, Attila 1399 Milan, Diego Ventaja, sei. (| 1936) Bischof von Almena 1159 Mindaugas, Feldherr 569 Mindszenty, Jözsef (t 1975), Kardinal, letzter Fürstprimas von Ungarn 1400 Mirdita, Rrok K. Erzbischof von Durazzo-Tirana 72, 366 Molla, Gianna Beretta, sei. 1531 Mondesert, Claude, Pater Mitbegründer der patristischen Schriftenreihe „Sources chretiennes” 1193 Mongbe, Rene Valery Präsident der int. Stiftung „Weg zum Frieden” 773 Monsi-Agboka, Lucien Bischof von Abomey, Präsident der Bischofskonferenz von Benin 255, 258, 262, 264, 276 Montal Fomes (Paula de San Jose de Calasanz), sei. (f 1889) Gründerin der Kongregation der Töchter Mariens, Schulschwestem der „Escuelas Pias” 65, 847 f., 852 f. Montesino(s) OP, Antonio de (f 1540), spanischer Missionar 522 Montini, Giovanni Battista siehe: Paul VI., Papst Montmorency-Laval, Francois de Missionsbischof 1313 Mose(s) 365,461,463,579,684, 761, 835, 956 f„ 1023, 1026,1031-1033, 1049, 1196, 1548, 1585 Müller, Georg, Apostolischer Administrator, Territorialprälatur Trondheim 1154 1723 Mukwaya, Joseph Bischof von Kiyinda-Mityana (Uganda) 291 Mullor Garcia, Justo Apostolischer Administrator von Estland und Nuntius 584, 1130 Musaka, hl. 321 Mutter Teresa von Kalkutta 72, 370, 374, 650 Mutulaitis-Matulewicz, Jerzy siehe: Matulaitis, Georg Nakaijanabwo, Egidio Bischof von Kasese 308 Napoli, Ludovico, Pater 1257 Natan, Prophet 1583 Nazareth, Daniel, Dirigent 1171 Nazzaro, Giuseppe 980 Ndingi, Raphael Erzbischof von Nakuru 1646 Nero, Kaiser 17, 989, 995 Neumann, Johann, hl. 1415 Newman, John Henry (f 1890), Kardinal 1042 Newton, Isaac (f 1727) Physiker und Mathematiker 378 Ngabu, Fraustin Bischof von Goma 1646 Nicolai OFMCap., Gabriel Franco, Pater, Apostolischer Pro-Administrator auf den Komoren 1309 Nikodemus 579 f. Nikolaus von Flüe, hl. 771 Nöbrega SJ, Manuel de (f 1570) Gründer der brasilianischen Jesuiten-Mission 522 Norbert von Xanten, hl. (t 1134) Begründer der Prämonstratenser 899-901 Nosiglia, Cesare Weihbischof in Rom 991 Novarese, Luigi, Msgr. Gründer des Marianischen Priesterbundes 984-986 Nsayi, Bemard Bischof von Nkayi, Präsident der Bischofskonferenz des Kongo 1330 Obinna, Bischof 1365 Ocampo, Juan Jesüs Posadas, Kardinal 107, 929 f. Odongo, James Bischof von Tororo (Uganda) 318 O'Donnell, Edward Joseph Weihbischof in Saint Louis 1365 Offreduccio, Favarone di Vater der hl. Klara von Assisi 1112 Olaf (Olav II. Haraldsson), hl. (t 1030), König von Norwegen 1155 Olmedo, Bartolome de Missionar 522 Onaiyekan, John Olorumfemi Bischof von Abuja 1646 Origenes 1548, 1560, 1589, 1592, 1606 Orione, Luigi, sei. (1872-1940) Gründer des Kleinen Werks der Göttlichen Vorsehung 925-927 Ossö y Cervellö, Enrique de, hl. (f 1896), Gründer der Gesellschaft der heiligen Theresia von Jesus 105, 487 f., 490 f., 1265 Oyanga, Joseph Bischof aus Lira (Uganda) 280 Paglia, Vincenzo 833 Palmer-Buckle, Charles Gabriel Bischof von Koforidua (Ghana) 709 Pälos, Miklös ungarischer Staatssekretär 1156 Pancratziu Gheorghiu, Gheorghe Botschafter Rumäniens beim Hl. Stuhl 961 1724 Paola Königin von Belgien 1116 Päpai, Lajos Bischof von Györ 1399 Papczynski, Pater Stanislaus (1631-1701), Gründer der Gesellschaft von der Unbefleckten Empfängnis 977 Pappalardo, Salvatore, Kardinal Erzbischof von Palermo 383, 410 f. Paradis, Alodia Virginia (Marie-Leo-nie), sei. (f 1912) 1325 Parisot Bischof in Benin 276 Pascal, Blaise (f 1662) 238 Paskai, Läszlö, Kardinal Erzbischof von Esztergom-Budapest, Primas von Ungarn 1156,1399 Pasquali, Pietro Generaloberer der Diener der Nächstenliebe 982 Patterson, Percival James Premierminister in Jamaika 505 Paul VI. (Giovanni Battista Montini), Papst (1963-1978) 23 f., 26, 74, 109, 120,176, 180 f„ 186, 225, 228, 230, 241, 276, 291, 293, 298, 302, 323, 325 f„ 412, 477, 554, 763, 765, 772, 778, 792, 806, 872, 874, 885, 888, 907, 942, 951, 990, 1079, 1091, 1099, 1111, 1127, 1147, 1184, 1187, 1221, 1375, 1427, 1430, 1451, 1463, 1482, 1528, 1639 Paulinus von Nola, hl. 983 Paulos Patriarch der orthodoxen Kirche Äthiopiens 964, 968, 1286 Paulus von Tarsus, hl., Apostel 8-12, 14 f„ 17-19, 39, 47, 57-59, 64, 66, 69, 71, 76, 86, 88-90, 97,105-108, 112, 117, 121, 127, 129, 143, 162, 174, 200, 206, 208, 216, 225, 412, 475, 492, 507, 553, 607, 657-659, 726, 805, 893 f., 928, 936 f., 951, 973, 978 f„ 988 f„ 993-996, 1002, 1008, 1011, 1026, 1028, 1031 f., 1039, 1054,1060 f„ 1063, 1067, 1073, 1076, 1083, 1085 f., 1094, 1097, 1107, 1111, 1115,1120, 1140 f., 1152, 1156, 1159, 1172, 1174, 1191,1194 f„ 1197 f„ 1226, 1235, 1240, 1254, 1274, 1283, 1291, 1296, 1299 f., 1304, 1312, 1317, 1324, 1326, 1331, 1344 f„ 1355, 1359, 1361, 1366, 1369 f., 1373 f., 1377 f„ 1387, 1392, 1395, 1399 f„ 1405, 1407 f„ 1416, 1430, 1435 f„ 1444, 1447 f., 1453, 1545, 1561, 1581, 1585, 1628 Pavle (Paulus) Patriarch der orthodoxen Kirche Serbiens 20,728,817 Pelletier, Norman, Pater Generalsuperior der Kongregation der Priester vom Heiligsten Sakrament 943 Penderecki, Krzysztof polnischer Komponist 1172 Peressin, Mario Erzbischof von L'Aquila 502 Perpetua, hl. 23, 26, 291 Petraitis, Donaldo, Pater Generalsuperior der Marianer (MIC) 976 Petrus (Simon Petras, Kephas), hl., Apostel 6-10, 15-19, 21, 27, 29 f„ 36 f„ 43, 45-47, 49, 52, 58, 62, 73, 106-108, 112, 120, 122, 171, 187, 208, 225, 262, 280, 296, 312, 357, 365, 391, 398, 404, 410, 434, 449 f., 480, 482, 541 f„ 544 f., 577, 581, 600, 618, 630, 646, 653, 705, 730, 733, 746, 763, 770, 779, 814, 837, 845, 875, 880, 884, 891 f„ 915, 936 f„ 951, 974, 979, 987-989, 993-997,1098, 1105, 1108, 1133, 1141, 1156, 1172, 1191, 1240, 1250, 1274, 1283, 1299 f., 1304, 1312, 1326, 1331, 1344 f„ 1355, 1359, 1370, 1373 f., 1377 f„ 1386 f„ 1395, 1399, 1405, 1410, 1429 f., 1435, 1453, 1584 1725 Petrus Damiani OSB, hl. (f 1072) Kardinal und Kirchenlehrer 666 Pewrera, Elmo Weihbischof in Galle (Sri Lanka) 709 Philippus, Apostel 407 Pier Damiani, hl. siehe: Petrus Damiani OSB, hl. Pilatus 206, 1082, 1084, 1088 Pindar (Pindaros) griechischer Lyriker (t um 446 v. Chr.) 394 Pinzön, Gebrüder spanische Seefahrer der 1. Kolumbusreise (Martin Pinzön [t 1493], Kapitän der „Pinta”) 477 Piovanelli, Silvano, Kardinal Erzbischof von Florenz 437, 657, 935 Pirandello, Luigi italienischer Schriftsteiler (geb. 1867 in Agrigent) 394 Pironio, Eduardo, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien 55, 530, 930, 1200 Pius n., Papst (1458-1464) 353 Pius V., hl., Papst (1566-1572) 200 Pius VI., Papst (1775-1799) 1187 Pius IX., Papst (1846-1878) 30, 42, 47 PiusX., hl., Papst (1903-1914) 735, 862,1229 Pius XI., Papst (1922-1939) 89, 634, 710 Pius XIL, Papst (1939-1958) 42, 47 f„ 125, 175, 191, 223, 765, 805, 862, 864, 871,997, 1153, 1280, 1543, 1545, 1606, 1633 Plotti, Alessandro Erzbischof von Pisa, Nationalpräsident der UNITALSI 1229 Poggi, Luigi, Erzbischof Pro-Bibliothekar und Pro-Archivar der Hl. Römischen Kirche 820 Poletti, Ugo, Kardinal Generalvikar Seiner Heiligkeit 937 f„ 978, 991 Poletto, Severino Bischof von Asti 669, 674, 681, 685 Polykarp von Smyrna, hl. 175 Posadas Ocampo, Juan Jesus (| 1993), Kardinal Erzbischof von Guadalajara 929 f. Poveda Castroverde, Pedro, sei. (t 1936), Pater, Gründer des Theresianischen Institutes 1160 Profittlich SJ, Eduard, Pater Erzbischof