Der Apostolische Stuhl 1994 Ansprachen, Predigten und Botschaften des Papstes Erklärungen der Kongregationen Vollständige Dokumentation Libreria Editrice Vaticana • Verlag J.P. Bachem CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ecclesia Catholica / Curia Romana: Der Apostolische StuhlAnsprachen, Predigten u. Botschaften des Papstes, Erkl. d. Kongregationen; vollst. Dokumentation / Hrsg.: Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit d. Rd. d. dt.-sprachigen L’Osservatore Romano. -[Cittä del Vaticano]: Libreria Editrice Vaticana; Köln: Bachem Erscheint jährl. Forts, von: Wort und Weisung 1982(1994)— ■ NE: Ecclesia Catholica / Papa; HST ISBN 3-7616-1377-6 Printed in Germany Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Redaktion des deutschsprachen L’Osservatore Romano Verlag: J. B. Bachem, Köln, und Libreria Editrice Vaticana Druck: Druckerei J. B. Bachem GmbH & Co KG Köln Vorwort Der Dokumentationsband “Der Apostolische Stuhl 1994” ist der 13. Band in der 1982 begonnenen Reihe. Die Zusammenstellung der Ansprachen, Predigten, Botschaften und Enzykliken des Papstes erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Ausgabe. Es geht vielmehr darum, die Dokumente mit Hilfe eines ausführlichen Registers zugänglich zu machen. Die Übersetzungen und Zitate sind weitgehend der deutschen Ausgabe des “L’Os-servatore Romano” entnommen. Sofern Texte dort nicht erschienen sind, wurden sie eigens für diesen Band übersetzt. Zur Vervollständigung der Reihe “Der Apostolische Stuhl” können die Bände der Jahre 1982 bis 1993 noch beim Verlag bezogen werden. Inhaltsverzeichnis I. Ansprachen bei den Generalaudienzen und beim Angelus Januar Die Familie als Baumeisterin des Friedens Angelus am Neujahrstag, 1. Januar 3 Die Familie als Schule der Menschlichkeit Angelus am 2. Januar 4 Die Familie ist Zeichen der Liebe Gottes Generalaudienz am 5. Januar 5 Grüße an die Ostkirchen und Christen in aller Welt Angelus am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 9 Nach Gottes Bild erschaffen zur Teilnahme am Leben Christi Angelus am 9. Januar 11 Gebet ist die mächtigste Kraft in der Geschichte der Menschheit Generalaudienz am 12. Januar 12 Aufruf zum Gebet für gerechten und dauerhaften Frieden in der leidgeprüften Region Bosnien-Herzegowina Angelus zu Beginn der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen am 16. Januar 16 Weltweite Umkehr zum Frieden erforderlich Generalaudienz am 19. Januar 17 Nichts unversucht lassen für den Frieden Angelus am 23. Januar 20 Die Teilhabe der Laien am prophetischen Amt Christi Generalaudienz am 26. Januar 22 Liebe - ein Widerschein ewiger Gemeinschaft Angelus am 30. Januar 25 Februar Die Familie ist Abbild des dreifältigen Gottes Angelus am 6. Februar 27 VH Teilhabe der Laien am Königtum Christi Generalaudienz am 9. Februar 29 Gemeinsam die Zivilisation der Liebe aufbauen Angelus am 13. Februar 32 Die Fastenzeit - Zeit der Besinnung und der Umkehr Generalaudienz am Aschermittwoch, 16. Februar 33 Verständnis für Versagen ist keine Minderung sittlicher Normen Angelus am ersten Fastensonntag, 20. Februar 36 Solidarität für Afrika Angelus am zweiten Fastensonntag, 27. Februar 38 März Apostat der Laien - Berufung und Sendung Generalaudienz am 2. März 41 Afrika ist bereit für Christus Angelus am dritten Fastensonntag, 6. März 44 Charismen der Laien gehören zum Wesen der Kirche Generalaudienz am 9. März 46 Verheißungsvolle Wege der Evangelisierung Angelus am vierten Fastensonntag, 13. März 50 Aufgaben der Laien in der Kirche Generalaudienz am 16. März 51 Afrika, öffne die Tore für Christus! Angelus am fünften Fastensonntag, 20. März 55 Persönliches und gemeinschaftliches Apostolat der Laien Generalaudienz am 23. März 57 Das Kreuz Christi schenkt Hoffnung und Freude Angelus am IX. Weltjugendtag, Palmsonntag, 27. März 61 Im Zeichen von Kreuz und Auferstehung Generalaudienz am 30. März 62 April Ein Engel verkündete Maria die Auferstehung Regina Caeli am Ostermontag, 4. April 64 VIII In Jesus Christus Sünde und Tod überwinden Generalaudienz am 6. April 65 Ostern: Sieg des göttlichen Erbarmens Regina Caeli am Weißen Sonntag, 10. April 68 Der Dienst der Laien in der Welt - Soziale Unterschiede durch konkrete Formen der Gerechtigkeit und Liebe ausgleichen Generalaudienz am 13. April 69 Bedrohung der Familie - Gefahr für den Menschen Regina Caeli am 17. April 73 Menschliche Arbeit aus der Sicht der Kirche Generalaudienz am 20. April 74 Zwei Mütter und ein afrikanischer Märtyrer seliggesprochen Regina Caeli am 24. April 78 Das Apostolat der Leidenden Generalaudienz am 27. April 80 Mai Nahe im Gebet und Opfer des Leidens Regina Caeli aus der Gemelli-Klinik am 1. Mai 84 Legt die Waffen nieder! Ruanda und Afrika brauchen Frieden! Regina Caeli aus der Gemelli-Klinik am 8. Mai 85 Genug des Blutes in Ruanda! Regina Caeli am 15. Mai 86 Pfingsten: Anfang der neuen Schöpfung Regina Caeli am 22. Mai 88 Die Dreifaltigkeit als Urbild der menschlichen Familie Angelus am Dreifaltigkeitssonntag, 29. Mai 90 Juni Aus dem Herzen Christi neue Kraft schöpfen Gruß wort an die Pilger auf dem Petersplatz am Mittwoch, 1. Juni 92 Fronleichnam - ein Höhepunkt kirchlichen Lebens Angelus am 5. Juni 93 IX Generalaudienz am 8. Juni 95 Herz Christi - Grundlage von Gottes- und Selbsterkenntnis Einladung zum Welttag der Familien Angelus am 12. Juni 96 Kranke und Leidende im Heilswirken der Kirche Generalaudienz am 15. Juni 98 Ehe von Mann und Frau im Plan Gottes Angelus am 19. Juni 102 Würde und Sendung der christlichen Frau Generalaudienz am 22. Juni 103 Sexualität als Ausdruck der Liebe achten Angelus am 26. Juni 107 Christus - Herz der Kirche Angelus am Fest der heiligen Petrus und Paulus, 29. Juni 109 Juli' Einheit und Treue der Eheleute unerläßlich Angelus am 3. Juli 110 Die Frauen im Evangelium Generalaudienz am 6. Juli 111 Ehescheidung ist eine schwere Niederlage Angelus in Castel Gandolfo am 10. Juli 114 Aufgabe und Tätigkeit der Frau in der Kirche Generalaudienz am 13. Juli 116 Verantwortliche Elternschaft der Eheleute notwendig Angelus in Castel Gandolfo am 17. Juli 119 Mutterschaft eine Schlüsselposition der Frau Generalaudienz am 20. Juli 121 Potential der natürlichen Familienplanung nutzen Angelus in Castel Gandolfo am 24. Juli 124 Die Mutterschaft der Frau im allgemeinen Priestertum der Kirche Generalaudienz am 27. Juli 126 Verantwortete Elternschaft Angelus in Castel Gandolfo am 31. Juli 129 X August Ehe und Familie als Apostolat Generalaudienz am 3. August 131 Unveräußerliches Lebensrecht Angelus in Castel Gandolfo am 7. August 134 Sorge der Kirche um die Alleinstehenden Generalaudienz am 10. August 135 Diskriminierung der Frau überwinden Angelus in Castel Gandolfo am 14. August 138 Bitten an Maria Angelus in Castel Gandolfo am 15. August 140 Die Kinder im Herzen der Kirche Generalaudienz am 17. August 142 Die Zukunft der Menschheit steht auf dem Spiel Angelus in Castel Gandolfo am 28. August 145 Jugend - Große Hoffnung der Kirche auf dem Weg der Kleinen Generalaudienz am 31. August 147 September Kairo-Konferenz: Grundrechte der Familie achten! Angelus in Castel Gandolfo am 4. September 150 Wertvoller Beitrag der alten Menschen in der Kirche Generalaudienz am 7. September 152 Frieden durch Verzeihung und Versöhnung Generalaudienz am 14. September 155 Verstärkte Wirksamkeit der Laien in der Kirche Generalaudienz am 21. September 158 Zeugen der Gegenwart Gottes in der Welt Angelus in Castel Gandolfo am 25. September 162 Gottgeweihtes Leben in der Kirche Generalaudienz am 28. September 163 XI Oktober Ordensleute - Zeugen der Liebe Christi Angelus am 2. Oktober 167 Entwicklungen und Tendenzen im gottgeweihten Leben heute Generalaudienz am 5. Oktober 169 Gottgeweihtes Leben gründet im Beispiel Christi Generalaudienz am 12. Oktober 172 Neue Selige - Vorbilder für Ordensleute Angelus am 16. Oktober 175 Berufung zum gottgeweihten Leben fördern Generalaudienz am 19. Oktober 176 Ordensleute an vorderster Missionsfront Angelus am 23. Oktober 179 Dimensionen gottgeweihten Lebens Generalaudienz am 26. Oktober 181 Neue Kardinale bezeugen die Universalität der Kirche Angelus am 30. Oktober 185 November Totengedenken verbindet Generationen Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November 187 Hoffnung auf die ewige Seligkeit Generalaudienz am 2. November 188 Weg der Vollkommenheit ist Nachfolge Christi Generalaudienz am 9. November 190 Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres 2000 Angelus am 13. November 194 Bewußte Entscheidung zur gottgeweihten Keuschheit Generalaudienz am 16. November 195 Familie schafft Grundlagen für Heiligkeit Angelus am Christkönigssonntag, 20. November 199 Die gottgeweihte Keuschheit im Ehebund der Kirche mit Christus Generalaudienz am 23. November 201 XII Neue Kardinale aus der Kirche der Märtyrer Angelus am 1. Adventssonntag, 27. November 205 Evangelische Armut - Grundbedingung gottgeweihten Lebens Generalaudienz am 30. November 206 Dezember Advent - Zeit der Umkehr und des Heils Angelus am 2. Aventssonntag, 4. Dezember 210 Der Gehorsam nach dem Evangelium im Ordensleben Generalaudienz am 7. Dezember 211 Maria - Zeichen der Treue Gottes Angelus am Fest der Unbefleckten Empfängnis, 8. Dezember 214 Brief an die Kinder der Welt, zum Jahr der Familie angekündigt Angelus am 3. Adventssonntag, 11. Dezember 216 Gemeinschaftsleben im Licht des Evangeliums Generalaudienz am 14. Dezember 217 Werdet Bauleute des Friedens und Boten der Freude! Angelus am 4. Adventssonntag, 18. Dezember 221 Weihnachten - Fest Gottes, der Familie und des Lebens Generalaudienz am 21. Dezember 222 Märtyrer bezeugen die Gegenwart Christi in der Welt Angelus in Castel Gandolfo am 26. Dezember 225 Neue Menschheitsgeschichte beginnt mit der Geburt des Erlösers Generalaudienz am 28. Dezember 227 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Pastoralbesuch in Cogne (Sonntag, 21. August) Predigt in Cogne, Valle d'Aosta 233 Angelus in Cogne 236 XIII 2. Vorbereitete Ansprachen zu dem für den 8. September geplanten Besuch in Sarajevo Ansprache an die serbisch-orthodoxe Gemeinschaft in Sarajevo 239 Ansprache an die Gemeinschaft der Muslime in Sarajevo 240 Ansprache an die Priester und Ordensleute in Sarajevo 241 Ansprache an den Präsidenten der Republik Bosnien-Herzegowina in Sarajevo 243 3. Pastoralbesuch in Zagreb (10./11. September) Samstag, 10. September Ansprache bei der Ankunft auf dem internationalen Flughafen in Zagreb .. 249 Ansprache an die Priester und Ordensleute in der Kathedrale 253 Sonntag, 11. September Homilie bei der Konzelebration auf dem Reitgelände in Zagreb 256 Angelus in Zagreb 261 Abschiedswort auf dem Flugplatz 262 4. Pastoralbesuch in Lecce (Sonntag, 18. September) Predigt bei der Eucharistiefeier im Stadion von Lecce 267 Angelus in Lecce 270 Improvisierte Worte am Schluß der Ansprache an die Jugend in Lecce 271 Ansprache bei der Einweihung des Priesterseminars und zur Eröffnung der Diözesansynode in Lecce 274 5. Pastoralbesuch in Sizilien (5/6. November) Samstag, 5. November Botschaft an die Häftlinge des Jugendgefängnisses in Catania 277 Ansprache an die Jugendlichen im Cibali-Stadion in Catania 279 Homilie bei der Seligsprechung der Dienerin Gottes Magdalena Katharina Morano in Catania 283 Ansprache an die Bevölkerung auf dem Domplatz von Syrakus 287 XIV Sonntag, 6. November Predigt bei der Weihe der Wallfahrtskirche der Muttergottes der Tränen in Syrakus 290 Angelus in Syrakus 294 6. Pastoralbesuch in Loreto (Samstag, 10. Dezember) Homilie im Heiligtum von Loreto 297 Angelus in Loreto 301 Gebet zur Muttergottes von Loreto 303 Wort an eine Gruppe von Kranken beim Besuch in Loreto 304 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben Januar Aus der Familie erwächst der Friede für die Menschheitsfamilie Botschaft (vom 8. Dezember 1993) zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 309 Motu Proprio Apostolisches Schreiben zur Errichtung der Päpstüchen Akademie für Sozialwissenschaften vom 1. Januar 315 Maria ist Mutter aller Menschen und Völker Homilie am Hochfest der Gottesmutter Maria, 1. Januar 318 Die Verantwortung der Katholiken gegenüber der Herausforderung dieses historischen Augenblicks Brief an die italienischen Bischöfe vom 6. Januar 321 Gerufen und geweiht zum Dienst einer großen Familie unter den Völkern Predigt bei der heiligen Messe mit Bischofsweihen am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 328 Mitglieder der großen Familie Gottes werden Predigt in der Eucharistiefeier zur Taufe von 41 Kindern am 9. Januar 330 Mut zur Brüderlichkeit Ansprache an das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps beim Neujahrsempfang am 15. Januar 332 XV Familie - erster Evangelisationsbereich Ansprache an die “Itineranten-Katechisten des Neokatechumenalen Weges” am 17. Januar 342 Diener der Weltkirche im Bereich von Bildung und Kultur Predigt bei den Exequien für Kardinal Gabriel-Marie Garrone am 18. Januar 345 Die Lage der griechisch-katholischen Kirche in Rumänien Ansprache an die Teilnehmer an der Tagung über die pastoralen Probleme der katholischen Kirche des byzantinischen Ritus in Rumänien, organisiert von der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, am 21. Januar 348 Ihr seid nicht verlassen! Wir sind immer mit euch! Predigt bei der Messe am Gebetstag für den Frieden in den Balkanländem, 23. Januar 351 Journalismus - Gebrauch der Sprache im Dienst der Wahrheit Ansprache an die beim Hl. Stuhl akkreditierten Journalisten am 24. Januar 356 Marktwirtschaft setzt Sicherheit der individuellen Freiheit und des Eigentums voraus Ansprache an die Mitglieder der “Banca d'Italia” am 27. Januar 359 Gerechtigkeit ist Teilhabe an der Wahrheit Ansprache an die Mitglieder des Gerichtes der Römischen Rota am 28. Januar 361 In gemeinsamer Verantwortung für das Leben in der Ewigen Stadt Ansprache an den Bürgermeister und die Stadtverwaltung von Rom am 31. Januar 365 Inkulturation des Glaubens als pastorales Problem Ansprache an afrikanische Bischöfe, Teilnehmer eines vom Neokatechumenalen Weg veranstalteten Kongresses, am 31. Januar 368 Februar Die Familie steht im Dienst der Liebe, Die Liebe steht im Dienst der Familie Botschaft zur Fastenzeit 1994 (vom 3. September 1993) 371 Gratissimam Sane Brief an die Familien (1994 - Jahr der Familie) vom 2. Februar 374 XVI Sakrale Musik als Lob Gottes - Liturgischer Dienst erfordert gediegene Ausbildung Schreiben an Msgr. Domenico Bartolucci, Musikdirektor des Chores für die päpstlichen Zelebrationen, vom 2. Februar 432 Die Kirche in Lateinamerika braucht zahlreiche Berufungen Botschaft zum I. Lateinamerikanischen Kongreß über die Berufungen in Itaici-Saö Paulo, vom 2. Februar 435 Christus, Licht der Völker und Zeichen des Widerspruchs Predigt bei der Lichtmeßfeier mit den Ordensleuten in St. Peter am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 440 Der sei. Giuseppe Marello und der Kreuzzug für die Katechese Ansprache an das Generalkapitel der Oblaten vom hl. Josef von Asti am 3. Februar 444 Schluß mit dem Krieg! Aufruf zum Frieden in den Balkanländem vom 5. Februar 446 Europa durch Krieg tief verunsichert Ansprache an die Mitglieder des “Nato Defense College” am 7. Februar 447 Würde der Person, Einheit der Familie, Achtung vor dem Leben sind Grundwerte der Gesellschaft Ansprache an die Teilnehmer am Studienseminar über die Probleme der Familie und Bioethik am 10. Februar 448 Motu Proprio Apostolisches Schreiben zur Errichtung der Päpstlichen Akademie für das Leben vom 11. Februar 450 Heilbringendes Leiden - zum christlichen Leidensverständnis Botschaft zumll. Welttag des Kranken 1994 am 11. Februar (vom 8. Dezember 1993) 452 Die Kranken in der Familie annehmen Predigt bei der Messe mit den Kranken am Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes, 11. Februar 456 Die Botschaft Christi fordert konsequentes Zeugnis Ansprache an die Delegierten der 17. Versammlung des Italienischen Exerzitienbundes (FIES) am 12. Februar 458 XVII 150 Jahre Belgisches Kolleg im Dienst der Priesterbildung Worte bei der Eröffnung der Meßfeier in der Kapelle “Redemptoris Mater” am 12. Februar 460 Chancen und Risiken neuzeitlicher Freiheitlichkeit Grußworte an die Pilger aus Südthüringen bei der Sonderaudienz am 12. Februar 461 Der Glaube braucht das Gebet Ansprache beim Besuch im Päpstlichen Großen Seminar beim Lateran am 12. Februar... 462 Einheit der Christen ist mehr Gottesgeschenk als Menschenwerk Ansprache an die Kursteilnehmer der “Graduate School” des Ökumenischen Instituts von Bossey am 14. Februar 464 Aufgeschlossen für die Führung des Heiligen Geistes Ansprache an eine Delegation der “Evangelical Lutheran Church in America” am 14. Februar 465 Die Fastenzeit - Zeit des Heils und der Entsagung Predigt am Aschermittwoch, 16. Februar 466 Vom Sinn des Fastens in unserer Zeit Improvisierte Ansprache bei der Begegnung mit dem römischen Klerus am 17. Februar 467 Christusnähe als priesterliches Bildungsziel Gruß an die Direktoren der englischsprachigen Seminare in Europa am 18. Februar 469 Solidarität und Hilfe für Sarajevo Ansprache an die Teilnehmer des Marsches der “Solidarität für Sarajevo” am 19. Februar 470 Maximilian Kolbe - Vorbild der Zivilisation der Liebe Grußwort an die Kleriker der Franziskaner-Konventualen anläßlich der Hundertjahrfeier der Geburt des hl. Maximilian Kolbe am 26. Februar 472 Elternrecht - Subsidiaritätsprinzip in der Erziehung Ansprache bei der Sonderaudienz an die “Confederex” am 26. Februar 473 Evangelisierung heißt die Welt retten Ansprache zum Abschluß der Fastenexerzitien am 26. Februar 475 XVIII Amtsantritt von Dr. Comaro als Botschafter der Republik Österreich beim Hl. Stuhl Ansprache bei der Übergabe des Beglaubigungsschreibens am 28. Februar 476 März Die Kraft des Glaubens ermöglicht den Heilsdienst am leidenden Menschen Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst am 1. März 479 Ansprache an Bundespräsident Richard von Weizsäcker anläßlich seines Staatsbesuchs im Vatikan am 3. März 482 Medien im Dienst von Kunst und Verkündigung Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 4. März 486 Erziehung aus der Sicht des Evangeliums Ansprache an das Internationale Büro für katholische Erziehung (OIEC) am 5. März 488 Einheit der Kirchen - Aufbau Europas Ansprache an die Studenten der orthodoxen theologischen Fakultät von Thessaloniki am 5. März 491 Katholische Verbände - Förderer der Familien Ansprache an die Delegierten der “Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände in Österreich” mit ihrem Leiter Dr. Johannes M. Martinek am 5. März 492 Zum Primat des Geistes Ansprache beim offiziellen Besuch des Präsidenten der Tschechischen Republik, Vaclav Havel, am 7. März .....493 UNO-Soldaten als Schadensbegrenzer in Bosnien Worte an eine Gruppe von kanadischen Soldaten, Mitglieder der FORPRONU in Bosnien, auf dem Heimweg am 10. März 496 Streitkräfte im Dienst der Verteidigung von Freiheit und Sicherheit Ansprache an die Militärbischöfe am 11. März 496 Recht und Sinn des Beichtgeheimnisses Ansprache an die Mitglieder der Apostolischen Pänitentiarie und die Beichtväter der Römischen Basiliken sowie eine Gruppe von Studenten am 12. März 499 XIX 502 Den Geist gegenseitiger Achtung für ein aufbauendes Miteinander verbreiten Ansprache an die Pilger aus der Slowakei am 12. März Gebet für und mit Italien - ein Blick in die Geschichte Betrachtung bei der Konzelebration mit den italienischen Bischöfen am Grab des hl. Petrus am 15. März 505 Wegbereiter der Neuevangelisierung Ansprache an die Jugendlichen am 16. März 510 Das Evangelium - Weg zu Frieden und Fortschritt Ansprache an den Präsidenten der Republik Fettland, Herrn Giuntis Ulmanis, am 17. März 511 Bevölkerungspolitik kann nur Teil einer Entwicklungsstrategie sein -Die Familie ist Sitz der Kultur des Lebens Brief an die Generalsekretärin der diesjährigen Internationalen Konferenz für Bevölkerungs- und Entwicklungsfragen und Exekutivdirektorin des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen vom 18. März 514 Die Heilsbotschaft des Evangeliums und die Pluraütät der Kulturen Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur am 18. März 520 Menschen werden Opfer moralischer Verirrungen Schreiben an alle Staatsoberhäupter vom 19. März 524 Humanisierung der Arbeitswelt - ein Erfordernis sozialer Gerechtigkeit Ansprache an die Arbeiter des Staatlichen Instituts für Polygraphie und Münzprägung am Festtag des hl. Josef, 19. März 527 Die Welt ist durch das Kreuz Christi erlöst Predigt beim Pastoralbesuch in der römischen Pfarrgemeinde San Cirillo Alessandrino am 20. März 531 Wahres Menschsein ist ein Geschenk für andere Ansprache beim Treffen mit den Jugendlichen in der Aula Paul VI. am 24. März 533 Mit eigenen Fähigkeiten zum Gemeinwohl beitragen Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 24. März 536 Maria - Stern der Evangeliserung Ansprache an die Päpstliche Akademie der Immakulata am 25. März 539 XX Die Steine werden schreien ... (Lk 19,40) Predigt am Palmsonntag, 27. März 541 Familie ist Herz der Neuevangelisierung Ansprache an die UNIV-Jugend am 29. März 544 Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1994 am 31. März 1994 (vom 13. März) 547 Priester sind Freunde Christi Predigt bei der Chrisammesse am Gründonnerstag, 31. März 553 Heilsdienst für die Erlösung des Menschen Predigt bei der Messe in “Coena Domini” am Gründonnerstag, 31. März 555 April Nur im Kreuz ist Heil Schlußwort nach dem Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag, 1. April 556 Ostern bedeutet neues Leben und ansteckende Freude Predigt bei der Feier der Ostemacht am 2. April 558 Familie - Ursprung und Quelle der Menschlichkeit Osterbotschaft vor dem Segen Urbi et Orbi am 3. April 559 Vorbildlicher Christ des 20. Jahrhunderts - Verteidiger und Apostel des Lebens Botschaft an Kardinal Lustiger zum Tod von Prof. Jerome Lejeune vom 4. April 561 Saat unaussprechlicher Verbrechen: Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassenhaß Ansprache an die Vertreter der jüdischen Gemeinden, die anläßlich des Gedenkkonzertes an die “Shoah” nach Rom gekommen waren, in Privataudienz am 7. April 563 Schlußwort nach dem Konzert zum Gedächtnis der Shoah am 7. April 564 Hohe Päpstliche Orden für die Leitung der Nippon-Fernsehgesellschaft Grußwort an Vertreter des japanischen Fernsehens am 7. April 566 Kunst als menschlicher Ausdruck göttlicher Geheimnisse Predigt in der Sixtinischen Kapelle zum Abschluß der Restaurierungsarbeiten am 8. April 567 XXI Aufruf zur Liebe - Forderung der Gerechtigkeit - Pflicht zur Hilfe Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates Cor Unum am 8. April 571 Eine ganz afrikanische Synode - Bereicherung der Universalität der Kirche Predigt zur Eröffnung der Synode für Afrika, am Weißen Sonntag, 10. April . 574 Ausweitung des Laienapostolates - Teilhabe am allgemeinen Priestertum Ansprache an das Symposium über “Teilnahme der gläubigen Laien am priesterlichen Dienst” am 22. April 579 650 Jahre Erzbistum Prag Brief an Erzbischof Miloslav Vlk von Prag vom 23. April 585 Kindern eine aufrichtige Gottesbeziehung vermitteln Botschaft zum 31. Weltgebetstag um Geistliche Berufe am Vierten Sonntag der Osterzeit, 24. April (vom 26. Dezember 1993) 587 Neue Selige - Vorbilder christlicher Vollkommenheit Predigt bei der Seligsprechung von Isidor Bakanja, Gianna Beretta Molla und Elisabeth Ganori Mora am 24. April 592 Zeitloses Charisma der Gründerin Vorbereitete Ansprache an die Missionsschwestem vom hl. Petrus Claver und ihre Wohltäter anläßlich des hundertjährigen Jubiläums der Gründung am 29. April (wegen Krankheit nicht gehalten) 595 Zur Ausbildung der Priestererzieher Vorbereitete Ansprache aus Anläß des 60jährigen Bestehens des Brasilianischen Kollegs am 29. April (wegen Krankheit nicht gehalten) 596 Mai Die Kirchen Afrikas - ihre Wurzeln, ihr Werden, ihre Initiativen Abschlußwort zur Bischofssynode für Afrika in der Eucharistiefeier am 8. Mai (verlesen von Francis Kardinal Arinze) 597 Afrikasynode ist ein Geschenk Gottes an seine Kirche Grußwort an die Teilnehmer des Schlußgottesdienstes der Sondersynode für Afrika am 8. Mai 602 Fernsehen und Familie: Kriterien für gesunde Sehgewohnheiten Botschaft zum 28. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel am 15. Mai 1994, vom 24. Januar 603 xxn Friedens arbeit im Heiligen Land Brief an Giuseppe Kardinal Gaprio, Großmeister des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, vom 17. Mai 607 Montecassino - Symbol für den Neuaufbau Europas Botschaft zum 50. Jahrestag der Zerstörung der Benediktinerabtei Montecassino vom 18. Mai 608 Eine Mutterhand lenkte die tödliche Kugel Meditation zum Rosenkranzgebet der italienischen Bischöfe in Santa Maria Maggiore, verlesen von Camillo Kardinal Ruini, Kardinalvikar von Rom und Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz, am 19. Mai 612 Belebt die Welt mit eurer Liebe zu Jesus! Botschaft an die Kinder anläßlich der 150-Jahr-Feier des Kindermissionswerks vom 20. Mai 617 Evangelisierung braucht Gebet und Opfer der Familien Botschaft zum Weltmissionssonntag vom 22. Mai 618 Ordinatio sacerdotalis Apostolisches Schreiben über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe vom 22. Mai 621 Verkünder in der Sprache des Heiligen Geistes Predigt zur Priesterweihe am Pfingstfest, verlesen von Generalvikar Camillo Kardinal Ruini, 22. Mai 624 Katechismus - Kompendium der Lehre der Kirche Botschaft zur Vorstellung des Katechismus der Katholischen Kirche in englischer Sprache vom 27. Mai 627 Dank an Maria - Mutter der Barmherzigkeit Botschaft an die Gläubigen, die an der alljährlichen Feier zum Abschluß des Marienmonats Mai bei der Lourdesgrotte im Vatikan teilnahmen, vom Generalvikar für den Staat der Vatikanstadt, Virgilio Kardinal Noe, verlesen, vom 31. Mai 629 Juni Fronleichnam - eucharistische Verehrung Predigt am Fronleichnamsfest, 2. Juni (verlesen von Generalvikar Camillo Kardinal Ruini) 630 XXIII Eucharistie - Mittelpunkt der Kirche Botschaft an die im sozialen Bereich tätigen Katholiken auf dem Nationalen Eucharistischen Kongreß in Siena, verlesen am 4. Juni 632 Die Gegenwart Christi in der Eucharistie erkennen Rundfunkbotschaft an die jungen Teilnehmer des Eucharistischen Kongresses in Siena am 4. Juni 634 Gottesdienst als Gebet und Opfer Botschaft zum Abschluß des XXII. Nationalen Eucharistischen Kongresses in Siena am 5. Juni 635 Bischöfe und Priester von Rebellen ermordet Brief an die Bischöfe in Ruanda, an die Priester, die Ordensmänner und die Ordensflauen, an die katholischen Gläubigen und das ganze ruandische Volk vom 9. Juni 637 Eheleute sind Apostel der Frohen Botschaft der Familie Homilie bei der Messe für die Brautleute am 12. Juni (verlesen vom Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Familie, Alfonso Kardinal Lopez Trujillo, der die Messe zelebrierte) 638 Botschaft zur Achthundertjahrfeier der Geburt des hl. Antonius vom 13. Juni 641 Die Kirche auf dem Weg in Jahr 2000 Ansprache an das außerordentliche Konsistorium der Kardinäle am 13. Juni 644 Unterwegs zur Einheit Botschaft zum 92. Deutschen Katholikentag in Dresden vom 21. Juni 654 Der Papst zum Sport Grußworte an die Mitglieder des Italienischen Sportzentrums am 25. Juni 656 Eins in der gemeinsamen Sendung Ansprache an die Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel anläßlich des Festes der hll. Petrus und Paulus am 28. Juni 656 Der Glaube als Quelle der Rechtfertigung Predigt am Hochfest der hll. Apostel Petrus und Paulus am 29. Juni 658 Juli Gottgeweihtes Leben - radikal gelebtes Evangelium Ansprache an das Generalkapitel der Kapuziner am 1. Juli 662 XXIV Kirche dient dem Gemeinwohl Ansprache an den Botschafter der Slowakei beim Hl. Stuhl am 4. Juli 665 August Warschauer Aufstand - Beginn der Unabhängigkeit Osteuropas Botschaft zum fünfzigsten Jahrestag des Warschauer Aufstandes vom 1. August 668 Pfadfinder müssen auch gegen den Strom schwimmen können Gruß wort bei der Audienz für die Pfadfinderinnen und Pfadfinder des internationalen Europatreffens “Eurojam” am 3. August 670 Der Staat soll die Einwandererfamilien vor Rassendiskriminierung und Ausgrenzung schützen! Botschaft zum Welttag für die Migranten am 20. November 1994 vom 6. August 1993 672 Licht auf unserem Weg Worte zur Eucharistiefeier in Castel Gandolfo am Jahresgedächtnis des Todes Papst Pauls VI., 6. August 676 Paul VI. zum Gedächtnis Nach dem Rosenkranz am 6. August 676 Zeugnis der Kirche in Stein und Glas Brief an den Bischof von Chartres zur 800-Jahr-Feier der Kathedrale vom 15. August 677 Kirche in Ost und West - Verschiedene Gaben: Zeichen für Einheit Ansprache an russische junge Musiker des Internationalen Caritasprogramms “New Names” am 28. August 679 September Den Ruf der Gottesmutter nach Frieden hören Worte vor dem Rosenkranzgebet in Castel Gandolfo am 3. September 681 Freunde Gottes - Zeugen des Friedens Botschaft an Kardinal Edward I. Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen, anläßlich des achten internationalen Gebetstreffens für den Frieden in Assisi vom 7. September 682 XXV Vater unser - der Bischof von Rom beugt seine Knie vor dir und ruft: Erlöse uns vom Krieg! Predigt bei der nach Sarajevo übertragenen hl. Messe in Castel Gandolfo am Fest der Geburt Mariens, 8. September 684 Gemeinschaft in Wahrheit und Liebe Schreiben an Kardinal Jozef Tomko anläßlich des 700. Jahrestages der Ankunft von Giovanni da Montecorvino OFM in Peking vom 8. September 690 Verkündigung des Kerygma vom Kreuz bleibt ständige Verpflichtung Botschaft an den Generaloberen der Passionisten anläßlich des 300. Geburtstages des Gründers der Kongregation vom 14. September ...691 Einvernehmen von Kirche und Staat zum Wohl aller Bürger Ansprache an den Präsidenten der Republik Estland, Lennart Meri, am 15. September 694 Revision des Allgemeinen Katechetischen Direktoriums in Arbeit Brief an Kardinal Jose T. Sanchez zur 9. Vollversammlung des Internationalen Rates für die Katechese vom 21. September 696 Soziale Gerechtigkeit ist Voraussetzung für den Frieden Ansprache an die Begründer und Mitglieder der Stiftung “Centesimus Annus - Pro Pontifice” am 24. September 699 Friede ist keine Utopie - Krieg ist nicht zu rechtfertigen Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden am 29. September 701 Mut zum weiteren Friedensprozeß im Mittleren Osten Ansprache an den ersten Botschafter von Israel beim Hl. Stuhl, Shmuel Hadas, bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens am 29. September 703 Freundschaft zwischen Christen und Juden Ansprache an eine Delegation der “Anti-Defamation League of B’nai B’rith” [Anti-Diffamierungs-Liga der internationalen jüdischen Organisation B ’ nai B’rith] am 29. September 706 Oktober Gemeinsam für den Frieden in Sarajevo beten Gruß wort vor dem Rosenkranzgebet am 1. Oktober 707 Gottgeweihtes Leben in Kirche und Welt Predigt bei der feierlichen Eröffnung der Bischofssynode am 2. Oktober 708 XXVI Familie - Zentrum und Herz der Zivilisation der Liebe Ansprache bei dem Welttreffen mit den Familien am 8. Oktober 711 Berufung der Familie: Dem Leben dienen Predigt bei der Eucharistiefeier anläßlich des Welttreffens mit den Familien am 9. Oktober 715 Kontemplativ in der Aktion - neue Selige aus dem Ordens stand Predigt bei der Seligsprechung von fünf Ordensleuten während der Bischofssynode über das gottgeweihte Leben am 16. Oktober 719 Fünf Ordensleute während der Bischofssynode seliggesprochen Ansprache an die Pilger, die zu den Seligsprechungen vom Vortag nach Rom gekommen waren, am 17. Oktober 723 Dienst am Leben - Zur Humanisierung der Medizin Ansprache an den Kongreß der Italienischen Gesellschaft für Chirurgie am 18. Okober 727 Der Mensch - Mittelpunkt aller Forschung Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 28. Oktober 729 Johannes vom Kreuz - Die Passion Jesu und die Passion des Menschen heute Ansprache an die Teilnehmer des Generalkapitels der Passionisten am 28. Oktober 734 Heilige Ordensleute prägten das Bild der Kirche Predigt bei der hl. Messe zum feierlichen Abschluß der Bischofssynode am 29. Oktober 736 November Religion muß den Frieden fördern Ansprache an die 6. Versammlung der Weltkonferenz der Religionen für den Frieden am 3. November 739 Ehe und Familie - Thema des Kirchenrechts Ansprache an die “Consociatio Intemationalis Studio Iuris Canonici promovendo” am 3. November 742 Ökumenische Brüderlichkeit Grußwort an anglikanische und katholische Bischöfe aus den USA am 7. November .744 xxvn Geistliche Nähe in Gemeinschaft der Heihgen Predigt beim Seelenamt für die verstorbenen Kardinale und Bischöfe am 8. November 746 Tertio millennio adveniente Apostohsches Schreiben an die Bischöfe, Priester und Gläubigen zur Vorbereitung auf das Jubeljahr 2000 vom 10. November 747 Beten und Arbeiten für Einheit in Vielfalt Ansprache an die Delegation der Assyrischen Kirche des Ostens am 11. November 781 Demokratie - Garant der Menschenrechte? Ansprache an die Teilnehmer des Symposions über “Die Katholiken und die pluralistische Gesellschaft”, veranstaltet von der Kongregation für die Glaubenslehre, am 12. November 783 Kirchliche Gemeinschaften - Förderer des Gemeindelebens Grußworte an die Vertreter der “Charismatic Covenant Communities” am 14. November 785 Mann und Frau begründen die Menschheit durch das gegenseitige Sich-Erkennen Ansprache bei der Sonderaudienz für den “Schönstatt-Famihenbund” am 14. November 786 Plädoyer für natürliche Methoden der Familienplanung Ansprache an die Arbeitsgruppe der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften über “Wissenschaftliche Grundlagen und Probleme der natürlichen Regelung der Fruchtbarkeit” am 18. November 788 Offen für weltweite Dimensionen Ansprache an eine Gruppe von belgischen Journalisten anläßlich einer Spendenübergabe an den Papst durch den Verband der katholischen Journalisten Belgiens und ihrer Leser am 19. November 790 Schule, Fortbildung und Förderung der Frau als Arbeitsbereiche moderner Ordensfrauen Ansprache an das Generalkapitel der “Maestre Pie Filippini” am 19. November 791 Königtum Christi - der Wahrheit Zeugnis geben Ansprache bei der Feier der Seligsprechungen am Christ-Königs-Fest, 20. November 794 XXVIII In den Fußstapfen der neuen Seligen Ansprache anläßlich der Sonderaudienz für die zu den Seligsprechungen nach Rom gekommenen Pilger am 21. November 797 In Hingabe an das Charisma der Evangelisierung Ansprache beim Besuch in der Päpstlichen Universität Sankt Thomas von Aquin (Angehcum) am 24. November 800 Gemeinsam nach Wegen für das Evangehum suchen Ansprache an eine Gruppe von Bischöfen aus verschiedenen Missionsländem, Teilnehmer eines von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker durchgeführten Seminars für theologisch-pastorales “Aggiomamento”, am 24. November 804 Lebenskultur aus dem Glauben zur Unterscheidung der Geister Ansprache an den österreichischen Bundespräsidenten, Dr. Thomas Klestil, am 25. November 806 Eintreten für eine menschenwürdige Gesellschaft Ansprache bei der Eröffnungssitzung der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften am 25. November 808 Gemeinsames Beten und Mühen um die Einheit Botschaft an Seine Heiligkeit Bartholomaios I., Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch, vom 25. November 813 Wissenschaft - Dienst an humaner Gesellschaft Ansprache bei der Schlußsitzung der 9. Internationalen Konferenz, veranstaltet vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst, in Verbindung mit der ersten Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für das Leben am 26. November 815 Bis zum Vergießen des Blutes Ansprache beim Konsistorium am 26. November 818 Gruß wort an den neuen Kardinal Miloslav Vlk, Erzbischof von Prag, und seine Verwandten und Freunde am 27. November 822 Bereitschaft zur Hingabe des eigenen Lebens Homilie bei der feierlichen Konzelebration mit den neuen Kardinälen am 1. Adventssonntag, 27. November 823 Grußwort an den neuen Kardinal Grillmeier und seine Angehörigen am 28. November 826 XXDC Grußwort an den neuen Kardinal Schotte und seine Angehörigen am 28. November 827 Gereift im Dienst der Kirche Grußwort an den neuen Kardinal Gilberto Agustoni mit seinen Angehörigen und Freunden am 28. November 828 Dezember Theologie - die Wissenschaft vom Glauben Ansprache an die Internationale Theologische Kommission zum fünfundzwanzigsten Jahrestag ihrer Gründung am 2. Dezember 829 Grundlagen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Kirche und Staat Ansprache beim offiziellen Besuch Seiner Exzellenz Algirdas Brazauskas, Präsident von Litauen, am 2. Dezember 831 Landwirtschaft fördert gesundes Leben der Gesellschaft Ansprache an die Mitglieder des italienischen Landwirteverbandes am 3. Dezember 834 Gebetsapostolat und Neuevangelisierung Brief an Pater Peter-Hans Kolvenbach, Generalleiter des Gebetsapostolats, zu dessen 150. Gründungstag, vom 3. Dezember 836 Glaube an Christus - Herz der eigenen Kultur Brief an Kardinal Puljic, Erzbischof von Vrhbosna, zur 750-Jahr-Feier der Kathedrale von Sarajevo vom 8. Dezember 838 Auserwählt seit Anbeginn Homilie zum Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria am 8. Dezember 841 Maria - die Auserwählte unter den Frauen Meditation bei der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am 8. Dezember 844 Trost und Hoffnung für behinderte Menschen in der Begegnung mit Christus Ansprache an die Teilnehmer an dem vom Apostolischen Bündenwerk für die Familien von Mitgliedern und Freunden veranstalteten Treffen in der Sala Clementina am 9. Dezember 846 Menschliche Solidarität und christliches Zeugnis im Arztberuf Ansprache an den Verband der Katholischen Italienischen Ärzte anläßlich des 50. Gründungsjubiläums am 9. Dezember 847 XXX Familien für die Familien Ansprache an die Familien des Neokatechumenalen Weges am 12. Dezember 851 Brief an die Kinder im Jahr der Familie vom 13. Dezember, veröffentlicht am 15. Dezember 853 Die Liebe ist die sittliche Grundkraft der Menschen Homilie bei der heiligen Messe für die Universitätsangehörigen in Rom am 15. Dezember 860 Zeichen der Freude und des Friedens Grußwort an den Präsidenten der Slowakei zur Übergabe des Weihnachtsbaumes am Samstag, 17. Dezember 864 Ein Jahr ganz im Zeichen der Familie Weihnachtsansprache an die Römische Kurie am 22. Dezember 865 Evangelisierung durch das Zeugnis der Liebe Ansprache an die Freunde der Missionarischen Betreuung der Jugend (Servizio Missionario Giovanile - SER.MI.G.) am 23. Dezember 872 Heilsgesichte begann in der Familie Predigt bei der Christmette am 25. Dezember 873 Weihnachtsbotschaft vor dem Segen Urbi et Orbi am 1. Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember 875 Wir sind eingebunden in die Heilsgesichte Ansprache zum Jahresabschluß 1994 in Sant’Ignazio am 31. Dezember 878 IV. Ad-limina-Besuche Antillen 29. Januar 885 Arabischer Raum 3. September 889 Bangladesch 11. März ‘.892 Burundi 29. April 896 XXXI Chile 18. Oktober 900 Costa Rica 19. Februar 904 Dominikanische Republik 25. März 910 Ecuador 21. Juni 916 El Salvador 10. Januar 921 Guatemala 4. März 925 Haiti 18. März 930 Honduras 4. Februar 935 Iran 3. Dezember 939 Kenia 25. April 942 Kuba 25. Juni 947 Mexiko 11. Juni 952 5. Juli 957 29. November 962 Nikaragua 18. Februar 967 Pakistan 21. Oktober 972 Panama 20. Januar 977 XXXII Paraguay 30. August 982 Peru 17. September 986 27. September 991 Puerto Rico 14. März 995 Tschad 27. Juni 1000 Türkei 5. September 1004 Uruguay 12. Februar 1008 Synode der Chaldäischen Kirche 14. November 1013 V. Erklärungen der Kongregationen und der Räte Jawohl, der Friede ist möglich! Appell des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden im Hinblick auf den von Johannes Paul II. für den 23. Januar 1994 festgesetzten Weltgebetstag, veröffentlicht am 12. Januar 1021 Römische Liturgie und Inkulturation IV. Instruktion zur ordnungsgemäßen Durchführung der Konzilskonstitution über die Liturgie (Nm. 37-40) Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung vom 25. Januar 1994 1023 Direktorium für Dienst und Leben der Priester Kongregation für den Klerus vom 31. Januar 1050 Das brüderliche und schwesterliche Leben in Gemeinschaft “Congregavit nos in unum Christi amor” Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens vom 2. Februar 1994 1118 XXXIII Werte der Familie - Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen Grußbotschaft des Präsidenten des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Francis Kardinal Arinze, zum Id Al-Fitr am Ende des Ramadan 1414/1994, veröffentlicht am 5. März 1174 Demographische Entwicklungen. Ihre ethischen und pastoralen Dimensionen Instrumentum laboris - Arbeitspapier zu den Themen der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo Päpstlicher Rat für die Familie vom 25. März 1176 Die Präsenz der Kirche an der Universität und in der universitären Kultur Kongregation für das katholische Bildungswesen Päpstlicher Rat für die Laien Päpstlicher Rat für die Kultur vom 22. Mai 1994 1212 Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen Kongregation für die Glaubenslehre vom 14. September 1228 VI. Anhang Alle sind zum Frieden verpflichtet: Die Familie als Quelle des Friedens Ansprache von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano zum 27. Weltfriedenstag in Wien am 25. Januar 1237 Verhältnis von Kostenaufwand und Gewinnspanne kann nicht alleiniger Maßstab für Zusammenarbeit sein Beitrag des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls, Erzbischof Alois Wagner, auf der 17. Sitzungsperiode des Exekutivrats des Internationalen Agrarentwicklungsfonds (IFAD) in Rom am 27. Januar 1242 Die Bosporus-Erklärung zum Abschluß der interreligiösen Konferenz für Frieden und Toleranz vom 7. bis 9. Februar in Istanbul 1246 Wahre Religion kann nicht intolerant sein Ansprache des Leiters der Delegation des Hl. Stuhls, Msgr. Paul F. Tabet, bei der Sitzung der UNO-Menschenrechts-Kommission in Genf am 14. Februar 1249 XXXIV Werte und Rechte der Familie achten Beitrag von Msgr. Tabet, Chef der Delegation des Hl. Stuhls bei der 50. Sitzung der Kommission der Vereinten Nationen für die Menschenrechte im Februar in Genf 1252 Ungleiche Begriffe: Familienplanung - Geburtenverhütung Erklärung von Msgr. Diarmuid Martin, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls in New York bei der 3. Sitzung des Vorbereitungskomitees für die Internationale Konferenz über Bevökerungs- und Entwicklungsfragen in Kairo am 5. April 1255 Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika BOTSCHAFT DER SYNODE veröffentlicht am 6. Mai 1259 Zur universalen Dimension der sozialen Gerechtigkeit Beitrag von Erzbischof Tauran, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls bei der 81. Sitzung der Internationalen Arbeitskonferenz im Juni in Genf 1279 Ruander, beginnt ein neues Kapitel in eurer Geschichte! Botschaft von Roger Kardinal Etchegaray an die Bürger von Ruanda, verlesen am 26. und am 28. Juni 1281 Achtung vor dem Leben und vor der Entwicklung der Völker in Solidarität Standpunkt des Hl. Stuhls an der Internationalen Konferenz über Bevökerung und Entwicklung in Kairo - Wortmeldung des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen in New York und Chef der Delegation des Hl. Stuhls bei der Konferenz in Kairo, Erzbischof Renato Martino, am 7. September 1283 Mehr Achtung vor der religiösen und kulturellen Überzeugung Andersdenkender Wortmeldung des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen in New York und Chef der Delegation des Hl. Stuhls bei der Konferenz in Kairo, Erzbischof Renato Martino, am 13. September 1290 Vorbehalte des Hl. Stuhls - Billigung verschiedener Punkte des Schlußdokuments - Position zum Aktionsprogramm der Konferenz in Kairo 1292 Menschenrechte und Würde der Frau Erklärung der Delegation des Hl. Stuhls bei dem Vorbereitenden Regionalen Treffen auf hoher Ebene für die 4. Weltkonferenz über die Frauen in Wien vom 17. bis 21. Oktober 1294 Botschaft der Bischofssynode an das Volk Gottes vom 27. Oktober, veröffentlicht am 28. Oktober 1297 XXXV 1305 Gemeinsame christologische Erklärung der Katholischen Kirche und der Assyrischen Kirche des Ostens vom 11. November Eine Kultur der Moral und Legalität entwickeln Stellungnahme vor der von den Vereinten Nationen einberufenen Weltministerkonferenz über das die nationalen Grenzen überschreitende organisierte Verbrechen vom 21. bis 23. November 1994 in Neapel des Vertreters des Hl. Stuhls, Bischof Julian Herranz Casado, Sekretär des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten, am 22. November 1307 Abtreibung darf nicht Bestandteil reproduktiver Gesundheitsfürsorge sein Ansprache zu Punkt 158 der Tagesordnung “Bericht über die Internationale Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung” des Ständigen Beobachers des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen in New York, Erzbischof Renato R. Marino, vor dem Plenum der 49. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, veröffentlicht am 4. Dezember 1311 Wortregister 1315 Personenregister 1372 Länder- und Ortsregister 1389 Zitierte Bibelstellen 1399 Abkürzungen 1407 XXXVI I. Generalaudienzen und Angelus AUDIENZEN UND ANGELUS Die Familie als Baumeisterin des Friedens Angelus am Neujahrstag 1994, 1. Januar 1. Heute, am ersten Tag des neuen Jahres, feiern wir den 27. Weltfriedenstag, dessen Thema lautet: „Aus der Familie erwächst der Friede für die Menschheitsfamilie.” Es war ganz richtig, daß das Thema des heutigen Festes im Jahr der Familie direkten Bezug auf die Familie nimmt. Deshalb möchte ich besonders an die Familien der gesamten Welt meine besten Wünsche für Wohlbefinden und Frieden richten. Ich entnehme sie dem Geheimnis der Heiligen Weihnacht, der unerschöpflichen Quelle alles Guten. Allen Völkern, jedem Mann und jeder Frau entbiete ich meine herzlichsten Wünsche. Auch der Beginn dieses neuen Jahres zeigt uns, liebe Brüder und Schwestern, einen Horizont, der wenn auch nicht ohne Lichtstrahlen, zeitweise bedrohlich und düster erscheint. Es fehlt freilich nicht an ermutigenden Zeichen der Entspannung und des Friedens, trotzdem aber muß man zugeben, daß der Friede weiterhin durch Bruderkriege beeinträchtigt wird, die kein Ende nehmen wollen. Er wird verletzt durch das Weiterbestehen der ungerechten Kluft zwischen Nord und Süd des Planeten und durch die Angst vor einer ausgedehnten Wirtschaftskrise, die auf den weniger gesicherten Gesellschaftsklassen lastet. Der Friede wird zudem von einem weitverbreiteten Wiederaufleben von Nationalismus und Lokalpatriotismus bedroht, die dort Volk gegen Volk aufwiegeln, wo hingegen die legitimen ethnischen und kulturellen Unterschiede großzügig in den gemeinsamen Reichtum der universalen Menschheitsfamilie eingebracht werden sollten, unter Achtung vor der Würde jedes Menschen und in dem Bemühen um eine neue weltweite Solidarität. 2. Der Frieden ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Er ist ein Gut, das durch die hochherzige Mitarbeit jedes Menschen guten Willens hartnäckig zu verteidigen und zu fördern ist. Er muß aus der Tiefe des Geistes und des Herzens erwachsen, bevor er auf diplomatischem und politischem Weg entsteht. Eine entscheidende Rolle beim Aufbau des Friedens spielt zweifellos die Familie. Denn in der Familie erwirbt der Mensch den Schlüssel zum Frieden, indem er die Herzlichkeit des gegenseitigen Annehmens erfahrt und sich Tag für Tag darin übt, die Gefühle zu ordnen, sich um Toleranz zu bemühen und sich für die Gemeinschaft einzusetzen. Wer für die Familie arbeitet, ist deshalb für den Frieden tätig! In unseren Tagen muß die Familie zunehmend Schwierigkeiten bewältigen, welche ihre Ausgewogenheit gefährden. Ich hoffe, daß das Jahr der Familie „für alle, die zur Suche nach dem wahren Frieden beitragen wollen ..., eine nützliche Gelegenheit bietet, gemeinsam zu untersuchen, wie der Familie geholfen werden kann, ihre unersetzliche Aufgabe als Baumeisterm des Friedens voll zu erfüllen” (Botschaft zum Weltfriedenstag 1994, Nr. 1). 3 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Selige Jungfrau, Königin des Friedens! An diesem ersten Tag des Jahres ehrt dich die Liturgie als Mutter Gottes, als Theotökos, eine Bezeichnung, die nicht nur deine hohe Würde, sondern auch unsere Hoffnung zum Ausdruck bringt. Du hast den Sohn Gottes im Schoß getragen: Dir kann Er nicht nein sagen. Mutter, erlange uns das Geschenk des Friedens. Erwecke in allen Familien der Welt Gefühle und Vorsätze des Friedens. Sei durch deine mächtige Fürsprache Mutter unseres Friedens. Nach dem Angelusgebet richtete der Papst auch Neujahrswünsche an die deutschsprachigen Pilger: Euch und euren lieben Angehörigen ein gesegnetes friedvolles neues Jahr! Zum Schluß sagte der Papst auf italienisch: Ein gutes neues Jahr allen Anwesenden, den Römern und den Pilgern, die so zahlreich in der Ewigen Stadt zusammengekommen sind. Die Familie als Schule der Menschlichkeit Angelus am 2. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gestern haben wir den Weltfriedenstag gefeiert. In der Botschaft, die ich aus diesem Anlaß veröffentlicht habe, wollte ich die Rolle der Familie beim Aufbau des Friedens hervorheben. Mein herzlicher Wunsch ist, daß das Jahr der Familie, das am 26. Dezember, dem Fest der Heiligen Familie, begonnen hat, diese wertvolle und unersetzliche Aufgabe noch mehr verdeutlichen wird. Ich verheimliche nicht, daß die Familie selbst nicht selten als ein Opfer der Abwesenheit des Friedens erscheint. So viele Familien sehen sich aufgrund der Kriege, die in verschiedenen Teilen der Welt herrschen, gezwungen, „Haus, Land und Besitz zu verlassen und die Flucht ins Unbekannte anzutreten; in jedem Fall sehen sie sich schweren Unannehmlichkeiten ausgesetzt, die jede Sicherheit in Frage stellen” (Botschaft zum Weltfriedenstag 1994, Nr. 3). Und wie kann man nicht jene anderen nicht weniger schmerzlichen Situationen beklagen, die die Wurzel der familiären Beziehungen selbst bedrohen, weil sie nicht so sehr auf äußere Ursachen, sondern auf den gefährlichen Einfluß von „Verhaltensmodellen zurückgehen, die von Hedonismus und Konsumismus inspiriert sind und die die Familienmitglieder dazu bringen, mehr nach persönlicher Befriedigung zu streben denn nach einem gelassenen und rührigen gemeinsamen Leben” (ebd.)l In wie vielen Familien hat der Keim der Spaltung Wurzel gefaßt! Wie viele Ehepaare sehen ihre Liebe dahinwelken und gleiten ab in gegenseitiges Nichtverstehen bis zur Trennung. Wie viele gehen sogar bis zur Ehescheidung, die im Widerspruch steht zu der Bindung, die Gott als unzerstörbare Grundlage des Familienlebens gewollt hat! 4 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Aber trotz dieser äußeren und inneren Gefahren bleibt die Familie die Institution, die der Natur des Menschen am unmittelbarsten entspricht und deshalb durch angeborene Berufung dazu bestimmt ist, „Vorkämpferin des Friedens” zu sein (vgl. ebd., Nr. 5). Trotz aller Gefahren „bleibt die Familie die umfassendste und reichste Schule der Menschlichkeit, in der am deutlichsten die Erfahrung freiwillig geschenkter Liebe, Treue, gegenseitigen Respekts und der Verteidigung des Lebens gemacht werden kann” (Botschaft zum 31. Weltgebetstag um geistliche Berufe 1994: O.R., 29.12.93). All das geschieht offensichtlich nicht automatisch. Notwendig ist, gerade von den Familien ausgehend, ein neues ethisches Bewußtsein in der Erkenntnis, daß das wahre Wohlergehen der Menschheit und die Authentizität der Freiheit selbst von der Einhaltung des moralischen Gesetzes abhängt, wie ich in der Enzyklika Veritatis splendor betont habe. Eine Familie, die sich bemüht, nach dem moralischen Gesetz zu leben, macht in ihrem Innern die erste und grundlegende Friedens erfahrung und wird für die übrige Gesellschaft Baustelle des Friedens. 3. Wir rufen Maria an, die Mutter und Königin des Friedens. Sie hat in ihrem Erdenleben nicht wenige Schwierigkeiten in Verbindung mit der täglichen Mühe des Lebens gekannt. Aber nie hat sie ihren Herzensfrieden verloren, auch eine Frucht der Heiligkeit und des Wohlbefindens dieser einzigartigen häuslichen Stätte. Maria weise den Familien der ganzen Welt den sicheren Weg der Liebe und des Friedens. Nach dem Angelusgebet appellierte der Papst an die italienischen Geiselnehmer, ihre Opfer freizulassen: Am ersten Sonntag im neuen Jahr möchte ich meinen dringenden Appell zur Freilassung all derer wiederholen, die sich noch in den Händen ihrer Entführer befinden. Insbesondere möchte ich den Familien der Entführten, von denen seit längerem keine Nachricht kommt, meine Solidarität und geistige Verbundenheit zum Ausdruck bringen. Ich bitte den Herrn, das Herz derer, die in irgendeiner Weise für solche grausamen und verwerflichen Angriffe auf das menschliche Leben verantwortlich sind, zu rühren, damit sie das begangene Böse erkennen und eingedenk des göttlichen Gerichts sich bekehren und die geraubten Menschen wieder der Liebe ihrer Angehörigen zurückgeben. Möge die göttliche Gnade allen Gefühle der Versöhnung und des Friedens eingeben. Die Familie ist Zeichen der Liebe Gottes Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Januar 1. „Sie [die Sterndeuter] gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm” (Mt 2,11). Es besteht eine enge Verbindung zwischen der Epiphanie und der Familie: Ich betone das gern in diesen 5 AUDIENZEN UND ANGELUS ersten Tagen des Jahres der Familie. Im Haus, wo die Heilige Familie wohnte, fanden die Sterndeuter den langersehnten Messias und erkannten ihn. Dort erhalten diese klugen Erforscher des göttlichen Geheimnisses Licht, das erleuchtet und Freude schenkt. Denn es wird berichtet, daß die Sterndeuter in das Haus hineingingen, dem Kind huldigten, ihm ihre symbolischen Geschenke darbrachten und mit dieser Geste die messianischen Weissagungen erfüllten, die die Huldigung aller Nationen gegenüber dem Gott Israels ankündigen (vgl. Num 24,17; Jes 49,23; Ps 72,10-15). Christus offenbart sich so in der einfachen und verborgenen Familie von Nazaret als das wahre Licht der Völker, das, während es die gesamte Menschheit umfaßt, einen besonderen geistlichen Glanz auf die Wirklichkeit der Familie selbst wirft. 2. Das Thema des Lichtes steht im Mittelpunkt der Liturgie der Epiphanie, die wir morgen festlich feiern. Das II. Vatikanische Konzil bekräftigt mit einem besonders eindrucksvollen Bild: „Christus ist das Licht”, das „auf dem Antlitz der Kirche widerscheint” {Lumen Gentium, Nr. 1). Im gleichen Dokument wird auch betont, daß die Familie „Hauskirche” ist (ebd., Nr. 11): Sie ist deshalb ihrerseits berufen, in der Herzlichkeit der interpersonalen Beziehungen ihrer Glieder einen Lichtstrahl der Herrlichkeit Gottes zu reflektieren, die über der Kirche erscheint (vgl. Jes 60,2). Ein Strahl ist gewiß nicht das ganze Licht, aber er ist doch immer Licht. Jede Familie mit ihren Grenzen ist ganz Zeichen der Liebe Gottes. Die eheliche Liebe, die väterliche und mütterliche Liebe, die kindliche Liebe bilden, eingetaucht in die Gnade des Ehesakraments, einen authentischen Widerschein der Herrlichkeit Gottes, der Liebe der Heiligsten Dreifaltigkeit. 3. Im Brief an die Epheser spricht der heilige Paulus vom „Geheimnis”, das in der Fülle der Zeit offenbart wurde (vgl. Eph 3,2-6): Das Geheimnis der göttlichen Liebe, die in Christus den Menschen jeder Rasse und Kultur das Heil anbietet. In demselben Brief nimmt der Apostel Bezug auf das „tiefe Geheimnis” auch der Ehe im Hinblick auf die Liebe, die Christus mit der Kirche verbindet (vgl. Eph 5,32). Deshalb wird die christliche Familie, wenn sie dem Dynamismus, der dem sakramentalen Bund innewohnt, treu bleibt, authentisches Zeichen der weltumspannenden Liebe Gottes. Ein Sakrament der Einheit, das allen, den Nahen und Femen, den Familienangehörigen und Fremden, offensteht kraft des neuen Bandes, das stärker ist als Blutsbande und das Christus unter denen, die ihm nachfolgen, errichtet. Ein solches Familienmodell ist „Epiphanie” Gottes, Bekundung seiner freigeschenkten und universalen und deshalb von sich aus missionarischen Liebe, weil es durch diesen Lebensstil verkündet, daß Gott Liebe ist und das Heil aller Menschen will. Dazu sagt das II. Vatikanische Konzil: „Daher soll die christliche Familie - entsteht sie doch aus der Ehe, die das Bild und die Teilhabe an dem Liebesbund Christi und der Kirche ist - die lebendige Gegenwart des Erlösers in der Welt und die wahre Natur der Kirche allen kundmachen, sowohl durch die Liebe der Gatten, in hoch- 6 AUDIENZEN UND ANGELUS herziger Fruchtbarkeit, in Einheit und Treue als auch in der bereitwilligen Zusammenarbeit aller ihrer Glieder” (Gaudium et spes, Nr. 48). 4. Das Evangelium von der Erscheinung des Herrn (Mt 2,1-12) stellt uns die Magier vor, die, vom Stern geführt, nach Betlehem „in das Haus” (V.ll) kommen, wo die Heilige Familie wohnt, und dem Kind huldigen. Im Mittelpunkt der Szene ist Er, „der neugeborene König” (V.2). Seinen Stern haben die drei Weisen in der Feme aufgehen sehen (vgl. ebcl.). In Betlehem in Judäa geboren, ist er dazu bestimmt, als Hirt das Volk Gottes zu weiden (vgl. V.6). Ihm bringen die Magier ihre symbolischen Geschenke dar. Und doch geschah das alles „in dem Haus”, das sie betraten und wo sie „das Kind und Maria, seine Mutter” sahen (V.l 1). Und Josef? Matthäus scheint ihn hier in den Schatten stellen zu wollen, obwohl er ihn in den anderen Kindheitsberichten mit in den Vordergrund gerückt hatte. Warum? Damit vielleicht unser Blick wie der der Magier auf das eigentliche Bild von Weihnachten gelenkt wird: auf das Kind im Arm der jungfräulichen Mutter. Während wir dieses Bild betrachten, verstehen wir, daß Josef keineswegs von der Gruppe ausgeschlossen ist, sondern auf seine Weise voll daran teil hat. Denn wer, wenn nicht er, Josef, empfängt die Magier, führt sie ins Haus und huldigt mit ihnen, ja vor ihnen Jesus, den die Mutter in den Armen hält? Das Bild von Epiphanie legt nahe, daß jede christliche Familie geistlich von einem zweifachen inneren Dynamismus belebt wird, dessen erster Moment die Anbetung Jesu, des „Gott mit uns”, und zweiter Augenblick die Verehrung seiner heiligsten Mutter ist. Die beiden Aspekte gehören zusammen, sind untrennbar, denn sie bilden zwei Momente ein und derselben Bewegung des Geistes, die, wie wir heute sehen, prophetischen Ausdruck in der Geste der Magier findet. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Wir stehen am Anfang des Jahres der Familie, einer mehr denn je geeigneten Zeit, um über die Aufgabe und Bedeutung der Familie im Leben der Kirche und der Gesellschaft nachzudenken. Ein Jahr der Vertiefung in der Lehre, gewiß, aber vor allem ein Jahr des Gebetes, des Gebetes in der Familie, damit wir vom Herrn die Gabe erlangen, die Sendung wiederzuentdecken und voll zu erschließen, die die Vorsehung jeder Familie in unserer Zeit anvertraut. Die Betrachtung der Szene der Magier helfe uns, daß wir uns immer mehr dessen bewußt werden, daß das gesamte Familienleben seinen vollen Sinn nur dann findet, wenn es von Christus - Licht, Frieden und Hoffnung des Menschen - erleuchtet wird. Mit den Magiern betreten auch wir die einfache Wohnsstätte in Betlehem und huldigen im Glauben dem Erlöser, der uns geboren ist. Wir erkennen in ihm den Herrn der Geschichte, den Erlöser des Menschen, den Sohn der Jungfrau, „das aufstrahlende Licht”, das unter uns gekommen ist, um „unsre Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens” (Lk 1,79). 7 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Morgen begehen wird das Hochfest der Erscheinung des Herrn, das vom Thema des Lichtes beherrscht wird. Wie das II. Vatikanische Konzil sagt, widerstrahlt dieses Licht Christi „auf dem Antlitz der Kirche” (Lumen Gentium, Nr. 1). In diesem Zusammenhang spricht das Konzil von der Familie als „Hauskirche”, die durch die väterliche und mütterliche Liebe sowie durch die Liebe der Kinder einen Strahl der göttlichen Herrlichkeit Widerscheinen läßt, die über der Kirche erschienen ist. Im Brief der Epheser spricht der Apostel vom „Geheimnis” der göttlichen Liebe, die in Christus den Menschen jeder Rasse und Kultur zuteil wird (vgl. Eph 3,2-6). Im gleichen Brief nimmt er Bezug auf „ein tiefes Geheimnis” (Eph 5,52) und bringt die Ehe mit der Liebe in Verbindung, die Christus zur Kirche hat. Daher wird die christliche Familie ein authentisches Zeichen der allumfassenden Liebe Gottes: ein Sakrament der Einheit, offen für alle, Nahe und Feme, kraft des neuen Bandes, mit dem Christus alle verbindet, die ihm folgen. Das Evangelium vom morgigen Hochfest zeigt uns die Sterndeuter (vgl. Mt 2,1-12), die durch den Stern geführt nach Bethlehem „in das Haus” kommen, in dem die Heilige Familie wohnt; sie knien vor dem Kind nieder und huldigen ihm. Jesus wird angebetet, weil er der „neugeborene König” ist. Das Bild von der Epiphanie legt nahe, daß die geistliche Nahrung jeder christlichen Familie einer zweifachen Wurzel entspringt: der Anbetung Jesu und der Verehrung seiner heiligsten Mutter Maria. Liebe Schwestern und Brüder! Wir stehen am Anfang des „Jahres der Familie”, das uns einlädt, über die Aufgabe und die Bedeutung der Familie im Leben der Kirche und der Gesellschaft nachzudenken. Möge das Fest der Heiügen Dreikönige uns bewußt werden lassen, daß die Familie ihren tiefsten Sinn nur dann findet, wenn sie sich von Christus, dem Licht, dem Frieden und der Hoffnung erleuchten läßt. Dazu wünsche ich euch, euren Lieben und Freunden sowie allen, die euch verbunden sind, Gottes treues Geleit im neuen Jahr. Von Herzen erteile ich euch allen meinen Apostolischen Segen. Wege für den Frieden im Balkan suchen Das Drama der balkanischen Völker ist in meinem Geist immer gegenwärtig. Durch die lebhafte Teilnahme an den Leiden dieser unserer Brüder und Schwestern angeregt, habe ich ein Arbeitstreffen einberufen, um mögliche Wege zu suchen, die geeignet sind, die Wiederherstellung des Friedens zu begünstigen, der ein ununter-drückbares Bestreben der von der unmenschlichen Geißel betroffenen Völker ist. Diese Begegnung hat gestern im Vatikan unter der Beteiligung meiner Mitarbeiter an der Römischen Kurie und einiger Fachexperten begonnen. Ich möchte hoffen, daß auch diese Konferenz dazu beitrage, den nächsten Weltgebetstag für den Frieden in den Balkanländem angemessen vorzubereiten. Um vom Herrn das fundamentale Gut des Friedens zu erflehen, beten wir jetzt gemeinsam das Vaterunser. 8 AUDIENZEN UND ANGELUS Grüße an die Ostkirchen und Christen in aller Welt Angelus am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das liturgische Fest der Epiphanie weitet den Blick der Kirche über den Horizont der ganzen Welt. Denn heute wird die „Erscheinung” gefeiert: Das von Christus gewirkte Heil kennt keine Grenzen. Christus ist das wahre Licht, das „jeden Menschen erleuchtet” (Joh 1,9), und deshalb wird niemand - so unterschiedlich die Zeiten und Weisen der Begegnung mit Ihm auch sein mögen - dem Wirkungskreis seines Geheimnisses entzogen. Der hl. Paulus sagt: Gott „will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen” (7 Tim 2,4). Im heutigen Evangeliumsbericht über die Heiligen Drei Könige, die von weither kommen, um dem Erlöser zu huldigen, wird ja gerade auf den Weg jedes Menschen und aller Völker zu Christus hingewiesen. Diese Universalität des Heilsplans Gottes stellt umgekehrt an die Kirche die Forderung der Pflicht zum Zeugnis und zur Verkündigung. Eine Pflicht, die jedem Getauften obhegt. Während das zweite Jahrtausend des Christentums zu Ende geht, zögert die Kirche nicht, mit wachsendem Verantwortungsbewußtsein festzustellen, „daß diese Sendung noch in den Anfängen steckt” (Redemptoris missio, Nr. 1), und macht sich mehr denn je die Erkenntnis des Apostels zu eigen: „Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang hegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!” (7 Kor 9,16). 2. Zum missionarischen Charakter des heutigen Festes paßt gut die soeben vollzogene Bischofsweihe von dreizehn neuen Hirten, die berufen sind, ihren Dienst in verschiedenen Teilen der Welt auszuüben. Dank sei Gott, der uns in diesen Neugeweihten die Stunde von Pfingsten wiedererleben ließ, als der Heilige Geist im Sturm und Feuer auf die Apostel herabkam und sie dazu trieb, Christus unter allen Völkern zu verkünden. Das Geheimnis der Epiphanie und das von Pfingsten rufen sich gegenseitig in Erinnerung wie zwei Zeiten und zwei Gesichter ein und derselben Erscheinung Christi vor der Welt in der Kraft des Heiligen Geistes. In den Dienst eines solchen Geheimnisses sind die Bischöfe als Nachfolger der Apostel und „Glaubensboten” {Lumen Gentium, Nr. 25) gestellt. 3. Wir bitten die seligste Jungfrau, daß sie uns ihren missionarischen Eifer mitteile. Wir flehen zu ihr und denken dabei voll Liebe und Hochschätzung an die Brüder und Schwestern der orientalischen Kirchen, die ihrer Tradition gemäß am heutigen Tag die Geburt des Herrn feiern. Während ich den christlichen Gemeinschaften des Ostens von Herzen gesegnete Weihnachten wünsche, kann ich nicht umhin, auch an die anderen Christen der in aller Welt verstreuten verschiedenen Traditionen und Bekenntnisse zu denken, und ich bitte die Mutter Gottes, die Schritte zur vollen Gemeinschaft unter allen Jüngern Christi zu beschleunigen, damit man gemeinsam 9 AUDIENZEN UND ANGELUS mit neuem Schwung im Glauben und in den Werken die Herausforderung der Neuevangelisierung im heraufziehenden dritten Jahrtausend bewältigen kann. Die himmlische Mutter Gottes und der Kirche erlange uns durch ihre Fürsprache die Fülle des Heiligen Geistes und bereite einen neuen Frühling des christlichen Lebens unter den Menschen unserer Zeit. Danach begrüßte der Papst einzelne Pilgergruppen: Herzlich grüße ich die Radfahrer der ökologischen Spazierfahrt und heiße die Veranstalter und Teilnehmer des historisch-folkloristischen Umzugs „Viva la Befana” herzlich willkommen, der die geschichtlichen und religiösen Inhalte des Epiphaniefestes lebendig erhalten will. Möge die Darstellung des Besuchs der Heiligen Drei Könige in Betlehem in jedem einzelnen den Glauben und die Liebe zum Jesuskind erneuern, das heute den Menschen vorgestellt wird, damit sie es als den Erlöser der Welt aufnehmen; mögen dadurch auch die Grundwerte der Familie wiederentdeckt werden, der das soeben begonnene Jahr in besonderer Weise gewidmet ist. Allen erteile ich von Herzen meinen besonderen Segen. Nach dem Angeiusgebet erinnerte der Papst an die Reise seines Vorgängers Paul VI. ins Heilige Land vor dreißig Jahren: Wie kann man heute, dreißig Jahre nach dem Ereignis, nicht an die Pilgerfahrt meines Vorgängers Papst Paul VI. denken? Er hatte dort, wo Jesus Christus zum Heil der Menschen gestorben und auferstanden ist, eine brüderliche Begegnung mit dem ehrwürdigen Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. Es war eine prophetische Begegnung, die in den neuen Beziehungen zwischen Katholiken und Orthodoxen nach Jahrhunderten der Trennung einen Meilenstein setzte mit Hinweis auf die wesentlichste Aufgabe, die den Jüngern Jesu gestellt ist: Im Gebet und in der gegenseitigen Vergebung sich an den einen Herrn wenden und zusammen die Gemeinschaft christlicher Brüderlichkeit wiederherstellen. Auf der Linie des von dieser Begegnung geprägten Dynamismus sollen unsere Beziehungen zur vollen Gemeinschaft fortschreiten, die Christus gewollt hat. Das ist mein Wunsch, und in dieser Meinung bete ich eifrig und fordere alle Gläubigen der katholischen Kirche auf, sich mit mir in dieser Hoffnung und in dieser einmütigen Bitte zu vereinen. 10 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach Gottes Bild erschaffen zur Teilnahme am Leben Christi Angelus am 9. Januar 1. „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden” (Mk 1,11). Liebe Brüder und Schwestern! Wir haben diese Worte heute in der Liturgie vom Fest der Taufe des Herrn gehört, jenem Ereignis, mit dem die öffentliche Tätigkeit Jesu beginnt. Am Jordan erschallt in der irdischen Geschichte die ewige Stimme des Vaters, die auf Christus als den Messias hinweist. Es ist „eine Stimme aus dem Himmel”, die die messianische und göttliche Identität Christi offenbart und zugleich die neue Zeit der Liebe Gottes zum Menschen eröffnet. Jesus sieht den Himmel sich öffnen und den Heiligen Geist wie eine Taube auf sich herabkommen (vgl. Mk 1,10). Dieses Erscheinen des Geistes Gottes bezeichnet den Beginn der großen Zeit des Erbarmens, nachdem die Sünde den Himmel verschlossen und gleichsam eine Schranke zwischen dem Menschenwesen und seinem Schöpfer errichtet hatte. Nun aber öffnet sich der Himmel! Gott schenkt uns in Christus das Unterpfand einer unvergänglichen Liebe. 2. Du bist mein Sohn! Wir haben soeben im Petersdom erneut diese Zusicherung aus dem Evangelium ausgesprochen. Einundvierzig Kinder aus Rom sowie aus verschiedenen Völkern und Kontinenten haben die Taufe empfangen und sind so in Christus eingegliedert worden. In das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung hineingenommen, sind sie Adoptivkinder Gottes geworden. Da sie in der Taufgnade die Gleichgestaltung mit dem Erlöser empfangen haben, ruht das Wohlgefallen des Vaters auch auf einem jeden von ihnen. Das ist der großartige Plan Gottes für uns Menschen: Nach seinem Bild erschaffen (vgl. Gen 1,26), durch die Sünde aber entstellt, sind wir berufen, „neu erschaffen” zu werden als seine Adoptivkinder durch die Teilnahme am Leben seines Sohnes Jesus Christus selbst (vgl. Gal 4,5-7). „Du bist mein Sohn!” verkündet die Stimme des Vaters am Jordanufer. Das Wort richtet sich an den eingeborenen, wesensgleichen Sohn des Vaters, aber es wird zum Plan und zur Berufung für jeden Menschen. Wie gern möchte ich dieses Wort allen Kindern auf der Welt zurufen! Wie sehr wünschte ich, daß es nicht nur die Getauften erreiche, die den Herrn nie genug für das empfangene Geschenk preisen können, sondern daß es als Aufforderung zur Hoffnung auch zu denen gelange, die aufrichtig nach dem Sinn ihres Daseins suchen! Wie ändert sich der Geschmack am Leben, wenn man sich von der Liebe Gottes treffen läßt! 3. Liebe Brüder und Schwestern, von der heiligen Jungfrau wollen wir erbitten, ständig bereit zu sein, diese Liebe anzunehmen. Noch ehe es am Jordan geschah, 11 AUDIENZEN UND ANGELUS öffnete sich gewissermaßen in ihrem Herzen der Himmel im Augenblick der Verkündigung. So wurde sie zur Mutter Gottes und darum zur „Mutter der Liebe”. Möge sie uns nun mit mütterlicher Zärtlichkeit dazu führen, in unserem Leben den zu erfahren, der die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8). Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute wird in der Diözese Rom der alljährliche „Tag des Seminars” begangen. Wie bekannt, will dieser Tag die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf die grundlegende Bedeutung der Förderung von Priesterberufungen im Leben der kirchlichen Gemeinschaft richten. Er will auch das Wirken der Diözesanseminare bekannt machen und lädt jeden ein, nach den eigenen Möglichkeiten einen Beitrag zu leisten für deren zunehmende Bedürfnisse. Gott sei Dank verzeichnet die Diözese Rom seit einigen Jahren einen bedeutenden Anstieg der Priesterweihen. Aber man darf nie müde werden, vom Herrn das Geschenk neuer Priester zu erbitten, denn der pastoralen Anforderungen sind so viele. Ich lade euch daher ein, hebe Brüder und Schwestern, zu beten, daß der Herr großmütig sei mit seinem Ruf zum Priestertum und daß die jungen Menschen, die berufen sind, bereit seien, dem Ruf zu folgen. Möge die Königin der Apostel vielen Jugendhchen die Absicht eingeben, sich als Priester Christi ganz Gott zu schenken im Dienst an seinem Reich! Nun richte ich auch einen herzlichen Gruß an die Mitglieder der Jugendmusikschule von Ruda in der Erzdiözese Gorizia und fordere sie auf, in ihren Gesängen sich mit dem ewigen Lobpreis zu verbinden, der aus der ganzen Kirche und der ganzen Schöpfung zum Herrn emporsteigt. Gebet ist die mächtigste Kraft in der Geschichte der Menschheit Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Januar „Jesus wird im Todeskampf hegen bis ans Ende der Welt...” 1. Wie ihr wißt, habe ich für Sonntag, den 23. Januar, einen besonderen Gebetstag angekündigt, dem ein Fasttag am Freitag, dem 21. Januar, voraufgehen soll. Anliegen ist der Friede auf dem Balkan. Es ist dringender denn je, daß sich aus der gesamten Gemeinschaft der Kirche und aus den Herzen aller Glaubenden ein inständiges flehentliches Bitten für jene gehebten Bevölkerungsgruppen erhebt, auf deren Tragödie sich so offensichtlich die Worte Pascals anwenden lassen: „Jesus wird im Todeskampfe hegen bis an Ende der Welt” (Pensees, „Le mystere de Jesus”, 553). Diese Worte tauchten als ein vorherrschender Gedanke bei der kürzlich im Vatikan abgehaltenen Studientagung auf, die den Frieden auf dem Balkan zum Thema hatte. Die Tagung galt einer sorgfältigen Analyse der Lage der Volksgruppen auf dem 12 AUDIENZEN UND ANGELUS Balkan, die eine tiefer gehende Erkenntnis der Ursachen, der Wirklichkeit und der Folgen des blutigen Konflikts ermöglicht hat. Es ist schwer, in dem Geschehen, das sich seit Jahren im ehemaligen Jugoslawien zuträgt, nicht „den Todeskampf Christi” zu sehen, der „bis ans Ende der Welt weitergeht”. Auch wenn der hl. Paulus betont, daß „Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn” (Rom 6,9), so hört der Tod doch nicht auf, im Dasein der Menschen präsent zu sein. Wir sind Zeugen eines Todesprozesses, gerade auf dem Balkan, und leider ohnmächtige Zeugen. Christus stirbt weiter bei den derzeitigen tragischen Ereignissen, die in jenem Teil der Welt vor sich gehen, und dies war Gegenstand unseres gemeinsamen Nachdenkens. Christus setzt seinen Todeskampf fort in vielen unserer Brüder und Schwestern: in den Männern und Frauen, in den Kindern, Jugendlichen und Alten; in so vielen Christen und Muslimen, in Gläubigen und Ungläubigen. 2. Im Krieg auf dem Balkan bilden unschuldige Menschen die große Mehrheit der Opfer. Und selbst unter den Soldaten sind nicht viele, die für die derzeitigen kriegerischen Operationen volle Verantwortung tragen. So war es auf Golgota, wo die am Tod Christi wahrhaft Schuldigen auch nur wenige waren. Diejenigen, die seine Hinrichtung ausführten, und selbst die, welche schrien: „Kreuzige ihn, kreuzige ihn” (Lk 23,21), wußten nicht, was sie taten und forderten. Daher sagte Jesus am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun” (Lk 23,34). Aber kann man wirklich sagen, daß die Personen und die für die tragischen Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien verantwortlichen Kreise nicht wissen, was sie tun? Es ist doch in der Tat unmöglich, daß sie es nicht wissen. Vielleicht ist es wahr, daß sie nach Rechtfertigung für ihr Vorgehen suchen. Unser Jahrhundert hat uns leider nicht wenige Beispiele dieser Art geboten. Totalitäre Einstellungen sowohl nationalistischer wie kollektivistischer Prägung haben in der jüngsten Vergangenheit beachtliche Verbreitung gefunden und sie gründeten sich alle auf den Gehorsam gegenüber „Heilsideologien”, die für die einzelnen Menschen und die gesamte Gesellschaft das Paradies auf Erden versprachen. In diesem Zusammenhang könnte man sagen, daß das, was jetzt auf dem Balkan geschieht, vor dem Hintergrund der jüngeren Geschichte Europas nichts Neues ist. Wir haben leider den Anspruch auf „Lebensraum” wie auch den Gedanken, eine auserwählte Nation, eine privilegierte Rasse oder Klasse zu sein, bereits kennengelemt. 3. Als am Ende des Zweiten Weltkriegs die Gewissen neu erwachten, wurde sich die Menschheit bewußt, wie sehr das alles gegen das Wohl des Menschen und der Nationen gerichtet war. Die erste Antwort auf die Grausamkeiten jenes schrecklichen Konfliktes war die allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Nun aber scheint man auf dem Balkan gewissermaßen wieder zum Ausgangspunkt zurückgekehrt zu sein. Die Menschenrechte werden in fürchterlicher und tragischer Weise verletzt, die Verantwortlichen aber gehen so weit, daß sie ihr Vorgehen mit dem Prinzip des Gehorsams gegenüber Anordnungen und bestimmten Ideologien recht- 13 AUDIENZEN UND ANGELUS fertigen. So klingen auch jetzt die Worte Christi an seinen Vater wider: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.” Auch wenn tatsächlich ein gewisses Nicht-Bewußtsein vom Emst des Augenblicks vorliegt, so entbindet uns das nicht davon, nach objektiven Kriterien gegenüber einer derart tragischen Lage Stellung zu beziehen. Die für die grausamen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs Verantwortlichen wurden verurteilt, und im Westen wurde dieser Prozeß in relativ kurzer Zeit abgeschlossen. In Osteuropa dagegen mußte man großenteils bis zum Jahre 1989 warten, und nicht alle an den vielfältigen und nachgewiesenen Verletzungen der Menschenrechte Schuldigen sind bis heute einer gerechten Verurteilung unterzogen worden. 4. Was auf dem Balkan geschieht, weckt spontan Gedanken dieser Art. Doch während wir anerkennen, daß die Schuldigen unbedingt verurteilt werden müssen, dürfen wir dennoch den Ruf Christi am Kreuz nicht vergessen: „Vergib ihnen!” Weder die Kirche und der Apostolische Stuhl noch die ökumenischen Kreise, denen die Einheit der Christen ein Herzensanliegen ist, dürfen diesen Ruf vergessen. Und nicht vergessen dürfen ihn die Verteidiger der Menschenrechte, die im Namen der europäischen und weltweiten internationalen Organisationen sprechen. Dabei geht es gewiß nicht um eine oberflächliche Nachsicht gegenüber dem Bösen, sondern um ein aufrichtiges Bemühen um Unparteilichkeit und das notwendige Verständnis für diejenigen, welche, von einem irrigen Gewissen geleitet, gehandelt haben. Von all dem war die Rede bei dem kürzlich im Vatikan abgehaltenen Treffen. Als allgemeine Schlußfolgerung ergab sich folgende: Derart schwerwiegende Probleme können ohne Bezugnahme auf Christus nicht gelöst werden. Es wurde gesagt, daß die Christen auf dem Balkan ihre Glaubwürdigkeit verloren haben, weil sie ideologischem Druck verschiedener Art nachgegeben haben. Jeder muß also seinen Teil an Verantwortung übernehmen. Doch die Schwäche der Christen stellt noch mehr die Macht Christi ins Licht. Ohne ihn lassen sich die Probleme nicht lösen, die für die Institutionen und die internationalen Organisationen wie auch für die verschiedenen in den Konflikt verwickelten Regierungen täglich noch komplizierter werden. Wenn es unmöglich erscheint, zu einer dauerhaften friedlichen Lösung zu kommen, liegt das vielleicht bloß am Fehlen des guten Willens bei den sich bekämpfenden Gruppen? Läßt sich auch hier der Ruf Christi anwenden: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun”? Wir dürfen annehmen, daß alle Beteiligten vernünftigerweise das Schlimmste vermeiden wollen, nämlich die Ausdehnung der bewaffneten Konflikte bis hin zu der Gefahr, das daraus ein europäischer oder gar weltweiter Krieg werden könnte. Der Apostolische Stuhl hört seinerseits nicht auf, das Prinzip des humanitären Eingreifens in Erinnerung zu rufen. Es geht nicht in erster Linie um militärisches Eingreifen, sondern um jede Art von Aktionen, die eine „Entwaffnung” des Aggressors zum Ziel hat. Dieses Prinzip kommt bei den Besorgnis erregenden Ereignissen auf 14 AUDIENZEN UND ANGELUS dem Balkan eindeutig zur Anwendung. In der Morallehre der Kirche wird jeder militärische Angriff als moralisches Übel beurteilt; die berechtigte Verteidigung dagegen gilt als zulässig und zuweilen als Pflicht. Die Geschichte unseres Jahrhunderts hat diese Lehre vielfach bestätigt. 5. Das mächtigste humanitäre Eingreifen bleibt aber immer das Gebet. Es stellt eine enorme geistige Kraft dar, vor allem, wenn es von Opfer und Leiden begleitet ist. Wie viele Opfer und Leiden müssen die Menschen und Nationen jener hart geprüften Region des Balkans auf sich nehmen! Auch wenn es einem oberflächlichen Blick nicht aufgeht und viele es nicht anerkennen, bildet das mit dem Opfer verbundene Gebet die mächtigste Kraft in der Geschichte der Menschheit. Es gleicht, wie der hl. Paulus sagt, dem „Sammeln von glühenden Kohlen auf das Haupt derer, die Verbrechen und Unrecht begehen” (vgl. Rom 12,20); es gleicht dem „zweischneidigen Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenk und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens” (Hebr 4,12). Das Gebet ist ferner eine Waffe für die Schwachen und für alle, die Ungerechtigkeit erleiden. Es ist die Waffe jenes geistigen Kampfes, den die Kirche in der Welt führt: Sie verfügt über keine anderen Waffen. Der Weltfriedenstag ist ein kraftvoller jährlicher Aufruf zum Gebet. Im vergangenen Jahr ist er durch die besondere Begegnung in Assisi, an der auch Vertreter der Nationen des Balkans teilgenommen haben, gleichsam verlängert worden. In diesem Jahr dagegen ist für Sonntag, den 23. Januar, ein Gebetstag für den Frieden innerhalb der Gebetsoktav für die Einheit der Christen vorgesehen. Die jüngste Studientagung, an der qualifizierte Fachleute teilgenommen haben, hatte den Zweck, einen Beitrag zur Vorbereitung des besonderen „Tages” am kommenden 23. Januar zu leisten, damit er noch zahlreichere und intensivere Teilnahme finde. Das Gebet muß uns wirklich alle vor Gott, dem gerechten und erbarmungs-vollen Vater, vereinen. 6. Im vergangenen Jahr wurde Schwester Faustina Kowalska seliggesprochen, die Christus am Vorabend des Zweiten Weltkriegs zu einem umfangreichen Apostolat der Barmherzigkeit berufen hatte. Sr. Faustina war sich der Wichtigkeit der ihr von Christus anvertrauten Botschaft bewußt, sie konnte aber noch nicht wissen, wie weit diese sich bereits wenige Jahre nach ihrem Tod in der Welt verbreiten sollte. Die ganze Menschheit braucht diese Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes. Die Welt von heute braucht sie, zumal die hart geprüfte Balkanregion. Die Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes ist zugleich ein nachdrücklicher Aufruf zu lebendigerem Vertrauen: „Jesus, ich vertraue auf dich!” Schwerlich wird man beredtere Worte finden können als die, die uns Sr. Faustina hinterlassen hat. Jesus, ich vertraue auf dich! Das ist die Hoffnung, die uns in den vergangenen Tagen gemeinsamen Nachdenkens geleitet und das Bewußtsein lebendig gehalten hat, daß der Friede auf dem Balkan möglich ist. „Spes contra spem” - „Hoffnung gegen alle Hoffnung!” Bei Gott ist kein Ding unmöglich! 15 AUDIENZEN UND ANGELUS Möglich ist vor allem die Bekehrung, die den Haß in Liebe und den Krieg in Frieden zu verwandeln vermag. Daher wird unser Gebet um so eindringlicher und vertrauensvoller: Jesus, ich vertraue auf dich! In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! So bitte ich Euch, hebe Pilger und Besucher, Eure Angehörigen und Freunde sowie alle, die unseren Brüdern und Schwestern auf dem Balkan im Mittragen des Leides, der Entbehrungen und des erhttenen Unrechts verbunden sind, besonders am 23. Januar Herz und Hände zum Gebet zu erheben. Von Herzen erteile ich Euch ahen meinen Apostolischen Segen. Aufruf zum Gebet für gerechten und dauerhaften Frieden in der leidgeprüften Region Bosnien-Herzegowina Angelus zu Beginn der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen am 16. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Vom 18. bis zum 25. Januar feiern wir die Gebetswoche für die Einheit der Christen. Sie hat in diesem Jahr das Thema: „Berufen, ein Herz und eine Seele zu sein”, eine anregende Einladung zum Nachdenken, die von einem gemischten Komitee aus Vertretern der katholischen Kirche und des Weltkirchenrates vorgeschlagen wurde. Vor dem Hintergrund des soeben begonnenen Jahres der Familie sind alle in den fünf Erdteilen verstreuten Christen aufgerufen, die Notwendigkeit der Einheit der Kirche als Familie Gottes neu zu entdecken. Das Vorbild, auf das wir schauen müssen, ist die in der Apostelgeschichte beschriebene Urgemeinde: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam. Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn” (Apg 4,32-33). Dieses wirklich eindrucksvolle Bild zeigt uns, welch umwandelnde Wirkung die Auferstehung des Herrn für diejenigen hat, die den göttlichen Meister in ihr Leben aufnehmen. Die sich ihm tatsächlich ohne Vorbehalt öffnen, erhalten ein „neues Herz” und werden fähig, untereinander „ein Herz und eine Seele” zu sein. Täuschen wir uns nicht! Nur eine demütige und wahrhaftige Aufnahme Christi kann den Glaubenden helfen, die noch bestehenden Spaltungen zu bereinigen und so einen wirksameren Beitrag zu leisten zur Lösung der Konflikte, die in verschiedenen Teilen der Welt herrschen. 2. In dieser Woche wird sich deshalb an allen Enden der Erde das einstimmige Gebet für die Einheit der Jünger Christi erheben. Sie soll eine günstige Gelegenheit 16 AUDIENZEN UNDANGELUS sein, Bilanz zu ziehen, indem man die im ökumenischen Bereich verwirklichten Fortschritte, die beseitigten Hindernisse, die noch zu prüfenden Schwierigkeiten und den ständigen, ehrlichen Dialog erwägt. Vor allem soll sie eine intensive und anhaltende Gebetserfahrung mit dem erneuerten Vorsatz sein, den Willen des Herrn zu befolgen, der seine Freunde zu einer immer volleren Gemeinschaft ruft, damit die Kirche „Sakrament der Einheit” für alle sei (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). So gesehen kommt der Gebetstag am 23. Januar sehr gelegen - dem ein Fasttag am 21. Januar vorausgeht -, um von Gott einen gerechten und dauerhaften Frieden in der leidgeprüften Region Bosnien-Herzegowina zu erflehen. Die Christen sollen immer und überall Diener der Versöhnung sein, aber besonders dort, wo der Frieden am meisten verletzt wird, so daß er menschlich undurchführbar scheint. Für diese gewaltige Aufgabe gibt es keine wirksamere Kraft als das Gebet: Für Gott ist nichts unmöglich! 3. Bitten wir Maria, die Mutter der Kirche, unser Bemühen durch ihre Fürsprache nachdrücklich zu unterstützen. Wie für die Urgemeinde, die in Erwartung von Pfingsten um sie versammelt war, so möge sie für die Christen von heute die volle Annahme des immer neuen Geschenkes des Geistes Gottes erlangen, der der wahre Baumeister der kirchlichen Gemeinschaft und des Friedens der gesamten Menschheitsfamilie ist. Weltweite Umkehr zum Frieden erforderlich Ansprache bei der Generalaudienz am 19. Januar „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam” (Apg 4,32). 1. Das Thema zur Feier der Gebetswoche für die Einheit der Christen 1994 wurde diesem wichtigen Text der Apostelgeschichte entnommen, der die Berufung der Christengemeinde aller Zeiten beschreibt. Die Kirche ist berufen, eines Herzens und einer Seele zu sein in einer tiefen Gemeinschaft des Glaubens, des Gebets und der Solidarität, um sich dem zu widersetzen, was an Negativem in der Welt besteht, insbesondere den Spannungen, dem Unverständnis, den Konflikten und Kriegen. Darum ist die Einheit aller Christen kein utopisches Ziel oder ein rein eschatologi-sches Ideal, sondern eine im täglichen Leben zu verwirklichende feste, konkrete Berufung der Jünger Christi. 