von Adrianopoli von Emimont, Apostolischer Administrator für Estland 1129 f, Protasevicius (Protaszwicz-Szuszkowski), Valerianus, Bischof 590 Pujats, Janis Erzbischof von Riga 619, 623 Pulijc, Vinko Erzbischof von Sarajewo 130,744, 1148,1151 Quadri, Santo Bartolomeo Bischof von Modena-Nonantola 1235 Quiroga, Vasco de, Missionar 522 Rabin, Yitzhak Israelischer Ministerpräsident 1633 Rafael (Raphael), Erzengel 467 Rainaldo, Bruder 1114 Rakoczy, Tadeusz Bischof von Bielsko-Zy wiec 821, 831 Rakotondravahatra, Jean-Guy Bischof von Ihosy, Vorsitzender der Bischofskonferenz von Madagaskar 1340 1726 Ramos Umana, Roberto Joaquin Militärbischof von El Salvador 107 Rasoamanarivo, Victoire aus Madagaskar, sei. (f 1894) 23, 1341 Rastelli, Alessandor Gründer des OFTAL (Vereinigung für Krankenwallfahrten nach Lour-des) 794 f. Ratzinger, Joseph, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre 862, 1207, 1542 Räuber, Karl-Josef, Erzbischof Präsident der Diplomatenakademie; Nuntius in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein 780 Re, Giovanni Battista, Erzbischof Substitut im Staatssekretariat, 1. Sektion: Allgemeine Angelegenheiten 348 Reinys, Mecislovas Erzbischof von Wilna 571, 610 Reiter, Dr. Udo Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks 1171 Ricardo, Evencio, sei. (f 1936) Schulbruder vom Kolleg La Salle in Almeria 1159 Ricci SJ, Matteo, sei. (t 1610) 501 Richelmy, Agostino, Kardinal Erzbischof von Turin 971 Ricoeur, Paul 1573 f. Ripoll, Jessie 512 Rizzi, Lino 884 Rodriguez de Araujo, Juan Jacinto Bruder 509 Romeo, Paolo, Erzbischof Präsident des Marianischen Priesterbundes und Nuntius in Kolumbien 985 Romero, Oskar, Erzbischof 107 Romero de Letna, Maximino Erzbischof, Spiritual des römischen Seminars „Redemptoris Mater” 1196 Romuald, hl., Einsiedler 665-667 Roncalli, Angelo siehe: Johannes XXIII. Rossi, Agnelo, Kardinal 352, 942 Rossi, Emilio 1261 Roucairol, Joseph, Msgr. 1274 Rousseau, Johann Bernhard (Scubilio), sei. (t 1867) 1309 Rubatto, Anna Maria (Maria Francesca von Jesus), sei. (| 1904) Gründerin der Kapuziner-Terziarin-nenvonLoano 178,1161,1163 Ruini, Camillo, Kardinal Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz 356,751,859, 884, 904, 937, 978, 991, 1142, 1196, 1235 Ruiz, Lorenzo, hl. 922 Ruppert, Lothar 1612 Saldarini, Giovanni, Kardinal Erzbischof von Turin 681, 1142 Salimei, Giulio Rektor des römischen Seminars „Redemptoris Mater”; Weihbischof in Rom 1196 Salomo, König 478, 480 Samuel, Prophet 801 Sänchez, Jose T., Kardinal Präfekt der Kongregation für den Klerus 880,931,1178 Sanders, James A. 1559 Saouma, Edouard Generaldirektor der FAO 1635 Sapieha, Adam Stephan, Kardinal 1198 Sarah, Robert Erzbischof von Conakry, Präsident der Bischofskonferenz von Guinea 1646 1727 Satellico, Maria Crocifissa (Elisabeth Maria), sei. (| 1745) Klarissin 178, 1161, 1163 f. Saulus (Paulus) von Tarsus siehe: Paulus Saussure, Ferdinand de 1556 Sava, hl. 1151 Savio, Domenico, hl. (| 1857) 679 Scalfaro, Oscar Luigi Italienischer Präsident 939 Scavizzi, Pirro (Pyrrhus) (f 1964) 1229 Schalück, Hermann, Pater Generalminister des Franziskanerordens 662 Schambeck, Dr. Herbert, Professor Vizepräsident des Österreichischen Bundesrates 1537 Schenker OP, Adrian 1612 Schleiermacher, Friedrich (Daniel Emst) (| 1834) evangelischer Theologe und Philosoph 1573 Schwenzer, Gerhard Bischof von Oslo 1154 Scubilion, sei. siehe: Rousseau, Johann Bernhard (Scubilio) Secundus, hl. Schutzpatron von Asti 673 Sepe, Crescenzio, Bischof Sekretär der Kongregation für den Klerus 931,1179,1616 Seregely, Istvän, Bischof von Eger, Vorsitzender der Ungarischen Bischofskonferenz 842, 1156, 1400 Sgreccia, Elio, Bischof Sekretär des Päpstlichen Rates für die Familie 709,1613 Sietmann MSCI, Klara, Schwester 909 Silota, Francisco Bischof von Chimoio 1349 Silvestrini, Achille, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 878, 1245 Sima Ngua Obono, Anacleto Bischof von Bata, Vorsitzender der Bischofkonferenz von Äquatorialguinea 1287 Simeon Zeuge der Darstellung Jesu im Tempel 271, 685, 745 f„ 748 Simon (Petms) siehe: Petrus Simon, Professor 763 Simon, Richard 1548 Simon von Cyrene 573 Simon von Lipnica, sei. (f 1482) 850 Simoni, Zef Weihbischof in Scutari 71, 366 Simonis, Adrianus Johannes Kardinal, Erzbischof von Utrecht 1359 Sinigardi, sei. Gefährte des hl. Franz von Assisi 439 Sksenderbeu (Iskender-Bei/Skaender-berg) siehe: Kastriota, Gjergj Sladkevicius, Vicentas, Kardinal Erzbischof von Kaunas, Präsident der litauischen Bischofskonferenz 580, 600, 608 f., 613, 1335 Sodano, Angelo, Kardinalstaatssekretär 255, 669, 671,673, 681,691 f„ 710, 1528 Sodano, Giovanni Vater von Kardinal Angelo Sodano 691 Solar, Johanna Femändez siehe: Teresa de Jesus „de los Andes” Somalo, Eduardo Martmez, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und 1728 für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens 909,1224 Souma, Edouard Generaldirektor der FAO 1203 Souza, Isidore de Erzbischof von Cotonou (Benin) 257, 263 Sposito, Luigi, Bischof Sekretär der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Hl. Stuhls 709 Squicciarini, Donato Erzbischof, Nuntius in Österreich 763 Ssentongo, Henry Bischof von Moroto (Uganda), Präsident des Gesundheitsbüros der Ugandischen Bischofskonferenz 296, 300, 318 Stafford, James Francis Erzbischof von Denver 55, 526, 530, 552, 555 Stanislaus (Stanislaw/Stanislaz Kazi-mierczyk), hl. Bischof von Krakau 65, 789, 847, 850, 854, 1393 Stefan (Stephan I. [Vajk]), hl. (f 1038) ungarischer König 939, 1405 Stefanus, Diakon, Märtyrer 1088 Steinmetz Missionsbischof in Benin 276 Stepanovicius, Julijonas (f 1991) Erzbischof von Vilnius 571 Stephan Batory (Stephan IV. Bäthory) (t 1586) König von Polen und Großherzog von Litauen 590 Strotmann Hoppe, Norbert K. Weihbischof in Lima (Peru) 709 Suärez Rivera, Adolfo Antonio Erzbischof von Monterrey, Vorsitzender der Mexikanischen Bischofskonferenz 929 Susanna (AT) 1087 Swiatek (Swatek), Kazimierz Apostolischer Administrator von Pinsk 595 Swietoslaw von Slawkow, sei. 850 Sylvester (Silvester) II., Papst (999-1003) 939 Tabet, Paul F., Erzbischof Apostolischer Nuntius, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls bei der Internationalen Konferenz über den Schutz der Kriegsopfer 1624 Tafoya, Arthur Nicholas Bischof von Pueblo 552 Tagliaferri, Mario 497 Takäcs, Nändor Bischof von Szekesfehervär 1399 Taksony ungarischer Prinz 939 Tanner, Mary Leiterin der Kommission Glaube und Kirchenverfassung des Weltkirchenrats 1007 Tardini, Domenico 1153 Tauran, Jean-Louis, Erzbischof Präsident der Päpstlichen Kommission Pro Russia, Sekretär für die Beziehungen des Hl. Stuhls zu den Staaten 711,1620,1634 Tavelic, Nikolaus, hl. (f 1391) 1151 Tecce, Professor Rektor der Universitätsklinik „Umberto I. ” 1258 Tedeschi, Radini, Bischof kirchlicher Assistent der UNITALSI 1229 Tekawita, Kateri (Katharina), sei. (t 1680) 1415 Teky, Joseph Bischof von Man 1300 Teodoreto aus Vinchio d’Asti, Bruder siehe: Garberoglio, Johannes 1729 Teresa de Jesus „de los Andes” („von den Anden”) (Juanita Femändenz Solar), hl. (f 1920) 45, 488, 796, 798-804 Teresa von Avila, (Theresia von Jesus), hl. (f 1582) 491, 798, 1265 Teresa von Lisieux (Theresia vom Kinde Jesu), hl. (f 1897) Patronin derMissionen 793, 831, 897,916 Ternyak, Csaba Weihbischof in Esztergom (Ungarn) 709, 1399 Tertullian (160-220) einer der bedeutendsten Kirchenlehrer der alten Kirche 175, 1214 Tettamanzi, Dionigi Erzbischof em. von Ancona-Ösimo, Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz 859, 884, 904, 1235 Theodor von Mopsuestia 1589 Theresa (Theresia) vom Kinde Jesu, auch Kleine Theresia ■riefte: Teresa von Lisieux Thevenet, Claudine (Maria yom hl. Ignatius), hl. (f 1837) 45, 794, 796 f,, 800-802, 804 Thiandoum, Hyacinthe, Kardinal Erzbischof von Dakar 317,1646 Thomas, Apostel 61,851 Thomas, Jacques, Pater Generalsuperior der Kongregation vom Unbefleckten Herzen Mariens (Scheut) 1000 Thomas Becket, hl. Erzbischof von Canterbury 789 Thomas von Aquin, hl. (um 1226-1274), Kirchenlehrer 80 f., 89, 201, 212 f„ 221, 875, 1048-1050, 1077 f„ 1243, 1577 Thu, Vincent Privatsekretär des Papstes 563, 565 Timotheus Schüler des Apostels Paulus 39, 66, 89,122, 174, 258, 323. 488, 996, 1039, 1331 Ting, S.C.C. 377 Titus Schüler des Apostels Paulus 122, 770, 813 Tobias, hl. 467 Tomasi, Giuseppe (Joseph) Maria, hl. (t 1713) 394 Tomasik, Henryk Marian Weihbischof in Siedlce (Polen) 709 Tomassi, Giovanni Battista 1229 Tomko, Jozef, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 255, 895 Tonini, Ersiliö Erzbischof von Ravenna-Cervia 884 Tomay, Maurice, sei. (t 1949) 83, 915 f. Trabucco, Pater Pietro Generalsuperior der Consolata-Mis-sionare 970 Traglia, Luigi, Kardinal Generalvikar von Rom 946 Trichet, Maria Aloisia (Maria Ludo-vica a Jesu), sei. (f 1759) 83, 915-917 Trujillo, Alfonso Lopez, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie 738, 784, 1221, 1465, 1521 Truszkowska, Angela Maria (Sophia Camilla), sei. (t 1899) Gründerin der Kongregation der Felizianerinnen 65,847,849,851, 854-856 Tumi, Christian Wiyghan Erzbischof von Douala, Präsident des Symposiums der Bischofskonferen- 1730 zen von Afrika und Madagaskar 1646 Turati, Sr. Ortensia, Generaloberin 925 Turibius (eigentl. Toribio Alfonso Mogrovejo), hl. (f 1696) Erzbischof von Lima (Peru) 776 Tzadua, Paulus Erzbischof von Addis Abeba 1646 Uhac, Giuseppe, Erzbischof Präsident des Höheren Rates der Päpstlichen Missionswerke 896 Ulrich, hl., Bischof 172 Uran, Alojzij Weihbischof in Laibach (Slowien) 709 Valle, Juan de Missionar 522 van de Ven, Marcello, Pater Generalabt des Ordens der regulierten Prämonstratenser Chorherren 899 Vänhoye SJ, Albert 1612 Van-Than 565 Variara, Luigi (Aloisius) (f 1923) 680 Värszegi, Asztrik Bischof von Pannonhalma 1399 Ventimiglia, Guglielmo 424 Verbist, Pater Theophile Gründer der Kongregation vom Unbefleckten Herzen Mariens 1000 Verdzekov, Paul Erzbischof von Bamenda 1646 Veronika Giuliana, hl. (f 1727) 917 Vitale von Aversa 1115 Vitalone, Claudio ital. Minister für Außenhandel 348 Vitoria OP, Francisco de (| 1546) 497, 499 Vitus, Märtyrer 392 Vlk, Miloslav Erzbischof von Prag 787, 842,1132 Vollmar S .M., Paul Weihbischof in Chur 771 Vytautas (Witold) der Große (t 1430) Großfürst von Litauen 569 Wadensjö.Bengt lutherischer Bischof 846 Wagner, Alois, Erzbischof 1635 Wamala, Emmanuel Erzbischof von Kampala 291, 301 f. Wandera, Erasmus Bischof von Soroti (Uganda) 318 Weber, Johann Bischof von Graz-Seckau 1255 Wenzel, hl. 787 Wetter, Friedrich, Kardinal Erzbischof von München und Freising 951 Widacki, Botschafter 595 Willibrord, hl. 1359 Willigers, Joseph Bischof von Jinja (Uganda) 291 Ximenes, Josephine 512 Yago, Bemard, Kardinal Erzbischof von Abidjan, Vorsitzender der Bischofskonferenz der Elfenbeinküste 1300 Yanez, Elias Erzbischof von Saragossa 479 Zacharias 416, 557 Zachäus 939 Zangära, Sr. Maria Rosa, sei. (t 1914), Gründerin der barmherzigen Töchter vom hl. Kreuz 973 f. Zauner, Sr. Romilde Generaloberin der bamherzigen Töchter vom hl. Kreuz 973 Zecchini, Antonio erster Apostolischer Administrator für Estland 1129 1731 Länder- und Ortsregister Zefanja, Prophet 1253 Zervos, Gennadios Weihbischof von der griechisch-orthodoxen Erzdiözese 939 Zichichi, Antonio Professor im Zentrum „Ettöre Maiorana” in Erice (Sizilien) 377 Zubeir, Wako Gabriel Erzbischof von Khartoum 337, 341 Aachen 182 Abendland 1604 Abidjan(Elfenbeinküste) 1300 Abomey (Benin) - Bistum 257 Abruzzen -ital. Region 501 Abuja 149 Accra -Bistum 1304 Acqui 680-682 Adria 1128 Ägypten 32, 461, 530, 579, 829 f„ 915, 956, 963, 1022, 1568 Äquatorialguinea 1287-1290 Äthiopien 530, 964, 968-970, 973, 1163,1283-1286 Afrika 3, 19-27, 149, 255 f„ 259, 261, 263-267, 269, 271 f., 276 f., 279 f„ 283, 285, 287, 290 f„ 293-295, 299, 304, 309, 312-317, 320-322, 326-330, 333 f., 337, 340-343, 394, 422, 445, 506, 528, 530, 534, 678, 695, 697, 713 f„ 719, 738, 750-752, 762, 764, 770, 777, 834, 838, 845, 943, 982, 1208, 1240, 1264, 1272, 1284, 1303, 1305, 1330-1332, 1334 f„ 1341, 1343-1345,1366, 1369, 1398, 1476, 1478, 1567, 1571, 1621, 1640-1645 - Ostafrika 324 -Ostküste 1311 -Westafrika 262,713,1367 Aglona (Lettland) 154, 162, 165, 247, 625-627, 629, 632, 637, 1240, 1266 Agrigent (Sizilien) 393-399, 403 f., 407, 409, 411 f„ 418, 420, 440 -Bistum 394,412 - Provinz 395 Ain-Karim 557 1732 Alabama (USA) 1420 Alaska (USA) 145, 521,1439 Albanien 70-73, 345, 361-370, 372-374, 531,672, 836, 857 f. Alberta 1317 Alcalä de Henares - Bistum 489 Algerien 227,530,714 Alice Springs 1479 Almena 178, 1159 -Bistum 1162 f. Almonte 468, 470 Altötting 1240 Aluksne 626 Ambatoroka 1342 Amerika 32, 55 f., 104, 144, 146, 455, 462,464, 471, 475-478, 485, 490 f„ 506, 513, 521, 523, 526-532, 534 f„ 544, 553, 558, 565, 580, 597, 624, 650, 695, 722, 770, 776, 798, 805, 967, 1239, 1252, 1264 f., 1320, 1409, 1415, 1422, 1424, 1430, 1436, 1438, 1449, 1452, 1454, 1456, 1476, 1482, 1621 - Lateinamerika 32, 105, 442, 455, 460, 485, 498, 524 f„ 531, 678, 695, 697, 719, 750, 762, 776 f„ 784, 786, 802, 805, 845, 982,1161, 1163, 1169-1171, 1208, 1217, 1252, 1261, 1478, 1486, 1490, 1525, 1567 , - Mittelamerika 1241 - Nordamerika 145, 530,778, 789, 969, 1241, 1252, 1569 -Südamerika 145, 530, 789, 1241, 1571 - Vereinigte Staaten von Amerika (USA) 56, 114, 136, 144, 146, 505, 526-530, 532, 535, 544, 549, 553, 555, 558, 563, 580, 706, 722, 818, 836, 855, 877, 965 f., 1116, 1120, 1136-1138, 1217, 1232, 1239, 1241, 1265 f„ 1405 f„ 1408-1410, 1412-1415, 1417-1421, 1425-1427, 1430-1432, 1435, 1437, 1439 f., 1442- 1444,1448, 1450, 1453 f„ 1456 f„ 1525, 1558,1567, 1569 -Zentralamerika 530 Ancona 353 Andalusien 104,450,460,468-470, 472, 476 Anglona (Lettland) 162 Angola 25-27, 100, 149, 530, 532, 719, 838, 1272 Antiochia (Antiochien am Orontes, Sitz des Patriarchen, heute: Antakya in Syrien) 18, 99,106,124 Antiochia (in Pisidien, antike Stadt in Kleinasien) 8 f., 988,1133, 1240, 1250 Antiochien siehe: Antiochia (Antiocheia am Orontes) Antofagasta 798 Antsirabe 1342 Antsiranana 1342 Aostatal 681, 683 Aparecida 1241 - Arezzo 431, 434, 436, 438-440, 444-446 Arezzo-Cortona-Sansepolcro - Bistum 431, 435, 438, 440, 444, 446 Argentinien 146, 530, 1241 Arienscovict 1362 Arizona (USA) 1425, 1479 Arkansas (USA) 1439 Asien 334,531,534,557,695,697, 711, 719, 750, 777, 834, 845, 916, 943, 982, 1208, 1220, 1232, 1241, 1252, 1476, 1567, 1571 - Südasien 422 Assisi 4, 6, 11, 19, 35, 173, 235, 237 f„ 240-245, 