2. Bezeichnend ist, daß das Thema der Gebetswoche dieses Jahres anfänglich von einer in Irland gebildeten ökumenischen Gruppe angeregt wurde. Denn die dringende Notwendigkeit zu Versöhnung und Frieden drängt sich in Situationen der Spannung und der blutigen Auseinandersetzung viel stärker auf. Deshalb wollte ich, 17 AUDIENZEN UND ANGELUS daß der 21. und der 23. Januar im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen je ein Tag des Fastens und des besonderen Gebetes seien, um vom Herrn das Geschenk eines gerechten und dauerhaften Friedens in den Balkanländem zu erbitten. Der Frieden ist in den Balkanländer tatsächlich möglich, trotz all dem, was in dieser leidgeprüften Region schon lange Zeit geschieht. Der Frieden ist möglich, wenn die ganze internationale Gemeinschaft auf allen Ebenen „den Mut hat, ihre Verpflichtung voll wahrzunehmen, so daß die Menschenrechte, das humanitäre Recht und auch das internationale Recht, auf denen die eigene Existenz gründet, geachtet werden” (Appell des Päpstlichen Rates flir Gerechtigkeit und Frieden, „Der Frieden ist möglich in den Balkanländem”, Nr. 9). Notwendig ist eine weltweite Umkehr zum Frieden. Deshalb wollen wir fasten und beten. Möge der Herr, für den nichts unmöglich ist, die Herzen der Menschen mit seinem Geist erleuchten und sie dahin führen, daß sie den Weg der Versöhnung, der Brüderlichkeit und des Friedens wiederfinden. 3. „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele.” In der Apostelgeschichte liest man, daß die aus Pfingsten hervorgegangene Gemeinde aus Gläubigen verschiedener Herkunft, Sprache und sozialer Stellung bestanden habe, aber es wird betont, daß „der Ort, an dem sie versammelt waren, bebte, nachdem sie gebetet hatten, und alle mit dem Heiligen Geist erfüllt wurden” (vgl. Apg 4,31). Der Geist ist es also, der die im Gebet vereinte Schar in Gemeinschaft umwandelt, indem er Eintracht, Gemeinsamkeit („ein Herz”) und Einheit im Wollen und Streben („eine Seele”) weckt. „Gott ist die Liebe” (7 Joh 4,7) bekräftigt der Apostel Johannes. Es darf nicht überraschen, daß die Liebe das Merkmal der wahren Jünger des Herrn ist: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander hebt” (Joh 13,35). Der Text der Apostelgeschichte endet mit dem Hinweis, „sie hatten alles gemeinsam” (Apg 4,32): Die Liebe schafft Solidarität. 4. Liebe Brüder und Schwestern! Von Jahr zu Jahr nehmen wir den Verlauf des schwierigen Weges der Einheit unter den Christen wahr. Jeder noch so kleine Schritt ist ein wichtiger Beitrag, der die Glaubenden im Bewußtsein bestärkt, daß der Herr es nicht an seinem Gnadenbeistand fehlen läßt. Die gemachte Erfahrung zeigt, daß der in der Christengemeinde immer notwendige sogenannte „Dialog der Liebe” tatsächlich allen Jüngern Christi geholfen hat, einander näherzukommen, wie es sich für jene gehört, welche die Taufe zu Geschwistern gemacht hat. Die Erfahrung hat insbesondere dazu beigetragen, den „theologischen Dialog” zu begünstigen, der immer klarer dahin zielt, die wahren Erfordernisse der kirchlichen Gemeinschaft herauszustellen. Unter den nicht wenigen Zeichen des Fortschritts im ökumenischen Dialog im vergangenen Jahr war die fünfte Konferenz der Kommission „Glaube und Kirchenverfassung” des Weltkirchemats von besonderer Bedeutung, die in Santiago de Compostela vom 3. bis 14. August 1993 statt- 18 AUDIENZEN UND ANGELUS fand unter dem Thema: „Auf dem Weg zur Koinonia im Glauben, im Leben und im Zeugnis”. Erstmals haben an einer derartigen Versammlung Vertreter der katholischen Kirche als vollberechtigte und aktive Mitglieder teilgenommen. Ich habe der Konferenz herzliche Glückwünsche ausgesprochen und sie meines Gebetes versichert, daß der Herr ihre Arbeit auf dem Weg zur vollen, sichtbaren Einheit der Christen segne. Die Suche geht weiter und wird durch einen klugen Dialog, gewissenhafte Studien, brüderliche Kontakte und in einem Denken fortgeführt, das auf den Plan des Herrn gerichtet ist: Er will, daß die verstreuten Kinder endlich „alle eins seien, damit die Welt glaubt” (vgl. Joh 17,21). Wir beten insbesondere, daß der Geist des Dialogs in der Einheit und Liebe bei den Katholiken und den Orthodoxen Raum finde, vor allem in den Regionen, wo sie Seite an Seite leben, so daß sie tatsächlich die Eintracht, die pastorale Zusammenarbeit und das gemeinsame Glaubenszeugnis fördern. 5. Der Weg der Christen zur vollen Gemeinschaft erfordert den Einsatz jedes einzelnen und benötigt vor allem das Gebet. Jenseits all dessen, was menschenmöglich ist, bleibt die Einheit ein Geschenk Gottes. Das hatte das II. Vatikanische Konzil unterstrichen, indem es bekräftigte, „daß dieses heilige Anliegen der Wiederversöhnung aller Christen in der Einheit der einen und einzigen Kirche Christi die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten übersteigt”. Deshalb ist es notwendig, „seine Hoffnung gänzlich auf das Gebet Christi für die Kirche, auf die Liebe des Vaters zu uns und auf die Kraft des Heiligen Geistes” zu setzen (Unitatis redintegratio, Nr. 24). Das Gebet bietet die konkrete Möglichkeit, sich an einem Unternehmen zu beteiligen, welches das Gewissen jedes Gläubigen auf den Plan ruft, unabhängig vom Dienst und von der Rolle, die er in der Kirche innehat. Auch wir wollen heute den Herrn bitten, seinen Jüngern das Geschenk der vollen Einheit zu gewähren. Wir tun es, während wir einige schöne Sätze aus dem in Santiago de Compostela gesprochenen Gebet wiederholen: „Heiligste Dreifaltigkeit der Liebe: Wir kommen zu dir und sagen Dank für das Geschenk der Koinonia, die wir als Erstlingsfrucht deines Reiches aufnehmen ... Wir kommen zu dir in der Erwartung, noch tiefer in die Freude der Koinonia eintreten zu können. Wir kommen zu dir voll Vertrauen, um von neuem in deinem Plan der Liebe, der Gerechtigkeit und der Koinonia mitzuwirken.” Das ist unser Gebet und unsere Verpflichtung. Der Herr schenke allen Christen neuen Schwung in der Suche jener vollen, sichtbaren Gemeinschaft, für die Christus sein Leben hingegeben hat. 19 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Während ich auch Euch, liebe Schwestern und Brüder, dazu einladen möchte, durch Fasten und Gebet diese so wichtigen Anhegen unserer Zeit mitzutragen, erteile ich Euch und allen Euren Lieben von Herzen meinen Apostolischen Segen. Nichts unversucht lassen für den Frieden Angelus am 23. Januar 1. Christus ist unser Frieden! (vgl. Eph 2,14). Diese Gewißheit leitet heute unser Gebet und gibt uns die feste Hoffnung, daß es erhört wird. Soeben ist in der Vatikanischen Basilika die Eucharistiefeier zu Ende gegangen, bei der wir an den himmlischen Vater ein feierliches und einmütiges Gebet um Frieden für die Völker des ehemaligen Jugoslawien richteten. Wir haben gebetet und beten weiter darum, daß unter den Menschen und Völkern der ganzen Welt Frieden herrsche. Wir haben den Herrn um das Geschenk der vollen Gemeinschaft unter allen Jüngern Christi gebeten, während die alljährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen im Gang ist. Das Gebet ist eine wunderbare Waffe. Es reißt im Herzen des Menschen die „Mauer” nieder, die sich der Liebe Gottes widersetzt, und schüttet die Gräben des Hasses, des Mißtrauens und Grolls zu, die oft Ursache der Spaltung zwischen Mensch und Mensch, zwischen Volk und Volk sind. 2. Christus ist unser Frieden! Wie zerbrechlich ist ein Frieden, der nicht im Ewigen verankert ist und nicht auf dem sicheren Fundament des Gesetzes und der Liebe Gottes gründet. Vor wenigen Jahren haben wir uns über den Fall einer Mauer gefreut, die jahrzehntelang Symbol der Teilung der Welt in zwei entgegengesetzte Blöcke gewesen war. Er schien der Anbruch einer neuen Welt. Wer hätte vermuten können, daß im Herzen Europas so plötzlich andere Mauern erstanden wären, die blutige Schranken des Hasses zwischen den Menschen errichten? Dank sei Gott, daß in anderen Teilen der Welt, die auch von alten Konflikten heimgesucht werden, Zeichen der Versöhnung und verheißungsvolle Friedensentwicklungen zu erkennen sind, wie es zum Beispiel bei dem jüngsten Vertrag zum Abbau der Atomwaffen in der Ukraine geschehen ist. Trotz vieler Anstrengungen geht leider der Krieg in den Gebieten des ehemaligen Jugoslawien weiter, widersteht jedem Befriedungsversuch und erschüttert uns alle wegen seiner Grausamkeit und den vielfachen Verletzungen der Menschenrechte. Nein, wir können uns damit nicht abfinden! Wir dürfen nicht resignieren! Die zuständigen Organismen tragen die Verantwortung dafür, nichts, was menschenmöglich ist, unversucht zu lassen, um den Angreifer zu entwaffnen und die Bedingungen für einen gerechten und dauerhaften Frieden zu schaffen. Wir Gläu- 20 AUDIENZEN UND ANGELUS bige erneuern unsere Gebetshilfe zusammen mit dem Zeugnis eines verstärkten Einsatzes für die Gemeinschaft unter den Christen im gehorsamen Hören auf die eindringliche Bitte des Erlösers: „Vater, ... damit sie eins sind wie wir” (Joh 17,11). 3. Rufen wir deshalb zu Christus, „unserem Frieden”. Flehen wir zu ihm mit der Stimme Marias, seiner und unserer Mutter, während wir uns an die Wirksamkeit der Bitte der seligsten Jungfrau in Kana in Galiläa erinnern, die ihren göttlichen Sohn drängte, Wasser in Wein zu verwandeln. Maria bittet uns, Christus wieder das „Wasser” unserer Vorhaben, unserer Bemühungen und unserer Bitten zu bringen, damit er es in den hochherzigen Wein der Liebe verwandeln kann, welche die unerläßliche Voraussetzung jedes wahren Friedens ist. Das II. Vatikanische Konzil lehrt uns, daß Maria uns auf dem Weg, dem Pilgerweg des Glaubens, der Hoffnung und des Friedens, vorausgeht. Wir sagten während der Predigt in der Basilika, unser Gebet heute sei zugleich ein Pilgern, ein ökumenischer Pilgerweg vor allem in diese leidgepüften Länder, zu diesen gepeinigten Völkern. Wir bitten die Königin des Friedens, daß sie uns auf diesem Weg, auf diesem Pilgerweg vorausgehe und diese unsere Wallfahrt zu einem Bittgang, zu einem Werk für den Frieden mache, daß sie ihn fruchtbar werden lasse! „Und nach diesem Elend zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes. O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria.” Humanitäre Hilfe nicht behindern Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: An diesem Tag, der besonders dem Gebet für den Frieden in den Balkanländem gewidmet ist, möchte ich dringend an alle Verantwortlichen appellieren, die humanitären Hilfen an ihren Bestimmungsort gelangen zu lassen und nicht zu behindern. Es handelt sich um eine Verpflichtung der Solidarität allen Bewohnern des ehemaligen Jugoslawien gegenüber, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrem religiösen Bekenntnis. Die Waffen und das Mißtrauen dürfen diejenigen nicht aufhalten, die den Hungernden Güter für den Grundbedarf, den Kranken und Verwundeten Medikamente und den Armen konkrete Hilfe bringen! Der Zugang zur belagerten Stadt Sarajevo, zur Enklave Tuzla und zum Gebiet um Mostar muß ermöglicht werden. Wir bitten den Gott des Friedens, alle, die in eine so große Tragödie verwickelt sind, zum ersehnten Frieden zu führen! 21 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Teilhabe der Laien am prophetischen Amt Christi Ansprache bei der Generalaudienz am 26. Januar 1. Gemäß dem II. Vatikanischen Konzil haben alle in der Kirche, dem mystischen Leib Christi, nicht nur teil an der Würde und Sendung Christi, des ewigen Hohenpriesters, wie wir in den Katechesen über das „allgemeine Priestertum” gesehen haben, sondern auch an seiner Würde und Sendung als „großer Prophet”, worüber wir in dieser Katechese nachdenken wollen. Lesen wir zu Beginn den Text der Konstitution Lumen Gentium, wonach Christus „sein prophetisches Amt nicht nur durch die Hierarchie [erfüllt], die in seinem Namen und in seiner Vollmacht lehrt, sondern auch durch die Laien. Sie bestellt er deshalb zu Zeugen und rüstet sie mit dem Glaubenssinn und der Gnade des Wortes aus, damit die Kraft des Evangeliums im alltäglichen Familien- und Gesellschaftsleben aufleuchte” (Lumen Gentium, Nr. 35; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 904). 2. Wie aus dem Text hervorgeht, handelt es sich um eine Einsetzung durch Christi selbst, der die Laien „zu seinen Zeugen bestellt” und sie mit dem „Glaubenssinn” und „der Gnade des Wortes” ausrüstet für eine rein kirchliche und apostolische Zielsetzung: Denn Zweck des Zeugnisses und der Einsetzung ist es, zu bewirken, daß das Evangelium Christi in der „Welt” aufleuchtet, das heißt in den verschiedenen Bereichen, wo die Laien ihr Leben entfalten und ihre irdischen Pflichten erfüllen. Das Konzil sagt weiter: „Diese Evangelisation, das heißt die Verkündigung der Botschaft Christi durch das Zeugnis des Lebens und das Wort, bekommt eine eigentümliche Prägung und besondere Wirksamkeit von da her, daß sie in den gewöhnlichen Verhältnissen der Welt erfüllt wird” (Lumen Gentium, Nr. 35; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 905). Das ist also das Merkmal der Berufung der Laien, am prophetischen Amt Christi teilzuhaben, des wahren und treuen Zeugen (vgl. Offb 1,5): zu zeigen, daß kein Widerspruch besteht zwischen seiner Nachfolge und der Erfüllung der Aufgaben, die den Laien in ihrer „weltlichen” Situation aufgetragen sind, und daß ja die Treue zum Evangelium auch dem Wohl und der Verbesserung der irdischen Institutionen und Strukturen dient. 3. Hier ist jedoch das Wesen des Glaubenszeugnisses und, wir können sagen, des „Prophetentums” der Laien wie der ganzen christlichen Gemeinschaft gemäß dem Konzil zu bestimmen. Jesus spricht davon, als er vor der Himmelfahrt zu den Jünger sagt: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein” (Apg 1,8). Wie zur Ausübung des allgemeinen Priestertums, so ist auch zur Erfüllung des Zeugnisauftrags das Eingreifen des Heiligen Geistes notwendig. Es ist nicht nur eine Frage des prophetischen Temperaments, das an besondere „Charismen” natürlicher Art gebunden ist, wie sie manchmal im Sprachgebrauch der modernen Psychologie und Soziologie verstanden 22 AUDIENZEN UND ANGELUS werden. Es ist vielmehr eine Frage des Prophetentums übernatürlicher Ordnung, wie es im Spruch des Joel (3,2) angedeutet wird, den Petrus am Pfingsttag zitiert: „In den letzten Tagen ... [werden] eure Söhne und eure Töchter Propheten sein” (Apg 2,17). Es geht darum, die offenbarten Wahrheiten, Trägerinnen des neuen vom Heiligen Geist gespendeten Lebens, zu verkünden, mitzuteilen und in den Herzen zum Schwingen zu bringen. 4. Deshalb sagt das Konzil, daß die Laien zu Zeugen bestellt und im „Glaubenssinn und der Gnade des Wortes” geformt sind {Lumen Gentium, Nr. 35). Und das Apostolische Schreiben Christifideles laici fügt hinzu, daß sie befähigt und verpflichtet sind, „das Evangelium im Glauben anzunehmen, es durch ihre Worte und ihre Werke zu verkündigen und mutig auf das Böse hinzuweisen” {Christifideles laici, Nr. 14). All das ist möglich, weil sie vom Heiligen Geist die Gnade empfangen, den Glauben zu bekennen und den besten Weg dafür zu finden, daß sie ihn zum Ausdruck bringen und allen mitteilen. 5. Die Laienchristen sind als „Söhne und Töchter der Verheißung” außerdem gerufen, in der Welt die Größe und Fruchtbarkeit der Hoffnung zu bezeugen, die sie im Herzen tragen, einer Hoffnung, die auf der Lehre und dem Werk Jesu Christi gründet, der zum Heil aller gestorben und auferstanden ist. In einer Welt, die trotz allen Anscheins so oft in Angst lebt aufgrund der immer neuen und enttäuschenden Erfahrung der Grenzen, Mängel und sogar Leere vieler Strukturen, die für das Glück der Menschen auf der Erde geschaffen wurden, ist das Zeugnis der Hoffnung besonders notwendig, um die Menschen in der Suche nach dem zukünftigen Leben über den relativen Wert der Dinge der Welt hinaus anzuleiten. Darin haben die Laien, als Arbeiter, die „durch die Strukturen des weltlichen Lebens” im Dienst des Evangeliums stehen, eine besondere Bedeutung: Sie zeigen, daß die christliche Hoffnung nicht Weltflucht oder Verzicht auf eine volle Verwirklichung ihres irdischen Daseins bedeutet, sondern dessen Öffnung zur transzendentalen Dimension des ewigen Lebens, das allein diesem Dasein seinen wahren Wert verleiht. 6. Glaube und Hoffnung dehnen unter dem Antrieb der Liebe ihr Zeugnis auf den ganzen Lebens- und Arbeitsbereich der Laien aus, die berufen sind, dahin zu wirken, „damit die Kraft des Evangeliums im alltäglichen Familien- und Gesellschaftsleben aufleuchte” {Lumen Gentium, Nr. 35). Es ist die „Kraft des Evangeliums”, die sich in der „ständigen Hinwendung” der Seele zum Herrn, im Kampf gegen die in der Welt wirkenden Mächte des Bösen und in dem Bemühen kundtut, die Schäden wiedergutzumachen, die von verborgenen oder augenscheinlichen Kräften verursacht werden, welche die Menschen von ihrer Bestimmung abbringen wollen. Es ist die „Kraft des Evangeliums”, die im alltäglichen Verhalten durchscheint, wenn man in jeder Umgebung und in allen Situationen ein mutiger Christ bleibt, der keine Angst hat, seine Überzeugungen zum Ausdruck zu bringen, eingedenk der Worte Jesu: „Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Menschensohn schämen, wenn er in seiner Hoheit kommt und in der Hoheit des Vaters 23 AUDIENZEN UND ANGELUS und der heiligen Engel” (Lk 9,26; vgl. Mk 8,38). „Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen” (Lk 12,8). Es ist die „Kraft des Evangeliums”, die offenbar wird, wenn man in den Prüfungen Geduld bewahrt und sich als Zeuge des Kreuzes Christi verhält. 7. Die „Kraft des Evangeliums” wird nicht nur von den Priestern und Ordensleuten in ihrer Sendung als Diener des Wortes und der Gnade Christi verlangt; sie ist ebenso notwendig für die Laien bei der Evangelisierung des Umfeldes und der weltlichen Strukturen, wo sich ihr Alltagsleben abspielt. In diesen weltlichen Bereichen beeindruckt ihr Zeugnis noch mehr und kann unerwartete Wirkung haben, angefangen vom Umfeld des „Ehe- und Familienlebens”, wie das Konzil sagt (Lumen Gentium, Nr. 35). Für sie und für alle Anhänger Christi - die berufen sind, Propheten des Glaubens und der Hoffnung zu sein - bitten wir um die Kraft, die man nur durch ständiges und eifriges Gebet vom Heiligen Geist erhalten kann. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Wenn wir heute unsere Katechese über Sendung und Dienst der Laien weiterführen, so wollen wir uns nun deren Teilhabe am prophetischen Amt Christi zuwenden. In der Tat erinnert das Konzil daran, daß dieses prophetische Amt nicht nur durch die Hierarchie, „sondern durch die Laien” ausgeübt wird {Lumen Gentium, Nr. 35). Auch hat sie der Herr mit dem „Glaubenssinn” und der „Gnade des Wortes” ausgestattet; durch die Einsetzung Christi selbst sind sie dazu bestellt, seine Zeugen zu sein, damit die Kraft des Evangeliums im alltäglichen Leben der Familie und der Gesellschaft aufleuchtet. Es gibt also keinen Gegensatz zwischen der Nachfolge des Herrn und der Erfüllung der Aufgaben, denen sich die Laien im Alltag zu stellen haben. Im Gegenteil, die Treue zum Evangelium dient und nützt einer Verbesserung der irdischen Institutionen und Stmkturen. Die Christen als „Kinder der Verheißung” sind aufgerufen, in der Welt von der Hoffnung Zeugnis zu geben, die sie erfüllt. „Denn wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen” {Lk 12,8). Dabei hegt das Wesen dieser prophetischen Glaubensbezeugung nicht in irgendeiner Eigenart des menschlichen Charakters begründet, sie ist vielmehr eine übernatürliche Gabe aus der Kraft des Heiligen Geistes. Mit seiner Hilfe vermag jeder Gläubige die Berufung zum prophetischen Amt zu verwirklichen und die Wahrheit des Glaubens zu verkünden und in den Herzen der Menschen zum Klingen zu bringen. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Auch ihr, hebe Schwestern und Brüder, seid als Jünger Christi berufen, Verkünder des Glaubens und Zeugen eurer Hoffnung zu sein. Vereinen wir uns 24 AUDIENZEN UND ANGELUS im Gebet, und bitten wir den Herrn um die bestärkende Kraft des Heiligen Geistes für diese unsere prophetische Sendung in unsere Zeit. Euch allen und Euren lieben Angehörigen daheim erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Liebe — ein Widerschein ewiger Gemeinschaft Angelus am 30. Januar Liebe Brüder und Schwestern, liebe Jugendliche der Katholischen Aktion! 1. Im Mittelpunkt der kirchlichen Aufmerksamkeit steht von jeher die Familie, insbesondere im Laufe dieses ihr gewidmeten Jahres. Wenn wir nach dem Warum dieses so großen Interesses fragen, ist die Antwort unschwer in der Liebe und in dem Dienst zu finden, welche die Kirche dem Menschen schuldet. Das Christentum ist die Religion der Menschwerdung, es ist die frohe Verkündigung eines Gottes, der dem Menschen entgegenkommt und Mensch wird. Deshalb habe ich von meiner ersten Enzyklika an nicht gezögert zu bekräftigen, daß der Mensch „der Weg der Kirche” ist (Redemptor Hominis, Nr. 14); ich wollte damit auf den Weg hinweisen, den Gott selbst gegangen ist, als er sich durch die Menschwerdung und die Erlösung seinem Geschöpf zur Seite stellte; ich wollte gleichsam in seine Fußstapfen treten. Aber wie kann man dem Menschen begegnen, ohne auf die Familie zu stoßen? Der Mensch ist ein hauptsächlich soziales, mehr noch ein „familiäres” Wesen. Die Familie ist der natürliche Ort seines Auf-die-Welt-Kommens, die Umgebung, wo er normalerweise das empfangt, was er zu seiner Entwicklung braucht, die vorrangige liebende Kemzelle, die ihm Festigkeit und Sicherheit gibt, und die erste Schule sozialer Beziehungen. Die Kirche sieht den letzten Urgrund von dem allen im Plan Gottes, ja im Geheimnis seines Lebens selbst. Denn obwohl er einer und einzig ist, hat Gott sich als unaussprechliches trinitarisches Geheimnis von drei Personen - Vater, Sohn und Heiliger Geist - offenbart, die zueinander in liebender Beziehung stehen. Die Liebe zwischen den Ehepaaren und jene, welche alle Familienmitglieder, die Eltern und Kinder, untereinander verbindet, ist ein Widerschein dieser ewigen Gemeinschaft in der Zeit. 2. Wir können sagen: Das ist das „Evangelium der Familie”, welches die Kirche mit neuem Eifer anbieten will. Das ist das Jahr der Familie! Dieses Jahr hat mit einem feierlichen Gottesdienst in Nazaret, der „Wiege” der Heiligen Familie, seinen Anfang genommen. Dieses Jahr, das der Herr uns anbietet, soll Zeugnis und Verkündigung, soll Zeit der Besinnung und der Umkehr sein: vor allem Zeit des besonderen Gebets: des Gebets für die Familien, in den Familien und der Familien. Liebe Brüder und Schwestern, es ist an der Zeit, den Wert des Gebets wiederzuentdecken, seine geheimnisvolle Kraft und seine Fähigkeit, uns nicht nur zu Gott zurück-, sondern 25 AUDIENZEN UND ANGELUS uns in die nackte Wahrheit des Menschen einzuführen. Es leitet zur Umkehr an, zur vollen, christlichen Menschlichkeit, und dann zur Umkehr zur Familie, zur Solidarität, zur Liebe, die dieser Kemzelle aller sozialen Beziehungen in der Welt eigen ist. Wenn der Mensch betet, stellt er sich vor Gott, vor ein Du, ein göttliches Du, und erfaßt die tiefe Wahrheit des eigenen Ich. Göttliches Du, menschliches Ich, nach dem Bild Gottes geschaffene Person. Das gleiche geschieht beim Familiengebet: Indem sie sich in Gottes Licht stellt, fühlt sich die Familie zutiefst als Gemeinschaftssubjekt, als ein von einem ewigen Plan der Liebe geschmiedetes Wir, das durch nichts auf der Welt zerstört werden kann. 3. Wie gewohnt, schauen wir vor dem Angelusgebet auf Maria, die Frau und Mutter der Familie von Nazaret. Sie ist das lebendige Bild einer betenden Frau in einer Familie im Gebet. Gerade deshalb ist sie auch das Sinnbild der Freude und des Friedens, der Hingabe und der Treue, der Liebe und der Hoffnung. Und das ist, ja soll auch jede Familie sein. Dich, seligste Jungfrau, bitten wir, uns zum Gebet zu erziehen. Von dir erflehen wir das große Geschenk der Liebe in allen Familien der Welt. Und in dieser Meinung beten wir jetzt gemeinsam den „Engel des Herrn”. Anläßlich des Welttags für die Leprakranken sagte der Papst nach dem Angelusgebet: Heute wird der Welttag für die Leprakranken gefeiert. Dieses alljährliche Treffen fordert uns auf, die Solidarität gegenüber den von dieser Krankheit Betroffenen lebendig zu erhalten, und spornt und zu neuem Eifer an angesichts eines Problems, das durch das Bemühen aller ohne große Schwierigkeiten gelöst werden könnte. Ich möchte den Missionaren, den Ordensmännem und -flauen, den Laien und allen, die sich darum bemühen, die Geißel der Lepra zu bekämpfen, aufrichtig danken und sie lebhaft ermutigen. Während ich die hier anwesenden Mitglieder der Gruppe von Rom begrüße, denke ich besonders an den italienischen Verband der „Freunde von Raoul Follereau”, der seit langem mit christlicher Liebe auf diesem Gebiet tätig ist. Liebe Brüder und Schwestern, führt euren mutigen Dienst weiter eifrig und hingebungsvoll fort in der Überzeugung, daß das, was ihr zugunsten jedes leidenden Mitmenschen tut, unserm Herrn Jesus gilt. So empfand es auch der große Pater Damiano De Veuster, dessen Seligsprechung wir in diesem Jahr in Belgien feiern werden. Dann begrüßte der Papst weitere Gruppen: Außerdem begrüße ich die neokatechumenalen Gemeinschaften aus der Toskana. Meine Lieben, der Weg der Wiederentdeckung der Taufe, den ihr geht, erfülle euch mit der Freude und dem Frieden des auferstandenen Christus, damit ihr sie denen schenken könnt, die sie suchen. Danke für die eure Teilnahme am Angelusgebet. Jetzt begrüße ich herzlich die Jugendlichen der Katholischen Aktion der Diözese Rom. Ihr habt den Monat Januar der Reflexion über die Familie als unerläßliche 26 AUDIENZEN UND ANGELUS „Baustelle” des Friedens gewidmet. Und ich grüße euch. Ich habe euch schon am Anfang begrüßt und begrüße euch zum zweiten Mal: Willkommen auf dem Petersplatz. Ihr habt euch hier versammelt, um der seligsten Jungfrau, der Königin des Friedens, eure Bemühungen und euren Einsatz darzubringen. Ich möchte euch meinen Glückwunsch, meine große Freude über eure Initiative zum Ausdruck bringen. Werdet nicht müde, für den Frieden zu beten und ihn aufzubauen. Der Frieden ist kein unerreichbares Ziel, sondern ein großes Geschenk, das Gott dem Menschen anbietet, und die auf der Liebe gegründeten Familien sind die „bevorzugten Träger” zur Weitergabe und Bezeugung des Friedens. Sie sind die Friedensstifter, jene, von denen Jesus in der Bergpredigt spricht. Die Familie ist Abbild des dreifältigen Gottes Angelus am 6. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am vergangenen Mittwoch, 2. Februar, haben wir die Darstellung des Herrn im Tempel gefeiert. Der Evangelist Lukas erzählt, daß Jesus vierzig Tage nach seiner Geburt von Maria und Josef in den Tempel getragen wurde, um Gott dargebracht zu werden. Hier wurde er vom greisen Simeon im Heiligen Geist als „Licht der Völker” erkannt, während der seligsten Jungfrau eine Aufgabe voll Liebe und Schmerz angekündigt wurde. Das Fest der Darstellung, das uns die Heilige Familie von Nazaret auf dem Weg zum Tempel zeigt, kann uns helfen, die Berufung der christlichen Familie zu vertiefen. Die Familie ist für die Glaubenden ein Weg, der zu gehen ist, ein Abenteuer voller Überraschungen, besonders voll des großen „Staunens” über Gott, der immer wieder neu in unser Leben tritt. Von Mal zu Mal muß man sich über die Wegrichtung Rechenschaft geben und die Frage stellen, die gewiß im Herzen von Maria und Josef brannte: Was will der Herr von uns? Welchen Weg hat er für unser Kind vorgezeichnet? 2. Solche Fragen können nur im Tempel Gottes, das heißt im Gebet und im Hören auf das Wort des Herrn Antwort finden. Manchmal, wenn die Lebensumstände schwierig sind, ist es schwer, den göttlichen Willen zu erkennen. Aber einer Familie, die betet, wird nie das Bewußtsein der eigenen grundlegenden Berufung fehlen: ein langer Weg der Gemeinschaft zu sein. So hat Gott es von Anfang an geplant, als er Mann und Frau nach seinem Bild erschaffen hat. Die Heilige Schrift sagt: „Als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie” (Gen 1,27). Es ist also wichtig, aus dem Buch Genesis diese außerordentliche Wahrheit zu schöpfen: Sein Bild, das Gott dem Menschen eingepflanzt hat, durchdringt auch die Komplementarität der Geschlechter. Mann und Frau, die einen Ehebund schließen, spiegeln das 27 AUDIENZEN UND ANGELUS Bild Gottes wider und sind in gewisser Weise „Offenbarung” seiner Liebe. Nicht nur der Liebe, die Gott zum Menschen hegt, sondern auch jener geheimnisvollen Gemeinschaft, die das innerste Leben der drei göttlichen Personen kennzeichnet. Als Abbild Gottes kann man auch die Zeugung selbst betrachten, die jede Familie zu einem Heiligtum des Lebens macht. Der Apostel Paulus sagt uns, daß jede Vater-und Mutterschaft nach Gott „benannt wird” (vgl. Eph 3,14-15). Er ist die Urquelle des Lebens. Man kann deshalb sagen, daß der Stammbaum jedes Menschen in der Ewigkeit wurzelt. Durch die Zeugung eines Kindes handeln die Eltern als Mitarbeiter Gottes. Eine wahrhaft hohe Sendung! Deshalb verwundert es nicht, daß Jesus die Ehe zur Würde eines Sakramentes erheben wollte, während der heilige Paulus von ihr als einem „großen Geheimnis” spricht, das er auf die Verbindung Christi mit seiner Kirche bezieht (vgl. Eph 5,32). 3. Heute wird in Italien der Tag des Lebens begangen. Es ist ein wichtiger Anlaß, der besonderen Wert und große Bedeutung im Zusammenhang mit dem Jahr der Familie hat. Aus diesem Grund haben die Bischöfe das Thema „Die Familie, Tempel des Lebens” gewählt. Die Familie ist in der Tat das Heiligtum des menschlichen Lebens vom Anfang bis zu seinem natürlichen Ende. Vater und Mutter sind die Säulen dieses „Tempels”, der als Fundament den Ehebund hat, der auf der Treue Gottes gründet, dank derer Mann und Frau in der Ehe einander treue und unauflösliche Liebe versprechen. Die Familie ist berufen, Tempel, das heißt Haus des Gebets zu sein: des einfachen Gebets, verflochten mit Arbeit und Liebe. Ein Gebet, das zum Leben wird, damit das ganze Leben Gebet werde! Vereinen wir uns heute zu einem großen Gebet, damit das Leben, jedes menschliche Leben, eine Familie besitze, in der es die Freude und Kraft der wahren Liebe erfahren kann. 4. Liebe Brüder und Schwestern, inspirieren wir uns am Bild der „Darstellung”, um von Jesus, Maria und Josef das Geheimnis dieser göttlichen Verankerung der Familie zu lernen. Wenn die Familie auf Gott zugeht, sich ihm „darbringt”, indem sie sich seiner Liebe überläßt, erkennt sie sich als „Abbild” und Offenbarung seines ewigen Geheimnisses. Rufen wir gemeinsam die Heilige Familie an, bitten wir insbesondere um die Hilfe der seligsten Jungfrau, damit alle Familien der Welt sich ihrer einzigartigen Berufung bewußt werden. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: 1. Jetzt möchte ich euch zur Solidarität mit den vielen Familien auffordem, die in Afrika noch unter der Armut und der Kriegstragödie leiden: Lassen wir sie nicht allein! In den vergangenen Tagen wurde in Burundi der mutige Einsatz zur Wiederherstellung des zivilen Zusammenlebens aufs Spiel gesetzt. Jetzt scheint sich unter den Beteiligten ein Dialog anzubahnen. Ich lade deshalb alle Verantwortlichen ein, 28 AUDIENZEN UND ANGELUS ihre Bemühungen zu verstärken, damit der Haß gezügelt und der Weg der Versöhnung gesucht werde zu dem einzigen Zweck: dem Wohl aller Bürger. Gott sei Dank, fehlt es in den anderen afrikanischen Ländern nicht an Zeichen guten Willens: - In Mosambik herrscht Frieden dank auch dem hochherzigen Bemühen der internationalen Gemeinschaft; - in Angola scheinen sich der Dialog und die Achtung untereinander im Gegensatz zu Haß und Gewalt durchzusetzen, obwohl die schweren Folgen des Krieges noch andauem. Zum Schluß möchte ich auf die passende Initiative „Africamiga” hinweisen, welche die Solidarität zugunsten der Bevölkerung von Angola und Mosambik vor allem im Gesundheits- und Erziehungswesen verstärken soll. Die Begründer sind die portugiesischen Obrigkeiten in Zusammenarbeit mit den Bischöfen von Angola, Mosambik und Portugal. Die seligste Jungfrau unterstütze durch ihre mütterliche Fürsprache das Handeln so vieler Männer und Frauen guten Willens, die sich aufopfem, indem sie diesen unseren Brüdern und Schwestern zu Hilfe kommen und die Gerechtigkeit und den Frieden fördern. Teilhabe der Laien am Königtum Christi Ansprache bei der Generalaudienz am 9. Februar 1. Zu den Ämtern, die Christus eigen sind und die wir seinerzeit in den christologi-schen Katechesen dargelegt haben, gehört auch das Königtum, das in der im Alten Testament vorhandenen messianischen Tradition bereits vorgesehen und angekündigt war. Christus gibt der von ihm gestifteten Kirche Anteil an seinem Königtum, wie wir in den ekklesiologischen Katechesen erläutert haben. Wir können und müssen jetzt auf die Laien diese Lehre über die Kirche anwenden, die mystische und pastorale Gemeinschaft, die in der Welt fortdauernd die Erlösung wirkt. Wenn die Laien Teil der Kirche, ja die Kirche sind, wie Pius XII. in der berühmten Ansprache von 1946 sagte, so folgt daraus, daß sie auch dem obersten Hirten der Kirche in seinem Königtum gleichsam einverleibt sind. 2. Wie das II. Vatikanische Konzil in der Konstitution Lumen Gentium in Erinnerung ruft, hat Jesus Christus, der zu unserem Heil menschgewordene Sohn Gottes, nachdem er auf Erden das im Kreuzesopfer und in der Auferstehung gipfelnde Heilswerk vollendet hatte, vor seiner Himmelfahrt zu den Jüngern gesagt: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde” {Mt 28,18). An diese Bekräftigung knüpfte er selbst die Übertragung der Sendung und Vollmacht an die Jünger, alle Völker, alle Menschen, zu evangelisieren und sie zu leh- 29 AUDIENZEN UND ANGELUS ren, alle seine Gebote zu befolgen (vgl. Mt 28,20): Und darin bestand ihre Teilhabe an seinem Königtum. Christus ist tatsächlich König, weil er Offenbarer der Wahrheit ist, die er vom Himmel auf die Erde gebracht (vgl. Joh 18,37) und den Aposteln und der Kirche anvertraut hat, damit sie sie im Laufe der ganzen Geschichte in der Welt verbreiten. In der von Christus empfangenen Wahrheit zu leben und für ihre Verbreitung in der Welt zu wirken ist also Pflicht und Aufgabe aller Glieder der Kirche, auch der Laien, wie das Konzil bekräftigt (Lumen Gentium, Nr. 36) und das Apostolische Schreiben Christifideles laici (Nr. 14) hervorhebt. 3. Die Laien sind berufen, das „christliche Königtum” mit der inneren Verwirklichung der Wahrheit durch den Glauben und mit dem äußeren Zeugnis durch die Liebe zu leben (Christifideles laici, Nr. 14), während sie sich außerdem bemühen, so zu wirken, daß Glaube und Liebe durch sie auch zum Sauerteig eines neuen Lebens für alle werde. Wie man in der Konstitution Lumen Gentium liest, will ja der Herr „sein Reich auch durch die gläubigen Laien ausbreiten, das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens” (Lumen Gentium, Nr. 36). Gemäß dem Konzil entfaltet sich diese Teilhabe der Laien an der Entwicklung des Reiches besonders durch ihre direkte und konkrete Tätigkeit in der zeitlichen Ordnung. Während die Priester und Ordensleute sich dem besonderen spirituellen und religiösen Bereich für die Bekehrung der Menschen und das Wachstum des mystischen Leibes Christi widmen, sind die Laien berufen, sich darum zu bemühen, daß sich der Einfluß Christi in der zeitlichen Ordnung ausbreite, indem sie diese Ordnung direkt aufbauen (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 7). 4. Das setzt in den Laien und in der ganzen Kirche eine Weitsicht und insbesondere eine Urteilsfähigkeit hinsichtlich der menschlichen Wirklichkeiten voraus, die deren positiven Wert und zugleich die religiöse Dimension erkennt, die bereits im Buch der Weisheit erwähnt wird: „Den Menschen hast du durch deine Weisheit erschaffen, damit er über deine Geschöpfe herrscht. Er soll die Welt in Heiligkeit und Gerechtigkeit leiten” (Weish 9,2-3). Die zeitliche Ordnung darf nicht als ein in sich abgeschlossenes System betrachtet werden. Diese im Eigenen bleibende und „weltliche”, auf philosophischer Ebene unhaltbare Auffassung wird vom Christentum entschieden abgelehnt, das vom hl. Paulus, dem Sprachrohr Jesu, die Ordnung und den finalistischen Dynamismus der Schöpfung gelernt hat: „Alles gehört euch”, schrieb der Apostel an die Korinther, um gleichsam die neue christliche Würde und Vollmacht hervorzuheben. Er fügte aber gleich hinzu: „Ihr aber gehört Christus, und Christus gehört Gott” (1 Kor 3,22-23). Man kann diesen Text paraphrasieren, ohne ihn zu verfälschen, indem man sagt, die Bestimmung des ganzen Universums ist an diese Zugehörigkeit gebunden. 30 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Diese Sicht der Welt, angefangen vom Königtum Christi, an dem die Kirche teilhat, bildet das Fundament einer authentischen Theologie der Laien hinsichtlich des christlichen Einsatzes der Laien in der zeitlichen Ordnung. Wir lesen in der Konstitution Lumen Gentium: „Die Gläubigen müssen also die innerste Natur der ganzen Schöpfung, ihren Wert und ihre Hinordnung auf das Lob Gottes anerkennen. Sie müssen auch durch das weltliche Wirken sich gegenseitig zu einem heiligeren Leben verhelfen. So soll die Welt vom Geist Christi erfüllt werden und in Gerechtigkeit, Liebe und Frieden ihr Ziel wirksamer erreichen. In der Erfüllung dieser allgemeinen Pflicht haben die Laien einen besonderen Platz. Sie sollen also durch ihre Zuständigkeit in den profanen Bereichen und durch ihre innerlich von der Gnade Christi erhöhte Tätigkeit einen gültigen Beitrag leisten, daß die geschaffenen Güter gemäß der Ordnung des Schöpfers und im Lichte seines Wortes durch menschliche Arbeit, Technik und Kultur zum Nutzen wirklich aller Menschen entwickelt und besser unter ihnen verteilt werden und in menschlicher und christlicher Freiheit auf ihre Weise dem allgemeinen Fortschritt dienen. So wird Christus durch die Glieder der Kirche die ganze menschliche Gesellschaft mehr und mehr mit seinem heüsamen Licht erleuchten” (Lumen Gentium, Nr. 36). 6. Und weiter: „Außerdem sollen die Laien, auch in Zusammenarbeit, die Einrichtungen und Verhältnisse der Welt, da, wo Gewohnheiten zur Sünde aufreizen, so zu heüen suchen, daß dies alles nach der Norm der Gerechtigkeit umgestaltet wird und der Ausübung der Tugenden eher förderlich als schädlich ist. Auf diese Weise erfüllen sie die Kultur und die menschlichen Leistungen mit sittlichem Wert” (ebd.\ vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 909). „Jeder Laie muß vor der Welt Zeuge der Auferstehung des Lebens Jesu, unseres Herrn, und ein Zeichen des lebendigen Gottes sein. Alle zusammen und jeder Einzelne zu seinem Teil müssen die Welt mit den Früchten des Geistes nähren, in sie hinein den Geist ausgießen, der jene Armen, Sanftmütigen und Friedfertigen beseelt, die der Herr im Evangelium seligpries. Mit einem Wort: ,Was die Seele im Leibe ist, das sollen der Welt die Christen sein’” (Lumen Gentium, Nr. 38). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Was wir in unseren Katechesen über den priesterlichen Dienst der Laien gesagt haben, wird durch die Worte des scheidenden Christus an seine Jünger vertieft: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde ... geht zu allen Völkern ... und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe” (Mt 28.18.20). Hierin besteht die Teilhabe an seinem Königtum; Christus ist in der Tat ein König, insofern er die Wahrheit offenbart, die er auf die Erde gebracht (vgl. Joh 18,37) und deren Verkündigung er der ganzen Kirche und all ihren Gliedern, so auch den Laien, anvertraut hat. In diesem Zusammenhang hebt das Zweite Vatikanische Konzil hervor: „Der Herr will ja sein Reich auch durch die gläubigen Laien ausbreiten, das Reich 31 AUDIENZEN UND ANGELUS der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens” (Lumen Gentium, Nr. 36). Diese Mitwirkung der Laien an der Ausbreitung des Reiches Christi vollzieht sich durch ihr konkretes Wirken in der weltlichen Ordnung. Sie setzt in ihnen insbesondere die Fähigkeit voraus, die menschliche Wirklichkeit einzuschätzen und deren positiven Wert und zugleich religiöse Dimension anzuerkennen, die bereits im Alten Testament ausgesprochen ist: „Den Menschen hast du durch deine Weisheit erschaffen, damit er über deine Geschöpfe herrscht. Er soll die Welt in Heiligkeit und Gerechtigkeit leiten und Gericht halten in rechter Gesinnung” (Weish 9,2-3). Durch die Kraft der Gnade Christi sollen die Gläubigen dazu beitragen, daß die geschaffenen Güter gemäß der Ordnung des Schöpfers und im Lichte seines Wortes dem allgemeinen Fortschritt dienen. Mit dem innigen Wunsch, liebe Schwestern und Brüder, ihr möget Euch dieser besonderen Aufgabe in der Welt und in der menschlichen Gesellschaft neu bewußt werden, erteile ich Euch, Euren lieben Angehörigen und allen, die Euch nahestehen, von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gemeinsam die Zivilisation der Liebe aufbauen Angelus am 13. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Jahre, die wir erleben, können gewiß als Übergang von einer Epoche zu einer anderen betrachtet werden. Vor unseren Augen haben wir eine Welt im Umbruch. Die Menschheit steht gleichsam an einem Scheideweg. Die Herausforderung zur Freiheit bedeutet seit jeher Aufstieg und Gefahr für den Menschen. Aber die gegenseitige Abhängigkeit der Völker heute gibt dieser Herausforderung einen neuen, ganzheitlichen, weltumspannenden Aspekt. Unserer Verantwortung stellt sich die Frage: Was für eine Zivilisation wird sich in Zukunft auf unserem Planeten durchsetzen? In der Tat hängt es von uns ab, ob es „die Zivilisation der Liebe” - wie Paul VI. sie gern nannte - oder die Zivilisation des Individualismus, des Nützlichkeitsdenkens, der entgegengesetzten Interessen, der erbitterten Nationalismen und der zum System erhobenen Egoismen sein wird, die vielmehr „Unkultur” heißen sollte. 2. Während sich die Kirche vorbereitet, das Jubiläumsjahr 2000 zu feiern, fühlt sie sich gedrängt, alle, denen die Geschicke des Menschen und der Gesellschaft am Herzen hegen, aufzurufen, daß sie die eigenen Mittel und eigenen Kräfte gemeinsam für den Aufbau der Zivilisation der Liebe einsetzen. Wahre Liebe ist weder ein verschwommenes Gefühl noch blinde Leidenschaft. Sie ist eine innere Haltung, die den ganzen Menschen umfaßt. Sie ist ein „Schauen auf den andern”, nicht um sich seiner zu bedienen, sondern um ihm zu dienen. Sie ist 32 AUDIENZEN UND ANGELUS die Fähigkeit, sich mit dem zu freuen, der Freude hat, und mit dem zu leiden, der leidet. Sie bedeutet, daß man das, was man hat, mit den anderen teilt, damit es keinem am Nötigsten fehlt. Liebe ist mit einem Wort Sich-selbst-Schenken. Diese Liebe, die die wichtigste Botschaft des Christentums ist, holt man sich immer von neuem zu Füßen des Kreuzes, vor dem erschütternden Bild des menschgewordenen Sohnes Gottes, der sich für das Heil des Menschen opfert. Diese Liebe sollen die Familien besonders in dem ihnen gewidmeten Jahr entdecken. Die Familie, die große Werkstatt der Liebe, ist die Grundschule, ja eine ständige Schule, wo die Erziehung zur Liebe nicht mit trockenem Wissen, sondern durch die einprägsame Kraft der Erfahrung vor sich geht. Möge jede Familie wirklich die eigene Berufung zur Liebe entdecken! Liebe, die volle Achtung des Planes Gottes ist, Liebe, die Entscheidung und gegenseitiges Sich-Schenken innerhalb der Familie bedeutet. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Bitten wir die seligste Jungfrau, daß sie uns helfe, die Zivilisation der Liebe aufzubauen. Möge sie uns mütterlich auf den Weg der Bekehrung des Herzens führen. Eine besonders günstige Zeit für eine solche innere Erneuerung ist die Fastenzeit, die am kommenden Mittwoch, dem Aschermittwoch, beginnt. Wir rufen auch die hll. Kyrill und Method an, deren liturgisches Fest morgen gefeiert wird. Sie waren bedeutende Apostel der slawischen Welt, und sie sind zusammen mit dem hl. Benedikt die himmlischen Patrone von Europa. Mögen sie auch heute noch die Völker des alten Kontinents zur Liebe erziehen, besonders dort, wo der Wunsch nach Frieden am dringendsten ist. Die Fastenzeit - Zeit der Besinnung und der Umkehr Ansprache bei der Generalaudienz am Aschermittwoch, 16. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute am Aschermittwoch beginnt die von der Kirche zur Vorbereitung auf Ostern festgesetzte Fastenzeit. Sie ist im Kirchenjahr und im geistlichen Leben des Christen eine Zeit von grundlegender Bedeutung. Der hl. Leo der Große sagte darüber: „In je größerer Heiligkeit nämlich einer erwiesenermaßen diese Tage hinbrachte, in desto gottgefälligerer Weise hat er dadurch ... dem Pascha des Herrn seine Verehrung erwiesen” (Homilie XLI, 2; Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 55, München 1927, S. 204). Die ernste und eindrucksvolle Zeremonie der „Aschenauflegung” heute kennzeichnet den Anfang dieses geistlichen Weges, der uns anleitet, mit eifrigem Herzen und konsequentem Leben das österliche Geheimnis neu zu begehen. 33 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Fastenzeit ist also eine Zeit intensiven Nachdenkens über die ewigen Wahrheiten und der festen Vorsätze zu einer wahren christlichen Umkehr. Indem wir uns darauf vorbereiten, das Gedächtnis des heilbringenden Todes Jesu und seiner Auferstehung zu feiern, wird uns lebhafter bewußt, daß das Leben des Menschen auf Erden immer ein Kampf gegen das Böse ist, ein Kampf, der durch das Herz des Menschen führt. Der hl. Paulus beschreibt im Römerbrief diesen inneren Kampf so: „Ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse ... das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will” (Rom 7,15.18-19). Das ist die Erfahrung eines jeden von uns! Nur Christus, der Erlöser, kann uns der Niederlage entreißen, indem er uns die Waffen des Sieges gibt, die der gleiche Apostel im Brief an die Epheser aufzählt: „Darum legt die Rüstung Gottes an, damit ihr am Tag des Unheils standhalten, alles vollbringen und den Kampf bestehen könnt” (vgl. Eph 6,11-16). 2. Was der hl. Paulus schreibt, findet Bestätigung in der Wirklichkeit unserer Tage. Gewisse traurige Ereignisse aus den Tagesnachrichten geben zu denken und erregen Besorgnis. Sie sind die Frucht innerer Entscheidungen des Menschen, entstanden im Zusammenhang mit diesem Kampf zwischen Gut und Böse, der in der Tiefe eines jeden Gewissens stattfindet, aber auch in den Beziehungen zwischen den Menschen zutage tritt. Das Gute und das Böse sind „ansteckend”: Sie vermehren und verbreiten sich, indem sie „Strukturen des Guten” und „Strukturen der Sünde” hervorbringen, die das Leben der Menschen beeinflussen. Auch auf solche „Strukturen” müssen wir unsere wachsame und rege Aufmerksamkeit richten. Aber alles geht vom Herzen aus; hier vor allem vollzieht sich die „Umkehr”, zu der wir in dieser Zeit des Gebets, des Fastens und der Buße aufgerufen sind. 3. Die Fastenzeit lädt die Gläubigen ein, die Mahnung Jesu ernst zu nehmen: „Geht durch das enge Tor! Denn das Tor ist weit, das ins Verderben führt, und der Weg dahin ist breit, und viele gehen auf ihm” (Mt 7,13). Welches ist das „weite Tor” und welcher der „breite Weg”, von denen Jesus spricht? Es ist das Tor der moralischen Unabhängigkeit, der Weg des intellektuellen Hochmuts; wie viele, auch unter den Christen, leben in Gleichgültigkeit, passen sich der weltlichen Mentalität an und geben den Verlockungen der Sünde nach! Die Fastenzeit ist der günstige Zeitraum, um Rückschau zu halten auf das eigene Leben, mit neuer Willenskraft die Sakramente zu empfangen und entschlossenere Vorsätze zur Lebensemeuerung zu fassen, indem man zustimmt, gemäß der Lehre Jesu durch das enge Tor und den schmalen Weg zu gehen, die zum ewigen Leben führen (vgl. Mt 7,14). In diesem Sinn muß sich auch die christliche Familie als solche bemühen, besonders in diesem Jahr, das ihr gewidmet ist. Das Konzil bezeichnet sie als kleine Kirche, als „Hauskirche” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11). Im Einklang mit der ganzen kirch- 34 AUDIENZEN UND ANGELUS liehen Gemeinschaft ist die Familie aufgerufen, sich auf Ostern vorzubereiten, indem sie die Zeit des Gebets, das Hören auf das Wort Gottes, das Bemühen um eine engere Gemeinsamkeit und die liebevolle Öffnung den Mitmenschen gegenüber verstärkt. Deshalb wollte ich an alle Familien ein Schreiben richten, das in den nächsten Tagen veröffentlicht wird. Ich wünsche mir, daß es in vielen Familien Raum findet und Gutes bewirkt. Das Nachdenken darüber könnte sogar zu einer besonders intensiven Vorbereitung auf Ostern führen. 4. Liebe Brüder und Schwestern, die Fastenzeit ist eine Zeit, in der Jesus uns stärker die Einladung vernehmen läßt, in sein Geheimnis einzutreten und uns auf die Heilige Woche und Ostern vorzubereiten. „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen” (Mt 11,28). Wir haben keine Angst, vor Christus hinzutreten, beladen mit unseren Treuebrüchen: Er ist der Retter! Wer ihm seine Güte und sein Mitleid mit den Zöllnern und Sündern vorhielt, dem antwortete er: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken ... Denn ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten” (Mt 9,12-13). Gott will, daß alle gerettet werden. Die bekannten Gleichnisse vom verlorenen Sohn, dem verirrten Schaf und der verlorenen Drachme wollen gerade zu verstehen geben, daß Gott trotz des Bösen, das in der menschlichen Geschichte um sich greift, immer der bleibt, der vergibt: „Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren” (Lk 15,7). Gott besiegt das Böse mit seinem unendlichen Erbarmen. Und angesichts einer solchen erbarmenden Liebe sollen in uns der Wunsch nach Umkehr und die Sehnsucht nach einem neuen Leben wiedererwachen. 5. Maria helfe und begleite uns in dieser Fastenzeit. In Fatima sagte die kleine Jacinta: „Ich hebe sehr das Unbefleckte Herz Mariä! Es ist das Herz unserer himmlischen Mutter!” Wie die kleine Seherin in der Cova da Iria rufen auch wir, hebe Brüder und Schwestern, während der Fastenzeit Maria mit kindhehem Vertrauen an: Wir beten zu ihr für die Bekehrung dessen, der in Sünde oder außerhalb der Wahrheit lebt, für die Anhegen der Kirche, für die Priesterberufe, für die Standhaftigkeit und Heiligung der Priester und für die Familien! Die sehgste Jungfrau Maria erbitte für alle die Kraft, sich als „Kinder des Lichts” zu verhalten, das „lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit” hervorbringt (vgl. Eph, 5,8-9). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Am heutigen Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit, die uns zum Osterfest hinführt und im geisthehen Leben des einzelnen Christen eine besondere Bedeutung besitzt. 35 AUDIENZEN UND ANGELUS Die kommenden Wochen wollen zu tiefer Besinnung über die ewigen Wahrheiten und zu echter christlicher Umkehr einladen. Dabei werden wir uns neu bewußt, daß das Leben des Menschen auf Erden immer ein Kampf gegen das Böse ist, ein Kampf, der durch das Herz des Menschen geht. Nur Christus kann uns mit den Waffen des Sieges aus der Niederlage befreien, wie es im Epheserbrief ausgedrückt ist: „Legt die Rüstung Gottes an, damit ihr am Tag des Unheils standhalten, alles vollbringen und den Kampf bestehen könnt” (Eph 6,13). In der Wirklichkeit unserer Tage finden diese Worte Bestätigung. Traurige Begebenheiten der Zeitgeschichte geben Anlaß zum Nachdenken und zur Sorge. Sie sind das Ergebnis von Entscheidungen, die aus dem Innersten des Menschen kommen und die im Zusammenhang mit jenem Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen stehen, der auch in den Beziehungen zwischen den Menschen seinen Ausdruck findet. Die Fastenzeit ist geeignet, das eigene Leben einer Revision zu unterziehen, die Teilnahme an den Sakramenten mit neuer Kraft zu beginnen und entschiedenere Vorsätze für ein erneuertes Leben zu fassen. Das gilt für den einzelnen wie für die christliche Familie, der dieses Jahr in besonderer Weise gewidmet ist. Die Gottesmutter helfe allen, als „Kinder des Lichtes zu leben, dessen Frucht in „lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit” besteht (Eph 5,8.9). Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Priesteramtskandidaten der Erzdiözese Köln, den Ordensschwestern, die an einem geistlichen Kurs des Päpstlichen Instituts „Regina Mundi” teilnehmen, sowie den Senioren aus Eisacktal. Euch allen, Euren Lieben zu Hause sowie den Gläubigen, die uns über Radio und Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Verständnis für Versagen ist keine Minderung sittlicher Normen Angelus am ersten Fastensonntag, 20. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir sind in die Fastenzeit des Jahres 1994 eingetreten, des von der UNO und der Kirche gewollten Jahres der Familie. Zu den Aufgaben, die in diesem Jahr im kirchlichen und im bürgerlichen Bereich notwendigerweise besonders hervorzuheben sind, gehört die Festigung der Familienbande und der wahren Identität der Familie. Aus diesem Grund ist der Brief an die Familien, der am kommenden Dienstag, 22. Februar, veröffentlicht wird, vor allem eine Einladung zum Gebet für die Familien und mit den Familien. Die heimtückischen Angriffe auf die Familie in der modernen hedonistischen Gesellschaft, die trotz aller Erklärungen über die Rechte des Menschen seinem Wohl wesentlich entgegensetzt ist, können nur mit Gebet, Fasten 36 AUDIENZEN UND ANGELUS und gegenseitiger Liebe abgewehrt werden. Gewiß fehlt es nicht an Familien, die für sich selbst und für die anderen beten. In dieser unserer Welt, die von so vielen Gefahren moralischer Art bedroht wird, entwickelt sich, von der Vorsehung bestimmt, das Apostolat der Familien. Leider sind gerade in diesem Jahr der Familie Initiativen zu verzeichnen, die, von einem Großteil der Massenmedien verbreitet, sich im Grunde als „familienfeindlich” erweisen. Es sind Initiativen, die das zur Priorität machen, was über den Zerfall der Familien und die Niederlage des Menschen, ob Mann, Frau oder Kinder, entscheidet. Denn man nennt das gut, was in Wirklichkeit schlecht ist: die mit Leichtigkeit beschlossene Trennung, die eheliche Untreue, die nicht nur geduldet, sondern sogar gerühmt wird; Ehescheidungen und „freie Liebe” werden bisweilen als nachahmenswerte Vorbilder dargestellt. Wem nützt diese Propaganda? Welchen Ursprung hat sie? „Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte”, sagt Jesus (Mt 7,17). Es handelt sich also um einen schlechten Baum, den die Menschheit in sich trägt und den sie mit Hilfe ungeheurer finanzieller Ausgaben und unterstützt von den Massenmedien pflegt. 2. Wir denken hier an die jüngste, vom Europäischen Parlament gebilligte Resolution. Darin werden nicht nur die Personen mit homosexuellen Neigungen verteidigt und ungerechte Diskriminierungen ihnen gegenüber zurückgewiesen. Damit stimmt auch die Kirche überein, denn jede menschliche Person ist achtungswürdig. Moralisch unannehmbar ist jedoch die rechtliche Billigung der homosexuellen Praxis. Denn verständnisvoll zu sein dem gegenüber, der sündigt, heißt nicht, die Anforderungen der moralischen Norm zu vermindern (vgl. Veritatis splendor, Nr. 95). Christus hat der Ehebrecherin verziehen und sie vor der Steinigung gerettet (vgl. Joh 8,1-11), aber er hat ihr gleichzeitig gesagt: „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!” (Joh 8,11). Mit dem Beschluß des Europäischen Parlaments wollte man eine moralische Unordnung legitimieren. Das Parlament hat zu Unrecht Verhaltensweisen, die dem Plan Gottes nicht entsprechen, institutionelle Bedeutung verliehen und die Schwächen des Menschen unterstützt. Nicht anerkannt wurde, daß das wahre Recht des Menschen der Sieg über sich selbst ist, um im Einklang mit dem rechten Gewissen zu leben. Ohne das fundamentale Bewußtsein der moralischen Normen sind Leben und Würde des Menschen dem Zerfall und der Zerstörung ausgesetzt. Indem man das Wort Christi: „Die Wahrheit wird euch befreien” (Joh 8,32), außer acht ließ, versuchte man den Bewohnern unseres Kontinents das moraüsche Übel als einen Weg der Befreiung vorzustellen, indem man das Wesen der Familie selbst verfälschte. Die Verbindung zwischen zwei Männern oder zwei Frauen kann keine wahre Familie darstellen, und noch weniger kann man einem solchen Bund das Recht zugestehen, elternlose Kinder zu adoptieren. Diesen Kindern fügt man schweren Schaden zu, denn in dieser „Ersatzfamilie” finden sie nicht Vater und Mutter, sondern „zwei Väter” oder „zwei Mütter”. 37 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Wir vertrauen darauf, daß die Parlamente der europäischen Länder sich in diesem Punkt distanzieren und anläßlich des Jahres der Familie die Familien sehr alter Gesellschaften und Nationen vor dieser grundlegenden Gefahr schützen werden. Aber zweifellos stehen wir vor einer fürchterlichen Versuchung. Der erste Fastensonntag erinnert uns an Christus, der sich dem ewigen Versucher des Menschen gegenübergestellt sah und ihn besiegt hat: Ein Sieg, der den Ostersieg durch das Kreuz und die Auferstehung vorankündigte. Christus sagt zu uns - zu uns Christen, zu uns Bewohnern von Europa -, daß diese Art von Übel nur mit Gebet und Fasten überwunden werden kann. Ja, wir können dieses Übel, diese Bedrohung nicht anders besiegen. Die einzigen Instanzen, an die wir uns wenden können, sind das Gewissen und das Verantwortungsbewußtsein der Nationen, die nicht erlauben dürfen, daß die Familie zerstört wird, denn von ihr hängt die Zukunft eines jeden von uns ab. Zu Beginn der Fastenzeit hört die Kirche von neuem den Ruf Christi und nimmt ihn an, wie ihn einst die Apostel angenommen haben. Hören wir auf, kleingläubige Menschen zu sein und versuchen wir, Menschen des Gebets und der Buße zu werden! „Ihr alle werdet ... umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt”, sagt Christus (.Lk 13,3). Das sind keine leeren Worte; sie haben sich schon oft in der Geschichte bewahrheitet. Wir kennen weder den Tag noch die Stunde (vgl. Mt 25,13)! Die Fastenzeit dient uns zur Erneuerung unseres Bundes mit Gott in Christus. In ihm allein ist das Heil des Menschen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute abend beginne ich zusammen mit meinen Mitarbeitern der Römischen Kurie die geistlichen Exerzitien: eine Woche der Stille, der Meditation und des Hörens auf das Wort Gottes, der Betrachtung und langen Gebetes. Gerade zu Beginn der Fastenzeit ist es wichtig, in die Atmosphäre der Freundschaft Gottes einzutreten, um sich eingehend mit dem Evangelium zu konfrontieren, das uns zu ständiger Umkehr aufruft, und um so dem ganzen Dasein neuen geistlichen Schwung zu geben. Meine Lieben, unterstützt mich mit eurem Gebet. Ich meinerseits versichere euch, daß ich eines jeden von euch in besonderer Weise beim Herrn gedenken werde. Solidarität für Afrika Angelus am zweiten Fastensonntag, 27. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Während wir auf Ostern zugehen, bereiten wir uns auch auf die Feier der Sonder-versammlung der Bischofssynode für Afrika vor, die am kommenden 10. April, dem Weißen Sonntag, beginnt. Es handelt sich um eine von vielen afrikanischen Bischöfen, Priestern und Laien gewünschte Initiative, die ich mir gern zu eigen gemacht habe mit dem Ziel, „für das 38 AUDIENZEN UNDANGELUS gesamtafrikanische Gebiet und die dazugehörigen Inseln in der Pastoral ein organisches, solidarisches Zusammenwirken anzuregen” (Angelus vom 6. Januar 1989: O.R.dt.,NT. 2, 13.1.89, S. 1). Die Synode wird in Rom stattfinden, um die Gemeinschaft der Kirchen, die in Afrika sind, mit der Gesamtkirche besser zum Ausdruck zu bringen, aber auch um das Interesse und den Einsatz der ganzen Kirche für diesen Erdteil zu unterstreichen. Dieses Ereignis ist von geschichtlicher Tragweite, ein hoffnungsvolles Ereignis. Die Feierlichkeiten werden weitgehend von den afrikanischen Gemeinschaften vorbereitet, wo sie auch enden sollen, denn ich habe die Absicht, nach Afrika zu reisen, um das Ergebnis zu verkünden. Aber Rom wurde für den Teil der Synode gewählt, auch aus technischen Gründen. Hier ist es leichter; alles ist vorbereitet. Indem sie Afrika ihr Hauptaugenmerk zuwendet, will die Kirche eine Dankesschuld begleichen. In der Geschichte des Christentums schrieben die afrikanischen Kirchen sowohl in alter als auch in jüngerer Zeit leuchtende Seiten des Martyriums und der Heiligkeit. Bei verschiedenen apostolischen Reisen konnte ich mich von ihrem Gebetseifer und ihrem lebendigen pastoralen Leben überzeugen. 2. Afrika ist leider noch einer der Erdteile, die von schweren wirtschaftlichen und sozialen Problemen am tiefsten gezeichnet sind. Die Sonderversammlung der Synode ist eine günstige Gelegenheit, um die Pflicht der Solidarität und in gewissem Sinn der „Rückerstattung” neu ins Bewußtsein zu rücken; eine Verpflichtung, die den reichen Nationen obliegt, von denen einige besonders in der Kolonialzeit nicht wenig Nutzen aus diesem Kontinent gezogen und sich manchmal schwerer Ungerechtigkeiten schuldig gemacht haben. Man kann von Verdiensten sprechen, aber die vergangenen und gegenwärtigen Ungerechtigkeiten sind nicht zu vergessen. Afrika bedarf dringend der Solidarität. Aber in einem fruchtbaren Gabenaustausch hat es auch viel zu bieten, denn es schöpft aus großen menschlichen und spirituellen Reichtümem. Auf sie schaut die Kirche mit Hochachtung und Bewunderung, denn die Verkündigung Christi löscht die verschiedenen Kulturen nicht aus, sondern nimmt ihre echten Werte auf und bringt sie zur vollen Entfaltung. 3. Ich empfehle das Gehngen der Synode der Fürsprache der seligsten Jungfrau, des Sterns der Evangelisierung. Nicht nur die afrikanischen Gläubigen, sondern alle Christen der Welt lade ich ein, in dieser Meinung zu beten. Die Fastenzeit helfe uns, die Herausforderung der Neuevangelisierung anzunehmen, damit in Afrika und in allen anderen Kontinenten die Stimme Christi erklinge und seine Liebe überall mehr Raum finde. 4. Von Afrika ist weiter zu sagen, daß diese Woche leider durch Gewaltakte getrübt wurde, die die dramatische Lage so vieler unserer Schwestern und Brüder in Ruanda, im südlichen Sudan und im Heiligen Land verschlechtert haben. Ich appelliere von neuem eindringlich an das Gewissen aller Verantwortlichen, sich für den Frieden einzusetzen und daran zu denken, daß man keine Zukunft baut, wenn ganze Ge- 39 AUDIENZEN UND ANGELUS seilschaftsgruppen vom bürgerlichen Dialog ausgeschlossen oder wenn sogar innere Zwistigkeiten gefördert werden. In Ruanda scheint die Versöhnung nötig: Nichts kann die Zusammenstöße der vergangenen Tage rechtfertigen. Es ist notwendig, das zu achten und zu verwirklichen, was im Vertrag von Arusha vorgesehen ist, der einen Weg zum Frieden weist. Regierende und Bürger müssen jeder Versuchung zu Gewalt mutig widerstehen. Im südlichen Sudan - ich erinnere mich an den Besuch vor einem Jahr im Sudan, nicht im Süden, sondern in Khartoum - verlängern militärische Handlungen und Hindernisse, die den humanitären Hilfstransporten in den Weg gelegt werden, die Leidenszeit dieser schuldlosen Völker, die seit allzu langer Zeit in den Zustand leidvollen Überlebens gebracht worden sind. Ich wende mich an die streitenden Parteien, daß sie sich ernstlich bemühen, auf dem Verhandlungsweg zu einer Lösung zu gelangen, welche die Würde jeder Person und jeder Gruppe achtet, besonders der armen Bevölkerung im südlichen Sudan. Das grausame Massaker, das in Hebron am vergangenen Freitag in der Moschee verübt wurde, hat alle Gläubigen tief bestürzt. Das Verbrechen wiegt um so schwerer, weil betende Menschen getroffen wurden! Vor diesem düsteren Schauspiel der Gewalt wird die Stimme Gottes laut, der spricht: „Friede, Friede den Femen und den Nahen!” {Jes 57,19). Für diesen Frieden müssen wir heute mehr denn je beten, und wir tun es, indem wir die Königin des Friedens anrufen! Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Ich grüße die Mitglieder der Vereinigung der Geschäftsinhaber und Angestellten zum Schutz des Sonntags, die heute unter uns weilen. Ihre Sache verdient Aufmerksamkeit. Die manchmal so dringenden Anforderungen des täglichen Lebens dürfen uns nicht die Bedeutung anderer Werte aus den Augen verlieren lassen, welche der Sonntag schützt, wie die Gott geschuldete Ehre, die berechtigte geistige und körperliche Ruhepause und die Stärkung der Familienbande. Ich hoffe, alle sind sich dessen bewußt, daß eine im Geist ausgewogene Stadt auch eine menschenfreundlichere Stadt ist. Ein Verbrechen gegen Gott und seine Kinder Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Soeben ist die Nachricht von einem schweren Attentat eingetroffen, das während der Feier der Sonntagsmesse in der maronitischen Kirche „Notre Dame de la Deli-vrance” in Zouk Michael im Libanon verübt wurde. Ich nehme teil an dem tiefen Schmerz der maronitischen Gemeinde und des ganzen Libanon. Ich bin zutiefst betroffen von diesem Verbrechen. Es richtet sich gegen Gott und gegen seine Kinder, gegen eine heilige Stätte. Es ist ein Verbrechen, das den Libanon und seine edle Tradition beleidigt. 40 AUDIENZEN UND ANGELUS Wir beten für die ewige Ruhe der Todesopfer, für die Verletzten und für die vielen so schwer getroffenen Familien. Ich rufe euch ebenfalls auf zu beten, daß Gott dem Libanon weiteren Schmerz, weitere Gewalt und weitere Leiden erspare. Dieses Land hat während so vieler Jahre schon genug gelitten. Apostolat der Laien - Berufung und Sendung Ansprache bei der Generalaudienz am 2. März 1. Die Teilhabe der Laien an der Entfaltung des Reiches Christi ist schon immer eine geschichtliche Wirklichkeit: Angefangen von den Versammlungen zur Zeit der Apostel und den Christengemeinden der ersten Jahrhunderte bis zu den Gruppen, Bewegungen, Vereinigungen, Bruderschaften und Gesellschaften des Mittelalters und der Neuzeit sowie den Aktivitäten von Einzelpersonen und Verbänden, die im vergangenen und in unserem Jahrhundert die Hirten der Kirche in der Verteidigung des Glaubens und der Sitte in Familie und Gesellschaft sowie in den sozialen Bereichen und Schichten unterstützt haben, wobei sie zuweilen auch ihr Zeugnis mit dem Tod bezahlten. Die Erfahrungen dieser oft von Heiligen geförderten und von den Bischöfen unterstützten Tätigkeiten zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert führten nicht nur zu einem lebendigeren Bewußtsein der Sendung der Laien, sondern auch zu einer immer klareren und überlegteren Auffassung dieser Mission als ein wahres, echtes „Apostolat.” Es war Pius XI., der vom „Mitwirken der Laien am hierarchischen Apostolat” im Hinblick auf die Katholische Aktion sprach: Und das war ein entscheidender Augenblick im lieben der Kirche. Daraus entfaltete sich eine bemerkenswerte Entwicklung in zweifacher Richtung: in organisatorischer, die besonders in der Katholischen Aktion verwirklicht wurde, und in der Vertiefung der Begriffe und der Lehre, die in der Aussage des II. Vatikanischen Konzils gipfelte, die das Laienapostolat als „Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst” darstellt (Lumen Gentium, Nr. 33). 2. Man kann sagen, daß das Konzil eine klarere Lehraussage über die kirchliche Erfahrung gegeben hat, die schon am Pfingsttag begann, als alle, die den Heiligen Geist empfingen, sich beauftragt fühlten mit einer Sendung zur Verkündigung des Evangeliums, zur Gründung und zur Entfaltung der Kirche. In den nachfolgenden Jahrhunderten stellte dann die theologische Lehre von den Sakramenten klar, daß alle, die durch die Taufe der Kirche eingegliedert werden, mit Hilfe des Heiligen Geistes Zeugnis geben vom Glauben und von der Ausbreitung des Reiches Christi: ein Einsatz, der durch das Sakrament der Firmung bekräftigt wird, wonach „sie in strengerer Weise verpflichtet sind, den Glauben als wahre Zeugen Christi in Wort und Tat zugleich zu verbreiten und zu verteidigen” (Lumen Gentium, Nr. 11). In jüngster Zeit hat die Entwicklung der Ekklesiologie zur Herausarbeitung des Be- 41 AUDIENZEN UND ANGELUS grifft des Laieneinsatzes geführt, nicht nur in bezug auf die beiden Sakramente der christlichen Initiation, sondern auch als Ausdruck einer bewußten Teilhabe am Geheimnis der Kirche gemäß dem Geist von Pfingsten. Das ist ein weiterer Grundstein der Theologie des Laientums. 3. Das theologische Prinzip, nach dem „das Apostolat der Laien in deren christlicher Berufung selbst seinen Ursprung hat und in der Kirche niemals fehlen kann” (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 1), macht die Notwendigkeit des Laieneinsatzes in unserer Zeit immer deutlicher und sichtbarer. Diese Notwendigkeit wird außerdem unterstrichen von einigen Umständen, welche die heutige Zeit kennzeichnen. Das sind zum Beispiel das Bevölkerungswachstum in den städtischen Ballungsgebieten, wo die Anzahl der Priester immer geringer wird; die Mobilität aufgrund von Arbeit, Schule oder Freizeit usw., die der modernen Gesellschaft eigen ist; die Autonomie vieler Gesellschaftsgruppen, die die Bedingungen ethischer und religiöser Ordnung erschweren und damit das Wirken von innen heraus notwendiger machen; die gesellschaftliche Nichtbeteiligung der Priester in vielen Kultur- und Arbeitsbereichen. Diese und andere Gründe erfordern einen neuen Evangelisierungseinsatz von seiten der Laien. Andrerseits hat die Entwicklung der Institutionen und der demokratischen Mentalität selbst die Laien für die Anforderungen des kirchlichen Einsatzes empfänglicher gemacht und macht es noch. Die Verbreitung und Hebung des kulturellen Durchschnittsniveaus befähigt viele in größerem Maß, für das Wohl der Gesellschaft und der Kirche zu wirken. 4. Vom geschichtlichen Gesichtspunkt aus sind daher die neuen Formen, welche die Tätigkeit der Laien angenommen hat, nicht verwunderlich. Unter dem Antrieb der modernen soziokulturellen Bedingungen hat man außerdem mit verstärkter Aufmerksamkeit über ein ekklesiologisches Prinzip nachgedacht, das zuvor ein wenig im Schatten geblieben war: Die Vielfalt der Dienste in der Kirche ist ein lebendiges Erfordernis des mystischen Leibes, der alle seine Glieder braucht, um sich zu entwickeln, und den Beitrag aller den verschiedenen Begabungen jedes einzelnen entsprechend verlangt. Jedes Glied „trägt mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut” (Eph 4,16). Es ist ein „Selbstaufbauen”, das vom Haupt des Leibes, Christus (vgl. ebd.), abhängt, aber die Mitarbeit jedes Gliedes erfordert. Es besteht also in der Kirche eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung (vgl. Apostolicam aktuositatem, Nr. 2). Die Verschiedenheit schadet der Einheit nicht, sondern bereichert sie. 5. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen den geweihten Ämtern und den nichtgeweihten Ämtern, wie ich Gelegenheit hatte, in der Katechese über das Priestertum zu darzulegen. Das Konzil lehrt, daß das allgemeine Priestertum der Gläubigen und das Priestertum des Dienstes oder das hierarchische Priestertum sich dem Wesen und nicht bloß dem Grad nach unterscheiden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 10). Das Apostolische Schreiben Christifideles laici weist darauf hin, daß die geweihten Ämter kraft des Sakramentes des Ordo ausgeübt werden, während die nichtgeweih- 42 AUDIENZEN UND ANGELUS ten Ämter, die Dienste, Aufgaben und Funktionen der Laien, „ihre sakramentale Grundlage in Taufe und Firmung und vielfach auch in der Ehe” haben (Christifideles laici, Nr. 23). Letztere Bekräftigung ist besonders wertvoll für die Eheleute und Eltern, die berufen sind, auch und vor allem in ihrer Familie ein christliches Apostolat auszuüben (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 902). Das gleiche Apostolische Schreiben betont, daß „die Hirten die Dienste, Aufgaben und Funktionen der Laien anerkennen und fördern” müssen (Christifideles laici. Nr. 23). Ein Seelsorger kann sich nicht einbilden, alles in der ihm anvertrauten Gemeinde zu tun. Er muß soweit als möglich die Tätigkeit der Laien mit aufrichtiger Hochschätzung für ihre Sachkenntnis und ihre Bereitschaft aufwerten. Wenn wahr ist, daß ein Laie den Hirten in den Ämtern, welche durch das Sakrament des Ordo verliehene Vollmachten erfordern, nicht ersetzen kann, dann ist auch wahr, daß der Hirt die Laien in den Bereichen, wo sie sachkundiger sind als er, nicht vertreten kann. Deshalb soll er ihre Rolle fördern und ihre Teilhabe an der Sendung der Kirche anregen. 6. Diesbezüglich ist festzuhalten, was der Codex des kanonischen Rechts verfügt, nach dem den Laien bestimmte Aufgaben des Klerus anvertraut werden, „wo es ein Bedarf der Kirche nahelegt” (CIC, can. 230, § 3); aber wir lesen im Apostolischen Schreiben Christifideles laici: „Die Erfüllung einer solchen Aufgabe macht den Laien aber nicht zum Hirten ... Die in Vertretung erfüllte Aufgabe leitet ihre Legitimität formell und unmittelbar von der offiziellen Beauftragung durch die Hirten ab. Ihre konkrete Erfüllung untersteht der Leitung der kirchlichen Autorität” ('Christifideles laici, Nr. 23). Aber man muß sogleich hinzufügen, daß sich die Tätigkeit der Laien nicht auf eine Vertretung „in Situationen akuter oder dauernder Not” beschränkt. Es gibt Bereiche des kirchlichen Lebens, wo neben den Aufgaben der Hierarchie die aktive Beteiligung auch der Laien gewünscht ist. Die erste Aufgabe ist die der liturgischen Versammlung. Zweifellos verlangt die Eucharistiefeier die Mitwirkung dessen, der vom Sakrament des Ordo die Vollmacht empfangen hat, das Opfer an Christi Statt darzubringen: der Priester. Aber sie ist, gemäß dem Apostolischen Schreiben Christifideles laici, „eine heilige Handlung, die nicht nur vom Klerus, sondern von der gesamten Versammlung vollzogen wird”. Eine gemeinschaftliche Handlung. „Es ist darum selbstverständlich, daß die Aufgaben, die nicht spezifisch den geweihten Amtsträgem zukommen, von den Laien übernommen werden” (Christifideles laici, Nr. 23). Und wie viele Laien, große und kleine, junge und alte, erfüllen vortrefflich diese Aufgaben in unseren Kirchen durch die Gebete, Lesungen, Gesänge und anderen Dienste innerhalb und außerhalb des Gotteshauses! Wir danken dem Herrn für diese Wirklichkeit unserer Zeit. Man muß darum beten, daß er ihre Anzahl und Qualität immer mehr wachsen lasse. 7. Auch außerhalb des liturgischen Bereiches haben die Laien eine eigene Aufgabe in der Verkündigung des Wortes Gottes, weil sie im Prophetenamt Christi eingesetzt 43 AUDIENZEN UND ANGELUS sind, und damit eine Verantwortung in der Evangelisierung. Zu diesem Zweck können sie besondere Aufgaben und auch ständige Aufträge erhalten, zum Beispiel in der Katechese, in der Schule, in der Leitung und Redaktion religiöser Schriften, im katholischen Verlagswesen, in den verschiedenen Initiativen und Werken, welche die Kirche zur Glaubensverbreitung fördert (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 906). In jedem Fall handelt es sich um eine Teilhabe an der Sendung der Kirche, an dem immer neuen Pfingsten, das in die ganze Welt die Gnade des Geistes tragen will, die im Abendmahlssaal von Jerusalem herabgekommen ist, um allen Völkern die großen Taten Gottes verkünden zu lassen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Studenten der Katholischen Universität Eichstätt sowie den Teilnehmern an der von der Volkshochschule Coesfeld organisierten Studienreise. Mit meinem Wunsch, die Fastenzeit möge uns fruchtbringend zu innerer Umkehr verhelfen, erteile ich Euch allen, Euren Angehörigen zu Hause sowie allen mit uns über Radio und Fernsehen verbundenen Gläubigen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Afrika ist bereit für Christus Angelus am dritten Fastensonntag, 6. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Während die kommende Sonder Versammlung der Bischofssynode für Afrika näherrückt, wenden sich meine Gedanken ein weiteres Mal diesem großen Kontinent zu, der trotz seiner vielen Probleme eine immer größere Rolle in der Weltgeschichte spielt und von seiten der Kirche besondere Aufmerksamkeit verdient. Das Verhältnis Afrikas zum Evangelium hat mehrere und ganz unterschiedliche Phasen durchgemacht. In den ersten Jahrhunderten des Christentums erlebte Nord-affika blühende kirchliche Gemeinden, wo Persönlichkeiten wie Tertullian, der hl. Cyprian und der hl. Augustinus herausragten. Auch einige römische Päpste waren Afrikaner. Leider blieben von diesem frühen Christentum aufgrund einer Reihe von traurigen geschichtlichen Ereignissen nur mehr wenige Spuren übrig. In der modernen Zeit hat das Evangelium neue Wege gefunden, um sich im Herzen Afrikas einzuwurzeln. Als sehr fruchtbar erwies sich vor allem der missionarische Einsatz von der Mitte des vergangenen Jahrhunderts an. Heute steigt die Zahl der afrikanischen Katholiken wie auch der Christen anderer Bekenntnisse ständig an, 44 AUDIENZEN UND ANGELUS und viele von ihnen geben deutliches Zeugnis für Christus. Es ist das Ergebnis eines Weges, gezeichnet auch vom Martyrium und reich an hochherzigen Früchten der Heiligkeit. Wie soll man dabei nicht an die von Paul VI. heiliggesprochenen Märtyrer von Uganda und an die Sudanesin Josephine Bakhita denken, die seligzusprechen ich selbst die Freude hatte? 2. Vielleicht ist im Plan der Vorsehung die Stunde des großen afrikanischen Kontinents gekommen. Christus ruft Afrika! Diese Erkenntnis wird die kommende Synodenversammlung antreiben. Afrika besitzt eine an Menschlichkeit und religiösem Empfinden reiche Tradition, die es zu einem Reservat geistlicher Werte für die gesamte Menschheit macht. Diese Werte stellen eine deutliche Vorbereitung auf das Evangelium dar. Afrika ist bereit für Christus! Niemand fürchtet in der Verkündigung des Erlösers die Gefahr einer kulturellen Neukolonisierung! Das Konzil hat uns daran erinnert, daß das Christentum eine eigene Universalität besitzt, die es befähigt, „sich dem Geist und der Eigenart einer jeden Kultur anzupassen” (vgl. Ad gentes, Nr. 22), indem es ihre authentischen Werte annimmt, sie reinigt und zur vollen Entfaltung bringt. Deshalb ist es notwendig, daß das Evangelium nicht nur verkündet, sondern auch in die afrikanische Welt eingepflanzt wird. Dieses Werk vollbringen schon in erster Linie die Ortskirchen in voller Einheit mit der Gesamtkirche. 3. Die seligste Jungfrau wecke und begleite diesen neuen Evangelisierungseifer. In ihr ist das Wort Gottes Heisch geworden, in die menschliche Wirklichkeit eingetaucht und hat sogar Menschengestalt angenommen. Darum ist Maria Mutter und Vorbild jeder Evangelisierung und jeder Inkulturation des Glaubens. Möge sie Afrika zu einer immer breiteren und tieferen Annahme Christi führen. Nach dem Angelus begrüßte der Papst die Mitglieder der Fokolar-Bewegung: Mit Freude begrüße ich jetzt die vielen heute auf dem Petersplatz versammelten „Fokolarini”, die am „Familyfest ’94” teilnehmen, das von der Bewegung der Neuen Familien von Rom, Latium und den Abbruzzen veranstaltet wurde. Meine Lieben, diese passende Initiative, die sich der großen internationalen Kundgebung vom vergangenen Jahr geistig anschließt, will durch Nachdenken, Erfahrungsaustausch und vor allem durch Gebet einen bedeutsamen Beitrag zur Feier des Jahres der Familie leisten. In dem Brief an die Familien wollte ich ein direktes Gespräch in spontaner und vertraulicher Form mit allen Familien anknüpfen; dabei wollte ich auf die Gefahren, denen sie oft ausgesetzt sind, und zugleich auf die großen Möglichkeiten hinweisen, die sie in sich tragen, zum Wohl der ganzen Gesellschaft und für den Aufbau der „Zivilisation der Liebe” (Nr. 13). Das habe ich den Familien geschrieben, aber man kann es auch den „Fokolarini” schreiben. Denn wirklich sind die Familien „Fokolarini”, und die „Fokolarini” sind Familien, auch wenn sie zusammen als Gott geweihte Personen wie in einem Kon- 45 AUDIENZEN UND ANGELUS vent, wie in einer religiösen Gemeinschaft leben. Die Familie, eine Gemeinschaft der Liebe und Schule des Lebens für all ihre Glieder, ist vor allem berufen, im eigenen Inneren die Grundwerte des menschlichen Daseins zu leben und sie dann nach außen hin zu bezeugen: die Aufnahmebereitschaft, die Solidarität und den gemeinsamen Einsatz für einen wahren materiellen und geistigen Fortschritt. Deshalb ist neben dem Menschen auch die Familie „der Weg der Kirche” (ebd., Nr. 2). Es ist nicht allein der Weg, sondern auch die Sendung. Die Sendung der Kirche verwirklicht sich durch die Familien, und ihr, liebe „Fokolarini”, habt dies dank des fraulichen Wesens Chiaras und eures eigenen erkannt. Einen Gruß an Chiara, für die ich jeden Tag bete. Ihr wißt all dies - eure Bewegung ist zutiefst apostolisch, weil es die Fokolarbewegung ist, die uns durch ihre Häuslichkeit lehrt, wie zusammenzuleben, zusammen in Christus. Und dies ist wirklich beispielhaftes Apostolat. Für das Bemühen und die Hochherzigkeit, womit ihr die Familienbande und die Beziehungen innerhalb der großen „Familie” Gottes, der Kirche, lebt, sage ich euch Dank. Ich möchte meinen Dank ausdehnen auf alle „Fokolarini” der Welt mit einem besonderen Gruß an Chiara. Während ich jeden von euch ermutige, treu auf dem begonnenen Weg des Evangeliums weiterzugehen, mfe ich den mütterlichen Schutz Marias auf eure Familien herab und segne euch von Herzen. Ich danke euch. Fühlt euch hier in der Aula Paul VI. wie zu Hause - und dann noch einen guten Nachmittag. Am Schluß sagte der Papst: Ich möchte allen danken, die sich zu diesem Gebetstreffen auf dem Petersplatz eingefunden haben. Auf diese Weise fühlt der Papst noch stärker, Bischof von Rom zu sein, wenn die Römer teilnehmen, der Papst Pfarreien besucht und auf den Straßen mit vielen Menschen zusammenkommt. Er fühlt sich Bischof von Rom, hier in Rom. Allen meinen Dank. Gelobt sei Jesus Christus! Heilbringende Fastenzeit! Charismen der Laien gehören zum Wesen der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 9. März 1. In der vorangegangenen Katechese haben wir das sakramentale Fundament der Dienste und Aufgaben der Laien in der Kirche hervorgehoben: die Taufe, die Firmung und für viele das Ehesakrament. Es ist ein an die sakramentale Struktur der Kirche geknüpfter wesentlicher Punkt der Theologie der Laien. Aber wir müssen jetzt hinzufügen, daß der Heilige Geist, der Spender aller Gaben und Urheber der Lebenskraft der Kirche, nicht nur durch die Sakramente wirkt. Er, der nach dem hl. Paulus einem jeden seine besondere Gabe zuteilt, wie er will (vgl. 1 Kor 12,11), gießt über das Volk Gottes einen großen Gnadenreichtum aus, sei es für das Gebet und die Betrachtung, sei es für die Arbeit. Es sind die Charismen: Auch die Laien 46 AUDIENZEN UND ANGELUS sind ihre Empfänger, besonders im Hinblick auf ihre kirchliche und soziale Sendung. Das hat das II. Vatikanische Konzil bekräftigt, anknüpfend an den hl. Paulus: Der Heilige Geist „verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden. Durch diese macht er sie geeignet und bereit, für die Erneuerung und den vollen Aufbau der Kirche verschiedene Werke und Dienste zu übernehmen gemäß dem Wort [des hl. Paulus]: Jedem wird der Erweis des Geistes zum Nutzen gegeben’ (I Kor 12,7)” (Lumen Gentium, Nr. 12). 2. Der hl. Paulus hatte die Vielfalt und Verschiedenheit der Charismen in der Urkir-che hervorgehoben: einige außerordentliche, wie die Gabe, Krankheiten zu heilen, prophetisch zu reden oder die des Zungenredens; andere, einfachere, werden verliehen für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben, die in der Gemeinschaft zugeteilt werden (vgl. 1 Kor 12,7-10). Infolge des Pauluswortes wurden die Charismen oft als außerordentliche Gaben betrachtet, die besonders kennzeichnend für das anfängliche Leben der Kirche sind. Das II. Vatikanische Konzil wollte die Charismen in ihrer Eigenschaft als Gaben hervorheben, die zum ordentlichen Leben der Kirche gehören und nicht unbedingt außerordentlicher oder wunderbarer Natur sind. Auch das Apostolische Schreiben Christifideles laici spricht von den Charismen als Gaben, die „außergewöhnlich oder bescheiden und einfach” sein können (vgl. Christifideles laici, Nr. 24). Außerdem ist zu beachten, daß viele Charismen als vorrangige oder hauptsächliche Zielsetzung nicht die persönliche Heiligung des Empfängers, sondern den Dienst an den anderen und das Wohl der Kirche haben. Zweifellos dienen sie auch der Entfaltung der persönlichen Heiligkeit und fördern sie, aber in einer wesentlich altruistischen und gemeinschaftlichen Perspektive, die sich in die Kirche in einer organischen Dimension einprägt in dem Sinn, daß sie das Wachstum des mystischen Leibes Christi betrifft. 3. Wie uns der hl. Paulus gesagt und das Konzil wiederholt hat, sind solche Charismen Frucht der freien Wahl und Geschenk des Heiligen Geistes, dessen Eigenschaft als erstes und wesentliches Geschenk im Bereich des dreifältigen Lebens sie mittei-len. Der eine und dreieinige Gott bekundet in besonderer Weise in den Gaben seine unumschränkte Macht, die weder einer vorhergegangenen Regel oder besonderen Ordnung noch einem ein für allemal festgelegten Muster unterworfen ist: Nach dem hl. Paulus verteilt er jedem seine Gaben, „wie er will” (7 Kor 12,11). Es ist ein ewiger Wille, zu lieben, dessen Freiheit und Unentgeltlichkeit sich in dem Handeln kundtut, das der Heilige Geist als Geschenk im Heilsplan vollbringt. Aufgrund dieser höchsten Freiheit und Unentgeltlichkeit werden die Charismen auch den Laien zugeteilt, wie es die Geschichte der Kirche beweist (vgl. Christifideles laici, Nr. 24). Wir können nicht umhin, die großen Reichtümer der Gaben zu bewundern, die den Laien als Gliedern der Kirche auch in unserer Zeit zugeteilt werden. Jeder von ihnen hat die notwendige Fähigkeit, die Aufgaben zu übernehmen, zu denen er zum Wohl 47 AUDIENZEN UND ANGELUS des christlichen Volkes und für das Heil der Welt berufen ist, wenn er offen, fügsam und treu gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes ist. 4. Aber es ist notwendig, auch auf einen anderen Punkt der Lehre des hl. Paulus und der Kirche zu achten, der sowohl für alle Arten von Diensten als auch für die Charismen gilt: Ihre Verschiedenheit und Vielfalt kann der Einheit nicht schaden: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn” (1 Kor 12,4-5). Paulus forderte die Achtung dieser Verschiedenheit, denn nicht alle können den Anspruch erheben, dieselbe Aufgabe zu erfüllen, im Gegensatz zum Plan Gottes und zur Gabe des Geistes und auch zu den elementarsten Gesetzen jeder Sozialstruktur. Aber der Apostel unterstrich zugleich die Notwendigkeit der Einheit, die auch einem Erfordernis soziologischer Ordnung entsprach, aber in der christlichen Gemeinschaft noch mehr ein Widerschein der göttlichen Einheit sein sollte. Ein Geist, ein Herr. Und deshalb eine einzige Kirche! 