247-254, 338, 362, 377, 441, 657, 660, 664, 703, 715, 727, 733 f„ 744, 941, 1113, 1115, 1138-1140,1149 1733 Asti 669, 671-673, 677-683, 685, 688,691 -Bistum 669,'671, 681; 684 Asturien 1160 Athen 105 Atlanta (USA) 1430 Atlantik 652,1239 f.. Auco 799 Augsburg 172 Auros Vartu (Litauen) 160, 575 Auschwitz 756, 795, 821 f„ 831 Auschwitz-Birkenau, KZ-Lager 821, 831 ' : - Australien 531, 762, 1240, 1291 f„ 1294 f., 1297 f„ 1479 Babel 938 Babylon 480 Babylonien 623 Bahamas 530 Balkan 3 f., 19, 22, 35, 71, 88, 130, 182, 235 f., 244-246, 248-250, 252 f„ 367, 370, 375, 396,441, 528, 533, 562, 703, 716, 727, 744, 753, 755, 941 f., 1149-1152, 1233, 1240 Baltikum 148, 153,161 f.,T64f„ 569, 576 f„ 583-585, 588 f„ 602, 616, 624, 631 f„ 640, 650, 652-654, 656, 1130, 1239 Baltimore (USA) , 1430 Bamberg -Erzbistum 177 Bangkok 1466 Bangladesch 531 BanjaLuka 35 -Bistum 130 Barbastro 747 1 = Barcelona 853 Bata 1287 Belarus 531 Belgien 531,1009,1361 Belice-Tal 388,414 Benin (City) 21, 23 f., 26, 255-259, 261-268, 270-278, 340, 530, 752, 1264 -Nordbenin 270,273 -Bistümer 276 Bergamo 945-947 Berlin 580,1266 Betlehem (Bethlehem) 224-226, 702-704, 708, 721, 745, 1240, 1252, 1254,1256, 1262 f., 1268-1273 Betsaida 16 Bibiena 1011 Bihar (Ungarn) - Bistum 939 Blamand (Balämand, Libanon) 99, 124,994 Blantyre 1344 Böhmen (Tschechische Republik) 531, 630,790, 899, 1011 Bolivien 530, 805, 1241 Bosnien 3, 88, 98, 159,164, 182, 203, 836,1005, lOll.f., 1628 Bosnien-Herzegowina 22, 35, 65, 130, 173, 219, 227, 235, 239, 247, 249, 499, 531, 695, 714, 722, 744, 772 f„ 838, 1005, 1150, 1152, 1232L, 1272, 1474,1621 Bougainville 1373 Bovendonk 1362 Brasilien 530, 532, 805, 942, 1241, 1478 Brazzaville 1332 Breitenaü 49 Brescia 98 Breslau (Polen) 464 f„ 1391 Britisch Kolumbien 1317 Brixen 1166 Brüssel 227 1734 Budapest 119, 940, 1157 ■ Buenos Aires 56, 114, 146, 533, 689, 816, 1116, 1217, 1241 Bulgarien 531,712,927 Burgenland 21 Burundi 189,194,530,1272 Byzanz 1240, 1242 Cadore 114,119 f„ 1001,1003 f. Cäsarea Philippi 540 f., 987 f., 990, 995 f. Cagliari 806 Cali 805 Caltanissetta 414-416,418-421, 424, 427, 429 -Bistum 414 Camaldoli 657, 665 Campinas 943 Capri 1145 Caracas (Venezuela). 1532 Caridad del Cobre (Cuba) 1241 Casablanca 266 Casal Bertone 805 Casanäd (Szeged-Casanäd, Ungarn) - Bistum 939 Casoria 852 Castel Gandolfo 60,124,131,148, 153, 159 f., 1006, 1111, 1141 Castelnuovo d’Asti 679 Cepacabana (Bolivien). 1241 Chikwawa 1344 Chile 530, 798 f„ 802, 805 Chimoio - Bistum 1349 China 49,501,531,712,896 Chur (Schweiz) 842 -Bistum 770 f. Cittä di Castello 918 Colorado (USA) 56, 526, 530, 540, 552,555,558,1116/1425 -Fluß 548 Comelico 1004 Como -Bistum 217 Comoren 1309 Compostela 485 Concepciön 798 Constanza 962 Cook 1358 Coromoto (Venezuela) 1241 Cortona 431-433,443 Costa Rica 530 Cotonou (Benin) 23 f., 255, 257 f., 262, 274, 276, 317 -Erzbistum 257 Covadonga 1160,1240 Cuba 1241 Cuneo - Bistum 217 Czemichov 1240 Dänemark 531 Dahomey 278 Dalmatien 1011 f. Damaskus 14, 108 Dapango 270 Darwin (Australien) 1296 Debrecen-Nylregyhäza - Bistum 940 Dedza 1344 Den Bosch 1362 Denver (USA) 55-57, 114, 119 f„ 131, 137, 142-147, 400, 444, 505, 526 f., 529 f„ 532-538, 540-544, 549, 551 f., 556-559, 562 f„ 565,' 597, 685, 689, 814, 816, 818, 964 f„ 1116, 1120, 1136-1138, 1140, 1189, 1201, 1219, 1241, 1251-1253, . 1735 1265 f., 1297, 1318, 1409, 1414, 1419, 1424, 1429, 1434-1436, 1438, 1446 f„ 1449, 1453 -Erzbistum 1435 Deutschland 49, 60,169,192, 202, 531, 758 f„ 919, 951, 1011, 1172, 1525 -Bundesrepublik 177,1010 - Norddeutschland 622 Dominikanische Republik 530 Donnersdorf 33 Dos Hermanas 465, 467 Dürrfeld 33 Durango 1486 Durazzo 71 Edinburg 791 Eger (Ungarn) -Erzbistum 939 Eichstätt 951 Einsiedeln (Benediktinerabtei) 1240 Ekuador 530 El Obeid -Bistum 337 El Roclo 472 El Salvador 107, 530, 720, 805 Elfenbeinküste 25, 1300-1303 Emmaus 73, 365'f., 368, 539, 1316 England 508, 531 Ephesus 1086 Erice (Sizilien) 84, 377, 382, 394, 420 Eritrea 92, 1283-1286 Eschenbach 113 Estland, Republik 148, 153 f., 159, 161-164, 569, 583, 640-642, 644, 648, 652-656, 1129-1131,1266 Europa 3, 19, 22, 73, 84, 120, 148, 154, 160, 162, 204, 235-239, 241, 243-245, 247-249, 251-253, 264, 269, 274, 314, 334 f„ 350, 362 f., 365, 372, 396, 403, 441 f., 445 f., 474, 485, 531, 534, 565, 570, 574, 580, 583 f„ 586, 589-591, 594, 596, 601, 609, 612, 616, 624, 629, 637, 652 f., 656, 678, 695, 703 f„ 711, 714-716, 718, 727, 731, 733 f., 745, 753, 764, 770, 777, 782. 801, 818, 821, 825, 831 f„ 834, 838-845, 849, 855, 899, 919-922, 928 f„ 941 f„ 959-961, 969, 980, 1011 f., 1126, 1132-1135, 1138, 1149, 1167,1172, 1197, 1208, 1217, 1232-1235, 1237, ' 1240, 1252, 1254, 1266, 1309, 1338 f„ 1360 f„ 1379, 1383,1385, 1387, 1389, 1400, 1404 f„ 1472, 1571, 1621, 1623 - Europäische Gemeinschaft 498 - Mitteleuropa 73, 459, 583, 589, 839, 899, 901,960, 1133, 1151, 1157,1327,1490 -Nordeuropa 583, 1266 -Osteuropa 73, 583, 589, 710 f., 777, 839 f„ 842, 980, 1133, 1157, 1240, 1247, 1261, 1266, 1327, 1336, 1484, 1490, 1537 - Südeuropa 942 - Südosteuropa 73, 1272 -Westeuropa 422, 586, 716, 840, 842 f., 1537 -Zentraleuropa 961, 1484 Eversberg 169 Ezstergom 939 Fatima (Portugal) 247, 598 FemerOsten 678,789,1240 Feuerland 145,521,680 Fianarantsoa 1342 Finnland 531,639 Florenz 28 f., 31, 37, 657, 935, 1011 Fojnica (Bosnien) 205 Frankreich 531,768,836,993, 996, 1193,1240,1525 Freiburg 44 -Erzbistum 198 Friedrichshafen 73 Froschhausen 177 1736 Fulda 172, 192 Galiläa 108 f„ 245, 475, 539, 645, 865,989,1109 -See von 1001 Gambia 530 Gazzada (Varese) 1537 Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) 728 Genazzano 72 Genf 1627 Georgien 172, 716 Getafe -Bistum 489 Getsemani 995 Ghana 258, 261, 530, 1304 f„ 1307 f. Görlitz - Apostoüsche Administrator 783 Göttingen 113 Golgota (Golgotha) 57 f., 111, 299, 417, 463, 539, 609-611, 704, 751, 821, 1239 Goree (Senegal) 506 GranSasso 501 Grand-Bassam (Elfenbeinküste) 1300 Graz 192, 1255 Graz-Seckau - Bistum 1255 f. Griechenland 531, 1240 Großbritannien 206 Guadalajara 930 f. - Erzbistum 930 Guadalquivir 460 Guadalupe (Mexiko) 1241 Guadix 178 -Bistum 1162 f. Guam 531 Guatemala 530, 720 Gulu (Uganda) 24, 279, 282 f. Györ - Bistum 939 Haarlem (Niederlande) 1362 Haiti 530 f., 720,1478 Hamburg 60, 182 Hawaii 1452 Heiliges Land 1633 f. Helsinki 639,1233 Herzegowina 3, 88, 159, 164,182, 203 siehe auch: Bosnien-Herzegowina Hietzing 187 Hildesheim - Bistum 70 Holland 1364 Honduras 530 Hongkong 531,563,1208 Hot Springs 1204 Huelva 104, 454, 471 f., 474-476, 478, 503, 1264 -Bistum 468,471 Idaho (USA) 1439 Illinois (USA) 1405 Indiana (USA) 1405 Indien 445,531 Indischer Ozean 1309,1311 Indonesien 531,563 Iowa (USA) 1415 Irak 714, 878-880 Irland 206, 531 Isolad'Asti 691 f. Israel 531, 702, 712, 1022, 1240, 1269, 1560, 1563 f„ 1582, 1633 Italien 125 f., 136, 203, 206, 350 f., 354, 394, 400, 403, 405, 440, 442, 444 f., 531 f., 683, 723, 839, 848, 852, 863, 885, 887, 904, 906 f., 939, 1737 973, 992, 1011 f„ 1141-1143, 1145, 1230, 1239 f„ 1253 f., 1259, 1263, 1279,1525 - Süditalien 64, 422, 424, 426 -Bistümer 905 Izamal 144 f., 521 f„ 524, 526 ; Jamaika 144, 146 f„ 505-520, 1265, 1478 Japan 531,836 Jasna Gora (Polen) 532, 598, 818, 1241,1252, 1265,1382 Jasov, Abtei 899 Jena 49 Jerusalem 8 f., 43, 53, 55, 93, 140, 157, 229, 290, 308, 346, 365, 389 f., 417, 434 f„ 461, 463, 478, 480, 517, 536, 538, 553, 558, 610, 623, 645, 726, 745 f„ 816-818, 900, 945, 988, 994 f„ 999, 1133, 1240, 1250, 1252, 1269, 1291, 1374,1435, 1583, 1634 Jordan 215, 244 f„ 318, 321, 746, 830 Jordanien 531,712 , Juba (Sudan) -Erzbistum 337 Juda 1583 Judäa 435, 865, 1268 f„ 1271 Jugoslawien 19, 82, 218, 246, 773, 941, 1139, 1150, 1233, 1267, 1474 f. Jungfem-Inseln 530 Jurmala 626 Kafamaum 461 Kairo 1191, 1464 Kalifornien (USA) 1452 Kalocsa-Kecskemet (Ungarn) - Erzbistum 939 Kalvaria (Kalvarienberg) 113,260, 307,576, 578, 614,910, 985 f. ' Kalwaria Zebrzydowska 598 Kambodscha 334, 719, 836 Kamerun 530 Kampala (Uganda) 24 f., 283, 289, 294, 299, 301, 312, 316, 321 f„ 324, 325,1305,1640,1642 - Erzbistum 322 Kana 472, 475 f„ 614 f„ 922,1109 Kanada 5301, 805,1241,1266, 1317-1330, 1479, 1525 - Nordwest-Gebiete 1317 Kansas (USA) 1415 Kaposvär - Bistum 940 Kapverdische Inseln 530 Karibik 505-507,510,5131,520, 530, 1239 Karlsruhe 198 Karlstad (Schweden) - Bistum (evangelisch) 846 Kasachstan 1252 Kasese (Uganda) 24,307,311 Katalonien 4881 - Bistümer 489 Kaukasus 236, 528, 716, 838, 1233, 1272 Kaunas 161, 598, 600, 606, 608, 1266 Kazan (Rußland) 247,1240 Kazimierz (Kazimiersz) 8501, 854 Kenia 530,971 Kentucky (USA) 1420 Kevelaer 1240 Khartoum (Khartum) (Sudan) 25, 330, 333, 3361, 341, 343, 713, 752 - Erzbistum 337 Kingston (Jamaika) 144, 147, 505, 507, 509-511,513,516,518 -Erzbistum 505,511,517 Kinshasa (Zaire) 12, 14 Kitovu (Uganda) 535 Kleinasien 208 1738 Köln 182 -Erzbistum 88,791,1634 Koforidua (Ghana) -Bistum 1304 Kolka 626 Kolosseum (Rom) 832 f. Koluma 610 Kolumbien 530,680,720, 805 Kongo 1330, 1332 -Volksrepublik 1330-1334 Konstantinopel 108, 148,162, 989, 992 f„ 1239, 1266 Kopenhagen 1464 Korea 49,445, 531, 836 Korinth 12, 58, 270, 379, 461, 463, 790,1291 Krakau 65, 632, 821, 849-851, 853 f„ 1199, 1249, 1265, 1391 - Erzbistum 756 Krefeld 55 Krekenava 154 Kroatien 19, 49, 60, 88,159, 164, 182, 203,531,533,712, 1150 f., 1233 Kuba 530,720,1167,1478 L’Aquila - Erzbistum 502 LaRäbida 104,472,478 La Reunion 1309 La Salette 1240 La Serena 798 La Storta 10, 32, 164 La Verna 657-662 Lajosmizse 119 Latgale 626 Lettland (Latgalia) 148, 153 f., 159, 161-164, 569, 583, 616 f„ 619, 621-627, 629-631, 633, 637-639, 652-655, 976, 1266 Leverkusen 202 Libanon 99, 138, 531, 714, 1203, 1240, 1250, 1267 Libera 334 Liberia 713 Liechtenstein 531 Liepaja 626 - Bistum 629 Lilongwe 1344 Limbarzi 626 Linz/Donau 202 Lissabon 719 Litauen 148, 153 f., 159-165, 247, 531 f., 569-572, 574-576, 578-587, 590, 594-596, 598-605, 608 f., 611-615, 617, 638, 652-654, 849, 976 f., 1266, 1335-1338, 1340 .. Livland 1129 Loano 178, 1161, 1163 Lokossa (Benin) -Bistum 257 Lome 326, 1641 Loreto 1013, 1121-1129 Los Angeles 1408 Louisiana (USA) 1420 Lourdes (Frankreich) 247, 299, 749, 751 f., 794, 938, 985,1229,1240 Luanda (Angola) 25, 1642 Lublin 1390 Ludbreg 60 Lujän 1241 Luxemburg 531 Lyon 37,1195 Maastricht 1360 Macerata 501 Madagaskar 326,530,1311,1331, 1340 f„ 1343, 1476, 1640-1643 Madeville 511 1739 Madrid 105 f., 478 f., 481 f.,'487, 491, 496, 498, 503, 714, 1265 -Erzbistum 481,489 Mähren 790,1132 , Magdeburg - Bischöfliches Amt 164 Magliano Sabina 352 f. Mailand 109, 136, 217, 884, 1138 f„ 1186 Mainz 49, 951 -Bistum 192 Maipü 798 Makao 531 Malaga. 454 Malawi 530,1344 f., 1347 f. Malaysia 531 Mali 530 Malta 531 Mandeville 507, 509 - Apostolisches Vikariat 505, 511, 517 Mangochi 1344 Manila 146 f., 557, 1216 f., 1220, 1253, 1465 Manitoba 1317 Marburg 170 Mariapocs-(Ungam) 247 Mariazell 1131-, 1240 Marija Bistrica (Kroatien) 247 Marija Pomagaj (Slowenien) 247 Marken - ital. Region 178, 501, 1013, 1122 Matamoros 1482 Mauritius 530, 1309 Mazara del Vallo 387-394, 420 - Bistum 388 Mazedonien -jugoslawische Republik (FYROM) 928 Mazowsze 849 Melanesien 1374 Merida (Hauptstadt von Yukatän, Mexiko) 144-147, 505,1265 Mexiko 144-147, 505, 530, 712, 898, 929-931, 973, 1241, 1265,1486, 1525 Mexiko (Mexiko) 1532 Miami (USA) 1430 Michigan (USA) 1410 Mikronesien 1374 Miskolc 119 Mississippi (USA) 1420 Missouri (USA) 1415 Mittelmeerraum 422, 1232, 1242-1244 Mittlerer Osten 264,1240,1250, 1267 f. Mogadischu 115 Moguer 104 Moldau 787 Mondonio - Bistum Asti 679 Mongolei 1000 Monserrat 487 Montana (USA) 1439 Montana von Comelico-Sappada 1004 Monte Col 1004 Montego Bay 505,507,509,511 -Bistum 511,517 Montenegro 531, 1475 Monteprandone 1010 Monterotondo 345 Monterrey (Mexiko) 1482, 1532 Montevago 414 Montserrat (Spanien) 247 1740 Morgenland 1256 Mosambik (Mosambique) 532, 719, 1349-1354 Moskau 583, 629, 1135, 1249 - Patriarchat von M. und ganz Rußland 165 Mostar 35 München 198 - Erzbistum München und Freising 951 f. Münster -Bistum 55, 182 Mulogo 299 Myanmar 531 Mzuzue Zomba 1344 Nacala _ -Bistum 1349 Naher Osten 3, 161, 334, 528, 531, 714, 980, 1250, 1273, 1633 Nakiyanja (Uganda) 288 Namugongo (Uganda), Wallfahrtsort 24 f„ 288, 290 f„ 294 . Natitingou (Benin) -Bistum 270 Nazaret (Nazareth) 35, 61,105, 219, 228-231, 244, 257, 260, 347, 354, 471, 557, 614, 621, 625, 805, 907, 974, 1125-1128, 1225,1254, 1270 f„ 1485, 1532 , Neapel 848,852 Nebraska (USA) 1415 Neubiberg 198 Neubraunschweig 1321 Neufundland 1321 Neuguinea 1370 Neu-Mexiko (USA) 1425 Neunkirchen 49 Neuschottland 1321 Neuseeland 531, 1240, 1355 f„ 1358 Neustadt an der Weinstraße 55 Nevada (USA) 1452 New-England (USA) 1435 New Jersey (USA) 1448 New Orleans (USA) 1413 New York (USA) 1444, 1632 -Staat 1571 Niagara 1571 Nicaragua 530 Niederlande 531, 1359-1364 Nigeria 258, 261, 836, 1365 f„ 1368 Nigerien 530 Nola 791 Noordwijkerhout (Niederlande) 842 Nordirland 206 Nordrhein-Westfalen 169 Norwegen 531, 1154 Nossgem-Zaventem (Belgien) 153 Noto 1153 Nova Rfse, Abtei 899 Novosibirsk 1252 Nowogrodek 577 Nsambya (Uganda) 299, 301 Nyiaregyhaza 119 Oberpfalz 70, 182, 187 Ölberg 58,238,816,830 Österreich 60, 136, 192, 202, 531, 764, 1011, 1131 f. -Niederösterreich 153 Ohio (USA) 1410 Oklahoma (USA) 1439 Okzident 1248 Ontario 1326 Oregon (USA) 1439-Orient 64, 394, 708-710, 1089, 1128, 1242, 1248, 1263, 1561, 1564, 1604 -Vorderer 865, 1192 1741 Osaka - Erzbistum 1634 Oslo 1154 Osnabrück 172 Ostia 942 f. Ostra Brama 577, 598 ; OstraVetere 1161 ' r ■ Ostsee 621, 623 Otranto (Apulien) - Erzbistum 363 Ouidah 262, 278 Owerri 1369 Ozeanien 531, 534, 1240,1476 Paderborn; • -Erzbistum 182 Padua 242 Pakistan 531, Palästina 1633 Palencia 454 Palermo 422,1153 -Erzbistum 1153 Palos 472,477 Palos de la Frontera 104 Panama 530 Papa 119 Papua Neuguinea 1369,1371-1373 Paraguay 530 Parakou (Benin) 23, 267, 269 f. - Bistum 270, 272 f. Paris 580,631,719,896,916, 1232 f. Passau -Bistum 158 Patagonien 680 Pazifik 531, 1356, 1374-1377 Pecs (Ungarn) - Bistum 939 Pennsylvanien (USA) 1448 Peru 530,720 Perugia 1010 Pescara 219 Philippi 174,516,1628 Philippinen 531, 533, 557, 563, 921 f„ 1217, 1220, 1240, 1253 Piemont 679, 681, 683, 971 Pilar 1240 Pivasiunai 154 Poggio Mirteto 355, 357 Polen 65, 146, 162, 531 f„ 576, 580, 590, 594, 596, 598, 630, 818 f„ 821 f„ 849, 853, 1011, 1172, 1252; 1265, 1378-1383, 1385-1388, 1390-1392, 1394 f. Polynesien 1374 Porto-Novo (Benin) -Bistum 257 Portugal 531 f„ 993, 1240 Porziunkola 1113 Posen 1391 Prag 