5. Zu Beginn der christlichen Ära wurden außerordentliche Dinge vollbracht unter dem Einfluß der Charismen, sowohl der außerordentlichen als auch der sogenannten einfachen, bescheidenen, alltäglichen Charismen. So war es immer in der Kirche, und so ist es auch in unserer Zeit, im allgemeinen in verborgener, aber manchmal, wenn Gott es zum Wohl seiner Kirche will, auch in auffälliger Weise. Und wie in der Vergangenheit so hat es auch in unseren Tagen viele Laien gegeben, die zur geistlichen und pastoralen Entfaltung der Kirche beigetragen haben. Wir können sagen, daß es auch heute unzählige Laien gibt, die dank ihrer Charismen als gute und wahrhafte Zeugen des Glaubens und der Liebe tätig sind. Es ist wünschenswert, daß sich alle dieses transzendenten Wertes an ewigem Leben bewußt werden, der schon in ihrer Arbeit enthalten ist, wenn sie in Treue zu ihrer Berufung und Fügsamkeit dem Heiligen Geist gegenüber ausgeführt wird, der in ihren Herzen lebt und handelt. Dieser Gedanke kann als Anregung, Hilfe und Ermutigung besonders denen dienen, die in Treue zu einer heiligen Berufung sich im Dienst am Gemeinwohl einsetzen für die Festigung der Gerechtigkeit, die Verbesserung der Lebensbedingungen der Armen und Notleidenden, die Sorge für die Behinderten, die Aufnahme der Flüchtlinge und die Verwirklichung des Friedens in der ganzen Welt. 6. Im Gemeinschaftsleben und in der Pastoralpraxis der Kirche ist die Anerkennung der Charismen, aber auch ihre Unterscheidung geboten, wie die Väter der Synode von 1987 in Erinnerung gerufen haben (vgl. Christifideles laici, Nr. 24). Gewiß, der Heilige Geist „weht, wo er will”, und man kann sich nie anmaßen, ihm Regeln und Bedingungen aufzuzwingen. Aber die christliche Gemeinschaft hat das Recht, von den Hirten über die Echtheit der Charismen und die Vertrauenswürdigkeit derer unterrichtet zu werden, die sich als ihre Träger vorstellen. Das Konzil hat auf die Notwendigkeit zur Vorsicht auf diesem Gebiet hingewiesen, besonders wenn es sich um außerordentliche Charismen handelt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 12). 48 AUDIENZEN UNDANGELUS Das Apostolische Schreiben Christifideles laici hat auch unterstrichen, daß „kein Charisma von der Rückbindung an die Hirten der Kirche und von der Unterordnung unter sie dispensiert” (vgl. Christifideles laici, Nr. 24). Es sind leicht zu verstehende Vorsichtsmaßnahmen, die für alle, Kleriker und Laien, gelten. 8. Dies gesagt, möchten wir mit dem Konzil und dem genannten Schreiben wiederholen, daß die Charismen „von jenen, die sie empfangen, aber auch von der gesamten Kirche in Dankbarkeit angenommen werden” sollen (Christifideles laici, Nr. 24). Aus diesen Charismen „erwächst jedem Glaubenden das Recht und die Pflicht, sie in Kirche und Welt zum Wohl der Menschen und zum Aufbau der Kirche zu gebrauchen” (Apostolicam actuositatem, Nr. 3). Das Recht gründet auf der Schenkung des Geistes und auf der Bestätigung der Kirche. Die Pflicht entspringt der Tatsache des empfangenen Geschenks selbst, das Verantwortung mit sich bringt und Einsatz erfordert. Die Geschichte der Kirche beweist, daß, wenn die Charismen echt sind, sie früher oder später anerkannt werden und ihre konstmktive und einigende Funktion ausüben können. Eine Funktion, wir sagen es noch einmal, die der Großteil der Glieder der Kirche, Kleriker und Laien, kraft der verborgenen Charismen jeden Tag zu unser aller Wohl wirksam entfaltet. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Der Hl. Geist wirkt nicht nur durch die Sakramente in der Kirche. Nach dem hl. Paulus teilt er einem jeden die Gaben zu, wie er will (vgl. 1 Kor 12,11), er gießt über das Volk Gottes einen großen Gnadenreichtum aus sowohl für das Gebet als auch für das aktive Handeln. Es sind Charismen, die auch die Laien empfangen für ihren Auftrag in Kirche und Gesellschaft. Der hl. Paulus hat die Vielfalt der Charismen in der Urkirche aufgezeigt: außerordentliche, wie die Gabe, Krankheiten zu heilen, prophetisch zu reden oder die des Zungenredens; und andere, die für die ordnungsgemäße Erfüllung innerhalb der Gemeinschaft zugewiesenen Aufgaben geschenkt werden (1 Kor 12,7-10). Während in der Anfangszeit der Kirche die Charismen mehr für die außerordentlichen Gaben gehalten wurden, hat das Zweite Vatikanische Konzil deren Zugehörigkeit zum ordentlichen Leben der Kirche betont. Wir müssen den großen Reichtum der Gaben bewundern, die den Laien als Gliedern der Kirche vom Hl. Geist auch in unserer Zeit geschenkt werden. Sicher „weht der Geist, wo er will”, und man niemals verlangen können, ihm Regeln oder Bedingungen aufzuerlegen. Aber die christliche Gemeinde hat das Recht, von ihren Hirten über die Echtheit der Charismen und über die Vetrauenswürdigkeit derer, die sich als ihre Träger ausgeben, unterrichtet zu werden. Der größte Teil der Gläubigen verrichtet tägliche Aufgaben der Kirche aufgrund von ordentlichen Charismen, die nach außen hin kein Aufsehen erregen. 49 AUDIENZEN UND ANGELUS Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Absolventen des Aufbaustudienganges „Lizentiat im kanonischen Recht” an der Universität Münster, den orthodoxen Studenten des Ostkirchlichen Instituts in Regensburg, den Pilgern der von der Volkshochschule Coesfeld organisierten Romreise sowie der Pfarrei St. Andreas Ochsen-furt. Euch allen, Euren heben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Verheißungsvolle Wege der Evangelisierung Angelus am vierten Fastensonntag, 13. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. In einem Monat etwa beginnt die Sonderversammlung der Bischofssynode, die der Evangelisierung in Afrika gewidmet ist, einem Kontinent, reich an kulturellen und religiösen Werten. Die Christen, wenn auch zahlreich, stellen nur einen Teil der afrikanischen Gesellschaft dar; rund 13 Prozent der Gesamtbevölkerung sind Katholiken. Neben dem Islam, den traditionellen Religionen und den Gläubigen anderer christlicher Bekenntnisse spürt die Kirche in diesem Kontinent die Dringlichkeit des Öku-menismus und des interreligiösen Dialogs. Es handelt sich nicht um ein einfaches praktisches Erfordernis oder um eine von den Umständen auferlegte Notwendigkeit. Kirchliches Leben ohne Dialog und ohne Ökumene wäre heute wirklich unvorstellbar. Daran erinnert uns der nach dem Willen der Vorsehung in diesem Jahr fällige 30. Jahrestag der Enzyklika Ecclesiam suam von Paul VI., der 1964 gerade eine Theologie des Dialogs vorzeichnen wollte, die er in den weiten Horizont von drei konzentrischen „Kreisen” gliederte: den grundlegenden, unendlich großen Kreis, der den gesamten Bereich des Menschlichen umfaßt, in den der besondere Kreis der Beziehung zu den verschiedenen religiösen Erfahrungen und dann der eigene ökumenische Kreis des Dialogs mit den Christen anderer Bekenntnisse gestellt sind. Das Ganze wird von der tiefen Erfahrung des Dialogs zwischen Gott und dem Menschen und von einer herzlichen Haltung der Öffnung innerhalb der Kirche selbst belebt (vgl. Enchiridion Vaticanum, 2/189-210). 2. Der afrikanische Katholizismus befindet sich in der sehr günstigen Lage, um dieses Apostolats- und Pastoralprogramm zu entfalten. Gewiß handelt es sich nicht um ein leichtes Bemühen. Es kann vor allem nicht authentisch und fruchtbar sein, wenn es nicht in einem stark ausgeprägten Bewußtsein christlicher Identität wurzelt. Zumeist sind die kirchlichen Gemeinschaften Afrikas sehr jung und großmütig auf die Zukunft hin ausgerichtet. Das ist ihre Besonderheit und ihre Stärke! Sie wissen je- 50 AUDIENZEN UND ANGELUS doch gut, daß die christliche Zukunft in jener alten und immer neuen Jugend wurzelt, die dem Evangelium eigen ist. Die Triebkraft des Weges der Kirche in der Geschichte ist immer die Treue zu Christus unter Achtung der lebendigen kirchlichen Tradition. Diese Treue ist trotzdem weit entfernt von einem Gefühl stolzer Unabhängigkeit, weil gerade das Evangelium uns darauf hinweist, daß der Geist Gottes „weht, wo er will” (Loh 3,8). Auf ihn muß man hören, um zu unterscheiden, was sich an Authentischem, Rechtem und Wahrem in der Geschichte und in der Erfahrung der Menschen findet. Das alles sammeln und auswerten zu können ist auch für eine tiefe Inkulturation des Glaubens notwendig. 3. Liebe Brüder und Schwestern, wir bitten die heilige Jungfrau, die Überlegungen der nächsten Synodenversammlung über so schwierige Themen mit sicherer Hand zu leiten. In Afrika öffnen sich von der Vorsehung gewollte Wege der Evangelisierung: verheißungsvolle Wege, aber zuweilen nicht ohne Gefahren! Maria, die Königin von Afrika, erbitte das Geschenk der Weisheit und eine Haltung des fügsamen Hörens auf den Geist Gottes. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Herzlich begrüße ich jetzt die Jugendlichen der Missionarischen Bewegung aus den Abruzzen und dem Molise, die heute auf dem Petersplatz anwesend sind, ebenso die Gruppe der Firmlinge aus der Pfarrei Santa Maria del Popolo von Villalba di Gui-donia. Ich ermutige euch, hebe Jungen und Mädchen, nie den Mut zu verlieren im täglichen Bemühen, den Glauben zu verkünden und ihn mit denen zu teilen, die Christus noch nicht begegnet sind oder ihn noch nicht kennengelemt haben. Denkt daran: „Der Herr ist treu; er wird euch Kraft geben und euch vor dem Bösen bewahren” (2 Thess 3,3). Es sind die Worte des Apostels Paulus, die der Papst euch wiederholt und mit seinem Segen begleitet. Aufgaben der Laien in der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 16. März 1. Den Christen fällt es heute nicht schwer anzuerkennen, daß alle Glieder der Kirche, auch die Laien, teilhaben an ihrer Sendung als Zeugin, Verkünderin und Christusträgerin in der Welt. Dieser Anspruch des mystischen Leibes Christi wurde von den Päpsten, vom II. Vatikanischen Konzil und von den Bischofssynoden im Einklang mit der Heiligen Schrift und der Tradition, der Erfahrung der ersten christlichen Jahrhunderte, der Lehre der Theologen und der Geschichte des pastoralen Lebens wiederholt. In unserem Jahrhundert zögerte man nicht, von „Apostolat” zu sprechen, und auch dieses Wort und der Begriff, den es zum Ausdruck bringt, sind 51 AUDIENZEN UND ANGELUS dem Klerus und den Gläubigen bekannt. Aber ziemlich häufig herrscht immer noch das Gefühl einer anhaltenden Unsicherheit vor über die Arbeitsbereiche, in denen man sich konkret einsetzen soll, und über die Wege, die zu beschreiten sind, um den Einsatz durchzuführen. Deshalb ist es günstig, einige Punkte dieses Themas festzulegen, auch in dem Bewußtsein, daß man vor Ort, bei den eigenen Pfarrern, den Di-özesanstellen und Zentren des Laienapostolats eine konkretere, direktere und eingehendere Ausbildung finden kann und soll. 2. Der erste Bereich des Laienapostolats innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft ist die Pfarrgemeinde. Diesen Punkt unterstrich das Konzil im Dekret Apostolicam actuositatem, wo man best: „Die Pfarrei bietet ein augenscheinliches Beispiel für das gemeinschaftliche Apostolat” (.Apostolicam actuositatem, Nr. 10). Weiter liest man, daß die Arbeit der Laien in der Pfarrei notwendig ist, damit das Apostolat der Hirten zur vollen Wirksamkeit gelangen kann. Diese Arbeit, die sich in enger Verbindung mit den Priestern entfalten soll, ist für die „Laien von wahrhaft apostolischer Einstellung” eine Form unmittelbarer und direkter Teilnahme am Leben der Kirche (vgl. ebd.). Viel können die Laien durch Gestaltung der Liturgie, Katechismusunterricht, pasto-rale und karitative Initiativen und in den Pastoralräten tun (vgl. Christifideles laici, Nr. 27). Zum Apostolat tragen sie auch indirekt bei durch ihre Mithilfe in der Verwaltung der Pfarrei. Es ist notwendig, daß sich der Priester nicht allein gelassen fühlt, sondern auf den Beitrag ihrer Sachkunde und auf die Stütze ihrer Solidarität, auf ihr Verständnis und ihre hochherzige Hilfsbereitschaft in den verschiedenen Bereichen des Dienstes am Reich Gottes zählen kann. 3. Eine weitere Reihe von Bedürfnissen, Interessen und Möglichkeiten wird vom Konzil genannt, wenn es den Laien empfiehlt, „stets den Sinn für das ganze Bistum zu pflegen” (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 10). Denn in der Diözese nimmt die Ortskirche konkrete Form an, die durch den Klerus und die Gläubigen, die ihr angehören, die Gesamtkirche selbst vergegenwärtigt. Die Laien sind gerufen, hochherzig und mit erhebendem Geist bei den heute zahlreichen Diözesaninitiativen in verantwortlicher, beratender und manchmal leitender Funktion mitzuwirken, den Weisungen und Wünschen des Bischofs und der zuständigen Organe entsprechend. Bedeutsam ist auch der Beitrag, der durch die Beteihgung an den Diözesanpastoralräten geleistet wird, deren Errichtung als „wichtigste Form der Mitarbeit und des Dialogs sowie der gemeinsamen Urteilsbildung auf Diözesanebene” von der Bischofssynode 1987 empfohlen wurde (vgl. Christifideles laici, Nr. 25). Von den Laien erwartet man außerdem eine besondere Hilfe bei der Verbreitung der Weisungen des Di-özesanbischofs, der mit den anderen Bischöfen und vor ahem mit dem Papst übereinstimmt, in religiösen und sozialen Fragen, die sich der kirchlichen Gemeinschaft stehen; bei einer guten Aufteilung und bei der richtigen Lösung der administrativen Probleme; bei der Leitung der katechetischen, kulturellen und karitativen Werke, welche die Diözese einrichtet und unterhält zugunsten der Armen usw. Wieviel an- 52 AUDIENZEN UND ANGELUS dere Möglichkeiten fruchtbarer Arbeit für den, der guten Willens ist und den Wunsch zum Engagement und Opferbereitschaft besitzt! Möge Gott immer neue und tüchtige Kräfte zur Hilfe der Bischöfe und der Diözesen wecken, in denen bereits viele hervorragende Laien das Bewußtsein zeigen, daß die Ortskirche das Haus und die Familie aller ist! 4. In einem weiteren, ja universalen Umkreis können und sollen die Laien sich als das fühlen, was sie sind, als Glieder der katholischen Kirche, und sich für ihr Wachstum einsetzen, wie die Bischofssynode von 1987 in Erinnerung ruft (vgl. Christifideles laici, Nr. 28). Sie sollen sich als eine wesentlich missionarische Gemeinschaft betrachten, deren Mitglieder alle die Aufgabe und die Verpflichtung einer Evangelisierung haben, die sich über alle Nationen erstreckt, über all jene, die -wissentlich oder nicht - Gott brauchen. In diesem riesigen Bereich von Personen und Gruppen, von Umfeldern und sozialen Schichten gibt es auch viele, die, obwohl dem Namen nach Christen, doch geistig fern stehen, Agnostiker und dem Ruf Christi gegenüber gleichgültig sind. An diese Mitmenschen ist die Neuevangelisierung gerichtet, bei der die Laien gerufen sind, eine kostbare und unerläßliche Mitarbeit zu leisten. Die Synode von 1987 sagte: „Es ist ... notwendig, überall die christliche Substanz der menschlichen Gesellschaft zu erneuern”, und fugte hinzu: „Aufgrund ihrer Teilhabe am prophetischen Amt Christi werden die Laien ganz in diese Aufgabe der Kirche einbezogen” (Christifideles laici, Nr. 34). An der vordersten Front dieser Neuevangelisierung stehen viele Laien! Um diese Aufgabe zu erfüllen, ist eine angemessene Vorbereitung in der Glaubenslehre und Pastoralmethodologie unerläßlich, die auch die Laien in den Instituten für Religionswissenschaften oder in Sonderkursen und darüber hinaus durch persönliches Bemühen beim Studium der göttlichen Wahrheit erwerben können. Nicht für alle Laien und nicht für alle Formen der Mitarbeit ist derselbe religiöse oder sogar theologische Wissensgrad notwendig: Aber er darf jenen nicht fehlen, die bei der Neuevangelisierung Probleme der Wissenschaft und Kultur vom Menschen in bezug auf den Glauben in Angriff nehmen müssen (vgl. Christifideles laici, Nr. 34). 5. Die Neuevangelisierung strebt die Bildung von reifen kirchlichen Gemeinschaften an, bestehend aus überzeugten und bewußten Christen, die im Glauben und in der Liebe gefestigt sind. Sie können von innen her die Völker beleben, auch dort, wo Christus, der Erlöser des Menschen, unbekannt oder vergessen (vgl. Christifideles laici, Nr. 35) oder die Verbindung zu ihm im Denken und Leben schwach ist. Diesem Zweck können auch alte und neue Verbandsformen dienen, wie Bruderschaften, „Gesellschaften” und religiöse Vereinigungen, die, wo es notwendig ist, mit neuem missionarischem Geist erfüllt werden, und die heute in der Kirche blühenden verschiedenen „Bewegungen”. Auch die traditionellen Initiativen und Volkskundgebungen anläßlich religiöser Feiern könnten und sollten, obwohl sie gewisse örtliche oder regionale Merkmale bewahren, kirchliche Bedeutung erhalten, wenn sie unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Evangelisierung vorbereitet 53 AUDIENZEN UND ANGELUS und abgehalten werden. Das Bemühen von Klerus und Laien, die sie fördern, soll es sein, den Anforderungen der missionarischen Kirche mit Klugheit, Freundlichkeit und Mut zu entsprechen, indem sie in jedem Fall eine erleuchtende Moralkatechese und den Sakramentenempfang, vor allem der Buße und der Eucharistie, pflegen. 6. Deutliche Beispiele missionarischen Engagements in den genannten und vielen anderen Bereichen und Gruppen werden von zahlreichen Laien geliefert, die in unserer Zeit die gesamte Dimension der christlichen Berufung entdeckt und den göttlichen Auftrag der universalen Evangelisierung angenommen haben, das Geschenk des Heiligen Geistes, der in der Welt ein immer neues Pfingsten wirken will. An all diese unsere bekannten und unbekannten Schwestern und Brüder ergeht der Dank der Kirche, wie auch gewiß der Segen Gottes nicht fehlt. Ihr Beispiel diene dazu, eine immer größere Anzahl von Laien anzuregen, die sich dafür einsetzen, jedem Menschen die Botschaft Christi zu bringen und überall das missionarische Feuer zu entzünden. Auch deshalb sucht der Nachfolger Petri zu jeder Nation und in jeden Kontinent zu gelangen, um demütig der Verbreitung des Evangeliums zu dienen, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, sind in jedem Land als einzelne Hirten und als kirchlicher Leib für die Neuevangelisierung tätig. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich heiße die deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt der Pilgergruppe aus Neunkirchen, die von Kardinal Stickler begleitet wird, der Katholischen Pilgervereinigung der Aussiedler in Nordrhein-Westfalen, den Chören des 1. Internationalen Wettbewerbs „Orlando di Lasso” sowie den Teilnehmern an der Studienreise der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau. Euch allen, liebe Schwestern und Brüder, Euren Lieben in der Heimat und all jenen, die uns in diesem Moment geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Wunsch nach Frieden in Bosnien und Herzegowina Liebe kroatische Pilger! Eure Hoffnungen und Eure Gebete um Frieden in Bosnien und Herzegowina und in Kroatien vertraue ich der seligsten Jungfrau Maria an. Sie, die Mutter des Guten Rates und die Königin des Friedens, wecke und festige in allen den Wunsch nach wahrem Frieden und nach Versöhnung unter gegenseitiger Achtung. Auf alle, die sich für den Frieden in den vom Krieg heimgesuchten Gebieten einsetzen, und auf jeden von euch, rufe ich den Segen Gottes, unseres Vaters im Himmel herab. Gelobt seien Jesus und Maria! 54 AUDIENZEN UND ANGELUS Afrika, öffne die Tore für Christus! Angelus am fünften Fastensonntag, 20. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die klaren, aber anspruchsvollen Grundsätze der Soziallehre der Kirche, von denen ich einige auch gestern bei der Begegnung mit den Arbeitern anläßlich des Festes des hl. Josef in Erinnerung rief, sind beim Einsatz der Kirche in Afrika ganz spezifisch und dringend anzuwenden. Darüber wird man bei der nächsten Synodenversammlung der Bischöfe nachdenken. Die Sendung, die Christus der Kirche anvertraut hat, „gehört nicht der politischen, wirtschaftlichen oder sozialen, sondern religiösen Ordnung an” (vgl. Gaudium et spes, Nr. 42). Das schließt jedoch nicht aus, daß sie Folgen für die zeitüche Wirklichkeit mit sich bringt. Denn das Evangelium verkündet eine ganzheitliche Erlösung, die den Menschen in seiner Gesamtheit betrifft. Jesus Christus ist gekommen, um alle Menschen und den ganzen Menschen zu retten. Die Kirche tritt in die Spuren ihres Meisters, wenn sie sich um die ewige Bestimmung der Menschheit sorgt, ohne ihr konkretes Dasein in der Welt zu vergessen. In Afrika ist dieses Erfordernis, das Evangelium auf das konkrete Leben anzuwenden, stark spürbar. Wie könnte man Christus in diesem riesigen Kontinent verkünden und dabei vergessen, daß er sich mit einem der ärmsten Gebiete der Welt deckt? Wie könnte man die leiderfüllte Geschichte eines Landes nicht berücksichtigen, wo viele Nationen sich noch immer mit Hunger, Krieg, rassistischen Spannungen und Stammesfehden, politischer Unsicherheit und Verletzung der Menschenrechte herumschlagen? Das alles bedeutet eine Herausforderung für die Evangelisierung. 2. Die Katholiken können zusammen mit den anderen Christen nicht umhin, sich wegen dieser Wirklichkeit zu sorgen. „Ihr werdet meine Zeugen sein!” (Apg 1,8). Diese Worte Jesu bilden das Grundthema der kommenden Synode; sie rufen zum mutigen Zeugnis und zur unerschrockenen Verteidigung der Armen auf. Es ist notwendig, sich in Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens dafür einzusetzen, daß in Afrika die Gerechtigkeit zunehmend geachtet und der Frieden aufgebaut werden. Es ist nötig, die Ausstrahlung des Evangeliums in allen Kultur-und Gesellschaftsbereichen zu fördern. Evangelisierung und menschliche Entfaltung gehen Hand in Hand. Afrika, öffne die Tore für Christus, den Erlöser des Menschen! Hab keine Angst um deine Werte und deine Kultur. Das Evangelium ist das Licht, das nicht zerstört, sondern verklärt. Es ist der Sauerteig, der die Herzen erneuert und allen Dingen wahren Sinn verleiht, indem es hilft, sie dem göttüchen Plan entsprechend anzunehmen und zu leben. 55 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Wir bitten die seligste Jungfrau, der apostolischen Tätigkeit der Kirche in Afrika neuen Schwung zu verleihen. Maria birgt gewiß in ihrem Mutterherzen die Leiden des afrikanischen Erdteils. Die mahnenden Worte des Magnifikats sind das Lied der Armen, die sich Gott anvertrauen: „Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen” (Lk 1,53). Möge das Magnifikat die Hymne der Befreiung Afrikas an der Schwelle des dritten Jahrtausends sein. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Auch in diesem Jahr wird am 24. März, der Vigil der Verkündigung, der besondere Gebets- und Fasttag für die Märtyrermissionare auf Anregung der Päpsthchen Missionswerke begangen. Wie immer in ihrer Geschichte erlebt die Kirche täglich in vielen Teilen der Welt Verfolgungen und Martyrium, und groß ist die Zahl solcher Zeugen. Wir müssen das wissen, wir müssen uns daran erinnern, und wir werden zur intensiven geistlichen Solidarität mit denen aufgefordert, die das Schicksal Christi, des Erlösers, durch ihr Blutvergießen teilen. Sie sagen uns, wie wahr die an ahe gerichteten Worte Jesu sind: „Wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten” (Mk 8,35). Beten wir für die Märtyrermissionare; wir schulden ihnen Dank für das Leben, das sie für den Aufbau des Reiches Gottes so hochherzig geopfert haben. Ihr Zeugnis sei für alle ein Vorbild der Treue zu Christus und zur Kirche. Am kommenden Sonntag feiern wir den neunten Weltjugendtag. Im gewählten Thema erklingen die Worte Christi an die Apostel im Abendmahlssaal: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 20,21). Mögen die Kirchen und Plätze unserer Städte gleichsam zum Abendmahlssaal werden, wo die Jugendlichen mit neuer Bereitschaft die Weisung hören können, die Christus jedem von ihnen anvertrauen will. Die Diözese Rom bereitet sich auf dieses bedeutsame Treffen mit einer besonderen Begegnung am kommenden Donnerstag in der Aula Paolo VI. im Vatikan vor. Ich lade alle römischen Jugendlichen zur Teilnahme ein. Es wird wie in den vergangenen Jahren eine große Kundgebung des Glaubens und der jungen Begeisterung sein. Folgendes deutsche Grußwort richtete der Papst an eine Pilgergruppe aus Stuttgart: Unter den deutschsprachigen Pilgern und Besuchern gilt heute mein besonderer Gruß den Teilnehmern der von der Stiftung Entwicklung-Zusammenarbeit in Stuttgart angeregten Romreise. Mit meinem herzlichen Dank für euer Bemühen, euch durch konkrete Maßnahmen der unverändert großen Not in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas anzunehmen, verbinde ich den Wunsch, euer Besuch an den Gräbern der Apostel möge euch in eurem Glauben stärken. Euch allen und euren Lieben gilt mein besonderer Segen. 56 AUDIENZEN UND ANGELUS Betroffenheit über den Priestermord in Caserta Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Ich fühle das Bedürfnis, noch einmal den lebhaften Schmerz zum Ausdruck zu bringen, den in mir die Nachricht von der Ermordung des Pfarrers der Diözese Aversa, Don Guiseppe Diana, hervorgerufen hat, der von grausamen Mördern getroffen wurde, während er sich anschickte, die heilige Messe zu feiern. Indem ich dieses neue unmenschliche Verbrechen beklage, fordere ich euch auf, mit mir für die Seelenruhe des hochherzigen Priesters zu beten, der Hirtendienst für seine Leute leistete. Der Herr gebe, daß das Opfer dieses seines Dieners - des Samenkorns, das gemäß dem Evangelium in die Erde gefallen und gestorben ist (vgl. Joh 12,24) -Früchte wahrer Umkehr, tätiger Eintracht, der Solidarität und des Friedens hervorbringe. Persönliches und gemeinschaftliches Apostolat der Laien Ansprache bei der Generalaudienz am 23. März 1. Das II. Vatikanische Konzil hat, als es dem Apostolat der Laien neuen Auftrieb geben wollte, eifrig bekräftigt, daß die erste, grundlegende und unersetzliche Tätigkeit für den Aufbau des Leibes Christi von den einzelnen Gliedern der Kirche ausgeübt wird (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 16). Jeder Christ ist zum Apostolat berufen, jeder Laie ist berufen, sich durch sein persönliches Zeugnis einzusetzen und an der Sendung der Kirche teilzuhaben. Das setzt voraus und bringt mit sich eine persönliche Überzeugung, die aus dem Glauben und dem sensus Ecclesiae erwächst, den er in den Herzen entzündet. Wenn man glaubt und wenn man Kirche sein will, kann man nicht umhin, von der „originellen, unersetzlichen und nicht übertragbaren Aufgabe” überzeugt zu sein, die jeder Gläubige „zum Wohl aller erfüllen muß” (Christifideles laici, Nr. 28). Man kann den Gläubigen nie genug die Verpflichtung einschärfen, am Aufbau der Kirche und an der Ankunft des Reiches mitzuarbeiten. Den Laien kommt es zu, die zeitlichen Wirklichkeiten mit dem Evangelium zu durchdringen. Vielfältig sind die Einsatzmöglichkeiten, besonders in den Bereichen der Familie, am Arbeitsplatz, im Beruf, in Kultur- und Erholungseinrichtungen usw.: Und in der Welt gibt es heute viele Menschen, die etwas tun wollen, um das Leben zu verbessern, die Gesellschaft gerechter zu machen und zum Wohl ihrer Mitmenschen beizutragen. Für sie könnte die Entdeckung des christlichen Auftrags zum Apostolat die höchste Entfaltungsstufe der natürlichen Berufung zum Gemeinwohl bedeuten, die den Einsatz bedeutsamer, motivierter, edler und vielleicht auch hochherziger machte. 2. Aber es gibt eine andere natürliche Berufung, die im kirchlichen Apostolat verwirklicht werden kann und soll: die in Form von Gruppen und Vereinigungen. Auf 57 AUDIENZEN UND ANGELUS übernatürlicher Ebene ist die Neigung der Menschen, sich zusammenzuschließen, eine Bereicherung und Erhebung in den Stand der brüderlichen Gemeinschaft in Christus: Man hat so „ein Zeichen der Gemeinschaft und der Einheit der Kirche in Christus, der gesagt hat: ,Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen’ (Mt 18,20)” (Apostolicam actuositatem, Nr. 18). Diese kirchliche Tendenz zum gemeinschaftlichen Apostolat hat zweifellos einen übernatürlichen Ursprung in der „Liebe” (vgl. Rom 5,5), aber ihre theologische Bedeutung trifft mit dem soziologischen Erfordernis zusammen, das in der modernen Welt zur Vereinigung und zur Organisation der Kräfte führt, damit die gesteckten Ziele erreicht werden. Auch in der Kirche, so das Konzil, „ist allein ein enges Ver-bundensein der Kräfte imstande, alle Ziele des heutigen Apostolates voll zu erreichen und seine Werte wirksam zu verteidigen” (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 18). Es geht darum, die Tätigkeiten derer zu vereinen und zu koordinieren, die sich vornehmen, durch die Botschaft des Evangeliums auf den Geist und die Mentalität der Leute einzuwirken, die unter den verschiedenen sozialen Bedingungen leben. Es handelt sich darum, eine Evangelisierung in Gang zu setzen, die imstande ist, Einfluß auf die öffentliche Meinung und die Institutionen auszuüben; und um dieses Ziel zu erreichen, ist eine von Gruppen durchgeführte und gut organisierte Tätigkeit erforderlich (vgl. ebd.). 3. Deshalb ermutigt die Kirche das individuelle und das gemeinschaftliche Apostolat und bekräftigt mit dem Konzil das Recht der Laien, Vereinigungen für das Apostolat zu bilden: „Unter Wahrung der erforderlichen Verbundenheit mit der kirchlichen Autorität haben die Laien das Recht, Vereinigungen zu gründen, zu leiten und den gegründeten beizutreten” (Apostolicam actuositatem, Nr. 19). Die Beziehung zur kirchlichen Obrigkeit setzt den grundlegenden Willen zur Harmonie und kirchlichen Zusammenarbeit voraus, behindert jedoch nicht die eigene Selbständigkeit der Vereinigungen. Während in der bürgerlichen Gesellschaft das Recht, eine Vereinigung zu bilden, als ein Personenrecht anerkannt wird, das auf der Freiheit des Menschen gründet, sich mit anderen Menschen zusammenzuschließen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, so erwächst in der Kirche für die gläubigen Laien das Recht, eine Vereinigung zur Verwirklichung religiöser Zielsetzungen zu bilden, aus der Taufe, die für jeden Christen die Möglichkeit, die Pflicht und die Kraft zur aktiven Teilhabe an der Gemeinschaft und an der Sendung der Kirche mit sich bringt (vgl. Christifideles laici, Nr. 29). In diesem Sinn sagt auch der Codex des kanonischen Rechtes: „Den Gläubigen ist es unbenommen, Vereinigungen für Zwecke der Caritas oder der Frömmigkeit oder zur Förderung der christlichen Berufung in der Welt frei zu gründen und zu leiten und Versammlungen abzuhalten, um diese Zwecke gemeinsam zu verfolgen” (can. 215). 4. In der Tat nehmen die Laien in der Kirche diese Freiheit immer mehr wahr. Früher mangelte es zwar nicht an Vereinigungen von Gläubigen, die in Formen der damaligen Zeit entsprechend gebildet wurden. Aber heute hat dieses Phänomen zwei- 58 AUDIENZEN UND ANGELUS fellos eine neue Ausdehnung und Vielfalt angenommen. Neben den alten Bruderschaften, den Barmherzigen und Frommen Vereinigungen und Drittorden usw. sehen wir überall neue Formen von Zusammenschlüssen entstehen. Es sind Gruppen, Gemeinschaften und Bewegungen, die eine große Vielfalt von Zwecken, Methoden und Tätigkeitsfeldern besitzen, aber immer mit der einen grundlegenden Zielsetzung: die Förderung des christlichen Lebens und die Mitarbeit an der Sendung der Kirche (vgl. Christifideles laici, Nr. 29). Die vielfältigen Gemeinschaftsformen sind weit entfernt davon, ein Übel zu sein; sie sind hingegen eine Kundgebung der höchsten Freiheit des Heiligen Geistes, der die Verschiedenheit der Neigungen, Temperamente, Berufungen, Fähigkeiten usw. unter den Menschen achtet und ermutigt. Aber in der Vielfalt muß man gewiß immer die Sorge um die Einheit bewahren, indem man Rivalitäten, Spannungen und Bestrebungen nach einem Monopol des Apostolats oder nach Führungsstellungen vermeidet, die das Evangelium selbst ausschließt, und indem man unter den einzelnen Vereinigungen immer den Geist des Teilens und der Gemeinschaft nährt, um wirklich zur Verbreitung der Botschaft des Evangeliums beizutragen. 5. Die Eigenschaften, welche die Kirchlichkeit, das heißt den authentischen katholischen Charakter der verschiedenen Vereinigungen erkennen lassen, sind: - der Vorrang, den man der Heiligkeit und der Vollkommenheit der Liebe als Ziel der christlichen Berufung gibt; - das Bemühen, den katholischen Glauben in Einheit mit dem Lehramt der Kirche verantwortungsbewußt zu bekennen; - die Teilhabe an der apostolischen Zielsetzung der Kirche, indem man sich bemüht, in der menschlichen Gesellschaft gegenwärtig zu sein und zu handeln; - das Zeugnis konkreter Verbundenheit mit dem Papst und mit dem eigenen Bischof (vgl. Christifideles laici, Nr. 30). Diese Kriterien werden im örtlichen, diözesanen, regionalen und nationalen Bereich verfolgt und angewandt, ebenso auf der Ebene der internationalen Beziehungen zwischen kulturellen, sozialen und politischen Einrichtungen gemäß der universalen Sendung der Kirche, die versucht, in Völker und Staaten und in neue Gemeinschaften, die diese bilden, den Geist der Wahrheit, der Liebe und des Friedens einzugießen. Die Beziehungen der Laienvereinigungen mit der kirchlichen Obrigkeit können auch besondere Anerkennung und Zustimmung erhalten, wenn das aufgrund ihrer Ausdehnung oder der Einsatzform im Apostolat als angemessen oder auch notwendig erachtet wird (vgl. Christifideles laici, Nr. 31). Das Konzil nennt diese Möglichkeit und Zweckmäßigkeit bei „Vereinigungen und Werken, die unmittelbar ein geistliches Ziel anstreben” (Apostolicam actuositatem, Nr. 24). Was die „ökumenischen” Vereinigungen mit katholischer Mehrheit und nichtkatholischer Minderheit betrifft, so steht es dem Päpstlichen Rat für die Laien zu, die Bedingungen für ihre Approbation zu bestimmen (vgl. Christifideles laici, Nr. 31). 59 AUDIENZEN UND ANGELUS 6. Das Konzil nennt unter den Formen des gemeinschaftlichen Apostolats ausdrücklich und besonders die Katholische Aktion (Apostolicam actuositatem, Nr. 20). Obwohl in den verschiedenen landesüblichen Formen und trotz der Veränderungen, die im Laufe der Zeit erfolgt sind, zeichnet sich die Katholische Aktion durch die ständige äußerst enge Bindung zur Hierarchie aus: nicht zuletzt der Grund für die reichen Früchte, die sie in der Kirche in ihrer langjährigen Geschichte und in der Welt erbracht hat. Die unter dem Namen Katholische Aktion bekannten Vereinigungen (aber auch unter anderen Namen und von ähnlicher Art) haben als Zielsetzung die Evangelisierung und die Heiligung des Nächsten, die christliche Gewissensbildung, die Beeinflussung der Sitten und die religiöse Belebung der Gesellschaft. Die Laien übernehmen die Verantwortung in Gemeinschaft mit dem Bischof und den Priestern. Sie „handeln unter der Oberleitung der Hierarchie selbst. Diese kann die Mitarbeit auch durch ein ausdrückliches Mandat bestätigen” (ebd.). Vom Maß ihrer Treue zur Hierarchie und ihrer kirchlichen Eintracht hängt der Grad ihrer Aufbaufähigkeit des Leibes Christi ab und wird immer abhängen, während die Erfahrung lehrt: Wenn dem eigenen Handeln der Dissens zugrundeliegt und man fast programmatisch eine Konflikthaltung einnimmt, baut man nicht nur nicht die Kirche auf, sondern setzt einen selbstzerstörerischen Prozeß in Gang, der die Arbeit zunichte macht und im allgemeinen zur eigenen Auflösung führt. Die Kirche, das Konzil und der Papst hoffen und bitten, daß in den zusammenfassenden Formen des Laienapostolats und besonders in der Katholischen Aktion immer die Ausstrahlung der kirchlichen Gemeinschaft in ihrer Einheit, ihrer Liebe und ihrer Sendung der Verbreitung des Glaubens und der Heiligkeit in der Welt zu erkennen ist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit besonderer Freude heiße ich Euch, die so zahlreich anwesenden Pilger und Besucher deutscher Sprache zu dieser Audienz willkommen. Euch allen gilt mein herzlicher Gruß. Mein besonderer Gruß gilt den Bürgermeistern, die an einem Exerzitienkurs der Erzabtei Beuron teilnehmen, sowie den Akademikern und Studenten des Kartellverbandes katholischer deutscher Studentenvereine, insbesondere der Verbindung „Ravensberg” aus Münster. Ferner grüße ich die Pilger der Schönstattbewegung aus den Diözesen Basel, Chur, St. Gallen, die Pfarrgemeinde Heilig Geist aus Hüsten sowie die Bezirksschützen aus Südtirol. Euch allen, Euren heben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Gläubigen erteile ich mit meinen besten Wünschen für ein frohes Osterfest von Herzen meinen Apostolischen Segen. 60 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Kreuz Christi schenkt Hoffnung und Freude Angelus am IX. Weltjugendtag, Palmsonntag, 27. März 1. Liebe Jugendliche! Wir vollziehen heute eine Geste, die von Jahr zu Jahr immer größere symbolische Bedeutung erlangt: Das Pilgerkreuz wandert von Hand zu Hand, von Schulter zu Schulter. Die amerikanischen Jugendlichen aus Denver, wo das denkwürdige Treffen vom August des vergangenen Jahres stattgefunden hat, übergeben heute das Kreuz ihren asiatischen Brüdern und Schwestern aus Manila, der Hauptstadt der Philippinen, wo im Januar 1995 das nächste Welttreffen abgehalten wird. Liebe Freunde, ihr könnt im Kreuz das Zeichen der Hoffnung erkennen, die nicht trügt. Ihr habt verstanden, daß man sich des Kreuzes nicht schämen, sondern rühmen soll: Es ist das Zeugnis der Leidenschaft Gottes für den Menschen, der unwiderlegbare Beweis seiner Liebe. Sagt allen, daß gerade deshalb das Kreuz demjenigen, der es annimmt, neue und echte Freude schenkt: die Freude des Sieges über das Böse und den Tod! 2. Anwesend sind heute junge Menschen, die aus Denver und anderen Teilen der Vereinigten Staaten gekommen sind und das Pilgerkreuz des Weltjugendtages ihren Altersgenossen aus den Philippinen übergeben haben. Während das dritte Jahrtausend naht, zieht das Kreuz Christi auf den Schultern der Jugendlichen aus zum großen Erdteil Asien. Wir alle müssen uns auf Manila vorbereiten; vor allem geistlich, durch das immer hochherzigere Bemühen, das Evangelium Christi in der Gesellschaft zu verwirklichen: in der Familie, in der Schule, bei der Arbeit und in der Freizeit sowie in allen zwischenmenschlichen Beziehungen. Wir werden nach Manila gerufen, um über die Worte Christi an seine Jünger nachzudenken: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 20,21). Gesandtsein heißt, im Namen dessen zu gehen, der uns sendet: zu gehen mit all unserem Vertrauen, das wir in ihn gesetzt haben. 3. Herzlich begrüße ich die hier anwesenden Jugendlichen spanischer Sprache. Ich lade euch und eure Altersgenossen zum Treffen des nächsten Jahres nach Manila auf den Philippinen ein, wohin das Licht des Evangeüums dank des heroischen Glaubens der unerschrockenen Missionare gelangt ist, welche die tiefgreifende Gegenwart des Christentums im Fernen Osten ermöglicht haben. 4. Der nächste Weltjugendtag will alle Christen, besonders die Jugendlichen, auf die Notwendigkeit eines mutigen missionarischen Einsatzes hinweisen. Liebe junge Menschen, Christus braucht euch, damit ihr das Evangelium in aller Welt verkündet. Eure Brüder und Schwestern warten darauf, um durch euch den Herrn kennenzulernen, der das Leben schenkt. 61 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: 5. Herzlich lade ich euch, meine heben Jugendhchen, nach Manila ein. Es gibt einen Menschen, der uns lehren kann, das Kreuz Christi in Liebe zu tragen: seine Mutter Maria. Maria ist eine junge Frau gewesen, voller Liebe für das Leben. Im Unterschied zu den Aposteln hat sie sich niemals des Leidens ihres Sohnes geschämt, weil sie darin die Liebe des Vaters erkannte, von dem Jesus gekommen war und zu dem er zurückkehren sollte. 6. In diesem Jahr der Familie vertrauen wir der seligsten Jungfrau besonders die jungen Paare an, auf deren Schultern oft schwere Sorgen lasten aufgrund von wirtschaftlichen Einschränkungen, Wohnungsmangel und Arbeitslosigkeit. Bemühen wir uns nach dem Vorbild Christi, die Menschen in Not nicht allein zu lassen. Machen wir diesen Tag vor allem zu einem Fest der Solidarität, der gegenseitigen Hilfe und der Hoffnung. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Im Zusammenhang mit dieser Passionszeit rufe ich euch erneut und mit großem Schmerz dazu auf, für Burundi zu beten! Die Lage in diesem heben afrikanischen Land ist wirklich dramatisch! Ein schreckliches Massaker ist dort im Gang, das zahllose Opfer fordert. Die Plünderungen und Gewaltakte sind nicht zu zählen. Im Namen Christi wende ich mich an diese heben Völker und an ihre Führer und sage zu ihnen: Laßt ab von den tödlichen Rachegefühlen; nehmt den Weg des Dialogs wieder auf; übt die Vergebung nach dem Beispiel Christi; nur so kann euch das kommende Osterfest das Geschenk des Friedens bringen! Im Zeichen von Kreuz und Auferstehung Ansprache bei der Generalaudienz am 30. März Liebe Brüder und Schwestern! Ihr seid zur Karwoche hierhergekommen. Sie ist in jedem Jahr in der Geschichte der Welt die einzige Woche, wo wir in besonderer Weise des Sohnes Gottes gedenken, der sich uns gleichgemacht hat, ja gehorsam wurde bis zum Tod am Kreuz. Dieses Geheimnis seines Leidens, seines Todes und seiner Auferstehung erleben wir von neuem in dieser Woche, aber besonders während der drei letzten Tage, des Heiligen Triduums: Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag. Am Gründonnerstag erlebt die Kirche die Erniedrigung ihres Herrn, der den Aposteln die Füße wäscht, um sie und uns alle auf die Einsetzung der heiligen Euchari- 62 AUDIENZEN UND ANGELUS stie vorzubereiten, wo er, Jesus, der Sohn Gottes, sich zu unserem Diener macht als Brot, als Speise. Er nährt uns mit seinem Leib, und er nährt uns mit seinem Blut. Das ist das Geheimnis unseres christlichen Lebens. Wir sind Christusträger, wir sind Gottesträger, vor allem dank der Eucharistie, die am Gründonnerstag im Abendmahlssaal während des Letzten Abendmahls eingesetzt wurde. Die Kirche bereitet sich mit großem Eifer auf diese österliche Begegnung mit ihrem Herrn vor, besonders indem sie die heiligen Öle für alle Sakramente weiht. Der Gründonnerstag ist der Tag der Sakramente, der Einsetzung der Eucharistie und der Einsetzung aller Sakramente, von denen die Kirche lebt, denn Christus wirkt in diesen Sakramenten, er schenkt uns sein Leiden und seine Auferstehung und läßt uns sein Leben leben. Karfreitag ist der Tag seines Leidens. An diesem Freitag herrscht besonders das Kreuz vor: „Ecce lignum Crucis, in quo salus mundi pependit - seht das Holz des Kreuzes, dieses Kreuz, in dem Jesus die Welt gerettet hat”; auf diesem Kreuz hat er als Knecht Jahwes alle Sünden der Welt getragen, und mit diesen Sünden wurde er vom Vater als immerwährendes Opfer angenommen, als geistliches Opfer, durch den Heiligen Geist Gott geweiht für alle Ewigkeit. Und so ist Jesus als unser Erlöser in den Tempel des lebendigen Gottes eingetreten. Das ist das Geheimnis, das auch der Brief an die Hebräer wieder vorlegt, der während der Karwoche und vor allem am Karfreitag verlesen wird. Und so betrachten wir Christus, den Gekreuzigten. Wir betrachten ihn auch hier in Rom im Kolosseum, wo jeweils der Kreuzweg stattfindet. In diesem Jahr wird der Kreuzweg nach dem Text gebetet, den der Patriarch von Konstantinopel vorbereitet hat: eine große ökumenische Hoffnung. Ich lade alle in den Petersdom zur Kreuzverehrung ein. Ich lade alle, Römer und Pilger, vor allem zum Kreuzweg am Kolosseum ein. Dann, am Karsamstag, erleben wir die Vigil. Jesus ist begraben, ins Grab gelegt worden, und die ganze Welt wartet auf den Augenblick, wo sich dieses Grab öffnet und Er als Sieger über den Tod heraustritt. Er tritt als Auferstandener hervor. Der Ruf „Er ist auferstanden!” wird aus dem Grab ertönen, wo Jesu Leib begraben worden war. So beginnt der Ostersonntag, der Sonntag der Auferstehung, an dem der auferstandene Christus unser Ostern ist. Pascha heißt „Übergang”. Wir wollen in Ihm vom geistlichen Tod, vom Tod der Sünden zum Leben in Gott übergehen. Dieses große Geheimnis, das Geheimnis, das alle Zeiten umfaßt, verwirklicht sich immer in einer günstigen Zeit: in der Zeit des Heils, der Fastenzeit, und vor allem in der Heiligen Woche, in den drei Tagen des Heiligen Triduums. Ich lade euch, meine Lieben, ein, andächtig und fruchtbringend an dieser großen Liturgie der drei Kartage teilzunehmen. 63 AUDIENZEN UNDANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich heiße ich Euch, die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern, zu dieser Audienz willkommen. Mein Gruß gilt Euch ahen, den Gruppen, den Familien und Einzelpilgem, die Ihr in dieser Karwoche hier am Grab des hl. Petrus versammelt seid. Einen besonderen Gruß richte ich an die „Armen Schulschwestem Unserer Lieben Frau”, an die Jugendlichen und an die Schülergruppen aus Österreich. Euch allen, Euren heben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns in der unverbrüchlichen österlichen Hoffnung verbunden sind, wünsche ich schon heute gesegnete Ostern und erteile von Herzen meinen Apostolischen Segen. Ein Engel verkündete Maria die Auferstehung Regina Caeh am Ostermontag, 4. April Ich möchte alle Anwesenden grüßen und einem guten Brauch gemäß etwas über den heutigen Tag sagen, den Ostermontag, der auch „Montag des Engels” genannt wird. Warum heißt er so? Mir scheint dies eine gute Bezeichnung: „Montag des Engels”. Man muß diesem Engel, der aus der Tiefe des Grabes sagen konnte: „Er ist auferstanden!”, einen gewissen Platz einräumen. Dieses Wort „auferstanden” war dem Menschen so schwer zu sagen, auszudrücken. Auch die Frauen, die zum Grab gingen und es leer fanden, konnten nicht sagen: „Er ist auferstanden”, sondern nur, daß das Grab leer war. Der Engel sagt mehr: „Er ist nicht hier, er ist auferstanden!” Das konnte nur der Engel sagen, so wie er einst zu Maria gesagt hatte: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn ... Er wird groß sein ... Sohn Gottes.” Für den Menschen war ein Gott-Mensch, ein Gott, der Mensch wurde, nicht denkbar. Ein vom Vater gesandter Engel mußte dies Maria sagen. Es ist aufschlußreich, daß am Ostersonntag die Frauen zum Grab gehen, Maria aber nicht. Ein polnischer Schriftsteller sagt, daß sie wahrscheinlich von den Ereignissen und den gemeinsamen Gebeten sehr mitgenommen war, und als diese drei Frauen zum Grab gingen, Maria nicht mitgehen konnte. Der gleiche Schriftsteller fügt hinzu, daß sie gewiß die erste war, die diese außerordentliche Nachricht erhalten hat. Sie hat als erste die Verkündigung der Menschwerdung vom Engel erhalten, und sie ist auch die erste, welche die Botschaft von der Auferstehung empfängt. Davon spricht die Schrift nicht, aber es ist eine Überzeugung, die auf der Tatsache gründet, daß Maria die Mutter Christi, die treue Mutter, die auserwählte Mutter, war, und daß Christus der treue Sohn seiner Mutter war. Christus wußte wohl, wieviel sein Tod, sein Leiden, die Mutter gekostet hat. 64 AUDIENZEN UND ANGELUS Er wollte sie nicht allein lassen, und deshalb dachte er sogleich daran, seiner Mutter unter dem Kreuz einen anderen Sohn zu geben, einen Sohn, der sie beschützte, verteidigte. Sicher dachte Christus selbst im Augenbück der Auferstehung daran, zuerst seiner Mutter diese Nachricht, diese Ankündigung zu bringen. Eine Überzeugung, die uns heute und während der ganzen Osterzeit sprechen, ja beten läßt: „Freu dich, du Himmelskönigin.” Das sagt die Kirche, aber dieses „Freu dich, du Himmelskönigin” war sozusagen die erste Verkündigung der Auferstehung, die Maria vom Engel gemacht wurde. So erklärt sich der Name des heutigen zweiten Ostertages, des „Montags des Engels.” In Jesus Christus Sünde und Tod überwinden Ansprache bei der Generalaudienz am 6. April Liebe Brüder und Schwestern! Wir feiern den Tag, der eine Oktav wird. Jeden Tag sprechen wir dasselbe „Haec est dies”. Heute ist Mittwoch, der vierte Tag dieser Oktav, und heute lesen wir in der Liturgie die Lukaserzählung über die beiden Jünger, die nach Emmaus gingen. Diese Jünger sprachen miteinander über die Ereignisse der vergangenen Tage, natürlich vor allem über das außerordentliche Geschehen, das ganz Jerusalem erschüttert hatte: Die Volksführer, die Machthaber, die Priester, die Pharisäer hatten Jesus Christus, den großen Propheten, gekreuzigt. Man hatte geglaubt, er würde Israel von der römischen Zwangsherrschaft befreien; hingegen hatten sie ihn gekreuzigt. Er war gestorben und begraben. In diesem Augenblick kam ein Wanderer hinzu; sie wußten nicht, wer er sei. Sie redeten weiter, denn er fragte sie, warum sie traurig seien. Sie waren betrübt über dieses Geschehen. Sie waren Jünger Jesu und flohen wahrscheinlich aus Jerusalem, um nicht in Gefahr zu geraten. Und als sie ihre Sorge bekundeten, sagte Jesus zu ihnen: „Habt ihr das nicht verstanden, was die Propheten über den Messias sagten? Der Messias sei nicht der, welcher Israel im politischen Sinn befreien würde. Nach Jesaja und den anderen Propheten ist er der, welcher die ganze Menschheit von der Knechtschaft der Sünde und des Todes befreien würde. Er selbst würde den Tod auf sich nehmen und gekreuzigt, zuvor gegeißelt und mit Domen gekrönt werden. Aber dann würde er auferstehen.” Nachdem die beiden Jünger ihm zugehört hatten, sagten sie: „Das ist wahr; heute morgen hat sich die Nachricht verbreitet, daß das Grab leer sei. Das sagten einige Frauen. Aber wir wissen nicht, wie die Dinge stehen, obwohl einige von uns Jüngern zum Grab gegangen sind.” Es waren Petrus und Johannes. 65 AUDIENZEN UND ANGELUS Wir sprechen vom Sonntag, dem Tag nach dem Sabbat. Vom Sonntag, das heißt vom Tag, an dem Christus auferstanden ist, des Nachts und am frühen Morgen. Jetzt sind wir beim Spätnachmittag. Zuerst hatten sich die Ereignisse in dieser Weise abgespielt. Am frühen Morgen waren als erste drei Frauen mit Namen Maria gekommen. Sie gingen zum Grab, um Jesus in seinem Grab zu salben. Sie sahen den großen Stein und das leere Grab. Das war die erste Feststellung: das leere Grab. Mit dieser Nachricht gingen die Frauen zu den Aposteln, die sich aus Furcht im Abendmahlssaal versammelt hatten, und sagten: „Jemand hat den Leichnam Jesu gestohlen, denn das Grab ist leer.” Die Apostel glaubten ihnen nicht. Zwei von ihnen, Petrus und Johannes, beschlossen hinzugehen und nachzusehen. Sie gingen hin und stellten das gleiche fest: Das Grab war leer und der Leichnam verschwunden. Was soll das heißen? Wenn das Grab leer war, muß jemand den Leichnam gestohlen haben. So dachte Maria Magdalena: Jemand hat den Leichnam gestohlen. Und als sie zum zweiten Mal zum leeren Grab kam, begegnete sie dort einem Gärtner und fragte ihn: „Hast du ihn vielleicht gestohlen und an einen anderen Ort gebracht? Sag es uns!” Aber Jesus rief sie bei ihrem Namen: „Maria.” Da verstand Magdalena, daß es Jesus war. Erstmals nach seinem Tod hat sich Jesus dieser Frau, Maria Magdalena, als lebend geoffenbart. Es war die erste Offenbarung des auferstandenen Jesus in Person. Auf Maria Magdalena folgten als zweite die beiden Jünger von Emmaus. Jesus offenbarte sich Maria morgens. Sie brachte dann den Jüngern die Nachricht: „Ich habe den Herrn gesehen!” Den beiden Jüngern von Emmaus offenbarte er sich am Nachmittag, gegen Abend. Als sie begriffen hatten, daß dieser Wanderer, mit dem sie gesprochen hatten, Jesus war, kehrten sie sofort nach Jerusalem zurück, um die anderen Jünger, die anderen Apostel, zu suchen. Sie fanden sie im Abendmahlssaal, und diese erzählten ihnen: „Er ist schon hier gewesen.” Denn am Sonntagabend war Jesus den Aposteln im Abendmahlssaal erschienen. Er hatte sie begrüßt: „Friede sei mit euch!” Und dann hatte er ihnen allen diesen großen Auftrag gegeben: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Accipite Spiritum Sanctum. Empfangt den Heiügen Geist.” Und er hatte ihnen die Vollmacht verliehen, die Sünden zu vergeben. Das ist mehr oder weniger der zeitliche Ablauf des ersten Tages nach der Auferstehung, des Sonntags. Wir haben heute schon den vierten Tag in der Oktav, aber wir lesen jeden Tag einen chronologischen Abschnitt dieser Ereignisse des ersten Tages. Heute haben wir das vierte Ereignis, das heißt die Begegnung mit den Jüngern von Emmaus, gelesen. Ich grüße euch alle sehr herzlich und sage euch: „Haec dies quam fecit Dominus.” Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Ich wünsche euch nochmals Frohe Ostern, denn dies ist wirklich eine frohe Botschaft der Auferstehung Jesu. Sie sagt uns, daß das Leben den Tod besiegt, daß die Gnade die Sünde überwindet und daß wir in Jesus Christus dazu bestimmt sind, unsere Sünden und unseren Tod zu überwinden und an der Auferstehung teilzuhaben. 66 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! „Des Lebens Fürst, der starb, herrscht nun lebend.” Nach den Tagen, an denen die Kirche des Leidens und Sterbens ihres Herrn gedacht hat, erschallt nun auf dem ganzen Erdenkreis das österliche Halleluja: Der Herr ist wahrhaft auferstanden! Christus ist vom Tod zum Leben gelangt, damit die Menschheit zusammen mit Ihm auferstehen kann zum ewigen Leben. Diese österliche Freudenbotschaft ist von den ersten Zeugen in den Tagen der Apostel über die Jahrhunderte zu uns gelangt. Heute soll sie auch im Herzen und im Leben eines jeden von uns widerklingen, uns, die wir zu neuem Leben berufen sind. Ostern ist das Fest des Lebens, das den Tod überwindet. Es ist erfüllt von einer Freude, die die Heiligkeit des Lebens verteidigt und hebt. Ist also nicht die Familie, das Heiligtum des Lebens, der Ort schlechthin, an die sich diese Freudenbotschaft zu allererst zu wenden hat? Vor allem in der Familie müssen die Anweisungen des Herrn ihre Anwendung finden, wie ich in meinen jüngsten Brief an die Familien geschrieben habe: „Der Familie ist die Aufgabe anvertraut, vor allem für die Befreiung der Kräfte des Guten zu kämpfen, dessen Quelle sich in Christus, dem Erlöser der Menschen befindet” (Nr. 23). Jede Familie sollte also falschen Ansprüchen der Kultur des Todes widerstehen und mit Mut und Entschlossenheit für die Werte des Lebens, des Respektes vor der menschlichen Person und der Solidarität eintreten. Euch allen, hebe Schwestern und Brüder, wünsche ich, daß Ihr in dieser gerade begonnenen österlichen Zeit den tiefen geistlichen Reichtum wiederentdeckt, den der Vater uns in Tod und Auferstehung seines Sohnes Jesus Christus geschenkt hat. Ich lade Euch daher ein, Euch auf Eurem Lebens- und Glaubensweg dem göttlichen Erlöser gläubig und mit der Bereitschaft, ihm zu folgen, anzuvertrauen. Maria, die nach dem Tode ihres Sohnes die Erwartung der Auferstehung in ihrem Herzen bewahrt hatte und nun bei der Begegnung mit ihm von Freude erfüllt war, begleite einen jeden von Euch auf den Spuren Jesu und bringe ihn zu der Fülle der Lebens in ihm, der tot war und jetzt in Ewigkeit lebt. Mit dieser kurzen Betrachtung richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß an Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher. Mein besonderer Gruß gilt den Teilnehmern der Osterromfahrt der Jugend der Diözese Regensburg sowie allen Ministranten- und Jugendgruppen, die heute in großer Zahl an dieser Audienz teilnehmen. Weiter heiße ich das Katholischen Bildungswerk Marktredwitz-Brand und die Pilger aus dem Bereich der Bundesgrenzschutz-Seelsorge Deggendorf aufs herzlichste Willkommen. Möge die Osterlfeude, die uns alle erfüllt, uns in unseren Alltag hinein begleiten und unseren Glauben mit neuer Lebendigkeit und Überzeugungskraft erfüllen. Mit meinen besten Wünschen für frohe und erlebnisreiche Tage in Rom verbinde ich einen besonderen Gruß an Eure Lieben in der Heimat und erteile Euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Frohe Ostern! 67 AUDIENZEN UND ANGELUS Ostern: Sieg des göttlichen Erbarmens Regina Caeli am Weißen Sonntag, 10. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Friede sei mit euch!” Das ist der Gruß des Auferstandenen, der mehrmals in den Schriftlesungen dieser Osteroktav und besonders im Evangelium der heutigen Liturgie erklang. Dieser Gruß aus Jesu Mund reicht weit über die Aussicht auf und den Wunsch für einen wenn auch dringend notwendigen äußeren Frieden hinaus. Der von Jesus gebrachte Frieden ist die Fülle des Ostergeschenks. Christus selbst ist unser Frieden (vgl. Eph 2,14). Indem er nach der Auferstehung den Aposteln erscheint, eröffnet er, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt (vgl. Joh 1,29), die Zeit der großen Vergebung, die den Menschen durch das Geschenk des Geistes und die Sakramente der Kirche angeboten wird: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben” (Joh 20,23). 2. So wird der vom Auferstandenen geschenkte Frieden zum Sieg des göttlichen Erbarmens. Was ist denn das Erbarmen anderes als die grenzenlose Liebe Gottes, der, indem er das strenge Gerechtigkeitsgefühl bremst, sich von der Not seines Geschöpfes gleichsam erweichen läßt und durch den Kreuzestod des Sohnes bis zur totalen Selbsthingabe geht? „O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden!” (Osterlob). Um die Tiefe dieses Geheimnisses zu erfassen, müssen wir die bestürzende Offenbarung Jesu ernst nehmen: „Im Himmel wird mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren” (vgl. Lk 15,4-6). Gott ist wirklich der Hirt, der die neunundneunzig Schafe zurückläßt und dem verlorenen nachgeht (vgl. Lk 15,4-6). Er ist der Vater, der immer auf den verlorenen Sohn wartet (vgl. Lk 15,11-31). Wer kann sagen, er sei ohne Sünde und habe das Erbarmen Gottes nicht nötig? Wir, Menschen unserer so unruhigen Zeit, schwankend zwischen der Leere der Selbstverherrlichung und der Mutlosigkeit der Verzweiflung, brauchen mehr denn je eine belebende Erfahrung des Erbarmens. Wir müssen lernen, mit dem Vertrauen und der Einfachheit von Kindern zu Gott zu sagen: „Groß ist unsere Sünde, aber noch größer ist deine Liebe!” (Hymnus bei der Vesper in der Fastenzeit). Indem wir uns dem Erbarmen öffnen, suchen wir gewiß nicht einen Grund, um uns der Mittelmäßigkeit und Sünde zu überlassen, sondern fühlen uns im Gegenteil zu Vorsätzen für ein neues Leben angespomt. 3. Maria, Mutter der Barmherzigkeit! Du kennst wie keiner das Herz deines göttlichen Sohnes. Flöße uns Jesus gegenüber das von den Heiligen gelebte kindliche Vertrauen ein, jenes Vertrauen, das die selige Faustina Kowalska beseelt hat, die große Jüngerin der göttlichen Barmherzigkeit in unserer Zeit. 68 AUDIENZEN UND ANGELUS Schau liebevoll auf unsere Not. O Mutter, entreiße uns den Versuchungen der Selbstgenügsamkeit und der Entmutigung, und erlange uns die Fülle des Erbarmens, das uns rettet. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzliche Grüße richte ich an alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, insbesondere an die Gruppe der Neokatechumenalen und Pfarrangehörigen von St. Brigitta in Wien. Euch alle bitte ich um euer begleitendes Gebet für die begonnene Sondersynode für Afrika. Nach dem österlichen Marienloh sagte der Papst zur dramatischen Lage in Ruanda: Die traurigen Nachrichten, die aus Ruanda kommen, rufen in den Herzen aller großen Schmerz hervor. Ein neues, unsagbares Drama: die Ermordung der Staatsoberhäupter von Ruanda und Burundi und ihrer Begleitung; der ruandische Regierungschef und seine Familie niedergemetzelt; Priester, Ordensmänner und -frauen ermordet. Überall Haß, Rache und Blutvergießen des Bruders. Im Namen Christi bitte ich euch, legt die Waffen nieder, macht den Preis der Erlösung nicht nutzlos, öffnet dem Friedensgebot des Auferstandenen euer Herz! Ich appelliere an alle Verantwortlichen - auch der internationalen Gemeinschaft -, damit sie nicht nachlassen und jeden Weg suchen, der so viel Zerstörung und Tod Einhalt gebieten kann. Der Dienst der Laien in der Welt - Soziale Unterschiede durch konkrete Formen der Gerechtigkeit und Liebe ausgleichen Ansprache bei der Generalaudienz am 13. April 1. Es gibt eine Ordnung von Wirklichkeiten - Einrichtungen, Werte, Tätigkeiten -, die man gewöhnlich zeitlich nennt, weil sie unmittelbar die Dinge betrifft, die zum Bereich des gegenwärtigen Lebens gehören, obwohl auch sie auf das ewige Leben ausgerichtet sind. Die lebendige Welt ist nicht aus trügerischen Erscheinungsformen und Schatten gemacht und kann auch nicht nur in bezug auf das Jenseits betrachtet werden. Das II. Vatikanische Konzil lehrt: „Alles, was die zeitliche Ordnung ausmacht, ... ist nicht nur Hilfsmittel zur Erreichung des letzten Zieles des Menschen, sondern hat seinen Eigenwert” (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 7). Der biblische Schöpfungsbericht stellt uns diesen Wert als von Gott anerkannt, gewollt und begründet dar, der nach dem Buch Genesis „sah, daß es (das, was er geschaffen hatte) gut war” (1,12.18.21), ja nach der Erschaffung von Mann und Frau sogar „sehr gut” (1,31). Durch die Menschwerdung und die Erlösung wird der Wert der zeitlichen 69 AUDIENZEN UND ANGELUS Dinge nicht aufgehoben oder beeinträchtigt, als ob das Werk des Erlösers im Gegensatz zum Werk des Schöpfers stünde, sondern wiederhergestellt und erhöht entsprechend dem Plan Gottes, „in Christus alles zu vereinen” (Eph 1,10) und „durch ihn alles zu versöhnen” (Kol 1,20). Deshalb haben alle Dinge in Christus Bestand (vgl. Kol 1,17). 2. Und doch kann man die geschichtliche Erfahrung des Bösen und - für den Menschen - der Sünde nicht übersehen, die nur durch die Enthüllung des Sündenfalls der Stammeitem und der unter den Generationen danach geschehenen Sünden zu erklären ist. „Im Lauf der Geschichte wurden die zeitlichen Dinge durch schwere Mißbräuche entstellt”, sagt das Konzil (Apostolicam actuositatem, Nr. 7). Nicht wenige werden auch heute, anstatt daß sie über die Dinge nach dem Plan und Auftrag Gottes herrschen, wie es die Fortschritte in Naturwissenschaft und Technik erlaubten, durch ihr übermäßiges Vertrauen in ihre neuen Fähigkeiten deren Sklaven und erleiden sogar großen Schaden. Aufgabe der Kirche ist es, den Menschen zu helfen, die ganze zeitliche Ordnung gut zu lenken und sie durch Christus auf Gott auszurichten (vgl. ebd.). Die Kirche macht sich so zur Dienerin der Menschen, und die Laien haben an der Sendung teil, „den Menschen und der Gesellschaft zu dienen” (Christifideles laici, Nr. 36). 3. Dabei ist vor allem zu bedenken, daß die Laien berufen sind, zu der heute besonders notwendigen und dringenden Förderung der Person beizutragen. Es geht dämm, den zentralen Wert des Menschen zu retten und oft wiederaufzurichten, der, gerade weil Person, nie als „benutzbares Objekt, als Werkzeug, als ein Ding” (ebd., Nr. 37) behandelt werden darf. Hinsichtlich der personalen Würde sind alle Menschen untereinander gleich: Keine Diskriminierung ist erlaubt, sei sie rassisch, geschlechtlich, wirtschaftlich, sozial, kulturell, politisch oder geographisch begründet. Es ist eine Pflicht der Solidarität, die Unterschiede, die aus den Orts- und Zeitumständen erwachsen, unter denen jeder geboren wird und lebt, durch tatkräftige menschliche und christliche Unterstützung in konkreten Formen von Gerechtigkeit und Liebe auszugleichen, wie Paulus den Korinthern erklärte und empfahl: „Denn es geht nicht darum, daß ihr in Not geratet, indem ihr anderen helft; es geht um einen Ausgleich ... Euer Überfluß [soll] ihrem Mangel abhelfen, damit auch ihr Überfluß einmal eurem Mangel abhilft. So soll ein Ausgleich entstehen” (2 Kor 8,13-14). 4. Die Förderung der Würde der Person ist verbunden mit der „Achtung, dem Schutz und der Förderung der Rechte der menschlichen Person” (vgl. Christifideles laici, Nr. 38). Erforderlich ist vor allem die Anerkennung der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens, das Recht auf Leben, und es kann als „erstes und fundamentales Recht ... als Bedingung für alle anderen Rechte” (ebd.) betrachtet werden. Daraus folgt, daß all das, „was zum Leben selbst in Gegensatz steht ... was immer die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt... was immer die menschliche Würde angreift... all diese ... Taten sind ... in höchstem Maße ein Widerspruch ge- 70 A UDIENZEN UND ANGELUS gen die Ehre des Schöpfers” (Gaudium et spes, Nr. 27), der den Menschen als sein Abbild, ihm ähnlich und seiner Herrschaft unterstellt, geschaffen haben wollte (vgl. Gen 1,26). Besondere Verantwortung für diesen Schutz der personalen Würde und das Recht auf Leben tragen die Eltern, die Erzieher, die im Gesundheitswesen Tätigen und die Träger der wirtschaftlichen und politischen Macht (vgl. Christifideles laici, Nr. 38). Die Kirche ruft die Laien besonders auf, die Herausforderungen mutig in Angriff zu nehmen, die durch die neuen Probleme im Bereich der Bioethik entstanden sind (vgl. ebd.). 5. Zu den zu schützenden und fördernden Rechten der Person gehört das der Religionsfreiheit, der Gewissensfreiheit und der Freiheit, den eigenen Glauben zu bekennen (vgl. ebd., Nr. 39). Die Kirche besteht darauf, daß die Gesellschaft die Pflicht habe, das Recht der Person sicherzustellen, damit diese ihre Überzeugungen bekennen und ihre Religion in den gebührenden, von der gerechten öffentlichen Ordnung bestimmten Grenzen praktizieren kann (vgl. Dignitatis humanae, Nr. 2.7). An Märtyrern für den Schutz und die Förderung dieses Rechtes hat es nie gefehlt. Die Laien sind berufen, sich im politischen Leben den Fähigkeiten und den Zeit- und Ortsbedingungen entsprechend zu engagieren, um das Gemeinwohl in all seinen Erfordernissen zu fördern und besonders die Gerechtigkeit zugunsten der Bürger in ihrer Eigenschaft als Personen anzuwenden. Wir lesen im Apostolischen Schreiben Christifideles laici: „Eine Politik, die auf den Menschen und auf die Gesellschaft ausgerichtet ist, findet darüber hinaus ihre kontinuierliche Richtlinie in der Verteidigung und Förderung der Gerechtigkeit” (Nr. 42). Es ist klar, daß bei dieser Aufgabe, die allen Gliedern der irdischen Stadt gestellt ist, die christlichen Laien gerufen sind, das gute Beispiel eines ehrenhaften politischen Verhaltens zu geben, das keine persönlichen Vorteile sucht noch vorgibt, Gruppen- und Parteiinteressen mit unerlaubten Mitteln auf Wegen zu dienen, die tatsächlich zum Zusammenbruch auch der edelsten und heiligsten Ideale führen. 6. Die Laien werden es nicht unterlassen, sich den Anstrengungen der Gesellschaft anzuschließen, um in der Welt den Frieden wiederherzustellen. Für sie geht es darum, den von Christus gegebenen Frieden (vgl. Joh 14,27; Eph 2,14) in seinen sozialen und politischen Dimensionen, in den einzelnen Ländern und in der Welt zu verwirklichen, wie es das Gewissen der Völker immer mehr verlangt. Es ist ihre Aufgabe, zu diesem Zweck eine weitverzweigte Erziehungsarbeit zu leisten mit dem Ziel, die bisherige Kultur des Egoismus, der Rivalität, der Überwältigung, der Rache zu überwinden und die der Solidarität und Nächstenhebe zu entfalten (vgl. Christifideles laici, Nr. 42). Den Laien obliegt es auch, sich in der wirtschaftlich-sozialen Entwicklung einzusetzen. Es ist ein Erfordernis der Achtung der Person, der Gerechtigkeit, der Solidarität und Nächstenhebe. Ihre Sache ist es, mit allen Menschen guten Willens zusammenzuarbeiten, umWege zu finden, damit die allgemeine Bestimmung der Güter sicher- 71 AUDIENZEN UND ANGELUS gestellt werde, welches soziale System auch herrschen mag (vgl. ebd., Nr. 43). Weiter steht es ihnen zu, die Rechte der Arbeitnehmer zu schützen, angemessene Lösungen für die äußerst schweren Probleme der wachsenden Arbeitslosigkeit zu suchen und für die Überwindung aller Formen von Ungerechtigkeit zu kämpfen. Als christliche Laien sind sie in der Welt Ausdruck der Kirche, die die eigene Soziallehre verwirklicht. Sie sollen sich jedoch ihrer persönlichen Freiheit und Verantwortung in diskutierbaren Fragen bewußt sein, wobei die von ihnen gefundenen Lösungen, immer von den Werten des Evangeliums inspiriert, nicht als die für die Christen einzig möglichen dargestellt werden dürfen. Auch die Achtung vor den legitimen Meinungen und Entscheidungen, die sich von den eigenen unterscheiden, ist ein Erfordernis der Nächstenliebe. 7. Die christlichen Laien haben zum Schluß die Aufgabe, zur Entwicklung der menschlichen Kultur mit all ihren Werten beizutragen. Anwesend in den verschiedenen Bereichen der Wissenschaft, des künstlerischen Schaffens, des philosophischen Denkens, der geschichtlichen Forschung usw., bringen sie die notwendige, aus ihrem Glauben erwachsende Inspiration ein. Und weil die kulturelle Entwicklung immer mehr zum Einsatz der Massenmedien führt, der für die Formung der Mentalität und der Sitten so wichtige Instrumente, sollen die Laien hinsichtlich ihres Engagements in Presse, Film, Rundfunk, Fernsehen und Bühnenkunst ein lebendiges Verantwortungsbewußtsein haben, indem sie ihre Aybeit durch das Licht des Auftrages erhellen, das Evangelium in der ganzen Welt zu verkünden: Er ist besonders aktuell in der Welt von heute, in der es dringend ist, die von Jesus Christus für alle eröffneten Fleilswege aufzuzeigen (vgl. ebd., Nr. 44). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Auch heute nehmt Ihr, die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern, in großer Zahl an dieser Audienz teil. Dafür danke ich Euch und heiße Euch alle sehr herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den Pilgern, die an der von der Kirchenzeitung „Tag des Herrn” in den neuen Bundesländern organisierten Pilgerreise teilnehmen, sowie den zahlreichen Schülern und Jugendlichen. Euch allen, Euren Heben Angehörigen zu Hause sowie allen mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostohschen Segen. 72 AUDIENZEN UND ANGELUS Bedrohung der Familie - Gefahr für den Menschen Regina Caeli am 17. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich hatte bereits Gelegenheit, auch als ich an die Staatsoberhäupter der ganzen Welt schrieb, das schmerzliche Erstaunen über einige Ansätze auszudrücken, die sich bei der Vorbereitung der Internationalen Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung gezeigt haben, welche die UNO für den kommenden Monat September nach Kairo einberufen hat. Niemandem entgeht die Bedeutung dieser Generalversammlung, die vor einige der größten Herausforderungen gestellt wird, die heute die Menschheit auf den Plan rufen. Denn die Themen auf der Tagesordnung sind nicht Fragen rein „technischer” Organisation des gesellschaftlichen Lebens, die man ausschließlich Wirtschaftssachverständigen, Soziologen und Politikern überlassen soll. Sie berühren wirklich eine Lebenssphäre, in die wir alle unmittelbar einbezogen sind. Es ist die Art und Weise, menschliches Leben in den entscheidenden Bereichen der Sexualität und der Familie zu konzipieren. Angesichts so komplexer Probleme kann niemand abseits stehen, als beträfen sie ihn nicht. Deshalb möchte ich heute dieser meiner tiefen Sorge Ausdruck geben, indem ich an alle Gewissen appelliere, an die freien Geister, die sich nicht von einseitigen Denkweisen oder wirtschaftlichen und politischen Interessen einfangen lassen. Ich wende mich an alle, die den überhandnehmenden Vorbildern einer trügerischen Freiheit und eines falschen Fortschritts zu widerstehen wissen, welche hingegen, tiefgehend betrachtet, Formen der Sklaverei und des Rückschritts sind, weil sie den Menschen, den unantastbaren Charakter des Lebens und die Fähigkeit zu wahrer Liebe schwächen. Das, was die moralische Norm verletzt, ist für den Menschen nie ein Sieg, sondern eine Niederlage, die ihn zum Opfer seiner selbst macht. 2. In diesem Internationalen Jahr der Familie hätten wir uns eine Wiederentdeckung und Wiedereinführung des Grundsatzes erwartet, der von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bekräftigt wird, nach der die Familie „der natürliche und fundamentale Baustein der Gesellschaft” ist (Art. 16,3). Von ihrem Wesen her ist sie keine Institution, die nach Belieben verändert werden kann: Die Familie gehört zum heiligsten und ursprünglichsten Erbe der Menschheit! Sie kommt auch vor dem Staat, der gehalten ist, sie anzuerkennen und der die Pflicht hat, sie zu schützen aufgrund von ethisch-sozialen Tatsachen, die leicht verständlich und nie zu vernachlässigen sind. Was die Familie bedroht, gefährdet in Wirklichkeit den Menschen. Das zeigt sich noch deutlicher, wenn man von einem mutmaßlichen „Recht auf Abtreibung” spricht. Heute ist es dringlicher denn je, auf Verhaltensweisen zu reagieren, die Frucht einer hedonistischen und permissiven Kultur sind, für welche die uneigen- 73 AUDIENZEN UND ANGELUS nützige Selbsthingabe, die Beherrschung der Triebe, das Verantwortungsbewußtsein Begriffe zu sein scheinen, die einer nunmehr überholten Epoche angehören. Ich frage mich: Zu welcher Gesellschaft wird diese ethische Permissivität führen? Gibt es nicht schon besorgniserregende Symptome, die um die Zukunft der Menschheit fürchten lassen? 3. Ich vertraue dem mütterlichen Herzen Marias diese Fragen an, während ich sie allen, denen das wahre Wohl des Menschen und jedes Menschen am Herzen hegt, zur Erwägung anbiete. Meine Absicht ist nicht, zum Pessimismus und zur Schwarzseherei anzuleiten. Ich halte es aber für meine klare Pflicht, die Stimme der Kirche in bezug auf eine so bedeutende Sache zu erheben. Die seligste Jungfrau spreche zu den Herzen und lasse diese meine Worte die ideologischen und politischen Schranken überschreiten, damit man in diesen Grundfragen ein neues Einverständnis unter allen Menschen guten Willens findet. Nach dem österlichen Marienlob sagte der Papst: Herzlich grüße ich die dreihundert italienischen Seminaristen, die an dem Treffen teilnehmen, das die Päpstlichen Missionswerke über das Thema „Begegnung mit dem Afrika der Synode” veranstaltet haben. Meine Lieben, ich freue mich über euer Interesse an diesem für die afrikanische Kirche und die Weltkirche so wichtigen Ereignis. Ich bin sicher, daß ihr bei diesem Treffen die Verpflichtung bekräftigt habt, eure Bildung zu vertiefen. Die in jedem Volk und in jeder Kultur verstreute Kirche schaut mit Vertrauen auf euch, denn ihr bereitet euch darauf vor, euren Dienst am Evangelium anzubieten. Mit euch segne ich eure Erzieher und eure Familien, und ich lade euch ein, eifrig für die Kirche zu beten, die Afrika ist und die in diesen Tagen auch vom Leiden und vom Martyrium heimgesucht wird. Heute wird in Italien der Tag der Katholischen Herz-Jesu-Universität begangen, dessen bedeutsames Thema in diesem Jahr dazu auffordert, „in die Kultur zu investieren” und nach „neuen Wegen” christlicher Anwesenheit in der Gesellschaft von heute zu suchen. Ich hoffe, daß die italienischen Katholiken diese ruhmvolle Einrichtung weiterhin mit hochherziger Sensibilität durch Gebet, Zuwendung und konkrete Hilfe unterstützen, damit sie immer imstande sein möge, mit Überzeugungskraft die Notwendigkeit dieses Prinzips und dieses Ausblicks der wissenschaftlichen Forschung anzubieten, die in den Werten des Evangeliums ihr festes Fundament finden. Menschliche Arbeit aus der Sicht der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 20. April 1. Unter den gläubigen Laien verdienen die Arbeiter besonders erwähnt zu werden. Die Kirche ist sich der Bedeutung bewußt, welche die Arbeit im menschlichen Le- 74 AUDIENZEN UND ANGELUS ben hat, und sie erkennt deren Charakter als wesentlichen Baustein der Gesellschaft sowohl auf sozioökonomischer und politischer als auch auf religiöser Ebene. Unter letzterem Aspekt betrachtet sie diese als primären Ausdruck des „Weltcharakters” der Laien (Lumen Gentium, Nr. 31), die zum größten Teil Arbeitende sind und in der Arbeit den Weg der Heiligkeit gehen können. Angeregt von dieser Überzeugung, sieht das II. Vatikanische Konzil in der Perspektive des Heilsstrebens das Werk derer, die sich ihm widmen, und ruft sie auf, am Apostolat mitzuwirken (vgl. ebd., Nr. 41). 2. Diesem Thema habe ich die Enzyklika Laborem exercens und andere Dokumente und Interventionen gewidmet, mit denen ich die Bedeutung, die Würde und die Dimensionen der Arbeit in ihrer ganzen Ausdehnung darzustellen versucht habe. Hier beschränke ich mich auf den Hinweis, daß der Hauptgrund dieser Größe und Würde darin besteht, daß die Arbeit ein Mitwirken am Schöpfungswerk Gottes ist. Der biblische Schöpfungsbericht gibt es zu verstehen mit den Worten: „Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue” (Gen 2,15), während er damit an das vorangegangene Gebot, sich die Erde zu unterwerfen (vgl. Gen 1,28), anknüpft. Wie ich in der genannten Enzyklika schrieb, ist der Mensch „unter anderem deshalb Abbild Gottes, weil er von seinem Schöpfer den Auftrag empfangen hat, sich die Erde zu unterwerfen und sie zu beherrschen. Indem er diesen Auftrag erfüllt, spiegelt der Mensch und jeder Mensch das Wirken des Weltenschöpfers selber wider” (.Laborem exercens, Nr. 4). 3. Gemäß dem Konzil {Lumen Gentium, Nr. 41) ist die Arbeit ein Weg zur Heiligkeit, weil sie die Gelegenheit bietet: a) sich selbst zu heiligen. Denn die Arbeit bringt die Persönlichkeit des Menschen zur Entfaltung, indem sie ihn seine Eigenschaften und Fähigkeiten anwenden läßt. Wir begreifen es in unserer Epoche besser durch das Drama der vielen Arbeitslosen, die sich in ihrer Würde als menschliche Personen verletzt fühlen. Dieser personali-stischen Dimension muß zugunsten aller Arbeiter höchste Bedeutung beigemessen werden, indem man versucht, auf jeden Fall menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu gewährleisten; b) den Mitbürgern zu helfen. Das ist die soziale Dimension der Arbeit, die ein Dienst zum Wohl aller ist. Diese Ausrichtung muß immer hervorgehoben werden: Arbeit ist keine egoistische, sondern eine altruistische Tätigkeit; man arbeitet nicht ausschließlich für sich selbst, sondern für die anderen; c) den Fortschritt der ganzen Gesellschaft und der Schöpfung voranzutreiben. Die Arbeit erhält deshalb eine geschichtlich-eschatologische und sozusagen kosmische Dimension, weil es ihre Zielsetzung ist, zur Verbesserung der materiellen Bedingungen des Lebens und der Welt beizutragen, indem man der Menschheit hilft, auf diesem Weg die höheren Ziele zu erreichen, zu denen Gott sie ruft. Der heutige Fortschritt macht diese Zweckbestimmung der Arbeit zur Verbesserung auf welt- 75 AUDIENZEN UND ANGELUS weiter Ebene deutlich. Aber es bleibt viel zu tun, soll die Arbeit diesen vom Schöpfer selbst gewollten Ziele entsprechen; d) Christus durch tätige Nächstenliebe nachzuahmen. Wir werden noch auf diesen Punkt zurückkommen. 4. Im Licht des Buches Genesis, nach dem Gott die Arbeit stiftete und gebot, indem er sich an das erste Menschenpaar wandte (vgl. Gen 1,27-28), gewinnt die Absicht so vieler Männer und so vieler Frauen, die für das Wohl ihrer Familie arbeiten, ihre volle Bedeutung. Die Liebe zum Ehepartner und zu den Kindern, welche den Großteil der arbeitenden Menschen beseelt und antreibt, verleiht dieser Arbeit eine höhere Würde, erleichtert und fördert ihre Durchführung, auch wenn sie viel Mühe kostet. Diesbezüglich ist zu beachten, daß auch in der heutigen Gesellschaft, wo das Prinzip des Rechts der Männer und Frauen auf bezahlte Arbeit gilt, die Bedeutung der nicht unmittelbar gewinnbringenden Arbeit vieler Frauen, die sich den häuslichen Bedürfnissen der Familie widmen, anerkannt und hochgeschätzt werden muß. Es ist eine Arbeit, die auch heute grundlegendes Gewicht für das Leben der Familie und für das Wohl der Gesellschaft besitzt. 5. Hier genügt uns ein Hinweis auf diesen Fragenaspekt, um zu einem Punkt überzugehen, den das Konzil berührt hat, als es über jene sprach, die „oft so schwer arbeiten” (Lumen Gentium, Nr. 41) und wo sich die Bibelworte bewahrheiten: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen” (Gen 3,19). Wie ich in der Enzyklika Laborem exercens schrieb, ist „diese Mühe eine allgemein bekannte, weil allgemein erfahrene Realität. Das wissen die Menschen mit körperlicher Arbeit, deren Tätigkeit manchmal unter äußerst schweren Bedingungen zu verrichten ist ... Das wissen auch die Menschen in der Werkstatt intellektueller Arbeit... Das wissen die Frauen, die manchmal ohne gebührende Anerkennung seitens der Gesellschaft, ja sogar der Angehörigen, tagtäglich die Mühe und die Verantwortung des Haushalts und der Kindererziehung tragen” (Nr. 9). Darin besteht die nicht nur ethische, sondern sozusagen aszetische Dimension, welche es nach Lehre der Kirche in der Arbeit zu erkennen gilt, weil sie gerade durch die auferlegte Mühe die Tugenden des Mutes und der Geduld erfordert und damit zum Weg der Heiligkeit werden kann. 6. Gerade durch die Mühe, die sie mit sich bringt, erweist sich die Arbeit noch deutlicher als eine Pflicht, mit Christus am Heilswerk mitzuwirken. Ihre aus der Teilhabe am Schöpfungswerk Gottes erwachsene Bedeutung wird neu beleuchtet, wenn man sie als Teilhabe am Leben und an der Sendung Christi betrachtet. Wir dürfen nicht vergessen, daß der zu unserem Heil menschgewordene Sohn Gottes es nicht versäumt hat, gewöhnliche, harte Arbeit zu leisten. Jesus Christus hat von Josef das Handwerk des Zimmermanns gelernt und es bis zum Beginn seines öffentlichen Wirkens ausgeübt. In Nazaret war Jesus als „der Sohn des Zimmermanns” (Mt 13,55) oder als „der Zimmermann” selbst (Mk 6,3) bekannt. 76 AUDIENZEN UND ANGELUS Auch deshalb scheint es ganz natürlich, daß er sich in seinen Gleichnissen auf die Berufsarbeit der Männer oder auf die Hausarbeit der Frauen bezieht, wie ich in der Enzyklika Laborem exercens betonte (Nr. 26), und daß er seine Hochschätzung der einfachsten Arbeiten zum Ausdruck bringt. Und das ist ein wichtiger Aspekt seines Lebensgeheimnisses: Jesus wollte und konnte als Sohn Gottes der menschlichen Arbeit höchste Würde verleihen. Der Sohn Gottes hat mit menschlichen Händen und menschlichen Fähigkeiten gearbeitet, wie wir und mit uns, Menschen in Not und mit täglicher Mühe beladen! 7. Für die Gläubigen gewinnt die Arbeit im Licht und nach dem Beispiel Christi ihre mit dem Ostergeheimnis verbundene Zielsetzung. Nachdem Jesus das Beispiel einer Arbeit, wie sie viele andere Arbeiter ausüben, gegeben hatte, vollbrachte er das höchste Werk, das ihm aufgetragen war: die Erlösung, die ihren Höhepunkt im heilbringenden Kreuzesopfer fand. Auf Golgota gibt sich Jesus, dem Vater gehorsam, für die Rettung der Welt hin. Nun, die arbeitenden Gläubigen sind gerufen, sich mit dem Werk des Erlösers zu vereinen. Wie das Konzil sagt, können und sollen sie „Christus in tätiger Liebe nachahmen, der handwerklich gearbeitet hat und immer mit dem Vater zum Heil aller wirkt” (.Lumen Gentium, Nr. 41). So erweist sich die heilbringende Bedeutung der Arbeit, in gewisser Weise auch von philosophischer und soziologischer Stelle in den letzten Jahrhunderten erahnt, auf einer weit höheren Ebene als Teilhabe am erhabenen Werk der Erlösung. 8. Deshalb bekräftigt das Konzil, daß alle „gerade durch die tägliche Arbeit zu einer höheren, auch apostolischen Heiligkeit emporsteigen” können (ebd.). Darin besteht die hohe Sendung der Arbeiter, die berufen sind, nicht nur am Aufbau einer besseren materiellen Welt mitzuwirken, sondern auch an der geistlichen Umwandlung der menschlichen und kosmischen Wirklichkeit, die durch das Ostergeheimnis ermöglicht wurde. Schwierigkeiten und Leiden, die sowohl aus der Arbeitsmühe als auch aus den sozialen Umständen erwachsen, unter denen sie geleistet wird, erhalten für das ganze Menschengeschlecht auf diese Weise und durch die Teilhabe am Erlösungsopfer Christi übernatürliche Fruchtbarkeit. Auch in diesem Fall gilt das Wort des hl. Paulus: „Denn wir wissen, daß die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen hegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, daß wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden” (Röm 8,22-23). Diese Glaubensgewißheit in der geschichtlichen und eschatologischen Sicht des Apostels begründet seinen hoffnungsvollen Ausspruch: „Ich bin überzeugt, daß die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll” {Röm 8,18). 77 AUDIENZEN UND ANGELUS Zum Abschluß der Generalaudienz sagte der Papst: Unsere nachösterliche festliche Versammlung ist von den Nachrichten überschattet, die aus der Stadt Gorazde eintreffen, welche seit vielen Monaten Opfer einer unmenschlichen Belagerung ist. Beeindruckend ist die Tatsache, daß der Angriff auf die geschundene Stadt weitergeführt wird trotz der erzielten Vereinbarung, das Feuer einzustellen, und des von den Belagerern versprochenen Waffenstillstandes. Tiefbetrübt möchte ich eindringlich an alle Beteiligten appellieren, sich an die übernommenen Verpflichtungen zu halten und jenen Völkern weitere sinnlose Leiden zu ersparen. Ich bete zu Gott, daß alle Verantwortlichen, einschließlich die der internationalen Gemeinschaft, sich darum bemühen, die Waffen zum Schweigen zu bringen, die Verhandlungen wiederaufzunehmen und bald zu dem so sehr ersehnten Frieden in Bosnien und Herzegowina zu gelangen. Niemand kann sich von einem solchen Untergang des zivilen Zusammenlebens und - ich möchte sagen - der Menschlichkeit selbst ausschließen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich heiße Euch, hebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern, sehr herzlich willkommen. Mein Gruß richtet sich an die zahlreichen anwesenden Gruppen, an die Familien und Einzelpilger. Ein besonderer Gruß gilt heute der Gruppe ehemaliger Seminaristen im Kriegsgefangenenlager Colchester unter Leitung von Herrn Erzbischof Alois Wagner. Euch allen, Euren heben Angehörigen daheim sowie all jenen, die uns am heutigen Vormittag über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Zwei Mütter und ein afrikanischer Märtyrer seliggesprochen Regina Caeli am 24. April 1. Regina caeli, laetare! Freu dich, du Himmelskönigin! Wenn die Kirche die Mutter Christi zur Freude auffordert, denkt sie an die Worte, die der Herr im Abendmahlssaal am Vorabend seines Leidens gesprochen hat. Jesus sagte: „Wenn die Frau gebären soll, ist sie bekümmert, weil ihre Stunde da ist; aber wenn sie das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an ihre Not über der Freude, daß ein Mensch zur Welt gekommen ist. So seid auch ihr jetzt bekümmert”, sprach Jesus zu den Aposteln, „aber ich werde euch Wiedersehen; dann wird euer Herz sich freuen, und niemand nimmt euch eure Freude” (Joh 16,21-23). Die Kirche, die sich nach den Aposteln diese Worte Christi zu eigen gemacht hat, richtet sie in der 78 AUDIENZEN UND ANGELUS Osterzeit vor allem an diejenige, welche den Erlöser geboren hat: „Freu dich, du Himmelskönigin!” Diese Worte drücken die mütterliche Freude der Kirche aus, welche zusammen mit der Mutter ihres Herrn voll derselben Freude, der Freude des Lebens, frohlockt, die in der Auferstehung offenbar wurde und in Gott ewig andauert. 