781,790, 1132 " -Erzbistum 787 Premontre 899 Preßburg 960 Prince Edward Insel 1321 Principe 100, 532 Przemysl - ukrainisch-byzantinisches Bistum 1386 Puebla 766, 1485 Puerto Montt 798 Puerto Rico 530 Puntas Arenas 798 Pusselsheim 33 Pyrenäen 751 Quebec 796 f., 1312 f., 1316 f„ 1321 1742 Qumran 869 Ravenna 939 Regensburg 73, 198 Rieti 353 Riga (Lettland) 154, 161 f„ 616-618, 621, 623 f„ 626, 630-632, 637, 1266 - Erzbistum 629 Rio de Janeiro (Brasilien) 717, 1185, 1206, 1464, 1533, 1638 Rocky Mountains 56, 533, 540, 552, 558 Rolduc 1362 Rom 10, 16-19, 22, 25, 29, 32, 44, 53, 56, 60, 70 f„ 79, 84, 93 f„ 106 f„ 125, 136, 148, 153, 158, 162, 172, 177, 202, 204, 210, 214, 217, 219, 247, 256, 261 f., 270, 276, 320, 338, 346, 371, 397 f., 468, 533, 565-567, 581, 597, 621, 638, 654, 689, 692, 708, 719, 730-732, 742, 745 f., 758, 766, 778, 790, 794, 798 f„ 805 f„ 816 f„ 832, 838, 842, 851 f., 859-861, 877, 884, 892, 897, 918 f., 921, 927, 931, 936-939, 942, 946, 954 f„ 960-963, 968, 970, 978 f„ 988-993, 995,999, 1111, 1116, 1131, 1133, 1152 f„ 1156, 1162, 1172, 1177 f„ 1191, 1197-1199, 1239-1241, 1248-1250, 1253, 1255 f„ 1263 f„ 1266, 1269, 1274, 1278 f„ 1291, 1295, 1301, 1312 f„ 1330, 1336, 1340, 1344, 1360, 1364 f„ 1374, 1395, 1405, 1415, 1434, 1444, 1465, 1481, 1519,1532,1635,1642,1645 -Bistum 74, 84, 93, 106 f„ 211,751, 891,964, 1196, 1263, 1268 -Kirchein 74, 106f. Rosa vive 805 Ruanda (Rwanda) 26, 28, 309, 530, 713, 838 Rubaga (bei Kampala, Uganda) 25, 1640 Rumänien 531, 961 f., 973 Rumbek (Kenya) -Bistum 337 Rußland 162, 165, 247, 531, 583 f., 624,710,728,1135 - Patriarchat von Moskau und ganz R. 165 Ruthenien 165 Rwenzori-Gebirge 308 Sabina 352-356 Sabina-Poggio Mirteto 943 - suburbikarisches Bistum 352, 357 Sabiner Berge 348 Saint-Gall (Benin) 262 Saint Paul-Minneapolis (USA) 1444 Salamanca 497, 1265 Salomon-Inseln 531, 1369-1373 Saloniki 919 f., 927 f. Salzgitter 172 Samaria 435 Sambia 530, 1395-1399 Samoa 1358 San Damiano 661 Santiago 798 Santiago de (di) Compostela 56, 114, 146, 474, 490, 515, 533, 689, 816, 1007, 1116 f„ 1241, 1266 Santo Domingo (Dominikanische Republik). 144 f., 460, 485, 490, 505, 695, 720, 766, 784-786, 799, 1169 f„ 1479, 1485, 1533 Santo Stefano di Cadore 1001,1003-1005 Säo Tome 100, 532 Saragossa 485 Sarajevo (Vrhbosna) 19, 35, 173, 1149, 1151, 1627-1629 - Erzbistum 130 Sarkani 154 Sarvar 119 S askatchewan 1317 Savona 682 1743 Scheut 1000 Schlesien 1172 Schottland 508,531,791 Schwarzes Meer 961 Schweden 531, 836 Schweiz 172,531,771 Scutari 71 f., 361, 363 f„ 367-370 Selm 55 Senegal 506,530 Serbien 531, 1150, 1233, 1475 Sevilla (Spanien). 100, 104 f., 449 f., 453 f„ 456-461,463-465, 491, 496, 503, 1264, 1532 Seychellen 1309 Siaulai/Schaulen (Scheulen) (Litauen) 162, 609 Siberien 610 Siebenbürgen 1157 Siegbahn, Kai 377 Sierra Leone 530 Siluva (Litauen) 154, 162, 165, 575, 612 f„ 615, 1240, 1266 Simbabwe 530 Sinai, Berg 545, 1023 Singapur 531,836 Sizilien 83 f., 377, 385, 397-400, 402 f„ 406, 410, 414-416, 418-423, 440,1152,1263 Skaistakalne 154 Skopje-Prizren 375 Slawonien 1011 f. Slowakei 136, 247, 630, 781, 959 f., 1157 Slowakische Republik 531,718, 959 f. Slowenien 531,712, 752-755 Smolensk (Rußland) 247 Sokode 270 Somalia 115, 713, 838, 1272, 1621 Soroti (Uganda) 24, 318 f., 321 Sotto il Monte 946 Spanien 32, 104-106, 146, 178, 449, 452, 456, 460, 464, 467 f., 474 f., 477 f„ 482, 484-486, 489, 491 f„ 495, 497 f„ 503, 531, 747, 993, 1159, 1240, 1264, 1266 Speyer 55 -Bistum 187,951 Split 60 Spoleto 1115 St. Pölten -Bistum 782 Steiermark 1255 f. Strahov, Abtei 899 Studenica (Serbien) 247 Sudan 21, 23, 25 f„ 149, 255, 280, 282, 313, 316, 332-334, 336-341, 343, 530, 713, 1264 Swasiland 530 Sydney 1465 Syrakus 1153 Syrien 18 Tabor, Berg 539,1251,1270 Taiwan 531 Tallinn (Talinn) (Estland) 161 f., 639-641, 644, 647 f„ 652-655, 1130 f„ 1266 Tallinn/Reval siehe: Tallinn Tansania 530 Tartu 641 Tazakistan 531 Temuco 798 Tennessee (USA) 1420 Tepl, Abtei 899 Texas (USA) 1439 1744 Thailand 531,563,836 Thessalonich 845 Thessaloniki 942 Tiber 353 Tijuana 1482 Tirana 72,362,371 Tirol 44 Togo 258,261,270,326,714,838 Tokelau 1358 T ombura-Y ambio - Bistum 337 Tonga 1358 Torit - Bistum 337 Toronto (Kanada) 1521 Torri di Sabina 348 Tortosa 488 f. -Bistum 489 Toskana 437, 440, 657 Trapani 383, 385 f„ 394, 420 -Bistum 387 Traustadt 33 Trient 75, 78, 174, 200, 208 Trier - Bistum 60, 158 T schechoslowakei - föderative Republik 718 Tschenstochau (Polen) 56,114,146, 247, 532 f„ 577, 598, 689, 816, 818, 1116, 1217, 1240, 1382 Turin 681,971,1142 Turon (Asturien) 1160 Uganda 21, 23-26, 255, 280-283, 285, 287-304, 306 f„ 309-312, 316, 318-326, 329, 340, 530, 535, 752, 1264 - Nord-Uganda 280 f. -Westuganda 308,310,312 Ukraine 162, 247, 531, 576, 580, 976, 1249 Ulm 198 Ulmen 113 Umbrien -ital. Region 501 Ungarn 136, 531, 939 f„ 1011 f„ 1156 f., 1399 f., 1403 f. Ural 165, 652, 1240 Uruguay 178,530,1161 USA siehe: Amerika -Vereinigte Staaten von Väc (Ungarn) - Bistum 939 Valdichiana-Ebene 431 Valmiera 626 Valparaiso 798 Varazdin 60 Vatikan 73,576,706,918,959,968, 991, 1147, 1268, 1640 f„ 1644 -Vatikanstadt 1644 Velehrad 1132 Venedig - Patriarchat 217 Venetien 25 Venezuela 530, 805, 1241 Ventspils 626 Vercelli 794 Vescovio 347, 352 Veszprem -Erzbistum 939 f. Vicenza 805 - Bistum 805, 807 Vietnam 531,533,563-565,712, 836 Vilnius (Litauen) 161 f., 165, 569-571, 576 f„ 579-581, 583-585, 587, 589 f„ 594, 597, 1240, 1266 - Kirchenprovinz 1336 1745 Vinkovici 49 Vitebsk 629 Vojvodina 1157 Vorderer Orient siehe: Orient Vronesteyn 1362 Vukovar 49 Wädenswil 73 Wales 531 Zeliv, Abtei 899 Zemaiciu Kalvarija 154 Zürich 182 Zypern 714 Warschau 64 f., 1391 -Ghetto 819 Washington (USA) 1430, 1439, 1633 Wattenscheid 177 Wau -Bistum 337 Weißrußland 162,576 Westfalen 44,187 Westsamoa 531, 1375 Wien- 60, 497, 1132, 1233, 1464, 1620,1623 Wilna 154, 583, 853, 977 Wisconsin (USA) 1405 Wladimir (Rußland) 247, 610, 1240 Würzburg 33 Wyoming (USA) 1425 Yalta 652 Yamoussoukro (Elfenbeinküste) 25, 713, 1303, 1641 Yaounde 1331 Yei (Sudan) - Bistum 337 Yucatan (Republik Mexiko) 145, 505, 521, 526, 1239 - mexikanische Halbinsel 144 Yukon 1317 Zagreb 60 Zaire 530,7.14,838 Zara 19 1746 Zitierte Bibelstellen Das Buch Genesis 1,26 198 1,27 542,1599 1,27-28 1603 1,28 542, 1045, 1583 2,16 1047 2,16-17 1042 2,17 1042, 1047 2,23-24 310 2,24 519, 1372 3,5 1084, 1095 3,9-15.20 417 3,13 384 3,19 760 3,20 417 4,9 545 f. 4,10 772 11,8 938 12,3 1603 15,7.18 1583 18,18 1603 Das Buch Exodus 3,14 478 10,2 40 15,17 1583 16 1602 19,5 542 19,5-6 1591 20,2 1067 20,2-3 1022 20,13 545 21-23 1552 33,7 103 34,9 956 Das Buch Levitikus 17-26 1552 19,2 1022 26,3-33 1583 26,12 1022 Das Buch Numeri 6,26 704 Das Buch Deuteronomium 4,7-8 1050 6,4-6 1591 6,4-7 1022 6,5 41, 403 8,2 463, 963 8,2.14-16 461 8,14.3 963 12-26 1552 30,11.14 870 31,6 286 33,15 1419 Das erste Buch Samuel 3,9 ■ 284 16,7 801, 803 Das zweite Buch Samuel 7,12-16 1583 23,5 1583 Das erste Buch der Könige 2,4 1583 3,6 1583 8,27 478 27 478 Das erste Buch der Chronik 17,11-14 1583 Das zweite Buch der Chronik 25,20-23 1583 Das Buch Nehemia 8,8.12 1604 Das zweite Buch der Makkabäer 7,23 1213 Das Buch Ijob 10,1-7 1583 13,3-28 1583 23-24 1583 38-42 1583 Die Psalmen 1,1-2 1050 1,1-6 1583 2,7 1584 2,7-8 1583 2,8 1583 4,6 1048 4,7 1014 f. 8,2 380, 893 8,2 548 8,6-7 548 8,6-9 1583 16,2 658 16,11 560 19,2 137 1747 19,5 108 19,8 651 19,8-9 1050 19,13 1064 22,4 801 23,1 542, 804, 1147 24,1 1199 24,7 746 27,8 1217 28,7 341 34,4 996 34,6 ■ 1251,-1254 35,10 . -25 37 1583 42,2 1454 44 1583 45,7 1584 51,6 759 51,12 581 51,14 581 66,5 915 66,8 915 72,11 708 78,1 611 84,2 479 84,5 480 87,2 1125 89,20.38 1583 89,27 345 95,8-11 1583 96,12.11 1270 98,2-3 516 104,29 1097 110,1 1584 110,1.4 1583 110,4 1584 111,10 402 112,1-10 1583 113,5-6 572 116,15 382 118,1 847 118,24 73, 364, 837 127,1 4 132,7-8 1583 133,1 229, 1317 136,1 936 139,1.13 1119 139,6 1021 Das Buch der Sprichwörter 1,7 402 8,31 478 Das Hohelied 8,6 830 f. Das Buch der Weisheit 1,7 883 3,4 163 3-5 1583 4,8-9 1152 7,8 487 7,14 487 9,2-3 ■ 1583 10,2 1583 13,5 893 16,20-29 1602 Das Buch Jesus Sirach 15,14 1045 15,19-20 1095 50,1 657 50,4 660 Das Buch Jesaja 2,2 ' 552 f. 2,3 517 2,4 4, 65 5,20 715, 1089 6,3 1022 6,5.3 539 6,8 540,891,1140 7,13-14 1583 9,1 1268 9,5 6, 1273 11,1 471 24,15 1374 25,6 726 25,7 727 25,9 725,1162 25,10a 1160 35,6-7 763 42,3-4 246 42,6 246 49,13 341 49,14 339, 341 53 1583 53,7-8 1545 55,11 1003 56,7 .1126 57,15 242 1748 57,19 242 57,21 240 58,6-7 318 60,1 293 60,1-2 290 60,3-4 290 60,20 294 61,1 257, 1225 61,6 257 Das Buch Jeremia 1,5 1179 23,5-6 1583 25,11-12 1583 29,10 1583 29,11 1149 30,9 1583 31,33 579 Die Klagelieder 3,22 365 Das Buch Ezechiel 34,16 280 34,24 1583 36,24 308, 623 36,26 622 36,27 622 37,19 270 37,24-25 1583 Das Buch Daniel 2,35.44 1583 3,57 119 7,14 1583 9,2 1545 9,24-27 1583 13,22-23 1087 Das Buch Hosea 3,5 1583 Das Buch Joel 3,1 938 Das Buch Arnos 9,11 1583 Das Buch Zefanja 3,11-12 1253 Das Buch Maleachi 2,8 1196 Das Evangelium nach Matthäus 1,20 627 1,20-21 626 1,21 627 2,2 708 2,9.11 .708 2,11 6, 708 3,11 581 3,13-15 245 3,17 245 4,17 14, 77, 967 4,19 120, 456 4,22 121 5,3 1027 5,7 974 5,8 194 5,9 338,703 5,10 1159 5,13 491 5,14 197 5,14-15 596 5,14-16 1086 5,16 293,300,320,491,1445 5,17 1026 5,17-19 1585 5,20 1584 5,21-22.27-28 1026 5,21-48 1584 5,48 1029 5,48 208 6,10 1141 6,12 208 6,19-20 700 6,22-23 547, 1064 6,26.28 1114 6,33 1303 6,33 356 7,7 5 7,13 512 7,21 614 7,24 614 7,25 855 8,20 701 8,26-27 645 9,13 ,245 9,36 116 9,38 172, 826 f. 10,2-12 par. 1584 10,17-27 par. 1584 10,24 39 1749 10,31 534 10,37 121 10,38 534,832 10,39 551 10,42 762 11,2-19 339 11,5 1591 11,6 522 11,25 338, 522, 1591 11,28 143, 337, 339, 518, 683 11,28-29 807 11,28-30 298 11,29 39, 116, 1347 11,30 1096 12,7 116 12,25 309 12,30 401 12,50 1274 13,1 1001 13,3 1001 f. 13,24 1312 13,52 824, 1247 14,14 116 14,17 574 14,23 95 15,32 116 16,16 225, 541, 545, 988, 1108, 1419, 1429 16,16 f. 29 16,17 541, 987, 996 16,18 27, 540 f. 16,19 990 16,22 988 16,24 139, 1030 16,24-25 686 18,3-5 1211 18,5 566, 898 18,6 649, 965 18,7 965 18,20 238 19,8 1032, 1055 19,10 1032 19,11 825, 1032 19,12 121, 1032, 1372 19,14 396 19,16 1019 f„ 1072, 1106 19,16-21 1019 19,17 192, 1021, 1023, 1072 f., 1107 19,17-18 1057 19,18 1024 19,18-19 1024 19,19 1024 19,20 1027 19,21 534, 1023,1027, 1029, 1067 19,22 1031 19,25 1031 19,26 1031 19,27 120 19,29 572, 1024 20,4 200, 1380 20,28 116, 167, 184, 202, 509, 784, 1085 20,34 116 21,5 816 21,9 816 21,28 679, 1250 22,6 1159 22,21 133, 633 22,37 1021 22,40 1025 23,8 166 23,11 1197 24,35 1280 25,20 405 25,23 278 25,34-35 762 25,35 282, 1175 25,35-36 1393 25,36 428 25,40 260, 908 25,45 260 26,11 848 26,24 550 27,46 95 28,5-6 835 28,9 414 28,10 415 28,16 645 28,17 645 28,18 646 28,18-20 1603 28,19 38, 436, 623, 644, 646, 834,928,931, 1337 28,19-20 46, 824, 993 28,20 357, 437, 454, 647, 649, 651, 1034, 1339, 1448 1750 Das Evangelium nach Markus 1,3 215 1,15 319,513,760, 782, 1020, 1126 1,17 120, 536 1,20-21 345 1,35 95 1,41 116 2,5 1423 2,15-17 par. 1584 2,27-28 par. 1584 3,14 1617 6,31 157 6,34 116 6,46 95 7,1-23 par. 1584 8,2 116 8,35 51, 832, 1067 8,36 1088 8,36-37 356 9,7 284 9,37 745 9,50 651 10,14 705,1466 10,14 par 1591 10,17 688, 1438, 1453 10,18 1021 10,21 689 10,28 120 10,29 120 10,45 116, 184, 187, 202, 572 14,35-39 u. par. 95 14,38 967 14,62 1584 15,23 709 15,26 par. 1584 15,34 986, 1585 16,3 70 16,5-6 61 16,6 61 16,15 188,518,520, 536 f., 540, 975, 1098, 1375, 1379,1387 16,15-16 726 16,20 645 Das Evangelium nach Lukas 1,2 1608 1,27 471 1,28 416,471 1,31 223, 1259 1,32-33 1584 1,35 471 1,35-37 471 1,37 417,476, 508 1,38 110,417, 540, 1124 1,39 383 1,39-40 416 1,42 416 f., 628 1,43 417 1,45 383,417, 558,614, 1131 1,46-49 45 1,48 5,472 1,49 557 f. 2,8-9 1268 2,9 1269 2,10 1273 2,10-11 225 f„ 1269 2,11.10 1269 2,14 4, 703, 1271 2,19 871 2,21 702 2,26 745 2,27 745 f. 2,32 747 2,34 230, 1279 2,34-35 746 2,36-38 685 2,38 746 2,48 346 2,49 230 f„ 346 2,52 228, 556 3,4 318 3,4.8 318 3,4-6 320 3,6 318, 321 3,10 318 f„ 321 4,18 621, 1591 4,21 257, 621 5,4 1386 5,5 1386 5,6 1386 5,11 120 5,16 95 6,12 95 6,20 1591 6,36 1029 6,38 767 6,40 39 7,13 116 1751 7,22 1591 7,36-50 813 8,2-3 129 9,18 95 9,23 833,1086 9,23-24 658 9,25 1389, 1487 9,28 95 9,35 830 9,57 129 10,1 52 10,2 52 10,7 127 10,9 1368 10,16 53, 1034 10,17-19 53 10,21 1591 10,28 1025 10,29 1025 11,1 95 11,17 288 11,28 614 11,52 1546 14,33 701 15,11-32 813 17,10 1385 18,13 1097 18,22 537 18,29 121 22,15 449 22,19 449 22,27 450 22,31-32 995 22,32 42, 577, 988, 995 22,61 814 23,43 428 23,46 95 24,19 365 24,26 72, 364 24,27 365 24,29 368 24,30-31 366 24,32 366, 1316 24,34 73, 434, 837 24,38-39 62 24,52 645 28 626 Das Evangelium nach Johannes 1,1 1584 1,1.4.12.14 225 1,1.4.14 226 1,4 466 1,4-5 562 1,5 1269 1,9 218, 466, 1014, 1119, 1251,1480 1,12 216, 534, 1272 1,14 159,199, 205, 228, 479, 539, 552, 625, 865, 1015, 1271, 1280 1,17 1032 1,18 407,1176,.1407 1,29 245,319, 321,830 1,42 29 2,3 472-475 2,5 475 f„ 535, 614, 1109, 1274 2,16 480 2,18 480 2,19 480, 517 2,21 517 2,25 225 3,3 580 3,5 580, 846, 1099 3,6 579 3,10 437 3,14 609 f„ 1120 3,14-15 . 611 3,16 197,296, 307,346,611, 637, 660, 679, 709,712, 895, 1219 3,16-17 956 3,17 197,702 3,19 1269 3,20 285 3,21 1064 4,7 761 4,10 1422, 1608 4,22 222 4,23 221,455, 1084, 1449 4,34 855 5,19 540 5,24 63 6 1602 6,33 197 6,37-39 804 6,40 1148 1752 6,49 963 6,51 197, 461, 463 f„ 964, 1429 6,53 222 6,54 461,965 6,56 212, 453 6,57 965 6,58 462 f. 6,66 965 6,68 109, 136, 164, 507, 545, 600, 645 f., 1429 8,12 197, 230, 284, 547, 800 f„ 1270, 1319 8,29 1585 8,31 919 8,32 173, 182, 644, 1040, 1042,1084, 1247 8,44 559, 760, 1014 9,3 802 9,3-11 813 9,5 197 9,35 518 10,3-4 888 10,7 544, 891 10,7.9 891 10,9 544 10,10 63, 114, 142, 144, 147, 534, 542 f„ 549, 551, 557 f., 562, 566, 630, 648, 686,818, 837,910, 964, 1117 f., 1188, 1217, 1252, 1409 10,11 279, 450, 545, 550, 891 10,14-15 550 10,15 281 10,16 125,283,551, 1609 10,17 836 10,17.11 837 10,17-18 279, 818, 836 10,18 280, 837 10,21 36 10,30 957 10,35 1587 10,36 201 11,25 830,912, 1417, 1419 11,25 f. 1119 11,33-35 116 11,41-42 95 11,52 270 12,24 366, 534 12,31 559 12,32 463,610, 649, 833 12,36 284 13,1 830, 995, 1030 13,13-14 133 13,14-15 1030 13,18 895 13,34 12, 14 13,34-35 1030 13,35 259,412, 826 14,1 806 14,2 408 14,3-4 411 14,6 56, 205, 270, 292, 393, 408,411,476, 562, 577, 617, 642, 825, 910, 968, 1015, 1118-1120, 1189, 1301, 1407 14,8 407,411 14,9 408 14,9-10 957 14,9-11 63 14,10-11 ■: 407 14,11 435 14,16 521 14,17 240 14,18 822, 918 14,18-19 ■ 915 14,23 215,608,916 14,26 43, 241, 606, 1587 14,27 240, 282,613 14,28 822 15,1-2 1250 15,4 453 15,4-5 200, 1251, 1609 15,5 212, 620 15,9 1032 15,10 1033 15,12 628, 1030 15,13 993, 1030, 1084,1218 15,15-16 829 15,16 171, 910 f„ 1227 15,20 39 16,12-13 1587 16,13 13,914, 1011 16,22 751 16,32 1585 16,33 282,386,413, 828, 967, 1408 17 95 17,3 271, 806, 1325 1753 17,11 264 17,11.20-23 1609 17,11.22 1609 17,13 271 17,14 271 17,14-16 127 17,18 197 17,20 1008 17,20-21' - 163 17,21 10, 13, 124, 165, 265, 273, 288, 289, 307, 337, 513 f., 618, 630, 726 f., 1245, 1300 f. 17,21.23 . 