2. Zwischen dem Bild der Mutter, die den Sohn zur Welt bringt, und dem des guten Hirten besteht ein tiefer Zusammenhang. Wer in Liebe Leben schenkt, erhält es wieder. Denn „stark wie der Tod ist die Liebe” (Hld 8,6). Deshalb kommt die Wahrheit über die Auferstehung auch durch das Geheimnis des Weizenkorns zum Ausdruck, das in die Erde fällt und stirbt, um Frucht zu bringen (vgl. Joh 12,24). Heute freuen wir uns mit der Kirche des afrikanischen Kontinents, besonders von Zaire, über den jungen Märtyrer Isidoro Bakanja, der wie das Weizenkorn gestorben ist, um in der kirchlichen Gemeinschaft und in seinem Volk reiche Frucht zu bringen. Wir freuen uns außerdem über das wunderbare Sichemeuem des Geheimnisses des Guten Hirten, der sein Leben darbietet in dem außerordentlichen Dasein von Gianna Beretta Molla und Elisabetta Canori Mora, zwei italienischen Müttern, die heute zur Ehre der Altäre erhoben wurden. Die eine lebte am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die andere ist eine Zeitgenossin von uns. Beide haben auf ihre Weise für ihre Familie das Leben hingegeben. Elisabetta hat sich für die Treue und die Einheit der Familie geopfert; Gianna hat sich geopfert, damit das Kind, das sie im Schoß trag, am Leben blieb. Beide reihen sich so in das Große Gebet ein, das die Kirche in Italien in diesem Jahr zu Gott erhebt. Ihr Gebet war das des mütterlichen Opfers, das Gebet größter Liebe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für den andern hingibt (vgl. Joh 15,13). Das geschieht in einzigartiger Weise, wenn eine Mutter ihr Leben für ihr Kind hingibt; wenn sie um den Preis des eigenen Daseins dem Menschenkind, das aus ihr geboren werden soll, das Leben schenkt. Freu dich, du Himmelskönigin, über die Mutterschaft aller Mütter, die wie du bereit sind, das Leben zu opfern, um es den anderen zu schenken. 3. Während der Osterzeit liest die Kirche das Buch der Offenbarung des Johannes, wo sich die Worte in bezug auf das große, am Himmel erschienene Zeichen finden: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; es ist die Frau, die sich anschickt zu gebären. Der Apostel sieht vor ihr einen feuerroten Drachen, der ihr Kind verschlingen wollte, sobald es geboren war (vgl. Offb 12,1-4). Auch dieses apokalyptische Bild gehört zum Geheimnis der Auferstehung. Auf dieses Bild weist die Kirche am Fest der leiblichen Aufnahme der Gottesmutter hin. Ein Bild, das auch in unserer Zeit, besonders im Jahr der Familie, erkennbar ist. Denn wenn sich vor der Frau alle Bedrohungen gegen das Leben häufen, das sie zur Welt bringen will, müssen wir uns an die mit der Sonne bekleidete Frau wenden, damit sie mit ihrer mütterlichen Sorge jedes im Mutterschoß gefährdete Menschenwesen umfängt. Im Monat Mai, der in vielen christlichen Gemeinschaften besonders der 79 AUDIENZEN UND ANGELUS heiligsten Mutter gewidmet ist, wird sich die Kirche vor allem an die Mutter des Lebens, die Mutter der schönen Liebe, wenden. Das ist in ganz besonderer Weise ihr Monat. Wir hoffen, daß er durch unser Gebet der wichtigsten Sache der menschlichen Familien dient: der Sache der Liebe und des Lebens. 4. Möge uns das Gebet für den geistigen Kampf stärken, von dem der Brief an die Epheser spricht: „Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn!” (Eph 6,10). Auf diesen Kampf bezieht sich das Buch der Offenbarung, wenn es uns das Bild des heiligen Erzengels Michael vor Augen stellt (vgl. Ojfb 12,7). An diese Szene dachte gewiß Papst Leo XIII., als er Ende des vergangenen Jahrhunderts in der ganzen Kirche ein besonderes Gebet zum hl. Michael einführte: „Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampf! Sei unser Schutz gegen die Bosheit und die Nachstellungen des Teufels... Obwohl dieses Gebet am Schluß der Eucharistiefeier nicht mehr gesprochen wird, ermahne ich alle, es nicht zu vergessen und es zu beten, um Hilfe zu erlangen im Kampf gegen die Mächte der Finsternis und die Gesinnung der Welt. Das Apostolat der Leidenden Ansprache bei der Generalaudienz am 27. April 1. Die Wirklichkeit des Leidens ist seit jeher vor unseren Augen und oft im Körper, in der Seele und im Herzen von uns allen. Außerhalb der Glaubenssphäre war das Leiden immer ein großes Rätsel des menschlichen Daseins. Aber seit Jesus durch sein Leiden und seinen Tod die Welt gerettet hat, hat sich eine neue Sichtweise eröffnet: Durch das Leiden ist es möglich, in der Selbsthingabe fortzuschreiten und die höchste Stufe der Liebe zu erreichen (vgl. Joh 13,1) dank Ihm, der „uns geliebt und sich für uns hingegeben hat” (Eph 5,2). Durch die Teilhabe am Geheimnis des Kreuzes kann das Leiden jetzt als Mitwirken an der Heilssendung Christi angenommen und gelebt werden. Das II. Vatikanische Konzil hat dieses Bewußtsein der Kirche hinsichtlich der besonderen Vereinigung all derer, die leiden und von Mühseligkeiten bedrückt sind, mit dem für das Heil der Welt leidenden Christus bekräftigt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 41). Jesus selbst berücksichtigt in den Seligpreisungen alle Erscheinungsformen des menschlichen Ixidens: die Armen, die Hungernden, die Trauernden, alle jene, die von der Gesellschaft ausgegrenzt oder zu Unrecht verfolgt werden. Auch wir entdecken, wenn wir die Welt anschauen, überaus viel Elend in einer Vielfalt alter und neuer Formen: Zeichen des Leidens sind überall. Deshalb wollen wir bei der heutigen Katechese davon sprechen und den göttlichen Plan, der die Menschheit auf einem so schmerzlichen Weg führt, sowie den Heils wert, den das Leiden wie die Arbeit für die ganze Menschheit hat, zu verstehen suchen. 80 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Im Kreuz wurde den Christen das „Evangelium des Leidens” offenbart (Salvifici doloris, Nr. 25). Jesus hat in seinem Opfertod den vom Vater für die Erlösung der Welt bestimmten Weg erkannt und ist diesen Weg gegangen. Er hat seinen Jüngern auch angekündigt, daß sie an diesem Opfertod teilhaben würden: „Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen” (.Joh 16,20). Aber diese Vorhersage steht nicht allein, erschöpft sich nicht in sich selbst, sondern wird vervollständigt durch die Ankündigung, daß sich die Trauer in Freude verwandelt: „Ihr werdet bekümmert sein, aber euer Kummer wird sich in Freude verwandeln” (Joh 16,20). In der Heilssicht ist das Leiden Christi auf die Auferstehung ausgerichtet. Auch die Menschen sind also in das Geheimnis des Kreuzes miteinbezogen, um voll Freude am Geheimnis der Auferstehung teilzuhaben. 3. Aus diesem Grand zögert Jesus nicht, die Seligkeit derer, die leiden, zu verkünden: „Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden ... Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich ... Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein” (Mt 5,4.11-12). Man kann diese Seligkeit nicht verstehen, wenn man nicht zugibt, daß sich das Menschenleben nicht auf die Dauer des Aufenthaltes auf Erden beschränkt, sondern auf die vollkommene Freude und Fülle des Lebens im Jenseits ausgerichtet ist. Das irdische Leiden, wenn in Liebe angenommen, ist wie ein bitterer Kern, der den Samen des neuen Lebens in sich birgt, den Schatz der göttlichen Herrlichkeit, der dem Menschen in der Ewigkeit geschenkt wird. Wenn auch das Schauspiel einer von Übel und Krankheiten jeder Art beladenen Welt oft beklagenswert ist, ist in ihr trotzdem die Hoffnung auf eine höhere Welt der Liebe und Gnade verborgen. Es ist die Hoffnung, die sich von der Verheißung Christi nährt. Von ihr gestützt, erleben diejenigen, die mit ihm vereint leiden, im Glauben bereits in diesem Leben eine Freude, die menschlich unerklärbar erscheinen mag. Der Himmel beginnt tatsächlich auf Erden, die Seligkeit ist sozusagen in den Seligpreisungen vorweggenommen. „In den heiligen Menschen - sagte Thomas von Aquin -erlebt man den Beginn des seligen Lebens ...” (vgl. Summa Theol. I-ff, q.69, a.2; vgl. H-H, q.8, a.7). 4. Ein weiteres Grundprinzip des christlichen Glaubens ist die Fruchtbarkeit des Leidens und folglich die an alle Leidtragenden gerichtete Aufforderung, sich mit dem heilbringenden Opfer Christi zu vereinen. Das Leiden wird so zum Opfer, zur Hingabe, wie es in so vielen heiligen Menschen geschehen ist und noch geschieht. Besonders die scheinbar sinnloses moralisches Leid Tragenden finden in den moralischen Leiden Jesu den Sinn ihrer Prüfungen und „betreten mit Ihm Getsemani. In Ihm finden sie die Kraft, das Leiden mit heiliger Hingabe und vertrauensvollem Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters anzunehmen. Und sie fühlen in ihrem Herzen das Gebet von Getsemani aufsteigen: „Nicht, was ich will, sondern was du 81 AUDIENZEN UND ANGELUS willst” (Mk 14,36). Sie identifizieren sich mystisch mit der Absicht Jesu im Augenblick der Gefangennahme: „Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat - soll ich ihn nicht trinken?” (Joh 18,11). In Christus finden sie auch den Mut, ihr Leiden für die Rettung aller Menschen aufzuopfem, weil sie vom Opfer auf Golgota die geheimnisvolle Fmchtbarkeit jedes Leidens nach dem von Jesus verkündeten Prinzip verstanden haben: „Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht” {Joh 12,24). 5. Die Lehre Jesu wird vom Apostel Paulus bekräftigt, der ein sehr waches Bewußtsein von der Teilhabe am Leiden Christi in seinem Leben und von der Mitarbeit hatte, die er auf diese Weise zum Wohl der christlichen Gemeinschaft leisten konnte. Dank der Vereinigung mit Christus im Leiden konnte er sagen, er habe in sich selbst das ergänzt, was an den Leiden Christi zugunsten seines Leibes, der Kirche, noch fehlt (vgl. Kol 1,24). Überzeugt von der Fruchtbarkeit dieser seiner Vereinigung mit dem erlösenden Leiden bekräftigte er: „So erweist an uns der Tod, an euch aber das Leben seine Macht” {2 Kor 4,12). Die Widrigkeiten seines Lebens als Apostel entmutigten Paulus nicht, sondern kräftigten die Hoffnung und Zuversicht, denn er spürte, daß das Leiden Christi eine Kraftquelle war: „Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteil geworden sind, so wird uns durch Christus auch überreicher Trost zuteil. Sind wir aber in Not, so ist es zu eurem Trost und Heil” (2 Kor 1,5-6). Indem sie auf dieses Vorbild schauen, verstehen die Jünger Christi besser die Lehre des Meisters, die Berufung zum Kreuz im Blick auf die volle Entfaltung des Lebens Christi in ihrem persönlichen Dasein und der geheimnisvollen Fruchtbarkeit für das Wohl der Kirche. 6. Die Jünger Christi haben den Vorrang, das „Evangelium des Leidens” zu verstehen, das zu allen Zeiten zumindest einen selbstverständlichen Heilswert hatte, denn „über Jahrhunderte und Generationen hinweg hat sich immer wieder herausgestellt, daß Leiden eine besondere Kraft in sich birgt, die den Menschen innerlich Christus nahebringt, eine besondere Gnade also” {Salvifici doloris, Nr. 26). Wer Christus nachfolgt, wer die Theologie des Leidens des hl. Paulus annimmt, weiß, daß mit dem Leiden eine wertvolle Gnade, ein göttliches Wohlwollen verbunden ist, auch wenn es sich um eine Gnade handelt, die für uns ein Geheimnis bleibt, denn sie verbirgt sich unter dem Anschein eines leid vollen Geschicks. Gewiß ist es nicht leicht, im Leiden die wahrhafte göttliche Liebe zu entdecken, die das menschliche Leben durch das angenommene Leiden auf die Ebene der Heilsliebe Christi erheben will. Aber der Glaube läßt uns diesem Geheimnis zustimmen und flößt ins Herz dessen, der leidet, trotz allem Frieden und Freude ein. Manchmal kann man mit Paulus sagen: „Trotz all unserer Not bin ich von Trost erfüllt und ströme über von Freude” (2 Kor 7,4). 7. Wer im Geist der Fhngabe Christi lebt, wird angetrieben, ihn auch in der Hilfe gegenüber den Leidenden nachzuahmen. Jesus hat zahllose menschliche Leiden, die 82 AUDIENZEN UND ANGELUS ihn umgaben, geheilt. Er ist auch darin ein vollkommenes Vorbild. Und er hat auch das Gebot der gegenseitigen Liebe verkündet, die das Mitleiden und die gegenseitige Hilfe mit sich bringt. Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter lehrt Jesus die hochherzige Hilfe zugunsten jener, die leiden! Er hat seine Gegenwart in all denen offenbart, die in Not und vom Leid betroffen sind, denn jede Hilfe für die Bedürftigen erreicht Christus selbst (vgl. Mt 25,35-40). Ich möchte euch allen, die ihr mich hört, zum Schluß die Worte Jesu selbst hinterlassen: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.” {Mt 25,40). Das heißt, daß das Leiden - zur Heiligung derer, die leiden, bestimmt - auch dazu bestimmt ist, die zu heiligen, die ihnen Hilfe und Trost bringen. Wir stehen noch immer in der Mitte des Geheimnisses des heilbringenden Kreuzes! In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit der abschließenden Bitte für uns alle, Gott möge uns die Kraft und die Bereitschaft schenken, seinen Willen auch im Kreuz anzunehmen und unser Herz für das Leid unserer Mitmenschen zu öffnen, grüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Mitglieder der Katholischen Standortpfarrei Bruchsal, an die Firmlinge aus der Pfarrei St. Marien Wädenswil sowie an die zahlreichen Jugend- und Schülergruppen. Euch, Euren Heben Angehörigen in der Heimat sowie allen, die uns in österlicher Freude verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Den Völkermord in Ruanda beenden Gebetsaufruf für Afrika und Appell an die Regierenden, den Völkermord in Ruanda zu beenden. Ein weiteres Mal verlangt Afrika unser Gebet. Wie es off geschieht, sind Situationen, die Anlaß zur Hoffnung auf die Zukunft bieten, mit anderen verbunden, die tief betrüben und das Schlimmste befürchten lassen. In diesen Tagen finden in Südafrika allgemeine Wahlen statt. Ich möchte wünschen, daß dieses bedeutende Ereignis dazu beitrage, in diesem Land Frieden und Ruhe zu schaffen, indem es die traurige Spirale der Gewalt beendet, die so lange Tod und Zerstörung verursacht hat. Ich rufe alle, insbesondere die südafrikanischen Katholiken, dazu auf, mit zäher Ausdauer Wege des Friedens und der Versöhnung zu suchen, damit für dieses große und gebebte Land eine Zukunft der Eintracht und des wahren moralischen und bürgerlichen Fortschritts sichergestellt werde. Tief betroffen lade ich euch zu einem zutiefst empfundenen, inbrünstigen Gebet für Ruanda ein. Die Tragödie dieser Völker scheint kein Ende nehmen zu wollen: Grausamkeiten, Racheakte, Morde, unschuldiges, vergossenes Blut, überall Schrecken und Tod. Ich rufe alle, die Verantwortung tragen, zu hochherzigem und wirksamem Handeln auf, 83 AUDIENZEN UND ANGELUS damit dieser Völkermord ein Ende nehme. Es ist die Stunde der Brüderlichkeit! Die S tunde der V ers öhnung! Nahe im Gebet und Opfer des Leidens Regina Caeli aus der Gemelli-Klinik am 1. Mai 1. Heute hätte ich in Sizilien sein sollen, und zwar in Syrakus, zur Weihe des Heiligtums der Muttergottes von den Tränen, dagegen bin ich wieder in diesem anderen „Heiligtum”, im Krankenhaus, wo tagtäglich Tränen des Schmerzes und der Hoffnung vergossen werden. Ich wende mich in ganz besonderer Weise an euch, liebe Gläubige der Kirchen von Catania und von Syrakus, und an euch, Hebe Bischöfe und Priester. Ich bedauere am meisten, daß ich auf die seit langem ersehnte Begegnung mit euch verzichten mußte. Aber die Pläne der göttlichen Vorsehung sind wirkHch rätselhaft! Ich bin euch nahe im Gebet und Opfer meines Leidens. 2. Ich opfere diese Prüfung auch auf für die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, die sich als ein einzigartiges Geschenk Gottes an die Kirche und an die Menschheit am Vorabend des Jahres 2000 erweist. Heute, am 1. Mai, denke ich in meinem Gebet besonders an die Welt der Arbeit. Ich empfehle dem Herrn vor allem diejenigen, die unter schwierigen Umständen arbeiten, und aHe, die arbeitslos sind, besonders die Jugendlichen oder die Famiüenväter. Ich hoffe, daß diese schwierige wirtschafthche Konjunktur, in der sich verheißungsvolle Anzeichen der Besserung abzuzeichnen scheinen, bald überwunden ist. Meine Gedanken gehen besonders zu den Familien, welche die wirtschafthchen Unannehmlichkeiten der Arbeitslosigkeit am stärksten zu spüren bekommen. Möge dieses Jahr der FamiHe den ehrlichen Einsatz aber im Dienst dieser KemzeHe der Gesellschaft sehen. 3. Zum Schluß möchte ich aHen danken, die mich in diesen Tagen durch ihr Gebet unterstützt haben. Ich empfehle alle dem Schutz der sehgsten Jungfrau Maria zu Beginn des Monats, der ihr gewidmet ist. Nach dem österlichen Marienlob sagte der Papst: Die orthodoxen Kirchen, die den Juhanischen Kalender verwenden, feiern heute Ostern. Ich vereinige mich gern und aus ganzem Herzen mit ihrem Gebet und der Freude ihrer Botschaft vom auferstandenen Christus. Ich wünsche allen einen guten Sonntag, einen gesegneten Monat Mai, einen wahren Frühling. 84 AUDIENZEN UND ANGELUS Legt die Waffen nieder! Ruanda und Afrika brauchen Frieden! Regina Caeli aus der Gemelli-Klinik am 8. Mai Schwestern und Brüder! 1. Soeben wurde die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika beendet. In diesem Monat stand der afrikanische Erdteil mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, aber auch mit seinen nicht wenigen Problemen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die erschütternden Nachrichten, die aus Ruanda eintreffen, haben den Beginn der Arbeiten traurig gestimmt, und leider ist noch kein wahrer Lichtschein von Frieden zu sehen. Ich möchte heute meinen Aufruf erneut wiederholen: Laßt ab vom Haß, und legt die Waffen nieder, die in dieser gepeinigten Region schon so viel Blut haben fließen lassen. Im Namen Gottes, legt sie sofort nieder! Ruanda und Afrika brauchen Frieden. Christus ist „unser Friede” (Eph 2,14). Für das nahende dritte Jahrtausend des Glaubens steht den Gläubigen eine große Aufgabe bevor: Sie sind aufgerufen, der Evangelisierung neue Impulse zu geben und sich hochherzig um die Förderung des Menschen in Eintracht und Frieden zu bemühen. Der Erlöser klopft an die Tore Afrikas! Afrika, nimm ihn auf! Laß ihn mitgehen auf allen Wegen deiner Kultur und im Leben deiner alteingesessenen Völker. Er, der das Herz des Menschen gut kennt, weiß, welche Wege zur ganzheitlichen Entwicklung, zur wahren Freiheit und zur sicheren Achtung der menschlichen Würde führen. 2. Diesen Friedenswunsch übergebe ich Maria, und ich vertraue ihr auch die Ergebnisse der Synodenarbeiten an, während ich im Geist vor der seligsten Jungfrau in ihrem Heiligtum von Pompei knie, wo sich zu dieser Stunde eine große Schar um ihr verehrungswürdiges Gnadenbild versammelt hat. Dabei richte ich an sie das innige Bittgebet, das aus dem Herzen des seligen Bartolo Longo gekommen ist. Ich segne die dort versammelten Gläubigen und alle, die über Radio und Fernsehen mit dem Heiligtum Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz verbunden sind, um die Muttergottes zu ehren. Du, Maria, nimm die andächtigen Worte an, die Ausdruck der Liebe deiner Kinder sind und dir die Ängste, Sorgen und Tränen der ganzen Menschheit darlegen. Dieses traditionelle Bittgebet reiht sich gut in das „Große Gebet für Italien” ein, das zu dir aufsteigt als Gebet der Familien und für die Familien in diesem ihnen gewidmeten Jahr. Deine Einladung zur Betrachtung in der einfachen und tiefen Form des Rosenkranzgebets ergehe an jede Familie in Italien und in der ganzen Welt. 3. Liebe Schwestern und Brüder, ich danke erneut allen, die mich geistlich auf dem Weg der körperlichen Genesung begleiten. Sie schreitet langsam fort mit Gottes Hilfe und dank der Sachkunde und Fürsorge der behandelnden Ärzte, der Schwe- 85 AUDIENZEN UND ANGELUS stern und des Pflegepersonals. Jedem gilt der Ausdruck meiner aufrichtigen Hochschätzung und meiner tief empfundenen lebhaften Dankbarkeit. Auf alle rufe ich durch die Fürsprache der seligsten Jungfrau die Fülle der göttlichen Gnaden herab. Nach dem Regina Caeli gedachte der Papst am Muttertag, dem 8. Mai, aller Mütter in der Welt und sagte: Heute feiern wir den „Tag der Mütter” oder vielmehr „der Mutter”, jeder Mutter in ihrer unwiederholbaren Einzigartigkeit, in ihrem besonderen Wesen: dem Wesen der Frau, dem Wesen der Mutter. Und jeder von uns denkt heute an seine Mutter. Es gibt so viele lebende, aber auch die, die nicht mehr unter den Lebenden sind. Ich erinnere mich an meine Mutter, die nicht mehr unter den Lebenden ist, aber sie lebt, sie lebt in mir. Und allen Müttern gilt unser Gebet, unsere herzliche Liebe, unser Wunsch: Mögen sie Freude finden in der Frucht ihrer Mutterschaft. Der Herr segne sie, und sie mögen sich gesegnet und von allen geliebt fühlen. Der einen Mutter, der Mutter aller Mütter, empfehle ich alle Mütter Italiens und der ganzen Welt. Gelobt sei Jesus Christus! Genug des Blutes in Ruanda! Regina Caeli am 15. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute wird in vielen Teilen der Welt das Fest Christi Himmelfahrt gefeiert. Christus kehrt zurück in die Herrlichkeit, die ihm als Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, von Ewigkeit her gebührt. Aber er kehrt zurück mit der von Maria angenommenen Menschennatur und bringt die ruhmvollen Zeichen des Leidens mit sich. Er steigt zum Vater auf als der Erlöser des Menschen, um uns den Geist zu schenken, der lebendig macht. Deshalb ist die Himmelfahrt eine außerordentliche Botschaft der Hoffnung. Der Mensch unserer Zeit, der trotz technischer und wissenschaftlicher Errungenschaften, auf die er mit Recht stolz sein kann, Gefahr läuft, den tiefen Sinn des Lebens zu verlieren, findet in diesem Geheimnis den Hinweis auf seine Bestimmung. Die verherrlichte Menschheit Christi ist auch unsere Menschheit: Jesus hat in seiner Person Gott für immer mit der Geschichte des Menschen und den Menschen mit dem Herzen des himmlischen Vaters verbunden. 2. „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” {Mt 28,20). Diese Zusicherung gibt der Herr, und sein Versprechen stärkt den apostolischen Einsatz der Christen. Auch heute, nach zweitausendjähriger Geschichte, fühlt sich die Kirche noch jung. Sie will der Welt mit der Begeisterung der ersten Stunde die Botschaft der 86 A UDIENZEN UND ANGELUS Liebe Gottes verkünden. Was für ein Bild der Jugendlichkeit hat die Kirche bei der jüngsten Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika geboten! Der Auferstandene wirkt auch über die sichtbaren Grenzen der Kirche hinaus, überall dort, wo Menschen sind, die sich von seinen Inspirationen leiten lassen. Zum Beispiel möchte man den Herrn unwillkürlich preisen für das einzigartige Ereignis von Frieden und Solidarität, das gerade in diesen Tagen in Südafrika eingetreten ist. Nach Jahrhunderten der Auseinandersetzungen und des Hasses, während die Welt an verschiedenen Orten leider durch sinnlose Bruderkriege entwürdigt wird, zeigt sich ein Licht der Hoffnung. Möge Gott es festigen und auf die Völker aller Erdteile ausdehnen. Ich empfinde es als meine Pflicht, heute erneut auf die Gewaltakte hinzuweisen, deren Opfer die Bevölkerung von Ruanda ist. Es handelt sich um einen wirklichen Völkermord, für den leider auch Katholiken verantwortlich sind. Tag für Tag bin ich diesem Volk im Todeskampf nahe, und ich möchte erneut an die Gewissen all derer appellieren, die diese Massaker planen und ausführen. Sie stürzen das Land in den Abgrund. Alle müssen vor der Geschichte und besonders vor Gott ihre Verbrechen verantworten. Genug des Blutes! Gott erwartet von allen Ruandem unter Mithilfe der Freundesländer ein moraüsches Erwachen: den Mut zur Vergebung und Brüderlichkeit. 3. Dafür beten die Klausurschwestem, die seit vergangenem Freitag, 13. Mai, im Kloster „Mater Ecclesiae” im Schatten der Peterskuppel wohnen. Liebevoll grüße ich diese unsere Schwestern und vertraue ihrer betenden und schweigsamen Sendung die Anliegen meines Dienstes zugunsten des ganzen Volkes Gottes an. Die seligste Jungfrau gewähre auch uns, daß wir den Blick ständig zum Himmel wenden und mit der Freude des Lebens das Geheimnis der Himmelfahrt bezeugen. Sie mache uns so zu fügsamen Werkzeugen des Geistes Gottes, damit unsere Verkündigung des heilbringenden Wortes die Herzen tief berühre und für alle eine Quelle des Friedens werde. Zum Schluß grüße ich alle, die an diesem „Regina Caeli” teilnehmen, während sich die Kirche, wie die Apostel um Maria versammelt, darauf vorbereitet, am Pfingstsonntag den Geist zu empfangen. Auf Wiedersehen am nächsten Sonntag. Gelobt sei Jesus Christus. Nach dem österlichen Marienlob sagte der Papst auf französisch: Mein Herz wendet sich heute Belgien zu, wo ich zur Seligsprechung von Pater Damien de Veuster hätte sein sollen. Ich weiß, daß die Belgier meinen Pastoralbe-such eifrig vorbereitet haben und daß meine Abwesenheit große Enttäuschung hervorgerufen hat. Für mich selbst auch. Aber ich möchte ihnen sagen, daß ich vom Krankenhaus aus in Gedanken und im Gebet bei ihnen bin. 87 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich hoffe, daß das Leben und Werk von Pater Damian, dem Apostel der Aussätzigen, Vorbild und Anruf für alle Belgier und für die ganze Welt sein möge, damit sie wach bleiben im Gebet und im Dienst für ihre Brüder und Schwestern, insbesondere die ärmsten und schwächsten. In der Hoffnung, daß unsere Begegnung stattfinden kann, grüße ich herzlich alle mein Brüder die Belgier und sende ihnen in freundschaftlicher Zuneigung den Apostolischen Segen, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Pfingsten: Anfang der neuen Schöpfung Regina Caeli am 22. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist Pfingsten: ein großes Fest für die Kirche und auch für die Welt. In Jerusalem, fünfzig Tage nach der Auferstehung Christi, kam auf die erste Gemeinschaft seiner Anhänger der Heilige Geist herab; er offenbarte sich durch heftigen Sturm und Feuerzungen und wurde so die Seele der entstehenden Kirche, ihre Kraft, das Geheimnis ihres Weges durch die Jahrhunderte. Könnte sie ohne den Heiligen Geist, den Spender des Lebens, jedes Lebens, bestehen? Die Bibel stellt ihn uns vor, wie er bei der Erschaffung der Welt als Urheber des Lebens aller Geschöpfe über dem Wasser schwebt (vgl. Gen 1,2). Mit seiner besonderen Ausgießung am Pfingsttag nimmt auch die neue Schöpfung ihren Anfang, die Gemeinschaft der Geretteten, der durch das Blut Christi Erlösten. Komm, Heiliger Geist! Wir bitten dich für die ganze Kirche: Stärke unsere Treue, festige unsere Einheit, gib unserer Evangelisierung neuen Schwung! Komm, komm, Heiliger Geist! Wir bitten dich für die Welt. Erweise dich als „Vater der Armen” und „höchster Tröster” besonders bei den gequälten Völkern von Ruanda und Bosnien, bei allen Nationen, die Krieg führen. Rühre ihre Herzen, erleuchte ihren Geist, erwecke Wünsche und Vorhaben des Friedens. 2. Ein „besonderes Pfingsten” für die Diözese Rom hat sich heute morgen in der Petersbasilika ereignet durch die Weihe von 39 Neupriestem, die im Römischen Di-özesanpriesterseminar, im Capranica-Kolleg, im Diözesankolleg „Redemptoris Mater” und im Apostolatsbildungsinstitut der Oblaten „del Divino Amore” ausgebildet wurden. Ich hätte ihnen gern selbst die Hände aufgelegt, aber während es der Kardinalvikar tat, habe auch ich es im Geist getan und für sie mein Opfer dargebracht. Ich grüße sie alle in herzlicher Liebe und wahrer Freude. Welch großer Dienst ist das Priestertum! Der Geist erfüllt alle, die Christus frei erwählt, und er macht sie ihm, dem Haupt, Hirten und Bräutigam der Kirche, gleichförmig. Unwiderruflich von diesem Geschenk geprägt, gehören sie nicht mehr sich AUDIENZEN UND ANGELUS selbst: Ihr Leben steht im Dienst Gottes und der Mitmenschen. Sie sind nunmehr „Männer Gottes”, Bild und Transparenz des Antlitzes Christi. Der Geist will sich ihrer Stimme bedienen, um zu den Herzen der Menschen zu gelangen. So wiederholt sich in ihnen das Sprachenwunder, das das erste Pfingsten gekennzeichnet hat. Die Priester verkünden die machtvollen Heilstaten und übermitteln eine Botschaft der Gemeinschaft, der Brüderlichkeit und des Friedens. 3. Blicken wir auf die seligste Jungfrau, die am Pfingsttag im Abendmahlssaal zusammen mit den Aposteln war. Die Kraft des Heiligen Geistes hat wirklich „Großes” (Lk 1,49) an ihr getan. Sie, die Mutter des Erlösers, die Mutter der Kirche und die Mutter der Priester, erlange durch ihre Fürsprache eine neue Ausgießung des Geistes Gottes auf die Kirche und die Welt. Jetzt wollen wir das „Regina Caeli” sprechen, zum letzten Mal in diesem Jahr, denn mit dem Hochfest Pfingsten endet heute die Osterzeit. Ich wünschte mir, es vom Fenster im Vatikan aus beten zu können, wie es jeden Sonntag geschieht. Aber man muß noch einige Tage warten. Ich empfehle mich eurem Gebet Ansprache an die versammelten Römer und Pilger vom Fenster seines Krankenzimmers in der Gemelli-Klinik Nachdem das Fenster bei St. Peter verschlossen ist, war dieses notwendig. Es ist gut, daß es dieses „Reservefenster” in der Gemelli-Klinik, einen Ersatz für das im Vatikan, gibt. Es ist gut, daß ich von diesem Fenster aus alle Anwesenden, Römer und Pilger, unter ihnen auch einige Polen, begrüßen kann. Ich kann auch den Pfingsttag begrüßen, an dem wir zum letzten Mal das „Regina Caeli” gesungen haben. Ich danke euch, und ich wünsche euch, daß ihr nicht mehr hierher, sondern zum Petersplatz, unter das andere Fenster kommt. Unsere Professoren und auch unsere Schwestern „Maria Bambina” haben versprochen, daß sie in den Vatikan übersiedeln. Nochmals vielen Dank. Ich empfehle mich eurem Gebet. Ich weiß nicht, ob ihr denkt, der Papst sei zufrieden oder unzufrieden. Das müßt ihr entscheiden. Auch ich wünsche euch alles Gute, besonders euren Kindern, daß sie gut gedeihen und gesund bleiben. Hier sind auch kranke Kinder, viele Kranke in dieser Poliklinik: unterschiedliche Krankheiten, verschiedene medizinische Fachausbildungen, verschiedene Fachärzte. Man behandelt mich, man untersucht mich, ich wurde in meinem Leben noch nie so eingehend untersucht. Mein ganzer Organismus wurde bis auf den Grund untersucht. Ich wußte nicht einmal, daß es solche Organe und solche Möglichkeiten gibt, aber Gott sei gedankt. Gott hat den Menschen nach seinem Bild erschaffen, als Mann und Frau, und er hat sie erschaffen, damit sie an seinem göttlichen Leben teilhaben. 89 AUDIENZEN UND ANGELUS Deshalb hat er uns seinen eingeborenen Sohn geschenkt, der uns nach seiner Himmelfahrt den Heiligen Geist gesandt hat. Daran denken wir am Pfmgsttag, an diese ständige, große Herabkunft. Christus ist einmal gekommen, hat einmal gelitten, ist einmal gestorben, einmal auferstanden und sitzt jetzt im Himmel zur Rechten des Vaters, und der Heilige Geist wird immer gesandt, kommt immer herab, und wir sind stark durch seine Kraft. Das wünsche ich allen. Gelobt sei Jesus Christus! Die Dreifaltigkeit als Urbild der menschlichen Familie Angelus am Dreifaltigkeitssonntag, 29. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich danke dem Herrn, der mir erlaubt, euch nach einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt wieder von meinem gewohnten Arbeitsplatz aus zu begegnen. Und ich möchte diese Gelegenheit benützen, um allen, die mich in den vergangenen Tagen ständig umsorgt haben, meinen Dank auszusprechen: den Ärzten, den Professoren, den Krankenpflegern, den Schwestern und dem ganzen Personal der Poliklinik „Agostino Gemelli” und des Vatikans. Mein dankbares Gedenken gilt auch den vielen Menschen, die mir in so vielfältiger Weise ihre Solidarität bekundet haben, aus Rom, aus Italien und aus allen Teilen der Welt, mit der Versicherung ihres ständigen Gebetes. Allen und jedem einzelnen herzlichen Dank. 2. Heute ist das liturgische Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit, das uns zur Betrachtung des Geheimnisses Gottes anregt, wie Christus es uns offenbart hat. Ein großes Geheimnis, das unser Fassungsvermögen übersteigt, aber tief zu unserm Herzen spricht, weil es seinem Wesen nach nichts anderes ist als der deutliche Ausdruck jenes inhaltsreichen Wortes des hl. Johannes: Gott ist Liebe! Gerade weil er Liebe ist, ist Gott nicht Einsamkeit; und obwohl er einer und einzig in seinem Wesen ist, lebt er in gegenseitiger Einwohnung von drei göttlichen Personen. Denn die Liebe ist ihrem Wesen nach Sichschenken. Weil Gott unendliche Liebe ist, ist Gott der Vater, der sich ganz in der Zeugung des Sohnes hingibt und mit ihm einen ewigen Dialog der Liebe im Heiligen Geist, dem persönlichen Band ihrer Einheit, führt. Welch großes Geheimnis! Ich möchte es vor allem den Familien in diesem Jahr zeigen, das besonders ihnen gewidmet ist. In der Dreifaltigkeit kann man tatsächlich das Urbild der menschlichen Familie erkennen. Wie ich im Brief an die Familien schrieb, ist das göttliche „Wir” das ewige Vorbild des menschüchen „Wir”, das von einem Mann und einer Frau gebildet wird, die sich einander in einer unauflöslichen und für das Leben offenen Gemeinschaft schenken (vgl. Brief an die Familien, Nr. 6). 90 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Liebe Brüder und Schwestern! Am nächsten Sonntag, anläßlich des Fronleichnamsfestes, versammelt sich die italienische Kirche geistig in Siena zum Abschluß des Eucharistischen Nationalkongresses, der in dieser Woche stattfindet. Das ist ein äußerst wichtiger Termin für das Große Gebet Italiens und für Italien. Denn die Kirche erkennt in der Eucharistie die Quelle und den Höhepunkt ihres Lebens. In ihr erlebt sie erneut das Erlösungsopfer Christi und nährt sich von seinem Leib. Von ihr lernt sie jenen Geist des Dienens und der Gemeinschaft, den sie braucht, um Sakrament der Einheit der Menschen mit Gott und mit den Brüdern zu sein (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Ich wünsche den italienischen Katholiken, daß sie diesen Augenblick eindringlich leben, indem sie daraus Inspiration und Kraft schöpfen für ihr kirchliches Leben und ihr Zeugnis in der Gesellschaft. Die seligste Jungfrau helfe jedem, sich auf dieses einzigartige und von der Vorsehung gewollte kirchliche Ereignis vorzubereiten. 4. Gerade auf Maria wollen wir zum Schluß unseren Blick mit besonderer Liebe richten, denn wir sind am Ende des Marienmonats angelangt, in dem wir ihrem mütterlichen Herzen die Wünsche, Bitten und Tränen der ganzen Menschheit übergeben haben. Möge Maria, die barmherzige Mutter, die Gebete der christlichen Gemeinschaft erhören. Möge sie vor allem die Jugend und die Familien segnen und allen, besonders den Nationen, die noch Krieg führen, das unschätzbare Geschenk der Eintracht und des Friedens schenken. Und ich möchte, daß durch Maria heute mein Dank für dieses wieder mit dem Marienmonat Mai verbundene Geschenk des Leidens zum Ausdruck kommt. Ich will danken für dieses Geschenk. Ich habe verstanden, daß dieses Geschenk notwendig war. Der Papst mußte in der Poliklinik „Gemelli” sein, er mußte vier Wochen lang für vier Sonntage an diesem Fenster fehlen, er mußte leiden: Wie er vor dreizehn Jahren leiden mußte, so auch in diesem Jahr. Ich habe darüber nachgedacht, ich habe all das während meines Krankenhausaufenthaltes erneut erwogen. Und ich fand wieder die große Gestalt des Primas von Polen, Kardinal Wyszynski (gestern war sein 13. Todestag), neben mir. Zu Beginn meines Pontifikats hatte er zu mir gesagt: „Wenn dich der Herr gerufen hat, mußt du die Kirche ins dritte Jahrtausend führen.” Er selbst hat die Kirche in Polen ins zweite christliche Jahrtausend geführt. So hatte Kardinal Wyszynski zu mir gesprochen. Und ich habe verstanden, daß ich die Kirche Christi in dieses dritte Jahrtausend führen muß, durch Gebet und verschiedene Initiativen, aber ich habe gesehen, daß das nicht genügt: Sie muß durch das Leiden, durch das Attentat vor dreizehn Jahren und durch dieses neue Opfer hineingeführt werden. Warum jetzt, warum in diesem Jahr, warum in diesem Jahr der Familie? Weil gerade die Familie bedroht ist und angegriffen wird. So muß der Papst angegriffen werden, muß der Papst leiden, damit jede Familie und die Welt sehen, daß es ein - ich möchte sagen - höheres Evangelium gibt: das Evangelium 91 AUDIENZEN UND ANGELUS des Leidens, durch das man die Zukunft, das dritte Jahrtausend der Familien, jeder Familie und aller Familien, vorbereiten soll. Ich möchte diese Überlegungen in meine erste Begegnung mit euch, lieben Römern und Pilgern, einflechten, am Ende dieses Marienmonats, weil ich dieses Geschenk des Leidens - und dafür sage ich Dank - der seligsten Jungfrau verdanke. Ich begreife, daß es notwendig war, dieses Argument gegenüber den Mächtigen der Welt zu haben. Ich muß mit diesen Weltvertretem Zusammentreffen und zu ihnen sprechen. Mit welchen Argumenten? Mir bleibt dieser Beweisgrund des Leidens. Und ich möchte zu ihnen sagen: Begreift, versteht doch, warum der Papst wieder im Krankenhaus war, wieder leiden mußte. Begreift es doch, denkt darüber nach! Meine Lieben, ich danke für eure Aufmerksamkeit, ich danke für diese eure Gemeinschaft im Gebet, in der wir wieder den „Engel des Herrn” beten können. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Ich möchte daran erinnern, daß am kommenden Donnerstag die Diözese Rom, in Vereinigung mit der Gesamtkirche, das Fronleichnamsfest feiern wird. Nach der heiligen Messe vor der Basilika St. Johannes im Lateran um 19.00 Uhr beginnt die eucharistische Prozession, die durch die Stadt nach Santa Maria Maggiore führt. Für die Gläubigen soll es eine Geste des Dankes und der Liebe gegenüber Gott sein, der bei uns bleibt bis zum Ende der Zeiten. Und es soll auch ein sichtbares Glaubenszeugnis vor der ganzen Stadtgemeinde sein. Jesus, der durch die Straßen eurer Stadt zieht, lädt jeden ein, aus der Eucharistie Licht, Trost und Kraft für das eigene christliche Leben zu schöpfen. Also am kommenden Donnerstag, Fronleichnam, um sieben Uhr abends. Ich danke euch erneut und empfehle mich eurem Gebet. Auf Wiedersehen! Aus dem Herzen Christi neue Kraft schöpfen Grußwort an die Pilger auf dem Petersplatz am Mittwoch, 1. Juni Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich willkommen, ihr alle, die ihr auf dem Petersplatz zu dieser etwas eigenartigen Audienz versammelt seid, mit der ich die wöchentlichen Begegnungen mit den Pilgern wiederaufnehme. Heute beginnt der Monat Juni, der dem Heiligsten Herzen Jesu geweiht ist, dem göttlichen Herzen, das am Kreuz von der Lanze durchbohrt wurde, damit aus ihm Gnadenströme für alle Menschen fließen. Es ist gleichsam eine ewige Quelle, aus der jeder Gläubige und die gesamte Kirche immer neue Kräfte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe schöpfen. Die Verehrung des Herzens Christi ist untrennbar mit der Eucharistie verbunden, dem Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn, dessen Fest morgen gefeiert wird. 92 AUDIENZEN UND ANGELUS Hier in Rom wird es mit der traditionellen, eindrucksvollen Prozession von St. Johannes im Lateran nach Santa Maria Maggiore begangen. Im restlichen Italien wird die Feier auf den kommenden Sonntag verlegt. Die italienischen Gläubigen erleben eine Woche im Zeichen der Eucharistie. Denn in diesen Tagen findet in Siena der Eucharistische Nationalkongreß statt, der am nächsten Sonntag enden wird. Ich rufe alle Christen, besonders die Familien, dazu auf, ein Herz und eine Seele zu sein und dem Vater Dank zu sagen für das unschätzbare Geschenk des Leibes und Blutes des Herrn, das in der Kultur und Kunst und vor allem im Leben der Heiligen unseres geliebten Landes Italien wirklich wunderbaren Ausdruck gefunden hat. Während ich euch allen wünsche, daß ihr wie Maria die lebendige Kraft der Liebe Gottes aufzunehmen wißt, erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen, der auch euren Lieben, den Kindern, den Kranken und den Leidenden gilt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Zu Beginn des neuen Monats, der besonders der Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu gewidmet ist, grüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder, sehr herzlich. Möge der Herr euch mit seiner Gegenwart im Glauben stärken. Dazu erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Fronleichnam, - ein Höhepunkt kirchlichen Lebens Angelus am 5. Juni 1. Meine Gedanken gehen heute natürlich nach Siena, wo, nach einer Woche der Begegnungen und Feiern der Nationale Eucharistische Kongreß endet, der dem Thema „Von der Gemeinschaft zum Dienst” gewidmet war. Ich werde besonders heute nachmittag während der Eucharistiefeier im Geist dabei sein. Wie viele Augenblicke des andächtigen Gebets und des Nachdenkens gab es im Laufe dieser außerordentlichen Woche des Glaubens und der Frömmigkeit! Ich weiß, daß sie viel genutzt wurden, und ich freue mich darüber. Wieder einmal hat uns der Herr sein Erbarmen in Fülle geschenkt. Aus ihm, dem Brot des Lebens, schöpfen wir die Kraft, einander zu lieben, wie er uns geliebt hat, und einander zu dienen. Wenn sie im tiefsten Innern erlebt wird, strahlt die Eucharistie auch ihre ganze soziale Kraft aus, indem sie uns zu jenem Geist der Solidarität und Hingabe anleitet, der zum Aufbau der Zivilisation der Liebe so notwendig ist. Ich wünsche von Herzen, daß der Nationale Eucharistische Kongreß reiche und dauerhafte Früchte zeitige, und ich bete, daß die Kirche in Italien im Großen Gebet ausharre, während sie vertrauensvoll auf das bevorstehende Jubiläum des Jahres 2000 zugeht. 93 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Das Hochfest des Leibes und Blutes Christi, das heute in Italien begangen wird, hat im liturgischen Jahr und in der Volksfrömmigkeit eine große Bedeutung. Denn das eucharistische Geheimnis ist Quelle und Höhepunkt des Lebens der Kirche. Indem die christliche Gemeinschaft Eucharistie feiert, findet sie ganz sich selbst, ihre eigene Berufung und Sendung, die darin besteht, „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug [zu sein] für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit” (Lumen Gentium, Nr. 1). Durch die Einsetzung der Eucharistie wollte Jesus sein Erlösungsopfer für alle Zeiten und alle Generationen gegenwärtig setzen. Die Eucharistie ist tatsächlich sein „Heisch”, hingegeben „für das Leben der Welt” (Joh 6,51). Indem er sich zu Speise und Trank für uns macht, gleicht er uns sich selbst an: Er macht uns seiner heiligen Menschheit gleichförmig und führt uns in das Gespräch seines trinitarischen Lebens ein. Wer sich an Christus nährt, wird in gewisser Weise Christus. Die heilige Kommunion entreißt unser Dasein zugleich der Bestimmung der Vergänglichkeit, indem sie in uns den Anfang zum ewigen Leben setzt. Christus selbst gibt uns diese Gewißheit, wenn er sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben” (ebd.) 3. Lernen wir von der seligsten Jungfrau, deren Leben ein wahres „eucharistisches Dasein” war. Sie ließ sich ganz von der Gegenwart ihres göttüchen Sohnes formen. In ihr hat sich tatsächlich ein wunderbarer Gabenaustausch verwirklicht: Während in ihrem Leib der Sohn Gottes Menschengestalt annahm, wurde sie innerlich von seiner göttlichen Vollkommenheit geformt; so wurde sie zur Erstlingsfrucht und zum Vorbild der Erlösten. Das ganze Leben Marias war in gewisser Weise eine „Fronleichnamsprozession”. Sie ist „voll der Gnade”, lebendiger Tabernakel des fleischgewordenen Wortes. Während wir den in der Eucharistie gegenwärtigen Jesus, den Herrn, anbeten, wenden wir uns voll kindlicher Dankbarkeit an sie, die die erhabene Pforte für seinen Eintritt in die Welt war. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Wir danken Maria, der „Salus Populi Romani”, auch für die Fronleichnamsprozession vom vergangenen Donnerstag. Wir danken ihr auch dafür, daß die Vorsehung für den Italienischen Nationalen Eucharistischen Kongreß Siena gewählt hat. Wir dürfen nicht vergessen, daß Siena durch die heilige Katharina tief mit der dominikanischen Tradition verbunden ist, das heißt mit dem hl. Thomas von Aquin und den eucharistischen Hymnen, mit seinem „Adoro te devote, latens Deitas”. Es ist ein Hymnus, den man singen soll, während man Gott anhand der ganzen Schöpfung, der Menschwerdung des Wortes, unserer Erlösung und des Kreuzes betrachtet. All das finden wir im „Adoro te devote”. Wir können sagen, daß Katharina von Siena, eine treue Jüngerin des hl. Thomas, das in ihren Schriften zum Ausdruck gebracht hat, wo sie ihren Dialog mit Gott dar- 94 AUDIENZEN UND ANGELUS stellt, der zu ihr sagt: „Du bist die, die nicht ist. Ich bin der, der ist.” Hier hallen die einmal zu Mose gesprochenen Worte wider: „Ich bin der Ich-bin-da”; Worte, die Mose die Kraft gaben, um die Juden aus der Knechtschaft in Ägypten zu befreien. Dieselben Worte gaben Jesus die göttliche Kraft, das Volk Gottes aller Zeiten von der Knechtschaft der Sünde zu erlösen. Wir sind eng mit Siena verbunden, auch durch diese geschichtlichen und eucharisti-schen Überlegungen, die uns erlauben, unsere Teilnahme am Italienischen Nationalen Eucharistischen Kongreß, der in dieser schönen alten Stadt abgehalten wird, noch weiter zu vertiefen. Der Papst fügte nach französischen und polnischen Grußworten hinzu: Man kann sagen, daß es in Rom immer wärmer wird. Ich danke für eure Teilnahme. Vom Petersplatz aus haben wir hier am Eucharistischen Kongreß in Siena teilgenommen. Wir wollen mit den Worten des „Adoro te devote” des hl. Thomas schließen. Am Ende dieses Liedes betet und singt man: „Ut, te revelata cemens facie, visu sim beatus tuae gloriae.” Das ist der große Wunsch des Eucharistischen Kongresses für uns alle, daß wir eines Tages Gott schauen können. Herz Christi - Grundlage von Gottes- und Selbsterkenntnis Ansprache bei der Generalaudienz am 8. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Übermorgen ist das Fest des Heiligsten Herzens Jesu. Von diesem liturgischen Fest strahlt ein besonderes Licht auf den ganzen Monat Juni aus. Es ist wichtig, daß die Gläubigen ihre Sensibilität für die damit verbundene Botschaft bewahren: Im Herzen Christi ist die Liebe Gottes der ganzen Menschheit entgegengekommen. Es handelt sich um eine Botschaft, die in unseren Tagen außerordentlich aktuell ist. Denn der Mensch von heute ist oft zerstreut, gespalten, fast ohne ein inneres Prinzip, das in seinem Denken und Handeln Einheit und Harmonie schafft. Vielverbreitete Verhaltensmodelle verschärfen die technologisch-rationelle oder, umgekehrt, die triebmäßige Dimension, während die Mitte der Person weder die reine Vernunft noch der Instinkt ist. Die Mitte der Person ist das, was die Bibel das „Herz” nennt. Am Ende des 20. Jahrhunderts scheint der Unglaube nach Art der Aufklärungszeit, der so lange herrschte, überholt zu sein. Die Menschen spüren eine starke Sehnsucht nach Gott, sie haben gleichsam den Weg des inneren Heiligtums verloren, in dem sie seine Gegenwart beherbergen. Dieses Heiligtum ist das Herz, wo Freiheit und Vernunft mit der Liebe des himmlischen Vaters Zusammentreffen. Das Herz Christi ist der universale Sitz der Gemeinschaft mit Gott Vater, der Sitz des Heiligen Geistes. Um Gott zu kennen, muß man Jesus kennen und im Einklang mit seinem Herzen leben, indem man wie er Gott und den Nächsten liebt. 95 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Die Verehrung des Heiligsten Herzens, wie sie sich in Europa vor zwei Jahrhunderten unter dem Antrieb der mystischen Erfahrungen der hl. Margherita Maria Alacoque entwickelt hat, war die Antwort auf den Jansenistischen Rigorismus, der schließlich die unendliche Barmherzigkeit Gottes verkannt hatte. Die Herz-Jesu-Verehrung bietet der Menschheit heute, die auf eine einzige Dimension abgeflacht oder sogar versucht ist, Formen von wenn nicht theoretischem, dann gewiß praktischem Nihilismus nachzugeben, eine authentische und harmonische Fülle im Hinblick auf die Hoffnung, die nicht trügt. Vor etwa einem Jahrhundert verkündete ein bekannter Denker den „Tod Gottes”. Nun, gerade aus dem Herzen des Sohnes Gottes, der am Kreuz gestorben ist, entsprang die immerwährende Quelle des Lebens, die jedem Menschen Hoffnung gibt. Aus dem Herzen des gekreuzigten Christus geht die neue, von der Sünde erlöste Menschheit hervor. Der Mensch des Jahres 2000 braucht das Herz Christi, um Gott zu erkennen und sich selbst zu erkennen; er bedarf seiner, um die Zivilisation der Liebe aufzubauen. Deshalb lade ich euch, liebe Brüder und Schwestern, ein, voll Zuversicht auf das Heiligste Herz Jesu zu schauen und oft, vor allem jetzt im Monat Juni, zu wiederholen: Heiligstes Herz Jesu, ich vertraue auf dich! In deutscher Sprache sagte der Papst: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt auch Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Am kommenden Freitag feiert die Kirche das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu. Wer Gott erkennen will, muß Jesus erkennen und in Übereinstimmung mit seinem Herzen leben und Gott und den Nächsten so lieben, wie er selbst es getan hat. Mit diesem Wunsch erteile ich Euch allen meinen Apostolischen Segen. Einladung zum Welttag der Familien Angelus am 12. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute möchte ich auf die Enzyklika Veritatis splendor zurückkommen, um von neuem einige Grundprinzipien des Morallebens darzulegen. Ausgangspunkt der Enzyklika ist der Dialog Jesu Christi mit dem jungen Mann (vgl. Mt 19,16-22), der ihm folgende Frage stellt: „Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” {Mt 19,16). Jesus antwortet: „Wenn du ... das Leben erlangen willst, halte die Gebote!” {Mt 19,17). Und als der junge Mann fragt: „Welche?”, zählt Jesus die Zehn Gebote auf. Dieses Gespräch zeigt, daß im Menschen die Sehnsucht nach ewigem Leben besteht; eine Sehnsucht, deren Erfüllung von der Einhaltung der Gebote abhängt, das heißt von der Erfüllung moralischer Vorschriften, von Verhal- 96 AUDIENZEN UND ANGELUS tensgrundsätzen, die von Gott gegeben und in der Heiligen Schrift geoffenbart wurden. 2. Indem er den jungen Mann auffordert, die Zehn Gebote zu halten, tut Jesus nichts anderes, als dieselben Gebote aufzugreifen, die Gott in seiner Erhabenheit als höchster Gesetzgeber den Juden durch Mose vom Berg Sinai aus gegeben hatte. Durch die Gebote hatte Gott einen Bund mit Israel geschlossen: Mose hatte sich mit seinem Volk verpflichtet, sie einzuhalten, und Gott seinerseits hatte den Juden den Zutritt zum verheißenen Land versprochen. Die Einhaltung der Gebote ist die Voraussetzung dafür, das ewige Leben zu gewinnen, für das der Zutritt ins verheißene Land das Symbol ist. 3. Dasselbe Gesetz, von Gott durch Mose geoffenbart und von Christus im Evangelium bestätigt (vgl. Mt 5,17-19), wurde der Menschennatur vom Schöpfer eingeschrieben. Dazu lesen wir im Brief des Apostels Paulus an die Römer: „Wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, von Natur aus das tun, was im Gesetz gefordert ist, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz” (.Röm 2,14). So sind also die moralischen Grundsätze, die Gott dem auserwählten Volk durch Mose offenbarte, die gleichen, die er in die Natur des Menschen eingeschrieben hat. Indem der Mensch also das befolgt, was von Anfang an zu seiner Natur gehört, weiß er, daß er Vater und Mutter ehren und das Leben achten muß; er ist sich dessen bewußt, daß er nicht die Ehe brechen, noch stehlen, noch falsch aussagen soll; mit einem Wort, er weiß, daß er den anderen gegenüber das nicht tun darf, war er nicht will, daß es ihm die anderen tun. 4. Im Brief an die Römer fügt der hl. Paulus hinzu: Sie zeigen damit, daß ihnen die Forderungen des Gesetzes ins Herz geschrieben ist” {Röm 2,15). Das Gewissen meldet sich als Zeuge, sei es, indem es den Menschen anklagt, wenn er das in sein Herz eingeschriebene Gebot Übertritt, sei es, indem es ihn rechtfertigt, wenn er ihm treu ist. So besteht also nach der Lehre des Apostels ein Gesetz, das eng mit der Natur des Menschen als vernunftbegabtes und freies Lebewesen verknüpft ist, und dieses Gesetz findet in seinem Gewissen Widerhall: Mit dem Gewissen in Einklang leben heißt für den Menschen, dem Gesetz der eigenen Natur nach zu leben und umgekehrt, diesem Gesetz entsprechend zu leben bedeutet, eins mit dem Gewissen zu sein; offensichtlich mit dem wahrhaften und rechten Gewissen, das heißt mit dem Gewissen, das den Inhalt des Gesetzes richtig auslegt, das der menschlichen Natur vom Schöpfer eingeschrieben ist. 5. Die Erinnerung an diese in der Heiligen Schrift und besonders im Römerbrief enthaltene Lehre war in der Kirchen- und Menschheitsgeschichte immer von großer Bedeutung. In diesem Jahr ist sie besonders dringlich, vor allem in bezug auf die Grundpflichten, die die Familien und das Leben betreffen, die so eng miteinander verbunden sind. Im Jahr der Familie soll vor allem jenes Grundrecht des Menschen bekräftigt werden, das das Recht auf Leben ist. Man darf dieses Recht nicht zunich- 97 AUDIENZEN UND ANGELUS te machen, indem man z. B. die Tötung menschlichen Lebens, besonders der Ungeborenen, legalisiert. 6. Durch das Angelusgebet lenken wir unsere Gedanken und unsere Herzen auf Maria, die Mutter des Wortes, das Mensch geworden ist (vgl. Joh 1,14). Während er in die Welt kommt, will der Sohn Gottes, daß wir das Leben haben und daß wir es in Fülle haben (vgl. Joh 10,10). Bitten wir ihn auf die Fürsprache der Mutter des Lebens, daß das göttliche Gesetz geachtet werde, das jedem Menschen ins Herz geschrieben ist; damit insbesondere das Recht jedes Menschen auf Leben von der Empfängnis an geachtet werden. Nur indem man das Gesetz Gottes achtet, kann man das ewige Leben erlangen! Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute morgen wurden einige Brautpaare in der Petersbasilika getraut. Ich habe ihnen durch Kardinal Lopez Trujillo meine Segensworte übermitteln lassen. Jetzt wünsche ich den Neuvermählten noch einmal Freude und Wohlergehen und lade sie ein, Apostel des „Evangeliums der Familie” zu sein durch das frohe Zeugnis einer tiefen und treuen Liebe. Ich denke dann an das Welttreffen der Familien, das hier in Rom im kommenden Oktober stattfindet. Durch den Brief an die Familien habe ich versucht, einen Dialog mit jeder einzelnen von ihnen im Hinbück auf das Wort Gottes anzuknüpfen. letzt möchte ich sie einla-den, sich mit mir wenigstens geistig bei diesem Treffen zu vereinen, das der Höhepunkt des Jahres der Familie sein wird. Am Samstag, 8. Oktober, findet ein Fest der Famiüen mit Lebenszeugnissen statt, gefolgt von einer Eucharistiefeier, die ich, so Gott will, am Sonntag, 9. Oktober, feiern werde zusammen mit den Bischöfen, die an der Synode über das geweihte Leben teilnehmen. Ich möchte, daß zu gegebener Zeit in jeder Diözese eine ähnüche Initiative ergriffen werde, damit dieses Jahr für die Famiüen eine Zeit der Gnade ist, die vom Nachdenken und von der Lebenserneuerung gekennzeichnet sein soü. Die seügste Jungfrau mache alle guten Vorsätze fruchtbar und segne die Famiüen in der ganzen Welt. Ich segne die neokatechumentalen Gemeinschaften aus Paris, Rom und San Be-nedetto del Tronto und wünsche ihnen, daß die Wallfahrt zum Grab des hl. Petrus für aüe eine bedeutsame Etappe auf dem Weg des Glaubens und des christlichen Zeugnisses bedeuten möge. Kranke und Leidende im Heilswirken der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 15. Juni 1. In der vorhergegangenen Katechese haben wir über die Würde der Leidenden gesprochen und über das Apostolat, das sie in der Kirche entfalten können. Heute 98 AUDIENZEN UND ANGELUS wollen wir ganz speziell die Kranken und Leidenden betrachten, denn die Prüfungen, denen die Gesundheit unterzogen wird, sind heute wie früher von besonderer Bedeutung im menschlichen Leben. Die Kirche kann nicht umhin, im Herzen das Bedürfnis nach Verbundenheit und Teilnahme an diesem schmerzlichen Geheimnis zu spüren, das so viele Menschen aller Zeiten dem Zustand Jesu Christi während seines Leidens angleicht. Alle Menschen in der Welt haben gesundheitliche Schwierigkeiten, aber einige mehr als andere, wie diejenigen, die an einem ständigen Gebrechen leiden oder aufgrund irgendeiner körperlichen Absonderheit oder Schwäche vielen Beschwerden ausgesetzt sind. Es genügt ein Besuch im Krankenhaus, um die Welt der Krankheit zu entdecken, das Antlitz einer Menschheit, die seufzt und leidet. Die Kirche kann nicht umhin, in diesem Antlitz die Züge des „Christus patiens” zu sehen; sie kann nicht umhin, an den göttlichen Plan zu erinnern, der diese Menschenleben mit anfälliger Gesundheit zu einer Fruchtbarkeit höherer Ordnung führt. Sie kann keine andere als eine „Ecclesia compatiens” sein: mit Christus und mit allen Leidenden. 2. Jesus hat sein Mitleid mit den Kranken und leidenden bekundet, indem er die große Güte und Zärtlichkeit seines Herzens offenbarte, das geneigt ist, den seelisch und körperlich leidenden zu helfen, auch durch die ihm zugehörige Vollmacht, Wunder zu tun. Deshalb wirkte er viele Heilungen, so daß die Kranken zu ihm kamen, um aus seiner Wunderkraft Nutzen zu ziehen. Wie der Evangeüst Lukas sagt, kamen die Volksscharen nicht nur, um Jesus zu hören, sondern auch, um „von ihren Krankheiten geheilt” zu werden (Lk 5,15). In der Hingabe, mit der Jesus die herbeiströmenden Menschen von der Last der Krankheit oder des Leidens befreien wollte, läßt er uns die besondere Absicht des göttlichen Erbarmens mit ihnen im göttlichen Heilsplan erbücken, den das menschgewordene Wort in der Welt offenbart und verwirklicht: Gott ist nicht gleichgültig den Leiden der Krankheit gegenüber und hilft den Kranken. 3. Jesus betrachtet und behandelt die Kranken und Leidenden tatsächlich in der Perspektive des Heilswerkes, das ihm aufgetragen war zu vollbringen. Die körperlichen Heilungen gehören zu diesem seinem Heilswerk und sind zugleich Zeichen der einzigartigen geistlichen Gesundung, die er der Menschheit bringt. Diese höhere Absicht ist ganz offensichtlich, als er einem Gelähmten, den man zu ihm geführt hatte, damit er geheilt werde, vor allem die Sünden vergibt; weil er aber um den inneren Widerstand einiger anwesender Schriftgelehrter und Pharisäer weiß, sagt er: „Ihr sollt aber erkennen, daß der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben. Und er sagte zu dem Gelähmten: Ich sage dir: Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh nach Hause!” (Mk 2,10-11). In diesem und in vielen anderen Fällen will Jesus mit dem Wunder beweisen, daß er die Vollmacht hat, die menschliche Seele von ihren Sünden zu befreien und rein zu machen. Er heilt die Kranken im Hinblick auf dieses höhere Geschenk, das er allen Menschen anbietet: Das ist das geistliche Heil (vgl. Katechismus der Katholischen 99 AUDIENZEN UND ANGELUS Kirche, Nr. 549). Die Leiden der Krankheit können die überwiegende Bedeutung des geistlichen Heils für jede Person nicht vergessen lassen. 4. In dieser Heilssicht fordert deshalb Jesus den Glauben an seine Erlösermacht. Im Fall des soeben erwähnten Gelähmten antwortet Jesus auf den Glauben der vier Menschen, die den Kranken zu ihm gebracht hatten: „Als er ihren Glauben sah” sagt Markus (2,5). Vom Vater des besessenen Jungen verlangt er Glauben, als er sagt: „Alles kann, wer glaubt” (Mk 9,23). Er bewundert den Glauben des Hauptmanns: „Geh! Es soll geschehen, wie du geglaubt hast” (Mt 8,13), und den der kanaanäischen Frau: „Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen” {Mt 15,28). Das an dem Blinden Bartimäus gewirkte Wunder wird dem Glauben zugeschrieben: „Dein Glaube hat dir geholfen” {Mk 10,52). Ein ähnliches Wort richtet er an die Frau, die Blutungen litt: „Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen” {Mk 5,34). Jesus will die Überzeugung einpflanzen, daß der vom Wunsch nach Heilung erzeugte Glaube an ihn dazu bestimmt ist, das geistliche Heil zu bringen, das mehr zählt. Aus den genannten Ereignissen des Evangeliums geht hervor, daß die Krankheit im göttüchen Plan sich als ein Antrieb zum Glauben erweisen kann. Die Kranken sind geneigt, die Zeit der Krankheit als eine Zeit vertieften Glaubens und damit als eine Zeit verstärkter Heiligung und Empfänglichkeit zu leben, die sich des Heiles, das von Christus kommt, noch mehr bewußt ist. Es ist eine große Gnade, dieses Licht über die tiefe Wahrheit der Krankheit zu empfangen! 5. Das Evangelium bezeugt, daß Jesus seine Apostel an seiner Vollmacht, die Kranken zu heilen, teilhaben läßt (vgl. Mt 10,1); ja, in der Abschiedsrede vor seiner Himmelfahrt nannte er die Heilungen, die sie wirken sollten, Zeichen für die Wahrheit der Verkündigung des Evangeliums (vgl. Mk 16,17-20). Es handelte sich darum, das Evangelium zu allen Völkern in der Welt zu bringen, unter menschlich unüberwindlichen Schwierigkeiten. So ist zu erklären, daß in den Anfängen der Kirche so viele wunderbare Heilungen gewirkt wurden, wie die Apostelgeschichte unterstreicht (vgl. 3,1-10; 8,7; 9,33-35; 14,8-10; 28,8-10). In den späteren Zeiten fehlte es nie an für „wunderbar” gehaltenen Heilungen, wie in geschichtlichen Quellen und namhaften Biographien und in der Dokumentation von Heiligsprechungsprozessen bewiesen wird. Man weiß, daß die Kirche in dieser Hinsicht sehr anspruchsvoll ist. Das entspricht der Pflicht zur Vorsicht. Aber aus historischer Sicht können viele Fälle nicht außer acht gelassen werden, die zu allen Zeiten das außerordentliche Eingreifen des Herrn zugunsten der Kranken beweisen. Die Kirche, obwohl sie immer mit solchen Formen des Eingreifens rechnet, fühlt sich nicht der täglichen Pflicht entbunden, den Kranken beizustehen und sie zu pflegen, sei es durch die traditionellen karitativen Einrichtungen, sei es durch die modernen Strukturen des Gesundheitsdienstes. 6. In der Sicht des Glaubens erhält die Krankheit tatsächlich einen höheren Adel und offenbart eine besondere Wirksamkeit als Hilfe beim apostolischen Dienst. In die- 100 AUDIENZEN UND ANGELUS sem Sinn zögert die Kirche nicht, zu erklären, daß sie die Kranken braucht, ebenso ihre Selbstaufopferung an den Herrn, um reichere Gnaden für die ganze Menschheit zu erlangen. Wenn die Krankheit in der Sicht des Evangeliums eine Zeit der Gnade sein kann, eine Zeit, wo die göttliche Liebe tiefer in die Leidenden eindringt, dann können die Kranken und Leidenden zweifellos durch ihr Opfer sich selbst heiligen und zur Heiligung der anderen beitragen. Das gilt insbesondere für jene, die sich dem Dienst an den Kranken und Leidenden widmen. Dieser Dienst ist ein Weg der Heiligung wie die Krankheit selbst. Im Laufe der Jahrhunderte war er ein Zeugnis der Liebe Christi, die ja die Quelle der Heiligkeit ist. Es ist ein Dienst, der Hingabe, Geduld und Fürsorglichkeit, verbunden mit großer Fähigkeit zum Mitleid und Verständnis, erfordert, um so mehr, als man den Kranken über die Pflege unter dem rein medizinischen Aspekt hinaus auch moraüschen Trost bringen muß, wie Jesus sagt: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht” CMt 25,36). 7. All das trägt zum Aufbau des „Leibes Christi” in der Liebe bei, sowohl durch die Wirksamkeit der Selbstaufopferung der Kranken als auch durch das Üben der Tugenden in denen, die sie pflegen und besuchen. So wird das Geheimnis der Kirche als Mutter und Ausspenderin der Liebe konkrete Wirklichkeit. So haben es die Maler wie z. B. Piero della Francesca dargestellt: im „Polyptychon della misericordia”, um 1448 gemalt und in Borgo San Sepolcro aufbewahrt, zeigt er die Jungfrau Maria, das Bild der Kirche, wie sie ihren Schutzmantel über die Gläubigen ausbreitet, die Schwachen, die Hilflosen, die Mutlosen, das Volk, den Klerus und die geweihten Jungfrauen, wie sie Bischof Fulbert von Chartres in einer 1208 verfaßten Predigt aufgezählt hat. Wir müssen uns darum bemühen, daß unser einfacher und liebevoller Dienst an den Kranken teilhat am Dienst unserer Mutter, der Kirche, für die Maria das vollkommene Vorbild ist (vgl. Lumen Gentium, Nm. 64-65) für eine wirksame Anwendung der Therapie der Liebe. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich heiße ich Euch, die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, willkommen. Unsere Gedanken lenken wir heute auf die kranken und schwachen Menschen, die der Kirche besonders am Herzen liegen. Jesus selber wandte sich ihnen in liebender Sorge zu, weü er ihnen körperliche Gesundheit schenken und sie gleichzeitig von der Krankheit der Seele, der Sünde, befreien sollte. Versuchen auch wir an dieser umfassenden Sorge der Kirche im Dienst an den Kranken und Notleidenden teilzuhaben durch eine wirksame „Therapie der Liebe”. Dazu erteile ich Euch gern meinen Apostolischen Segen. 101 AUDIENZEN UND ANGELUS Ehe von Mann und Frau im Plan Gottes Angelus am 19. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Während ich die Überlegungen wiederaufnehme, die ich am vergangenen Sonntag über das von Gott in jedes Menschenherz eingeschriebene Naturgesetz begonnen habe, möchte ich heute auf das Thema Familie eingehen, dem in diesem Jahr besondere Aufmerksamkeit von seiten der Kirche und der Gesellschaft geschenkt wird. Die Familie ist die Kemzelle der Gesellschaft. Sie stützt sich auf die feste Grundlage jenes Naturgesetzes, das alle Menschen und alle Kulturen verbindet. Es ist dringend notwendig, diesen Aspekt, auf den ich an den nächsten Sonntagen noch zurückkommen will, in Bewußtsein zu rücken. Denn nicht selten wird das Beharren der Kirche auf der Ehe- und Familienethik mißverstanden, als ob die christliche Gemeinschaft der ganzen Gesellschaft eine nur für die Gläubigen gültige Glaubenssicht aufzwingen wolle. Man sah das zum Beispiel an einigen Reaktionen auf die Mißbilligung, die ich offen zum Ausdruck gebracht hatte, als das Europa-Parlament eine neue Familienform, gekennzeichnet durch die Verbindung homosexueller Personen, als rechtsgültig erklären wollte. In Wirklichkeit ist die Ehe als feste Verbindung eines Mannes und einer Frau, die sich zum gegenseitigen Sich-selbst-Schenken verpflichten und offen sind für die Weitergabe des Lebens, nicht nur ein christlicher Wert, sondern ein ursprünglicher Wert der Schöpfung. Diese Wahrheit verlieren bedeutet nicht nur ein Problem für die Glaubenden, sondern eine Gefahr für die ganze Menschheit. 2. Fleute schleicht sich leider ein Relativismus ein, der drängt, selbst das Bestehen einer objektiven Wahrheit anzuzweifeln. Es erklingt wieder die bekannte, von Pilatus an Jesus gestellte Frage: „Was ist Wahrheit?” (Joh 18,38). Ausgehend von diesem Skeptizismus, kommt man zu einem falschen Begriff von Freiheit, der sich jeder ethischen Begrenzung entziehen und die augenscheinlichsten Gegebenheiten der Natur nach eigenem Belieben neu formulieren will. Gewiß, der Mensch entdeckt die Wahrheit immer in begrenztem Maß und kann sich als ein „Pilger” der Wahrheit betrachten. Aber das ist ganz verschieden vom Relativismus und vom Skeptizismus. Denn die Erfahrung lehrt, daß unser von vielfältigen Abhängigkeiten getrübter oder geschwächter Verstand trotzdem die Wahrheit der Dinge zu erfassen imstande ist, zumindest wenn es sich um jene Grundwerte handelt, die das Leben der einzelnen und der Gesellschaft ermöglichen. Sie sind dem Gewissen eines jeden als gemeinsames Erbe der Menschheit eingepflanzt. Appelliert nicht das Gewissen aller an dieses Erbe, wenn es die Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt, obwohl sie von irgendeinem Gesetzgeber befürwortet werden? In Wahrheit geht das Naturgesetz, gerade weil es von Gott ins 102 AUDIENZEN UND ANGELUS Herz geschrieben ist, jedem von Menschen gemachten Gesetz voraus und bemißt seine Gültigkeit. 3. Die seligste Jungfrau vertiefe in allen Familien der Welt das Bewußtsein für den Plan Gottes. Möge das Jahr der Familie für sie eine Zeit des Nachdenkens und der Erneuerung sein. Mögen vor allem die Kinder Nutzen daraus ziehen, die ein Recht auf die Nestwärme von Familien haben - und dies mehr denn je die diesen Namen verdienen. Haltet ein mit dem Massaker! Das tragische Schicksal der Völker von Ruanda hat weiterhin einen ganz besonderen Platz in unserem Herzen. Auch in der vergangenen Woche haben schändliche Massaker unzählige Opfer, einschließlich schuldloser Kinder, gefordert. Diese Verbrechen treffen das Gewissen des Menschen im Innersten. Wer solche Pläne entwirft und diejenigen, die sie ausführen, begehen eine äußerst schwere Sünde, denn sie töten ihre nach Gottes Bild geschaffenen Menschenbrüder. Ich bitte alle, auf die Stimme Gottes und der Vernunft zu hören: Haltet ein mit der Gewalt! Ich ermutige die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, die du unternommen werden in der Absicht, das Feuer-Einstellen - unerläßliche Voraussetzung für jede zukünftige Initiative der Versöhnung - zu begünstigen. Wir übergeben alles Maria, der Mutter Christi und unserer Mutter! Würde und Sendung der christlichen Frau Ansprache bei der Generalaudienz am 22. Juni 1. In den Katechesen über die Würde und das Apostolat der Laien in der Kirche haben wir das Denken und die Pläne der Kirche dargelegt, die für alle Gläubigen, Männer und Frauen, gelten. Jetzt aber wollen wir die Rolle der christlichen Frau eingehender betrachten, sowohl in bezug auf die Bedeutung, die die Frauen seit jeher in der Kirche gehabt haben, als auch wegen der Erwartungen, die man ihnen gegenüber für die Gegenwart und die Zukunft hegt. Viele Stimmen sind in unserer Zeit laut geworden, um die Achtung der personalen Würde der Frau und die Anerkennung einer wirklichen Gleichheit der Rechte mit dem Mann zu fordern, damit ihr die volle Möglichkeit gegeben werde, ihren Auftrag in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Gesellschaft zu erfüllen. Die Kirche betrachtet die Bewegung der sogenannten Emanzipation oder Befreiung bzw. Entfaltung der Frau im Licht der Offenbarung und Lehre über die Würde der menschlichen Person, über den Wert der Einzelpersonen - Frauen und Männer - vor 103 AUDIENZEN UND ANGELUS dem Schöpfer und über die Rolle, die der Frau im Heilsplan zuerkannt wird. Sie ist deshalb der Meinung, daß die Anerkennung der Bedeutung der Frau in Wirklichkeit dem christlichen Bewußtsein des Wertes jeder Person entspringt. Angeregt durch die Entwicklung der soziokulturellen Bedingungen und erleuchtet vom Heiligen Geist, gelingt es diesem Bewußtsein, immer besser die Absichten des in der Offenbarung enthaltenen göttlichen Planes zu erfassen. Und diese „göttlichen Absichten” sollten wir vor allem im Evangelium studieren, während wir die Bedeutung des Lebens der Laien und im besonderen die der Frauen behandeln, um ihren Beitrag zum Werk der Kirche für die Verbreitung der Botschaft des Evangeliums und für die Ankunft des Reiches Gottes zu fördern. 2. In der Sicht der christlichen Anthropologie hat jede menschliche Person ihre Würde: Und die Frau als Person besitzt nicht weniger Würde als der Mann. Aber aufgrund des männlichen Egoismus, der sich vielerorts in der Vergangenheit gezeigt hat und heute noch zeigt, wird die Frau zu oft als Objekt betrachtet. In der heutigen Situation spielen viele Gründe kultureller und sozialer Art mit, die mit ausgewogener Objektivität zu berücksichtigen sind. Aber es ist nicht schwer, auch den Einfluß einer Neigung zur Vorherrschaft und Gewalttätigkeit zu erkennen, die ihre Opfer besonders unter den Frauen und Kindern sucht. Im übrigen war und ist es auch ein allgemeines Phänomen: Es hat seinen Ursprung, wie ich in Christifideles laici schrieb, in „einer ungerechten und schädlichen Mentalität..., die den Menschen als ein Ding, als ein Objekt, als ein Werkzeug des egoistischen Interesses oder der Lust versteht, das man kaufen oder verkaufen kann” (Nr. 49). Die christlichen Laien sind berufen, alle Formen zu bekämpfen, die diese Mentalität annimmt, auch wenn sie sich in öffentliches Zur-Schau-Stellen und Werbung umsetzt, die von der Absicht gesteuert werden, den hektischen Konsumdrang noch zu verstärken. Aber die Frauen selbst sind verpflichtet mitzuwirken, damit sie die Achtung ihrer Persönlichkeit erlangen, und sie dürfen in keiner Form Kompromisse schließen mit dem, was ihrer Würde widerspricht. 3. Auf der Grundlage derselben Anthropologie lehrt die Kirche weiter, daß das Prinzip der Gleichheit von Frau und Mann in bezug auf die personale Würde und die Grundrechte des Menschen mit allen Konsequenzen verwirklicht werden soll. Die Bibel selbst läßt diese Gleichheit durchblicken. Diesbezüglich mag folgende Beobachtung interessant sein: Wenn im ältesten Bericht über die Erschaffung von Adam und Eva die Frau von Gott „aus der Rippe” des Menschen erschaffen wird (vgl. Gen 2,4b-25), dann ist sie dem Mann als ein anderes „Ich” zur Seite gestellt, mit dem er zum Unterschied zu allen anderen geschaffenen Wirklichkeiten auf gleicher Ebene sprechen kann. In derselben Sicht ist der andere Schöpfungsbericht zu betrachten (vgl. Gen 1,26-28), wo sogleich bekräftigt wird, daß der als Abbild Gottes geschaffene Mensch „Mann und Frau” ist. „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie” (Gen 1,27; vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 6). So wird der Geschlechtsunterschied, aber vor allem 104 AUDIENZEN UND ANGELUS ihre notwendige Komplementarität zum Ausdruck gebracht. Man könnte meinen, daß es dem heiligen Autor am Herzen liegt, endgültig zu bekräftigen, daß die Frau nicht weniger als der Mann das Bild Gottes in sich trägt und daß sie in dem, was für ihre Person als Frau spezifisch ist, und nicht nur in dem, was sie mit dem Mann gemeinsam hat, als Abbild Gottes geschaffen wurde. Es handelt sich um Gleichheit und Verschiedenheit (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 369). Deshalb besteht die Vollkommenheit für die Frau nicht darin, wie der Mann zu sein und sich so weit zu vermännlichen, daß sie ihre spezifischen fraulichen Eigenschaften verliert: Ihre Vollkommenheit - auch ein Geheimnis des Erfolgs und entsprechender Selbständigkeit - ist es, Frau zu sein, dem Mann gleich, aber verschieden von ihm. In der Gesellschaft und auch in der Kirche müssen Gleichheit und Verschiedenheit der Frauen anerkannt werden. 4. Verschiedenheit bedeutet nicht eine notwendige und fast unerbittliche Opposition. In dem gleichen biblischen Schöpfungsbericht wird die Zusammenarbeit von Mann und Frau als Voraussetzung für die Entwicklung der Menschheit und ihres Werkes der Herrschaft über die Welt bekräftigt: „Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch” (Gen 1,28). Im Hinblick auf diesen Auftrag des Schöpfers betont die Kirche, daß das „Ehepaar und die Familie ... der primäre Ort des sozialen Engagements der Laien sind” (vgl. Christifideles laici, Nr. 40). Allgemeiner sagen wir, daß die Gründung der zeithchen Ordnung sich aus der Zusammenarbeit von Mann und Frau ergeben muß. 5. Aber aus dem darauffolgenden Text der Genesis ist auch zu entnehmen, daß die Zusammenarbeit von Mann und Frau im Heilsplan auf einer höheren Ebene in der Sicht der Gemeinschaft des neuen Adam und der neuen Eva Ausdruck finden sollte. Denn im Protoevangelium (vgl. Gen 3,15) wird die Feindschaft zwischen dem Bösen und der Frau begründet. Als erste Feindin des Bösen ist die Frau die erste Verbündete Gottes (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 11). In dieser Frau können wir im Licht des Evangeliums die Jungfrau Maria erkennen. Aber wir können in diesem Text auch eine Wahrheit lesen, die die Frauen im allgemeinen betrifft: Sie wurden befördert - nach der durch Gott freigeschenkten Erwählung erhielten sie eine vorrangige Rolle im göttlichen Bund. In der Tat erkennt man das in den Gestalten so vieler heiliger Frauen, wahrer Heldinnen des Reiches Gottes, aber auch in der menschlichen Geschichte und Kultur kommt das Wirken der Frau für das Gemeinwohl zum Ausdruck. 6. In Maria offenbart sich voll die Bedeutung, die der Person und Sendung der Frau im göttlichen Plan zugeschrieben wird. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, über die anthropologische Bedeutung der Grundaspekte der Mariologie nachzudenken: Maria ist die „Begnadete” vom ersten Augenblick ihres Daseins an, so daß sie vor der Sünde bewahrt bleibt. Offensichtlich wird der „mehr als alle Frauen Gesegneten” die Fülle des göttlichen Wohlgefallens gewährt, das von Maria auf die Be- 105 AUDIENZEN UND ANGELUS schaffenheit der Frau selbst ausstrahlt und somit deren Unterlegenheit in jedem Fall ausschließt (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 1-7). Maria wird außerdem in den endgültigen Bund Gottes mit der Menschheit eingesetzt. Sie hat die Aufgabe, im Namen der Menschheit ihre Zustimmung zum Kommen des Erlösers zu geben. Diese Rolle übersteigt alle, auch die jüngsten Forderungen hinsichtlich der Rechte der Frau: Maria hat in herausragender und menschlich unvorstellbarer Weise in die Geschichte der Menschheit eingegriffen, und sie hat durch ihre Zustimmung zur Wandlung der ganzen menschlichen Bestimmung beigetragen. Und weiter: Maria hat bei der Entfaltung der Sendung Jesu mitgewirkt, dadurch daß sie ihn geboren und aufgezogen hat und ihm in den Jahren des verborgenen Lebens beigestanden ist; dann während der Jahre seines öffentlichen Wirkens, indem sie seine Tätigkeit behutsam unterstützte, angefangen von Kana, wo sie die erste Offenbarung der wundertätigen Macht des Erlösers erlangt: Wie das Konzil lehrt, hat Maria „den Anfang der von Jesus als Messias gewirkten Zeichen durch ihre Fürbitte veranlaßt” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 58). Maria hat vor allem mit Christus am Heilswerk mitgewirkt, nicht nur dadurch, daß sie Jesus auf seine Sendung vorbereitet, sondern auch dadurch, daß sie sich mit seinem Opfertod für die Erlösung aller vereint hat (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 3-5). 7. Das Licht Marias kann sich auch heute in der Welt der Frau verbreiten und die alten und neuen Probleme der Frau umfassen, indem es allen hilft, ihre Würde zu verstehen und ihre Rechte anzuerkennen. Die Frauen empfangen eine besondere Gnade; sie erhalten sie, um im Bund mit Gott auf der Ebene ihrer Würde und Sendung zu leben. Sie sind gerufen, sich auf ihre Weise - in hervorragender Weise -mit dem Erlösungswerk Christi zu vereinen. Den Frauen gebührt eine wichtige Rolle in der Kirche. Das versteht man ganz besonders klar im Licht des Evangeliums und in der erhabenen Gestalt Marias. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Heute möchte ich kurz die wichtige Rolle und Aufgabe der Frau innerhalb der Kirche hinweisen, wie sich dies im Lichte des Evangeliums und der Person Mariens darstellt. Die Frauen erhalten eine besondere Gnade, sich auf ihre Weise und entsprechend ihrer besonderen Sendung in der Kirche mit dem Erlösungswerk Christi zu vereinen. Wir alle müssen dazu beitragen, daß ihre Würde und ihre Rechte von allen anerkannt und respektiert werden. Euch allen sowie Euren heben Angehörigen und Freunden in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 106 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Sexualität als Ausdruck der Liebe achten Angelus am 26. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Auch heute möchte ich fortfahren in den Überlegungen zu Ehe, Familie und Naturgesetz. Das Fundament der Familie ist die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau: eine Liebe, verstanden als gegenseitiges, tiefgehendes Sich-Schenken, das auch in der geschlechtlichen, ehelichen Vereinigung Ausdruck findet. Der Kirche wird manchmal vorgeworfen, sie mache die Geschlechtlichkeit zum Tabu. Die Wahrheit ist ganz anders! Das christliche Denken hat im Laufe der Geschichte im Gegensatz zu den manichäischen Strömungen eine harmonische und positive Sicht des Menschen entwickelt und die bedeutende und wertvolle Rolle anerkannt, die das Mann- bzw. Frausein im Leben des Menschen spielt. Im übrigen ist auch die Botschaft der Bibel unmißverständlich: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild ... Als Mann und Frau schuf er sie” (Gen 1,27). In dieser Bekräftigung ist die Würde jedes Mannes und jeder Frau in ihrer naturgegebenen Gleichheit, aber auch in ihrer geschlechtlichen Verschiedenheit deutlich ausgedrückt. Sie ist eine Gegebenheit, die die Beschaffenheit des Menschen tief beeinflußt. „Aus dem Geschlecht nämlich ergeben sich die besonderen Merkmale, die die menschliche Person im biologischen, psychologischen und geistigen Bereich als Mann und Frau bestimmen” (Persona Humana, Nr. 1). Ich betonte es jüngst im Brief an die Familie: „Der Mensch wurde ,am Anfang’ als Mann und Frau geschaffen: Das Leben der menschlichen Gemeinschaft - der kleinen Gemeinschaften wie der ganzen Gesellschaft - trägt das Zeichen dieser Ur-Dualität. Aus ihr gehen die .Männlichkeit’ und die .Weiblichkeit’ der einzelnen Individuen hervor, so wie aus ihr jede Gemeinschaft ihren je eigentümlichen Reichtum in der gegenseitigen Ergänzung der Personen schöpft” (Nr. 6). 2. Die Sexualität gehört also zum ursprünglichen Plan des Schöpfers, und die Kirche kann nicht umhin, sie hochzuschätzen. Gleichzeitig kann sie auch nicht umhin, jeden aufzufordem, die Geschlechtlichkeit in ihrer tiefgehenden Natur zu achten. Als eine in die Gesamtheit der Person eingeschriebene Dimension ist die Sexualität eine „Ausdrucksweise” der Liebe und kann deshalb nicht als reine Triebhaftigkeit gelebt werden. Sie muß vom Menschen als vernunftbegabtes und freies Lebewesen gelenkt werden. Das heißt jedoch nicht, daß sie nach Belieben manipuliert werden kann. Tatsächlich besitzt sie eine typische psychologische und biologische Struktur, die die Gemeinsamkeit zwischen Mann und Frau und die Geburt neuer Menschen zum Ziel hat. Diese Struktur und diese unauflösliche Verbindung zu achten bedeutet nicht „Biologismus” oder „Moralismus”, sondern Aufmerksamkeit für die Wahrheit des Menschseins, des Personseins. Aufgrund dieser auch im Licht der Vernunft erfaß- 107 AUDIENZEN UND ANGELUS baren Wahrheit sind die sogenannte „freie Liebe”, die Homosexualität und die Empfängnisverhütung moralisch unannehmbar. Denn es handelt sich um Verhaltensweisen, die die tiefe Bedeutung der Sexualität umkehren, indem sie diese daran hindern, der Person, der Gemeinschaft und dem Leben zu dienen. 3. Die seligste Jungfrau, Vorbild der Fraulichkeit, der Zuwendung und Selbstbeherrschung, helfe den Männern und Frauen unserer Zeit, daß sie die Sexualität nicht im Namen einer falschen Modernität verharmlosen. Auf sie mögen die Jugendlichen, die Frauen und die Familien schauen. Maria, die keusche Mutter, möge die Vertreter der Nationen erleuchten, damit sie bei der nächsten Konferenz in Kairo Entscheidungen treffen, die sich an den authentischen menschlichen Werten inspirieren, die das Fundament der so wünschenswerten Zivilisation der Liebe bilden. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Am kommenden Mittwoch wird das Peter-und-Paul-Fest begangen: Es ist ein bedeutendes Fest für die ganze Kirche, denn die beiden Apostel sind die Säulen des christlichen Glaubens. Petrus ist der Apostel, den Jesus dazu erwählt hat, das Fundament der Kirche, Garant der Wahrheit, der Glaubenstreue und der Einheit im Dienst an der Herde Christi zu sein. Paulus, den Jesus auf dem Weg nach Damaskus bekehrt hat, ist der unermüdliche Verkünder des Evangeliums unter den Völkern. Wenn sich die ganze Kirche über das Gedenken der heiligen Apostel freut, dann begeht die Stadt Rom, wo sie ihr Blut für Christus vergossen haben, ihren ganz besonderen Festtag. Während wir auf die ruhmvollen Gestalten der beiden Apostel-fiirsten blicken, fühlen wir uns angeregt, im Bekenntnis des von ihnen verkündeten Glaubens festzustehen, und wir bitten sie um ihre Hilfe, damit wir nach ihrem Vorbild mutige Zeugen des Evangeliums in jeder Lebenslage seien. Das wünsche ich allen Anwesenden: den Römern, Italienern und Besuchern verschiedener Sprache und verschiedener Nationalität. Ich möchte auch meinen Landsleuten ein Wort sagen: In Polnisch fuhr der Papst fort: Ich danke allen für diesen Besuch Ad-limina-Apostolorum. In diesen Tagen kommen viele Bischöfe zu ihrem Besuch Ad-limina-Apostolorum. In der vergangenen Woche sind die Bischöfe von Kuba gekommen. Wir wissen, was das heißt und wie sehr man für diese kubanische Gemeinschaft, für diese Kirche in Kuba, beten muß. Auch die afrikanischen Bischöfe aus Tschad sind gekommen und dann so viele andere, vor allem die mexikanischen Bischöfe, die ihren Ad-limina-Besuch noch vervollständigen müssen. Auf Wiedersehen am kommenden Mittwoch in der Basilika. Der Papst darf an diesem für die Stadt und die Kirche von Rom so bedeutsamen Festtag in der Petersbasilika nicht fehlen. Hoffen wir das Beste ! Auf Wiedersehen! 108 AUDIENZEN UND ANGELUS Christus - Herz der Kirche Angelus am Fest der heiligen Petrus und Paulus, 29. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute feiert die Kirche das Hochfest der heiligen Petrus und Paulus. Mit der Erinnerung an sie kehrt sie, wie auf der Such nach der Frische und der Begeisterung der ersten Stunde, zu den Quellen zurück. In Wirklichkeit gibt es nur eine einzige Quelle: Christus! Er ist das Herz der Kirche, ist all ihr Gut. Aber wie können wir ihm begegnen ohne diejenigen, die er zu Aposteln erwählt und zum Fundament seiner Gemeinschaft gemacht hat? Ohne sie würde das Bindeglied zwischen uns und dem Meister fehlen. Herausragend unter den Aposteln sind Petrus und Paulus. Petrus war dazu bestimmt, der „Fels” zu sein, auf den für immer der Glaube und die Einheit der Kirche gegründet ist: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen” (Mt 16,18). Paulus war berufen, Völkerapostel zu sein, Verkündiger der Gnade Christi, unermüdlich im Aufbau von Gemeinden, die der Geist Gottes mit Leben erfüllte. Zwei einander ergänzende Berufungen. Zwei erstrangige Persönlichkeiten. Zwei von Christus Ergriffene. Als Paulus den Sinn seines Lebens zusammenfassen wollte, tat er es mit Worten, die auch Petrus sich hätte zu eigen machen können und die grundsätzlich für die Kirche aller Zeiten gelten: „Für mich ist Christus das Leben” (Phil 1,21). 2. Ja, Christus ist das Leben der Kirche. Er ist es, auf den die Kirche die Welt hinweist und den sie ihr anbietet. Aber damit die Verkündigung zu Herzen gehen kann, sollten die Kinder der Kirche eine Gesinnung haben wie Petrus und Paulus und gleich ihnen von Glauben und Liebe angetrieben sein. Es war eine wunderbare Stunde, die wir heute morgen im Petersdom erlebt haben: Zwanzig Metropoliten sind aus verschiedenen Teilen der Welt gekommen, um das Pallium als Zeichen der Einheit mit dem Sitz des Petrus in Empfang zu nehmen. Dieser traditionelle Ausdruck der Gemeinschaft wurde heute auch bekräftigt durch die Anwesenheit der vom Patriarchen von Konstantinopel, Seiner Heiligkeit Bartholomäus I., gesandten orthodoxen Delegation. Christus will, daß wir ein Herz und eine Seele seien! Das Gedächtnis der heiügen Petrus und Paulus spornt uns an, alle Anstrengung aufzubieten, um vor der Herausforderung des dritten Jahrtausends nicht als getrennt dazustehen. 3. Wir wollen uns an Maria, die Königin der Apostel und Mutter der Kirche wenden. Sie war im Abendmahlssaal Petrus zur Seite, als der Heilige Geist auf die Apostel herabkam und ihnen den Antrieb gab, auf die Straßen der Welt zu gehen. Möge 109 AUDIENZEN UND ANGELUS sie uns heute beistehen und uns mit ihrer mütterlichen Fürsprache begleiten, damit wir jene Einheit voll verwirklichen, für die Christus gebetet hat und für die die Apostel ihr Leben hingegeben haben. Einheit und Treue der Eheleute unerläßlich Angelus am 3. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Während ich das Thema eheliche Liebe wiederaufnehme, möchte ich heute über eine Wesenseigenschaft der Ehe sprechen: ihre Einheit. Das Band, das aus dem gültigen Ehekonsens hervorgeht, ist seinem Wesen nach einmalig und ausschließlich und fordert von beiden Ehepartnern die Pflicht andauernder und gegenseitiger Treue. Mit einem anschaulichen Bild lehrt die Heilige Schrift, daß die Eheleute berufen sind, „ein Fleisch” zu sein (Gen 2,24). Es handelt sich tatsächlich um einen Liebes-bund, der die leibliche und geistige Gesamtheit der Eheleute betrifft. Durch die Vereinigung ihrer Körper bringen sie die Tiefe und Endgültigkeit ihres gegenseitigen Sich-Schenkens zum Ausdruck. Gerade im Licht dieses für den Ehebund typischen Wesenszuges der Totalität versteht man, warum die geschlechtliche Vereinigung ausschließlich in der Ehe stattfinden soll, die auf persönlicher und sozialer Ebene den Entschluß zur ganzheitlichen Lebensgemeinschaft besiegelt. Nur in diesem Kontext können der Ehemann und die Ehefrau „jenes anfängliche Staunen” voll erleben, „das Adam am Morgen der Schöpfung vor Eva sagen ließ: ,Das ist Heisch von meinem Heisch und Bein von meinem Gebein’ (vgl. Gen 2,23). Und das Staunen, das in den Worten des Hohenliedes anklingt: .Verzaubert hast du mich, meine Schwester Braut, ja verzaubert mit einem Blick deiner Augen’ (.Hld 4,9)” (Brief an die Familien, Nr. 19). 2. Es ist wahr: Blickt man auf die Geschichte zurück, dann ist das Prinzip der Einheit der Ehe durch vielfache soziokulturelle Bedingungen in Frage gestellt worden. Was die Pflicht zur Treue betrifft, so haben wir leider die Gefahren der menschlichen Schwäche vor Augen, besonders in jenen Bereichen, in denen der moralische Sinn wenig lebendig und die Ausübung der Geschlechtlichkeit auf das reine erotische Erlebnis oder die Ausbeutung des andern zum eigenen Genuß verkürzt wird. Aber die tatsächlichen Abweichungen können die objektive und universale moralische Norm, die in der Natur des Menschen selbst fest verwurzelt ist, nicht beeinträchtigen. Gehört denn nicht zur Logik der wahren ehelichen Liebe das Versprechen, füreinander der einzige Mann und die einzige Frau zu sein? Gerade deshalb leidet man so sehr, wenn man sich von dem Mann oder der Frau, den/die man hebt und von dem/der man sich mit Recht volle Erwiderung der liebe erwarten darf, 110 AUDIENZEN UND ANGELUS verlassen oder betrogen fühlt. Dieses Zeugnis der Einheit und Treue ist auch die natürlichste Erwartung der Kinder, die die Frucht der Liebe eines Mannes und einer Frau sind und diese Liebe mit allen Fasern ihres Seins fordern. 3. Möge die seligste Jungfrau alle den Sinn für die Liebe lehren. Möge Maria mit mütterlichem Verständnis vor allem auf die vielen Schwierigkeiten schauen, denen die Eheleute in einer Gesellschaft wie der unseren begegnen, wo es wenig ethische Bezugspunkte, aber unzählige Versuchungen gibt. Möge die Mutter der schönen Liebe den jungen Menschen, die sich auf die Ehe vorbereiten, helfen, feste Grundlagen für ihre gegenseitige Hingabe zu legen, um sie während ihres ganzen Erdenlebens treu zu leben. Die Frauen im Evangelium Ansprache bei der Generalaudienz am 6. Juli 1. Wenn man über die Würde und Sendung der Frau gemäß der Lehre und dem Geist der Kirche spricht, muß man den Blick auf das Evangelium richten, in dessen Licht der Christ alles sieht, prüft und beurteilt. In der voraufgegangenen Katechese haben wir das Licht der Offenbarung auf die Identität und Bestimmung der Frau gerichtet und die Jungfrau Maria als den Hinweisen des Evangeliums entsprechendes Vorbild dargestellt. Aber in derselben göttlichen Quelle finden wir andere Zeichen des Willens Christi in bezug auf die Frau. Er spricht von ihr mit Achtung und Güte und zeigt in seiner Haltung den Willen, die Frau anzunehmen und ihren Einsatz bei der Errichtung des Reiches Gottes in der Welt zu fordern. 2. Wir denken vor allem an die vielen Heilungen von Frauen (vgl. Mulieris dignita-tem, Nr. 13) und an die anderen Fälle, in denen Jesus sein Erlöser-Herz offenbart, das voll Güte und Liebe ist bei den Begegnungen mit den Leidtragenden, seien es Männer oder Frauen. „Weine nicht!” sagt er zur Witwe von Nain (Lkl, 13). Und dann gibt er ihr den vom Tod auferweckten Sohn zurück. Dieses Ereignis läßt durchblicken, wie innig verbunden Jesus sich mit seiner Mutter Maria im dramatischen Ausblick auf die Teilhabe an seinem Leiden und Sterben fühlen mußte. Auch zur toten Tochter des Jairus sagt Jesus hebevoll: „Mädchen, ich sage dir, steh auf!” Und nachdem er es auferweckt hatte, befiehlt er, „man sohe dem Mädchen etwas zu essen geben” (Mfc 5,41.43). Weiter bezeigt er der Frau mit dem verkrümmten Rücken sein Mitleid und heilt sie: In diesem Fall erinnert er durch den Hinweis auf Satan auch an das geistliche Heil, das er dieser Frau bringt (vgl. Lk 13,10-17). 3. Auf anderen Seiten des Evangeliums finden wir den Ausdruck der Bewunderung Jesu für den Glauben mancher Frauen. Zum Beispiel im Fall der Frau, die an Blutungen litt: „Dein Glaube hat dir geholfen” (Mk 5,34), sagt er zu ihr. Dieses Lob hat 111 AUDIENZEN UND ANGELUS noch mehr Gewicht, weil die Frau nach dem alten Gesetz als Mensch ausgesondert war. Jesus befreit die Frau auch von dieser sozialen Unterdrückung. Die kanaanäi-sche Frau ihrerseits erhält von Jesus die Anerkennung: „Frau, dein Glaube ist groß” (Mt 15,28). Dieses Lob hat eine ganz besondere Bedeutung, wenn man bedenkt, daß es an eine Fremde in der Welt Israels gerichtet war. Wir können auch an die von Jesus ausgesprochene Bewunderung für die Witwe erinnern, die ihre Gabe in den Opferkasten des Tempels legte (vgl. Lk 21,1-4), und an seine Hochschätzung für den Dienst, den er von Maria von Betamen empfängt (vgl. Mt 26,6-13; Mk 14,3-9; Joh 12,1-8), von deren Geste - so verkündet er - die ganze Welt erfahren soll. 4. Auch in seinen Gleichnissen zögert Jesus nicht, Vergleiche und Beispiele aus der Welt der Frau zu nehmen im Unterschied zum midrash der Rabbiner, wo nur männliche Figuren erscheinen. Jesus bezieht sich auf Frauen und Männer. Wollte man einen Vergleich ziehen, könnte man vielleicht sagen, daß die Frauen den Vorsprung haben. Das heißt nichts anderes, als daß Jesus sogar den Anschein einer zuerkannten Unterlegenheit der Frau vermeidet. Und weiter: Jesus gibt Frauen wie Männern Zutritt zu seinem Reich. Indem er ihn den Frauen gibt, will er ihn für die Kinder öffnen. Wenn er sagt: „Laßt die Kinder zu mir kommen” (Mk 10,14), reagiert er auf die Kontrolle der Jünger, die die Frauen daran hindern wollten, ihre Kinder zum Meister zu bringen. Man könnte sagen, er gäbe den Frauen und ihrer Liebe zu den Kindern recht! Bei seinem Dienst wird Jesus von vielen Frauen begleitet, die ihm nachfolgen und ihn und die ganze Gemeinschaft der Jünger unterstützen (vgl. Lk 8,1-3). Das ist eine Neuheit gegenüber der jüdischen Tradition. Jesus, der diese Frauen in seine Nachfolge gezogen hat, zeigt auch auf diese Weise, daß die in seiner Umgebung und in einem großen Teil der antiken Welt verbreiteten Vorurteile der Unterlegenheit der Frau überholt sind. Zu seinem Kampf gegen Ungerechtigkeit und Gewalt gehört auch, daß er in seiner Kirche jede Diskriminierung zwischen Frauen und Männern ausschließt (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 13). 5. Wir müssen auch hinzufügen, daß aus dem Evangelium die Güte Jesu gegenüber einigen Sünderinnen hervorgeht, die er zur Reue auffordert, aber ohne sie wegen ihrer Fehltritte zurechtzuweisen, um so mehr als diese eine Mitverantwortung des Mannes beinhalten. Einige Ereignisse sind sehr bedeutsam: Der Frau, die ins Haus des Pharisäers Simon kommt (vgl. Lk 7,36-50), werden nicht nur die Sünden vergeben, sondern sie wird auch ihrer Liebe wegen gelobt; die samaritische Frau wird zur Botin des neuen Glaubens (vgl. Joh 4,7-37); die Ehebrecherin erhält mit der Vergebung die einfache Mahnung, nicht mehr zu sündigen (vgl. Joh 8,3-11; Mulieris dignitatem, Nr. 14). Zweifellos gibt es in Jesus keine Zustimmung zum Bösen, zur Sünde, von wem auch immer sie begangen sein mag, aber viel Verständnis für die menschliche Schwäche und viel Güte gegenüber dem, der schon aufgrund der eigenen geistlichen Not leidet und mehr oder weniger bewußt in Ihm den Erlöser sucht! 112 AUDIENZEN UND ANGELUS 6. Das Evangelium bestätigt auch, daß Jesus die Frauen ausdrücklich zur Mitarbeit an seinem Heilswerk aufruft. Er gestattet ihnen nicht nur, ihm nachzufolgen, um ihn und die Gemeinschaft der Jünger zu unterstützen, sondern er fordert von ihnen andere persönliche Einsatzweisen. So verlangt er von Martha Glaubenseinsatz (vgl. Joh 11,26-27): Sie antwortet auf die Einladung des Meisters und bekennt ihren Glauben vor der Auferweckung des Lazarus. Nach der Auferstehung gibt er den frommen Frauen, die zum Grab gegangen waren, und Maria von Magdala den Auftrag, den Aposteln seine Botschaft zu überbringen (vgl. Mt 28,8-10; Joh 20,17-18): „So waren Frauen selbst für die Apostel die ersten Botinnen der Auferstehung Christi” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 641). Das sind sehr bedeutsame Zeichen seines Willens, auch die Frauen in den Dienst des Reiches zu stehen. 7. Dieses Verhalten Jesu findet seine theologische Erklärung in der Absicht, die Menschheit zu einen. Er wollte, wie der hl. Paulus sagt, durch seinen Opfertod alle Menschen „in einem einzigen Leib” versöhnen und alle „zu dem einen neuen Menschen” machen (Eph 2,15.16), so daß es jetzt „nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau [gibt]; denn ihr alle seid ,einer’ in Christus Jesus” (Gal 3,28). Und hier die Schlußfolgerung unserer Katechese: Jesus Christus hat Mann und Frau als Kinder Gottes auf die gleiche Stufe gesteht. Er bindet beide in seine Sendung ein. Dabei hebt er die Verschiedenheit nicht auf, schließt aber jede ungerechte Ungleichheit aus und versöhnt ahe in der Einheit der Kirche. 8. Die Geschichte der ersten Christengemeinden bezeugt den wichtigen Beitrag, den die Frauen zur Evangelisierung geleistet haben: Angefangen von „unserer Schwester Phöbe, der Dienerin der Gemeinde von Kenchreä”, wie Paulus sie nennt und dann sagt: „Sie selbst hat vielen, darunter auch mir, geholfen” (Röm 16,1-2). Es hegt mir daran, ihr Andenken und das vieler anderer Mitarbeiterinnen der Apostel in Kenchreä, in Rom und in ahen Christengemeinden zu ehren. Mit ihnen denken wir an ahe anderen Frauen, Ordensschwestern und Laien, die im Laufe der Jahrhunderte das Evangelium bezeugt und den Glauben weitergegeben haben, indem sie einen großen Einfluß auf das Entstehen einer christlichen Atmosphäre in Familie und Gesellschaft ausübten. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzliche heiße ich ahe deutschsprachigen Püger und Besucher willkommen. Die Rohe der Frau in der Kirche, der auch heute unsere Überlegungen gewidmet sein sollen, ist immer ausgerichtet an den Aussagen des Evangeliums. Jesus Christus hat Mann und Frau als Kinder Gottes auf die gleiche Stufe gesteht. Er bindet beide in seine Sendung ein, wobei er die Verschiedenheit nicht unterdrückt, aber jede ungerechte Ungleichheit zurückweist. Mit diesen kurzen Gedanken grüße ich Euch alle. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Schülern und Jugendlichen. Bereits jetzt wünsche ich Euch erholsame 113 AUDIENZEN UND ANGELUS Ferien. Von Herzen erteile ich Euch und Euren heben Angehörigen zu Hause meinen Apostolischen Segen. Ehescheidung ist eine schwere Niederlage Angelus in Castel Gandolfo am 10. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Während ich die sonntäglichen Betrachtungen über die Familie in diesem ihr gewidmeten Jahr fortsetze, möchte ich heute eure Aufmerksamkeit auf das leider so weit verbreitete Übel der Ehescheidung lenken. Obwohl in vielen Fällen legalisiert, stellt sie immer noch eine der schweren Niederlagen der menschlichen Zivilisation dar. Die Kirche weiß, daß sie „gegen den Strom schwimmt”, wenn sie das Prinzip der Unauflöslichkeit des Ehebandes verkündet. Der ganze Dienst, den sie der Menschheit schuldet, zwingt sie dazu, ständig diese Wahrheit zu bekräftigen und an die Stimme des Gewissens zu appellieren, die auch unter den schwersten Bedingungen im Herzen des Menschen nie ganz verstummt. Ich weiß, daß dieser Aspekt der Ethik der Ehe zu den anspruchsvollsten gehört und daß manchmal wirklich schwierige, wenn nicht dramatische eheliche Situationen eintreten. Die Kirche will sich dieser Situationen in der Haltung des barmherzigen Christus bewußt sein. Solche Situationen erklären, warum im Alten Testament der Wert der Unauflöslichkeit getrübt und die Ehescheidung geduldet wurde. Jesus erklärt das Zugeständnis des mosaischen Gesetzes mit der menschlichen „Herzenshärte” und zögert nicht, den im Buch Genesis aufgezeichneten ursprünglichen Plan Gottes mit ganzer Kraft anzubieten: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch” (Gen 2,24), und er fügt hinzu: „Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen” (Mt 19,6). 2. Man könnte entgegenhalten, daß eine solche Argumentation nur im Gesichtsfeld des Glaubens verständlich und gültig ist. Das stimmt nicht! Wahr ist, daß für die Jünger Christi die Unauflöslichkeit durch den „sakramentalen” Charakter der Ehe, das Zeichen des bräutlichen Bundes zwischen Christus und seiner Kirche, noch verstärkt wird. Aber dieses „große Geheimnis” (vgl. Eph 5,32) schließt die ethische Forderung der Unauflöslichkeit nicht aus, sondern setzt sie auf der Ebene des Naturgesetzes sogar voraus. Die von Jesus angeprangerte „Herzenshärte” erschwert leider die allgemeine Aufnahme dieser Wahrheit noch oder bewirkt Umstände, unter denen diese scheinbar kaum gelebt werden kann. Überlegt man aber ausgewogen und das Ideal im Blick, fällt es nicht schwer, zuzugeben, daß die Beständigkeit des Ehebandes aus dem Wesen der Liebe und der Familie selbst erwächst. Wirklich und tief hebt man nur, wenn man für immer liebt, in Freuden und Schmerzen, in guten 114 AUDIENZEN UND ANGELUS und in bösen Tagen. Brauchen denn die Kinder nicht dringend die unauflösliche Verbundenheit ihrer Eltern, und sind sie selbst nicht oftmals die ersten Opfer des Dramas der Ehescheidung? 3. Die Heilige Familie von Nazaret, in der Jesus, Maria und Josef eine beispielhafte Erfahrung der übernatürlichen und menschlichen Liebe machten, sei das Vorbild für jede Familie. Maria komme allen Ehepaaren, die in Schwierigkeiten sind, zu Hilfe und stehe ihnen bei, damit sie die Frische der ersten Liebe wiederfinden. Dieses Jahr der Familie gehe nicht umsonst vorüber, sondern erlaube allen, die wunderbare Schönheit des Planes Gottes neu zu entdecken. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute wende ich mich zuerst an den Bischof der Diözese Albano, Dante Bemini, an seinen Weihbischof, Paolo Gillet, an den Pfarrer von Castel Gandolfo, an die Stadtverwaltung und an die ganze Bevölkerung dieser Stadt, die mich alljährlich in den Sommermonaten mit außerordentlicher Freundlichkeit beherbergt. Liebe Bewohner von Castel Gandolfo, ich danke euch für euren Empfang und wünsche euch allen einen schönen Sommer. Herzlich grüße ich die Pilger italienischer Sprache, die mich hier aufgesucht haben. Voll Liebe grüße ich die Kinder und Jugendlichen aus Kroatien und ihre Begleiter, die in der römischen Pfarrei San Timoteo in Casal Palocco einen Sommeraufenthalt verbringen. Außerdem grüße ich alle, die in vielen Ferienorten schon auf Urlaub sind, und ich hoffe vor allem, daß die Familien diese Ruhetage gemeinsam nutzen, um Körper und Geist zu erfrischen. Zum Schluß möchte ich meine herzliche Solidarität all denen bekunden, die Zuhause bleiben, vor allem den Alleinstehenden, den Alten und denen, die gezwungen sind, diese Zeit im Krankenhaus oder an anderen Orten des Leidens zu verbringen. Ich versichere alle meines ständigen Gedenkens im Gebet und eines besonderen Segens. Tiefe Empörung und Betroffenheit möchte ich jetzt über das Massaker der sieben italienischen Matrosen in Algerien zum Ausdruck bringen. Diese Toten kommen leider zu vielen anderen hinzu, die in den vergangenen Monaten ermordet wurden. Während ich alle der Barmherzigkeit des himmlischen Vaters empfehle, möchte ich den so schwer getroffenen Familien dieser unserer Brüder den Ausdruck meiner tiefempfundenen Solidarität übermitteln. Der Herr sei ihnen nahe durch seinen Beistand in dieser Stunde der leidvollen Prüfung. Angesichts solch verabscheuenswerter Ereignisse möchte ich alle daran erinnern, daß die Gewalt nicht imstande ist, die Probleme der Menschheit zu lösen, und sie hilft auch nicht, die Gegensätze zu überwinden. Man muß den Mut zum Dialog haben, besonders wenn der Glaube an Gott zur größeren Achtung des lubens an-spomt. 115 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder deutscher Sprache. Ich wünsche euch erholsame und besinnliche Ferien und empfehle euch und eure Lieben dem mütterlichen Schutz der Gottesmutter Maria. Aufgabe und Tätigkeit der Frau in der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 13. Juli 1. Alle Jünger Christi können und sollen durch die Taufe und Firmung - und die Eheleute durch das Ehesakrament - in der Kirche aktive Glieder sein. Heute will ich aber einige Punkte über das Wirken der Frau hervorheben, die gewiß zu einer eigenen, sehr ehrenvollen und bedeutsamen Mitarbeit an der Sendung der Kirche berufen ist. Indem sie wie alle Gläubigen am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi teilhat, bringt sie dessen besondere Aspekte zum Ausdruck, die der weiblichen Persönlichkeit entsprechen und angemessen sind, und gerade deshalb empfängt sie Charismen, die ihrer Sendung konkrete Wege öffnen. 2. Ich kann hier nicht wiederholen, was ich in den Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988) und Christifideles laici (30. Dezember 1988) über die Würde der Frau und die anthropologischen und theologischen Fundamente des Frauseins geschrieben habe. Dort sprach ich von ihrer Teilhabe am Leben der menschlichen und christlichen Gesellschaft und an der Sendung der Kirche in bezug auf Familie, Kultur und Lebensstand sowie auf die verschiedenen Erfahrungen von Freude und Leid, Gesundheit und Krankheit, Erfolg und Mißerfolg, die es im Leben aller gibt. Nach dem von der Bischofssynode 1987 verkündeten und in Christifideles laici (Nr. 51) wiedergegebenen Grundsatz „sollen die Frauen ohne jegliche Diskriminierung auch bei Konsultationen und bei der Erarbeitung von Entscheidungen am Leben der Kirche teilnehmen”. Daraus ergibt sich für die Frauen die Möglichkeit, an den verschiedenen Diözesan- und Pfarrpastoralräten wie auch an den Diözesansyn-oden und Teilkonzilien teilzunehmen. Dem Vorschlag der Synode entsprechend sollen die Frauen sogar „bei der Vorbereitung von Pastoraldokumenten und von missionarischen Initiativen herangezogen werden. Sie sollen in Familie, Beruf und in der bürgerlichen Gemeinschaft als Mitarbeiterinnen an der Sendung der Kirche anerkannt werden” (Christifideles laici, Nr. 51). In all diesen Bereichen kann die Beteiligung sachkundiger Frauen einen wichtigen Beitrag an Klugheit und Ausgewogenheit, Mut und Hingabe, Spiritualität und Eifer für das Wohl der Kirche und der Gesellschaft mit sich bringen. 116 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. In der ganzen kirchlichen Arbeit der Frau kann und soll sich das Licht der Offenbarung des Evangeliums widerspiegeln, nach dem eine Frau berufen wurde, stellvertretend für das Menschengeschlecht die Zustimmung zur Fleischwerdung des Wortes zu geben. Die Erzählung von der Verkündigung legt diese Wahrheit nahe, wenn wir erfahren, daß erst nach den Worten Marias: „mir geschehe”, mit denen sie zustimmte, Mutter des Messias zu sein, „der Engel sie verließ” (vgl. Lk 1,38). Der Engel hatte seine Sendung erfüllt: Er konnte Gott das Ja der Menschheit bringen, das Maria von Nazaret gesprochen hatte. Dem Beispiel Marias folgend, die von Elisabeth kurz danach selig gepriesen wurde, weil sie geglaubt hatte (vgl. Lk 1,42), und erwägend, daß Jesus, bevor er Lazarus auferweckt, von Martha ein Bekenntnis des Glaubens fordert (vgl. Joh 11,26), fühlt sich die christliche Frau in besonderer Weise berufen, den Glauben zu bekennen und zu bezeugen. Die Kirche braucht entschlossene, konsequente, treue Zeugen, die angesichts der Zweifel und des Unglaubens, die in vielen Schichten der heutigen Gesellschaft so verbreitet sind, in Wort und Tat ihre Verbundenheit mit Christus beweisen, der lebt in Ewigkeit. Wir dürfen nicht vergessen, daß, wie das Evangelium berichtet, am Tag der Auferstehung Jesu Frauen als erste diese Wahrheit bezeugen, während sie auf die Zweifel und vielleicht auf eine gewisse Skepsis der Jünger stoßen, die nicht glauben wollten, aber zum Schluß ihren Glauben teilten. Auch in diesem Augenblick zeigte sich der mehr intuitive Verstand der Frau, der sie bereiter für die geoffenbarte Wahrheit und fähiger macht, die Bedeutung der Tatsachen zu erfassen und die Botschaft des Evangeliums aufzunehmen. Im Laufe der Jahrhunderte gab es zahllose Beweise dieser Fähigkeit und Bereitschaft. 4. Die Frau hat eine ganz besondere Begabung zur Weitergabe des Glaubens, so daß Jesus selbst sie zur Evangelisierung auf den Plan ruft. So geschieht es mit der samaritischen Frau, der Jesus beim „Jakobsbrunnen” begegnet und die er zur ersten Verbreitung des neuen Glaubens im nichtjüdischen Bereich erwählt. Der Evangelist sagt, daß die samaritische Frau, nachdem sie persönlich zum Glauben an Christus gekommen war, sich beeilt, ihn anderen voll Eifer, aber auch mit jener Offenheit mitzuteilen, die die Zustimmung zum Glauben fördert: „Kommt her, seht, da ist ein Mann, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe: Ist er vielleicht der Messias?” (Joh 4,29). Die Samariterin stellt nur diese Frage und zieht mit echter Demut, die die Nachricht von ihrer wunderbaren Entdeckung begleitet, ihre Mitbürger zu Jesus hin. In ihrem Verhalten kann man die auch in unserer Zeit typischen Merkmale des Apostolats der Frau erkennen: einfache Initiative; Achtung der Personen, ohne die eigene Meinung aufzwingen zu wollen; Einladung, die erlebte Erfahrung nachzuvollziehen, um zur persönlichen Glaubensüberzeugung zu gelangen. 5. Hervorzuheben ist, daß die Frau in der Familie die Möglichkeit und die Verantwortung für die Weitergabe des Glaubens in der Ersterziehung der Kinder hat. Ihr 117 AUDIENZEN UND ANGELUS steht in besonderer Weise die frohe Aufgabe zu, sie zur Entdeckung der übernatürlichen Welt anzuleiten. Die tiefe Gemeinschaft, die sie mit ihnen verbindet, erlaubt es ihr, sie nachdrücklich auf Christus auszurichten. Diese Aufgabe der Weitergabe des Glaubens für die Frau ist jedoch nicht dazu bestimmt, sich nur im Familienbereich zu entfalten, sondern - wie wir in Christifideles laici lesen - „auch an den verschiedenen Orten, an denen Erziehung geschieht ... Darüber hinaus muß in allem, was das Aufnehmen von Gottes Wort, sein Verständnis und seine Weitergabe betrifft - auch durch Studium, Forschung und Lehren der Theologie der spezifische Beitrag der Frau aufgewertet werden” (Nr. 51). Das sind alles Hinweise auf die Rolle, die die Frau auf dem Gebiet der Katechese hat, das sich heute in weite und unterschiedliche, in der Vergangenheit manchmal unvorstellbare Bereiche ausgedehnt hat. 6. Und weiter: Die Frau hat ein verständnisvolles, empfängliches, mitleidvolles Herz, das ihr erlaubt, der Liebe eine sanfte und konkrete Ausdmcksweise zu geben. Wh wissen, daß es in der Kirche immer zahllose Frauen - Ordensfrauen und Laien, Familienmütter und Unverheiratete - gegeben hat, die sich der Linderung der menschlichen Leiden gewidmet haben. Sie schrieben wunderbare Seiten der Hingabe für die Bedürfnisse der Armen, der Kranken, der Behinderten und all jener, die von der Gesellschaft gestern verlassen oder ausgegrenzt waren und es heute oft noch sind. Wie viele Namen kommen einem aus dem Herzen auf die Lippen, will man auch nur einen einzigen Hinweis auf die heroischen Gestalten der Nächstenhebe machen, die mit entsprechender weiblicher Einfühlsamkeit und Geschicklichkeit geübt wird: sei es in den Familien, in Instituten, in körperlichen Krankheitsfällen, sei es gegenüber Personen, die von moralischen Ängsten geplagt oder Opfer der Unterdrückung und Ausbeutung sind. Nichts davon entgeht dem Auge Gottes, und auch die Kirche trägt im Herzen die Namen und beispielhaften Erfahrungen so vieler edler Repräsentantinnen der Nächstenhebe: Manchmal schreibt sie diese ins Verzeichnis ihrer Heihgen ein. 7. Und zum Schluß: Ein wichtiger Bereich des Apostolats der Frau in der Kirche ist die Belebung der Liturgie. Die Teilnahme der Frauen an den Gottesdiensten, die im allgemeinen stärker als die der Männer ist, zeigt den Glaubenseifer, die geisthche Sensibilität, die Veranlagung zur Frömmigkeit und die Liebe der Frau zum liturgischen Gebet und zur Eucharistie. Diese Zusammenarbeit der Frau mit dem Priester und den anderen Gläubigen bei der Eucharistiefeier können wir im Licht der Mitarbeit der Jungfrau mit Christus bei der Menschwerdung und Erlösung sehen. Ecce ancilla Domini: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast” (Lk 1,38). Maria ist das Vorbild der christlichen Frau im Geist und im Tun, das in der Welt das Geheimnis des menschgewordenen und heilbringenden Wortes ausbreitet. Jesus hat die Weiterführung seines Heilswerkes in der Kirche dem Dienst der Zwölf und ihrer Mitarbeiter und Nachfolger übertragen. Neben ihnen jedoch wollte er die 118 A UDIENZEN UND ANGELUS Mitarbeit der Frauen, wie aus der Tatsache hervorgeht, daß er Maria an seinem Werk beteiligt hat. Noch deutlicher hat er diese Absicht durch die Erwählung Marias von Magdala zur Trägerin der ersten Botschaft des Auferstandenen an die Apostel bekundet. Es ist eine Mitarbeit, die sich schon zu Beginn der Evangelisierung zeigt. Sie wiederholte sich dann unzählige Male seit den ersten christlichen Jahrhunderten, sei es als Erziehungs- oder Lehrtätigkeit, sei es als kulturelles Apostolat, als Sozialarbeit oder als Mitarbeit in den Pfarreien, Diözesen und vielen katholischen Einrichtungen. In jedem Fall erstrahlt der Dienst der Frau im Licht der Ancilla Domini, der Magd des Herrn, und der anderen beispielhaften und im Evangelium verewigten Frauen. Wenn auch viele von ihnen unbekannt sind, wird keine von ihnen von Christus vergessen, der, sich auf Maria von Bethanien beziehend, als sie über sein Haupt wohlriechendes Öl gegossen hatte, sagte: „Überall auf der Welt, wo dieses Evangelium verkündet wird, wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat” (Mt 26,13). Ich danke dem Herrn dafür, daß ich euch heute wieder in dieser Audienzhalle begegnen konnte. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Durch Taufe und Firmung empfangen alle Jünger Christi die Sendung, aktive Glieder der Kirche zu werden. Wie alle Gläubigen haben auch die Frauen Anteil an dem priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi. Bei all ihrem Engagement in der Glaubensverkündigung und im kirchlichen Apostolat folgen die Frauen Maria: denn sie ist das Vorbild einer christlichen Frau, die durch ihr Tun und Handeln das Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung in die Welt hineinträgt. Mit diesen kurzen Gedanken richte ich einen herzlichen Willkommensgruß an alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Besonders grüße ich die Seminaristen aus dem Spätberufenenseminar in Fockenfeld. Ich freue mich über Euer aller Besuch und wünsche Euch in diesen Sommertagen Erholung und Besinnung. Euch und Euren Lieben in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Verantwortliche Elternschaft der Eheleute notwendig Angelus in Castel Gandolfo am 17. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute möchte ich eure Aufmerksamkeit auf einen weiteren grundlegenden Aspekt der ehelichen Liebe lenken: auf ihr wesentliches Offensein für das Leben. Der Katechismus der Katholischen Kirche unterstreicht es, wenn er hervorhebt, daß die Liebe der Eheleute „von Natur aus dazu neigt, fruchtbar zu sein. Das Kind kommt nicht 119 AUDIENZEN UND ANGELUS von außen zu der gegenseitigen Liebe der Gatten hinzu; es entspringt im Herzen dieser gegenseitigen Hingabe, deren Frucht und Erfüllung es ist” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2366). Die geheimnisvolle Größe dieses Geschehens zu erfassen, ist von entscheidender Bedeutung. Wie ich im Brief an die Familien schrieb, ist „in der menschlichen Elternschaft Gott selber ... gegenwärtig ... Denn nur von Gott kann jenes , Abbild und jene Ähnlichkeit’ stammen, die dem Menschen wesenseigen ist, wie es bei der Schöpfung geschehen ist. Die Zeugung ist die Fortführung der Schöpfung” (Nr. 9). Dieses Thema findet bei den Gläubigen gewiß großes Echo. Aber seine Bedeutung leuchtet auch dem einfachen Verstand ein, der gedrängt ist, im Wunder des werdenden menschlichen Lebens etwas zu erkennen, das weit über die rein biologische Tatsache hinausgeht. Die Biologie setzt in der Zeugung des menschlichen Lebens voraus, daß man über sie hinausgeht. Und das muß auch auf der ethischen Ebene Implikationen haben: Mann kann das, was zur Zeugung menschlichen Lebens gehört, nicht so behandeln, als sei es ein rein biologisches Geschehen, empfänglich für jede Manipulation. 2. Auf dieser anthropologischen und ethischen Basis gründet die kirchliche Lehre der „verantwortlichen Elternschaft”. Leider wird die katholische Auffassung in bezug auf diesen Punkt oft mißverstanden, als unterstütze die Kirche eine Ideologie unbegrenzter Fruchtbarkeit, indem sie die Eheleute dränge, wähl- und planlos zu zeugen. Aber es genügt, die Aussagen des Lehramtes aufmerksam zu lesen, um festzustellen, daß es nicht so ist. In Wahrheit verwirklichen die Eheleute in der Zeugung des Lebens eine der höchsten Dimensionen ihrer Berufung: Sie sind Mitarbeiter Gottes. Gerade deshalb sind sie zu einem äußerst verantwortungsbewußten Verhalten verpflichtet. Wenn sie sich entschließen zu zeugen oder nicht zu zeugen, dürfen sie sich nicht vom Egoismus oder von der Leichtfertigkeit leiten lassen, sondern von einer umsichtigen und bewußten Hochherzigkeit, die die Möglichkeiten und Umstände abwägt und die vor allem das Wohl des Ungeborenen in den Mittelpunkt zu setzen weiß. Hat man also einen Grund, nicht zu zeugen, dann ist diese Entscheidung zulässig und könnte sogar geboten sein. Aber es bleibt auch die Pflicht, sie nach Grundsätzen und Methoden zu verwirklichen, die die ganze Wahrheit der ehelichen Begegnung in ihrer Dimension der Vereinigung und Zeugung respektieren, wie sie von der Natur selbst in ihren biologischen Rhythmen weise geregelt ist. Diese dürfen nur unterstützt und erschlossen, aber nicht durch künstliche Eingriffe „vergewaltigt” werden. 3. Wir bitten die seligste Jungfrau Maria um das Geschenk der Herzensweisheit, das so notwendig ist, um klar zu sehen in dieser heiklen Sache, die den Verirrungen einer hedonistischen und permissiven Kultur besonders ausgesetzt ist. Maria erleuchte die Eheleute, ihren Dienst am Leben mit großem Verantwortungsbewußtsein zu leben, und mache die Familien zu wahren „Heiligtümern des Lebens”. 120 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute gilt mein Gebetsgedenken den Opfern des Unglücks, das vor drei Tagen das Altenheim in Motta Visconti getroffen hat. Ich bitte für die Verstorbenen um den ewigen Frieden des Herrn und für die Familienangehörigen um den Trost der christlichen Hoffnung. Ich empfehle alle der mütterlichen Fürsprache Marias. Weiter grüße ich alle Pilger und Besucher ... Ich wiederhole meine besten Wünsche für alle, besonders die Familien, die ihre Ferien verleben. Aber ich denke auch an diejenigen, die zuhause bleiben, besonders an die alleinstehenden und notleidenden Menschen. Ich lade ihre Freunde, Bekannten und freiwilligen Helfer ein, ihnen beizustehen. Mutterschaft eine Schlüsselposition der Frau Ansprache bei der Generalaudienz am 20. Juli 1. Wieviel Berufsmöglichkeiten in der Gesellschaft und Apostolatsaufgaben in der Kirche sich der Frau auch bieten mögen, nichts ist gleichzustellen mit der herausragenden Würde, die ihr durch ihre Mutterschaft zukommt, wenn diese in allen Dimensionen gelebt wird. Wir sehen, daß Maria, Vorbild der Frau, die Sendung, zu der sie im Plan der Menschwerdung und Erlösung berufen war, auf dem Weg der Mutterschaft erfüllt hat. In dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem (Nr. 17) hob ich hervor, daß die Mutterschaft Marias in außerordentlicher Weise an ihre Jungfräulichkeit geknüpft ist, so daß Maria auch das Vorbild der Frauen ist, die ihre Jungfräulichkeit Gott weihen (vgl. Nr. 17). Sobald wir das geweihte Leben behandeln, werden wir auf das Thema der dem Herrn geweihten Jungfräulichkeit zurückkommen. In der heutigen Katechese, wo ich die Überlegungen zur Rolle der Laien in der Kirche fortsetze, möchte ich vielmehr über den Beitrag der Frau zur menschlichen und christlichen Gemeinschaft durch die Mutterschaft sprechen. Der Wert der Mutterschaft hat in Maria, der Mutter des ewigen, in ihrem jungfräulichen Schoß menschgewordenen Wortes Gottes, die höchste Stufe erreicht. Durch diese Mutterschaft ist Maria wesentlicher Teil des Geheimnisses der Menschwerdung. Sie ist außerdem durch ihre Vereinigung mit dem Erlösungsopfer Christi Mutter aller Christen und aller Menschen geworden. Auch unter diesem Aspekt ragt der Wert heraus, der der Mutterschaft auf göttlicher Ebene zukommt und seinen einzigartigen und erhabensten Ausdruck in Maria findet, dessen Widerschein man aber von diesem höchsten Gipfel aus in jeder menschlichen Mutterschaft erblicken kann. 2. Heute ist es vielleicht mehr denn je notwendig, das Bild der Mutterschaft aufzuwerten, die nicht ein veralteter Begriff ist, der zu den mythologischen Anfängen der Zivilisation gehört. So sehr man auch die Aufgaben der Frau vervielfachen und erweitern kann, alles in ihr - Physiologie, Psychologie, beinahe natürliche Gewohn- 121 AUDIENZEN UND ANGELUS heiten, moralisches, religiöses und sogar ästhetisches Empfinden - offenbart und betont ihre Veranlagung, Fähigkeit und Sendung, aus sich ein neues Menschenleben hervorzubringen. Viel mehr als der Mann neigt sie zur Zeugungsaufgabe. Durch die Schwangerschaft und Entbindung ist sie mit dem Kind enger verbunden, seiner ganzen Entwicklung näher, für sein Wachstum direkter verantwortlich und hat stärker Anteil an seiner Freude, seinem Schmerz und seiner Gefährdung im Leben. Wenn es auch stimmt, daß die Aufgabe der Mutter auf die Anwesenheit und Verantwortung des Vaters abgestimmt sein soll, ist es doch die Frau, die die bedeutendere Rohe zu Beginn des Lebens eines jeden Menschen spielt. In dieser Rohe wird ein wesentliches Merkmal der menschlichen Person sichtbar, die nicht dazu bestimmt ist, in sich selbst verschlossen zu bleiben, sondern die sich den anderen öffnen und schenken soll. Das bekräftigt die Konstitution Gaudium et spes, wenn sie sagt, daß der Mensch „sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann” (Nr. 24). Diese Ausrichtung auf die anderen ist entscheidend für die Person kraft der höchsten, dreifältigen Liebesquelle, in der der Mensch seinen Ursprung hat. Und die Mutterschaft steht einen Höhepunkt dieser personalen und gemeinschaftlichen Ausrichtung dar. 3. Leider müssen wir feststehen, daß die Mutterschaft Zielscheibe von Streitigkeiten und Kritiken war. Die ihr traditionsgemäß beigemessene Bedeutung wurde als eine irrtümliche Auffassung, ein gesellschaftliches Idol dargesteht. Manche haben sie vom ethisch-anthropologischen Gesichtspunkt aus als entwicklungshemmend für die Persönlichkeit der Frau betrachtet, als eine Einschränkung der Freiheit der Frau und ihres Strebens, andere Tätigkeiten zu übernehmen und zu entfalten. So fühlen sich viele Frauen gedrängt, auf die Mutterschaft zu verzichten - nicht aufgrund eines anderen Dienstes und letztlich einer geistigen Mutterschaft, sondern um einen Beruf ausüben zu können. Viele beanspruchen geradezu das Recht, in sich das Leben eines Kindes durch die Abtreibung auszulöschen, so als schließe das Recht, das sie über ihren eigenen Körper haben, auch das Eigentumsrecht auf das empfangene Kind ein. Wenn manche Mutter es vorzog, das Risiko einzugehen und das eigene Leben aufs Spiel zu setzen, wurde sie zuweilen als verrückt oder egoistisch und jedem Fall als kulturell rückständig bezeichnet. In diesen Verirrungen zeigen sich die erschreckenden Auswirkungen der Entfernung vom christlichen Geist, der auch die menschlichen Werte sicherstellen und wiederaufbauen kann. 4. Die Vorstellung von der Persönlichkeit und der menschlichen Gemeinschaft, die sich aus dem Evangelium ableitet, erlaubt es nicht, zuzulassen, daß auf die Mutterschaft freiwillig verzichtet wird aus dem einzigen Wunsch, materielle Vorteile oder Befriedigung durch die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit zu gewinnen. Denn das ist eine Verzerrung der weiblichen Persönlichkeit, die zur naturgemäßen Entfaltung in der Mutterschaft bestimmt ist. 122 AUDIENZEN UND ANGELUS Die eheliche Verbindung selbst darf sich nicht in einem Egoismus zu zweit erschöpfen. Die Liebe, die die Eheleute verbindet, strebt danach, sich im Kind zu entfalten und Elternliebe zum Kind zu werden, wie die Erfahrung so vieler Ehepaare der vergangenen Jahrhunderte und auch unserer Zeit lehrt: Ehepaare, die in der Frucht ihrer Liebe den Weg zu ihrer Festigung und Einordnung, ja in manchen Fällen zur Wiederaufnahme und Verbesserung gefunden haben. Anderseits genießt die Person des Kindes vom Augenblick der Empfängnis an schon Rechte, die geachtet werden müssen. Das Kind ist kein Gegenstand, über den die Mutter verfügen kann, sondern eine Person, der sie sich widmen muß mit allen Opfern, die die Mutterschaft mit sich bringt, aber auch mit der Freude, die sie schafft (vgl. Joh 16,21). 5. Die Frau ist also auch unter den psychosozialen Bedingungen der Welt von heute aufgerufen, sich des Wertes ihrer Berufung zur Mutterschaft bewußt zu werden als Bekräftigung der eigenen personalen Würde, als Fähigkeit und Annahme zur Selbstentfaltung in neuen Menschenleben und im theologischen Licht als Teilhabe an der Schöpfungstätigkeit Gottes (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 18). Diese Teilhabe ist in der Frau stärker als im Mann durch ihre besondere Rolle bei der Fortpflanzung. Das Bewußtsein dieses Vorzugs veranlaßt Eva nach der ersten Entbindung zu dem Ausspruch, den wir im Buch Genesis lesen: „Ich habe einen Mann vom Herrn erworben” (Gen 4,1). Und weil die Mutterschaft ein Beitrag zur Ausbreitung des Lebens schlechthin ist, wird Eva in dem biblischen Text „Mutter aller Lebendigen” {Gen 3,20) genannt. Diese Bezeichnung erinnert uns daran, daß in Eva - und in jeder Mutter - das Bild Gottes Wirklichkeit wird, der, wie Jesus verkündet, „nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden” ist (Mk 12,27). Im Licht der biblischen und christlichen Offenbarung erscheint die Mutterschaft als eine Teilhabe an der göttlichen Liebe zu den Menschen: einer Liebe, die nach der Bibel auch einen mütterlichen Aspekt des Mitleids und Erbarmens hat (vgl. Jes 49,15; Dtn 32,11; Ps 86,15; usw.). 6. Neben der Mutterschaft, die in der Familie geübt wird, gibt es viele andere wunderbare Formen geistiger Mutterschaft, nicht nur im geweihten Leben, über das wir zu gegebener Zeit sprechen werden, sondern auch in all den Fällen, wo wir Frauen sehen, die mit mütterlicher Hingabe für verwaiste, kranke und verlassene Kinder ebenso wie für arme und notleidende Menschen oder in den zahlreichen Initiativen und Werken der christlichen Liebe tätig sind. In diesen Fällen wird das Prinzip der Humanisierung der zeitgenössischen Gesellschaft angewandt, das in der Pastoral der Kirche grundlegend ist. Denn die Frau „scheint von der besonderen Erfahrung der Mutterschaft her eine spezifische Sensibilität für den Menschen und für alles, was sein wahres Wohl ausmacht, angefangen vom fundamentalen Wert des Lebens, zu besitzen” {Christifideles laici, Nr. 51). Es ist also nicht übertrieben, wenn man die Rolle der Frau in der Gesellschaft und Kirche als „Schlüsselposition” bezeichnet. 123 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die herausragende Würde der Frau besteht in ihrer Berufung zur Mutterschaft, die in jüngster Zeit leider auch auf Kritik stößt. Doch läßt das biblische Verständnis von Personalität und menschlicher Gemeinschaft den absichtlichen Verzicht auf die Mutterschaft nur zur Erlangung materieller und persönlicher Vorteile nicht zu. Im Lichte der Offenbarung erscheint die Mutterschaft wie eine Teilhabe an der göttlichen Liebe zu den Menschen, einer Liebe, die nach der Bibel auch einen mütterlichen Aspekt des Mitleids und der Barmherzigkeit hat. Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Patres und Brüdern der Salesianer Don Bo-scos sowie den Ministranten aus Eisenstadt. Mit den besten Wünschen für einen erholsamen Urlaub erteile ich Euch allen sowie Euren Lieben zu Hause von Herzen meinen Apostolischen Segen. Laßt die Flüchtlinge in Ruanda nicht im Stich! Wir müssen Gott leider erneut um Frieden und Trost für die gemarterten Völker von Ruanda bitten. Zum Drama der Gewalt und des Todes kommt in diesen Tagen der ungeheure Auszug nach Zaire hinzu, der zahllose Opfer unter den wehrlosen Bürgern und auch unter Kündern und Jugendlichen hervorruft. Ich appelliere an die politischen und zivilen Obrigkeiten vor Ort und an die Internationalen Organisationen: Lassen Sie diese Flüchtlingscharen nicht im Stich! Und bemühen Sie sich nach der Feuereinstellung dämm, daß die Schaffung günstiger Bedingungen für die einmütige geistige, moralische und bürgerliche Wiedergeburt erleichtert werde. Potential der natürlichen Familienplanung nutzen Angelus in Castel Gandolfo am 24. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Eines der Hauptprobleme der nächsten Konferenz, die die UNO in Kairo über „Bevölkerung und Entwicklung” einberufen hat, ist die sogenannte „Bevölkerungsexplosion”. Es handelt sich um ein komplexes Problem, bei dem die Beurteilungen nicht immer übereinstimmen. Manchen Enthüllungen und statistischen Voraussagen nach wächst die Menschheit insgesamt in einem Rhythmus, der in Zukunft das Zusammenleben der Menschen selbst schwierig gestalten könnte. In nicht wenigen Nationen hingegen verzeichnet man einen besorgniserregenden Geburtenschwund. 124 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Kirche kennt das Problem und unterschätzt nicht dessen Tragweite. Erst kürzlich hat sie gerade deshalb vertiefte Studien angeregt und gefördert, wobei die statistischen Angaben berücksichtigt und die ethischen und pastoralen Auswirkungen beurteilt werden. Sie anerkennt die Verantwortung der Staaten in diesem heiklen Bereich. Im Katechismus wird ausdrücklich gesagt, daß „der Staat berechtigt ist, auf das Bevölkerungswachstum einzuwirken” (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2372). Dieses Einwirken setzt natürlich das Verantwortungsbewußtsein der Familien voraus. Wie ich schon bei früherer Gelegenheit betont habe, sollen die Eheleute ihre Entscheidung zur Zeugung einem vernünftigen Plan entsprechend treffen, der auf einer hochherzigen und gleichzeitig realistischen Beurteilung ihrer Möglichkeiten, des Wohls des Ungeborenen und auch der Gesellschaft im Licht der objektiven moralischen Kriterien gründet. Gesagt werden diese Dinge auch in der Botschaft des Hl. Stuhls an die Vereinten Nationen, an die Instanzen, die das Schlußdokument von Kairo vorbereiten (vgl. Botschaft an Frau Nafis Sadik, in: O.R., 19.3.94). 2. Auf diesem Gebiet also treffen die Ethik der Familie und die Ethik der Politik aufeinander. Die ethische Dimension setzt auch den Initiativen der Staaten und der internationalen Gemeinschaft gewisse Grenzen. Nie ist es beispielsweise erlaubt, „auf autoritäre Weise und durch Ausübung von Zwang” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2372) einzugreifen mit dem Ziel, die Eheleute ihrer ersten und unveräußerlichen Verantwortung zu berauben. Unannehmbar ist es auch, wenn man den Gebrauch unmoralischer, vor allem abtreibender Mittel zur Geburtenregelung fördert. Hier ist einer der Punkte des radikalen Gegensatzes zwischen der Kirche und einigen aufkommenden Tendenzen. Muß man sich denn nicht beunruhigen angesichts der Tatsache, daß riesige Geldsummen bereitgestellt werden, um ethisch unzulässige Empfängnisverhütungsmittel zu verbreiten, und daß man sich aber gleichzeitig weigert, das große Potential der „natürlichen Familienplanung” zu entwickeln? Es ist erstens weniger kostspielig und „hilft den Ehepaaren gewiß, ihre menschliche Würde bei der Ausübung verantwortlicher Liebe zu bewahren” (vgl. Appell der Kardinale zum Schutz der Familie, in: O.R., 12.6.94). Offensichtlich ist es zur richtigen Lösung der Bevölkerungspolitik notwendig, sich in verstärktem Maße um ein Wachstum der natürlichen und wirtschaftlichen Ressourcen, ihre gerechte Verteilung und eine korrekte internationale Zusammenarbeit bei der Entwicklung der weniger begünstigten Länder zu bemühen. 3. Bitten wir die seligste Jungfrau, sie möge denen, die für die Zukunft der Menschheit Verantwortung tragen, die Augen öffnen. Die Probleme sind gewiß ernst und schwerwiegend. Aber die Hilfe Gottes wird nicht fehlen, wenn wir an seinem Gesetz festhalten. Die seligste Jungfrau Maria erlange uns durch ihre mütterliche Fürbitte die innere Umkehr des Herzens. 125 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt auch euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Ich wünsche euch, daß ihr durch euren Aufenthalt in Italien neue Kraft schöpfen könnt und Zeit findet für Muße und Besinnung. Euch und euren Lieben erteile ich gerne meinen Segen. Ruanda: Mahnung an unser Gewissen Diese unsere festliche Begegnung darf uns nicht das ungeheure Drama vergessen lassen, das Tausende von unschuldigen Menschen in Ruanda und ihm benachbarten Zaire getroffen hat, wo sie Zuflucht gesucht haben. Zum Völkermord und zur verzweifelten Flucht kommen heute die Epidemien hinzu. Wer kann da gleichgültig bleiben? Mir ist bekannt, mit wieviel Hingabe sich die kirchlichen Caritasverbände bemühen, diese unsagbaren Leiden zu lindem, und ich möchte die vielfältigen hochherzigen Initiativen ermutigen, mit denen die internationale Gemeinschaft sich anstrengt, diesen gemarterten Völkern zu helfen. Ich wende mich auch an die Verantwortlichen des öffentlichen Lebens in Ruanda, sie mögen durch entsprechende Versicherungen und konkrete Zeichen die Flüchtlinge dazu überreden, in ihr Land und ihre Wohnungen zurückzukehren. Die Tragödie von Ruanda ist eine starke Mahnung an unser Gewissen, ein Appell an unsere Solidarität. Ich übergebe der seligsten Jungfrau Maria die von so vielen Menschen guten Willens geleistete Hilfe und das Geschick so vieler unserer Brüder und Schwestern, deren Leben mehr denn je abhängt von unserer Fähigkeit zu lieben und zu schenken. Die Mutterschaft der Frau im allgemeinen Priestertum der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 27. Juli 1. Die Frau hat am allgemeinen Priestertum der Gläubigen in vielfacher Form teil (vgl. Lumen Gentium, Nr. 10), besonders aber durch die Mutterschaft, nicht nur geistig, sondern auch ganz konkret: durch eine Mutterschaft, die viele Frauen als natürliche Aufgabe wählen, die ihnen aufgrund der Empfängnis, der Zeugung und Erziehung der Kinder eigen ist, „einen Menschen zur Welt bringen!” Es ist eine Aufgabe, die innerhalb der Kirche eine hohe Berufung einschließt und durch die Einbeziehung der Frau in das allgemeine Priestertum der Gläubigen zur Sendung wird. 126 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. In jüngster Zeit will sich auch im katholischen Bereich der Anspruch seitens einiger Frauen auf das Amtspriestertum behaupten. Es ist ein Anspruch, der in Wirklichkeit auf einer unhaltbaren Voraussetzung beruht: Das Amtspriestertum ist keine Aufgabe, zu der man aufgrund soziologischer Kriterien oder juridischer Verfahren, sondern nur im Gehorsam gegenüber dem Willen Christi Zugang hat. Jesus hat aber nur Personen männlichen Geschlechts die Aufgabe des Amtspriestertums übertragen. Obwohl er auch Frauen aufforderte, ihm nachzufolgen, und ihre Mitarbeit erbat, berief oder ließ er keine von ihnen zu der Gruppe zu, der er das Amtspriestertum seiner Khche übertragen sollte. Sein Wille zeigt sich in seinem Verhalten insgesamt, überdies auch in bedeutsamen Gesten, die die christliche Tradition ständig als zu befolgende Weisungen interpretiert hat. 3. So geht aus den Evangelien hervor, daß Jesus Frauen nie zum Predigen ausgesandt hat, wie er es mit der Gruppe der Zwölf tat, die alle Männer waren (vgl. Lk 9,1-6), und auch mit den zweiundsiebzig Jüngern, bei denen auch nicht von einer Anwesenheit von Frauen die Rede ist (vgl. Lk 10,1-20). Nur den Zwölf gibt Jesus die Vollmacht über sein Reich: „Darum vermache ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht hat” {Lk 22,29). Nur den Zwölf gibt er den Auftrag und die Vollmacht, in seinem Namen Eucharistie zu feiern (vgl. Lk 22,19): das Eigentliche des Amtspriestertums. Nur den Aposteln verleiht er nach seiner Auferstehung die Vollmacht, Sünden zu vergeben (vgl. Joh 20,22-23) und das weltweite Werk der Evangelisierung zu beginnen (vgl. Mt 28,18-20; Mk 16,16-18). Der Wille Christi wurde von den Aposteln und den anderen Verantwortlichen der ersten Gemeinden befolgt, die den Anfang der christlichen Tradition begründeten, die seitdem in der Kirche immer gültig ist. Ich fühlte mich verpflichtet, diese Tradition durch das jüngste Apostoüsche Schreiben Ordinatio sacerdotalis (22. Mai 1994) zu bekräftigen und zu erklären, „daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben” (Nr. 4). Auf dem Spiel steht hier die Treue zum Hirtenamt, wie es von Christus eingesetzt wurde. Das bekräftigte schon Pius XII., als er erklärte, daß „die Kirche keinerlei Vollmacht über die Substanz der Sakramente hat, das heißt über alles, was Christus, der Herr, nach dem Zeugnis der Quellen der Offenbarung unter dem sakramentalen Zeichen bewahrt haben wollte”; Pius XII. kam zu dem Schluß, daß die Kirche gehalten sei, „ihre Praxis, nur Männern die Priesterweihe zu spenden”, als Norm anzunehmen (vgl. AAS 40[1948]5). 4. Man kann nicht den ständigen und maßgebenden Wert dieser Praxis anfechten, indem man sagt, der von Christus bekundete Wille sei der zu seiner Zeit herrschenden Mentalität und den damals und auch später zum Schaden der Frau verbreiteten Vorurteilen anzulasten. Tatsächlich hat sich Jesus nie einer fbauenabträglichen Mentalität angepaßt, sondern sogar auf die Ungleichheiten, die auf der Verschiedenheit der Geschlechter beruht, reagiert: Indem er Frauen aufforderte, ihm nachzufolgen, 127 A UDIENZEN UND ANGELUS zeigte er die Überwindung der Sitten und Mentalität seiner Umgebung. Wenn er das Amtspriestertum den Männern vorbehielt, tat er es in voller Freiheit, und in seinen Anordnungen und Entscheidungen gab es keine frauenabträgliche Stellungnahme. 5. Will man den Beweggrund erfassen, aus dem Jesus den Zugang zum Amtspriestertum den Männern Vorbehalten hat, kann man ihn in der Tatsache finden, daß der Priester Christus selbst in seiner Beziehung zur Kirche vertritt. Und diese Beziehung hat bräutlichen Charakter: Christus ist der Bräutigam (vgl. A/f9,15; Joh 3,29; 2 Kor 11,2; Eph 5,25), die Kirche ist die Braut (vgl. 2 Kor 11,2; Eph 5,25-27.31-32; Offb 19,7; 21,9). Damit die Beziehung zwischen Christus und der Kirche in der sakramentalen Ordnung wirksam zum Ausdruck kommt, ist es deshalb unerläßlich, daß Christus von einem Mann vertreten wird. Die Unterscheidung der Geschlechter ist in diesem Fall sehr bedeutsam und darf nicht außer acht gelassen werden, ohne daß das Sakrament angetastet wird. Denn die Besonderheit des angewandten Zeichens ist wesentlich in den Sakramenten. Die Taufe muß man mit Wasser vollziehen, das wäscht; man darf sie nicht mit Öl vornehmen, das salbt, obwohl Öl teurer ist als Wasser. Dementsprechend wird die Priesterweihe an Männern vollzogen, ohne daß damit der Wert von Personen zur Diskussion steht. So kann man auch die Konzilslehre verstehen, nach der die Priester, die geweiht sind, um „in der Person des Hauptes Christus handeln [zu] können” (Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 2), „entsprechend ihrem Anteil an der Vollmacht das Amt Christi, des Hauptes und Hirten”, ausüben (Presbyterorum ordinis, Nr. 6). Auch im Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem wird das Warum der Entscheidung Christi erklärt, die von der kathoüschen Kirche in ihren Gesetzen und ihrer Disziplin treu bewahrt wird (vgl. Mulieris dignitatem, Nm. 26-27). 6. Im übrigen ist zu betonen, daß die wahre Förderung der Frau darin besteht, sie in dem zu fördern, was ihr angemessen ist und ihr als Frau entspricht, das heißt als Geschöpf, das vom Mann verschieden ist, berufen, selbst und nicht weniger als der Mann Urbild menschlicher Personhaftigkeit zu sein. Das ist die „Emanzipation”, die den Weisungen und Anordnungen Jesu entspricht, der der Frau eine ihr angemessene Sendung übertragen wollte, die ihrer natürlichen Verschiedenheit gegenüber dem Mann entspricht. In der Erfüllung dieser Aufgabe öffnet sich der Weg für die Entwicklung einer Persönlichkeit der Frau, die der Menschheit und insbesondere der Kirche einen ihrer Eigenart entsprechenden Dienst anzubieten hat. 7. Wir können also bekräftigen: Jesus hat dadurch, daß er das Amtspriestertum nicht der Frau übertrug, sie nicht herabgesetzt, sie nicht eines Rechtes beraubt, das ihr zustände, und auch nicht die Gleichstellung von Mann und Frau verletzt, sondern ihre Würde anerkannt und geachtet. Indem er das Amtspriestertum für die Männer eingesetzt hat, wollte er ihnen keine überlegene Stellung übertragen, sondern sie zu einem demütigen Dienst berufen, der dem Dienst entspricht, für den der Menschensohn das Urbild gewesen ist (vgl. Mk 10,45; Mt 20,28). Indem er die Frau für eine 128 AUDIENZEN UND ANGELUS ihrer Persönlichkeit entsprechende Sendung bestimmt hat, hat er ihre Würde erhöht und ihr Recht auf eine Eigenständigkeit auch in der Kirche bekräftigt. 8. Das Beispiel Marias, der Mutter Jesu, vervollständigt den Beweis der Achtung vor der Würde der Frau in der Sendung, die ihr in der Kirche aufgetragen ist. Maria wurde nicht zum Amtspriestertum berufen: Und doch war die von ihr empfangene Sendung nicht weniger wertvoll als ein Hirtenamt, ja sie war viel höher. Sie empfing einen mütterlichen Sendungsauftrag auf höchster Ebene: Mutter Jesu Christi und damit Theotokos, Mutter Gottes, zu sein. Eine Sendung, die sich ausweiten sollte zur Mutterschaft in bezug auf alle Menschen nach der Gnadenordnung. Dasselbe kann man von der Aufgabe der Mutterschaft sagen, die viele Frauen in der Kirche übernehmen (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 47). Sie werden von Christus in das wunderbare Licht Marias gestellt, die an der Spitze der Kirche und der Schöpfung erstrahlt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Auch die Frau nimmt am allgemeinen Priestertum der Gläubigen teil. Unter den vielfältigen Mitwirkungsformen sei heute besonders auf die Mutterschaft hingewiesen. Wenn auch das sakramentale Amtspriestertum aufgrund des biblischen Zeugnisses und der beständigen Lehre der Kirche Männern Vorbehalten ist, so bedeutet dies keine Minderung der Würde der Frau. Ganz im Gegenteil weist die Berufung Mariens, die zur Mutter Gottes bestimmt war und damit Gottesmutter geworden ist, auf die einzigartige Bedeutung der Frauen hin, die ihnen in der Sendung der Kirche zukommt. Mit diesen kurzen Gedanken verbinde ich meinen herzüchen Willkommensgruß an Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Besonders grüße ich die Ministranten und Ministrantinnen aus der Diözese Münster sowie die Pilgergruppe aus St. Sixtus in Haltern. Euch allen danke ich für Euren Besuch und wünsche Euch in diesen Sommerwochen Erholung für Körper und Geist. Gern erteile ich Euch und Euren Angehörigen daheim meinen Apostolischen Segen. Verantwortete Elternschaft Angelus in Castel Gandolfo am 31. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute möchte ich das Thema der verantwortlichen Vaterschaft und Mutterschaft erneut aufhehmen und eine bezeichnende Forderung der Liebe besonders hervorheben, in der die Eheleute berufen sind, ihre Zeugungsaufgabe zu erfüllen. Sie müssen das Kind wollen mit einer Liebe, die selbstlos schenkt, ohne den eigenen Nutzen zu 129 AUDIENZEN UND ANGELUS suchen, und müssen es vermeiden, sie zum Werkzeug eigener Interessen oder persönlichen Gefallens zu machen. Das Kind, das geboren wird, ist gewiß auch ein Geschenk für die Eltern. Oder ist es nicht so, daß manchmal das Lächeln eines Kindes imstande ist, einer etwas müde und welk gewordenen ehelichen Liebe wieder frisches Leben zu geben? Aber dieses Geschenk wird im Wissen um die transzendente Würde des neuen Geschöpfes mit tiefer Ehrfurcht erbeten und empfangen. Das Konzil lehrt, daß „der Mensch auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist” (Gaudium et spes, Nr. 24). Alles Geschaffene ist in gewissem Sinn auf den Menschen hingeordnet, dessen „Genealogie” weit über die Eltern hinausgeht und das unmittelbare schöpferische Eingreifen Gottes einschließt, wie ich in meinem Brief an die Familien geschrieben habe (Nr. 9). Nur der Mensch ist ja ein zugleich leibliches und geistiges Wesen, zu einer ewigen und übernatürlichen Bestimmung berufen. Die Eltern müssen daher die frei geschenkte Liebe Gottes nachahmen und das Kind „um seiner selbst willen” wollen, in voller Achtung seiner Eigenständigkeit und Einmaligkeit. 2. Leider fehlt es auch auf dem heiklen Gebiet der Weitergabe des Lebens nicht an besorgniserregenden Symptomen einer Kultur, die alles andere als von wahrer Liebe bestimmt ist. Das wird offensichtlich, wenn man werdendes Leben ausschließt oder gar umbringt, und paradoxerweise geschieht es auch dann, wenn man um jeden Preis „Anspruch” darauf erhebt und zu diesem Zweck Mittel anwendet, die moralisch nicht in Ordnung sind. Es werden nämlich in steigendem Maß Techniken für die menschliche Zeugung verbreitet, wie z. B. die künstliche Zeugung oder die Inanspruchnahme von „Leihmüttem” zum Austragen des Kindes und andere Verfahren, die ernste Probleme einer ethischen Ordnung aufwerfen. Unter anderen schwerwiegenden Faktoren, mit denen solche Praktiken belastet sind, sei z. B. nur erwähnt, daß das menschliche Wesen des Rechtes beraubt wird, aus einem Akt wahrer Liebe und unter normalen biologischen Vorgängen im Leben zu treten, und so ist es von Anfang an durch Probleme psychologischer, juridischer und sozialer Art gezeichnet, die es sein ganzes Leben hindurch begleiten werden. Der legitime Wunsch nach einem Kind darf nicht als ein Recht auf das Kind verstanden werden, dem um jeden Preis Genüge geleistet werden kann. Das würde bedeuten, das Kind wie eine Sache zu behandeln! Was die Wissenschaft angeht, so hat sie die Pflicht, die natürlichen Zeugungsvorgänge zu unterstützen, nicht aber die Aufgabe, diese künstlich zu ersetzen. Um so mehr, da ja der Wunsch nach Kindern auch auf dem Rechtsweg der Adoption erfüllt werden kann - ein Weg, der immer besser organisiert und gefördert werden sollte - und durch andere Formen des Dienstes und der Hingabe als eine soziale Aufgabe zum Wohl vieler Kinder, die sonst ohne die „Nestwärme” einer Familie wären. 3. Maria, die Gottesmutter, möge allen Eheleuten helfen, die Größe ihrer Sendung zu begreifen. Im Blick auf die Familie von Nazaret mögen alle Väter und Mütter 130 AUDIENZEN UND ANGELUS sich bemühen, die Kinder mit großer Achtung vor deren eigener Persönlichkeit zu wünschen und anzunehmen. Die selbstlose Liebe zu jedem Menschen sei die Triebkraft zum Aufbau einer Zivilisation, die dieses Namens würdig ist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich heiße ich Euch, liebe Schwester und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache zum Gebet des „Engel des Herrn” willkommen. Möge Maria Euch und Eure Lieben daheim ihren mütterlichen Schutz und Beistand schenken. Ehe und Familie als Apostolat Ansprache bei der Generalaudienz am 3. August 1. Wir haben die Rolle der Frau in der Kirche hervorgehoben. Die Aufgabe des Mannes ist natürlich nicht weniger wichtig. Die Kirche braucht die Zusammenarbeit beider, um ihre Sendung zu erfüllen. Der grundlegende Bereich, in dem diese Zusammenarbeit sich zeigt, ist das Ehe- und Familienleben: „Die soziale Dimension des Menschen findet ihren ersten und ursprünglichen Ausdruck im Ehepaar und in der Familie ” (Christifideles laici, Nr. 40). Das II. Vatikanische Konzil, das „in den verschiedenen Verhältnissen und Aufgaben des Lebens die eine Heiligkeit” anerkennt, führt ausdrücklich den Weg des Ehelebens als Weg der Heiligkeit an: „Die christlichen Eheleute und Eltern müssen auf ihrem eigenen Weg in treuer Liebe das ganze Leben hindurch einander in der Gnade Halt und Stütze sein und die von Gott gerne empfangenen Kinder mit den christlichen Lehren und Tugenden des Evangeliums erfüllen. So geben sie allen das Beispiel einer unermüdlichen und großmütigen Liebe, sie bauen die Bruderschaft der Liebe auf, sind Zeugen und Mitarbeiter der fruchtbaren Mutter Kirche, zum Zeichen und in der Teilnahme jener Liebe, in der Christus seine Braut gebebt und sich für sie hingegeben hat” (Lumen Gentium, Nr. 41). Es gibt also zwei wesentliche Aspekte im Leben der Eheleute und der Familie: die Heiligung in der Einheit treuer Liebe und die Heiligung in der Fruchtbarkeit, in der Erfüllung der Aufgabe, die Kinder christhch zu erziehen. Heute wollen wir über den Weg der Heibgkeit der christlichen Eheleute, das heißt also des Großteils der Gläubigen, nachdenken. Es ist ein bedeutsamer Weg, den aber manche Strömungen des heutigen Denkens, genährt von der überall in der Gesellschaft um sich greifenden Genußsucht, zu erschüttern suchen. 2. Wir wollen die schöne Erklärung des Konzils wieder aufgreifen, nach der der Weg des Ehelebens ein Weg der Heibgkeit ist, weil er dazu bestimmt ist, „Zeichen und Teilnahme jener Liebe zu sein, in der Christus seine Braut gebebt und sich für sie hingegeben hat”. 131 AUDIENZEN UND ANGELUS In dieser ekklesiologischen Sicht ist die Liebe Christi die Quelle und das Fundament der Liebe, welche die Eheleute eint. Hierbei muß unterstrichen werden, daß es sich um echte eheliche Liebe handelt, nicht nur um einen instinktiven Trieb. Heute wird die Sexualität oft so sehr hochgespielt, daß die tiefe Natur der Liebe dabei in den Schatten gestellt wird. Gewiß, auch das sexuelle Leben hat seinen Eigenwert, der nicht unterschätzt werden darf, aber es ist ein begrenzter Wert, unzureichend als Grundlage für die eheliche Vereinigung, die ihrer Natur nach auf der Ganzhingabe der Person beruht. Über diesen Punkt besteht Übereinstimmung in jeder gesunden Psychologie und Philosophie der Liebe. Auch die christliche Lehre stellt die einigenden Eigenschaften der menschlichen Liebe ins Licht und läßt sie in einem noch höheren Licht erstrahlen, indem sie sie, kraft des Sakramentes, auf die Ebene der Gnade erhebt und ihr Anteil schenkt an der göttlichen Liebe Christi. In diesem Sinn sagt Paulus von der Ehe: „Dies ist ein tiefes Geheimnis” (Eph 5,32), in Beziehung zu Christus und zur Kirche. Dieses theologische Geheimnis steht für den Christen an der Wurzel der Ehemoral, der ehelichen Liebe und auch des sexuellen Lebens: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat” (Eph 5,25). Die Gnade und das sakramentale Band bewirken, daß das eheliche Leben als Zeichen und Teilnahme an der Liebe des Bräutigams Christus für die christlichen Eheleute zum Weg der Heiligung wird und zugleich für die Kirche zum wirksamen Ansporn, die Gemeinschaft der Liebe, die für sie selbst kennzeichnend ist, neu aufleben zu lassen. Nach den Worten des Konzils bauen die Eheleute eine „Bruderschaft der Liebe” auf (Lumen Gentium, Nr. 41). 3. Das Konzil nennt und erklärt die Anforderungen dieser edlen Liebe der christlichen Eheleute. Wenn es betont, daß sie sich gegenseitig unterstützen müssen, dann unterstreicht es damit den selbstlosen Charakter ihrer Liebe: einer Liebe, die sich verwirklicht, indem sie dem anderen Halt schenkt und sich hochherzig hingibt. Wenn das Konzil ferner von „treuer Liebe ... das ganze Leben hindurch” spricht, dann lenkt es die Aufmerksamkeit auf die Treue als eine Aufgabe, die sich auf die absolute Treue Christi gründet. Es wird immer notwendig sein, auf diese Verpflichtung hinzuweisen, aber heute ist es mehr denn je notwendig angesichts eines der großen Übel der heutigen Gesellschaft: des verbreiteten Unheils der Ehescheidung mit den ernsten Folgen, die für die Eheleute selbst und für ihre Kinder daraus entstehen. Durch die Ehescheidung bringen Mann und Frau sich eine tiefe Wunde bei, sie werden ihrem gegebenen Wort untreu und zerreißen eine für das Leben eingegangene Bindung. Sie schaden zugleich auch ihren Kindern. Wie viele Kinder leiden darunter, daß ihnen Vater oder Mutter genommen ist! Allen muß aufs neue gesagt sein, daß Jesus Christus mit seiner absolut treuen Liebe den christlichen Eltern die Kraft zur Treue gibt und sie fähig macht, der heute so verbreiteten und verführerischen Versuchung zur Scheidung zu widerstehen. 132 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Es muß auch ferner daran erinnert werden: Da die Liebe Christi, des Bräutigams, zur Kirche eine erlösende Liebe ist, so wird die Liebe der christlichen Eheleute zur aktiven Teilnahme an der Erlösung. Die Erlösung ist mit dem Kreuz verbunden. Das hilft die Bedeutung der Prüfungen verstehen und auswerten, die dem Leben der Eheleute gewiß nicht erspart bleiben, die aber nach dem Plan Gottes dazu bestimmt sind, die Liebe zu stärken und dem ehelichen Leben größere Fruchtbarkeit zu verleihen. Weit entfernt davon, denen, die, in der Ehe verbunden, ihm nachfolgen, ein irdisches Paradies zu versprechen, bietet Jesus Christus ihnen die Möglichkeit und die Berufung an, mit ihm selbst einen Weg zu gehen, der durch Schwierigkeiten und Leiden hindurch ihre Verbundenheit stärkt und sie zu einer größeren Freude führt, wie es die Erfahrung vieler christlicher Ehepaare, auch in unserer Zeit, beweist. 5. Schon die Erfüllung des Zeugungsauftrags trägt zur Heiligung des Ehelebens bei, wie wir schon beim Thema der Mutterschaft bemerkt haben: Die Liebe der Eheleute, die sich nicht in sich selbst verschließt, sondern sich, dem Antrieb und Gesetz der Natur entsprechend, neuem Leben öffnet, wird mit der Hilfe der göttlichen Gnade zu einer Übung heiliger und heiligender Liebe, durch die die Eheleute zum Wachstum der Kirche beitragen. Dasselbe geschieht in der Erfüllung des Erziehungsauftrags, der eine mit der Zeugung selbst verbundene Verpflichtung ist. Wie das II. Vatikanische Konzil sagt, müssen die christlichen Eheleute ihre Kinder in „den christlichen Lehren und den Tugenden des Evangeliums” unterweisen (Lumen Gentium, Nr. 41). Das ist das wichtigste Apostolat im Bereich der Familie. Diese Arbeit der geistlichen und moralischen Formung der Kinder heiligt zu gleicher Zeit auch die Eltern. Sie werden selbst bereichert durch eine Erneuerung und Vertiefung ihres Glaubens, wie es die vielfache Erfahrung der christlichen Familien zeigt. Wiederum können wir abschließend sagen, daß das eheliche Leben ein Weg der Heiligkeit und des Apostolates ist. So dient diese Katechese auch der Vertiefung unserer Auffassung von der Familie, die in diesem Jahr - für die Kirche und für die Welt „Jahr der Familie” - so große Bedeutung hat. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die Liebe Christi ist Quelle und Fundament jener Liebe, die die Eheleute eint. Ihre gegenseitige Treue gründet auf der absoluten Treue Christi, des Bräutigams. Die Berufung auf diese ständig notwendige Verpflichtung wird noch dringender angesichts eines der größten Übel der gegenwärtigen Gesellschaft, nämlich der weit verbreiteten Plage der Ehescheidung mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Eheleute selbst und für ihre Kinder. Wie viele Kinder leiden unter der Entfernung von einem Elternteil! Es muß allen ins Gedächtnis gerufen werden, daß Jesus Christus 133 AUDIENZEN UND ANGELUS mit seiner absoluten Liebe und Treue den christlichen Eheleuten die Kraft verleiht, der Versuchung der Trennung zu widerstehen. Mit diesen kurzen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mit meinen besten Wünschen für eine erholsame Urlaubs- und Ferienzeit erteile ich Euch, Euren Lieben zu Hause und allen mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen meinen Apostolischen Segen. Unveräußerliches Lebensrecht Angelus in Castel Gandolfo am 7. August Liebe Brüder und Schwestern! An der Internationalen Konferenz über Bevölkerungsfragen, die 1984 in Mexiko stattfand, wurde mit Recht festgehalten, daß „die Abtreibung keinesfalls als Methode der Familienplanung gefördert werden dürfe”. Ich wünsche mir, wir wünschen uns, daß eine solche Orientierung auch an der nächsten Konferenz in Kairo mit Nachdruck bekräftigt werde. Sollte sich aber eine entgegengesetzte Richtung durchsetzen, die der gesetzlichen Praxis der Abtreibung noch eine zusätzliche Legitimation geben würde, dann müßte die Menschheit ein weiteres großes Versagen von Recht und Gerechtigkeit verbuchen. Nicht nur für die einzelnen Menschen, sondern auch für die Staaten und die internationale Gemeinschaft gilt ja das moralische Prinzip, daß „das menschliche Leben vom Augenblick der Empfängnis an absolut zu achten und zu schützen [ist]. Schon im ersten Augenblick seines Daseins sind dem menschlichen Wesen die Rechte der Person zuzuerkennen, darunter das unverletzliche Recht jedes unschuldigen Wesens auf das Leben” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2270). Das Konzil zögerte nicht, die Abtreibung als „verabscheuungswürdiges Verbrechen” zu bezeichnen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 51). Einem so strengen Urteil liegt nicht nur das Wort der Offenbarung zugrunde, sondern auch das der menschlichen Vernunft. Die Wissenschaft selbst erbringt heute ihre eigenen Bestätigungen für die menschliche Natur des Embryos und versichert uns, daß er vom Augenblick der Empfängnis an ein echtes und biologisch eigenständiges Lebewesen ist, mit einer in ihm angelegten Programmierung ausgestattet, die sich ohne Unterbrechung bis zur vollentwickelten Reife verwirklicht. Deshalb gilt hinsichtlich des Embryos nicht weniger als hinsichtlich des schon Geborenen das Gebot Gottes: „Du sollst nicht töten!” 2. Der Staat hat die Aufgabe, auf alle mögliche Weise die Achtung vor dem Leben eines jeden Menschen zu garantieren und zu fördern. Man darf sich gegen diese Pflicht nicht auf die Gewissens- und Entscheidungsfreiheit berufen, denn die Achtung vor dem Leben ist die Grundlage eines jeden anderen Rechtes, einschließlich der Rechte auf Freiheit. Wie der Katechismus der Katholischen Kirche sagt, bildet 134 AUDIENZEN UND ANGELUS „das unveräußerliche Recht jedes unschuldigen Menschen auf das Leben ein grundlegendes Element der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Gesetzgebung” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2273), denn wenn ein positives Gesetz eine Kategorie von Menschen des Schutzes beraubt, den die bürgerliche Gesetzgebung ihnen gewähren muß, dann leugnet der Staat die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Wenn der Staat seine Gewalt nicht zum Schutz der Rechte eines jeden Bürgers, vor allem der schwächeren, einsetzt, dann werden die Grundlagen eines Rechtsstaates untergraben” (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Dollarn vitae vom 22.2.1987, Nr. III). 3. Bitten wir die heihge Jungfrau und Gottesmutter, sie möge das Gewissen der Verantwortlichen erleuchten und der Menschheit helfen, die Achtung vor der Würde und dem Wert eines jeden Menschenlebens von seiner Empfängnis an zu bewahren. Maria, die die Ehre hatte, den Herrn des Lebens in ihrem Schoß zu tragen, möge den Eltern Achtung schenken vor dem Leben, das zur Welt zu bringen sie berufen sind. Der zivilen Gesellschaft möge sie helfen, Mütter in Schwierigkeiten mit wirksamen Initiativen zu unterstützen, und den Regierenden stehe sie bei, Gesetze immer und nur zum Dienst des Menschen zu erlassen. 4. Wenn wir uns nun mit dem Angelus-Gebet an die heihge Jungfrau wenden, wollen wir heute auch der großen Gestalt meines Vorgängers gedenken, Papst Pauls VI., dessen Todestag sich gerade gestern wieder jährte. In seinem erleuchteten Lehramt ist er immer mutig für die Würde eines jeden Menschenwesens und für den unantastbaren Wert des menschlichen Lebens eingetreten. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mein herzhches Willkommen gilt euch, hebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache. Möge der Herr euch auf die Fürsprache der Gottesmutter auch in diesen Ferientagen schützen und begleiten. Dazu erteile ich euch allen den Apostolischen Segen. Sorge der Kirche um die Alleinstehenden Ansprache bei der Generalaudienz am 10. August 1. In der christlichen Tradition widmete man seit Beginn besondere Aufmerksamkeit den Frauen, die ihren Mann verloren hatten und allein im Leben standen, oft notleidend und schutzlos. Schon im Alten Testament wurden die Witwen wegen ihrer Notlage oft erwähnt und der solidarischen Sorge der Gemeinschaft, vor ahem der für das Gesetz Verantwortlichen, empfohlen (vgl. Ex 22,21; Dtn 10,18; 24,17; 26,12; 27,19). 135 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Evangelien, die Apostelgeschichte und die Briefe der Apostel sind durchdrungen von der Liebe zu den Witwen. Jesus zeigt ihnen gegenüber wiederholt besondere Aufmerksamkeit. Er lobt z. B. öffentlich die kleine Spende, die eine arme Witwe für den Tempel gibt (vgl. Lk 21,3; Mk 12,43); beim Anblick der Witwe, die in Nain ihren toten Sohn zu Grabe begleitet, ist er von Mitleid bewegt; er tritt zu ihr hin und sagt liebevoll: „Weine nicht!”, und er gibt ihr ihren Jungen lebend zurück (vgl. Lk 7,11-15). Das Evangelium überliefert uns auch die Worte Jesu über die Notwendigkeit, „allezeit zu beten und darin nicht nachzulassen”, wobei er eine Witwe als Beispiel anführt, die mit ihren zudringlichen Bitten von dem ungerechten Ritter erlangte, daß er ihr zu ihrem Recht verhalf (vgl. Lk 18,1-8); und auch die anderen Worte, mit denen Jesus unnachsichtig die Schriftgelehrten tadelt, die „die Witwen um ihre Häuser bringen” und scheinheilig lange Gebete verrichten (vgl. Mk 12,40; Lk 20,47). Diese Haltung Christi, die den echten Geist des Alten Bundes erfüllt, ist der Wurzelgrund, auf dem die pastoralen Empfehlungen des hl. Paulus und des hl. Jakobus über den geistlichen und karitativen Beistand für die Witwen gewachsen sind: „Ehre die Witwen” (1 Tim 5,3); „Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater, besteht darin: für Waisen und Witwen zu sorgen, wenn sie in Not sind ...” (Jak 1,27). 2. In der christlichen Gemeinde aber waren die Witwen nicht nur solche, denen Beistand geleistet wurde, sondern es kam ihnen auch eine aktive Funktion zu, gleichsam durch ihre besondere Anteilnahme an der allgemeinen Berufung der Jünger Christi zum Gebetsleben. In der Tat wird aus dem Ersten Brief an Timotheus deutlich, daß den Frauen, die Witwen geworden waren, als eine grundlegende Aufgabe empfohlen wurde, „beharrlich und inständig zu beten bei Tag und Nacht” (vgl. 5,5). Das Lukasevangelium stellt uns das Beispiel einer heiligen Witwe vor in der Person der „Hanna, einer Tochter Penuels”, die nach nur sieben Ehejahren Witwe geworden war. Der Evangelist sagt von ihr: „Sie hielt sich ständig im Tempel auf und dient Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten” (Lk 2,36-37). Sie hatte die große Freude, zur Stunde der Darstellung Jesu im Tempel anwesend zu sein. In ihrem Kummer dürfen und müssen die Witwen in ähnlicher Weise mit kostbaren Gnaden des geistlichen Lebens rechnen, und sie sind aufgerufen, ihnen hochherzig zu entsprechen. 3. Im pastoralen und geistlichen Rahmen des christlichen Gemeindelebens gab es auch ein „Verzeichnis”, in das die Witwe eingetragen werden konnte, wenn sie, um die Worte des oben zitierten Briefes an Timotheus zu gebrauchen, „mindestens sechzig Jahre alt (also schon eine ältere Frau) ist, nur einmal verheiratet war, wenn bekannt ist, daß sie Gutes getan hat, wenn sie Kinder aufgezogen hat, gastfreundlich gewesen ist und den Heiligen die Füße gewaschen hat (ein alter Ritus der Gastfreundschaft, den sich das Christentum zu eigen gemacht hatte), wenn sie denen, die 136 AUDIENZEN UNDANGELUS in Not waren, geholfen hat und überhaupt bemüht war, Gutes zu tun ...” (1 Tim 5,9- 10). Die Urkirche liefert damit ein Beispiel der Solidarität und der Nächstenliebe (vgl. Apg 6,1), wie wir sie in vielen anderen Augenblicken der christlichen Geschichte wiederfinden, besonders dann, wenn aus sozialen oder politischen Gründen, durch Krieg oder Epidemien usw. die Zahl der Witwenschaften oder anderer Formen des Alleinstehens in besorgniserregendem Ausmaß anstieg. Die Nächstenliebe der Kirche konnte nicht untätig bleiben. Heute gibt es viele andere Fälle von alleinstehenden Personen, denen gegenüber die Kirche sich nicht gleichgültig und tatenlos zeigen kann. Da sind vor allem die „getrennt Lebenden” und die „Geschiedenen”. Ich habe ihnen im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio besondere Aufmerksamkeit gewidmet (vgl. Nr. 83). Fernerhin die „ledigen Mütter”, die besonderen Schwierigkeiten moralischer, wirtschaftlicher und sozialer Art ausgesetzt sind. All diesen Menschen möchte ich sagen, daß sie weiterhin zur Kirche gehören - welche auch immer ihre persönliche Verantwortung in dem Konflikt sein mag, in den sie verwickelt sind. Die Hirten nehmen Anteil an ihrer Prüfung und überlassen sie nicht sich selbst. Sie wollen das Mögliche tun, um ihnen zu helfen, sie zu unterstützen und sie spüren zu lassen, daß sie noch mit der Herde Christi verbunden sind. Wenn die Kirche auch keine Praktiken zulassen kann, die im Gegensatz stehen zu dem, was die Wahrheit und das allgemeine Wohl der Familien und der Gesellschaft erfordern, so läßt sie doch nicht davon ab, alle zu lieben und zu verstehen, die in Schwierigkeiten sind. Sie steht ihnen weiterhin zur Seite. Besonders nahe fühlt sich die Kirche denen, die nach einer zerbrochenen Ehe treu bleiben und auf eine weitere Verbindung verzichten und sich, soweit sie können, der Erziehung ihrer Kinder widmen. Sie verdienen die Unterstützung und Ermutigung aller. Die Kirche und der Papst müssen ihnen ihr Lob aussprechen für das edle Zeugnis christlicher Treue, das sie hochherzig in der Prüfung leben. 4. Da aber die heutige Katechese wie auch die übrigen in dieser Reihe dem Apostolat der Laien in der Kirche gewidmet ist, möchte ich noch auf die vielen zu sprechen kommen, besonders auf die Witwen und Witwer, die, durch familiäre Verpflichtungen weniger in Anspruch genommen, sich christlichen Tätigkeiten in den Pfarreien oder Werken größeren Umfangs gewidmet haben. Ihr Leben wird so, als Frucht eines höheren Grades der Liebe, zu einer gesteigerten Teilnahme am kirchlichen Leben erhoben. Für die Kirche und die Menschheit entspringt daraus der Segen einer hochherzigen Hingabe von Menschen, die so den Weg zu einer höheren Lebensqualität finden und sich im Dienst an den Brüdern und Schwestern selbst verwirklichen. 5. Zum Abschluß sei noch einmal unterstrichen, was wir in der Konstitution Lumen Gentium des 13. Vatikanischen Konzils über das wohltätige Beispiel der Liebe lesen, das nicht nur christliche Eheleute und Eltern geben, sondern das „auf andere Weise 137 AUDIENZEN UND ANGELUS von den Witwen und Unverheirateten gegeben” wird, die „nicht wenig zur Heiligkeit und Wirksamkeit in der Kirche beitragen” können (Nr. 41). Was auch immer der Grund für ihren Lebensstand sein mag, viele von ihnen vermögen den höheren Plan der göttlichen Weisheit zu erkennen, der ihr Leben lenkt und es auf dem Weg des Kreuzes zur Heiligkeit führt, eines Kreuzes, das sich in ihren Lebensverhältnissen als besonders fruchtbar erweist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die christliche Tradition hat seit den frühesten Zeiten den Witwen und Alleinstehenden in ihrem harten Los besondere Aufmerksamkeit gewidmet. So heißt es im ersten Brief an Timotheus: „Ehre die Witwen” (5,3). Dabei galt es nicht nur, den Witwen beizustehen; sie selbst hatten auch Aufgaben in der Kirche, vor allem das unablässige Gebet. Heute gibt es viele andere Fälle von alleinstehenden Personen, denen die Kirche ihre Fürsprache angedeihen läßt. Es sind getrennt Lebende und Geschiedene, es sind aber auch ledige Mütter, die besonderen Schwierigkeiten moralischer, wirtschaftlicher und sozialer Art ausgesetzt sind. Unabhängig von ihrer persönlichen Verantwortung möchte ich all diesen Personen sagen, daß sie auch weiterhin zur Kirche gehören und die Seelsorger ihr Möglichstes tun, ihnen zu helfen und Mut zuzusprechen. Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Euch allen wünsche ich in diesen Ferientagen gute Erholung an Leib und Seele und erteile Euch, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen meinen Apostolischen Segen. Diskriminierung der Frau überwinden Angelus in Castel Gandolfo am 14. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute möchte ich auf unser Gespräch über die Familie zurückkommen und vor allem der Frau, der ja in der Familie eine besondere und unersetzbare zukommt, einen Gedanken widmen. Es fehlt nicht an solchen, die der Kirche vorwerfen, sie betone zu sehr die Aufgabe der Frau in der Familie und übersähe das Problem ihrer aktiven Präsenz auf den verschiedenen Gebieten des sozialen Lebens. Aber das stimmt nicht. Die Kirche ist sich sehr wohl bewußt, wie sehr die Gesellschaft den weiblichen Genius in all seinen Ausdrucksformen im zivilen Zusammenleben nötig hat. Deshalb besteht sie dar- 138 AUDIENZEN UND ANGELUS auf, daß jede Art von Diskriminierung der Frau im Umfeld der Arbeit, der Kultur und der Politik überwunden wird, und zwar in Achtung ihrer weiblichen Eigenart: denn ein ungehöriges, flaches Gleichschalten würde nicht nur das soziale Leben verarmen lassen, sondern schließlich auch die Frau selbst dessen berauben, was gerade ihr vorwiegend oder ausschließlich eigen ist. Die vielen Formen von Gewalttätigkeit und Ausbeutung, die mehr oder weniger offen die Frau zu einer Ware erniedrigen und ihre Würde mißachten, müssen mit aller Energie zurückgewiesen werden. So ist es sehr angebracht, daß das Vorbereitungs-dokument für die demnächst stattfindende internationale Konferenz in Kairo dem Ziel einer Verbesserung der Stellung der Frau seine Aufmerksamkeit widmet. 2. In diesen Gesichtskreis der Achtung und Wertschätzung der Weiblichkeit in all ihren Ausdrucksformen gehört auch das Wort von der mütterlichen Sendung der Frau, einer für das Geschick der Menschheit so entscheidenden Sendung. Wie ich in dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem bemerkte, kann man sagen, daß Gott der Frau in einer besonderen Weise den Menschen anvertraut hat (vgl. Nr. 30). Darum kommt der Frau eine erstrangige Aufgabe zu beim Schutz des menschlichen Lebens von seiner Empfängnis an. Wer kann besser als eine Mutter um das Wunder des Lebens wissen, das in ihrem Schoß entsteht? Leider begegnet die Frau oft sachlichen Schwierigkeiten, die ihr ihre mütterliche Aufgabe so erschweren, daß sie manchmal Heroismus erfordert. Nicht selten aber ergeben sich solche untragbaren Lasten infolge von Gleichgültigkeit oder unzulänglicher Hilfe, auch aufgrund von Gesetzen, die wenig Empfinden für den Wert der Familie haben, oder durch eine weitverbreitete, entstellte Kultur, die den Mann in ungehörige Weise von seinen Verpflichtungen in der Familie dispensiert oder die ihn, schlimmer noch, die Frau als Objekt des Vergnügens oder als bloßes Werkzeug zur Fortpflanzung betrachten läßt. Gegen diese Kultur der Unterdrückung muß jede berechtigte Initiative ergriffen werden, die die wahre Emanzipation der Frau fördern will. Bei dieser Aufgabe aber stehen die Würde der Frau und der Schutz des Lebens auf der gleichen Seite, und es ist zu wünschen, daß sich auch die Konferenz von Kairo mutig diese Sicht zu eigen mache. 3. Maria, die Mutter, die den menschgewordenen Sohn Gottes geboren hat, ist das vollkommen gelungene Bild des Frauseins. In ihrer Person hat sich der Plan, den Gott von der Frau hatte, in vorbildlicher Weise verwirklicht. Mögen alle Frauen der Welt, besonders die Mütter, auf sie schauen, um die Größe ihrer Sendung zu spüren und sie ganz zu leben. Nach dem Angelus forderte der Papst zum Gebet für Ruanda und Burundi auf: Dieser Sonntag ist dem besonderen Gebet für Ruanda gewidmet, wo die Lage weiterhin dramatisch ist. Die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramen-tenordnung hat angeordnet, daß in den Kirchen und Kapellen der ganzen Welt die 139 AUDIENZEN UND ANGELUS heilige Messe mit dem Volk in dem Anliegen gefeiert werde, Gott die Gegenwart und die Zukunft dieses gemarterten afrikanischen Landes zu empfehlen. Ich möchte euch auffordem, in diesem Gebet auch des benachbarten Burundi zu gedenken, wo die Verhältnisse weiterhin Anlaß zu großer Besorgnis geben. Mit Vertrauen wende ich mich an diese so schwer geprüften Völker und an die politisch Verantwortlichen und fordere alle auf, mehr denn je Vernunft walten zu lassen, menschliche und christliche Weisheit und Sorge für das Allgemeinwohl zu zeigen. Dann werden auch Burundi weitere Leiden erspart werden, und es wird sich eine Zukunft der Eintracht und des echten moralischen und zivilen Wachstums auftun. Wir wollen unsere Bitte der mächtigen Fürsprache Mariens anvertrauen, die das Zeichen des Trostes und der sicheren Hoffnung ist, und bitten auch, daß die ruandischen Flüchtlinge heimkehren und in ihrem Land wieder in Frieden leben können. Ich möchte an eine ähnliche Initiative erinnern, die im vergangenen Januar den Balkanländern galt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich euch, liebe Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, und bitte euch zugleich, besonders am heutigen Sonntag mit der ganzen Kirche in eurem Gebet und in der heiligen Messe unserer leidgeprüften Schwestern und Brüder in Ruanda zu gedenken. Euch und euren Lieben in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Bitten an Maria Angelus in Castel Gandolfo am 15. August 1. Heute, am Hochfest deiner Aufnahme in den Himmel, Maria, richten wir unseren Blick auf dich, du Gnadenvolle, du Jungfrau, die uns auf den Himmel hinweist, auf das Ziel, zu dem wir alle unterwegs sind. Du zeigst dich an diesem Tag als die „neue Schöpfung”. Am Fuß des Kreuzes, als der Tod zu triumphieren schien, hast du „geglaubt, daß sich erfüllt, was der Herr dir sagen ließ” (vgl. Lk 1,45), und hast die Verheißung der Auferstehung geerntet. Wir spüren deine Nähe, Mutter der Erlösten, die du alle Unruhe überwinden lehrst. Du stärkst das Volk Gottes in seinem täglichen Kampf gegen den „Herrscher dieser Welt” (Joh 12,31), der darauf aus ist, Dankbarkeit und Achtung für den Urspmng und für das außerordentliche Geschenk Gottes, das Leben des Menschen, aus den Herzen zu reißen. Du gehst uns voran, himmlische Jungfrau, auf unserem Pilgerweg des Glaubens. Stärke, Maria, unsere Hoffnung. Ermutige die Kirche, weiterzugehen auf dem Weg 140 AUDIENZEN UND ANGELUS der Treue zu ihrem Herrn, einzig auf die erlösende Macht des heiligen Kreuzes vertrauend. 