308 17,21-23 .. 141 17,21.26 516 17,22 11,647 17,23 269, 273 17,24 311 17,26 312 18,37 206, 1084 19,26 111, 113,417 19,27 111, 113,985 19,28 761 20,19 398, 771, 1216, 1218, 1220 20,20 1218 20,21 518, 851,936, 1216, 1218 20,22 935 f„ 1219 20,23 936 20,25 851 20,28 851, 1584 20,29 61, 851 21,15 108 21,15 f. 29 21,15-17 1326 21,15-17 36 Die Apostelgeschichte 1,1 1587 1,8 87, 159, 327, 435 f„ 936, 1641 1,9 435 1,11 435 1,14 1274, 1415 2,11 472, 552, 800, 823 2,24 365 2,36 1584 2,37 891,936 2,38 892, 936 2,42 553 2,44 1609 4,12 357,516 4,32, 64, 148, 553, 846, 1190, 1317, 1609 6,1-6 174 6,2 391 6,7 389 8,30-35 .v ; 1545 10,5 6 10,15 6,9 10,34-35 7, 10 10,38 260, 877 10,44 7 10,47-48 ■ 7 11,16 8 12,5'.. 994 13,3 766 13,23 895 •13,25 895 15,11 9 15,12 9 15,14 9 15,15 9 15,28 43 17,24 478 17,26 - 309 17,28 ■ 213, 379 20,35 1191 22,8 726 Der Brief an die Römer 1,2 1587 1,3-4 1584 1,5 1407 1,7 482, 598 1,8 766 1,11.15 256 1,16 323, 1426 1,20 548 1,25 1014, 1447 2,14-15 1060 2,15 1051 2,16 1061 3,8 1077 3,28 1585 4,16-17 1603 4,25 836, 846 5,5 1032, 1154, 1284 5,8 59 1754 5,8-9 1153 5,20 216, 475 5,5 12 6,3-4 705 6,9 835 f„ 1579 6,10 836 6,14 1585 6,17 1417 7,15.19 1095 7,24 137 7,24-25 1097 7,25 240 8,2 1032 8,11 847 8,15 1453 8,17 225 8,18 297 8,27 333 8,28 300 8,29 625,1050 9,1 1063 9,10 517 10,4 1026 10,9 516 10,12 516 10,13 520 10,14 1371 10,14-15 66, 520 10,17 520 10,18 520 11,28-29 1603 12,1 297, 301, 1099 12,2 1037,1063 f„ 1083 12,4-5 1609 12,5 1285, 1442 12,6 412 12,6-7 1592 12,17.21 745 12,21 . 416, 554, 638, 760, 822, 1133, 1324 13,8-9 1028 13,12 286 13,14 511 14,7-8 1152 14,8 1272 14,19 1235 15,1 649 15,5 649 15,7 648, 1174 15,13 362 15,25-28 766 16,3 1115 16,26 1439 Der erste Brief an die Korinther 1,3 846, 1304 1,4 1395 1,5 270 1,9 1008 1,10 1317 1,17 1082,1106 1,17.23-24 ■ 1083 1,18 441 1,23-24 1407 1,24 484,611, 1377 2,2 1177 2,3-5 70 2,7 1176 2,9 1177 3,9.17 481 3,11 480, 855 3,16 480 4,1 451 4,2 1448 4,7 379 6,9-10 1079 6,19.20 517 7,31 452 7,32-34 121 8,6 855 9,14 127 9,16 302, 560, 1370, 1394 10,16 461 10,16-17 88, 273 10,17 461 10,24 1394 11,7 1021 11,23 1291 11,23-36 58 11,25 829 f. 11,26 830, 1031 11,27-29 58 12,7 412, 1246 12,11 1246 12,14-27 1609 12,27 645 12,28-30 1592 13,4-7 13 15,3 58, 1291 13,5-7 259 1755 13,8 492, 496 15,3-5 1584 15,11 1584 15,19 1416 15,20 1410 15,20-22 560 15,28 1441 15,45 550 16,23 914 16,24 511 Der zweite Brief an die Korinther 1,3 1324, 1330, 1350 2,7 1176 2,15 1302 3,5-6.17-18 1107 4,2 1063 4,4 1431 4,6 539 4,7 539 4,13 304 5,7 1419 5,10 805, 1073 5,14 1336, 1394 5,15 1120 5,17 1226 5,20 1439 5,21 246, 760 6,1 790 6,2 759,791,793 6,4 790 6,6-7 978 6,8 340 6,10 340 6,16 859 7,4 332, 559, 751, 1436 8,9 129, 1094, 1125 9,16 1345 11,28 1399 12,9 90, 298 Der Brief an die Galater 1,4 1270 1,6 1318 1,18 8, 1430 2,2 8 2,5 1318 2,9 1430 2,10 1392 2,11-14 8 2,14 1451 2,20 15,90 f., 792,1120, 1140,1197, 1226 3,26 225 3,27 727 3,27-28 288, 1609 4,4 225, 478, 702, 822, 1123, 1127, 1269 4,6 702, 1436 4,94-7 702 5,1 1067, 1082, 1084, 1247, 1336, 1400 5,6 77, 1035, 1050, 1100 5,13 1028, 1065, 1067, 1394 5,16 1029 5,22 240, 727 5,22-23 11, 12, 14 6,2 1375, 1392 6,6 127 6,14 658 6,17 659 Der Brief an die Epheser 1,1-2 1110, 1291 1,2 288 1,4 1418 1,4-5 216 1,10 1226 1,13 1408 1,14 1033 1,-17-18 434 1,22-23 437, 1609 2,4 847, 973, 1110 2,8 1123 2,8-9 1585 2,14 239,613, 1151 2,19 206 3,4 1594 3,5-6 7, 10 3,6 1603 3,8 96,302,910,1321 3,14-17 1405 3,16.19 1415 3,20 1325, 1359 4,2-5 1609 4,3 553 4,4-6 1609 4,5 207 4,12 184, 1431 4,12.16 139, 1609 4,13 324, 1375 1756 4,23 1425 4,23-24 1407 4,30 827 4,5.3 1406 4,11-16 1592 5,1-2 1086 5,2 58, 1192 5,3 208 5,8 284, 291, 294, 801,1014 5,9 290, 804 5,11 294, 559 5,14 804 5,25 1086 5,25-26 1326 5,29 1321 5,32 905 6,16 1377 8,8-11.15-16 1085 Der Brief an die Philipper 1,2 1374, 1378 1,3-5 507, 1435 1,6 825, 1321, 1372 1,8 552, 1295 1,10-11 1444 1,21 108, 143, 1034, 1226 1,27 1018 2,1-5 1609 2,2 513 f. 2,3-4 239 2,5 239, 516, 680 2,5-6.8 679 2,6 817 2,6-7 701 2,6-8 817 2,7-8 610, 1270 2,8 609 2,9 817 2,9-11 681 2,10-11 1584 2,11 828, 928 2,13 91 2,15 285 3,7-12 90 3,8 1606 3,10 1418 3,18 1267 4,1 878 4,5 967 4,6 1628 4,7 811 4,8 274, 286 4,13 1159 4,20 1159 4,23 337 34,12 1160 Der Brief an die Kolosser 1,5 1155, 1439 1,15 1015, 1030, 1270, 1328 1,17 1328 1,18 935 1,19-20 1185 1,23 276, 1308 1,24 162, 278, 297, 300, 812 1,27 276 1,28 277 1,29 279 2,9 479,480 3,1 1416 3,1-2 64, 77 3,3 1417 3,14 511, 1056 3,14-15 993 3,15 612 3,17 213 Der erste Brief an die Thessalonicher 1,3 333 1,6 322 1,7 766 2,7 1195 2,12 66 5,5 287 5,19 827 Der zweite Brief an die Thessalonicher 1,4 766 2.16 1439 3.16 1369 Der erste Brief an Timotheus 1,5 1063 1,10 1106,1319,1448 2,4 200,702 2,5-6 58 3,2-3 122 3,15 1036 5,17 67 6,13 1088 1757 Der zweite Brief an Timotheus 1,3 1063 1,6 ■509 1,7 1370 2,2 488 2,3 487 2,15 1406 3,16 1587 4,1-2 67, 258 4,1-5 1039 4,2 1299, 1408 4,2-3 39 4,3 1017,1038 4,5 258 4,6.17 . 996 Der Brief an Titus 1,4 149, 330, 770 1,6 122 2,2 552 2,11 5 2,14 90 3,4 5, 813 Der Brief an Philemon 16 1094 Der Brief an die. Hebräer 1,1 .215 1,1-2 434, 1176 f. 1,3 1015 1,8 1584 1,10-12 1584 2,17 116,746 2,18 117 3,7-4,11 1583 4,12 1407 4,14 1410 4,15 116 4,16 337 5,1-2 116 5,2 97, 117 5,4 1179 5,6-10 1584 6,12.18-20 1583 7,23-24 1584 7,25 97,453 7,26 90 9,12 79, 822 9,14 823 9,15 1583 9,27 550, 805 10,5 113 10,5.7 - 113 ' 10,5-7 110 10,7 540 10,10 1411 10,10.14 , 79 ' 12,22 558 13,8 105 13,8 311,624,817, 822, 990, 1171,1241, 1339, 1409 13,14 805 Der Brief des Jakobus 1,17 224, 226 1,25 1081 2,24 1585 4,1 239 5,13 284 5,14 77 Der erste Brief des Petrus 1,2 404 1,3 77, 847, 1425 1,3-4 847, 904 1,8 851 1,15-16 1415 1,22 1014 2,4 675, 842 2,5 221 f„ 390, 705 2,5.6 480 2,9 390,410,487,581 2,24 891 2,24-25 58, 891 2,25 892, 1326 3,14-15 357 3,15 614, 915 3,18 915 3,20-21 1580 4,10 208 4,13 296 5,1 1429 5,1-4 450 5,2 264, 450 .5,4 449 f., 452 Der zweite Brief des Petrus 1,4 1008 1,16 62 1,19 1345 1,20 1545 3,16 1545 1758 Der erste Brief des Johannes 1-2 1296 1-4 62 1,1 537, 1407 1,5-6 1086 1,8 603, 1422 2,18 1277,1279 2,19 1279 2,20-21 1280 3,2 1199 3,18 429 3,23 1033 4,4 994 4,7 283 4,7-8.11.19 1033 4,8 41, 115, 118 4,8.16 867, 1107 4,9 674 4,10 59, 675 4,19 1105 4,20 455, 1025 4,21 115,550 5,3 1096 5,4 403 5,5 271 5,19 1279 Der dritte Brief des Johannes 7 650 8 650 Der Brief des Judas 1,2 1448, 1452 Die Offenbarung des Johannes 1,4 1321, 1425 1,5 828 f. 1,5-6 828 1,8 646, 828 2,7 1378 3,20 164 4,8 1456 5,9 558, 1375 5,13 205 7,9 530 7,13 1199 7,14 195, 1199 12,3 559 21,3 480 21,5 1253, 1419 22,20 551