2. Mit dankbarem Herzen kehren unsere Gedanken heute zurück zum Welttreffen der Jugend, das voriges Jahr, genau an diesem Tag, in Denver in den Vereinigten Staaten von Amerika stattfand. Dorthin hast du uns begleitet, dort hast du uns aufgenommen, du Jungfrau vom Wege; dort haben wir gemeinsam mit dir auf die Worte deines Sohnes gehört; „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Wie damals, so laß uns jeden Tag neu die Aufforderung Christi hören, Boten dieses göttlichen Lebens zu sein, das allein imstande ist, den Hunger des Menschenherzens zu stillen. Sporne uns an, nachzudenken über das, was du in Kana in Galiläa gesagt hast: „Was er (der Meister) euch sagt, das tut!” (Joh 2,5); Jesus allein hat ja Worte des ewigen Lebens (vgl. Joh 6,68). Diese große Wirklichkeit erwägend, machen wir uns im Geist auf zum nächsten Weltjugendtag, der im Januar 1995 in Manila auf den Philippinen stattfmden wird. Hilf uns, dieses bedeutsame kirchliche Treffen mit inständigem Gebet und apostolischem Eifer vorzubereiten. 3. Dir, du Königin des Friedens und Mutter der Kirche, vertrauen wir am heutigen Festtag die tiefsten Wünsche unseres Herzens an. In deine Hände legen wir aufs neue Italien, das dieses Jahr als besondere Zeit des Gebetes begeht. Deiner mütterlichen Sorge empfehlen wir die Länder, die in den verschiedenen Kontinenten unter Ungerechtigkeit und Krieg leiden, vor allem das gepeinigte Ruanda wie auch die geliebte Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina und der ganzen Balkanregion. Wir bitten dich, wende deinen Blick den Arbeiten der Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung zu, die im kommenden September in Kairo stattfinden wird. Führe, Maria, die Menschheit auf den Weg der demütigen Suche nach Wahrheit und echtem Frieden; führe sie zum wahren Glück, das nur möglich ist in der vollen Gemeinschaft mit Gott. Du Königin, in den Himmel aufgenommen, bitte für uns! In deutsche Sprache sagte der Papst: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt am heutigen Fest auch euch, hebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Möge unser Herr auf die Fürbitte der in den Himmel aufgenommenen Gottesmutter Maria euch, eure Angehörigen und Freunde auf dem weiteren Lebens- und Glaubensweg geleiten und schützen. Dazu erteile ich euch allen meinen Apostolischen Segen. 141 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Kinder im Herzen der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 17. August 1. Wir können die Rolle der Kinder fiir die Kirche nicht vernachlässigen. Wir können nur mit großer Zuneigung über sie sprechen. Sie sind das Lächeln des Himmels, das der Erde geschenkt wird. Sie sind die wahre Krönung der Familie und der Gesellschaft. Sie sind eine Wonne für die Kirche. Sie sind wie die „Lilien auf dem Feld”, über die Jesus sagte: „Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen” {Mt 6,28-29). Sie sind die Lieblinge Jesu, und die Kirche und der Papst können nicht umhin, in ihrem eigenen Herzen für sie die Gefühle der Liebe zu empfinden, die Christus in seinem Herzen empfand. Tatsächlich finden wir schon im Alten Testament Zeugnisse für die Aufmerksamkeit, die den Kindern zuteil wurde. Im ersten Buch Samuel (1-3) wird beschrieben, wie Gott den Knaben Samuel ruft, ihm eine Botschaft verkündet und einen Auftrag zum Wohle des Volkes erteilt. Die Kinder nehmen am Gottesdienst und an den Gebeten der Volksversammlungen teil. Beim Propheten Joel (2,16) können wir nachle-sen: „Holt die Kinder zusammen, auch die Säuglinge.” Im Buch Judit (4,10) lesen wir über das reuevolle Flehen aller, „ihre Frauen und ihre Kinder” eingeschlossen. Bereits im Buch Exodus zeigt Gott eine besondere Liebe für die Waisenkinder, die unter seinem Schutz stehen {Ex 22,21 f.; vgl. Ps 68,8). Im Psalm 131 ist das Kind Ausdruck der völligen Hingabe an die göttliche Liebe: „Wie ein kleines Kind bei der Mutter ist meine Seele still in mir” (V. 2). Es ist auch bezeichnend, daß in der Heilsgeschichte die mächtige Stimme des Propheten Jesaja (7,14 f.; 9,1-6) die Verwirklichung der messianischen Hoffnung in der Geburt des Immanuels ankündigt, eines Kindes, das dazu bestimmt ist, die Herrschaft Davids wiederherzustellen. 2. Das Evangelium sagt uns, daß das von Maria geborene Kind eben jener verheißene Immanuel ist (vgl. Mt 1,22-23; Jes 7,14); dieses Kind wird Gott geweiht bei der Darstellung im Tempel (vgl. Lk 2,22), gesegnet von dem Propheten Simeon {Lk 2,28-35) und empfangen von der Prophetin Hanna, die Gott lobte und über das Kind sprach „zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten” {Lk 2,38). In seinem öffentlichen Wirken trägt Jesus den Kindern große Liebe entgegen. Der Evangelist Markus bezeugt (10,16): „Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie”. Mit seiner „zarten und warmen Liebe” {Christifideles laici, Nr. 47) zog er die Kinder und auch deren Eltern an, über die man liest: „Da brachte man Kinder zu ihm, damit er ihnen die Hände auflegte” (Mk 10,13). Die Kleinen, wie ich im Schreiben Christifideles laici mitgeteilt habe, „sind sprechendes Symbol und herrliches Vorbild der moralischen und geistlichen Haltung, die Voraussetzung ist, um in das Himmelreich zu gelangen und in der Logik einer Ganzhingabe an den Herrn zu leben” (Nr. 47). Die Jünger werden aufgerufen, den Kindern gleich zu sein, da die „Unmündigen” die Offenbarung als 142 AUDIENZEN UND ANGELUS Geschenk des Wohlwollens des Vaters empfangen haben. Auch deshalb müssen die Kinder von ihnen aufgenommen werden wie Jesus selbst: „Und wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf’ {Mt 18,5). Jesus bringt den Kindern tiefen Respekt entgegen, und er mahnt: „Hütet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters” {Mt 18,10). Und wenn die Kinder im Tempel zu Ehren Jesu rufen: „Hosanna dem Sohn Davids”, würdigt Jesus dies und rechtfertigt ihr Handeln als Gotteslob (vgl. Mt 21,15-16). Ihr Lobpreis steht im Gegensatz zur Ungläubigkeit der Widersacher. 3. Die Liebe und die Achtung Jesu den Kindern gegenüber sind das Licht für die Kirche, die dem Beispiel ihres Gründers folgt. Sie kann die Kinder nur aufnehmen, wie er sie aufgenommen hat. Man beachte, daß eine solche Aufnahme sich schon in der Taufe der Kinder, auch der neugeborenen, zeigt. Mit diesem Sakrament werden sie zu Gliedern der Kirche. Vom Beginn ihrer menschlichen Existenz an regt die Taufe in ihnen die Entwicklung des Lebens als Gnade Gottes an. Das Wirken des Heiligen Geistes richtet ihre ersten inneren Anlagen aus, auch wenn sie zu einer bewußten Glaubensbezeugung noch nicht fähig sind: Sie werden es später sein und somit jenes erste Wirken bestätigen. So erklärt sich die Wichtigkeit der Kindstaufe, die die Kinder von der Erbsünde befreit, sie zu Kindern Gottes in Christus macht und sie teilhaben läßt an der Gnadensphäre der Gemeinschaft der Christen. 4. Die Präsenz der Kinder in der Kirche ist ein Geschenk auch für uns Erwachsene: Sie läßt uns besser verstehen, daß das christliche Leben vor allem eine freie Gabe Gottes ist: „Die Kinder erinnern uns ständig daran, daß die missionarische Fruchtbarkeit der Kirche nicht in den menschlichen Mitteln und Verdiensten, sondern in der absolut freien Gabe Gottes ihre Lebenswurzel hat” {Christifideles laici, Nr. 47). Und abermals: Die Kinder liefern uns ein Beispiel der Unschuld, die uns die Einfachheit der Heiligkeit wiederentdecken läßt. Sie leben nämlich eine Heiligkeit, die ihrem Alter entspricht, und auf diese Weise nehmen sie am Aufbau der Kirche teil. Bedauerlicherweise sind die leidenden Kinder zahlreich: körperliches Leiden durch Hunger, Not, Krankheit oder Gebrechen; moralisches Leiden durch Mißhandlungen von seiten der Eltern, durch deren Trennung, durch Ausbeutung, die die Kinder manchmal dem zynischen Egoismus der Erwachsenen aussetzt. Wie sollte man sich nicht im Innersten gepeinigt fühlen angesichts bestimmter Situationen unsäglicher Not, in die schutzlose Kreaturen hineingeraten, die keine andere Schuld trifft als die, lebendig zu sein? Wie sollte man nicht für sie protestieren, indem man ihnen, die ihre eigenen Rechte nicht geltend machen können, seine Stimme leiht? Der einzige Trost in solchem Elend ist die Botschaft des Glaubens, die uns versichert, daß die Gnade Gottes dieses Leiden in Gelegenheiten der geheimnisvollen Vereinigung mit dem Opfer des unschuldigen Lamms verwandelt. 143 AUDIENZEN UND ANGELUS Dieses Leiden trägt so dazu bei, dem Leben dieser Kinder selbst Wert zu verleihen, und es hat Teil am geistlichen Fortschritt der Menschheit (vgl. Christifideles laici, Nr. 47). 5. Die Kirche fühlt sich dazu verpflichtet, die christliche Erziehung der Kinder, die häufig nicht gewährleistet wird, zu fördern. Es geht darum, sie durch die christliche Lehre zum Glauben, zur Nächstenliebe, zum Gebet hinzuführen gemäß den schönsten Traditionen der christlichen Familien, die für viele von uns unvergeßlich und immer segensreich bleiben werden! In psychologischer und pädagogischer Hinsicht ist bekannt, daß das Kind leicht und freiwillig in das Gebet hineinfindet, wenn es dazu angeregt wird, wie es die Erfahrung so vieler Eltern, Erzieher, Katechisten und Freunde gezeigt hat. Die Verantwortung der Familie und der Schule muß ständig darauf hinweisen. Die Kirche fordert Eltern und Erzieher dazu auf, sich der Erziehung der Kleinen zum Leben mit den Sakramenten zu widmen, insbesondere was das Sakrament der Vergebung und die Teilnahme an der Eucharistiefeier betrifft. Und sie empfiehlt allen ihren Hirten und ihren Mitarbeitern, sich erheblich darum zu bemühen, sich den Fähigkeiten der Kinder anzupassen. Soweit es möglich ist, sollte besonders bei religiösen Feiern, die ausschließlich für Kinder bestimmt sind, eine Anpassung gemäß den liturgischen Richtlinien vorgenommen werden; wenn diese mit Klugheit ausgeführt wird, kann sie eine höchst eindrucksvolle Wirkung hervorrufen. 6. In dieser dem Laienapostolat gewidmeten Katechese möchte ich spontan mit einem einprägsamen Wort meines Vorgängers Pius X. schließen. Als er begründete, warum das Alter der Erstkommunikanten herabgesetzt worden war, sagte er: „Es werden Heilige unter den Kindern sein.” Nun, Heilige hat es wirklich gegeben. Aber wir können heute hinzufügen: „Es werden Apostel unter den Kindern sein.” Beten wir, daß diese Voraussage, diese Vorahnung sich immer bewahrheiten möge, so wie sich die Voraussage Pius’ X. bewahrheitet hat. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Heute wollen wir über die Rolle der Kinder in der Kirche nachdenken. Bereits im Alten Testament finden wir Zeichen besonderer Beachtung ihnen gegenüber. Und im Evangelium wird uns verkündet, daß das aus Maria geborene Kind der verheißene Emmanuel, „der Gott mit uns” ist, (vgl. Mt 1,22-23), der im Tempel dargestellt und vom Propheten Simeon gesegnet wird (vgl. Lk 2,22.28-35). Während seines öffentlichen Wirkens bringt Jesus den Kinder eine besondere Liebe entgegen, wie im Evangelium berichtet wird: „Er nahm die Kinder in seine Arme, dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie” {Mt 10,16). Er lädt auch die Jün- 144 AUDIENZEN UND ANGELUS ger ein, den Kindern ähnlich zu werden, da die „Unmündigen” die Offenbarung als Geschenk des Wohlwollens des Vaters haben (vgl. Mt 18,10) Die Liebe und das Verhalten Jesu den Kindern gegenüber ist ein Licht für die Kirche. Dies zeigt sich deutlich darin, daß die Kinder, auch die neugeborenen, durch die Taufe Glieder der Kirche werden. Ihre Gegenwart in der Kirche ist ein Geschenk auch für die Erwachsenen; sie macht uns allen deutlich, daß das christliche Leben vor allem ein unverdientes Geschenk der göttlichen Gnade ist. Indem ich Euch, hebe Schwestern und Brüder, herzlich bitte, den Kindern weiterhin Liebe und Geborgenheit zukommen zu lassen sowie für ihre religiöse Erziehung und den Empfang der Sakramente Sorge zu tragen, grüße ich Euch alle, besonders die Ordenschwestem recht herzlich und wünsche Euch zugleich erholsame Ferientage. Euch, Euren heben Angehörigen und Freunden zu Hause erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Zukunft der Menschheit steht auf dem Spiel Angelus in Castel Gandolfo am 28. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Vorabend der Konferenz von Kairo über „Bevölkerung und Entwicklung” im Rahmen des Internationalen Jahrs der Familie, das wir feiern, möchte ich wieder auf das äußerst wichtige Thema der Institution Familie zurückkommen. Ich möchte besonders meine Sorge ausdrücken über eine gewisse Tendenz des Vorbereitungsdokuments der genannten Konferenz, die Sexualität zu individuahstisch aufzufassen, ohne ihre sozialen Implikationen genügend abzuwägen, die der Institution Ehe und Familie zugrunde hegen. Die Notwendigkeit einer solchen Institution gründet in der menschlichen Natur selbst. „Der Mensch - sagt Aristoteles - ist von Natur noch mehr zum Beisammensein zu Zweien angelegt als zur staatlichen Gemeinschaft, sofern die Familie ursprünglicher und notwendiger ist als der Staat ...” (Nikomachische Ethik, VIII, 14). Diese Gegebenheit wird von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum Ausdruck gebracht, wenn sie die Familie als „natürlichen und grundlegenden Baustein der Gesellschaft” darstellt (Art. 16). Gefährlich wäre es, wenn man sich bei der Konferenz in Kairo aus Sorge um die Bewältigung des vom raschen Bevölkerungswachstum entstandenen Problems nicht auf die Förderung einer Kultur der verantwortlichen Zeugung einstellte, sondern damit begnügte, eine Sexualität zu akzeptieren oder sogar zu fördern, die von ethischen Bezugnahmen und vor allem von der spezifischen Verpflichtung losgelöst ist, die Mann und Frau gegenseitig und der Gemeinschaft gegenüber durch den Ehekonsens übernehmen. 145 A UDIENZEN UND ANGELUS 2. Es ist wahr: Heute kann man ab und zu Meinungen und Vorschläge zu dem Thema hören, die gelinde gesagt überraschen. Aber die psychobiologische Struktur der menschlichen Sexualität ist eine objektive Gegebenheit, die trotz des schwankenden Verhaltens und der Meinungsunterschiede nicht aufhört, auf die tiefe und feste Begegnung zwischen Mann und Frau in der Ehe hinzusteuem, indem sie sie verantwortlich macht für das Leben, das aus dieser Begegnung hervorgeht. Bevor sie eine Frage des Glaubens ist, ist sie eine anthropologische Gegebenheit, die zum einfachen vernünftigen Überlegen zwingt. In Wirklichkeit steht die Zukunft der Familie und der Gesellschaft selbst auf dem Spiel. Bei den entwickelten Nationen, wo sich das Problem der Bevölkerung mehr durch den Mangel als durch ein Übermaß stellt, bestehen schon viele alarmierende Anzeichen für eine schwere Krise der Moral des Lebens und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Man denke zum Beispiel an das Drogenproblem, an die Gewalt, den Mangel von Idealen und Werten, an den Verlust des Sinns und der Achtung des Lebens, die Gleichgültigkeit den Alten gegenüber, die Unsicherheit der Jugendlichen ... Entsteht nicht angesichts solcher beunruhigender Situationen spontan das Bedürfnis, sich für die unerläßliche Wiedergewinnung der Rolle und Verantwortung der Familie einzusetzen? 3. Die heilige Jungfrau, an die wir vertrauensvoll unser Gebet richten, öffne der Menschheit in dieser kritischen Übergangsphase der Geschichte die Augen. Sie erlange den Verantwortlichen den Mut zu klugen und besonnenen Entscheidungen, die dem Plan Gottes entsprechen. Sie helfe den Männern und Frauen unserer Zeit, den Sinn für die Ehe und Familie neu zu entdecken und dementsprechend in Freude, Treue und Verantwortlichkeit zu leben. Nur so ist es möglich, eine bessere, glücklichere und solidarischere Zukunft für unsere gesamte Menschheit aufzubauen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich Euch, hebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache. Vereint Euch mit mir im Gebet für unsere leidgeprüften Mitmenschen in den verschiedenen Ländern der Welt! Möge die Muttergottes in diesem Anhegen unsere Fürsprecherin beim Herrn sein. Mit dem Wunsch für weitere erholsame Ferientage erteile ich Euch und Euren Lieben in der Heimat meinen Apostohschen Segen. 146 AUDIENZEN UND ANGELUS Jugend - Große Hoffnung der Kirche auf dem Weg der Kleinen Ansprache bei der Generalaudienz am 31. August 1. Indem es die Notwendigkeit der christlichen Erziehung bekräftigt und die Hirten an die schwere Pflicht erinnert, sie allen zu beschaffen, betont das II. Vatikanische Konzil, daß die Jugendlichen „die Hoffnung der Kirche sind” (Dekret Gravissimum educationis, Nr. 2). Welche Gründe hat diese Hoffnung? Der erste ist sozusagen demographischer Ordnung. „Denn in vielen Ländern der Welt stellen die Jugendlichen die Hälfte der gesamten Bevölkerung und oft auch die Hälfte des Volkes Gottes selbst dar, das in diesen Ländern lebt” (Christifideles laici, Nr. 46). Aber es gibt einen anderen, noch gewichtigeren Grund pychologischer, geistlicher und ekklesiologischer Ordnung. Die Kirche stellt heute die Hochherzigkeit vieler Jugendlicher fest, ihren Wunsch, die Welt zu verbessern und die christliche Gemeinschaft wachsen zu lassen (vgl. Christifideles laici, ebd.). Sie wendet ihnen deshalb ihre Aufmerksamkeit zu, weil sie in ihnen eine bevorzugte Teilhabe an der Hoffnung sieht, die ihr vom Heiligen Geist zuströmt. Die Gnade, die in den jungen Menschen wirkt, bereitet einen Fortschritt der Kirche vor sowohl in Hinsicht auf ihre Verbreitung als auch auf ihre Qualität. Mit gutem Grund können wir von der Kirche der Jugendlichen sprechen, wenn wir bedenken, daß der Heilige Geist in allen - auch in den Alten, wenn sie offen und bereit sind - die Jugend der Gnade erneuert. 2. Es ist eine Überzeugung, die mit der Wirklichkeit der Ursprünge der Kirche zusammenhängt. Jesus begann seinen Dienst und das Gründungswerk der Kirche, als er etwa dreißig Jahre alt war. Um die Kirche ins Leben zu rufen, wählte er Menschen aus, die - zumindest zu einem Teil - Jugendliche waren. Mit ihrer Hilfe wollte er eine neue Zeit einleiten und eine Wende in der Heilsgeschichte setzen. Er wählte die Menschen aus und formte sie in einem Geist, den man als jugendlich bezeichnen könnte, wobei er den Grundsatz darlegte: „Niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche” (Mk 2,22), die Metapher des neuen Lebens, das vom Ewigen kommt und mit dem Wunsch nach Veränderung und Neuheit zusammentrifft, der für die Jugend kennzeichnend ist. Auch die radikale Hingabe an eine Sache, typisch für das Jugendalter, sollte in den Menschen vorhanden sein, die Jesus zu künftigen Aposteln wählte: Entnehmen kann man es dem Gespräch, das er mit dem reichen Jüngling führt, der nicht den Mut hat, seinem Vorschlag nachzukommen (vgl. Mk 10,17-22), und der nachfolgenden Bemerkung von Petrus (vgl. Mk 10,28). Die Kirche ist aus diesen jugendlichen Impulsen entstanden, die vom Heiligen Geist kamen, der in Christus lebendig ist und von ihm seinen Jüngern und Aposteln und 147 AUDIENZEN UND ANGELUS dann den Gemeinden mitgeteilt wurde, die seit dem Pfingsttag von ihnen vereint waren. 3. Aus den gleichen Impulsen erwächst das Gefühl des Vertrauens und der Freundschaft, mit dem die Kirche seit Beginn auf die jungen Menschen blickt, wie aus den Worten des Apostels Johannes hervorgeht, der als Jugendücher von Christus berufen wurde, aber schon betagt war, als er schrieb: „Ich schreibe euch, ihr Kinder, daß ihr den Vater erkannt habt ... Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr stark seid, daß das Wort Gottes in euch bleibt und daß ihr den Bösen besiegt habt” (IJoh 2,14). Interessant ist dieser Hinweis auf die jugendliche Lebendigkeit. Man weiß, daß die Jugendlichen Körperkraft schätzen, wie sie - zum Beispiel - beim Sport entfaltet wird. Aber der heilige Johannes wollte die geistliche Kraft anerkennen und loben, die von den Jugendlichen der Christengemeinden bewiesen worden war, an die sein Brief gerichtet ist: Eine Kraft, die vom Heiligen Geist kommt und den Sieg in den Kämpfen und Versuchungen erzielt. Der moralische Sieg der Jugendlichen ist eine Bekundung der Kraft des Heiligen Geistes, den Jesus seinen Jüngern versprochen und geschenkt hat, und treibt die jungen Christen von heute wie die des ersten Jahrhunderts zu einer aktiven Teilnahme am Leben der Kirche an. 4. Es ist eine feststehende Tatsache der Psychologie und auch der jugendlichen Spiritualität, daß man sich nicht mit einer passiven Glaubenshaltung zufrieden gibt; die jungen Menschen haben den Wunsch, aktiv an der Entwicklung der Kirche und der Gesellschaft mitzuwirken. Das erkennt man besonders an den vielen tüchtigen Jungen und Mädchen von heute, die „Vorkämpfer der Evangelisiemng und Erbauer der sozialen Erneuerung” sein wollen. Weil „die Jugend die Zeit einer besonders intensiven Entdeckung des eigenen Ich und des eigenen Lebensentwurfes” (Christifideles laici, Nr. 46) ist, muß man heute mehr denn je den Jugendlichen helfen, damit sie in sich das erkennen, was schön und vielversprechend ist. Ihre schöpferischen Eigenschaften und Fähigkeiten müssen auf das höchste Ziel hingelenkt werden, das sie anziehen und begeistern kann: das Wohl der Gesellschaft, die Solidarität mit allen Menschen, die Verbreitung eines vom Evangelium geprägten Lebensideals mit dem konkreten Einsatz für den Nächsten sowie die Beteiligung an den Bemühungen der Kirche, um den Aufbruch einer besseren Welt vorzubereiten. 5. In diesem Licht, sagen wir, soll man heute die jungen Menschen ermutigen, sich besonders der Förderung der Werte zu widmen, die sie selbst hochschätzen und bekräftigen wollen. Wie die Väter der Bischofssynode 1987 betonten, „sind die Jugendlichen für die Werte der Gerechtigkeit, der Gewaltlosigkeit und des Friedens besonders sensibel. Sie sind aufs höchste motiviert für die Anliegen der Lebensqualität und der Erhaltung der Natur” (Propositio, 51). Diese Werte stimmen gewiß mit der Lehre des Evangeliums überein. Wir wissen, daß Jesus eine neue Ordnung der Gerechtigkeit und Liebe verkündet hat; daß er, der sich selbst als „gütig und von Herzerf’demütig” bezeichnet hat, jede Gewalt zu- 148 AUDIENZEN UND ANGELUS rückwies und den Menschen seinen Frieden geben wollte, der wahrer, gehaltvoller und dauerhafter ist als der der Welt (vgl. Joh 14,27). Diese Werte bedeuten Innerlichkeit und Spiritualität. Aber wir wissen, daß Jesus seine Jünger angespomt hat, sie in reale gegenseitige Liebe, Brüderlichkeit, Freundschaft, Solidarität und Achtung vor den Menschen und der Natur umzusetzen, die Werk Gottes und Arbeitsfeld der Menschen mit Ihm ist. Die Jugendlichen finden deshalb im Evangelium die stärkste und deutlichste Stütze für das Ideal, das nach ihrem Empfinden am besten ihren Wünschen und ihren Plänen entspricht. 6. Anderseits ist doch wahr, daß die Jugendlichen „auch erfüllt sind mit Fragen, Enttäuschungen, Nöten und Ängsten vor der Welt sowie den für sie typischen Versuchungen” (Cliristifideles laici, Nr. 46). Das ist die andere Seite der Wirklichkeit der Jugend, die man nicht verkennen darf. Aber obwohl man an die Jugend kluge Anforderungen stellen soll, wird ein aufrichtiges Mitempfinden mit ihnen doch dazu führen, die angemessensten Wege zu finden, um ihnen bei der Überwindung ihrer Schwierigkeiten zu helfen. Der beste Weg ist vielleicht der Einsatz im Laienapostolat als Dienst an den Mitmenschen - nah und fern - in Gemeinschaft mit der Kirche als Verkünderin des Evangeliums. Ich wünsche mir, daß die Jugendlichen immer weitere Felder des Apostolats entdecken. Die Kirche muß sie mit der Botschaft des Evangeliums, seinen Verheißungen und seinen Anforderungen bekannt machen. Die Jugendlichen ihrerseits müssen der Kirche ihre Erwartungen und ihre Pläne zum Ausdruck bringen. „Dieser gegenseitige Dialog muß offenherzig, klar und mutig sein. Er fördert die Begegnung und den Austausch zwischen den Generationen und wird für Kirche und Gesellschaft Quelle des Reichtums und des Jungseins” (Christifideles laici, Nr. 46). 7. Der Papst wird nicht müde, die Einladung zum Dialog zu wiederholen und den Einsatz der Jugendlichen zu ermutigen. Er tat es in vielen an sie gerichteten Texten, besonders in dem Brief anläßlich des von der UNO einberufenen Internationalen Jahres der Jugend (1985). Er tat und tut es bei so vielen Treffen mit Jugendgruppen in den Pfarreien, Vereinigungen und Verbänden und ganz besonders bei den Litur-giefeiem am Palmsonntag und bei den Welttreffen wie in Santiago de Compostela, in Tschenstochau und in Denver. Es ist eine der ermutigendsten Erfahrungen meines päpstlichen Dienstes wie auch des pastoralen Wirkens meiner bischöflichen Mitbrüder in der ganzen Welt, zu sehen, wie der Papst, wie die Kirche mit den jungen Menschen im Gebet, im Dienst an der Menschheit und in der Evangelisierung fortschreitet. Wir alle sehnen uns immer mehr danach, dem Vorbild und der Lehre Jesu entsprechend geformt zu werden, der dazu aufrief, ihm auf dem Weg der „Kleinen” und der „Jugendlichen” zu folgen. 149 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Ich richte einen herzlichen Willkommensgruß an alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Mit meinen besten Wünschen für erholsame Ferientage erteile ich Euch sowie Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat von Herzen meinen Apostolischen Segen. Kairo-Konferenz: Grundrechte der Familie achten! Angelus in Castel Gandolfo am 4. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Morgen beginnt in Kairo die Internationale Konferenz über das Thema „Bevölkerung und Entwicklung”, auf die ich in den vergangenen Wochen mehrfach hingewiesen habe. Während ich der Organisation der Vereinten Nationen, die sie einberufen hat, meine Wertschätzung ausspreche und die teilnehmenden Delegationen mit Hochachtung grüße, wünsche ich von Herzen, daß von dieser bedeutenden Versammlung Anregungen und Hinweise für das wahre Wohl der Menschheit ausgehen. Ein Verdienst dieser Initiative ist gewiß, daß die Aufmerksamkeit der Regierungen und der öffentlichen Meinung auf eine der großen Herausforderungen der kommenden lahrzehnte gelenkt wurde, eine Herausforderung, die sich - abgesehen von anderen Gründen, die nicht immer genügend hervorgehoben werden - auch von der Tatsache ableitet, daß die Weltbevölkerung vor allem in den Entwicklungsländern beachtlich zunimmt, während sich das Gefälle zwischen den Wohlstandsgesellschaften und der grenzenlosen Schar der Armen vergrößert. Wäre nach Überwindung der Gegensätze zwischen den ideologischen Blöcken des Ostens und des Westens nicht eine großzügige internationale Anstrengung zu wünschen gewesen, um diesen skandalösen Kontrast abzubauen? Aber leider ist diese Wende der Solidarität noch weit davon entfernt, verwirklicht zu werden. Ich begrüße deshalb die Konferenz von Kairo als eine historische Gelegenheit, die internationale Politik und Wirtschaft auf das Erreichen eines so drängenden, weltumspannenden Ziels auszurichten. 2. In diesem Augenblick jedoch, wo man mutig in dieser Richtung fortschreitet, muß man der Versuchung einer gefährlichen Verkürzung widerstehen, nämlich alle Anstrengungen auf die Verringerung der Geburtenrate, auf welche Weise auch immer, zu konzentrieren. Von seiten der internationalen Gemeinschaft sollte hingegen mehr Gewicht auf die entschiedene Unterstützung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der weniger begüterten Völker durch eine ausgewogene und vernünftige Verteilung der Ressourcen gelegt werden. Ein Programm der Bevölkerungsregulierung kann als vernünftig angesehen werden, aber nur unter präzisen ethischen Be- 150 AUDIENZEN UND ANGELUS dingungen und unter Achtung jener Grundwerte und Grundrechte, die die Politik niemals zerstören darf. Zuallererst gibt es für jedes menschliche Wesen von seiner Empfängnis an das Recht, geboren zu werden, das heißt, das eigene Leben zu leben. Vom Schutz dieses erstrangigen Rechts hängt nicht nur der „Wohlstand”, sondern in gewisser Weise der „Bestand” der Gesellschaft selbst ab. Wenn man dem Ungeborenen dieses Recht verweigert, erschwert man immer mehr die Zuerkennung ohne Diskriminierung dieses Rechtes für alle Menschen. Weiter gibt es die Rechte der Familie, verstanden als soziale Kemzelle, die auf der festen Verbindung eines Mannes und einer Frau zur gegenseitigen Vervollkommnung und verantwortlichen Zeugung der Nachkommenschaft gründet. Die Eltern haben besondere Rechte und Verantwortlichkeiten bei der Heranbildung und Erziehung der Kinder zu moralischen Werten, besonders in der schwierigen Reifezeit. Es handelt sich keineswegs um eine willkürliche Auffassung, sie wird vielmehr von einem allgemeinen moralischen Sinn getragen, wenn auch in der Unterschiedlichkeit von Religionen und Kulturen. Die Familie muß auf diese Weise „als anfängliche Gesellschaft und in gewissem Sinn als souverän anerkannt” werden! (Brief an die Familien, Nr. 17). Der Staat hat die Aufgabe, sie unter Achtung des Subsidiaritätsprinzips zu fördern, darf aber die Grenzen zu den autonomen Bereichen des Familienlebens nie überschreiten. 3. Der Fürsprache der seligsten Jungfrau, der Mutter der Hoffnung, empfehle ich die Arbeiten der Konferenz von Kairo, damit aus dieser weiten und friedlichen internationalen Begegnung angemessene Lösungen für die strittigen Fragen hervorgehen und Aussichten zu neuer Zuversicht vor allem für die Ärmsten und Rechtlosesten bieten. Wir werden die Arbeiten der Konferenz von Kairo mit ständigem Gebet begleiten und den Herrn bitten, sie möge sich als eine bedeutende Teilstrecke erweisen für die Kultur des Lebens und der Liebe, die unerläßlich ist für den Aufbau einer freieren und brüderlicheren Welt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder deutscher Sprache, die ihr euch mit mir zum gemeinsamen Gebet versammelt habt. Möge Maria, die Mutter aller Gläubigen und Königin des Friedens, in unser aller Anliegen Fürsprecherin bei ihrem Sohn sein. Euch und euren Lieben daheim erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 151 AUDIENZEN UND ANGELUS Wertvoller Beitrag der alten Menschen in der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 7. September 1. In einer Gesellschaft wie der heutigen, die einen Kult mit der Produktivität treibt, laufen die alten Menschen Gefahr, als unnütz angesehen und sogar als Last für die anderen beurteilt zu werden. Selbst die höhere Lebenserwartung erschwert das Problem der Hilfe für die wachsende Zahl alter Menschen, die der Pflege und vielleicht noch mehr der liebevollen und fürsorglichen Zuwendung bedürfen, die ihre Einsamkeit erleichtert. Die Kirche kennt dieses Problem und versucht, zu dessen Lösung auch im pflegerischen Bereich beizutragen, trotz der Schwierigkeit, die für sie heute mehr als früher der Mangel an Personal und Mitteln darstellt. Sie hört nicht auf, die Beteiligung der Ordensinstitute und freiwilligen Laien zu fördern, um dem Pflegebedarf abzuhelfen und alle - junge und alte - auf die Pflicht hinzuweisen, für ihre Lieben zu sorgen, die gewöhnlich viel für sie getan haben. 2. Die Kirche betont mit besonderer Freude, daß in der christlichen Gemeinschaft auch die Alten ihren Platz haben und Nutzen bringen. Sie sind volle Glieder der Gemeinschaft und berufen, zu deren Entwicklung durch ihr Zeugnis, ihr Gebet und ihre Tätigkeit im Rahmen des Möglichen beizutragen. Die Kirche weiß, daß nicht wenige Menschen besonders im sogenannten „Seniorenalter” Gott näher kommen und daß man ihnen gerade in dieser Zeit helfen kann, ihren Geist auf dem Weg der Betrachtung und des sakramentalen Lebens wieder jung zu machen. Die im Laufe der Jahre gesammelte Erfahrung führt den betagten Menschen dazu, die Grenzen der weltlichen Dinge zu erfassen und ein tieferes Bedürfnis nach der Gegenwart Gottes im Erdenleben zu verspüren. Die unter verschiedenen Umständen erlebten Enttäuschungen haben ihn gelehrt, sein Vertrauen auf Gott zu setzen. Die erworbene Weisheit kann von großem Nutzen sein, nicht nur für die Familienangehörigen, sondern für die ganze christliche Gemeinschaft. 3. Anderseits erinnert die Kirche daran, daß in der Bibel der Betagte als Mann der Weisheit, des rechten Urteils, der Überlegung und des Rates dargestellt wird (vgl. Sir 25,4-6). Deshalb empfehlen die heiligen Schriftsteller den Umgang mit den Alten, wie wir besonders im Buch Jesus Sirach (6,34) lesen: „Verweile gern im Kreis der Alten, wer weise ist, dem schließ dich an!” Die Kirche wiederholt auch die zweifache Mahnung: „Beschimpf keinen alten Mann; denn auch mancher von uns wird ein Greis” (Sir 8,6); „Verachte nicht die Überlieferung der Alten, die sie übernommen haben von ihren Vätern” (Sir 8,9). Sie bewundert die Tradition Israels, die die jungen Generationen dazu verpflichtete, auf die Alten zu hören: „Unsere Väter erzählten uns von dem Werk, das du in ihren Tagen vollbracht hast, in den Tagen der Vorzeit”, heißt es in Psalm 44,2. Auch das Evangelium wiederholt das alte Gebot des Gesetzes: „Ehre deinen Vater und deine Mutter” (Ex 20,12; Dtn 5,16), und auf dieses lenkt Jesus die Aufmerk- 152 A UDIENZEN UND ANGELUS samkeit, als er gegen die Mittel protestiert, die man anwendet, um es zu umgehen (vgl. Mk 7,9-13). In ihrer Tradition des Lehr- und Hirtenamtes hat die Kirche immer die Achtung und Ehrerbietung den Eltern gegenüber sowie die materielle Hilfe in ihren Bedürfnissen gelehrt und gefordert. Dieses Gebot, die alten Eltern zu achten und auch materiell zu unterstützen, behält auch in unserer Zeit seine volle Bedeutung. Das Klima gemeinschaftlicher Solidarität, das in der Kirche herrschen soll, kann heute mehr denn je dazu anleiten, die Kindesliebe in althergebrachter und neuer Weise als konkrete Erfüllung dieser Pflicht zu üben. 4. Im Rahmen der christlichen Gemeinschaft ehrt die Kirche die Alten, indem sie deren Qualitäten und Fähigkeiten anerkennt und sie auffordert, ihre Sendung zu erfüllen, die nicht nur an gewisse Zeiten und Lebensbedingungen gebunden ist, sondern sich in vielfältiger Weise den Möglichkeiten der einzelnen entsprechend entfalten kann. Deshalb sollen sie der Versuchung widerstehen, „sich sehnsüchtig in eine Vergangenheit, die nicht wiederkehrt, zurückzuziehen, um wegen der Schwierigkeiten, die eine Welt der ständigen Neuheiten bedeutet, vor einer Verpflichtung in der Gegenwart zurückzuweichen” (Christifideles laici, Nr. 48). Auch wenn es ihnen schwer fällt, die Entwicklung der Gesellschaft, in der sie leben, zu verstehen, dürfen sich die Alten nicht in einem Zustand freiwilliger Nichtbeteiligung einkapseln, die von Pessismismus begleitet ist und die fortschreitende Wirklichkeit nicht „lesen” will. Es ist wichtig, daß sie sich bemühen, mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken, getragen von der christlichen Hoffnung und vom Glauben an das Fortschreiten der Gnade Christi, die sich in der Welt ausbreitet. 5. Im Licht dieses Glaubens und mit der Kraft dieser Hoffnung können die Alten besser erkennen, daß sie dazu bestimmt sind, die Kirche mit ihren geistlichen Eigenschaften und Schätzen zu bereichern. In der Tat können sie ein Glaubenszeugnis bieten, das reich an Lebenserfahrung ist, ein Urteil, voll des Wissens um weltliche Dinge und Situationen, eine klarere Sicht der Anforderungen der gegenseitigen Liebe unter den Menschen und eine festere Überzeugung von der göttlichen Liebe, die jedes Leben und die ganze Weltgeschichte lenkt. Wie schon Psalm 92 den „Gerechten” Israels verhieß: „Sie tragen Frucht noch im Alter und bleiben voll Saft und Frische; sie verkünden: Gerecht ist der Herr” (VV. 15-16). 6. Eine ausgewogene Betrachtung der zeitgenössischen Gesellschaft kann uns übrigens zeigen, daß diese eine neue Entwicklung der Sendung der Alten in der Kirche begünstigt (vgl. Christifideles laici, Nr. 48). Heute befinden sich nicht wenige ältere Menschen in einem guten Gesundheitszustand oder können ihn leichter als in früheren Zeiten zurückgewinnen. Sie können deshalb bei den Aktivitäten der Pfarrge-meinden oder bei anderen Initiativen mitwirken. Tatsächlich gibt es alte Menschen, die sich sehr nützlich machen, wo sie Gelegenheit haben, ihre Sachkenntnis und ihre konkreten Möglichkeiten anzuwenden. Das Alter hindert sie nicht daran, sich den Bedürfnissen der Gemeinschaft, zum Beispiel beim Gottesdienst, beim Krankenbesuch und bei der Armenhilfe, zu widmen. Und 153 AUDIENZEN UND ANGELUS wenn auch das fortschreitende Alter ihn dazu zwingt, diese Tätigkeiten einzuschränken oder aufzugeben, hat der alte Mensch die Pflicht, der Kirche den Beitrag seines Gebetes und seiner möglichen Beschwerden zu leisten, die aus Liebe zum Herrn angenommen werden. Zum Schluß wollen wir daran erinnern, daß man im Alter durch die gesundheitlichen Schwierigkeiten und das Nachlassen der Körperkräfte besonders mit dem Christus des Leidens und Kreuzes verbunden ist. Man kann deshalb immer tiefer in dieses Geheimnis des Erlösungsopfers eindringen und das Zeugnis des Glaubens an dieses Geheimnis, des Mutes und der Hoffnung geben, die in den vielfältigen Schwierigkeiten und Prüfungen des Alters daraus erwachsen. Alles im Leben des Alten kann dazu dienen, seine Sendung auf Erden zu erfüllen. Nichts ist vergebens. Ja, ihre Mitarbeit, gerade weil verborgen, ist um so wertvoller für die Kirche (vgl. Christifideles laici, Nr. 48). 7. Wir müssen hinzufügen, daß auch das Alter ein Geschenk ist, wofür zu danken man gerufen ist: ein Geschenk für den alten Menschen selbst, ein Geschenk für die Gesellschaft und für die Kirche. Das Leben ist immer ein großes Geschenk. Ja, bei den Gläubigen und Jüngern Christi kann man von einem besonderen Charisma sprechen, das dem Alten gewährt wird, um in entsprechender Weise seine Gaben und seine körperlichen Kräfte zur eigenen Freude und für das Wohl der anderen einzusetzen. Der Herr gewähre allen unseren betagten Brüdern und Schwestern das Geschenk des verheißenen Geistes, den der Psalmist anrief, als er sang: „Sende dein Licht und deine Wahrheit, damit sie mich leiten; sie sollen mich führen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung. So will ich zum Altar Gottes treten, zum Gott meiner Freude ... Meine Seele, warum bist du betrübt und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, meinem Gott und Retter, auf den ich schaue” (Ps 43,3-5). Wie kann man nicht daran denken, daß in der griechischen Fassung, der sogenannten Septuaginta, gefolgt von der lateinischen Vulgata, das jüdische Original von Vers 4 als Ruf zu Gott verstanden und übersetzt wurde, „der mich erfreut von Jugend auf’ (Deus, qui laetificat iuventutem meam)? Wir älteren Priester haben viele Jahre hindurch diese Psalmworte wiederholt, mit denen man die Messe begann. Nichts hindert uns daran, daß wir in unseren Gebeten und persönlichen Bestrebungen auch im Alter fortfahren, Gott anzurufen und zu loben, der uns erfreut von Jugend auf. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dem innigen Wunsch aus diesem Geist heraus den alten Menschen zu begegnen, grüße ich Euch alle, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Teilnehmern an der Bistumswallfahrt „Vom Dom nach Rom” der Erzdiözese München und Freising sowie den Teilnehmern an der 154 AUDIENZEN UND ANGELUS Pilgerfahrt der Bistumszeitung Paulinus der Diözese Trier; herzlich grüße ich die Kirchenchöre der Diözese Würzburg, die Sängergruppe Amberg und den CSU-Kreisverband Würzburg. Des weiteren begrüße ich die ökumenische Pilgergruppe der Dekane der Stadt Frankfurt und die Vertretung der Pfarrgemeinde St. Peter in Sulmtal aus Anlaß des 750jährigen Gründungsjubiläums der Pfarrei. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Fleimat sowie allen, die uns in diesem Augenblick geistig verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Pastoralbesuch in Sarajevo Wie ihr wißt, kann morgen leider der geplante Pastoralbesuch nicht stattfinden. Ich danke für die Gebete zum Herrn und für die große Solidarität, die in diesen Wochen viele für die Bevölkerung von Sarajevo und den ganzen Balkan gezeigt haben. Ich möchte alle auffordem, der so geprüften Stadt Sarajevo weiterhin nahe zu sein, damit ihre Bewohner sich nicht allein gelassen fühlen, sondern spüren, daß sie vom Verständnis und der Unterstützung der Kirche und der Welt umgeben sind. Dem lieben Erzbischof von Sarajevo, Msgr. Vinko Puljic, möchte ich in dieser Prüfung, die sich nun schon so lange Zeit hinzieht, meine Gefühle brüderlicher Verbundenheit zum Ausdruck bringen und ihm meinen festen Willen bestätigen, sobald wie möghch diesen Besuch zu machen, den ich mit tiefem Schmerz verschieben mußte. Frieden durch Verzeihung und Versöhnung Ansprache bei der Generalaudienz am 14. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wie ihr wißt, hatte ich am vergangenen Samstag und Sonntag die Freude, nach Kroatien zu reisen, um die Kirche von Zagreb zu besuchen anläßlich der Feier des neunhundertjährigen Bestehens der Erzdiözese. Dieser Besuch war ursprünglich als längere Pastoraireise vorgesehen und sollte auch Belgrad und Sarajevo entschließen. Ich danke dem Herrn, der mir erlaubt hat, ah denen, die sich für den Frieden in der gesamten Balkanregion einsetzen, Trost und Mut zuzusprechen. Meinen Dank möchte ich auch ah denen gegenüber wiederholen, die mich in dieses geliebte Land eingeladen haben: insbesondere Herrn Präsidenten Franjo Tudjman und dem Erzbischof von Zagreb, Kardinal Franjo Kuharic. Ebenso danke ich ahen, die zum guten Gehngen des Treffens beigetragen haben, und den vielen Gläubigen, die sich auch unter schweren Opfern um den Nachfolger Petri versammeln wollten. 2. Die Kroaten waren das erste slawische Volk, das dem Christentum begegnete: Seine bereits im 7. Jahrhundert begonnene Evangelisierung erfolgte durch Missionare, die aus Rom gekommen waren, und stand dann unter dem günstigen Einfluß 155 AUDIENZEN UND ANGELUS der heiligen Brüder Kyrill und Method, der Slawenapostel. Mit dem Hl. Stuhl knüpfte die kroatische Nation sehr bald eine Beziehung einzigartiger Gemeinschaft an, die sich im Laufe der Jahrhunderte nach und nach weiterentwickelte und vertiefte. Papst Johannes X. schrieb an den ersten kroatischen König Tomislaw (910-930), wobei er die Untertanen als „specialissimi filii Sanctae Romanae Ecclesiae” -„ganz besondere Kinder der Heiligen Römischen Kirche” bezeichnete. Während des osmanischen Vordringens in Europa verlieh Leo X. den Kroaten den Titel „scutum saldissimum et antemurale Christianitatis” - „sicheres Außenschild der Christenheit”. Dieser Titel fand seine tiefste und wahrste Bedeutung in der Geschichte des Glaubens und der Heiligkeit, die das kroatische Volk zu verwirklichen wußte und die auch in den neun Jahrhunderten des Lebens der Kirche von Zagreb deutlich hervortrat. 3. In unserem Jahrhundert wurde Kroatien in das Drama verwickelt, das sich in den Balkanländem abgespielt hat - während der beiden Weltkriege und dann nach dem Zweiten Weltkrieg, während der Geschehnisse der Jugoslawischen Föderation und ihrer nachfolgenden Krise. Herausragende Gestalt der kroatischen Kirche war in diesen leidvollen Jahrzehnten der Kardinalerzbischof von Zagreb, Alojzije Stepinac, der mit unerschrockenem Mut das Festhalten am Evangelium und die Treue zum Apostolischen Stuhl bezeugte. Aber er war nicht der einzige. Bis auf den heutigen Tag teilten viele andere Hirten mit ihm die Leiden des kroatischen Volkes, indem sie in ihren Gläubigen die Flamme des Glaubens und der Hoffnung nährten. In der gleichen Absicht ist die Kirche in Kroatien auch heute weiter tätig, während sie mit den anderen christlichen und nichtchristlichen Gemeinschaften und mit allen Menschen guten Willens wahrhaft zusammenarbeitet. 4. Meine Lieben, dieser Besuch war seit langem erwartet worden. Ihm voraus ging eine intensive Zeit des Gebets, gekennzeichnet durch zahlreiche Initiativen, darunter ist „Eine Million Rosenkränze” für das gute Gelingen der Reise besonders hervorzuheben. Höhepunkt des Besuchs war die Eucharistiefeier. An ihr nahm eine riesige Schar von Gläubigen teil, die mit Begeisterung beteten, sangen und den Segen des Herrn erflehten, um die gegenwärtigen Schwierigkeiten bewältigen und eine bessere Zukunft bauen zu können. Die Begeisterung der Jugendlichen war für mich Grund, Mut und Hoffnung zu schöpfen. Sie zeigte mir die Bereitschaft der neuen Generationen, die Botschaft der Versöhnung, die ich ihnen im Namen Christi brachte, anzunehmen und in die Tat umzusetzen. Auch kann ich nicht umhin, hier auf die Begegnung mit den Flüchtlingen und Pilgern aus 215 zerstörten Pfarrgemeinden von Kroatien wie auch aus Bosnien-Herzegowina hinzuweisen, denen gegenüber ich meine lebhafte Absicht bekräftigte, nach Sarajevo zu fahren, sobald es die Umstände erlauben. 156 AUDIENZEN UND ANGELUS Es ist wichtig, Gott weiterhin inständig und vertrauensvoll um den Frieden in diesen gemarterten Ländern zu bitten. Aber es ist auch nötig - wie ich in Zagreb deutlich sagte zu vergeben und um Vergebung zu bitten, wenn man dieses unschätzbare Gut erlangen und den Anfang setzen will für ein neues Zeitalter der gegenseitigen Verständigung und des Wohlstands. Zur Vergebung verpflichtet uns der Umstand, daß wir alle Kinder des einen himmlischen Vaters sind, der niemanden von der Zuwendung seiner Liebe ausschließt, über alle Rassen, Kulturen und Nationalitäten hinweg. Ich lade euch alle ein, euch mit mir zu vereinen im Gebet zu Gott für die geliebte Kirche von Zagreb, für die Einwohner von Kroatien und insbesondere für die Bevölkerung von Sarajevo und Bosnien-Herzegowina, die in meinem Herzen einen besonderen Platz einnehmen. Die seligste Jungfrau, die Königin des Friedens, beschleunige überall auf dem Balkan den Augenblick der Versöhnung, damit für alle die langersehnte Zeit des gerechten und dauerhaften Friedens unter gegenseitiger Achtung und Solidarität anbreche. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Am vergangenen Samstag und Sonntag habe ich mich, wie Ihr wißt, zu einem Pasto-ralbesuch in Zagreb aufgehalten. Leider konnte ich meinen ursprünglichen Plan einer umfassenderen Reise in diese so leidgeprüfte Region mit einem Besuch auch in Belgrad und Sarajevo nicht verwirklichen. Die Kroaten waren das erste slawische Volk, das dem Christentum begegnet ist und von Anfang an eine tiefe Verbundenheit mit dem Apostolischen Stuhl in Rom hatte. Trotz der großen Bedrängnisse nicht zuletzt in unserem Jahrhundert haben sie die Flamme des Glaubens bis in die Gegenwart hineingetragen. Während meines kurzen und doch intensiven Besuches in Zagreb habe ich den großen Glauben der Menschen gespürt, vor allem die Begeisterung der jungen Menschen war für mich Grund für Hoffnung und Zuversicht. Gerade die Jugend zeugt von der Bereitschaft, die Botschaft des Friedens und der Versöhnung anzunehmen und zu verwirklichen. Das Geschenk des Friedens, so habe ich den Menschen zugerufen, verlangt zuerst Vergebung und die Bitte um Vergebung. Nur so kann eine Zeit gegenseitigen Verstehens und des Wohlergehens beginnen. Euch alle lade ich ein, Euch mit mir im Gebet zu vereinen und bei Gott um Frieden für die Bewohner Kroatiens und besonders für die Menschen in Sarajevo und Bosnien-Herzegowina zu bitten. Mit diesem Rückblick auf meinen Pastoralbesuch in Zagreb richte ich einen herzlichen Willkommensgruß an die deutschsprachigen Pilger und Besucher. Besonders heiße ich die Schülerinnen und Schüler des katholischen Gymnasiums „Sophie-Ba-rat-Schule” in Hamburg sowie alle Jugendgruppen willkommen. Ebenso grüße ich 157 AUDIENZEN UND ANGELUS die Pilgergruppe der Bewegung „Rettet das ungeborene Leben” und die anwesenden Behinderten und Kranken. Euch und Euren Lieben in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Verstärkte Wirksamkeit der Laien in der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 21. September 1. Eine große Hoffnung erfüllt die Kirche am Vorabend des 3. Jahrtausends der christlichen Zeitrechnung. Sie bereitet sich auf den Beginn mit einem starken Erneuerungsbemühen all ihrer Kräfte vor, unter ihnen die der christlichen Laien. Ein positives Faktum der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts entsprechend dem beachtlichen Fortschritt der Ekklesiologie ist das lebendigere Bewußtsein, das die Laien in bezug auf die Sendung entwickelt haben, die ihnen im Leben der Kirche aufgetragen ist. Zu oft schien die Kirche früher für die Laien mit der Hierarchie identisch zu sein, so daß ihre Haltung mehr die von Empfängern und nicht von Menschen war, die zum Handeln und zu einer besonderen Verantwortung berufen sind. Glücklicherweise erkennen heute viele, daß auch die Laien in Verbindung mit denen, die das Amtspriestertum ausüben, die Kirche sind und in ihrem Leben und ihrer Entwicklung wichtige Aufgaben haben. 2. Die Hirten der Kirche selbst forderten die Laien auf, diese Verantwortung zu übernehmen. Vor allem die Förderung der Katholischen Aktion durch Pius XI. er-öffnete ein entscheidendes Kapitel der Entfaltung der Tätigkeit der Laien im religiösen, sozialen, kulturellen, poütischen und auch wirtschaftlichen Bereich. Die geschichtliche Erfahrung und die Fortbildung der Katholischen Aktion in der Lehre der Kirche bereiteten neuen Nachwuchs vor, eröffneten neue Möglichkeiten und entzündeten neue Herzen. Die Hierarchie stimmte der Aktivität der Laien immer mehr zu bis zu jener Art von apostolischer Mobilmachung, die mehrmals von Pius XII. gefordert wurde, der in der Osterbotschaft von 1952 mahnte und ermutigte: „Neben den Priestern mögen die Laien sprechen, die es verstanden haben, mit dem Wort und der Liebe in die Geister und Herzen einzudringen. Ja, ihr Boten des Lebens, dringt ein allerorts, in die Fabriken, die Werkstätten und die Felder; Christus hat das Recht, überall einzutreten” (vgl. Ansprachen und Rundfunkbotschaften von Pius XII., vol. XIV, S. 64). Antrieb von den Appellen Pius’ XII. erhielten viele Initiativen der Katholischen Aktion und andere Vereinigungen und Bewegungen, die die Tätigkeit der christlichen Laien in der Kirche und in der Gesellschaft immer mehr ausbreiteten. Die nachfolgenden Weisungen der Päpste und der Bischöfe, vor allem beim II. Vatikanischen Konzil (vgl. Dekret Apostolicam actuositatem), bei den Synoden und in nicht wenigen nachkonziliaren Dokumenten, bestätigten und förderten immer 158 AUDIENZEN UND ANGELUS mehr das Erwachen des kirchlichen Bewußtseins der Laien, das heute auf ein Wachstum der Kirche hoffen läßt. 3. Man kann von einem neuen Leben der Laien, das überaus reich ist an menschlichen Möglichkeiten, als einer geschichtlich erkenn- und nachweisbaren Gegebenheit sprechen. Die wahre Bedeutung dieses Lebens kommt vom Heiligen Geist, der seine Gaben in Fülle über die Kirche ausgießt, wie er es am Pfingsttag von Anfang an getan hat (vgl. Apg 2,3-4; 1 Kor 12,7 f.). Auch in unseren Tagen werden uns viele Zeichen und Zeugnisse von Personen, Gruppen und Bewegungen gegeben, die sich großmütig dem Apostolat widmen und zeigen, daß die Wundertaten von Pfingsten noch nicht zu Ende sind, sondern sich in der Kirche von heute reichlich wiederholen. Man kann nicht umhin festzustellen, daß neben einer beachtlichen Entwicklung der Lehre der Charismen auch eine neue Blüte der in der Kirche tätigen Laien angebrochen ist: Die Gleichzeitigkeit der beiden Tatsachen ist kein Zufall. Alles ist Werk des Heiligen Geistes, des Wirk- und Lebensprinzips all dessen, was im christlichen Leben tatsächlich und wahrhaftig dem Evangelium entspricht. 4. Wie man weiß, entfaltet sich die Wirksamkeit des Heiligen Geistes nicht nur in den charismatischen Impulsen und Gaben, sondern auch im sakramentalen Leben. Und auch unter diesem Aspekt kann man froh bestätigen, daß nicht wenige Zeichen des Fortschritts in der Bewertung des sakramentalen Lebens der christlichen Laien zu erkennen sind. Es besteht eine Tendenz, die Taufe als Quelle des ganzen christlichen Lebens besser zu würdigen. Auf dieser Linie muß man weiter fortschreiten, um den Reichtum eines Sakraments noch tiefer zu erfassen und auszuwerten, dessen Wirkungen sich über die ganze Lebensdauer erstrecken. Angebracht wäre es auch, einen stärkeren Akzent auf die Bedeutung des Firmsakraments zu setzen, das durch das besondere Geschenk des Heiligen Geistes die Haltung verleiht, für den Glauben an Christus ein reifes Zeugnis abzulegen und bewußter und entschlossener die eigene Verantwortung im Leben und im Apostolat der Kirche zu übernehmen. Die Aufwertung des Ehesakraments ist von vorrangiger Bedeutung für die Heiligung der Eheleute selbst und für die Büdung christlicher Familien, von denen die Zukunft des Volkes Gottes und der ganzen Gesellschaft abhängt. In diesem Sinn arbeiten Gruppen und Vereinigungen, die sich vornehmen, die Ehespiritualität zu vertiefen. Auch auf dieser Linie muß man unermüdlich ohne Unterlaß fortschreiten. Die verstärkte, bewußte und aktive Teilnahme der Laien an der Eucharistiefeier läßt in den christlichen Gemeinschaften eine deutliche Bekräftigung des Zeugnisses und des Einsatzes im Apostolat feststellen. Dort hat und findet man immer die lebendige Quelle der Einheit mit Christus, der kirchlichen Gemeinschaft und des Schwungs zur Evangelisierung. Vielleicht hat man in den vergangenen Jahren dem Sakrament der Versöhnung weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Es ist zu wünschen, daß man sich in verstärktem 159 AUDIENZEN UND ANGELUS Maß bemüht, die Praxis wieder zu Ehren zu bringen, aus der nicht nur die von Gott kommende Gnade der geistlichen Gesundung, sondern auch neuer Eifer des Innenlebens, neue Klarheit der Ansichten und echte Einsatzbereitschaft im kirchlichen Dienst hervorgehen. Nicht zu vergessen ist jedoch, daß im Fall einer schweren Sünde die sakramentale Beichte notwendig ist, um die Eucharistie empfangen zu können. 5. Wie diese einfachen Hinweise auf die Situation der Laien in der Kirche von heute zeigen, erfordert die Förderung des Laienapostolats eine proportionale Entwicklung ihrer Ausbildung (vgl. Christifideles laici, Nr. 60). Es geht hauptsächlich darum, das geistüche Leben zu pflegen. Diesbezüglich nimmt man erfreut wahr, daß den Laien immer angemessenere Mittel zur Verfügung stehen, sich in dieser Hinsicht weiterzubilden: angefangen von den Gebets- und Meditationsgruppen, die in vielen Pfarreien bestehen, bis zu den Treffen, wo das Wort Gottes gelesen und kommentiert wird, zu den Vorträgen über Aszese und Spiritualität, den Einkehrtagen und geistlichen Exerzitien. Auch die religiösen Rundfunk- und Fernsehsendungen sind wirksame Mittel, um den Glauben zu bereichern und das christliche Volk im geistlichen Leben und in der Praxis des Gottesdienstes anzuleiten. 6. In unserer Welt, die gekennzeichnet ist von der Ausdehnung und dem Wachstum des kulturellen Niveaus in den einzelnen Bevölkerungsschichten, wird eine gute theologische Schulung der mit kirchlichen Aufgaben betrauten Laien immer dringender (vgl. Christifideles laici, Nr. 60). Hier ist gleichfalls mit Zufriedenheit ein beachtlicher Fortschritt festzustellen: Viele Laien suchen die Glaubenslehre besser aufzunehmen. Die Vermehrung der Institute der Religiösen Wissenschaften ist bezeichnend. Die theologischen Kurse und Vorträge, die früher denen Vorbehalten waren, die sich auf das Priesteramt vorbereiteten, werden für die Laien immer zugänglicher. An diesen Kursen und Vorträgen nehmen nicht nur diejenigen teil, die sich eine Sachkenntnis in der Religionslehre aneignen müssen, sondern viele andere, die ihre Bildung vervollständigen wollen, aus der die Familie, die Freunde und die Bekannten Nutzen ziehen werden. Grund zur Hoffnung bietet auch das lebhafte Interesse, mit dem der Katechismus der Katholischen Kirche in vielen Teilen der Welt aufgenommen wurde. 7. Der Fortschritt der theologischen Bildung der Laien zeigte sich auch im Hinblick auf ein verbessertes Wissen um die Soziallehre der Kirche. Diejenigen, die sich aul allen Ebenen im wirtschaftlichen oder poütischen Leben engagieren, sollten sich in ihren Arbeitsplänen von den Grundsätzen dieser Lehre leiten lassen. Wir hoffen, daß der erzielte Fortschritt ständig weitergeht. Es ist Aufgabe der sozial und geistlich gut gebildeten christlichen Laien, angemessene Anwendungsformen der Grundsätze zu finden und so zum Aufbau einer gerechteren und solidarischeren Gesellschaft beizutragen. 160 AUDIENZEN UND ANGELUS 8. Die Förderung des Lebens der Laien in der Kirche berechtigt - während sie ein Gefühl der Dankbarkeit gegenüber dem Herrn erweckt, der immer wunderbar in seinen Gaben ist - auch zu einem Aufbruch neuer Hoffnung. Die christlichen Laien nehmen immer aktiver auch an der missionarischen Anstrengung der Kirche teil. Auf ihrem hochherzigen Beitrag beruhen zum großen Teil die Aussichten für die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute. In den Laien zeigt sich das Antlitz des Volkes Gottes in seinem vollen Glanz, des Volkes, das auf dem Weg zu seinem eigenen Heil und gerade deshalb bemüht ist, das Licht des Evangeliums zu verbreiten und Christus im Denken und in den Herzen der Mitmenschen lebendig werden zu lassen. Wir sind sicher, daß der Heilige Geist, der die Spiritualität und die Sendung der Laien in der Kirche von heute entfaltet hat, seine Wirksamkeit zum größeren Wohl der Kirche von morgen und immer weiterführen wird. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich heiße ich Euch willkommen, die Ihr aus den deutschsprachigen Ländern hierher nach Rom gekommen und heute am Grabe des hl. Petrus so zahlreich versammelt seid, um ihm Eure Verehrung zu erweisen und mit seinem Nachfolger zu-sammenzuteffen und von ihm Stärkung und Ermutigung im Glauben zu erfahren. Ich freue mich über Euer aller Besuch, in besonderer Weise aber über Eure Anwesenheit, hebe Schülerinnen und Schüler, da Ihr als junge Menschen die Hoffnung und die Zukunft der Kirche seid. Mein besonderer Gruß gilt dem Postchor Klagenfurt, der Gruppe der Komturei St. Matthias zu Trier des Ritterordens vom Heiligen Grab sowie den Vikaren und Vikarinnen des Predigerseminars in Soest. Euch, Euren heben Angehörigen daheim sowie all jenen, die uns in diesem Augenblick über Radio und Fernsehen geisthch verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gerechter Frieden für Kroatien und Bosnien Herzhch begrüße ich die Flüchthngskinder von Kroatien und Bosnien-Herzegowina, die in diesen Tagen in Portoferraio beherbergt werden. Meine Lieben, mein Gruß wird begleitet von der inständigen Bitte an Gott, daß er der gemarterten Bevölkerung von Kroatien und von Bosnien-Herzegowina einen Frieden in Gerechtigkeit gewähre und die Leiden der zahllosen Flüchtlinge und Emigranten in die Freude der Rückkehr in ihre Heimat umwandle, was tatsächlich eine der Bedingungen zur Wiederherstellung des Friedens ist. Euch Anwesenden und euren Angehörigen erteile ich meinen Apostohschen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! 161 AUDIENZEN UND ANGELUS Zeugen der Gegenwart Gottes in der Welt Angelus in Castel Gandolfo am 25. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am kommenden Sonntag beginnt die neunte ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode. Sie wird eine große Anzahl von Hirten aus allen Teilen der Welt, begleitet von Experten und Auditoren, zusammentreten sehen zum vertieften Nachdenken über das Thema: „Das gottgeweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt.” Ich möchte euch jetzt schon einladen, für das bedeutende Ereignis zu beten. Die in den vergangenen Jahrzehnten abgehaltenen Bischofssynoden haben reiche Früchte für die kirchliche Gemeinschaft getragen. Sie erwiesen sich als Wegstrecken, auf dem sich die Kirche mit dem reichen Erbe des Konzils auseinandersetzt, indem sie seine Weisungen in bezug auf die Herausforderungen unserer Zeit weiterentwickelt. Auf diesem Weg durfte eine den Ordensmännem und -frauen gewidmete Etappe nicht fehlen. Das Konzil hat die Kirche als Geheimnis der Gemeinschaft verdeutlicht, als von der Dreifaltigkeit gesammeltes Volk, das vom Heiligen Geist beseelt und von ihm mit Charismen und Diensten bereichert wird, die in der Einheit des Leibes Christi aufeinander abgestimmt sind. Diese Ekklesiologie der Gemeinschaft leitet auch die Ausblicke der nächsten Synode, die in voller Kontinuität steht mit denen, die ihr vorausgegangen sind, besonders mit denen von 1980 über die christliche Familie, von 1987 über die Laien und von 1990 über das priesterliche Dienstamt. 2. Die Entscheidung, den Ordensmännem und -frauen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, kennzeichnet schon von sich aus den besonderen Platz, den sie im Volk Gottes einnehmen, und die Wertschätzung, mit der die Kirche sie umgibt. Nach der Lehre des Konzils ist „der Stand, der durch das Gelöbnis der evangelischen Räte begründet wird, ... zwar nicht Teil der hierarchischen Struktur der Kirche, gehört aber unerschütterlich zu ihrem Leben und ihrer Heiligkeit” (Lumen Gentium, Nr. 44). Günstigerweise fällt die Feier der Synode mit dem letzten Abschnitt des Jahres zusammen, das der Familie gewidmet ist. Dieser Zufall verringert nicht ihren Widerhall, sondern verstärkt diesen, indem er das Übereinstimmen und die Komplimen-tarität der verschiedenen Charismen aufzeigt. Die Familie, typische Bemfung der Laien, ist gerufen, die Gegenwart Gottes in der Geschichte zu bezeugen durch die gegenseitige Liebe der Eheleute und ihren Dienst am Leben. Die gottgeweihten Personen sind, indem sie die Ausschließlichkeit der evangelischen Räte der Jungfräulichkeit, der Armut und des Gehorsams leben, bevorzugte Zeugen des Absoluten Gottes und leisten gerade durch dieses Zeugnis einen besonderen Beitrag zur Humanisierung der Welt. 162 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Wir empfehlen der seligsten Jungfrau die Arbeiten der nächsten Synodenversammlung. Möge sie für die Ordensmänner und -frauen, für die Mitglieder der Säkularinstitute und der Gesellschaften des apostolischen Lebens ein Wachstum des geistlichen Eifers erlangen. Möge sie vor allem den jungen Menschen helfen, bereitwillig die Stimme Gottes zu hören, der nicht nachläßt, besondere geweihte Berufe zu wecken, von denen sich die Kirche sehr viel erwartet für die anspruchsvollen Aufgaben der Neuevangelisierung. Nach dem Angelusgebet begrüßte der Papst einzelne Gruppen, u.a. die Fokolarini und eine Jugendgruppe aus Bosnien und Kroatien: Voll Liebe grüße ich die Anhänger der Fokolar-Bewegung, die aus verschiedenen Ländern der Welt zusammengekommen sind, um an einem Gebetstreffen hier in Castel Gandolfo teilzunehmen. Liebe Brüder und Schwestern, laßt euch von Gott erobern, der die Liebe ist, um in der Welt Werkzeuge seiner Gemeinschaft zu sein. Und das ist eure Stärke, die auch in der Anwesenheit, im Beifall, in den Stimmen und vor allem in dem sehr vielfältigen Gutem zum Ausdruck kommt, das ihr in eurer Umgebung und überall in der Welt verbreitet. Mit Freude empfange ich die Gruppe von Jugendlichen aus Bosnien und aus Kroatien, die in Portoferraio bei Familien zu Gast sind, und ich beglückwünsche die Organisatoren zu dieser Geste der Solidarität. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich begrüße ich euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, die ihr euch zum „Engel des Herrn” versammelt habt. Möge der Herr auf die Fürbitte der Muttergottes euch, eure heben Angehörigen und Freunde in der Heimat auf dem weiteren Lebensweg im Glauben und in der Hoffnung bestärken. Zum Abschluß sagte der Papst: Und so haben wir die einzelnen Gruppen in den verschiedenen Sprachen begrüßt. So ist auch diese Atmosphäre der Gemeinschaft entstanden, die zeigen soll, daß wir die Kirche sind, die Kirche Christi, die nur von ihm durch den Heiligen Geist geführt wird. Danke für eure Anwesenheit. Gelobt sei Jesus Christus! Gottgeweihtes Leben in der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 28. September 1. In den Katechesen zur Lehre von der Kirche, die wir seit einiger Zeit durchführen, haben wir die Kirche mehrmals als „priesterliches” Volk dargestellt. Es setzt 163 AUDIENZEN UND ANGELUS sich aus Menschen zusammen, die am Priestertum Christi teilhaben, als Stand der Weihe an Gott und der Ausübung des vollkommenen und endgültigen Kultes, den Er dem Vater im Namen der ganzen Menschheit darbiingt. Das geschieht durch die Taufe, die den Gläubigen in den mystischen Leib Christi eingliedert und ihn -gleichsam ex officio und sozusagen institutionell - beauftragt, in sich selbst den Priester- und Opferzustand (Sacerdos et Hostia) des Hauptes wiederzugeben (vgl. Thomas v. Aquin, Summa Theol., HI, q.63, a.3 in c.e ad 2; a.6). Jedes weitere Sakrament und besonders die Firmung vervollkommnet diesen geistlichen Zustand des Gläubigen. Das Weihesakrament verleiht ihm auch die Vollmacht, „dienstlich” als Werkzeug Christi zu handeln in der Verkündigung des Wortes, in der Erneuerung des Kreuzesopfers und in der Vergebung der Sünden. 2. Um diese Weihe des Volkes Gottes besser zu verdeutlichen, wollen wir jetzt ein anderes grundlegendes Kapitel der Ekklesiologie behandeln, dem in unserer Zeit immer mehr Bedeutung in theologischer und geistlicher Hinsicht beigemessen wird. Es handelt sich um das gottgeweihte Leben, das nicht wenige Jünger Christi ergreifen als besonders erhabene, intensive und anspruchsvolle Form, die Folgerungen der Taufe auf dem Weg einer außerordentlichen Liebe zu verwirklichen, die zur Vollkommenheit und Heiügkeit führt. Das H. Vatikanische Konzil, Erbe der theologischen und spirituellen Tradition von zwei Jahrtausenden des Christentums, hat den Wert des geweihten Lebens herausgestellt, das nach den Weisungen des Evangeliums „durch die Übung der Gott geweihten Keuschheit, der Armut und des Gehorsams” verwirklicht wird, die „evangelische Räte” heißen (vgl. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 43). Das Konzil nennt sie eine „göttliche Gabe” des Heiligen Geistes, der von Anfang an hochherzige Menschen erweckt, die von dem Wunsch nach Vervollkommnung und Selbsthingabe „zum Besten des ganzen Leibes Christi” beseelt sind (vgl. Lumen Gentium, Nr. 43). 3. Es geht um persönliche Erfahrungen, die in der Kirche nie weniger geworden sind und auch heute gelebt werden. Aber seit den ersten Jahrhunderten zeigt sich die Tendenz, vom persönlichen und - man könnte sagen - privaten Lebensvollzug der evangelischen Räte zu einem Stand öffentlicher Anerkennung durch die Kirche überzugehen, sei es im Einsiedlerleben des Eremiten, sei es - zunehmend - in der Bildung monastischer Kommunitäten oder religiöser Gemeinschaften, die die Erreichung der Ziele des geweihten Lebens fördern wollen: Standhaftigkeit, bessere Ausbildung, Gehorsam, gegenseitige Hilfe und Fortschritt in der Liebe. Von den ersten Jahrhunderten an bis in unsere Tage zeigt sich „eine wunderbare Vielfalt von Ordensgemeinschaften”, in denen „sich die vielgestaltige Weisheit Gottes kundtut’' (vgl. Peifectae caritatis, Nr. 1) und die außerordentliche Ixbenskraft der Kirche zum Ausdruck kommt, auch wenn es in der Einheit des Leibes Christi nach der Worten des hl. Paulus „verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist gibt’ (7 Kor 12,4). Der Geist gießt seine Gaben in einer großen Vielfalt von Formen aus 164 AUDIENZEN UND ANGELUS um mit ihnen die eine Kirche zu bereichern, die in ihrer vielfarbigen Schönheit in der Geschichte „den unergründlichen Reichtum Christi” (Eph 3,8) enthüllt, wie die ganze Schöpfung „in vielen Formen und in jedem einzelnen Teil” (multipliciter et divisim) - so Thomas von Aquin - (Summa Theol., I, q.47, a.l) das offenbart, was in Gott absolute Einheit ist. 4. In jedem Fall handelt es sich immer um eine „göttliche Gabe”, einzig von Grund auf, wenn auch in der Vielfalt und Verschiedenheit der geistlichen Gaben oder Charismen, die den Personen und den Gemeinschaften zugeteilt sind (vgl. Summa Theol, II-II, q. 103, a.2). Die Charismen können tatsächlich einzeln oder gemeinschaftlich sein. Die individuellen sind in der Kirche weit verbreitet und so vielfältig von Person zu Person, daß sie schwer faßbar sind und jedes Mal eine Anerkennung durch die Kirche erfordern. Mit den gemeinschaftlichen Charismen sind im allgemeinen Männer und Frauen ausgestattet, die dazu bestimmt sind, kirchliche Werke und vor allem Ordensinstitute zu gründen, die ihre Kennzeichnung von den Charismen der Gründer erhalten, unter ihrem Einfluß leben und wirken und nach dem Maß ihrer Treue neue Gaben und Charismen für jedes einzelne Mitglied und für die Gemeinschaft insgesamt empfangen. Diese kann dann neue, den örtlichen und zeitlichen Erfordernissen entsprechende Formen und Handlungsweisen finden, ohne die Linie der Kontinuität und Entwicklung zu unterbrechen, die vom Gründer ausgeht, oder indem sie ihre Identität und Dynamik wiedererlangt. Das Konzil betont, daß die religiösen Gemeinschaften „von der Kirche kraft ihrer Vollmacht gern unterstützt und bestätigt wurden” (Perfectae caritatis, Nr. 1). Das stand im Einklang mit ihrer eigenen Aufgabe in bezug auf die Charismen, denn ihr „kommt es in besonderer Weise zu, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten (vgl. 1 Thess 5,12 u. 19-21) {Lumen Gentium, Nr. 12). So wird klar, warum hinsichtlich der evangelischen Räte „die Autorität der Kirche selbst unter Leitung des Heiligen Geistes für ihre Auslegung, die Regelung ihrer Übung und die Festsetzung entsprechender dauerhafter Lebensformen gesorgt hat” {Lumen Gentium, Nr. 43). 5. Jedoch ist immer zu berücksichtigen, daß der Stand des gottgeweihten Lebens nicht zur hierarchischen Struktur der Kirche gehört. Darauf weist das Konzil hin: „Ein derartiger Stand ist in bezug auf die göttliche, hierarchische Verfassung der Kirche kein Zwischenstand zwischen dem der Kleriker und dem der Laien. Vielmehr werden in beiden Gruppen Christgläubige von Gott gerufen, im Leben der Kirche sich einer besonderen Gabe zu erfreuen und, jeder in seiner Weise, ihrer Heilssendung zu nützen” {Lumen Gentium, Nr. 43). Das Konzil fügt aber sofort hinzu, daß der Ordensstand, „der durch das Gelöbnis der evangelischen Räte begründet wird, ... zwar nicht Teil der hierarchischen Struktur der Kirche ist, aber unerschütterlich zu ihrem Leben und ihrer Heiligkeit gehört” {Lumen Gentium, Nr. 44). Dieses Adverb „unerschütterlich” zeigt, daß keine Erschütterung, die das Leben der Kirche auch bewegen mag, jemals das durch das 165 A UDIENZEN UND ANGELUS Gelübde der evangelischen Räte gekennzeichnete gottgeweihte Leben auslöschen kann. Dieser Lebensstand wird immer als wesentliches Element der Heiligkeit der Kirche bestehen bleiben. Das ist dem Konzil nach eine „unerschütterliche” Wahrheit. So weit so gut; dennoch ist zu betonen, daß keine besondere Form des gottgeweihten Lebens die Sicherheit ewiger Dauer hat. Die einzelnen Ordensgemeinschaften können aussterben. Geschichtlich steht fest, daß einige tatsächlich untergingen wie übrigens auch manche Teilkirchen. Institute, die nicht mehr zeitgemäß sind oder keinen Berufsnachwuchs haben, mögen gezwungen sein zu schließen oder sich mit anderen zu vereinen. Die Garantie der ewigen Dauer bis zum Ende der Welt, die der Gesamtkirche gegeben wurde, gilt nicht notwendigerweise für die einzelnen Ordensinstitute. Die Geschichte lehrt, daß das Charisma des geweihten Lebens immer in Bewegung und fähig ist, jeweils in Treue zum Charisma ihres Gründers neue Formen zu entdecken und sozusagen zu „erfinden”, die den Bedürfnissen und Bestrebungen der Zeit unmittelbarer entsprechen. Aber auch die schon seit Jahrhunderten bestehenden Gemeinschaften sind aufgerufen, sich diesen Bedürfnissen und Bestrebungen anzupassen, um sich nicht selbst dem Untergang preiszugeben. 6. Die Aufrechterhaltung der Praxis der evangelischen Räte - welche Formen sie auch annehmen mag - ist jedenfalls für die ganze Dauer der Geschichte sichergestellt, denn Jesus Christus selbst hat sie als dem Plan der Heiligkeit der Kirche endgültig zugehörig gewollt und gestiftet. Der Begriff einer Kirche, die nur aus Laien besteht, die im Eheleben und in weltlichen Berufen engagiert sind, entspricht nicht den Absichten Christi, die wir aus dem Evangelium entnehmen. Alles - auch ein Bück auf die Geschichte und sogar auf die Zeitabläufe - läßt daran denken, daß es immer Männer und Frauen (und Jungen und Mädchen) geben wird, die sich Christus und seinem Reich auf dem Weg des Zölibats, der Armut und der Unterordnung unter eine Lebensregel ganz hingeben wollen. Diejenigen, die diesen Weg einschlagen, werden auch in Zukunft wie in der Vergangenheit eine wichtige Rolle spielen zugunsten der Entfaltung der Heiügkeit der christlichen Gemeinschaft und ihres Auftrages zur Evangelisierung. Ja, der Weg der evangelischen Räte öffnet heute mehr denn je eine große Hoffnung für die Zukunft der Kirche. Grußworte an die deutschsprachigen Pilger in der Petersbasilka Liebe Schwestern und Brüder! Zur heutigen Generalaudienz begrüße ich alle deutschsprachigen Pilger, die Ihr so zahlreich in die Petersbasilika gekommen seid, sehr herzlich. Durch Eure Anwesenheit bekundet Ihr auf eindrucksvolle Weise Eure Verbundenheit mit dem Nachfolger des heiligen Petrus. Wir gedenken am heutigen Tage besonders meiner beiden Vorgänger auf dem Stuhle Petri, Pauls VI. und Johannes Pauls I., mit einem feierlicher Gottesdienst am späten Nachmittag. 166 AUDIENZEN UND ANGELUS Mein besonderer Gruß gilt den Teilnehmern der 15. Pilgerfahrt „Rom im Rollstuhl” aus der Schweiz, den Pilgern der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln und Collegium Clementinum aus Bad Driburg. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause, sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gebet um Frieden in Bosnien-Herzegowina und Kroatien Aus ganzem Herzen grüße ich die Gruppe der Kroaten von Livno in Bosnien-Herzegowina! Wenn ihr nach Hause zurückkehrt, bringt das Zeugnis meines ständigen Gebetes für den Frieden in Bosnien-Herzegowina und in Kroatien mit; das Zeugnis meiner Solidarität mit allen, die in den von der Außenwelt abgeschnittenen Städten und Dörfern leben, mit allen Flüchtlingen und Emigranten und mit all denen, die aufgrund des Krieges leiden, der schon seit mehr als drei Jahren die Geschichte der zivilisierten Welt und Europas verdunkelt. Euch allen erteile ich meinen Apostolischen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! Ordensleute - Zeugen der Liebe Christi Angelus am 2. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit dem feierlichen Gottesdienst, den ich leitete, haben heute die Arbeiten der 9. Generalversammlung der Bischofssynode begonnen, die dem gottgeweihten Leben in all seinen Erscheinungsformen gewidmet ist, den klassischen der verschiedenen Orden und Kongregationen und den jüngeren, die ihren Ausdruck in Säkularinstituten und Gemeinschaften des apostolischen Lebens finden: Die einen und die anderen sind Geschenke des Geistes Gottes an die Kirche. Die Ordensleute, die Mitglieder der Säkularinstitute und die Mitglieder der Gesellschaften des apostolischen Lebens sind tatsächlich ein erwählter Teil des Volkes Gottes und berufen, die Vollkommenheit der Liebe, zu der alle Jünger Christi aufgerufen sind, in eigener und besonders kennzeichnender Form zu leben. Ihre gewählte Lebensform, vor allem durch das Üben der evangelischen Räte von Keuschheit, Armut und Gehorsam, ist nichts anderes als eine außerordentliche Liebeswahl, man könnte sagen, ein „Überfluß an Liebe”. Er kommt vom Hören auf die Stimme Christi: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach” (Mt 19,21). Die Annahme dieser Einladung stellt die Geweihten ins 167 AUDIENZEN UND ANGELUS Herz der Kirche selbst, der Braut Christi, die ihm in tätiger und banger Erwartung seiner Wiederkunft ganz zugewandt ist. Christus ist alles für die Kirche! Wenn wirklich jeder Getaufte auch unter gewöhnlichen Lebensumständen als Laie dieses Bekenntnis des Glaubens und der Liebe leben soll, dann ist der Geweihte berufen, es in ganz besonderer Weise zu tun. Sein Leben ist zeichenhaft: Alles in ihm soll den Ruf der Liebe des Apostels Paulus wiedergeben: „Denn für mich ist Christus das Leben” (Phil 1,21). 2. Die Synodenarbeiten geben dem geweihten Leben gewiß neue Impulse und vertiefen seine Identität und Sendung im Licht des Planes Gottes in diesen Jahren, die dem dritten christlichen Jahrtausend vorangehen. Indem sie das geweihte Leben fördert, will die Kirche nicht nur für seine innere Erneuerung sorgen, sondern leistet auch der Menschheit einen Dienst. Denn die Geweihten, gerade weil sie sich ganz Gott zuwenden, fühlen sich natürlich auch zum Dienst an den Mitmenschen, vor allem den ärmsten, verpflichtet, den eigenen Charismen jedes Instituts entsprechend. Durch Antonomasie ist der Geweihte der „universale Menschenbruder”, von dem die anderen Menschen wissen, daß sie immer auf ihn zählen können und bei ihm Gehör, Aufnahme und Mitbeteiligung finden können. Der ganz besondere Dienst, der heute von den Geweihten gefordert wird, ist, auf die größte Armut unserer Zeit zugehen: Durch die Gottverweigerung haben heute viele den Sinn des Lebens verloren. Der Geweihte steht in ihrer Mitte als lebende Verheißung der heilbringenden Liebe Gottes und damit als Zeuge der Freude und Hoffnung und als Baumeister der Zukunft im Blick auf das Reich. 3. Möge die selige Jungfrau den Synodenvätem die Fülle des Lichts erlangen, damit sie die Themen, über die sie nachdenken, in angemessener Weise untersuchen. Das Zeugnis der Geweihten in unserer Zeit wirkt nach dem Maß ihrer Treue zu Christus, der sie ruft. Möge die Synode die Stimme des Geistes hören, und möge sie wirklich ein Gnadenvorgang werden, reich an Früchten der Erneuerung und Heiligkeit. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Jetzt möchte ich euch zum Gebet für die Opfer zweier jüngster Katastrophen einla-den. Ich beziehe mich auf den Schiffbruch in der Ostsee vor vier Tagen, wo mehrere Hundert Passagiere auf einer estischen Fähre das Leben verloren, und auf den Vulkanausbruch der vergangenen Woche in Papua-Neuguinea, der die Bewohner der Stadt Rabaul zwang, ihre unter dem Aschenregen zusammengestürzten Häuser zu verlassen. Wir übergeben der Barmherzigkeit Gottes alle, die im Lauf dieser tragischen Ereignisse gestorben sind: Wir beten für ihre Angehörigen und für die Obdachlosen. Ich wünsche von Herzen, daß diesen unseren Menschenbrüdern in so großer Not nicht die Stütze einer hochherzigen humanitären Hilfe fehlen möge. 168 AUDIENZEN UND ANGELUS Entwicklungen und Tendenzen im gottgeweihten Lehen heute Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Oktober 1. Das gottgeweihte Leben, das die Entwicklung der Kirche im Laufe der Jahrhunderte gekennzeichnet hat, kannte und kennt verschiedene Ausdrucksformen. Diese Vielfalt ist zu berücksichtigen, wenn man das Kapitel liest, das die Konstitution Lumen Gentium dem Bekenntnis der evangelischen Räte widmet. Es trägt den Titel „Die Ordensleute”, aber in den Bereich seiner Lehrmeinungen und seiner Pastoral-anliegen gehört die viel weitere und differenziertere Wirklichkeit des geweihten Lebens, wie es sich in jüngster Zeit herausgebildet hat. 2. Nicht wenige Menschen entscheiden sich auch heute für den Weg des gottgeweihten Lebens innerhalb von religiösen Instituten oder Kongregationen, die seit langem in der Kirche wirken, die aus ihrer lebendigen und fruchtbaren Anwesenheit immer wieder neue Bereicherungen für das geistliche Leben schöpft. Aber in der Kirche gibt es auch offensichtlich neue Verbindungen von geweihten Personen, die in kanonischer Hinsicht anerkannt und geregelt sind. Es handelt sich vor allem um die Säkularinstitute, in denen nach dem Codex des kanonischen Rechtes „in der Welt lebende Gläubige nach Vollkommenheit der Liebe streben und sich bemühen, zur Heiligung der Welt, vor allem von innen her, beizutragen” (CIC, can. 710). Die Mitglieder dieser Institute verpflichten sich zur Übung der evangelischen Räte, aber im Einklang mit einem Leben, das sich weltlichen Tätigkeiten und Einrichtungen widmet. Seit vielen Jahren, schon vor dem Konzil, gab es einige geniale Pioniere dieser Form des geweihten Lebens, die - nach außen - mehr dem der „Säkular”- als dem der „Ordens”-Institute ähnelte. Für manche Menschen mochte diese Entscheidung von einer Notwendigkeit abhängen, das heißt, daß sie aufgrund gewisser familiärer Verpflichtungen oder bestimmter Hindernisse keiner Ordensge-meinschaft beitreten konnten, aber für viele war es der volle Einsatz für ein Ideal: Eine authentische Weihe an Gott zu vollziehen auch durch ein Dasein, das als Berufung in den Wirklichkeiten der Welt gelebt wird. Es ist das Verdienst von Papst Pius XII., die Rechtmäßigkeit dieser Weiheform durch die Apostolische Konstitution Provida Mater Ecclesia 1947 anerkannt zu haben. Außer den Säkularinstituten erkennt der Codex des kanonischen Rechts die Gesellschaften des apostolischen Lebens an, „deren Mitglieder ohne Ordensgelübde das der Gesellschaft eigene apostolische Ziel verfolgen, ein brüderliches Leben in Gemeinschaft führen und gemäß der eigenen Lebensordnung durch Befolgung der Konstitutionen nach Vollkommenheit der Liebe streben” (can. 731). Unter diesen Gesellschaften, die den Instituten des gottgeweihten Lebens „gleichgestellt” sind, gibt es einige, in denen die Mitgüeder sich durch ein in den Konstitutionen festgelegtes Gelübde zur Übung der evangelischen Räte verpflichten. Auch das ist eine Form der Weihe. 169 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. In jüngerer Zeit ist eine Reihe von „Bewegungen” oder „kirchlichen Vereinigungen” entstanden. Darüber habe ich voll Anerkennung anläßlich des Treffens gesprochen, das die Italienische Bischofskonferenz über „Die christliche Gemeinschaft und die Vereinigungen der Laien” veranstaltet hat, wo ich sagte: „Das Phänomen der kirchlichen Vereinigungen ist ein charakteristisches Merkmal für den jetzigen Augenblick in der Geschichte der Kirche. Und man muß mit Zufriedenheit gleichfalls feststellen, daß das Spektrum dieser Zusammenschlüsse den ganzen Bogen der Präsenzweisen des Christen in der heutigen Gesellschaft umfaßt” (Insegnamenti, VII, 2, 1984, 290). Wie damals wünsche ich auch heute, daß diese Laienzusammenschlüsse „in voller kirchlicher Gemeinschaft mit dem Bischof’ stehen (ebd., 292), damit die Gefahr einer bestimmten Selbstgefälligkeit durch jemanden, der seine eigene Erfahrung verabsolutieren möchte, und ebenso die Gefahr einer Isolierung vom Gemeinschaftsleben der Ortskirchen und der Oberhirten ausgeschlossen werden. Diese „Bewegungen” oder „Vereinigungen”, von Laien gebildet, lenken ihre Mitglieder - oder einen Teil ihrer Mitglieder - auf die Praxis der evangelischen Räte hin. In der Folge bilden sich in ihnen, obwohl sie sich Laien nennen, Gruppen oder Gemeinschaften des geweihten Lebens. Und diese Form des geweihten Lebens kann noch dazu von einer Aufgeschlossenheit für das Priestertum begleitet werden, wenn einige Gemeinschaften Priester aufnehmen oder Jugendliche auf die Priesterweihe hinlenken. So geschieht es, daß einige dieser Bewegungen das Bild der Kirche in den drei Richtungen verkörpern, in denen sich ihre geschichtliche Zusammensetzung entwickelt: die der Laien, der Priester und der gottgeweihten Personen, die die evangelischen Räte leben wollen. 4. Es genügt, auf diese neue Wirklichkeit hinzuweisen, ohne die verschiedenen Bewegungen in ihren Einzelheiten zu beschreiben. Hervorzuheben ist vielmehr die Bedeutung ihrer Präsenz in der Kirche von heute. Es ist wichtig, in ihnen ein Zeichen der Charismen zu erkennen, die der Kirche vom Heiligen Geist in immer neuen, manchmal unvorhergesehenen Formen geschenkt werden. Die Erfahrung dieser Jahre erlaubt uns zu bekräftigen, daß das charismatische Leben - weit entfernt davon, sich zu erschöpfen - im Einklang mit den Glaubensgrundlagen in der Kirche neue Ausdrucksweisen, besonders in den Formen des gottgeweihten Lebens, findet. Ein besonderer und in gewisser Weise neuer Aspekt dieser Erfahrung ist die Bedeutung, die in ihm im allgemeinen der Laiencharakter hat. Es ist wahr, daß es bei dem Wort „Laie” auch im religiösen Bereich zu Mißverständnissen kommen kann. Wenn die Laien den Weg der evangelischen Räte wählen, treten sie zweifellos in gewissem Maß in einen geweihten Lebensstand ein, der sehr verschieden ist vom üblichen Leben der anderen Gläubigen, die den Weg der Ehe und der Berufe weltlicher Ordnung wählen. Trotzdem wollen die „geweihten” Laien weiterhin die Bezeichnung „Laie” bewahren und festigen, weil sie Glieder des Volkes Gottes im ursprünglicher Sinn des Wortes „Laie” (von laös = Volk) sein, sich als solche behaupten und diese 170 AUDIENZEN UND ANGELUS Zugehörigkeit bezeugen wollen, ohne sich von ihren Brüdern und Schwestern zu trennen, auch nicht im Zivilleben. Von großer Bedeutung und Interesse ist auch die kirchliche Sicht der Bewegungen, in denen sich die feste Absicht bekundet, das Leben der ganzen Kirche als Gemeinschaft von Jüngern Christi zu teilen und es durch die tiefe Verbindung und Zusammenarbeit zwischen Laien, Ordensleuten und Priestern in der persönlichen Lebenswahl und im Apostolat widerzuspiegeln. Es ist wahr, daß diese drei Merkmale, das heißt die charismatische Lebenskraft, der Wille, die Zugehörigkeit zum Volk Gottes zu bezeugen, und das Erfordernis der Gemeinschaft der Geweihten mit den Laien und den Priestern Eigenschaften sind, die allen Formen des geweihten Ordenslebens gemeinsam sind; aber man kann nicht umhin, anzuerkennen, daß sie in den heutigen Bewegungen deutlicher hervortreten, die im allgemeinen durch ein tiefgehendes Bemühen der Zugehörigkeit zum Geheimnis der Kirche und des qualifizierten Dienstes an ihrer Sendung herausragen. 5. Neben den Bewegungen und Gemeinschaften, die auf den „kirchlichen Laien” ausgerichtet sind, müssen wir jetzt noch andere, jüngere Gemeinschaftsformen nennen, die den Akzent hauptsächlich auf die traditionellen Elemente des Ordensleben legen. Einige dieser neuen Kommunitäten sind eigentlich monastisch ausgerichtet mit einer beachtlichen Entwicklung des liturgischen Gebets; andere liegen auf der Linie der „kanonischen” Tradition, die neben der im engeren Sinn „monastischen” im Mittelalter so lebendig war, wobei sie besonders für die Pfarreien sorgen und dann das Apostolat im weiteren Umfeld pflegen. Noch entschiedener ist heute die neue „eremitische” Tendenz mit der Gründung oder dem Wiederaufbau von Einsiedeleien in der alten und zugleich neuen Form. Dem, der nur oberflächlich hinschaut, könnten einige dieser Formen des geweihten Lebens im Mißklang zu den heutigen Ausrichtungen des kirchlichen Lebens zu stehen scheinen. Die Kirche braucht sicher die Geweihten, die sich unmittelbarer der Welt zuwenden, um sie zu evangelisieren; aber in Wirklichkeit hat sie genauso und vielleicht noch größeren Bedarf an Menschen, die die Gegenwart und die Vertrautheit Gottes suchen, pflegen und bezeugen, ebenfalls in der Absicht, die Heiligung der Menschheit zu erlangen. Es sind zwei Aspekte des gottgeweihten Lebens, die in Jesus Christus aufscheinen, der zu den Menschen ging, um ihnen Licht und Leben zu bringen, aber anderseits die Einsamkeit suchte, um sich der Kontemplation und dem Gebet zu widmen. Keines dieser beiden Erfordernisse darf im heutigen Leben der Kirche vernachlässigt werden. Wir müssen dem Heiligen Geist dankbar sein, daß er uns das unaufhörlich durch die Charismen zu verstehen gibt, die er reichlich ausspendet, und durch die oft überraschenden Initiativen, zu denen er die Inspiration gibt. 171 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Einen Gruß richte ich an die Teilnehmer der Diözesanpilgerfahrt aus dem Bistum Münster und an die Pilgergruppe unter Leitung von Bischof Ludwig Averkamp aus Osnabrück. Schließlich danke ich den zahlreichen Chören für ihren Besuch und für ihren Gesang, mit dem sie diese Audienz umrahmt haben. Euch allen, hebe Schwestern und Brüder, Euren Angehörigen daheim sowie all jenen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gottgeweihtes Leben gründet im Beispiel Christi Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Oktober 1. Das wichtigste bei den alten und neuen Formen des gottgeweihten Lebens ist, daß man in ihnen die grundlegende Übereinstimmung mit dem Willen Christi, des Stifters der evangelischen Räte und in diesem Sinn Begründers des Ordenslebens und jedes ähnlichen Weihestandes, klar erkennt. Wie das II. Vatikanische Konzil sagt, sind „die evangelischen Räte ... in Wort und Beispiel des Herrn begründet” (Lumen Gentium, Nr. 43). Es fehlte nicht an Stimmen, die diese Gründung in Zweifel zogen, indem sie das gottgeweihte Leben als eine rein menschliche Institution betrachteten, die aus der Initiative von Christen hervorging, die das Ideal des Evangeliums noch tiefer leben wollten. Es ist richtig, daß Jesus keine der Ordensgemeinschaften, die sich allmählich in der Kirche entwickelt haben, direkt gegründet hat, noch hat er besondere Formen des geweihten Lebens bestimmt. Aber was er beabsichtigte und begründete, ist der Stand des geweihten Lebens als Wert im allgemeinen und mit seinen wesentlichen Elementen. Es gibt keinen geschichtlichen Beweis, der diesen Stand auf eine spätere menschliche Initiative zurückführt, und es ist nicht leicht zu begreifen, daß das gottgeweihte Leben - das in der Entwicklung der Heiligkeit und der Sendung der Kirche eine so große Rolle gespielt hat - nicht vom Willen Christi, es zu gründen, ausgegangen sein soll. Wenn wir die Zeugnisse des Evangeliums zu Rate ziehen, entdecken wir, daß dieser Wille dort ganz klar aufscheint. 2. Aus dem Evangelium geht hervor, daß Jesus vom Beginn seines öffentlichen Wirkens an Menschen in seine Nachfolge ruft. Dieser Ruf kommt nicht notwendigerweise in Worten zum Ausdruck: Er kann einfach von der Anziehungskraft herrühren, die die Persönlichkeit Jesu auf alle ausübt, die ihm begegnen, wie es dem Bericht des Johannesevangeliums zufolge bei den ersten beiden Jüngern der Fall ist: Andreas und sein Gefährte (scheinbar der Evangelist selbst) sind bereits Jünger von Johannes dem Täufer; sie werden angezogen, ja gleichsam ergriffen von dem, der ihnen als „das Lamm Gottes” vorgestellt wird, und sie folgen ihm sofort, bevor er überhaupt ein Wort zu ihnen gesprochen hat. Als Jesus fragt: „Was wollt ihr?”, 172 AUDIENZEN UND ANGELUS antworten sie mit einer anderen Frage: „Meister, wo wohnst du?” Da erhalten sie die Einladung, die ihr Leben ändern sollte: „Kommt und seht!” (vgl. Joh 1,38-39). Aber die bekannteste Formel des Rufes ist: „Folge mir nach!” (Mt 8,22; 9,9; 19,21; Mk 2,14; 10,21; Lk 9,59; 18,22; Joh 1,43; 21,19). Sie verdeutlicht die Initiative Jesu. Wer früher in die Lehre eines Meisters treten und dessen Jünger werden wollte, wählte ihn sich selbst. Jesus hingegen zeigt mit dem Ruf: „Folge mir nach!”, daß er es ist, der die erwählt, die er als Gefährten und Jünger haben will. Denn er sagt zu den Aposteln: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt” (Joh 15,16). In dieser Initiative Jesu offenbart sich ein höherer Wille, aber auch eine starke Liebe. Der Bericht über die Berufung des reichen jungen Mannes läßt diese Liebe durchblicken. Dort liest man, daß Jesus, als der Jüngling ihm sagt, er habe die Gebote von Jugend an befolgt, „ihn ansah und liebte” (vgl. Mk 10,21). Dieser eindringliche, liebevolle Blick begleitet die einladenden Worte: „Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!” (ebd.). Diese göttliche und menschliche Liebe Jesu, die so stark zutage tritt, daß sie von einem Augenzeugen erwähnt wird, wiederholt sich bei jeder Berufung zur Ganzhingabe im geweihten Leben. Wie ich in dem Apostolischen Schreiben Redemptionis donum sagte, „spiegelt sich in ihr die ewige Liebe des Vaters wider, der ,die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat’ (Joh 3,16)” (Nr. 3). 3. Nach dem Zeugnis des Evangeliums bringt der Ruf, Jesus nachzufolgen, große Anforderungen mit sich: Die Erzählung von der Einladung an den reichen jungen Mann legt den Akzent auf den Verzicht auf materielle Güter; in anderen Fällen wird ausdrücklich der Verzicht auf die Familie unterstrichen (vgl. z. B. Lk 9,59-60). Jesus nachfolgen bedeutet im allgemeinen, auf alles verzichten, um sich ihm anzuschließen und ihn auf seinem Sendungsweg zu begleiten. Es ist der Verzicht, in den die Apostel eingewilligt haben, wie Petrus bestätigt: „Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt” (Mt 19,27). Gerade in der an Petrus gerichteten Antwort bezeichnet Jesus den Verzicht auf menschliche Güter als das grundlegende Element seiner Nachfolge (vgl. Mt 19,29). Aus dem Alten Testament geht hervor, daß Gott sein Volk aufforderte, ihm durch die Einhaltung der Gebote nachzufolgen, aber ohne daß er je so anspruchsvolle Fordemngen gestellt hätte. Jesus hingegen bekundet seine göttliche Herrschaft, indem er volle Hingabe an ihn verlangt, bis zur totalen Loslösung von irdischen Gütern und Bindungen. 4. Zu beachten ist jedoch, daß Jesus, wenn er auch neue, in der Berufung zur Nachfolge enthaltene Anforderungen formuliert, sie denen, die er ruft, zur freien Wahl stellt. Es sind keine Gebote, sondern Einladungen oder „Räte”. Die Liebe, mit der Jesus den Ruf an ihn richtet, nimmt dem reichen jungen Mann nicht die Fähigkeit der freien Entscheidung, wie seine Weigerung zeigt, ihm zu folgen, weil er seinen 173 AUDIENZEN UND ANGELUS Besitz vorzieht. Der Evangelist bemerkt, daß „er traurig wegging, denn er hatte ein großes Vermögen” {Mk 10,22). Jesus verurteilt ihn deshalb nicht. Aber er stellt nicht ohne ein gewisses Bedauern fest, daß es für die Reichen schwer ist, in das Reich Gottes zu kommen, und daß nur Gott gewisse Loslösungen, bestimmte innere Befreiungen bewirken kann, die es gestatten, seinem Ruf zu folgen (vgl. Mk 10,23-27). 5. Jesus versichert, daß die von dem Ruf zur Nachfolge geforderten Verzichte ihren Lohn erhalten, „einen Schatz im Himmel”, das heißt eine Fülle geistlicher Güter. Er verspricht sogar das ewige Leben in der zukünftigen Welt und das Hundertfache in dieser Welt (vgl. Mt 19,29). Das Hundertfache bezieht sich auf eine höhere Lebensqualität, ein höheres Glück. Die Erfahrung lehrt, daß das gottgeweihte lieben nach dem Plan Jesu ein innerlich glückliches Leben ist. Dieses Glück bemißt sich nach der Treue dem Plan Jesu gegenüber. Ihm steht nicht die Tatsache entgegen, daß das „Hundertfache” nicht von der Vereinigung mit dem Kreuz Christi entbindet, wie aus der gleichen Erzählung von Markus (10,3) mit dem Hinweis auf die Verfolgungen hervorgeht. 6. Jesus hat auch Frauen in seine Nachfolge berufen. Ein Bericht der Evangelien bezeugt, daß eine Gruppe von Frauen Jesus begleitete, und es waren viele Frauen (vgl. Lk 8,1-3; Mt 27,55; Mk 15,40-41). Es handelte sich um eine große Neuheit in bezug auf die jüdischen Gepflogenheiten: Nur der Emeuerungswunsch Jesu, der die Förderung und in gewisser Weise die Befreiung der Frau einschloß, kann diese Tatsache erklären. Aus den Evangelien ist uns keine Erzählung über die Berufung einer Frau überliefert; aber die Anwesenheit so vieler Frauen bei Jesus und den Zwölf setzt die Berufung, die stillschweigende oder von ihm ausgesprochene Erwählung voraus. Tatsächlich zeigt Jesus, daß der geweihte Lebensstand, der in seiner Nachfolge besteht, nicht notwendigerweise mit dem Priesteramt verbunden ist und daß dieser Stand sowohl Frauen als auch Männer betrifft, jeden in seinem Bereich und mit seiner vom göttlichen Ruf übertragenen Aufgabe. In der Gruppe der Frauen, die Jesus nachfolgen, kann man die Ankündigung, ja die Kemgruppe der großen Schar von Frauen erblicken, die sich im Ordensleben oder in anderen Formen des gottgeweihten Lebens im Laufe der Jahrhunderte der Kirche bis heute engagieren. Das gilt für die „Gottgeweihten”, aber auch für so viele andere unserer Schwestern, die in neuer Form dem authentischen Vorbild der Mitarbeiterinnen Jesu folgen: zum Beispiel als „freiwillige” Laien in vielen Werken des Apostolats und in so vielen Diensten und Aufgaben der Kirche. 7. Wir beenden diese Katechese mit der Bekräftigung, daß Jesus, indem er Männer und Frauen aufforderte, alles zu verlassen und ihm nachzufolgen, einen Lebensstand eröffnete, der sich nach und nach in seiner Kirche in den verschiedenen Formen des gottgeweihten Lebens entwickelt und im Ordensleben oder auch - für die von Gott Erwählten - im Priestertum konkretisiert. Seit den Zeiten des Evangeliums bis heute 174 AUDIENZEN UND ANGELUS hat der Gründungswillen Christi weitergewirkt, der in der einzigartigen und heiligen Einladung zum Ausdruck kommt, die an so viele Menschen gerichtet wird: „Folge mir nach!” Neue Selige - Vorbilder für Ordensleute Angelus am 16, Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im Laufe der soeben beendeten Eucharistiefeier hatte ich die Freude, fünf neue Selige zur Ehre der Altäre zu erheben. Ihre Seligsprechung kommt zum richtigen Zeitpunkt, während die Bischofssynode stattfindet, die dem gottgeweihten Leben gewidmet ist. Sie sind zwar nicht alle Ordensleute, haben aber den Geist des Ordenslebens verkörpert und es gefördert, indem sie der Kirche neue Einrichtungen schenkten, die sich im erzieherischen und karitativen Bereich große Verdienste erwarben. Ihr Zeugnis stellt dem ganzen Volk Gottes die allgemeine Berufung zur Heiligkeit vor Augen, erinnert aber vor allem die Ordensleute daran, daß ihr Leben keinen Sinn hätte, wenn es nicht als ein besonderer Weg der Heiligung gewählt und gelebt würde. 2. Verfolgt man den Lebenslauf der neuen Seligen, dann erkennt man, daß das Ordensleben alles andere ist als eine Flucht vor den Schwierigkeiten der Welt, sondern vielmehr eine Verdichtung von Liebe und Hoffnung, deren erster Empfänger die Welt selbst ist. In diesen fünf leuchtenden Gestalten, die in mehreren Jahrhunderten und in verschiedenen Nationen Europas und Lateinamerikas lebten, hat die christliche Nächstenliebe in vielfältigen konkreten Werken der geistlichen und leiblichen Barmherzigkeit Gestalt angenommen. Die Nächstenliebe wird zum Erziehungsplan für die Kinder in der vom seligen Roland gegründeten Kongregation, oder sie wird zum Heim und Herd für die Obdachlosen in den Einrichtungen des seligen Alberto Hurtado; sie bietet den Verlassenen und Ausgegrenzten Aufnahme im Werk der seligen Petra di San Jose oder den Leidenden und Kranken hebevolle Zuwendung durch das Charisma der seligen Maria Rafols und Giuseppina Vannini. Das gottgeweihte Leben zeigt sich so in seiner tiefsten Bedeutung, die nicht der Verzicht, sondern die Liebe, das heißt, noch besser, der Verzicht um der Liebe willen ist. Gerade deshalb offenbart es eine überraschende Lebenskraft und Fruchtbarkeit auch in der Geschichte der Menschen. Das Zeugnis der neuen Sehgen beweist, welch weites Feld der Kreativität und des Dienstes sich in der Kirche den Männern und Frauen ohne Unterschied öffnet, wenn sie sich durch das Wirken des Geistes Gottes leiten lassen. 3. Wir vertrauen die Erneuerung des Ordenslebens der mütterlichen Fürsprache Marias an, die die neuen Sehgen alle kindlich verehrten. 175 AUDIENZEN UND ANGELUS Die heilige Jungfrau lasse die ganze Kirche und insbesondere alle, die den Ruf zu einem besonders geweihten Leben empfangen haben, die Zuwendung ihres mütterlichen Schutzes erfahren. 4. Einen herzüchen Gruß richte ich an die Pilger aus Frankreich, die das Gedächtnis von Nicolas Roland ehren. Laßt in eurem Land das Vorbild des neuen Seligen, des Apostels, Erziehers und Gründers der Kongregation vom Kinde Jesus, erstrahlen. Seine Fürsprache sei euch eine Stütze bei eurer kirchlichen Sendung! Herzlich grüße ich die Pilger spanischer Sprache, die aus Spanien und Lateinamerika gekommen sind, um die neuen Seligen zu ehren. Mögen sie immer eintreten für die Institute, die sie gegründet haben, und euch und eure Familien beschützen. Berufung zum gottgeweihten Leben fördern Ansprache bei der Generalaudienz am 19. Oktober 1. Während wir die Gründung des gottgeweihten Lebens durch Jesus Christus behandelten, haben wir an den vielfachen Ruf erinnert, den er vom Beginn seines öffentlichen Wirkens an gewöhnlich mit den Worten: „Folge mir nach!” aussprach. Der in diesen Rufen bewiesene Eifer zeigt, wie wichtig Jesus die Jüngerschaft des Evangeliums für das Leben der Kirche hielt. Er verband diese Jüngerschaft mit den „Räten” des gottgeweihten Lebens, durch die - so wünschte er - seine Jünger ihm gleichgestaltet werden sollten, was den Kern der Heiligkeit nach dem Evangelium bildet (vgl. Veritatis splendor, Nr. 21). Die Geschichte lehrt in der Tat, daß die gottgeweihten Personen - Priester, Ordensleute, Mitglieder anderer ähnlicher Institute und Bewegungen - eine wesentliche Rolle bei der Ausbreitung der Kirche wie auch dem Fortschreiten ihrer Heiligkeit und Liebe gespielt haben. In der Kirche von heute haben die Berufungen zum gottgeweihten Leben nicht weniger Bedeutung als in den vergangenen Jahrhunderten. Leider stellt man vielerorts fest, daß ihre Anzahl nicht genügt, um den Erfordernissen der Gemeinschaften und ihres Apostolats zu entsprechen. Man übertreibt nicht, wenn man sagt, daß dieses Problem für einige Institute so dramatisch geworden ist, daß ihre Existenz auf dem Spiel steht. Auch ohne die düsteren Voraussagen für eine nicht allzu ferne Zukunft teilen zu wollen, stellt man heute bereits fest, daß mehrere Gemeinschaften aus Nachwuchsmangel gezwungen sind, auf Werke zu verzichten, die normalerweise reiche geistliche Früchte tragen, und daß allgemein durch die Verringerung der Berufe ein Niedergang der aktiven Präsenz der Kirche in der Gesellschaft mit nachhaltigen Schäden in allen Bereichen hervorgerufen wird. Der gegenwärtige Mangel an Berufen in mehreren Teilen der Welt ist eine Herausforderung, der entschlossen und mutig zu begegnen ist in der Gewißheit, daß Jesus Christus, der während seines Erdendaseins so vielfach zum gottgeweihten Leben aufgefordert hat, dies auch in der heutigen Welt tut und oft hochherzige, zustim- 176 AUDIENZEN UND ANGELUS mende Antworten erhält, wie es die tägliche Erfahrung zeigt. Weil er die Bedürfnisse der Kirche kennt, läßt er nicht nach, besonders an die Jugendlichen, die seine Gnade für das Ideal eines Lebens der Ganzhingabe empfänglich macht, die Einladung zu richten: „Folge mir nach!” 2. Im übrigen stellte der Mangel an Arbeitern für die Ernte Gottes schon in der Zeit des Evangeliums eine Herausforderung für Jesus selbst dar. Sein Beispiel läßt uns verstehen, daß die zu geringe Anzahl von Gottgeweihten eine mit dem Zustand der Welt verknüpfte Situation und nicht nur eine zufällige Tatsache ist, die auf den heutigen Umständen beruht. Das Evangelium berichtet uns, daß Jesus, als er in Städten und Dörfern umherwanderte, Mitleid mit den Menschen hatte, „denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben” (Mt 9,36). Er suchte dieser Situation abzuhelfen, indem er sie lange lehrte (vgl. Mk 6,34), wollte aber seine Jünger an der Lösung des Problems beteiligen und forderte sie vor allem zum Gebet auf: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!” (Mt 9,38). Daraus ergibt sich, daß dieses Gebet dazu bestimmt ist, dem Volk eine größere Anzahl von Hirten zu sichern. Aber die Bezeichnung „Arbeiter für seine Ernte” kann einen weiteren Sinn bekommen und alle betreffen, die an der Entfaltung der Kirche mitwirken. Das Gebet zielt also darauf, auch eine größere Anzahl von Gottgeweihten zu erlangen. 3. Die Bedeutung, die dem Gebet beigemessen wird, überrascht. Weil die oberste Initiative in den Berufungen bei Gott liegt, könnte man denken, daß nur der Herr der Ernte, unabhängig vom Eingreifen oder Mitwirken anderer, für die Zahl der Arbeiter zu sorgen hätte. Jesus hingegen besteht auf der Mitarbeit und Verantwortung seiner Jünger. Auch uns Menschen von heute lehrt er, daß wir durch das Gebet Einfluß auf die Zahl der Berufe nehmen können. Der Vater nimmt dieses Gebet an, denn er wünscht und erwartet es, und er selbst macht es wirksam. In Zeiten und an Orten, wo sich die Krise der Berufungen verstärkt hat, wird das Gebet noch nötiger. Aber es muß zu allen Zeiten und an allen Orten zum Himmel emporsteigen. In diesem Bereich besteht also immer eine Verantwortung der ganzen Kirche und jedes einzelnen Christen. Mit dem Gebet verbinden muß sich eine Aktivität zur Förderung der Zunahme von Antworten auf den göttlichen Ruf. Auch dafür finden wir ein Beispiel im Evangelium: Andreas führt nach seiner ersten Begegnung mit Jesus seinen Bruder Simon zu ihm (Joh 1,42). Gewiß zeigt sich Jesu unumschränkte Gewalt bei dem an Simon gerichteten Ruf, aber Andreas hat durch seine Eigeninitiative eine entscheidende Rolle bei der Begegnung von Simon mit dem Meister gespielt. „Hierin liegt gewissermaßen das Herz der ganzen Berufungspastoral der Kirche” (Pastores dabo vobis, Nr. 38). 4. Die Förderung der Berufe kann sowohl den Initiativen einzelner, wie die von Andreas, als auch dem gemeinschaftlichen Wirken entspringen, wie es in vielen Diözesen geschieht, in denen sich die Berufungspastoral entwickelt hat. Diese Förderung 177 AUDIENZEN UND ANGELUS will in keiner Weise die Freiheit der Wahl einschränken, die jeder über die Ausrichtung seines Lebens besitzt. Deshalb vermeidet die Förderung jede Form von Zwang oder Druck hinsichtlich der Entscheidung des einzelnen. Sie will aber alle bei der Wahl erleuchten und jedem in besonderer Weise den Weg zeigen, der in seinem Leben durch das „Folge mir nach!” des Evangeliums geöffnet wurde. Vor allem die Jugendlichen haben das Bedürfnis und das Recht, dieses Licht zu empfangen. Andrerseits sind gewiß die Samen der Berufung besonders in den Jugendlichen zu pflegen und zu stärken. Die Berufung muß wachsen und sich entfalten: Was gewöhnlich nicht geschieht, wenn man nicht für diese Entfaltung und dieses Wachstum günstige Bedingungen schafft. Darauf zielen die Einrichtungen für die Berufungen und die verschiedenen Initiativen, Vorträge, Einkehrtage, Gebetsgmppen usw., die das Werk der Berufungen fördert. Man wird nie genug tun können in der Berufungspa-storal, wobei jede menschliche Initiative immer von der grundlegenden Überzeugung ausgehen muß, daß der allherrschende Gott über die Berufung des einzelnen entscheidet. 5. Eine Grundform der Mitarbeit ist das Zeugnis der Gottgeweihten selbst, das eine wirk- und heilsame Anziehungskraft ausübt. Die Erfahrung lehrt, daß häufig das Beispiel eines Ordensmannes oder einer Ordensfrau entscheidend zur Ausrichtung eines jungen Menschen beiträgt, der in seiner bzw. ihrer Treue, Konsequenz und Freude die Konkretheit eines Lebensideals entdecken konnte. Besonders die Ordensgemeinschaften können die Jugendlichen nur durch ein gemeinschaftliches Zeugnis authentischer Weihe anziehen, die in der Freude der Selbsthingabe an Christus und die Mitmenschen gelebt wird. 6. Zum Schluß ist die Bedeutung der Familie als christlicher Lebensbereich hervorzuheben, wo die Berufung wachsen und sich entfalten kann. Ich lade die christlichen Eltern von neuem ein, darum zu beten, daß eines ihrer Kinder von Christus zum gottgeweihten Leben berufen werde. Aufgabe der christlichen Eltern ist es, eine Familie zu bilden, wo die Werte des Evangeliums hochgehalten, gepflegt und gelebt werden und wo ein authentisches christliches Leben die Bestrebungen der Jugendlichen erheben möge. Dank dieser Familien wird die Kirche weiterhin Berufe hervorbringen. Deshalb bittet sie die Familien, mitzuhelfen bei der Antwort für den „Herrn der Ernte”, der von uns allen den Einsatz verlangt, damit er „Arbeiter in seine Ernte” sendet. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich richte meinen herzlichen Willkommensgruß an die deutschsprachigen Pilger und Besucher. Mein besonderer Gmß geht an die vielen jungen Menschen, vor allem an die Katholische Jugend des Landes Schleswig-Holstein, sowie an die zahlreich anwesenden evangelischen Mitchristen. 178 AUDIENZEN UND ANGELUS Euch allen, liebe Schwestern und Brüder, Euren lieben Angehörigen in der Heimat, sowie all jenen, die uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Frieden und Gerechtigkeit in ganz Südosteuropa Ich begrüße die Mitglieder der kroatischen Chorgemeinschaft „Lipa” von Osijek, der Stadt, die die Schrecken des derzeitigen Krieges gut kennt, der im Herzen Europas herrscht. Meine Lieben, mögen in diesem Rosenkranzmonat weiterhin innige Bitten zu Gott, unserem Vater, emporsteigen, damit durch die Fürsprache der Rosenkranzkönigin, die auch die Königin des Friedens ist, Kroatien und Bosnien-Herzegowina wie auch ganz Südosteuropa eine Wohnstatt des Friedens in Gerechtigkeit werden. Indem ich auf euch den göttlichen Segen herabrufe, segne ich auch alle Flüchtlinge und alle, die aufgrund des Krieges leiden. Gelobt seien Jesus und Maria! Ordensleute an vorderster Missionsfront Angelus am 23. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir feiern heute den Weltmissionssonntag: Eine günstige Gelegenheit, um sich stärker der Notwendigkeit bewußt zu werden, bei der Ausbreitung des Reiches Gottes durch einen erneuten Einsatz in der Verkündigung des Evangeliums mitzuarbeiten. Der heutige Anlaß hat zum Ziel, in den Gläubigen das apostolische Bestreben zu verstärken und sie in die aktive Unterstützung der wachsenden missionarischen Bedürfnisse der Kirche miteinzubeziehen. Die heute gesammelten Spenden sind finden gemeinsamen Solidaritätsfonds bestimmt, der im Namen des Papstes vom Werk der Glaubensverbreitung an die Missionen und Missionare der ganzen Welt verteilt wird. Ich spreche den Leitern der Päpstlichen Missionswerke lebhafte Anerkennung aus für den beharrlichen Dienst der Anregung und Bildung, den sie auf diesem Gebiet leisten. Weiter möchte ich allen danken, die sich in den Diözesen und Pfarreien darum bemühen, daß der Missionssonntag eine wahre Begegnung des Glaubens und des kirchlichen Teilens ist; eine Weise, hochherzig dem großen, dringenden Verlangen nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden entgegenzukommen, das von der heutigen Menschheit ausgeht. 2. Besonders möchte ich den christlichen Familien danken, die in der Missionsarbeit eingesetzt sind. Ich habe noch die herrliche Schar von Familien vor Augen, die vor 179 AUDIENZEN UND ANGELUS genau zwei Wochen diesen Platz füllten: Familien, die aus allen Teilen der Welt gekommen waren, um das Jahr der Familie mit dem Nachfolger Petri zu begehen. Angesichts der großen Schar von Männern und Frauen, die auf die Verkündigung Christi warten, ist es eine große Ermutigung und ein Zeichen lebendiger Hoffnung, so viele Familien zu sehen, die bereit sind, mit apostolischem Eifer mutig ihren Beitrag zum Missionswerk zu leisten. Durch ihr Gebet und ihre Solidarität und besonders durch die Missionsberufe, die der Herr unter ihnen weckt, wirken sie kräftig mit an der Verbreitung der Frohbotschaft bis an die Enden der Erde. 3. In diesem Jahr wird der Weltmissionssonntag gefeiert, während die Versammlung der Bischofssynode über das gottgeweihte Leben in vollem Gang ist. Es handelt sich um eine Fügung der Vorsehung. Die Geschichte der Ordensleute und gottgeweihten Laien ist zum Großteil die Geschichte der Missionen. Wie Papst Paul VI. in dem Apostolischen Schreiben Evan-gelii nuntiandi sagte, findet man die Ordensleute „oft an der vordersten Missionsfront, und sie nehmen größte Risiken für Gesundheit und Leben auf sich. Ja, wahrhaftig, die Kirche schuldet diesen Ordensleuten viel” (Nr. 69). Liebe Missionare: Priester, Ordensleute und Laien, die Kirche ist euch besonders nahe, sie betet für euch, sie begleitet euch mit ihrer mütterlichen Sorge, und sie unterstützt euch bei eurer täglichen Arbeit. Ich vertraue euch Maria an, der Mutter des Erlösers und dem Urbild der Kirche, die der Welt das menschgewordene Wort bringt. Sie schütze euch allezeit und erlange für alle Getauften, daß sie durch ihr vielfältiges Zeugnis den guten Samen des Evangeliums ausbreiten. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute gehen meine Gedanken ganz besonders zur Kirche in den Vereinigten Staaten, vor allem zu den Gläubigen von New York, Newark, Brooklyn und Baltimore. Wie ihr wißt, hatte ich geplant, diese Diözesen in Verbindung mit der Feier des Internationalen Jahres der Familie der Vereinten Nationen zu besuchen. Ich weiß, viele sind so wie ich enttäuscht, daß der Besuch zu diesem Zeitpunkt nicht stattfm-den konnte. Man kann sagen: „Wie es der Familie geht, so geht es der Gesellschaft.” Ich bete, daß die ganze katholische Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten wachsende Anstrengungen unternimmt, um das Leben der Familie zu schützen und zu festigen, besonders dort, wo tiefe Verwirrung über ihre Natur und Bedeutung zu Zusammenbruch und großem Leid führt. Der Gott der Gnade und des Friedens segne die Familien von Amerika und der ganzen Welt. 180 AUDIENZEN UNDANGELUS Dimensionen gottgeweihten Lehens Ansprache bei der Generalaudienz am 26. Oktober 1. In den vorhergehenden Katechesen habe ich mehrmals über die evangelischen Räte gesprochen, die im gottgeweihten Leben in die Gelübde - oder zumindest die Verpflichtung — der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams umgesetzt werden. Sie erhalten ihre volle Bedeutung in Verbindung mit einem Leben, das in Gemeinschaft mit Christus ganz (total) Gott geweiht ist. Das Adverb „total” (totaliter), von Thomas von Aquin verwandt, um den wesentlichen Wert des Ordenslebens zu bezeichnen, ist äußerst ausdrucksvoll! „Die Religion aber ist eine Tugend, durch welche wir Gott zu Dienst und Ehren etwas darbringen. Deshalb werden in betonter Weise .Religiösen’” (Summa Theol.,t\-]A, q.186, a.l; Deutsche Thomasausgabe, Bd. 24, München/Wien 1952). Es ist ein Begriff, der aus der Tradition der Väter, hauptsächlich vom hl. Hieronymus (vgl. Epist. 125, ad Rusticum) und vom hl. Gregor dem Großen (vgl. Super Ezech., hom. 20), entnommen wurde. Das II. Vatikanische Konzil, das den hl. Thomas von Aquin zitiert, macht sich die Lehre zu eigen und spricht von der innigeren und vollkommeneren „Weihe an Gott”, die als Entwicklung der Taufgnade im Ordensstand durch das Band der evangelischen Räte geschieht (vgl. Lumen Gentium, Nr. 44). 2. Man beachte, daß nicht menschliches Bemühen bei dieser Weihe den Vorrang hat. Die Initiative geht von Christus aus, der einen Bund freier Zustimmung in seiner Nachfolge verlangt. Er ist es, der von der menschlichen Person Besitz ergreift, sie „weiht”. Nach dem Alten Testament weihte Gott selbst Menschen und Dinge, indem er ihnen in irgendeiner Weise die eigene Heiligkeit mitteilte. Das ist nicht so zu verstehen, daß Gott die Menschen und noch weniger die Dinge innerlich weihte, sondern in dem Sinn, daß er sie in Besitz nahm und sie in seinen unmittelbaren Dienst stellte. Die „heiligen” Dinge waren für den Gottesdienst bestimmt und konnten deshalb nur im Bereich des Tempels und des Kultes, aber nicht für das dienen, was „profan” war. Das war die Heiligkeit, die den Dingen zuerkannt wurde, die nicht von „profaner” Hand berührt werden durften (zum Beispiel die Bundeslade oder die Gefäße des Tempels, die - wie man in 1 Makk 1,22 liest - von Antiochus entweiht wurden). Das Volk Israel seinerseits war „heilig” als „Eigentum des Herrn” (segullah = der persönliche Schatz des Herrschers) und hatte deshalb ein heiliges Merkmal (vgl. Ex 19,5; Dtn 7,6; Ps 135,4 usw.). Um mit diesem „segullah” in Verbindung zu stehen, wählte sich Gott „Sprecher” aus, „Männer Gottes”, „Propheten”, die in seinem Namen reden sollten. Er heiligte sie (moralisch) durch das besondere Vertrauens- und Freundschaftsverhältnis, das er mit ihnen unterhielt, so daß einige dieser Persönlichkeiten „Freunde Gottes” (vgl. Weishl ,27; /es 41,8; Jak 2,23) genannt wurden. 181 AUDIENZEN UND ANGELUS Aber es gab weder Menschen, Mittel noch Instrumente von irgendeiner Institution, die auch den bereitwilligsten Menschen durch innere Kraft die Heiligkeit Gottes mitteilen konnten. Das sollte die große Neuheit der christlichen Taufe sein, durch die die Glaubenden „das Herz ... gereinigt” hatten (Hebr 10,22) und „reingewaschen, geheiligt, gerecht geworden sind im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unsres Gottes” (vgl. 1 Kor 6,11). 3. Wesentliches Element des Gesetzes des Evangeliums ist die Gnade, die eine gerecht- und heiligmachende Lebenskraft ist, wie der hl. Thomas (vgl. I-II, q.106, a.2) im Anschluß an Augustinus (vgl. De Spiritu et Littera, c.17) erklärt. Christus nimmt schon im Innersten durch die Taufe, in der er sein heiligmachendes Wirken beginnt, von der Person Besitz, indem er sie „weiht” und in ihr den Anspruch auf eine Antwort weckt, die er selbst durch seine Gnade nach dem Maß der physisch-psychischen, geistlichen und moralischen Fähigkeit des Menschen ermöglicht. Die Oberherrschaft, die durch die Gnade Christi in der Weihe ausgeübt wird, verringert in keiner Weise die Freiheit der Antwort auf den Ruf noch den Wert und die Bedeutung des menschlichen Einsatzes. Das wird besonders augenscheinlich in der Berufung zur Praxis der evangelischen Räte. Der Ruf Christi wird begleitet von einer Gnade, die die menschliche Person erhebt und ihr höher geordnete Fähigkeiten verleiht, um diese Räte zu befolgen. Das heißt, daß es im gottgeweihten Leben eine Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit selbst gibt, die nicht frustriert, sondern durch das göttliche Geschenk erhoben und aufgewertet wird. 4. Der Mensch, der den Ruf annimmt und die evangelischen Räte befolgt, vollbringt einen grundlegenden Akt der Liebe zu Gott, wie in der Konstitution Lumen Gentium (Nr. 44) des II. Vatikanischen Konzils zu lesen ist. Die Ordensgelübde haben den Zweck, einen Höhepunkt der Liebe zu verwirklichen: eine vollkommene, Christus unter dem Antrieb des Heiligen Geistes geweihte Liebe, die durch Christus dem Vater dargebracht wird. Daher kommt der Wert der Hingabe und Weihe der Ordens-profeß, die in der christlichen Tradition des Ostens und des Westens als ein „baptismus flaminis” betrachtet wird, sofern nämlich das Herz eines Menschen „durch den Heiligen Geist zum Glauben und zur Liebe Gottes und zur Reue über die Sünden angetrieben wird” (Summa Tlieol., III, q.66, a.ll. Deutsche Thomasausgabe Bd. 29, Salzburg/Leipzig 1935). Diesen Gedanken einer fast neuen Taufe habe ich in dem Schreiben Redemptionis donum dargelegt: „Die Ordensprofeß ist - auf der sakramentalen Grundlage der Taufe, in der sie wurzelt - ein neues ,Begrabenwerden im Tod Christi’: neu, weil bewußt und frei gewählt; neu, weil aus Liebe und Berufung; neu, weil gelebt in ständiger Bereitschaft zur ,Umkehr’. Ein solches ,Begrabenwerden’ bedeutet, daß der Mensch, der , zusammen mit Christus begraben’ ist, ,mit Christus als neuer Mensch leben’ soll. In Christus, dem Gekreuzigten, finden sowohl die Taufweihe als auch die Profeß der evangelischen Räte, die nach den Worten des 182 AUDIENZEN UND ANGELUS II. Vatikanischen Konzils ,eine besondere Weihe’ darstellt, ihr letztes Fundament. Diese Weihe ist zugleich Tod und Befreiung. Der hl. Paulus schreibt: .Begreift euch als Menschen, die für die Sünde tot sind’; zugleich aber nennt er diesen Tod eine .Befreiung von der Sklaverei der Sünde’. Vor allem jedoch stellt die Ordensweihe auf der sakramentalen Grundlage der heiligen Taufe ein neues Leben ,für Gott in Christus Jesus dar’” (Redemptionis donum, Nr. 7). 5. Dieses Leben ist um so vollkommener und trägt um so reichere Früchte der Taufgnade (vgl. Lumen Gentium, Nr. 44), als sich die in der Taufe empfangene innige Gemeinschaft mit Christus zu einer vollkommeneren Vereinigung entwickelt. Denn das den Getauften auferlegte Gebot, Gott aus ganzem Herzen zu heben, wird mit der Liebe voll befolgt, die Gott mit Hilfe der evangelischen Räte gelobt wurde. Es ist eine „besondere Weihe” (Perfectcie caritcitis, Nr. 5); eine innigere Hinordnung auf Gottes Dienst „durch einen neuen und besonderen Titel” {Lumen Gentium, Nr. 44); eine neue Weihe, die nicht als Implikation oder logische Folge der Taufe betrachtet werden darf. Die Taufe führt nicht notwendigerweise zu einer Ausrichtung auf den Zölibat und zum Verzicht auf den Besitz von Gütern in Form der evangelischen Räte. Bei der Ordensweihe hingegen handelt es sich um die Berufung zu einem Leben, das die Gabe eines eigenen Charismas mit sich bringt, das nicht allen verliehen wird, wie Jesus bestätigt, als er über den freiwilligen Zölibat spricht (vgl. Mk 19,10-12). Es ist also ein souveräner Akt Gottes, der frei erwählt, beruft und einen Weg öffnet, der zweifellos mit der Taufweihe verbunden, aber von ihr verschieden ist. 6. In gleicher Weise kann man sagen, daß das Gelübde der evangelischen Räte die im Firmsakrament vollzogene Weihe weiterentwickelt. Es ist ein neues Geschenk des Heiligen Geistes, für ein aktives christliches Leben im Einsatz einer engeren Zusammenarbeit und eines Dienstes für die Kirche verliehen, um über die Anforderungen der Firmweihe hinaus durch die evangelischen Räte neue Früchte der Heiligkeit und des Apostolats hervorzubringen. Auch das Sakrament der Firmung - und der Wesenszug der christlichen Aktivität und des Apostolats, den sie mit sich bringt -liegt dem gottgeweihten Leben zugrunde. In diesem Sinn ist es recht, die Auswirkungen der Taufe und der Firmung in der Weihe zu sehen, die mit der Annahme der evangelischen Räte verbunden ist, und das Ordensleben, das vom Wesen her charismatisch ist, in die Ökonomie der Sakramente einzuordnen. Auf dieser Linie kann man feststellen, daß auch das Weihesakrament für die Ordenspriester durch die Praxis der evangelischen Räte fruchtbar ist, indem es eine engere Zugehörigkeit zum Herrn erfordert. Die Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams wollen diese Zugehörigkeit konkret verwirklichen. 7. Die Verbindung der evangelischen Räte mit den Sakramenten der Taufe, der Firmung und der Weihe dient dazu, die wesentliche Bedeutung herauszustellen, die das gottgeweihte Leben für die Entwicklung der Heiligkeit der Kirche hat. Und deshalb 183 A UDIENZEN UND ANGELUS möchte ich schließen mit der Einladung zum Gebet - zum innigen Gebet um zu erlangen, daß der Herr seiner Kirche, die er selbst als „heilige” gewollt und gestiftete hat, das Geschenk des gottgeweihten Lebens immer mehr gewähre. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Teilnehmern der Diözesanwallfahrt des Bistums Fulda unter Leitung meines lieben Mitbruders im Bischofsamt, Johannes Dyba. Mit der Pilgerfahrt vom Grab des hl. Bonifatius zu den Apostelgräbem verdeutlicht Ihr Eure enge Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri. Ferner grüße ich die Pilger aus allen deutschsprachigen Ländern, besonders die Gruppe der Aussiedler aus Nordrhein-Westfalen. Euch, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Algerien: Den Bruder nicht im Namen Gottes töten! Ein weiteres Mal kommt aus Algerien eine sehr traurige Nachricht: die Ermordung zweier spanischer Ordensfrauen. Es handelt sich um Sr. Ester Paniagua und um Sr. Maria Caridad Alvarez von den Augustinermissionarinnen, zwei hochherzige Frauen, die lange Jahre ihren Mitmenschen gedient haben. Leider wurden sie - nach zwanzigjährigem solidarischem Dienst an den Kranken und Schwachen - unschuldige Opfer der schweren Spannungen, die gerade jene islamische Welt kennzeichnen, in der sie lebten und hochherzig und treu ihre humanitäre Tätigkeit ausübten. Angesichts dieser neuen Tragödie möchte ich meine aufrichtige Hochschätzung für die Arbeit zum Ausdruck bringen, die von den Bischöfen, Priestern und Ordensleuten geleistet wird, die, wissend um die Gefahren der gegenwärtigen Situation, beschlossen haben, in Algerien zu bleiben, um weiterhin ihr Zeugnis des Glaubens und der Liebe zu geben. Dieses konkrete und mutige Verhalten kommt der gesamten Kirche zugute. Noch einmal: „Sangius martirum, semen christianorum.” Das durch dieses traurige Ereignis hervorgerufene Leid wird noch verstärkt durch den Gedanken, daß diese grausame Tat in absurder Weise vorgibt, sich auch an religiösen Prinzipien zu inspirieren. Man kann sich nicht als an den allmächtigen und barmherzigen Gott Glaubenden betrachten und im Namen Gottes selbst es wagen, den Bruder zu töten. Indem ich mit besonderer Aufmerksamkeit die heikle und komplexe Lage verfolge, in der sich Algerien befindet, fühle ich mich verpflichtet, alle Menschen guten Willens darauf hinzuweisen, daß man nur dann zu einer wahren Lösung gelangen kann, wenn man Abstand nimmt von dem Abgrund der Gewalt und hingegen den Weg des 184 AUDIENZEN UND ANGELUS Dialogs, der weisen, konsequenten und mutigen Entscheidungen und der aufrichtigen Suche nach dem Gemeinwohl einschlägt. Während unser Gebet zu Gott emporsteigt, um für Sr. Ester und Sr. Maria Caridad die ewige Ruhe zu erbitten, nehme ich geistig Anteil am Schmerz ihrer Angehörigen und ihrer Kongregation, denen ich zum Unterpfand des Trostes, der Hoffnung und Kraft den besonderen Apostolischen Segen erteile. Neue Kardinäle bezeugen die Universalität der Kirche Angelus am 30. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gestern wurde die ordentliche Versammlung der Bischofssynode beendet, die der Reflexion über das gottgeweihte Leben und seine Sendung in der Kirche und Welt gewidmet war. Es war eine sehr bedeutsame kirchliche Erfahrung, die mit einzigartiger Klarheit den Reichtum und die Vielfalt der im Volk Gottes vorhandenen Charismen und ihr Zusammenwirken für das gemeinsame Wachstum gezeigt hat. Ich danke allen Synodenvätem für den von ihnen geleisteten Beitrag. Ich danke auch allen, die die Arbeiten mit ihrem Gebet und durch die Darbringung ihrer Opfer und Leiden begleitet haben. Ich denke an das immerwährende Gebet, das aus den Klöstern, den Ordenshäusem und den Pfarrgemeinden emporgestiegen ist; ich denke an das hochherzige Darbringen ihrer Schmerzen, das so viele Kranke und Leidende vollbracht haben. Sehr bald, hoffe ich, der Kirche ein Dokument übergeben zu können, das - in ähnlicher Weise, wie es bei den vorhergehenden Versammlungen über die Familie, die Laien und die Priester geschehen ist - gewiß dazu beitragen wird, dem gottgeweihten Leben im Hinblick auf das dritte Jahrtausend des Glaubens neuen Schwung zu geben. 2. Heute wird in Rom der erste Diözesantag der Katholischen Schule begangen. Ich grüße die Schüler, die Eltern, die Professoren und Leiter der Schulen, die mit dem Kardinalvikar an der Spitze hier aus diesem wichtigen Anlaß zusammengekommen sind. In Rom kann sich die Katholische Schule einer beachtlichen Anwesenheit rühmen, die im Gefüge der Stadt fest verwurzelt ist. Möge diese Wirklichkeit auch auf legislativer und administrativer Ebene entsprechend anerkannt und gefördert werden und weiterhin so ihren besonders für die weniger Begüterten unerläßlichen kulturellen, sozialen und religiösen Dienst ausüben. Katholische Schule Roms, fürchte dich nicht, sondern blicke mit Hoffnung in die Zukunft! 3. Jetzt habe ich die Freude, euch anzukündigen, daß ich am kommenden 26. November ein Konsistorium halten werde, in dessen Verlauf ich dreißig neue Kardinäle ernenne, die insgesamt 24 Nationen aus allen Teilen der Welt angehören. 185 AUDIENZEN UND ANGELUS In ihnen spiegelt sich in bedeutsamer Weise die Universalität der Kirche durch die Vielfalt ihrer Dienste wider: Neben den Prälaten, die sich durch ihre Tätigkeit für den Hl. Stuhl verdient gemacht haben, sind Hirten dabei, die in alten und jüngeren Diözesen ihre Kräfte mit Liebe einsetzen. Ihre Namen sind: Nasrallah Pierre Sfeir, maronitischer Patriarch von Antiochien (Libanon); Miloslav Vlk, Erzbischof von Prag (Tschechische Republik); Luigi Poggi, Pro-Bibliothekar und Pro-Archivar der Heiligen Römischen Kirche; Peter Seiichi Shirayanagi, Erzbischof von Tokio (Japan); Vincenzo Fagiolo, Präsident des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten; Carlo Fumo, Apostolischer Nuntius in Italien; Carlos Oviedo Cavada, Erzbischof von Santiago de Chile; Thomas Joseph Winning, Erzbischof von Glasgow (Schottland); Adolfo Antonio Suärez Rivera, Erzbischof von Monterrey (Mexiko); Jaime Lucas Ortega y Alamino, Erzbischof von San Cri-stobal de La Habana (Cuba); Julius Riyadi Darmaatmadja, Erzbischof von Semarang (Indonesien); Jan P. Schotte, Generalsekretär der Bischofssynode; Pierre Eyt, Erzbischof von Bordeaux (Frankreich); Gilberto Agustoni, Pro-Präfekt des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur; Emmanuel Wamala, Erzbischof von Kampala (Uganda); William Henry Keeler, Erzbischof von Baltimore (USA); Augusto Vargas Alzamora, Erzbischof von Lima (Peru); Jean-Claude Turcotte, Erzbischof von Montreal (Kanada); Ricardo Maria Carles Gordö, Erzbischof von Barcelona (Spanien); Adam Joseph Maida, Erzbischof von Detroit (USA); Vinko Puljic, Erzbischof von Vhrbosna-Sarajevo (Bosnien-Herzegowina); Armand Gaetan Razafin-dratandra, Erzbischof von Antananarivo (Madagaskar); Paul Joseph Pham Dinh Tung, Erzbischof von Hanoi (Vietnam); Juan Sandoval Iniguez, Erzbischof von Guadalajara (Mexiko); Bernardino Echeverria Ruiz, Alterzbischof von Guayaquil und Apostolischer Administrator von Ibarra (Ekuador); Kazimierz Swiatek, Erzbischof von Minsk-Mohilev (Weißrußland); Ersilio Tonini, Alterzbischof von Ra-venna-Cervia (Italien); Mikel Koliqi, Priester der Erzdiözese Scutari (Albanien); P. Yves Congar OP (Frankreich) und P. Alois Grillmeier SJ (Deutschland). Weitere mir sehr liebe Personen gibt es, die aufgrund ihres hochherzigen Einsatzes in verschiedenen Bereichen des kirchlichen Lebens wohl die Erhebung zur Kardinalswürde verdient hätten, aber mir schien es angebracht, mich an die von meinem Vorgänger Paul VI. festgesetzte Grenze zu halten. 4. Wir vertrauen der seligsten Jungfrau Maria außer der soeben beendeten Synode die neu zur Kardinalswürde Ernannten an mit der Bitte, sie möge ihnen beistehen, damit sie mit Mut und dem Evangelium entsprechender Konsequenz ihre Liebe zu Christus und zur Kirche bezeugen. 186 AUDIENZEN UND ANGELUS Kraft im Glauben Herzlich begrüße ich die Pilgergruppe aus Labin in Kroatien. Meine Lieben, ich wünsche Euch, daß Ihr im katholischen Glauben die nötige Kraft findet, um die verschiedenen materiellen und vor allem auch moralischen Schwierigkeiten zu bewältigen, die in Eurem Land durch den Krieg und die vorhergegangene Zeit des Totalitarismus entstanden sind. Euch und Euren Familien erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! Totengedenken verbindet Generationen Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute feiern wir das liturgische Fest Allerheiligen. Die pilgernde Kirche auf Erden blickt auf zu all denen, die schon heimgegangen sind und die Anschauung Gottes genießen. Im Jahr der Familie, das wir begehen, lädt uns das heutige Fest ein, insbesondere die Heiligen als „Familie Gottes” zu betrachten und auch daran zu denken, daß die ganze Kirche eine Familie ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 51), die von den noch auf Erden weilenden und den bereits im Himmel lebenden Jüngern Christi gebildet wird. In gewisser Weise kann sie sich die „Familie der Familien” nennen, weil jede christliche Famihe berufen ist, darin lebendige Zelle, kleine „Hauskirche”, zu sein (vgl. Johannes Paul II., Predigt vom 9. Oktober 1994: O.R.dt., Nr. 42, S. 7). Dieser Gedanke möge den Familien helfen, ihre Berufung immer vollkommener zu leben. Viele Heilige haben den Gipfel der Vollkommenheit gerade dadurch erreicht, daß sie in einer Famihe lebten. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich gern an die beiden Ehefrauen und Mütter, die ich vor einigen Monaten zur Ehre der Altäre erhoben habe: die selige Giovanna Beretta Moha, die ihr Leben hingab für das Kind, das sie in ihrem Schoß trug, und die sehge Elisabetta Canori Mora, Vorbild der Treue und Hingabe in einer besonders schwierigen Famihensituation. Der Fürsprache unserer Brüder und Schwestern im Himmel empfehlen wir am heutigen Festtag alle Familien der Welt. 2. Morgen feiern wir den Gedenktag der verstorbenen Gläubigen, der auch eindrucksvoll auf das Thema der Famihe hinweist. Denn er ruft hebe Menschen in Erinnerung, die diese Erde bereits verlassen haben, und das erzeugt ein Gefühl der Gemeinschaft, das die Zeit überschreitet und die Generationen verbindet. Es handelt sich um eine von Liebe, Erinnerung und vor allem Gebet durchdrungene geisthche Beziehung, die ihren festen Grund in der schon irgendwie von der Vernunft erfaßten und vom Glauben bekräftigten Gewißheit hat, daß das Dasein des Menschen nicht 187 AUDIENZEN UND ANGELUS auf der Erde endet. Der Tod eröffnet den Menschen einen neuen Lebenshorizont in der Richtung, die vom Gericht Gottes über das vollbrachte Gute und Böse vorgezeichnet ist. Ja, der Glaube versichert uns, daß auch die Leiber in geheimnisvoller, nur der göttlichen Weisheit bekannter Weise am Ende der Zeiten auferstehen werden. Gott will den ganzen Menschen retten - in der geistlichen und in der leiblichen Dimension. 3. Der seligsten Jungfrau, die durch ihre leibliche Aufnahme in den Himmel den Weg des auferstandenen Christus gegangen ist und die Bestimmung aller Menschen vorweggenommen hat, empfehlen wir die starke Sehnsucht nach lieben, die die Liturgie in diesen Tagen in unserem Herzen weckt. Maria ist die Erstlingsffucht der Erlösten, die Morgenröte des Heils für das Menschengeschlecht. Wenn wir sie, unsere himmlische Mutter und die Königin aller Heiligen, betrachten, schöpfen wir „sichere Hoffnung und Trost” (Lumen Gentium, Nr. 68). Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Im Geist bin ich mit all denen vereint, die heute die Friedhöfe in Rom und in aller Welt besuchen. Ich danke für die Gebete, besonders die Gebete für meine Lieben, für meine Eltern auf dem Friedhof in Krakau und für so viele andere hebe Menschen, die schon bei Gott sind und leben. Versuchen wir das heutige Fest Allerheiligen und auch das von morgen eindringlich zu leben: „Commemoratio omnium fidelium defunctorum.” Gelobt sei Jesus Christus! Hoffnung auf die ewige Seligkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 2. November 1. Wir haben gestern das Fest aller Heiligen gefeiert, die diese Welt schon verlassen haben und nun in der nie endenden Gemeinschaft mit Gott leben. Ihr glückliches Schicksal ist auch uns bestimmt, die wir noch auf Erden weilen und berufen sind, ihren Spuren in der treuen Nachfolge Christi, unseres Erlösers, zu folgen. Heute, am 2. November, gedenken wir aller verstorbenen Gläubigen, die nach Vollendung ihrer irdischen Pilgerschaft in Frieden ruhen. Es ist ein besonders in den Familien tief empfundener Gedenktag. Es ist das menschlichste Fest der Zuneigungen, die das Maß der Zeit überschreiten und sich in die Dimension des Geheimnisses der Liebe Gottes einfügen, die alles zu neuem Leben erweckt. Der Mensch ist Staub, und zum Staub muß er zurück (vgl. Gen 3,19): Diese augenscheinliche Wirklichkeit darf nie vergessen werden. Er spürt aber auch die unauslöschliche Sehnsucht nach unsterblichen Leben. Die Liebesbande, die Eltern und Kinder, Ehemänner und Ehefrauen sowie Geschwister miteinander vereinen, wie auch die Beziehungen wahrer Freundschaft unter den Menschen gehen deshalb mit 188 AUDIENZEN UND ANGELUS dem unausweichlichen Ereignis des Todes weder verloren noch enden sie. Unsere Verstorbenen leben weiter unter uns, nicht nur weil ihre sterblichen Überreste auf dem Friedhof ruhen und ihr Andenken Teil unseres Lebens ist, sondern vor allem weil ihre Seelen bei Gott für uns eintreten. 2. Liebe Brüder und Schwestern, der heutige Gedenktag lädt uns ein, den Glauben an das ewige Leben zu erneuern. Der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffene Mensch trägt in der Tiefe seines Wesens den uranfänglichen und ewigen Namen Gottes eingeschrieben, der vollkommene Gemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ist. Gerade deshalb stirbt sein tiefstes Ich im Tod nicht, sondern überschreitet die Grenzen der Zeit und geht in die Ewigkeit ein. Die Christen, die zum Gedenken ihrer lieben Verstorbenen versammelt sind, verkünden heute: „Regem Cui omnia vivunt, venite, adoremus! - Den König, dem wir alle leben, laßt uns anbeten!” In der Liebe Christi, der alles von den Folgen der Sünde und des Todes erlöst, erstrahlt die Heiligkeit Gottes und offenbart sich der von der Vorsehung gewollte Plan, mit dem Menschen „eine Familie zu bilden”. Er will, daß niemand zugrunde geht (vgl. Joh 6,39), sondern daß jeder, von seiner Heiligkeit umgewandelt, immer in seiner Gegenwart und in Gemeinschaft aller Brüder und Schwestern lebt, die sein Haus bilden (vgl. 2 Kor 4,14). Wir können sagen, daß der heutige Gedenktag die natürliche Verlängerung des gestrigen Festes ist. Sie bilden zusammen das große Fest der Gemeinschaft der Kirche, die diesseits und auch jenseits des Todes lebt. 3. Die Gewißheit vom Leben, das in anderer Weise, nicht wie unsere Augen es sehen, fortdauert, führt die Gläubigen zu den Friedhöfen. An den Gräbern ihrer Lieben zu stehen, ist für die Familien ein Anlaß, über die Hoffnung auf die Ewigkeit nachzudenken und sie zu nähren. Es sammeln sich zum stillen Gebet diejenigen, die den Pilgerweg ihres Lebens auf Erden noch gehen, neben denen, die bereits in der ewigen Heimat, im Himmel, sind. Das geschieht heute auf den Friedhöfen von Rom und auf allen Friedhöfen der Welt. Heute wird in den Vatikanischen Grotten besonders für die verstorbenen Päpste gebetet, nicht nur für die jüngeren, sondern für alle Nachfolger Petri. Und es wird auch für die Nachfolger der Apostel gebetet, für alle Bischöfe, die der Kirche in den Jahrhunderten im Namen Christi gedient haben. Von Generation zu Generation haben sie sich bemüht, die Gläubigen in der Wahrheit und Liebe zu leiten. Zusammen mit den getauften Gläubigen bilden sie jetzt den Zug der Jünger, denen die Freude des göttüchen Meisters zuteil wird. Sie stehen am Ufer des großen Stromes der Erlösung und haben teil an der Fülle des Lebens und der Liebe des Sohnes Gottes. 4. Meine Gedanken gehen jetzt im Zusammenhang mit dieser Katechese über die Verstorbenen zu einigen dramatischen Ereignissen unserer Geschichte. In dieses Jahr fällt der 50. Jahrestag der Schlacht um Montecassino, des Aufstandes in Warschau und der Landung in der Normandie. Es waren Ereignisse von außerordent- 189 AUDIENZEN UND ANGELUS licher Bedeutung für das Europa der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (vgl. Botschaft zum 50. Jahrestag des Aufstands von Warschau, in: O.R.dt., Nr. 32-33/1994, S. 3). Das Gedächtnis dieser heroischen Ereignisse, die dazu beitrugen, im Geist des christlichen Europas die Sache der Freiheit und der Würde des Menschen zum Sieg zu führen, muß uns zum Dank gegenüber denen veranlassen, die unter diesen tragischen Umständen gelitten und ihr Leben verloren haben. Ihr Zeugnis drängt uns alle zum Einsatz für die Förderung des Friedens, der Achtung und der Eintracht unter den Nationen. In diesem Sinn „verpflichtet ihre heroische Geste!” Diese in der Erinnerung vieler noch lebendigen Jahrestage mahnen uns heute besonders an die Pflicht zum Gebet für die Gefallenen aller Kriege. Sie sind auf zahllosen Friedhöfen der Welt beerdigt; manche hatten gar nicht das Glück, an einer geweihten Stätte begraben zu werden, sondern blieben zurück an unbekannten Orten. Auch für sie steigt unser liebevolles Gebet empor, damit der Gott des Lebens ihnen sein Angesicht zeige und seinen Frieden schenke. Wir dürfen auch die vielen, zu vielen Opfer aller Verbrechen und jeder Form von Gewalt nicht vergessen. Alle wollen wir in unsere Liebe einschließen, indem wir für sie von Gott die ewige Ruhe erbitten. Das Gedächtnis unserer lieben Verstorbenen verstärke in jedem von uns den täglichen Einsatz in Werken des Glaubens und mache uns wachsam in der Erwartung der Wiederkunft des Herrn, wenn alle Tränen getrocknet werden und wir ihn schauen können, wie er ist, in Gesellschaft der vielen, die uns auf dem Pilgerweg des Glaubens vorangegangen sind. Die Fürsprache Marias, der Mutter der Erlösten, führe und stütze uns auf diesem Weg der täglichen Mühe und der übernatürlichen Hoffnung. Weg der Vollkommenheit ist Nachfolge Christi Ansprache bei der Generalaudienz am 9. November In dieser so ausgeprägten und bedeutsamen ökumenischen Atmosphäre führen wir unsere Betrachtungen über das gottgeweihte Leben fort. 1. Der Weg der evangelischen Räte wurde oft „Weg der Vollkommenheit” und der Stand des gottgeweihten Lebens „Stand der Vollkommenheit” genannt. Diese Bezeichnungen finden sich auch in der konziliaren Konstitution Lumen Gentium (vgl. Nr. 45), während das Dekret über die Erneuerung des Ordenslebens den Titel Per-fectae caritatis trägt und „das Streben nach vollkommener Liebe auf dem Weg der evangelischen Räte” (Perfectae caritatis, Nr. 1) zum Thema hat. Weg der Vollkommenheit bedeutet offensichtlich Weg einer zu erwerbenden Vollkommenheit und nicht einer bereits erworbenen Vollkommenheit, wie der hl. Thomas von Aquin klarstellt (vgl. Summa Theol., II-II, q.184, aa.5,7). Diejeni- 190 AUDIENZEN UND ANGELUS gen, die die evangelischen Räte befolgen, behaupten keinesfalls, die Vollkommenheit zu besitzen. Sie bekennen sich als Sünder wie alle Menschen, als erlöste Sünder. Aber sie fühlen sich und sie sind ausdrücklicher zum Streben nach der Vollkommenheit berufen, die wesentlich in der Liebe besteht (vgl. ebd., q.184, aa.1,3). 2. Man darf gewiß nicht vergessen, daß alle Christen zur Vollkommenheit berufen sind. Auf diese Berufung weist Jesus Christus selbst hin: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist” (Mt 5,48). Bei der Darstellung der allgemeinen Berufung der Kirche zur Heiligkeit sagt das II. Vatikanische Konzil, daß sich diese Heiligkeit „vielgestaltig in den einzelnen ausdrückt, „die in ihrer Lebensgestaltung zur Vollkommenheit der Liebe in der Erbauung anderer streben” (Lumen Gentium, Nr. 39; vgl. Nr. 40). Aber diese Allgemeinheit der Berufung schließt nicht aus, daß einige in außerordentlicher Weise zum Weg der Vollkommenheit berufen sind. Nach dem Bericht von Matthäus richtet Jesus seine Aufforderung an den reichen jungen Mann mit den Worten: „Wenn du vollkommen sein willst...” (Mt 19,21). Aus dieser Quelle des Evangeliums stammt der Begriff „Weg der Vollkommenheit”. Der reiche junge Mann hatte Jesus gefragt, „was er Gutes tun muß”, und als Antwort hatte er eine Aufzählung der Gebote erhalten; aber im Augenblick der Berufung wird er zu einer Vollkommenheit angeregt, die über die Gebote hinausgeht: Er wird aufgefordert, auf alles zu verzichten, um Jesus nachzufolgen. Die Vollkommenheit besteht darin, daß man sich selbst ganz und gar Jesus schenkt. In diesem Sinn wird der Weg der evangelischen Räte zum „Weg der Vollkommenheit” für diejenigen, die dazu berufen sind. 3. Weiter zu beachten ist, daß die Vollkommenheit, die dem reichen Jüngling von Jesus angeboten wurde, keine Verletzung, sondern eine Bereicherung der Person bedeutet. Jesus lädt seinen Fragesteller ein, auf ein Lebensprogramm, in dem die Sorge um das Haben großen Raum einnimmt, zu verzichten, um ihn die wahre Bedeutung der Person entdecken zu lassen, die durch die Selbsthingabe an andere Personen und insbesondere in der hochherzigen Anhänglichkeit an den Erlöser verwirklicht wird. So können wir sagen, daß die von den evangelischen Räten geforderten wirklichen und bemerkenswerten Verzichte keine „entpersönlichende” Wirkung haben, sondern dazu bestimmt sind, das persönliche Leben zu vervollkommnen als Auswirkung einer übernatürlichen Gnade entsprechend den edelsten und tiefsten Bestrebungen des Menschen. Der hl. Thomas spricht in dieser Hinsicht von „spiritualis libertas” und von „augmentum spirituale”: Freiheit und Wachstum des Geistes (II-II, q.184, a.4). 4. Welches sind die Hauptmerkmale der Befreiung und des Wachstums, die die evangelischen Räte in dem bewirken, der sich zu ihnen bekennt? Vor allem ein bewußtes Streben nach der Vollkommenheit des Glaubens. Die Antwort auf den Ruf: „Folge mir!” mit den Verzichten, die sich daraus ergeben, erfordert einen glühenden Glauben an die göttliche Person Christi und ein absolutes Ver- 191 AUDIENZEN UND ANGELUS trauen auf seine Liebe: Ersterer und letztere müssen im Laufe des Weges wachsen und sich kräftigen, um den Schwierigkeiten nicht zu erliegen. Ebensowenig darf ein bewußtes Streben nach der Vollkommenheit der Hoffnung fehlen. Die Aufforderung Christi gehört in die Sicht auf das ewige Leben. Diejenigen, die sich darum bemühen, sind zu einer starken, festen Hoffnung in der Stunde der Profeß und im ganzen Verlauf ihres Lebens aufgerufen. Das ermöglicht es ihnen, inmitten der bedingten und vergänglichen Güter dieser Welt den unvergänglichen Wert der Güter des Himmels zu bezeugen. Das Bekenntnis zu den evangelischen Räten entwickelt vor allem ein bewußtes Streben nach der Vollkommenheit der Liebe zu Gott. Das II. Vatikanische Konzil spricht von der durch die evangeüschen Räte bewirkten Weihe als der Selbstübereignung an den „über alles geliebten Gott” (Lumen Gentium, Nr. 44). Sie ist die Erfüllung des ersten Gebotes: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, heben mit ganzem Herzen, ganzer Seele und mit all deiner Kraft” (Dtn 6,5; vgl. Mk 12,30 und Par.). Das gottgeweihte Leben entfaltet sich richtig durch die ständige Vertiefung dieser zu Beginn gemachten Hingabe und durch eine immer wahrere und stärkere Liebe in der dreifältigen Dimension: das heißt durch die Liebe zu Christus, der zur Vertrautheit mit ihm ruft; zum Heiligen Geist, der fordert und hilft, eine vollständige Öffnung seinen Eingebungen gegenüber zu verwirklichen; und zum Vater, dem Ursprung und höchstem Ziel des gottgeweihten Lebens. Das geschieht vor allem im Gebet, aber auch in dem ganzen Verhalten, das von der mit Religion erfüllten Tugend eine entschieden vertikale Dimension erhält. Glaube, Hoffnung und Liebe bewirken und verstärken augenscheinlich immer mehr das Streben nach der Vollkommenheit der Liebe zum Nächsten als Ausbreitung der Liebe zu Gott. Die „Selbstübereignung an den über alles gebebten Gott” bringt eine starke Liebe zum Nächsten mit sich: eine Liebe, die so vollkommen wie möglich sein will nach dem Vorbild der Liebe des Erlösers. 5. Die Echtheit des gottgeweihten Lebens als Vereinigung mit Christus in der göttb-chen Liebe drückt sich in einigen Grundhaltungen aus, die im ganzen Verlauf des Daseins wachsen müssen. Als Hauptlinien können bezeichnet werden: der Wunsch, allen die Liebe mitzuteilen, die durch das Herz Christi von Gott kommt, und damit die Universalität einer Liebe, die sich nicht aufhalten läßt von den Schranken, die menschücher Egoismus im Namen von Rasse, Nation, kultureller Tradition, sozialem oder rebgiösem Stand usw. errichtet; eine sorgende Güte und Hochschätzung gegenüber allen, insbesondere denen, die man menschhch mehr vernachlässigen oder geringschätzen will; die Bekundung einer besonderen Sohdarität mit den Armen und denjenigen, die verfolgt werden oder Opfer von Ungerechtigkeiten sind; die Fürsorge und Hilfe für die Leidenden, wie heute für die vielen Behinderten, Verlassenen, Flüchthnge usw.; das Zeugnis eines sanften und demütigen Herzens, das sich der Verteilung enthält, auf jede Gewalt und Rache verzichtet und mit Freuden verzeiht; der Wille, überab die Versöhnung zu fördern und das dem Evangebum 192 AUDIENZEN UND ANGELUS entsprechende Geschenk des Friedens annehmen zu lassen; das hochherzige Engagement für jede Apostolatsinitiative, die das Licht Christi verbreiten und das Heil in die Menschheit bringen will; das häufige Gebet nach den Meinungen des Heiligen Vaters und der Kirche. 6. Zahlreich und ausgedehnt sind die Felder, wo heute mehr denn je das Werk der „Gottgeweihten” als Umsetzung der göttlichen Liebe in konkrete Formen menschlicher Solidarität erforderlich ist. Es kann sein, daß sie in vielen Fällen - menschlich gesprochen - nur wenig bedeutende oder keine aufsehenerregenden, auffälligen Dinge vollbringen können. Aber auch die kleinen Leistungen sind wirksam, wenn sie voll von wahrer Liebe (der wirklich großen und gewaltigen „Sache”) sind, und wenn es vor allem die gleiche in Kirche und Welt eingegossene dreifältige Liebe ist. Die „Gottgeweihten” sind berufen, auf dem Weg der Liebe die einfachen und treuen Mitarbeiter beim Fortschreiten der Kirche in der Welt zu sein. In deutscher Sprache sagte der Papst: Indem ich Euch die Gnade der göttlichen Tugenden erflehe, grüße ich Euch alle, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Mitwirkendem der diesjährigen Passionsspiele in Thiersee, an die Gruppe der Historischen Deutschen Schützenbruderschaft aus Leverkusen und Köln sowie an die Addolorataschwestem, die an einem geistlichen Emeuerungskurs in Rom teilnehmen. Euch allen, Euren heben Angehörigen und Freunden zu Hause sowie allen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Kämpfe in Angola beenden! Jetzt möchte ich meinen tiefen Schmerz über das Wiederaufleben und die Verstärkung der Kämpfe in Angola bekunden, die in diesen Tagen zahllose Opfer hervorru-fen und Tausende von Menschen besonders im Gebiet von Huambo zwingen, ohne die geringste Versorgung ihre Häuser zu verlassen. Zu dem Schmerz über diese traurigen Tatsachen kommt die bittere Enttäuschung hinzu nach den Hoffnungen auf Frieden, die durch das in Lusaka Ende Oktober vereinbarte Abkommen geweckt wurden. Ich richte einen dringenden Appell an die Verantwortlichen, daß sie die Kriegshandlungen einstellen lassen und geeignete Bedingungen schaffen, die einen neuen Geist der Verständigung und Versöhnung fördern. Mit Zerstörung und Tod kann man kein menschenwürdiges Zusammenleben in einem Land aufbauen! Der Herr möge auf die Fürsprache der seügsten Jungfrau die Herzen derer wandeln, die Haß- und Rachegefühle hegen, und ihre Vernunft zu Friedensplänen anregen. 193 AUDIENZEN UND ANGELUS Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres 2000 Angelus am 13. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute möchte ich dem Herrn danken für die große Freude, die er mir in der vergangenen Woche dadurch gewährt hat, daß es mir erlaubt war, eine gemeinsame christologische Erklärung mit Seiner Heiligkeit Mar Dinkha IV., Patriarch der assyrischen Kirche des Ostens, zu unterschreiben. Ich möchte meine Freude mit den Worten der seligsten Jungfrau ausdrücken: „Meine Seele preist die Größe des Herrn!” Es geschieht gewiß nicht ohne die mütterliche Hilfe Marias, daß wir bis zu diesem Augenblick gekommen sind, der zwar noch nicht die volle Gemeinschaft anzeigt, sie aber näherbringt, indem er ein Mißverständnis aus dem Weg geräumt hat, das über fünfzehn Jahrhunderte gedauert hatte. Tatsächlich reicht das gegenseitige Unverständnis bis in die ersten Jahrhunderte der christlichen Geschichte zurück, als das theologische Denken damit beschäftigt war, den genauen Inhalt des Glaubens an Christus festzulegen. Während es die Rechtmäßigkeit der Verehrung Marias als „Theotökos”, als „Mutter Gottes”, lehrte, wollte das in Ephesus im Jahr 431 abgehaltene Konzil die tiefe Überzeugung der Kirche unterstreichen, wonach „die menschliche Natur Christi kein anderes Subjekt als die göttliche Person des Sohnes Gottes [hat], der sie angenommen und schon bei der Empfängnis im Schoß Marias sich zu eigen gemacht hat” (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 466). Der ausgewogene und tiefreichende Dialog mit den Brüdern der assyrischen Kirche des Ostens erlaubte es, die Mißverständnisse zu beseitigen, die bei diesem Konzil aufgetreten waren, und wir teilen heute die freudige Feststellung, daß jenseits differenzierter theologischer Akzente unser Glaube an Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, einer und unsere Liebe zu Maria, seiner heiligsten Mutter, gleich groß sind. 2. Was in diesen Tagen vollbracht wurde, ist ein bedeutender und hoffnungsvoller Schritt. Er trifft willkommenerweise mit dem Augenblick zusammen, in dem die Kirche ein ausgedehntes Programm von Initiativen in Gang setzt, um sich angemessen auf das große Jubiläum des Jahres 2000 vorzubereiten. Denn morgen wird das Apostolische Schreiben Tertio Millennio Adveniente veröffentlicht, mit dem ich alle Söhne und Töchter der Kirche zu einem gemeinsamen eifrigen inneren Einsatz einlade, damit das Jubiläum unter dem Wirken des Geistes Gottes für den Glauben und das christliche Zeugnis reiche Früchte der Erneuerung bringe. Mittelpunkt dieses Einsatzes soll eine neue Betrachtung des Geheimnisses Christi sein. Davon ausgehend, fühlen wir uns angespomt, die ökumenischen Bemühungen zu verstärken, um die der Einheit der Kirche im ersten und zweiten Jahrtausend zugefügten Wunden wieder zusammenzufügen, indem wir gehorsam auf die Bitte Christi hören: „Vater, alle sollen eins sein.” 194 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. Die seligste Jungfrau, Mutter Christi und der Kirche, begleite und führe uns. Sie ist die Jungfrau der Ankunft und der Hoffnung. Denn es war ihr Ja zur Menschwerdung, das den Beginn einer neuen Ära anzeigte. Möge dieses Ja ein Echo finden im hochherzigen Einsatz aller Christen, die berufen sind, immer treulicher das unaussprechliche Geheimnis des menschgewordenen Gottes zu leben und zu verkünden. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Ich richte jetzt einen herzlichen Gruß an alle Bauern und Arbeiter, insbesondere an jene, die in der Abtei Nonantola bei Modena versammelt sind, um das jährliche Erntedankfest zu feiern. Es bietet den Gläubigen Gelegenheit, über das grundlegende Verhältnis des Menschen zur Schöpfung nachzudenken, die ihm von Gott als Geschenk anvertraut wurde, das dankbar und verantwortungsbewußt anzunehmen ist. Nach der Schrift ist die Arbeit nicht nur ein Mittel des Lebensunterhalts, sondern sie trägt dazu bei, daß sich der Mensch als Mitarbeiter des Schöpfers verwirklicht. Insbesondere ist die Landarbeit ein Geschenk Gottes an die Familie, weil sie hauptsächlich im Familienbereich durch den entscheidenden Beitrag der einzelnen Familienmitglieder ausgeführt wird. Der heutige Gedenktag, der die ganze italienische Kirche im Gebet vereint, lädt uns ein, besonders an die Landwirte und all jene zu denken, die von den jüngsten Überschwemmungen heimgesucht wurden, die ungeheure materielle Schäden und leider auch Todesopfer hervorgerufen haben. Die konkrete Solidarität der nationalen Gemeinschaft ist entscheidend dafür, daß es der hart geprüften Bevölkemng gelingen wird, den jetzigen schwierigen Augenblick zu überwinden und mit Hoffnung in die Zukunft zu bücken. Dazu fordere ich alle auf, die eigene hochherzige Unterstützung anzubieten. Bewußte Entscheidung zur gottgeweihten Keuschheit Ansprache bei der Generalaudienz am 16. November 1. Nach der Lehre des II. Vatikanischen Konzils ragt unter den evangelischen Räten die wertvolle Gabe der „vollkommenen Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen” hervor: die göttliche Gnadengabe, die der Vater einigen gibt (vgl. Mt 19,11; 1 Kor 7,7), die Jungfräuüchkeit oder der Zölibat, in dem man sich leichter ungeteilten Herzens (vgl. 1 Kor 7,32-34) Gott allein hingibt ... als Zeichen und Antrieb für die Liebe und als eine besondere Quelle geistücher Fruchtbarkeit in der Welt” (Lumen Gentium, Nr. 42). Traditionsgemäß sprach man gewöhnlich von „drei Gelübden”: der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams, beginnend mit der Armut als der Loslösung von den äußeren Gütern, die eine Stufe niedriger als die Güter des Leibes und die der Seele stehen (vgl. Thomas v. Aquin, Summa Theol., II-II, q.186, a.3). Das Konzil hingegen nennt ausdrücküch die „Gott geweihte Keuschheit” vor 195 AUDIENZEN UND ANGELUS den anderen beiden Gelübden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 43; Perfectae caritatis, Nm. 12,13 u. 14), weil es sie als entscheidende Verpflichtung für den Stand des gottgeweihten Lebens betrachtet. Sie ist auch der evangelische Rat, der sehr einsichtig die Gnadenkraft zum Ausdruck bringt, die die Liebe über die natürlichen Neigungen des Menschen hinaus erhebt. 2. Ihre geistliche Größe zeigt sich im Evangelium, denn Jesus selbst gab zu verstehen, welche Bedeutung er der Verpflichtung zum Zölibat beimißt. Nach Matthäus stellt Jesus nach der Feststellung der Unauflöslichkeit der Ehe den freiwilligen Zölibat heraus. Jesus hat dem Mann verboten, seine Ehefrau zu entlassen, worauf die Jünger reagieren: „Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es nicht gut, zu heiraten.” Jesus antwortet, indem er der Aussage: „Es ist nicht gut, zu heiraten” eine höhere Bedeutung verleiht: „Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist. Denn es ist so: Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht, und manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es” {Mt 19,10-12). 3. Zur Bekräftigung dieser Möglichkeit, einen neuen Weg zu erkennen, der von ihm und seinen Jüngern beschritten wurde und der vielleicht Staunen oder sogar Kritik in der Umgebung hervorrief, verwendet Jesus ein Bild, das auf eine bekannte Tatsache anspielt, den Zustand der „Eheunfähigen”. Sie konnten es sein auf Grand eines angeborenen Fehlers oder durch menschlichen Eingriff. Er fügte aber gleich hinzu, daß es einen neuen - seinen - Stand gab, den der Eheunfähigen „um des Himmelreiches willen”. Es war ein deutlicher Hinweis auf die von ihm getroffene Standeswahl, die er auch seinen engeren Anhängern nahegelegt hatte. Nach dem mosaischen Gesetz waren die Eheunfähigen vom Gottesdienst {Dtn 23,2) und vom Priestertum (Lev 21,20) ausgeschlossen. Ein Spruch des Buches Jesaja hatte das Ende dieses Ausschlusses angekündigt (Jes 56,3-5). Jesus bietet eine noch größere Neuheit und Möglichkeit: die freiwillige Wahl dieser Situation, die für einen Mann als unwürdig betrachtet wurde „um des Himmelreiches willen”. Offenbar will Jesus nicht auf eine wirklich bestehende körperliche Verstümmelung anspielen, die die Kirche nie erlaubt hat, sondern auf den freiwilligen Verzicht auf Geschlechtsverkehr. Wie ich im Apostolischen Schreiben Redemptionis donum darlegte, handelt es sich um einen „Verzicht also - als Widerschein des Geheimnisses von Kalvaria -, um sich vollkommener in Christus wiederzufinden, der gekreuzigt wurde und auferstanden ist; Verzicht, um in ihm bis zum Grand das Geheimnis des eigenen Menschseins zu erkennen und auf dem Weg jener wunderbaren Verwandlung zu bestätigen, von der der Apostel ... schreibt: ,Wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert’” (2 Kor 4,16) (Redemptionis donum, Nr. 10). 4. Jesus ist sich der Werte bewußt, auf die diejenigen verzichten, die im ständigen Zölibat leben: Er selbst hat sie zuvor bekräftigt, als er von der Ehe sagte, sie sei eine Verbindung, deren Urheber Gott ist und die deshalb nicht aufgelöst werden dürfe. 196 AUDIENZEN UND ANGELUS Sich zum Zölibat verpflichten heißt, auf die mit dem Eheleben und der Familie verbundenen Güter zu verzichten, aber nicht, sie ihrem wirklichen Wert nach geringer zu schätzen. Der Verzicht wird im Hinbück auf ein größeres Gut, auf höhere Werte vollzogen, die in dem schönen Wort des Evangeliums: „Himmelreich” zusammengefaßt sind. Die vollkommene Selbsthingabe an dieses Reich rechtfertigt und heiügt den Zöübat. 5. Jesus lenkt die Aufmerksamkeit auf die Gabe der göttüchen Erleuchtung, die schon notwendig ist, um den Weg des freiwilligen Zöübats zu „erfassen”. Nicht alle können ihn erfassen, weil nicht alle „fähig” sind, seine Bedeutung zu verstehen, ihn anzunehmen und in die Praxis umzusetzen. Diese Gabe der Erleuchtung und Entschlossenheit ist nur wenigen Vorbehalten. Sie ist ein ihnen geschenktes Privileg zu einer größeren Liebe. Man darf sich deshalb nicht wundem, daß viele, weil sie die Bedeutung des gottgeweihten Zöübats nicht verstehen, ihn nicht anziehend finden und oft nicht entsprechend würdigen können. Das heißt, daß es eine Vielfalt von Wegen, Charismen und Aufgaben gibt, wie es der Apostel Paulus erkannt hatte, der sein Ideal vom jungfräulichen Leben spontan mit aüen teilen wollte, als er schrieb: „Ich wünschte, alle Menschen wären (unverheiratet) wie ich. Doch jeder - fügte er hinzu - hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so” (1 Kor 7,7). Übrigens - bemerkte Thomas von Aquin - „beruht die Schönheit der Kirche auf der Vielfalt der Stände ” (vgl. Summa Theol., II-II, q.184, a.4). 6. Von seiten des Menschen ist ein entschlossener und bewußter Willensakt für die Verpflichtung und den Vorzug des gottgeweihten Zöübats erforderüch. Es handelt sich nicht um eine einfache Enthaltung von der Ehe noch um eine unmotivierte und fast passive Beobachtung der von der Keuschheit auferlegten Regeln. Der Akt des Verzichts erhält seinen positiven Aspekt in der vollkommeneren Hingabe an das Himmelreich, die eine vöüige Zugehörigkeit zu dem „über aües geüebten” Gott und zu dem Dienst an eben diesem Reich mit sich bringt. Die Wahl soll deshalb wohl erwogen werden und aus einer festen und bewußten Entscheidung erwachsen, die im Innersten der Person getroffen wird. Der hl. Paulus zählt die Anforderungen und die Vorteile dieser Hingabe an das Reich auf: „Der Unverheiratete sorgt sich um die Sache des Herrn; er will dem Herrn gefallen. Der Verheiratete sorgt sich um die Dinge der Welt; er will seiner Frau gefallen. So ist er geteilt. Die unverheiratete Frau aber und die Jungfrau sorgen sich um die Sache des Herrn, um heiüg zu sein an Leib und Geist. Die Verheiratete sorgt sich um die Dinge der Welt; sie wiü ihrem Mann gefallen” (i Kor 7,32-34). Der Apostel wiü den Ehestand nicht verurteilen (vgl. 1 Tim 4,1-3) noch jemandem „eine Fessel anlegen”, wie er sagt (7 Kor 7,35); aber er spricht mit dem Realismus einer vom Heiligen Geist erhellten Erfahrung und rät - wie er schreibt -, „zu eurem Nutzen, ... damit ihr in rechter Weise und ungestört immer dem Herrn dienen könnt” (ebd.). Das ist der Zweck der „evangelischen Räte”. Der Tradition der Räte getreu, bekräftigt auch das II. Vatikanische Konzil, daß die Keuschheit „ein vorzügüches 197 AUDIENZEN UND ANGELUS Mittel [ist], sich mit Eifer dem göttlichen Dienst und den Werken des Apostolats zu widmen” (Perfectae caritatis, Nr. 12). 7. Kritiken am „gottgeweihten Zölibat” wurden in der Geschichte oft und immer wieder erhoben, und die Kirche mußte mehrmals die Aufmerksamkeit auf die Vorzüglichkeit des Ordensstandes unter diesem Aspekt lenken: Es genügt, hier an die Erklärung des Konzils von Trient zu erinnern (vgl. DS 1810), die von Pius XII. in der Enzyklika Sacra virginitas wegen ihrer Lehraussage wieder ins Gedächtnis gerufen wurde (vgl. AAS 46[1954]174). Das heißt nicht, den Ehestand in den Schatten zu stellen. Man muß sich hingegen das vor Augen halten, was der Katechismus der Katholischen Kirche sagt: „Beide, das Sakrament der Ehe und die Jungfräulichkeit um des Gottesreiches willen, kommen vom Herrn selbst. Er gibt ihnen Sinn und schenkt die unerläßliche Gnade, sie so zu leben, wie es seinem Willen entspricht. Die Hochschätzung der Jungfräulichkeit um des Himmelreiches willen und der christliche Sinn der Ehe lassen sich nicht voneinander trennen; sie fördern einander” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1620, vgl. Redemptionis donum, Nr. 11). Das II. Vatikanische Konzil weist darauf hin, daß die Annahme und Beobachtung des evangelischen Rates der gottgeweihten Jungfräulichkeit und des gottgeweihten Zölibats eine „psychologische und affektive Reife” erfordert (Perfectae caritatis, Nr. 12). Diese Reife ist unerläßlich. Die Bedingungen für eine treue Christusnachfolge in dieser Hinsicht sind also: Vertrauen auf die götthche Liebe und ihre Anrufung, angeregt von dem Bewußtsein menschlicher Schwäche; kluge Zurückhaltung und vor allem ein Leben inniger Verbundenheit mit Christus. Letztere ist der Schlüssel des ganzen gottgeweihten Lebens und das Geheimnis der Treue zu Christus als dem einzigen Seelenbräutigam, dem einzigen Lebensinhalt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzüch. Mit meinen besten Wünschen für Euch und Eure Lieben in der Heimat erteile ich Euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. In ungarischer Sprache sagte der Papst: Ich grüße Euch herzlich, liebe Pilger aus Budapest. In diesen Tagen begehen wir da^ Fest der hl. Elisabeth von Thüringen, die in den Ärmsten Jesus Christus erkannte und verehrte. Durch ihre Fürsprache gewähre uns der Herr, daß wir, ihrem Beispie folgend, den Leidenden und denen, die sich in Not befinden, mit unermüdliche! Barmherigkeit dienen. Dies erbitte ich für Euch und Eure Angehörigen in der Heimat in der heiligen Messe. Mit meinen Apostolischen Segen. Gelobt sei Jesus Christus. 198 AUDIENZEN UND ANGELUS Auf tschechisch sagte der Papst: Seid willkommen, liebe Pilger - Ordensleute und Laien - der Caritas von Prag. Gelobt sei Jesus Christus! Ihr seid nach Rom gekommen, um beim Grab des hl. Petrus Stärkung im Glauben zu erbitten. Im Gebet empfehle ich Euch und Eure ganze Nation Gott, dem Allmächtigen, damit er stets Euer Leben mit dem Glauben beseelen möge. Mit diesen Empfehlungen erteile ich Euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Familie schafft Grundlagen für Heiligkeit Angelus am Christkönigssonntag, 20. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute morgen, am Christkönigsfest, konnte ich zu meiner Freude fünf neue Selige zur Ehre der Altäre erheben. Es sind fünf hervorragende Diener bzw. Dienerinnen des Gottesreiches, alle Ordensleute. Hyacinthe Marie Cormier war lange Jahre Generalmeister des Dominikanerordens und erwarb sich besondere Verdienste um die Vertiefung und Verkündigung der christlichen Wahrheit. Marie Poussepin fühlte sich zu einem Leben berufen, das ganz in den Dienst der Armen, der Jugend und Kranken gestellt war. Agnes de Jesus Galand zeichnete sich durch die tiefe Kontemplation und die totale Hingabe an den Willen Gottes aus. Eugenie Joubert widmete sich vor allem der christlichen Erziehung der Kinder. Claudio Granzotto trat durch die Fähigkeit hervor, Gottes Gegenwart in der Schönheit und Kunst wahrzunehmen, indem er die Bildhauerei zu einem Mittel der Evangelisierung machte. Unterschiedliche Persönlichkeiten, ungleiche Kontexte, verschiedene geistliche Wege: Die neuen Seligen haben Christus in ihren Herzen herrschen lassen. Ihr Leben bezeugt, daß die totale Hingabe an Gott das Menschsein nicht erniedrigt, sondern vielmehr erhöht, indem sie es mit einer neuen Verstandes- und Liebesfähigkeit ausstattet, ja sogar den Schönheitssinn erhöht und das Dasein für die unermeßlichen Möglichkeiten der Selbsthingabe öffnet. 2. Das Zusammentreffen dieser Seligsprechungen mit dem Beginn der Vorbereitung auf das große Jubiläum hilft uns, den Pastoralinitiativen, die in dem jüngsten Apostolischen Schreiben Tertio Millennio Adveniente vorgelegt wurden, die entsprechende Note zu geben. Die neuen Seligen halten uns dieses Bild mit neuer Eindruckskraft vor Augen und weisen uns darauf hin, daß der Einsatz für das Jubiläum fruchtlos bleibt, wenn er nicht dazu dient, in den christlichen Gemeinschaften das Bewußtsein der Berufung zur Heiligkeit zu wecken. Jeder Getaufte ist dazu berufen, heilig zu werden! Das gilt für die einzelnen, aber auch für die Familien, wie ich in dem ihnen gewidmeten Jahr mehrmals betonte. Die Kirche braucht mehr denn je heilige Familien, das 199 AUDIENZEN UND ANGELUS heißt Familien, die auch im normalen Alltagsleben wahre „Hauskirchen” sind. In solchen Familien bilden sich die Ansätze zur heroischen Heiligkeit. Gewiß kann Gott Heilige auch unter den schwierigsten Umständen wecken, aber die Erfahrung lehrt, daß gewöhnlich die Familie die erste Pflanzstätte der Heiligkeit ist. Die neuen Seligen kommen alle aus einfachen, frommen Familien. Es genügt, an den seligen Granzotto zu erinnern, der als jüngstes von neun Kindern die Grunderziehung in einer armen, leidgeprüften, aber gläubigen Familie erhielt und sich so aufs beste darauf vorbereitete, den Weg der Vollkommenheit in der größeren Familie des „Poverello” von Assisi zu gehen. 3. Die seligste Jungfrau Maria, die sich mit uns über diese ihre seliggesprochenen Kinder freut, wecke in der ganzen Kirche den brennenden Wunsch nach Heiligkeit. Sie helfe den jungen Menschen verstehen, daß nur dieser Weg zur Fülle des Menschseins und zur wahren Freude führt. Sie führe die christlichen Familien bei der Erfüllung ihrer unersetzlichen und edlen Sendung zur Ankunft des Reiches Gottes. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Die Kirche in Italien feiert heute den „Tag des Menschen unterwegs” unter dem Thema: „Migrationen: die Familie - erste erziehende Gemeinschaft”. Ich möchte den zahllosen italienischen Auswanderern im Ausland, den Seeleuten, den Nomaden und auch allen, die aus einem anderen Land stammen und sich in Italien niedergelassen haben, meinen herzlichen Gruß übermitteln, begleitet von meinem Gebetsgedenken. Im Einklang mit dem Jahr der Familie will der heutige Anlaß die Aufmerksamkeit der Gläubigen und der Institutionen auf die familiäre Wirklichkeit der Migranten lenken, die in den Ortskirchen und in der Gesellschaft eine angemessene und harmonische Eingliederung finden muß. Die Familie ist auch in dem schwierigen Bereich der Migrationen berufen, die erste erziehende Gemeinschaft zu sein. In ihr wird die Grundlage zu einem Zusammenleben geschaffen, auf dem sich die Achtung und das Verständnis unter Menschen verschiedener Kulturen und Traditionen abzeichnen. Ich rufe jeden einzelnen auf zu konkreten Gesten der brüderlichen Aufnahme und christlichen Solidarität unseren wandernden Mitmenschen gegenüber. Morgen, anläßlich des Festes der Darstellung Marias im Tempel, ist die christliche Gemeinschaft in Italien außerdem aufgerufen, für die Klausurschwestem an diesem ihnen gewidmeten Tag zu beten. Bei der jüngsten Bischofssynode wurde erneut die Bedeutung des Lebens solcher Gemeinschaften unterstrichen, die „in Einsamkeit und Schweigen, anhaltendem Gebet und hochherziger Buße ... im mystischen Leib Christi ... immer eine hervorragende Stelle einnehmen” (Perfectae caritatis, Nr. 7). Danken wir diesen Schwestern für ihr Zeugnis, und stehen wir ihnen auch in ihren materiellen Bedürfnissen bei. 200 A UDIENZEN UND ANGELUS Die gottgeweihte Keuschheit im Ehehund der Kirche mit Christus Ansprache bei der Generalaudienz am 23. November 1. Die Ordensleute rufen nach dem Konzilsdekret Perfectae caritatis „allen Christgläubigen jenen wunderbaren Ehebund in Erinnerung, den Gott begründet hat und der erst in der kommenden Welt ganz offenbar wird, den Ehebund der Kirche mit Christus, ihrem einzigen Bräutigam” (Perfectae caritatis, Nr. 12). In diesem Ehebund erkennt man den grundlegende Wert der auf Gott hingeordneten Jungfräulichkeit bzw. des Zölibats. Aus diesem Grund spricht man von „gottgeweihter Keuschheit”. Die Wahrheit dieses Ehebundes zeigt sich in nicht wenigen Aussagen des Neuen Testaments. Wir erinnern uns, daß schon Johannes der Täufer Jesus den Bräutigam nennt, der die Braut hat, das heißt das Volk, das zu ihm läuft und sich taufen läßt; während er, Johannes, sich selbst als den „Freund des Bräutigams” bezeichnet, „der dabei steht und ihn hört” und „sich freut über die Stimme des Bräutigams” (.Joh 3,29). Es ist ein hochzeitliches Bild, das schon im Alten Testament verwendet wurde, um die enge Beziehung zwischen Gott und Israel darzustellen: Besonders die Propheten nach Hosea (1,2 ff.) bedienten sich seiner, um diese Beziehung hervorzuheben und sie dem Volk in Erinnerung zu rufen, wenn es ihm untreu war (vgl. Jes 1,21; Jer 2,2; 3,1; 3,6-12; Ez 16; 23). Im zweiten Buch Jesaja wird die Wiederherstellung Israels als Versöhnung der untreuen Braut mit dem Bräutigam dargestellt (/es 50,1; 54,5-8; 62,4-5). Das Vorhandensein dieses Bildes in der Frömmigkeit Israels geht auch aus dem Hohenlied der Liebe und aus Psalm 45 hervor, die von der jüdischen und christlichen Tradition als Hochzeitsgesänge ausgelegt wurden, die die Vermählung mit dem Messias-König vorwegnahmen. 2. In diesem Kontext der Tradition seines Volkes bedient sich Jesus dieses Bildes, um zu sagen, daß er selbst der angekündigte und erwartete Bräutigam ist: der Messias-Bräutigam (vgl. Mt 9,15; 25,1). Er besteht auf dieser Analogie und Terminologie, auch um zu erklären, was das „Reich” ist, das er bauen will. „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der die Hochzeit seines Sohnes vorbereitete” (Mt 22,2). Er vergleicht seine Jünger mit den Gefährten des Bräutigams, die sich über seine Anwesenheit freuen, aber fasten werden, wenn ihnen der Bräutigam genommen sein wird (vgl. Mk 2,19-20). Gut bekannt ist auch das andere Gleichnis von den zehn Jungfrauen, die auf das Kommen des Bräutigams zum Hochzeitsfest warten (vgl. Mt 25,1-13), wie auch das von den Knechten, die wachen und auf die Rückkehr ihres Herrn von der Hochzeit warten sollen (vgl. Lk 12,35-38). Man kann sagen, daß auch das erste Wunder, das Jesus in Kana gerade für ein Hochzeitsmahl wirkt, die gleiche Bedeutung hat (vgl. Joh 2,1-11). 201 AUDIENZEN UND ANGELUS Indem er sich selbst als Bräutigam bezeichnete, hat Jesus den Sinn seines Eintritts in die Geschichte verdeutlicht: Er ist gekommen, um die Hochzeit Gottes mit der Menschheit zu verwirklichen, der prophetischen Ankündigung entsprechend den Neuen Bund Jahwes mit seinem Volk zu errichten und in die Menschenherzen ein neues Geschenk göttlicher Liebe einzugießen, indem er sie die Freude spüren läßt. Als Bräutigam lädt er dazu ein, auf dieses Liebesgeschenk zu antworten: Alle sind gerufen, die Liebe mit Liebe zu beantworten. Von einigen fordert er eine vollständigere, entschiedenere, radikalere Antwort: die der Jungfräulichkeit oder des Zölibats „um des Himmelreiches willen”. 3. Bekanntlich hat auch der hl. Paulus das Bild des Bräutigams Christus aufgegriffen und entwickelt, das vom Alten Testament vorgegeben und von Jesus in seiner Predigt und in der Ausbildung der Jünger übernommen worden war, die die erste Gemeinschaft bilden sollten. Diejenigen, die verheiratet sind, mahnt der Apostel, sich das Bild der messianischen Hochzeit vor Augen zu halten: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt ... hat” (Eph 5,25). Aber auch außerhalb dieser besonderen Anwendung auf die Ehe betrachtet er das christliche Leben als einen Ehebund mit Christus: „Ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen” (2 Kor 11,2). Es ist ein Hinführen zu Christus, dem Bräutigam: Das will Paulus mit allen Christen tun. Aber zweifellos findet das paulinische Bild der reinen Jungfrau vollständigste Anwendung und höchsten Ausdruck in der gottgeweihten Keuschheit. Das herrlichste Vorbild dieser Verwirklichung ist die Jungfrau Maria, die das Beste der hochzeitlichen Tradition ihres Volkes in sich aufgenommen hat, wobei sie sich nicht auf das Bewußtsein ihrer besonderen Zugehörigkeit zu Gott auf sozialer und religiöser Ebene beschränkte, sondern den Gedanken der Bräutlichkeit Israels bis zur Ganzhingabe ihrer Seele und ihres Leibes „um des Himmelreiches willen” in der höchsten Form der bewußt gewählten Reinheit steigerte. Deshalb kann das Konzil bekräftigen, daß sich das gottgeweihte Leben in der Kirche in tiefer Übereinstimmung mit der seligen Jungfrau Maria verwirklicht (vgl. Lumen Gentium, Nr. 41), die vom Lehramt der Kirche als die „auf die vollkommenste Weise Gott Geweihte” dargestellt wird (vgl. Redemptionis donum, Nr. 17). 4. Aus den Worten Christi und aus der vorbildlichen Hingabe Marias ging in der christlichen Welt ein neuer Gedanke hervor, der unter den ersten Gemeinden bald bekannt wurde. Der Bezug auf den Ehebund zwischen Christus und der Kirche verleiht der Ehe selbst ihre höchste Würde: Hauptsächlich das Ehesakrament läßt die Eheleute in das Geheimnis des Bundes Christi und der Kirche eindringen. Aber das Gelübde der Jungfräulichkeit oder des Zölibats läßt die Geweihten unmittelbarer arr Geheimnis dieser Hochzeit teilhaben. Während die eheliche Liebe über ein menschliches Verbindungsglied zu Christus, dem Bräutigam, gelangt, zielt die jungfräuliche Liebe durch die unmittelbare Vereinigung mit ihm ohne weitere Vermittlung direki auf die Person Christi: eine wirklich vollständige und endgültige geistliche Hochzeit 202 AUDIENZEN UND ANGELUS So verwirklicht die Kirche in den Personen derer, die sich zur gottgeweihten Keuschheit bekennen und sie leben, aufs höchste ihren Bund als Braut mit Christus, dem Bräutigam. Deshalb muß man sagen, daß sich das jungfräuliche Leben im Herzen der Kirche entfaltet. 5. Auf der Ebene der dem Evangelium entsprechenden und christlichen Vorstellung ist hinzuzufügen, daß diese unmittelbare Verbindung mit dem Bräutigam eine Vorwegnahme des himmlischen Lebens darstellt, das von einer Anschauung oder Besitznahme Gottes ohne menschliche Vermittlung gekennzeichnet sein wird. Wie das II. Vatikanische Konzil sagt, ruft die gottgeweihte Keuschheit „jenen wunderbaren Ehebund in Erinnerung, den Gott begründet hat und der erst in der kommenden Welt ganz offenbar wird” (Perfectae caritatis, Nr. 12). Der Stand der Jungfräulichkeit oder des Zölibats hat deshalb in der Kirche eine eschatologische Bedeutung als besonders eindrucksvolle Ankündigung der Besitznahme Christi, des einzigen Bräutigams, die sich im lenseits voll verwirklichen wird. In diesem Sinn kann man den Ausspruch Jesu über den Lebensstand auslegen, der den Auserwählten nach der Auferstehung des Leibes zukommen wird: Sie „werden nicht mehr heiraten. Sie können auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und durch die Auferstehung (= Auferweckung) zu Söhnen Gottes geworden sind” (Lk 20,35-36). Der Stand der gottgeweihten Keuschheit deutet trotz der Unverständlichkeit und Schwierigkeiten des irdischen Lebens auf die Gemeinschaft mit Gott in Christus hin, die die Auserwählten in der himmlischen Seligkeit haben werden, wenn die Vergeistigung des auferweckten Menschen vollendet sein wird. 6. Betrachtet man dieses Ziel der himmlischen Gemeinschaft mit Christus, dem Bräutigam, dann versteht man das innere Glück des gottgeweihten Lebens. Der heilige Paulus weist auf dieses Glück hin, wenn er sagt, daß sich der Unverheiratete in allem um die Sache des Herrn sorgt und nicht zwischen der Welt und dem Herrn geteilt ist (vgl. 1 Kor 7,32-35). Aber es handelt sich um ein Glück, das keineswegs vom Opfer ausschließt oder entbindet, denn der gottgeweihte Zölibat bringt Verzichte mit sich, durch die er zu einer verstärkten Gleichgestaltung mit dem gekreuzigten Christus ruft. Der hl. Paulus erinnert ausdrücklich daran, daß Jesus Christus in seiner Liebe als Bräutigam sich für die Heiügung der Kirche hingegeben hat (vgl. Eph 5,25). Im Licht des Kreuzes verstehen wir, daß jede Verbindung mit Christus, dem Bräutigam, zur Liebe zum Gekreuzigten verpflichtet, so daß diejenigen, die sich zur gottgeweihten Keuschheit bekennen, wissen, daß sie zu einer tieferen Teilhabe am Opfertod Christi für das Heil der Welt bestimmt sind (vgl. Redemptionis donum, Nr. 8 und Nr. 11). 7. Die Beständigkeit des Ehebundes Christi und der Kirche wird im endgültigen Wert des Gelübdes der gottgeweihten Keuschheit im Ordensleben deutlich: „Die Weihe ist aber um so vollkommener, je mehr sie durch die Festigkeit und Beständigkeit der Bande die unlösliche Verbindung Christi mit seiner Braut, der Kirche, darstellt” (Lumen Gentium, Nr. 44). Die Unauflöslichkeit des Bundes der Kirche 203 AUDIENZEN UND ANGELUS mit Christus, dem Bräutigam, an der man durch die Verpflichtung zur Selbsthingabe an Christus im jungfräulichen Leben teil hat, begründet den ständigen Wert des ewigen Gelübdes. Man kann sagen, daß es das „absolute” Geschenk an Ihn, den Absoluten, ist. Das gibt Jesus selbst zu verstehen, wenn er sagt: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes” (Lk 9,62). Die Beständigkeit, die Treue des Einsatzes im Ordensleben wird im Licht dieser Worte des Evangeliums deutlich. Durch das Zeugnis ihrer Treue zu Christus unterstützen die Gottgeweihten die Treue der Eheleute im Ehebund. Der Auftrag, diese Hilfe zu leisten, gründet in der Erklärung Jesu über die, die ehelos bleiben um des Himmelreiches willen (vgl. Mk 19,10-12): Mit ihr wollte der Meister zeigen, daß die Unauflöslichkeit der Ehe - die er zuvor verkündet hatte - nicht unmöglich einzuhalten ist, wie die Jünger andeuteten, denn es gibt Menschen, die mit Hilfe der Gnade außerhalb der Ehe in vollständiger Enthaltsamkeit leben. Man sieht also, daß der gottgeweihte Zölibat und die Ehe im göttlichen Heilsplan verbunden und alles andere als einander entgegensetzt sind. Beide zusammen sind dazu bestimmt, den Bund Christi mit der Kirche besser zum Ausdruck zu bringen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Lehrerinnen und Schülerinnen der Liebfrauenschule Rottenburg. Euch allen, Euren Lieben zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen wünsche ich eine gesegnete Adventszeit und erteile Euch von Herzen meinen Apostoüschen Segen. Auf tschechisch sagte der Papst: Liebe Pilger aus Prag! Die letzten drei Jahre des Jahrzehnts der geistigen Erneuerung Eurer Nation treffen in providentieller Weise mit der begonnenen Vorbereitungsphase des Großen Jubiläums zusammen. Das Thema des kommenden Jahres ist der hl. Prokop: die ganzheitliche Bildung der Persönlichkeit. Dann folgen die hll. Kyrill und Method mit dem Thema: Evangelisierung und Gebet; und im Jahre 1997 das lebendige Zeugnis des hl. Adalbert, Märtyrer und Bischof. Mögen Euer Glauben und Euer Gebet diesen Großen Eurer Kirche immer näherbringen. Von Herzen erteile ich Euch und Euren Lieben in Eurer Heimat meinen Apostolischen Segen. Gelobt sei Jesus Christus! 204 AUDIENZEN UND ANGELUS Neue Kardinäle aus der Kirche der Märtyrer Angelus am 1. Adventssonntag, 27. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute, am ersten Adventssonntag, beginnen wir ein neues liturgisches Jahr. „Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele”, haben wir im Psalm 25 wiederholt und die Einladung angenommen, nach oben zu schauen und dem entgegenzugehen, der uns sein Heil bringt. Die Kirche fordert die Gläubigen auf, sich als Pilger mutig auf den Weg zu Jesus, unserem Herrn, zu machen, der kommt, uns zu besuchen. Die treffenden, drängenden Worte der Liturgie erklingen besonders eindringlich in diesen Adventstagen, die den Beginn der ersten Vorbereitungsphase auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 kennzeichnen. In der Adventszeit, die heute für uns beginnt, sind wir gerufen, das Lob und den Dank angesichts des großen Geschenkes der Menschwerdung des Wortes und der Erlösung in vollem Ausmaß zu leben, und wir werden eingeladen, uns über die Gnade zu freuen, daß wir von unseren Sünden erlöste und geliebte Söhne und Töchter der Kirche sind. Im gleichen Maße werden wir ermutigt, uns immer stärker des Bösen bewußt zu werden, das die Christen bedroht, wenn sie sich „vom Geist Christi und seines Evangeliums ... entfernt haben” (Tertio Millennio Adveniente, Nr. 33). Dieses erneuerte Bewußtsein muß die ganze Kirche, die sich anschickt, die Schwelle des neuen Jahrtausends zu überschreiten, dazu anspomen, dem Menschen dieser Zeit die erbarmende Liebe des Herrn mit Eifer zu verkünden und ein mutiges Zeugnis der Treue zu seinem Evangelium zu geben. 2. Die Treue zu Christus erfordert eine Standhaftigkeit, die bis zum eigenen Blutvergießen gehen kann, wie gestern den neuen Kardinälen bei der Feier des Konsistoriums in Erinnerung gerufen wurde. Mit Liebe begrüße ich diese ehrwürdigen Brüder, die gekommen sind, um an der Kirche von Rom teilzuhaben, die die Vorsehung dem Apostel Petrus und seinen Nachfolgern anvertraut hat. Ich begrüße sie zusammen mit ihren Angehörigen und mit allen, die sie bei diesem freudigen Anlaß begleiten. Das unterstreicht auch sichtbar die Universalität der Kirche, die durch das Band der Einheit, Wahrheit und Liebe verbunden ist. Die Purpurwürde, mit der sie zum Zeichen der Hingabe bis zum Tod an Jesus, unseren Herrn, bekleidet sind, zeigt an, daß das Geschenk der Einheit der Kirche Frucht des Blutes Christi, unseres Friedens, ist, durch den „wir beide in dem einen Geist Zugang zum Vater” haben {Eph 2,18). Die Anwesenheit einiger neuer Kardinäle aus besonders schwer geprüften Gemeinschaften erinnert uns an die „Kirche der Märtyrer” unserer Zeit wie auch an das 205 AUDIENZEN UND ANGELUS Leiden Christi, das in so vielen Brüdern und Schwestern andauert, die Opfer der Gewalt und des Krieges geworden sind. 3. Maria, die Mutter der Kirche, begleite sie in ihrem kirchlichen Dienst. Die Jungfrau des Advents leite uns alle in dieser Zeit der Erwartung, wo wir das Geheimnis der ersten Ankunft betrachten, das sich in der Menschwerdung erfüllt hat, und den Blick auf den letzten Tag richten, an dem der Herr „mit allen seinen Heiligen kommt” (7 Thess 3,13). Die Novene zur Vorbereitung auf das Fest der Immakulata, die wir am nächsten Dienstag beginnen werden, möge allen Christen Gelegenheit geben, ihre Beratung neu zu entdecken, indem sie Maria nachahmen, die den Willen Gottes ohne Vorbehalt angenommen hat. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Im Advent sind die Gläubigen der Diözese Rom eingeladen, sich erneut die Beschwerlichkeiten vor Augen zu halten, unter denen das römische Stadtrandgebiet durch den Kirchenmangel leidet. Um diesem Mangel abzuhelfen, wurde seinerzeit das Projekt „50 Kirchen bis zum Jahr 2000” entworfen. Es ist notwendig, für jeden Stadtteil eine angemessene Pfarrstruktur sicherzustellen, die Begegnungsort der christlichen Gemeinschaft und Bezugspunkt des sozialen Stadtgefüges ist. Während ich allen danke, die in den vergangenen Jahren diesbezüglich konkrete Sensibilität bewiesen haben, hoffe ich, daß sich die Gläubigen im Geist des Fastens und der Enthaltsamkeit, die den Advent kennzeichnen, bemühen, tatkräftig zum Bau der noch mangelden Pastoralzentren beizutragen. Evangelische Armut - Grundbedingung gottgeweihten Lebens Ansprache bei der Generalaudienz am 30. November 1. In der heutigen Welt, wo ein so krasser Gegensatz herrscht zwischen den alten und neuen Formen von Habgier und den Erfahrungen unglaublichen Elends, in dem überaus breite Bevölkerangsschichten leben, tritt schon auf soziologischer Ebene der Wert der freigewählten und konsequent gelebten Armut immer deutlicher hervor. Auch vom christlichen Standpunkt aus wurde die Armut immer schon als eine Lebenshaltung praktiziert, die die Christusnachfolge erleichtert durch die Übung der Kontemplation, des Gebets und der Evangelisierung. Es ist wichtig für die Kirche, daß viele Christen die Liebe Christi zu den Armen deutlicher erkennen und die Dringlichkeit spüren, sie zu unterstützen. Aber es ist auch wahr, daß die Bedingungen der heutigen Gesellschaft mit großer Schroffheit den Abstand verdeutlichen, der zwischen dem Evangelium der Armen und einer Welt besteht, die oft so erbittert die Interessen verfolgt, die mit dem gierigen Streben nach Reichtum verbunden sind, 206 AUDIENZEN UND ANGELUS der zum lebensbeherrschenden Idol geworden ist. Deshalb spürt die Kirche immer stärker den Antrieb des Geistes, arm zu sein unter den Armen, alle auf die Notwendigkeit hinzuweisen, sich dem von Christus gepredigten und praktizierten Armutsideal gleichgestalten und ihn in seiner aufrichtigen und tatkräftigen Liebe zu den Armen nachzuahmen. 2. In der Kirche hat sich besonders das Bewußtsein verstärkt und gefestigt, daß auf diesem Gebiet der Werte des Evangeliums die Ordensleute und all jene an vorderster Front stehen, die Christus im gottgeweihten Leben nachfolgen wollen und damit berufen sind, die Armut des Meisters und seine Liebe zu den Armen in sich selbst widerzuspiegeln und vor der Welt zu bezeugen. Er selbst verband den Rat der Armut sowohl mit dem Erfordernis persönlicher Entäußerung vom Hindernis der irdischen Güter, um das himmlische Gut zu erlangen, als auch mit der Liebe zu den Armen: „Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!” (Mk 10,21). Bei der Aufforderung zum Verzicht stellte Jesus dem reichen jungen Mann eine vorbehaltliche Bedingung für eine Nachfolge, die die engere Teilhabe an der Entäußerung der Menschwerdung mit sich brachte. Daran erinnerte Paulus die Christen in Korinth, um sie anzueifem, mit den Armen großherzig zu sein nach dem Beispiel dessen, „der reich war, aber euretwegen arm wurde, um euch durch seine Armut reich zu machen” (vgl. 2 Kor 8,9). Der hl. Thomas schreibt dazu: Jesus „ertrug die materielle Armut, um uns die geistlichen Reichtümer zu schenken” (vgl. Summa Theol., III, q.40, a.3). Alle, die seine Einladung annehmen und freiwillig den von ihm eröffneten Weg der Armut gehen, sind dazu bestimmt, die Menschheit geistlich zu bereichern. Weit entfernt davon, ihre Armut einfach der der anderen in der Welt lebenden Armen hinzuzufügen, sind sie berufen, ihnen den wahren Reichtum zu erwerben, der geistlicher Ordnung ist. Wie ich in dem Apostolischen Schreiben Re-demptionis donum darlegte, ist Christus „der Meister und Künder der Armut, die reich macht” (Redemptionis donum, Nr. 12). 3. Wenn wir auf den Meister schauen, lernen wir von ihm den wahren Sinn der evangelischen Armut und die Größe der Berufung, ihm auf dem Weg dieser Armut zu folgen. Und wir sehen vor allem, daß Jesus wirklich als Armer gelebt hat. Nach Paulus nahm er, der Sohn Gottes, die menschliche Verfaßtheit als Zustand der Armut an, und in dieser menschlichen Lage führte er ein Leben der Armut. Seine Geburt war die eines Armen, wie es der Stall, in dem er geboren wurde, und die Krippe, in die ihn seine Mutter legte, andeuten. Dreißig Jahre lang lebte er in einer Familie, in der Josef den Lebensunterhalt durch seine Zimmermannsarbeit verdiente, eine Arbeit, die er selbst dann teilte (vgl. Mt 13,55; Mk 6,3). In seinem öffentlichen Leben konnte er von sich sagen: „Der Menschensohn ... hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann” (Lk 9,58), um seine totale Hingabe an die messianische Sendung unter den Umständen der Armut anzudeuten. Und er ist als Knecht und Armer 207 AUDIENZEN UND ANGELUS am Kreuz gestorben, buchstäblich allem entäußert. Er wollte arm sein bis zum Äußersten. 4. Jesus hat die Seligpreisung der Armen verkündet: „Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes” {Lk 6,20). In diesem Zusammenhang erinnern wir uns daran, daß bereits im Alten Testament von den „Armen des Herrn” {Ps 74,19; 149,4 f.), denen das göttliche Wohlwollen gilt (Jes 49,13; 66,2), die Rede war. Es handelte sich nicht einfach um die, die Not litten, sondern vielmehr um die Einfachen, die Gott suchten und sich voll Vertrauen unter seinen Schutz stehten. Diese Haltungen der Demut und des Vertrauens erhellen den Sinn der Worte, die der Evangehst Matthäus in seiner Darstellung der Seligpreisung gibt: „Selig, die arm sind vor Gott” {Mt 5,3). „Arm” sind „vor Gott” diejenigen, die ihr Vertrauen nicht auf Geld oder materielle Güter setzen, sondern sich dem Reich Gottes öffnen. Gerade diesen Wert der Armut lobt Jesus und empfiehlt ihn als gewählte Lebensform, die den freiwilligen Verzicht auf die Güter gerade zugunsten der Armen einschließen kann. Es ist der Vorrang einiger, von ihm erwählt und auf diesen Weg gerufen zu werden. 5. Jesus bekräftigt aber für alle die Notwendigkeit einer grundlegenden Entscheidung im Hinblick auf die Güter der Erde: sich von ihrer Tyrannei zu befreien. Niemand - sagt er - kann zwei Herren dienen. Entweder dient man Gott, oder man dient dem Mammon (vgl. Lk 16,13; Mt 6,24). Der Götzendienst am Mammon, das heißt Geld, ist mit dem Dienst für Gott unvereinbar. Jesus macht darauf aufmerksam, daß sich die Reichen leichter an das Geld hängen (das mit dem aramäischen Wort „Mammon” bezeichnet wird, das heißt „Schatz”) und es ihnen schwer fällt, sich an Gott zu wenden: „Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Denn eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als daß ein Reicher in das Reich Gottes gelangt” {Lk 18,24-25; par.). Jesus weist auf die doppelte Gefahr der Güter der Erde hin: das heißt, daß durch den Reichtum das Herz sich Gott und auch dem Mitmenschen gegenüber verschließt, wie man aus dem Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus ersieht (vgl. Lk 16,19-31). Dennoch verurteilt Jesus den Besitz irdischer Güter nicht ganz: Er möchte vielmehr die, die sie besitzen, an das zweifache Gebot der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten erinnern. Aber von dem, der es verstehen kann und will, fordert er viel mehr. 6. Das Evangelium ist im Hinblick auf diesen Punkt eindeutig: Von denen, die er rief und einlud, ihm nachzufolgen, forderte Jesus, seine Armut durch den Verzicht auf die wenigen oder vielen Güter zu teilen. Wir zitierten bereits seine Aufforderung an den reichen jungen Mann: „Verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen” {Mk 10,21). Es war eine oft wiederholte Grundforderung, mochte es sich darum handeln, Haus und Äcker (vgl. Mk 10,29; par.) oder das Boot (vgl. Mt 4,22) oder sogar alles zu verlassen: „Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn ei nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet” {Lk 14,33). Zu seinen „Jüngern”, das 208 AUDIENZEN UND ANGELUS heißt zu den durch eine Ganzhingabe ihrer Person in seine Nachfolge Berufenen, sagte Jesus: „Verkauft eure Habe, und gebt den Erlös den Armen” {Lk 12,33). 7. Diese Armut wird von denen gefordert, die einwilligen, Christus im gottgeweihten Leben nachzufolgen. Ihre Armut wird auch ein konkretes rechtliches Faktum, wie das Konzil hervorhebt. Es kann verschiedene Ausdrucksformen haben: vom totalen Verzicht auf den Besitz von Gütern, wie in den alten „Bettelorden”, und wie es heute auch den Mitgliedern der anderen Ordensgenossenschaften erlaubt ist (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 13), bis zu den anderen möglichen Formen, die das Konzil zu suchen ermutigt (vgl. ebd.). Wichtig ist, daß die Armut wirklich als Teilhabe an der Armut Christi gelebt wird: „Die Ordensarmut beschränkt sich nicht auf die Abhängigkeit von den Obern im Gebrauch der Dinge. Die Mitglieder müssen tatsächlich und in der Gesinnung arm sein, da sie ihr Besitztum im Himmel haben (vgl. Mt 6,20)” (Perfectae caritatis, Nr. 13). Die Institute sind zu einem gemeinschaftlichen Zeugnis der Armut aufgerufen. Das Konzil hat, indem es der Stimme zahlreicher Meister der Spiritualität und des Ordenslebens neues Ansehen verlieh, insbesondere darauf hingewiesen, daß die Institute „doch allen Schein von Luxus, von ungeordnetem Gewinnstreben und von Güteranhäufung vermeiden sollen” (Perfectae caritatis, Nr. 13). Und daß ihre Armut vom Geist des Teilens zwischen den verschiedenen Ordensprovinzen und -häusem und der Hochherzigkeit für die „Erfordernisse der Kirche und für den Unterhalt der Armen” beseelt sein muß (ebd.). 8. Ein weiterer Punkt, der in der jüngsten Entwicklung der Armutsformen hervortritt, zeigt sich in der Empfehlung des Konzils in bezug auf „das allgemeine Gesetz der Arbeit” (.Perfectae caritatis, Nr. 13). Früher gab es das gewählte und praktizierte Betteln als Zeichen der Armut, der Demut und der wohlwollenden Liebe zu den Notleidenden. Heute beschaffen sich die Ordensleute aber selbst alles, „was zu ihrem Lebensunterhalt und für ihre Aufgaben notwendig ist”. Das ist ein Lebensgesetz und eine Armutspraxis. Diese freiwillig und freudig anzunehmen, bedeutet, den Rat anzunehmen und an die Seligpreisung der evangelischen Armut zu glauben. Es ist der größte Dienst, den die Ordensleute unter diesem Aspekt dem Evangelium leisten können: Zeugnis zu geben für den Geist der vertrauensvollen Hingabe an den Vater und ihn in die Tat umzusetzen als wahre Jünger Christi, der diesen Geist gelebt, gelehrt und der Kirche als Erbe hinterlassen hat. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Theologiestudenten, die in Rom ihr Freisemester verbringen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie allen jetzt mit uns verbundenen 209 AUDIENZEN UND ANGELUS Gläubigen erteile ich mit meinen besten Wünschen für eine besinnliche Adventszeit von Herzen meinen Apostolischen Segen. Zum Fest des hl. Andreas Worte des Papstes am Ende der Generalaudienz: Heute feiern wir das Fest des hl. Apostels Andreas, Bruder des Simon Petrus, Patron der Kirche in Konstantinopel, wohin sich, wie es Brauch ist, eine Delegation des Hl. Stuhls begeben hat. Ich möchte Seiner Heiligkeit dem Patriarchen Bartholomäus I. und der ganzen Kirche von Konstantinopel einen Gedanken besonderer Zuneigung widmen. Bitten wir gemeinsam den Heiligen Geist, er möge auf die Fürsprache der beiden heiligen Brüder, der Apostel Petrus und Andreas, der Kirche gewähren, sich bald ihrer vollen Einheit zu erfreuen. Advent - Zeit der Umkehr und des Heils Angelus am 2. Adventssonntag, 4. Dezember 1. „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!” (Lk 3,4). Mit diesen Worten mahnt uns das Evangelium heute, am 2. Adventssonntag, das Herz zu bereiten, um den Herrn, der kommt, zu empfangen. Und die heutige Liturgie stellt uns als Vorbild dieser inneren Bereitschaft die ernste Gestalt Johannes’ des Täufers vor, der in der Wüste zur Umkehr aufruft. Sein Zeugnis legt uns nahe, daß wir, um dem Herrn entgegenzugehen, in uns und um uns Raum, „Wüste”, schaffen müssen: Gelegenheiten des Verzichts auf das Überflüssige, Suche nach dem Wesentlichen und eine Atmosphäre der Stille und des Gebets. Der hl. Johannes der Täufer ruft vor allem zur Umkehr zu Gott auf, indem man mit Entschlossenheit die Sünde meidet, die das Herz des Menschen krank macht und ihm die Freude der Begegnung mit dem Herrn raubt. Die Adventszeit ist besonders geeignet, die göttliche Liebe zu erfahren, die heilt. Der Christ kann diese Erfahrung vor allem im Sakrament der Versöhnung machen, wo er die Wahrheit des eigenen Seins im Licht des Wortes Gottes entdeckt und die Freude des wiedergefundenen Friedens mit sich selbst und mit Gott kostet. 2. Johannes verkündet das Kommen des Erlösers in der Wüste. Dieser Ort erinnert auch an viele ernste Situationen von heute: Die moraüsche und religiöse Gleichgültigkeit, die Mißachtung des menschlichen Lebens, das noch nicht geboren ist oder das seinem letzten natürlichen Ende zugeht, Rassenhaß, Gewalt, Krieg und Intoleranz sind gleichfalls Ursachen dieser „Wüste” der Ungerechtigkeit, des Schmerzes und der Verzweiflung, die in unserer Gesellschaft vordringt. 210 A UDIENZEN UND ANGELUS Vor diesem Hintergrund muß sich der Gläubige wie Johannes der Täufer zum Sprecher machen, der das Heil des Herrn verkündet, indem er seinem Evangelium voll entspricht und es in der Welt sichtbar bezeugt. 3. Wir gehen auf das Ende des Jahres der Familie zu, das mit Nachdruck die unersetzliche Rolle dieser Urzelle der Gesellschaft bei der menschlichen und christlichen Erziehung der Person unterstrichen hat. In dieser unserer Zeit, der Zeit der Neuevangelisierung, ist es notwendig, daß die christlichen Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder besondere Sorgfalt anwenden, damit diese mutige Zeugen des Erlösers in der Welt von heute werden. Indem sie selbst die ersten Katecheten ihrer Kinder werden, können sie in ihnen leichter eine große Liebe für das Wort Gottes wecken, und während sie ihr Leben täglich dem Evangelium entsprechend gestalten, ermutigen sie sie zu konsequenten und großmütigen Entscheidungen, die für jeden wahren Jünger des Herrn typisch sind. Beten wir, daß jede christliche Familie eine kleine, missionarische Kirche und eine Schule von Verkündern des Evangeüums sei. Empfehlen wir diesen Sendungsauftrag aller gläubigen Familien wie auch ihre Freuden und Leiden der Unbefleckten Jungfrau, deren Fest wir am kommenden Donnerstag feiern. Maria sei unser Vorbild und unsere Führerin; besonders Vorbild der Familien. Der Gehorsam nach dem Evangelium im Ordensleben Ansprache bei der Generalaudienz am 7. Dezember 1. Als Jesus Jünger in seine Nachfolge berief, schärfte er ihnen die Notwendigkeit eines unbedingten Gehorsams seiner Person gegenüber ein. Es handelte sich nicht nur um die allgemeine Beobachtung des göttlichen Gesetzes und der Gebote des rechten und wahrhaftigen menschlichen Gewissens, sondern um eine weit höhere Verpflichtung. Christus nachfolgen heißt, das vollbringen wollen, was er selbst befohlen hat, und für die Ankunft des Reiches Gottes im Dienst des Evangeliums sich seiner Führung unterzuordnen (Lk 9,60.62). Außer der Verpflichtung zum Zölibat und zur Armut forderte Jesus mit seinem „Folge mir!” auch die zum Gehorsam. Dadurch dehnte er auf die Jünger seinen Gehorsam aus, den er dem Vater gegenüber als fleischgewordenes Wort, als „Knecht Jahwes” (vgl. Jes 42,1; 52,13-53,12; Phil 2,7), erwiesen hat. Wie die Armut und die Keuschheit, so war auch der Gehorsam kennzeichnend für die Erfüllung der Sendung Jesu, ja sogar deren Grundprinzip und - in tiefes, lebendiges Gefühl übersetzt - der Antrieb zu den Worten: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen” (Joh 4,34; vgl. Redemptionis donum, Nr. 13). Wir wissen aus dem Evangelium, daß Jesus aufgrund dieser Haltung in voller Selbsthingabe bis zum Opfertod am Kreuz geht, wo er, der göttlicher Natur war, „sich erniedrigte und gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am 211 AUDIENZEN UND ANGELUS Kreuz”, wie Paulus schreibt (Phil 2,8). Der Brief an die Hebräer unterstreicht, daß Jesus Christus, „obwohl er der Sohn war, durch Leiden den Gehorsam gelernt hat” (Hebr 5,8). Jesus selbst ließ durchblicken, daß er die Absicht hatte, sich selbst ganz hinzugeben, gleichsam angezogen durch ein geheimnisvolles „pondus Crucis”, eine Art Schwerkraft des Opferlebens, das seine höchste Ausdrucksform im Gebet von Getsemani findet: „Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht, was ich will, sondern was du willst” (Mk 14,36). 2. Als Erben der von Jesus unmittelbar zur Nachfolge in seiner messianischen Sendung berufenen Jünger bringen die Ordensleute - so lehrt das jüngste Konzil - im Gelübde des Gehorsams die „volle Hingabe ihres Willens gleichsam als Opfer ihrer selbst Gott dar. Dadurch werden sie fester und sicherer dem göttlichen Heilswillen geeint” (Perfectae caritatis, Nr. 14). In Übereinstimmung mit dem göttlichen Heilswillen ist der Verzicht auf die eigene Freiheit gerechtfertigt. Offen für den Heilsplan Gottes in dem ganzen Ausmaß, in dem der Vater alle Geschöpfe umfängt, geht der Gehorsam nach dem Evangelium weit über die einzelne Bestimmung der Jünger hinaus: Er ist eine Teilhabe am Werk der universalen Erlösung. Dieser Heilswert wurde von Paulus in bezug auf den Gehorsam Christi unterstrichen. Wenn die Sünde durch einen Akt des Ungehorsams die Welt überflutet hat, dann wurde das universale Heil durch den Gehorsam des Erlösers erlangt: „Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden” (Röm 5,19). In der Patristik der ersten Jahrhunderte wird der von Paulus gezogene Vergleich zwischen Adam und Christus aufgegriffen und weiterentwickelt, ebenso der Hinweis auf Maria im Verhältnis zu Eva im Hinblick auf den Gehorsam. So schreibt der hl. Irenaus: „Der Knoten von Evas Ungehorsam wurde durch Marias Gehorsam gelöst” (vgl. Adversus Haereses, 3, 22, 4). „Wie jene zum Ungehorsam gegenüber Gott verführt worden war, so ließ sich diese zum Gehorsam gegenüber Gott überreden” (vgl. ebd.). Deshalb wurde Maria Gehilfin beim Heilswerk: „causa salutis” {ebd.). 3. Der hl. Thomas sieht im Ordensgehorsam die vollkommenste Form der Nachfolge Christi, von dem Paulus sagt: „Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz” {Phil 2,8). Der Gehorsam steht deshalb in der Hingabe durch das Ordensgelübde an erster Stelle (vgl. II-II, q.186, aa.5, 7 ,8). Auf den Spuren dieser schönen und ausgeprägten christlichen Tradition betont das Konzil, daß sich die Ordensleute „unter der Anregung des Heiligen Geistes ... im Glauben den Obern (unterstellen), die Gottes Stelle vertreten, nach dem Beispiel Jesu Christi... Durch die Obern werden sie zum Dienst an allen Brüdern in Christus bestellt, wie auch Christus selbst im Gehorsam gegen den Vater den Brüdern diente und sein lieben als Lösepreis für viele dahingab” {Perfectae caritatis, Nr. 14). Der Gehorsam gegenüber dem Vater wurde von Jesus verwirklicht, ohne daß er 212 AUDIENZEN UND ANGELUS menschliche Mittlerschaft ausschloß. Jesus gehorchte in seiner Kindheit Josef und Maria: Lukas sagt, er „war ihnen gehorsam” (Lk 2,51). So ist Jesus das Vorbild derer, die einer menschlichen Autorität gehorchen und in dieser Autorität ein Zeichen des göttlichen Willens sehen. Und durch den evangelischen Rat des Gehorsams werden die Ordensleute aufgerufen, den Oberen als den Stellvertretern Gottes zu gehorchen. Deshalb betont Thomas, wo er einen Text (c. 68) der Regel des hl. Benedikt erläutert, daß der Ordensmann sich an das Urteil des Obern halten soll (vgl. I-II, q.13, a.5 ad 3). 4. Leicht zu verstehen ist, daß bei der Erkenntnis dieser göttüchen Stellvertretung in einem Menschen oft die Schwierigkeit des Gehorsams auftritt. Wenn hier nun das Geheimnis des Kreuzes aufscheint, darf man es nicht aus den Augen verlieren. Man soll immer daran denken, daß der Ordensgehorsam nicht einfach menschliche Unterordnung unter eine menschliche Autorität ist. Wer gehorcht, unterwirft sich Gott, dem göttlichen Willen, der im Willen der Oberen Ausdruck findet. Es ist eine Sache des Glaubens. Die Ordensleute wollen an Gott glauben, der ihnen seinen Willen durch die Oberen mitteilt. Auch in den Fällen, in denen die Fehler der Oberen erscheinen, drückt ihr Wille, wenn er nicht im Gegensatz zu Gottes Gesetz oder zur Regel steht, den göttlichen Willen aus. Selbst wenn nach menschlichem Ermessen eine Entscheidung unklug zu sein scheint, nimmt die Einsicht des Glaubens das Geheimnis des göttlichen Willens an: mysterium Crucis. Im übrigen trägt die wenn auch unvollkommene menschliche Mittlerschaft ein authentisches Kennzeichen: das der Kirche, die durch ihre Vollmacht die Ordensinstitute und ihre Gesetze als sichere Wege der christlichen Vollkommenheit approbiert. Zu diesem Beweis der Kirchlichkeit kommt noch ein anderer; er entspringt der Zielsetzung der Ordensinstitute, „zur Auferbauung des Leibes Christi nach Gottes Absicht beizutragen” (Perfectae caritatis, Nr. 14). Für die Ordensleute, die den Gehorsam so verstehen und üben, wird er der Schlüssel zum wahren Glück, das aus der christlichen Gewißheit erwächst, nicht dem eigenen, sondern dem göttlichen Willen mit einer starken Liebe zu Christus und zur Kirche zu gehorchen. Den Oberen hingegen empfiehlt das Konzil, als erste auf den Willen Gottes zu hören; sich ihrer Verantwortung bewußt zu sein; den Geist des Dienstes zu entfalten; die Liebe zu ihren Mitbrüdem zum Ausdruck zu bringen; die Person ihrer Untergebenen zu achten; eine Atmosphäre der Zusammenarbeit zu fördern und bereitwillig ihre Mitbrüder anzuhören, jedoch unter voller Wahrung ihrer Entscheidungsbefugnis (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 14). 5. Die Liebe zur Kirche stand am Anfang der Regeln und Konstitutionen der Ordensfamilien, die manchmal ausdrücklich die Verpflichtung der Unterordnung unter die kirchliche Obrigkeit aussprachen. So erklärt sich das Beispiel des hl. Ignatius von Loyola, der, um Christus und der Kirche besser zu dienen, der Gesellschaft Jesu das bekannte „vierte Gelübde” gab, das des „besonderen Gehorsams gegenüber dem Papst in bezug auf die Missionen”. Dieses Gelübde hebt eine Regel hervor, die 213 AUDIENZEN UND ANGELUS in jedem Ordensgelübde mitenthalten war und ist. Auch andere Institute haben diese Regel in der einen oder anderen Weise deutlich dargelegt. Heute stellt sie der Codex des kanonischen Rechtes entsprechend der besten Tradition der aus dem Evangelium erwachsenen Lehre und Spiritualität heraus: „Die Institute des geweihten Lebens unterstehen, weil sie in besonderer Weise dem Dienst für Gott und die ganze Kirche gewidmet sind, aus einem eigenen Grunde ihrer höchsten Autorität” (can. 50, § 1). „Die einzelnen Mitglieder sind gehalten, dem Papst als ihrem höchsten Oberen auch kraft der heiligen Gehorsamsbindung Folge zu leisten” (ebd., § 2). Es sind Lebensregeln, die - im Glauben angenommen und befolgt - die Ordensleute weit über einen Rechtsbegriff, der die Beziehungen in die christliche Gemeinschaft einordnet, hinausführt: Sie haben das Bedürfnis, sich mit ihrer Arbeit oder wenigstens mit ihrem Gebet und immer mit kindlicher Liebe so weit wie möglich in die geistlichen Ausrichtungen und apostolischen Initiativen der Kirche einzugliedem. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dem Wunsch, hebe Schwestern und Brüder, in dieser Adventszeit in Gebet unc mit Werken der Nächstenhebe unserem Erlöser Jesus Christus entgegenzugehen begrüße ich Euch alle sehr herzhch. Euch, Euren heben Angehörigen und Freunder zu Hause sowie allen, die uns in diesem Augenblick verbunden sind, erteile ich vor Herzen meinen Apostolischen Segen. Auf slowakisch sagte der Papst: Herzhch grüße ich den Chor „Drienka” der Kathohschen Union von Tmava. Wi wissen, daß das heihgste und von Gott am meisten geliebte Geschöpf der Welt die Jungfrau Maria ist. Morgen begehen wir ihr großes Fest. Auch der Lobgesang Mari as - das Magnifikat - war Gott am angenehmsten, weil er aus ihrem unbeflecktei Herzen kam. Liebe Sänger von Tmava, auch Ihr bemüht Euch, Euren Glauben mi reinem Herzen musikalisch zum Ausdmck zu bringen. Möge Euer ganzes Leben eil Gesang mit dem Ausdruck der Herrlichkeit Gottes sein. In dieser edlen Aufgabi stärke Euch bei Eurer Pilgerfahrt nach Rom mein Apostolischer Segen. Gelobt sei Jesus Christus. Maria - Zeichen der Treue Gottes Angelus am Fest der Unbefleckten Empfängnis, 8. Dezember 1. „Tota pulchra es, Maria, et macula originalis non est in Te.” Die Kirche betrachtet heute voll Dankbarkeit und mit Staunen die Wundertaten, di der Herr an Maria vollbracht hat, an ihr, der das christliche Volk mit den Worte der alten Antiphon zujubelt: „Ganz schön bist du, Maria; in dir ist nicht der Erb schuld Makel” (Hld 4,7). 214 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Mysterium von Gnade und Schönheit, das die jungfräuliche Mutter umgibt, hat den Ursprung in der Liebe Gottes, der sie, vom Anfang ihres Seins an, vom Makel der Erbsünde und von ihren Folgen bewahrt hat und sie somit vorbereitete, würdige Mutter seines Sohnes zu werden. Auf diese Weise hat Gott Maria über alle anderen Geschöpfe erhoben, sie mit Gnade erfüllt und zum wunderbaren Spiegelbild seiner Herrlichkeit gemacht. 2. Die „Unbefleckte” ist das Zeichen der Treue Gottes, die sich der menschlichen Sünde nicht ergibt. Ihre Fülle an Gnade erinnert uns an die unermeßlichen Möglichkeiten des Guten, der Schönheit, der Größe und der Freude, die der Mensch nützen kann, wenn er sich vom Willen Gottes leiten läßt und die Sünde ablehnt. Aus dem Licht jener, die uns der Herr als „Anwältin der Gnade und Vorbild der Heiligkeit” schenkt, lernen wir, stets der Sünde zu entfliehen. Bitten wir die Jungfrau, uns die Freude zu schenken, unter ihrer mütterlichen Aufsicht unser Leben in Reinheit und Heiligkeit zu gestalten. 3. Heute begebe ich mich auf den Spanischen Platz zur traditionellen Verehrung der Unbefleckten Empfängnis, die, oben von der Säule aus, die zu ihren Ehren errichtet wurde, auf die Stadt Rom blickt und sie beschützt. Am kommenden Samstag werde ich eine Pilgerfahrt zum Heiligtum von Loreto unternehmen, um dort, zusammen mit den Bischöfen, das Große Gebet für Italien, das im vergangenen März begonnen hat, abzuschließen. Am Schluß des Jahres der Familie, versammelt im Haus der Heiligen Familie, stellen wir die menschliche und christliche Erneuerung der italienischen Familien unter den Schutz der Mutter des Erlösers, damit sie Stätte und Werkzeug für die Neuevangelisierung sein mögen. Von der heiligen Jungfrau gestärkt, die sich in Loreto mehrere Male dem italienischen Volk als Mutter der Barmherzigkeit gezeigt hat, vertrauen wir dem Vater die teure nationale Gemeinschaft an, damit durch das Evangelium - dem Beispiel der großen Heiligen folgend - die Anregung zum Aufbau einer menschlicheren, weil shristlicheren Gesellschaft im Bück auf das dritte Jahrtausend fortgesetzt wird. Vach dem Angelus sagte der Papst: 1. Das Fest der Unbefleckten Empfängnis ist für die Katholische Aktion Italiens ein sehr wichtiges Datum. Einer schönen Tradition gemäß findet an diesem Tag die Aufnahme der Mitglieder mit der dementsprechenden Übernahme der Verpflichtungen statt. An diese verdienstvolle Vereinigung, die in Stille und mit großer Wirksamkeit in dien Regionen Italien tätig ist, richte ich den Wunsch, ausdauernd, in Treue zum ^ehramt, in der Bildung der Personen und mit lebendigem christlichen Zeugnis in ler großen Familie, die alle Italiener einschließt, zu wirken. 215 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Ich richte meinen Gruß auch an die Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Immacolata, geleitet vom Präsidenten, Kardinal Andrzej Maria Deskur, und spreche den Wunsch aus, daß die Tage des Nachdenkens anläßlich des heutigen Festes in allen den Entschluß bestärken, mit Freude die Weihe des Unbefleckten Herzens Marias zu erleben. Am Schluß fügte der Papst folgendes hinzu: Heute ist ein schöner Tag, dessen Schönheit jener entspricht, von der wir in der Liturgie sprechen: „Ganz schön bist du, Maria Auch der Tag ist schön. Gelobt sei Jesus Christus. Brief an die Kinder der Welt, zum Jahr der Familie angekündigt Angelus am 3. Adventssonntag, 11. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! Liebe Kinder! 1. Gestern war wirklich ein unvergeßlicher Tag. Wir haben in Loreto das Große Gebet für und mit Italien zu Ende geführt, das im März d. J. in den Vatikanischen Grotten beim Petrusgrab begonnen hatte. Wir haben dem mütterlichen Schutz Marias die Gegenwart und die Zukunft des italienischen Volkes, seine Hoffnungen, seine Freuden, seine Erwartungen und auch sein Leiden anvertraut. Mit Herz und Sinn sind wir beim Haus von Nazaret, und wir haben besonders der italienischen Familien gedacht, damit sie nach dem Vorbild der Heiligen Familie Schulen des Glaubens, der Menschlichkeit und der wahren Freude zu sein verstehen. Im jetzigen Augenblick der Geschichte wollten wir durch diese denkwürdige Feier die Vorrangstellung Gottes im Leben der Personen, der Familien und der Gesellschaft bekräftigen als unerläßliche Voraussetzung für den Aufbau einer glücklichen und gedeihlichen Zukunft. Ich möchte allen danken, die diese Begegnung vorbereitet haben, ebenso denen, die daran teilnahmen, und denen, die mit uns anläßlich der Eröffnung des 700jährigen Jubiläums des Lauretanischen Heiligtums geistig verbunden waren. Ein besonderer Dank gilt dem Päpstlichen Delegaten Msgr. Pasquale Macchi und allen, die sich darum bemühten, daß der Besuch einen guten Verlauf nahm. Dank vor allem unserem Herrn und der seligsten Jungfrau, die in Loreto „ihre mütterliche Güte austeilt’' (Hymnus zur Lauretanischen Madonna). 2. Dieses Ereignis fügt sich gut in die geistliche Atmosphäre des Advents ein, besonders in die des heutigen Sonntags, die ganz von der Einladung zur Freude durchwoben ist. Der Apostel Paulus enthüllt uns den Grund dieser inneren Freude „Der Herr ist nahe!” Christus ist unsere Freude! Die volle, wahre, tiefe Freude, vor 216 AUDIENZEN UND ANGELUS der niemand ausgeschlossen ist. Der Gläubige fühlt sie in sich langsam wachsen, während er sich eingehend auf das Kommen des Erlösers vorbereitet. 3. Liebe Brüder und Schwestern, der Herr kommt im Geheimnis der Weihnacht, und das erfüllt uns mit Freude. Ich sehe, daß hier auf dem Petersplatz wie jedes Jahr schon der Weihnachtsbaum aufgestellt wurde und auch die Krippe aufgebaut wird. All das trägt dazu bei, das Herz zu erfreuen. Wie auch eure Anwesenheit, liebe Jungen und Mädchen, Freude verbreitet. Ihr seid gekommen, damit ich die Krippenfiguren segne, die ihr in eure Krippe zu Hause legt. Liebe Kinder, ich wünsche euch, daß das göttliche Kind, das ihr in die zu Hause von euch vorbereitete „Grotte” legt, zum Mittelpunkt und Licht eurer Familie und eures Lebens werde. Ich möchte euch noch eine wichtige Ankündigung machen: In den nächsten Tagen wird ein Brief veröffentlicht, den ich zum Abschluß des Jahres der Familie gerade an euch, Kinder der ganzen Welt, geschrieben habe. Er ist ein Geschenk, das ich euch und euren Familie übergeben wollte: Lest ihn aufmerksam. Er wird euch helfen, euch besser auf die Feier des nächsten Weihnachtsfestes vorzubereiten, und ich bin sicher, daß er euch auch ermutigen wird, Jesus großmütiger nachzufolgen und ihn zu lieben, indem ihr frohe Verkünder seiner Botschaft für eine neue und friedvolle Welt werdet. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Jetzt segne ich von Herzen alle Krippen, vor allem die Figuren des Jesuskindes, die ihr mitgebracht habt. Dank auch dem Chor, der uns die Atmosphäre des nunmehr nahen Weihnachtsfestes verspüren ließ. Noch ein Wort an alle Anwesenden, besonders an die Kinder, an die römischen Kinder. Ihr seht, daß die Sonne euch führt und euch folgt. Gestern hat es geregnet, heute nicht. Heute scheint die Sonne! Ihr seid die Sonne unserer Zukunft. Der Herr segne euch, und das Jesuskind weise euch den Weg in eure und unsere Zukunft! Gemeinschaftsleben im Licht des Evangeliums Ansprache bei der Generalaudienz am 14. Dezember 1. Bei den Wesensmerkmalen des gottgeweihten Leben spricht das II. Vatikanische Konzil im Dekret Perfectae caritatis, nachdem es die evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams behandelt hatte, vom gemeinschaftlichen Leben unter Bezugnahme auf das Beispiel der ersten Christengemeinden und auf die Quelle des Evangeliums. Die Lehre des Konzils zu diesem Punkt ist sehr bedeutsam, auch wenn es bei einigen Formen des gottgeweihten Lebens, wie bei denen der Eremiten, ein Gemein- 217 AUDIENZEN UND ANGELUS schaftsleben im wahrsten Sinn des Wortes nicht gibt, oder wenn es weitgehend reduziert und in den Säkularinstituten nicht unbedingt erforderlich ist. Aber in den meisten Instituten des gottgeweihten Lebens wird es sowohl von den Gründern als auch von der Kirche als eine Grundregel für den guten Ablauf des Ordenslebens und für eine wirksame Regelung des Apostolats betrachtet. Dementsprechend hat die Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und die Gemeinschaften des apostolischen Lebens kürzlich (am 2. Februar 1994) ein Sonderdokument über „Das brüderliche Leben in der Gemeinschaft” veröffentlicht. 2. Wenn wir uns an das Evangelium halten, kann man sagen, daß das Gemeinschaftsleben dem entspricht, was Jesus über die Verbindung zwischen den beiden Geboten der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten gelehrt hat. In einem Lebensstand, in dem man Gott über alles lieben will, kann man nicht umhin, auch den Nächsten besonders hochherzig zu lieben, angefangen von denen, die uns am nächsten sind, weil sie zur selben Gemeinschaft gehören. Das ist der Lebensstand der „Gottgeweihten”. Aus dem Evangelium geht weiter hervor, daß Jesus wohl Einzelpersonen berufen hat, aber um sie allgemein einzuladen, sich zusammenzuschließen und eine Gemeinschaft zu bilden: Das galt für die Gruppe der Jünger wie auch für die der Frauen. Im Text des Evangeliums wird auch die Bedeutung der brüderlichen Liebe als Seele der Gemeinschaft und damit als wesentlicher Wert des Gemeinschaftslebens dokumentiert. Es wird von Streitigkeiten berichtet, die es mehrmals unter den Aposteln gab, die, obwohl sie Jesus nachfolgten, immer noch Menschen, Kinder ihrer Zeit und ihres Volkes waren: Sie waren besorgt, eine Rang- und Führungsordnung festzulegen. Die Antwort Jesu war eine Lehre der Demut und Dienstbereitschaft (vgl Mt 18,3-4; 20,26-28 und par.). Dann gab er ihnen „sein” Gebot, das der gegenseitigen Liebe (vgl. Joh 13,34; 15,12.17) nach seinem Beispiel. In der Geschichte dei Kirche und besonders der Ordensinstitute tauchte das Problem der Beziehungen zwischen Einzelmenschen und Gruppen immer wieder auf, fand aber keine andere gültige Antwort als die der christlichen Demut und brüderlichen Liebe, die im Na men und kraft der Liebe Christi vereint, wie es das alte „Agape”-Lied zum Aus druck bringt: Congregatvit nos in unum Christi amor. Die Liebe Christi hat uns zusammengeführt. Gewiß fordert die Praxis der brüderlichen Liebe im Gemeinschaftsleben bemer kenswerte Anstrengungen und Opfer und verlangt nicht weniger Hochherzigkeit al das Leben der evangelischen Räte. Deshalb bringt der Eintritt in ein Ordensinstitu oder in eine Gemeinschaft die ernste Verpflichtung mit sich, die brüderliche Lieh unter all ihren Aspekten zu verwirklichen. 3. Vorbild darin ist die Gemeinde der ersten Christen. Sie versammelt sich gleic nach der Himmelfahrt, um einmütig im Gebet zu verharren (vgl. Apg 1,14) und ur an der brüderlichen „Gemeinschaft” festzuhalten (Apg 2,42), und sie geht sogar bi zur Gütergemeinschaft: Sie „hatten alles gemeinsam” (Apg 2,44). Die von Christus 218 AUDIENZEN UND ANGELUS gewünschte Einheit wurde damals am Anfang der Kirche in einer Weise verwirklicht, die es wert ist, in Erinnerung gerufen zu werden: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele” (Apg 4,32). In der Kirche blieb immer die Erinnerung - und vielleicht auch die Sehnsucht - an diese Urgemeinde lebendig, und die Ordensgemeinschaften suchten im Grunde genommen immer, dieses Ideal der Gemeinschaft in der Liebe, die die praktische Regel des Gemeinschaftslebens geworden war, neu zu verwirklichen. Ihre durch die Liebe geeinten Mitglieder leben in Gemeinschaft, weil sie in dieser Liebe bleiben wollen. So können sie Zeugen des wahren Antlitzes der Kirche sein, in dem sich ihre Seele, die Liebe, widerspiegelt. „Ein Herz und eine Seele” bedeutet nicht Einförmigkeit, Vereinheitlichung, Verflachung, sondern tiefe Gemeinschaft im gegenseitigen Verständnis und in der Achtung voreinander. 4. Aber es darf sich nicht nur um eine gefühlsmäßige und menschlich hebevolle Verbundenheit handeln. Das Konzil, Widerhall der Apostelgeschichte, spricht von der „Gemeinsamkeit des Geistes” (Perfectae caritatis, Nr. 15). Es handelt sich um eine Gemeinsamkeit, die ihre tiefste Wurzeln im Heiligen Geist hat, der die Liebe in die Herzen gießt (vgl. Röm 5,5) und unterschiedliche Menschen antreibt, einander auf dem Weg der Vollkommenheit zu helfen, indem er unter ihnen eine Atmosphäre des guten Einvernehmens und der Zusammenarbeit schafft und aufrechterhält. So wie er die Einheit in der ganzen Kirche sichert, so stellt der Heilige Geist sie in noch größerem Maß in den Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens her und läßt sie andauem. Welches sind die Wege der vom Heiligen Geist eingegossenen Liebe? Das Konzil lenkt die Aufmerksamkeit besonders auf die gegenseitige Achtung (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 15). Es wendet zwei Empfehlungen des hl. Paulus an die Christen auf die Ordensleute an: „Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung” {Röm 12,10). - „Einer trage des anderen Last” {Gal 6,2). Die gegenseitige Achtung ist Ausdruck der gegenseitigen Liebe, die sich der weitverbreiteten Neigung widersetzt, den Nächsten streng zu verurteilen und zu kritisieren. Die Weisung von Paulus regt dazu an, in den anderen ihre Qualitäten zu entdecken und, so weit es menschliche Augen sehen können, das wunderbare Werk der Gnade und letzten Endes des Heiligen Geistes. Diese Achtung bringt die Annahme des anderen mit seinen Besonderheiten und seiner Denk- und Handlungsweise mit sich; so ist es möglich, viele Hindernisse zu überwinden, die der Eintracht unter oft sehr verschiedenen Charakteren entgegenstehen. „Der anderen Last zu tragen” bedeutet, die wahren oder scheinbaren Fehler der anderen liebevoll anzunehmen, auch wenn sie einem unangenehm sind, und gern alle Opfer auf sich nehmen, die beim Zusammenleben mit denen auferlegt werden, die eine Mentalität und ein Temperament haben, die mit der eigenen Sicht- und Urteilsweise nicht voll übereinstimmen. 219 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Das Konzil (Perfectae caritatis, Nr. 15) erinnert diesbezüglich immer daran, daß die Liebe die Erfüllung des Gesetzes ist (vgl. Röm 13,10), das Band der Vollkommenheit (vgl. Kol 3,14), das Zeichen des Überganges vom Tod zum Leben (vgl. 1 Joh 3,14), die Offenbarung des Kommens Christi (vgl. Joh 14,21.23) und die Kraftquelle für das Apostolat. Wir können auf das Gemeinschaftsleben die Vollkommenheit der von Paulus im ersten Korintherbrief (13,1-13) beschriebenen Liebe anwenden und ihm das zuschreiben, was der Apostel die Frucht des Geistes nennt: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung” (Gal 5,22): Früchte - so das Konzil - der „Liebe Gottes, die durch den Fleiligen Geist in den Herzen ausgegossen ist (vgl. Röm 5,5)” {Perfectae caritatis, Nr. 15). Jesus hat gesagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen” {Mt 18,20). Also: Die Gegenwart Christi ist überall dort vorhanden, wo Einheit in der Liebe herrscht, und die Gegenwart Christi ist eine Quelle tiefer Freude, die sich jeden Tag erneuert bis zum Augenblick der endgültigen Begegnung mit ihm. In deutscher Sprache sagte der Papst: Ich heiße Euch, die deutschsprachigen Pilger und Besucher, sehr herzlich willkommen. Mit meinen besten Wünschen für eine besinnliche Adventszeit erteile ich Euch und Euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen Apostoüschen Segen. In slowakischer Sprache sagte der Papst: Von ganzem Herzen grüße ich die junge folkloristische Gruppe Cecinka aus Preß-burg. Es freut mich, daß Ihr die slowakischen Volksbräuche pflegt. Bleibt auch Euren religiösen Traditionen treu - bleibt dem Glauben Eurer Väter treu. Vom Mysterium der Weihnacht, auf deren Feier wir uns vorbereiten, singt Unschöne Lieder. Verkündet damit die Freude darüber, daß Gott uns liebt und gekommen ist, um unter uns zu wohnen. Antwortet auf diese Seine Liebe mit vorbildlichem christlichen Leben. Mit dem Wunsch, daß Ihr und die ganze Slowakei frohe Weihnachten erleben möget, erteile ich Euch den Apostolischen Segen. Gelobt sei Jesus Christus. In ungarischer Sprache sagte der Papst: Ich grüße euch mit Zuneigung, liebe Pilger aus Budapest. Wir sind im Advent. Bereiten wir den Weg des Herrn und ebnen wir die Wege, die zu unserem Gott, dem Erlöser, führen. Warten wir mit lebendigem Glauben und mit Taten brüderlicher Barmherzigkeit auf die heilige Weihnacht, damit wir mit Freude das große Mysterium unserer Erlösung feiern können. Dies erbitte ich in der heiligen Messe für Euch, für Eure Lieben und alle Brüder in der Heimat. Mit meinem Apostolischen Segen. 220 AUDIENZEN UND ANGELUS Werdet Bauleute des Friedens und Boten der Freude! Angelus am 4. Adventssonntag, 18. Dezember 1. „Selig ist die, die geglaubt hat!” (Lk 1,45). Heute ist der vierte Adventssonntag, und die Liturgie lädt uns mit den Worten von Elisabeth ein, auf die Mutter der Glaubenden zu blicken, um zu lernen, Jesus aufzunehmen und ihn anderen zu schenken. In dieser Woche vor Weihnachten sind wir besonders aufgerufen, von Maria zu lernen, das fleischgewordene Wort zu erkennen und es mit Freude aufzunehmen. Damit die Erwartung eindringlich und nutzbringend ist, rät die Jungfrau des Magnificat uns, unseren Glauben mit dem Wort des Herrn zu nähren; wir werden dann die Wunderdinge erkennen, die Gott in demjenigen vollbringt, der Ihn mit aufrichtigem und reinem Herzen sucht. Maria ist selig, weil sie, als sie das Wort des Herrn hörte, den Sohn Gottes in ihrem Herzen vorbehaltlos erkannte und aufnahm, bevor sie ihn in ihrem Schoß empfing. 2. Der Besuch Marias bei Elisabeth, von dem heute das Evangelium erzählt, erinnert daran, daß der Glaube den Gläubigen drängt, den Mitmenschen Jesus zu bringen. Er läßt uns erkennen, welche Wunder die Christen wirken können: Indem sie den Herrn bringen, können sie der Welt die ansteckende Freude vermitteln. In wie vielen Situationen, die von Trauer, Ungerechtigkeit, Gewalt und Verlassenheit gekennzeichnet sind, wartet man darauf, daß die Gläubigen Trost und Hoffnung für alle bringen! In diesen Tagen denken wir an die Weihnachtsgeschenke: Das Geschenk ist ein frohes Zeichen der Liebe. Wenn der Christ diesem Weihnachtsbrauch folgt, darf er diejenigen nicht vergessen, die in Not sind und vielleicht nicht weit vom eigenen Haus wohnen. Die Geschenke für unsere Angehörigen und Freunde sollten nie eine Beleidigung für die Armen und Notleidenden sein. Die seligste Jungfrau lehre uns vor allem, daß der Herr, der aus Liebe arm wurde, jeden Jünger aufruft, sich selbst zum Geschenk für seine Mitmenschen zu machen. 3. Am vergangenen Donnerstag wurde der Brief veröffentlicht, den ich an die Kinder der ganzen Welt gerichtet habe. Zum Abschluß des Jahres der Familie wollte ich mich direkt an sie wenden mit der Einladung, ihre Einfachheit, ihre Lebensfreude, ihre Natürlichkeit und ihren mit Staunen erfüllten Glauben in den Dienst des Friedens und der Eintracht in den Familien und in der Welt zu stellen. Ich habe mit ihnen das Schicksal so vieler Kinder betrachtet, die oft unter Hunger, Elend, Krankheit, Krieg und Gewalttaten leiden, ja sogar von ihren Eltern verlassen werden, und ich habe sie eingeladen, ihren Altersgenosssen besonders durch die Soüdarität der Liebe und des Gebets zu Hilfe zu kommen. Damit sie sich darauf vorbereiten, Bauleute des Friedens und Boten der Freude zu sein, habe ich sie aufgefordert, sich wie Jesus für die „Sache des Vaters” zu begei- 221 AUDIENZEN UND ANGELUS stem, das heißt für das Wort Gottes, das in der Pfarr- und Schulkatechese dargelegt wird; ich bat sie besonders, Jesus in der heiligen Kommunion gläubig zu empfangen, um aus der Eucharistie jene geistliche Kraft zu schöpfen, die manche ihrer Altersgenossen zu Heroen und Heiligen gemacht hat. Ich wünsche den Kindern der ganzen Welt, daß das bevorstehende Weihnachtsfest ihnen helfe, mit vollen Händen die Freude zu schenken, die vom göttlichen Kind in ihren erwartungsvollen Herzen entzündet wurde. Dann wird das Fest der Geburt des Herrn wirklich reich an geistlichen Früchten für die Familien und für alle sein. Haltet ein vor dem Kind! Aufruf nach dem Angelus Dieser Brief an die Kinder ist natürlich an die Kinder gerichtet. Sie sind die Empfänger, und sie sind eingeladen, für den Frieden überall zu beten. Überall, wo Krieg herrscht, wo der Frieden fehlt, dort ist das Gebet der Kinder notwendig. So ist dieser Brief auch an die Verantwortlichen der Kriege von nah und fern gerichtet; wir denken an alle, aber vielleicht mit besonderer Eindringlichkeit an diejenigen in der Nähe, an der gegenüberliegenden Adriaküste. Ihnen sagen wir heute am vierten Adventssonntag, sechs Tage vor dem Weihnachtsfest: Haltet ein! Haltet ein vor dem Kind! Gelobt sei Jesus Christus! Frohe Weihnachten! Weihnachten - Fest Gottes, der Familie und des Lebens Ansprache bei der Generalaudienz am 21. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. In wenigen Tagen feiern wir die Geburt des Herrn, und wir alle bereiten uns auf dieses Ereignis vor, damit der Sohn Gottes in unseren Herzen einen freien und gastlichen Raum findet. Welch großes Geheimnis erleben wir wieder in der Heiligen Nacht! Am Ende der Adventszeit stellt die Liturgie die Erwartung der ganzen Schöpfung in den Vordergrund. So als würde diese die Ankunft dessen ahnen, der ihre ursprüngliche Harmonie wiederherstellt, die durch die Verweigerung Adams zerstört worden war; sie wartet auf den, der sie wieder zur vollen Einheit mit ihrem Schöpfer führt. Indem das Wort Fleisch wird - so betont der Apostel Paulus -, stellt es die kosmische Ordnung der Schöpfung wieder her (vgl. Eph 1,10; Röm 8,19-22). Das bevorstehende Weihnachtsfest ist das Fest der Schöpfung, aber vor allem des Menschen, denn der, der kommt, ist der Erlöser des Menschen, der „in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menscher 222 AUDIENZEN UNDANGELUS selbst voll kund (macht) und ihm seine höchste Berufung erschließt” (Gaudium et spes, Nr. 22). Indem er Fleisch von dem Menschen annimmt, der die Vertrautheit mit Gott abgelehnt hatte, heilt und rettet Jesus Christus die gesamte Menschheit und stellt in ihr das Bild und die Freundschaft Gottes wieder her, die durch die Sünde zerstört worden war. Jesus kommt in die Welt, „damit sie (die Menschen) das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). 2. Die Atmosphäre, die das Ereignis von Betlehem umgibt, ist immer von Freude, Licht und Liebe erfüllt. Zu Recht fühlt man in diesen Tagen stärker den Ansporn zur Güte und zum Frieden, die Einladung, das Böse zu meiden und sich dem Guten zuzuwenden. Was sucht denn der Gläubige in der einfachen Krippe, neben der Josef, Maria und die ganze Schöpfung wachen? Der Mensch sucht Gott, weil er spürt, daß Gott ihn sucht. Das Menschenherz sehnt sich danach, Gott zu begegnen und in ihm Ruhe zu finden. Das sagte der hl. Augustinus und betonte, daß der himmlische Vater uns auf sich hin geschaffen hat und unser Herz unruhig ist, bis es Ruhe findet in ihm. Der Erlöser, das ewige Wort „voll Gnade und Wahrheit” (Joh 1,14), kommt auf die Erde und lädt die Menschheit zum Hochzeitsmahl in seinem Licht ein, und er enthüllt dem, der ihn aufnimmt, seine Herrlichkeit, „die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit” (Joh 1,14). Wir sind Kinder Gottes! „Gott will - so schrieb ich in dem jüngst veröffentlichten Brief an die Kinder —, daß wir alle durch die Gnade seine Adoptivkinder sind. Hier liegt die wahre Quelle der Weihnachtsfreude.” Wir sollen uns freuen über dieses „Evangelium der Gotteskindschaft”. Jedesmal wenn wir Weihnachten feiern, verkünden wir dieses einzigartige Wunder: Das Wort, in dem das Leben ist, wird Heisch und wohnt unter uns. So können wir die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater betrachten, das Licht der Wahrheit; jeder ist gerufen, sich mit ihm auseinanderzusetzen, wenn er imstande sein will, das Gute von dem Bösen, das, was zum Leben führt, von dem, was ihn dem Tod ausliefert, zu unterscheiden. Weihnachten ist deshalb das Fest des Lichtes, denn das Licht von Gottes Antlitz erstrahlt in seiner ganzen Schönheit auf dem Antlitz Jesu Christi, der in Betlehem Mensch wird. Das II. Vatikanische Konzil weist darauf hin, daß „sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft aufklärt” ('Gaudium et spes, Nr. 22). Das göttliche Kind kommt zu uns als „Licht der Völker”, damit alle die Wahrheit erkennen können, die Er ist; es erfüllt so die Sehnsucht nach dem wahren Sinn des Lebens und liefert einen sicheren Grund zur Hoffnung, die im Menschenherz wohnt. 3. Weihnachten ist nicht nur das Fest Gottes, der Mensch wird; Weihnachten ist auch das Fest der Familie und des Lebens. Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt (vgl. Jes 9,5). Durch sein Erscheinen unter den Menschen hebt der Sohn Gottes die volle Bedeutung jeder menschlichen Geburt hervor. 223 AUDIENZEN UND ANGELUS Jedes Kind, das auf die Welt kommt, bringt Freude mit sich: Freude vor allem für seine Eltern und dann für die Familie und die ganze Menschheit (vgl. Joh 16,21). In Kürze geht das Jahr der Familie zu Ende, das wir 1994 gefeiert haben. Die verschiedenen Veranstaltungen, die es gekennzeichnet haben, boten vielfach Gelegenheit, das „Evangelium der Familie” zu vertiefen und auf die Herausforderungen hinzuweisen, vor die sich die Familien in allen Teilen der Welt gestellt sehen. Ich möchte erneut Gott danken, daß er in der Heiligen Familie von Nazaret geboren werden wollte. In dieser Zeit vor der Krippe, die uns das Bild des neugeborenen Lebens zur Betrachtung anbietet, spüren wir den lebhaften Wunsch, mit Nachdruck zu bekräftigen, daß die Familie, jede Familie, berufen ist, Fest und Heiligtum des Lebens zu sein. Das ist die Hauptberufung der Familie: Jedem seiner Glieder das Leben zu schenken und es mit Liebe und Achtung zu fördern. Angesichts so vieler Bedrohungen und Gefahren für die Familie: Jedem seiner Glieder das Leben zu schenken und mit Liebe und Achtung zu fördern. Angesichts so vieler Bedrohungen und Gefahren für die Familie, der Urzelle der Kirche und der Gesellschaft, sind wir aufgerufen, uns unserer Verantwortung als Glaubende neu bewußt zu werden. Alle. Jede Familie wird sich dann vor der Krippe gedrängt fühlen, das menschliche Leben, vor allem wenn es schwach und schutzlos ist, zu schützen, zu heben und ihm zu dienen. Die rettende Menschwerdung des Sohnes Gottes steht im Mittelpunkt des Glaubens der Kirche, und diese wird nie nachlassen, das „Evangelium des Lebens” in der ganzen Welt und allen Geschöpfen zu verkünden (vgl. Mk 16,15). 4. Ich hoffe, liebe Brüder und Schwestern, daß jede christliche Familie nach dem Vorbild der Heiligen Familie eine Schule des Glaubens, des Gebetes, der Menschlichkeit und der wahren Freude sein will, indem sie Gott mit den Anforderungen seines Gesetzes, das in jedes Herz eingeschrieben ist und in Jesus Christus, unserem Erlöser, voll offenbar wurde, in den Mittelpunkt stellt. Nur so wird es möglich sein, eine glückliche und fruchtbringende Zukunft für ahe zu bauen. Der Herr gibt jedem diesen Sendungsauftrag, aber zu Weihnachten ganz besonders den Familien und den Kindern. In dem zuvor genannten Brief schrieb ich: „Der Papst zählt sehr” auf das Gebet der Kinder, und er bittet sie, „das Gebet für den Frieden” zu ihrem besonderen Anliegen zu machen. In der Tat, „Liebe und Eintracht bauen den Frieden auf, Haß und Gewalt zerstören ihn”. Liebe Brüder und Schwestern, ich wünsche euch allen hier Anwesenden und euren Familien gesegnete Weihnachten. Mein herzliches Gedenken gilt in besonderer Weise den Kranken, den Leidenden und all jenen, die aus irgendeinem Grund gezwungen sind, Weihnachten außer Haus zu verbringen. Der Papst ist ihnen nahe im Gebet und mit seiner Liebe. Ich begleite diese Weihnachtswünsche mit einem besonderen Segen als Unterpfand reichen himmlischen Trostes. 224 A UDIENZEN UND ANGEL US In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In wenigen Tagen feiern wir das Geburtsfest des Herrn. Jeder von uns wird bemüht sein, sich auf Weihnachten vorzubereiten, damit der Sohn Gottes Aufnahme in den Herzen der Menschen finde. Das Ereignis von Betlehem ist von reicher innerer Freude gekennzeichnet, von Licht und Liebe. Umso deutlicher empfinden wir in diesen Tagen die Einladung zu Güte und Frieden, die Aufforderung, vom Bösen abzulassen und sich dem Guten zuzuwenden. Weihnachten ist nicht nur das Fest Gottes, der Mensch geworden ist; es ist auch Fest der Familie und des Lebens. Ein Kind wird uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt, heißt es beim Propheten Jesaja. Jedes Kind, das zur Welt kommt, ist seinen Eltern, der Familie, ja der ganzen Menschheit Freude und Hoffnung. Der Sohn Gottes, der Mensch wird, erschließt den vollen Sinn jeder menschlichen Geburt. Bald endet das Jahr der Familie, durch das den vielfältigen Herausforderungen begegnet werden sollte, denen sich jede Familie zu stellen hat. Sie ist dazu berufen, Heiligtum des Lebens zu sein. Angesichts der Krippe von Betlehem sollen die Familien sich ihrer Pflicht bewußt werden, das menschliche Leben zu verteidigen, es zu heben und ihm zu dienen. Der Herr vertraut diese Sendung einem jeden an. In dem „Brief an die Kinder” habe ich geschrieben: Der Papst zählt sehr auf das Gebet der Kleinen, auf das Gebet für den Frieden. Ja, Liebe und Eintracht bauen den Frieden auf, Haß und Gewalt zerstören ihn. Liebe Schwestern und Brüder, an Euch und an Eure Familien richte ich meine herzlichsten Wünsche zu diesem Weihnachtsfest. Meine Gedanken wenden sich vor allem den Kranken und Leidenden zu und all jenen, die aus welchem Grund auch immer zu Weihnachten nicht bei ihrer Familie sein können. Der Papst ist ihnen mit seinem Gebet nahe. Diese meine Weihnachtsgrüße verbinde ich als Unterpfand reicher himmlischer Gaben mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Märtyrer bezeugen die Gegenwart Christi in der Welt Angelus in Castel Gandolfo am 26. Dezember 1. Wir haben gestern die Geburt des eingeborenen Sohnes des Vaters gefeiert und gesungen: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade” (Lk 2,14). In dieser Atmosphäre der Freude und lebendigen Dankbarkeit dem Herrn gegenüber gedenkt die Kirche heute des Erzmärtyrers Stephanus, der bereit war, das äußerste Lebenszeugnis für Christus durch das Vergießen des eigenen Blutes abzulegen. Vor seinen Anklägern bekannte er: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen” (Apg 7,56). 225 A UDIENZEN UND ANGELUS Der Diakon Stephanus war der erste einer langen Reihe von Zeugen, mit deren Blut die Kirche befruchtet wurde und aus dem ihre rasche Ausbreitung in der ganzen Welt Kraft schöpfte: „Sanguis martyrum - semen christianorum” - das Blut der Märtyrer ist das Samenkorn der Christen, sagte Tertullian (Apol., 50, 13). Hätte es diese Märtyrersaat und dieses Erbe der Heiligkeit, die für die ersten Christengenerationen kennzeichnend waren, nicht gegeben, dann wäre die Entwicklung der Kirche vielleicht nicht in der Weise verlaufen, wie wir alle sie kennen. 2. In den zweitausend Jahren ihres Lebens und besonders in unserem Jahrhundert wurde die Kirche tatsächlich ständig durch den Beitrag der Märtyrer gestärkt, die sich wie der heilige Stephanus für die große Sache Gottes unter den Menschen geopfert haben. Das christliche Volk kann und darf deshalb das Geschenk nicht vergessen, das ihm diese seine auserwählten Glieder gemacht haben: Sie bilden das gemeinsame Erbe aller Gläubigen. Das Beispiel der Märtyrer und Heiligen ist eine Einladung zur vollen Gemeinschaft aller Jünger Christi. In dem jüngsten Apostolischen Schreiben Tertio Millennio Adveniente habe ich die Absicht des Heiligen Stuhles bekundet, die Märtyrerverzeichnisse auf den neuesten Stand zu bringen, und gesagt: „Die größte Verehrung, die alle Kirchen an der Schwelle des dritten Jahrtausends Christus darbringen werden, wird der Beweis der allmächtigen Gegenwart des Erlösers durch die Früchte von Glaube, Hoffnung und Liebe in Männern und Frauen vieler Sprachen und Rassen sein, die Christus in den verschiedenen Formen der christlichen Berufung nachgefolgt sind” (Nr. 37). Maria, Königin der Märtyrer, mit dem Sohn eines einzigen Martyriums teilhaftig, begleite jeden von uns bei den wichtigen und weniger wichtigen Gelegenheiten, bei denen unser treues Zeugnis für das Evangelium erforderlich ist. Sie ermutige uns durch ihre mütterliche Liebe im täglichen Bemühen, Christus nachzufolgen, besonders in heiklen und schwierigen Situationen. Die Liebe zu Christus, die den Märtyrer Stephanus beseelte, gebe uns Kraft für unser Leben im Alltag. Nach dem Angelusgebet wünschte der Papst allen Anwesenden in Castel Gandolfo und der ganzen Diözese Albano frohe Weihnachten. Auf den Ruf der Jugendlichen: „Viva il Papa” (Der Papst lebe hoch!) antwortete der Papst: Bei diesem Ruf wird es schwer sein zu sterben, aber der Augenblick wird kommen. 226 A UDIENZEN UND ANGELUS Neue Menschheitsgeschichte beginnt mit der Geburt des Erlösers Ansprache bei der Generalaudienz am 28. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Denn die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten” (717 2,11). So schreibt der hl. Paulus an den Jünger Titus, während der Autor des Briefes an die Hebräer seine bedeutende Betrachtung über Jesus Christus, Hoherpriester und Opfer, mit folgenden Worten beginnt: „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat” (Hebr 1,1-2). Diese göttlichen Wirklichkeiten stehen uns vor Augen in diesen Tagen, wo wir die mystische stimmungsvolle Atmosphäre spüren, die von der Krippe in Betlehem ausgeht. Dort, in der Stadt Davids, ist aus Maria der göttliche Erlöser geboren. Und wir sind zur Anbetung vor diesem Kind niedergekniet, denn es ist das zu unserem Heil Mensch gewordene Wort: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott... Alles ist durch das Wort geworden ... Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt” (Joh 1,1-3.14). Deshalb ist Weihnachten eine Zeit des Nachdenkens, das sich unweigerlich auf unser Leben auswirkt. Mit Weihnachten beginnt die neue Menschheitsgeschichte, die Geschichte, worin die göttliche Erlösung sich der Sünde des Menschen annimmt. 2. Unsere Welt wird durch so viele Interessen und Anziehungspunkte abgelenkt; sie ist verwirrt, zuweilen enttäuscht, besorgt und sogar verängstigt durch die anhaltenden Bedrohungen, Gegensätze und Leiden. Zu Weihnachten hat man gleichsam das Bedürfnis, den wahren Sinn seines Lebens zu überprüfen, und das Denken kreist um die edelsten Ziele der Solidarität und des Friedens. In vielen Menschen besteht aber trotzdem ein Gefühl der Ratlosigkeit und des geistlichen Unbehagens vor dem Geheimnis der Menschwerdung. Sie wären bereit, es „als liebliches, tiefsinniges Gleichnis zu nehmen, nicht als wörtliche Wahrheit”, schrieb Romano Guardini (Der Herr, Teil I, Kap. III) und betonte: „Wir wollen dieses Herzgeheimnis des Christentums mit ruhiger, wartender, bittender Aufmerksamkeit umgeben, dann wird uns schon einmal der Sinn aufgeschlossen werden. Als Weisung aber mag uns das Wort dienen: Die Liebe tut solche Dinge” (ebd.). Mit Hilfe der Gnade muß man sich in den Gesichtskreis des Geheimnisses und der Liebe stellen, um zur Gewißheit der wahren Identität des in Betlehem geborenen Kindes zu gelangen! Es ist eine Gewißheit, die auch mit den geschichtlichen Beweisen übereinstimmt, die von den Evangelien und parallel von den Zeitzeugen erbracht wurden, wie ich in 227 AUDIENZEN UND ANGELUS dem Apostolischen Schreiben Tertio Millennio Adveniente betonte: „Dieses Ereignis, daß der Sohn Gottes ,einer aus uns geworden ist’, hat sich in größter Demut vollzogen, so daß es nicht verwundert, daß die nichtchristliche Geschichtssschrei-bung, die sich von aufsehenerregenden Ereignissen und prominenteren Persönlichkeiten gefangennehmen ließ, dem Anfang (des Christentums) nur flüchtige, wenn auch bedeutsame Andeutungen gewidmet hat. ... Doch sein volles Licht gewinnt das große Ereignis, auf dessen Erwähnung sich die nichtchristlichen Historiker beschränken, in den Schriften des Neuen Testaments, die zwar Glaubensdokumente sind, aber deshalb in ihren Bezugnahmen insgesamt auch als historische Zeugnisse nicht weniger zuverlässig sind” (Nr. 5). Der hl. Lukas beginnt sein Evangelium mit der Versicherung, „allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen” (Lk 1,3). Der hl. Johannes versichert im Prolog: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit” (Joh 1,14); und der zweite Petrusbrief bekräftigt: „... wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe” (2 Petr 1,16). 3. Das Nachdenken, zu dem die Gläubigen am Weihnachtsfest angeregt werden, führt aber auch zu inniger, tiefer Freude. Es ist die Freude, die Maria durch ihre Gottesmutterschaft erlebte (vgl. Lk 1,46-47); es ist die Freude, die der Engel den Hirten von Betlehem in der Heiligen Nacht verkündet; es ist die Freude der Sterndeuter, als sie den geheimnisvollen Stern ihres Weges Wiedersehen (vgl. Mt 2,10); und es ist schließlich die Freude, die Jesus den Aposteln und seinen Anhängern verspricht und schenkt und die den heiligen Paulus sprechen läßt: „Trotz all unserer Not bin ich von Trost erfüllt und ströme über von Freude” (2 Kor 7,4). Angesichts des Geheimnisses der Menschwerdung können wir tatsächlich entdecken, daß das Leben jeder einzelnen Person und des ganzen Menschengeschlechtes eine Bedeutung hat, die über die Zeit hinausreicht und in die Ewigkeit einmündet. Jesus, das menschgewordene Wort, das in die menschliche Geschichte eingetreten ist, gewährleistet uns die Gegenwart Gottes und seine Vorsehung, seine Liebe und sein Erbarmen in ihr. Gott hat einen Heilsplan für alle und wartet auf unsere Zustimmung. 4. Weihnachten wird deshalb zur Stunde der Entscheidung, wie ich kürzlich sagte. Durch die Krise der modernen Kultur stehen die Gläubigen vor drei verschiedenen Kategorien von Menschen in Schwierigkeiten: „Jene, die noch nicht glauben; jene, die im Bereich der mehrheitlich christlichen Völker geboren sind, aber heute nicht mehr glauben; und jene, die das Geschenk des Glaubens besitzen, aber nicht imstande sind, das eigene Leben nach dem Evangelium auszurichten” (.Ansprache an die Mitglieder der Päpstlichen St.-Thomas-Universität, vgl. O.R., 26.11.94). Möge das Weihnachtsfest jeden Getauften dazu anspomen, mutiger Zeuge des christlichen 228 AUDIENZEN UND ANGELUS Glaubens zu sein durch Wort und Beispiel, eifriges Gebet und hochherzige Liebe zu den Mitmenschen, besonders zu den bedürftigsten. So begehen wir wahrhaftig Weihnachten und insbesondere die Tage bis zum Ende von 1994 und zum Beginn des neuen Jahres. Ich wünsche euch hier Anwesenden und allen Gläubigen ein vertieftes Verständnis des Mysteriums der Weihnachtsbotschaft durch Betrachtung und konkretes Tun. Ich wünsche es besonders den Familien, damit sie dieses ihnen gewidmete Jahr in einer Atmosphäre der Neuentdeckung Christi, des Friedensfürsten und unserer wahren Freude, ausklingen lassen. Mit diesen Empfindungen segne ich euch alle. Blutzeugnis der Weißen Väter in Algerien Ein weiteres dramatisches Ereignis hat die festliche Atmosphäre der Weihnachtsfeiertage beeinträchtigt: der grausame Mord, der gestern an vier Weißen Vätern in Tizi-Ouzou (Algerien) verübt wurde. Ich bin der kleinen Katholikengemeinde, die in diesem gepeinigten Land lebt, besonders nahe, ebenso den Mitbrüdem und Missionaren von Afrika, die durch dieses neue Blutzeugnis ihre Liebe zum afrikanischen Kontinent bekräftigen, sowie den Angehörigen der Todesopfer. Ich bete zu Gott, daß das Lebensopfer der vier Priester Samenkorn der Versöhnung und des Friedens werde und alle zum Dialog und zur gegenseitigen Verständigung bewege, ohne die es keine Zukunft für eine wirklich menschliche Gesellschaft gibt. 229 II. Predigten und Ansprachen hei den Reisen REISEN 1. Pastoralbesuch in Cogne (Sonntag, 21. August) Schönheit der Natur weist auf den Schöpfer Predigt in Cogne, Valle d’Aosta, am 21. August 1. „Ich will den Herrn allezeit preisen; immer sei sein Lob in meinem Mund” (.Ps 33,21). Die Worte des Psalmisten bringen gut unsere Bewunderung und unser Lob auf den Schöpfer vor der wunderbaren Bergwelt um uns zum Ausdruck. Die Eucharistiefeier an einem so beeindruckenden Ort spricht von der Majestät und der Güte des Herrn. Sie ist für alle eine eindringliche Einladung, das soeben verkündete Wort Gottes aufzunehmen, um unser tägliches Leben danach zu gestalten. Am Schluß der Rede Jesu über das „Brot des Lebens” (vgl. Joh 6,35) führt der hl. Johannes fort: „Viele seiner Jünger, die ihm zuhörten, sagten: Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?” Und mit einem Anflug von Traurigkeit fügt er hinzu: „Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher” (Joh 6,61-63). Das Evangelium ist in Wirklichkeit eine Anforderung und Verpflichtung. Angesichts der Verweigerung ist Jesus jedoch zu keinem Kompromiß bereit. Er ruft jeden zur eigenen Verantwortung auf, wenn er fragt: „Daran nehmt ihr Anstoß? Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn hinaufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war? Der Geist ist es, der lebendig macht; das Heisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben” (Joh 6,61-63). Diese Worte unterstreichen den übernatürlichen Charakter der Offenbarung Christi: Die Menschen werden aufgefordert, im Glauben und im Hören auf sein Wort ihm, dem menschgewordenen Wort Gottes, dem erwarteten Messias, dem einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen, persönlich zu begegnen. 2. Die Annahme des Glaubens bringt unmittelbare Rückwirkungen auf das moralische Verhalten des Gläubigen mit sich: Ohne Zweifel ist die Nachfolge Christi kein leichtes Unternehmen. Die christliche Ethik weist einen steilen Weg, sie lädt dazu ein, durch die enge Pforte einzutreten, die allein aber zum wahren Lebens führt. Der Text aus dem Brief an die Epheser, den die Liturgie dieses einundzwanzigsten Sonntags im Kirchenjahr uns vorlegt, verdeutlicht z. B„ wie sich der Christ speziell im Bereich der Familie verhalten muß. Der Apostel Paulus unterstreicht die gegenseitige Liebe zwischen Mann und Frau, die nicht nur ein einfaches Treueversprechen eint, die vielmehr verbunden sind durch ein unauflösliches Band, das zum Sakrament erhoben ist, ein Zeichen der Verbundenheit Christi mit seiner Kirche. 233 REISEN Dann weist er hin auf das Ideal des Familienlebens, nämlich das Bemühen um die eigene gegenseitige geistliche Erbauung und die Heiligung, so daß die Familie als „Hauskirche” erkennbar wird. Das ist sicherlich ein hohes und schwieriges Ideal und erfordert die beständige Antwort eines erleuchteten, tiefen und überzeugten Glaubens. 3. „Auch wir wollen dem Herrn dienen: denn er ist unser Gott” (Jos 24,18). Die erste Lesung hat uns soeben in Erinnerung gerufen, wie die Juden im Augenblick ihres Einzugs in das verheißene Land mit Entschiedenheit ihren Glauben an den Herrn bekannten. Auch wir sind berufen, vor der Welt mit einer ebenso festen Überzeugung von unserem Glauben Zeugnis zu geben. Dabei drängt sich spontan der Gedanke auf, diese herausfordernde christliche Berufung zu einem Leben nach dem Evangelium am Beispiel des hl. Ursus, des Patrons der Pfarrkirche von Cogne, hervorzuheben. Als eifriger und gütiger Priester von Aosta lebte der hl. Ursus im achten Jahrhundert und vollendete das Werk der Evangelisierung, das der hl. Bessus, ein Soldat der Thebäischen Legion, der auf einem dieser Berge das Martyrium erlitt, in diesen Tälern begonnen hatte. Die Verehrung des hl. Ursus war schon am Ende des elften Jahrhunderts sehr verbreitet und ist besonders im Aostatal und an verschiedenen Orten in Piemont, im Wallis und in Savoyen immer lebendig gewesen. Sie war mit zahlreichen Wundem verbunden, und es wurden verschiedene Kapellen zu Ehren des Heiligen erbaut. Und auch ihr, liebe Brüder und Schwestern, müßt das Evangelisierungswerk, das er aufgenommen hat, fortsetzen. Seid dämm wie er darauf bedacht, das Evangelium in eurem Leben Gestalt werden zu lassen. Übt eifrig die Liebe, wie er, und seid Erbauer des Friedens. Seid Zeugen Christi. Und man sollte vielleicht noch eine andere Person nennen, die mit dem Aostatal, ja, mit der Stadt Aosta selbst verbunden ist. Es ist der hl. Anselm, der große Theologe, der große Kirchenlehrer. Für immer bleibt sein Werk in Erinnerung, in dem er sich fragt: „Cur Deus homo?” (Warum ist Gott Mensch geworden?). Somit gelangen wir vom römischen Soldaten, dem hl. Ursus, über den Missionar, den hl. Bessus, zum großen Theologen und Kirchenlehrer, dem hl. Anselm: gleichsam drei Stufen, drei Etappen, die uns so viel sagen an diesem wunderschönen Tag, an dem wir uns an der Pforte zum „Gran Paradiso” befinden. Alle drei haben uns wahrhaftig auf verschiedene Art und Weise diese Pforte zum Paradies gezeigt, haben diese Pforte durchschreiten können. Und darüber hinaus haben sie auch die Bewohner des Aostatales in den verschiedenen Jahrhunderten mit sich nehmen können. 4. Von diesem weiten Platz aus, der für gewöhnlich „Prato Sant’Orso” genannt wird, wandert der Blick zu dem wunderbaren Panorama der Berge ringsum, und die Gedanken richten sich an alle Bewohner von Cogne und der benachbarten Orte, denen ich für die mir gewährte vorzügliche Aufnahme danke. Vor allem danke ich dem Bischof von Aosta, Msgr. Ovidio Lari, und den anderen Bischöfen der Region. Ich danke dem Bischof von Aosta dafür, daß er mir ein ande- 234 REISEN res Gebirge in Erinnerung gerufen hat, nämlich die Karmelhöhen, auf denen ich viel studiert und meditiert habe in den vergangenen Jahren, aber auch immer wieder in meinem ganzen Leben. Ich grüße den Pfarrer von Cogne, die Priester und anwesenden Ordensleute. Ich grüße den Herrn Bürgermeister und alle Vertreter der Verwaltung, der Politik und des Militärs, die an unserer Liturgiefeier haben teilnehmen wollen. Sodann richte ich einen herzlichen Gruß an die Feriengäste, die Touristen und alle, die an diesen herrlichen Orten zu Gast sind. Und ich danke der göttlichen Vorsehung, ich danke euch allen dafür, daß ihr mich in der Gemeinschaft der Bewohner des Aostatals und der Touristen aufgenommen habt. Und ebenso den Feriengästen, die hier ihren Urlaub verbringen zwischen diesen Bergen, inmitten dieser überwältigenden, außergewöhnlichen Schönheit, die uns an Gott denken läßt. Vor uns erhebt sich der majestätische Gletscher mit dem Namen „Tribolazione” (Plage, Bedrängnis), der einen Teil des „Gran Paradiso” bildet. Er läßt uns unwillkürlich an das Bild des Evangeliums von dem schmalen, beschwerlichen Weg denken, den man gehen muß, um zur ewigen Seligkeit zu gelangen (vgl. Mt 7,13-14). Der mühsame, steile Aufstieg zur Höhe, der Aufstieg auf den Karmelberg, die schwierige Eroberung des Gipfels, das ist, wie mein großer Vorgänger und Diener Gottes Paul VI. sagte, „eine großartige Schule, um starke menschliche Persönlichkeiten reifen zu lassen”, und ebenso eine „wertvolle Hilfe zu wahrer und echter christlicher Bildung”. In der Tat schreibt der Papst: „Im unendlichen Schweigen der Berge, vor der Macht und Majestät dieser Täler, die, höher und höher, eins dem anderen folgend, sich bis zu den erhabenen, einsamen Gipfeln erheben (...), fühlt der Mensch sich klein, er wird demütig und still und lernt sich als das einschätzen, was er wirklich ist, ein winziges Geschöpf vor der Allmacht des heiligen und furchterregenden Gottes, der aber zugleich der gute und vorsorgende Vater ist, der sich uns zugeneigt hat, um uns zu seinen Kindern zu machen” (Insegnamenti, XI., 1973, S. 94). Und so lehrt und Paul VI., daß die Berge in uns das Bild des Schöpfergottes hervorrufen und ebenso die tiefste Kenntnis des Geschöpfes, aller Geschöpfe, und vor allem des menschlichen Geschöpfes. Ja, wir kommen hierher, um eine tiefere Kenntnis unserer selbst zu erlangen. Diese Höhe der Berge kündet auch von der Tiefe des menschlichen Seins, die ermöglicht uns, die Tiefe unseres Menschseins zu ergründen. 5. Dieser bezaubernde Ort bewahrt ferner das Andenken an einen jungen Glaubenden unseres Jahrhunderts, Pier Giorgio Frassati, den ich zu meiner Freude am 20. Mai 1990 seligsprechen durfte. Er hatte die Gewohnheit, das Städtchen Cogne zu besuchen. Mit Wagemut erforschte er die ringsum aufragenden Gipfel. Aus jedem Aufstieg ins Gebirge machte er einen Weg, der seinen asketischen und geistlichen Weg begleitete, eine Schule des Gebetes und der Anbetung, ein Bemühen um Disziplin und Höherstreben. Er bekannte Freunden gegenüber: „Ich möchte die Berge immer weiter erklettern, die gewagtesten Gipfel erobern und jene Freude er- 235 REISEN fahren, die man nur im Gebirge erleben kann” (F. Antonioli - R. Falciola -A. Labanca, Pier Giorgio Frassati, Roma 1985, S. 118 f.). 6. Liebe Brüder und Schwestern, wie der hl. Bessus und der hl. Ursus so wußte auch der sei. Pier Giorgio mit dem hochherzigen Dienst für den Herrn und für die Brüder und Schwestern die Bewunderung für die Harmonie der Schöpfung zu verbinden. Und wir brauchen diese Bewunderung für die Schöpfung, für Gottes Werk, so sehr; durch die Bewunderung der Schöpfung, die Bewunderung Gottes selbst; durch die Bewunderung des Sichtbaren, die Bewunderung des Unsichtbaren. Dieser unser Zeitgenosse Pier Giorgio möge allen, die hier wohnen, und auch denen, die zu einer verdienten Ruhepause ins Gebirge kommen, gleichsam ein Vorbild sein, besonders den Jugendlichen, als Jugendlicher für die Jugendlichen. Vor einem so außerordentlichen Schauspiel der Natur erhebt sich unversehens das Herz zum Himmel, wie es der junge Frassati oft und gerne tat. Und es kommen uns wiedemm die Worte des Psalms auf die Lippen: „Ich will den Herrn allezeit preisen.” Ja, Herr, dich preisen wir allezeit, dich loben wir für alle deine Geschöpfe, gemeinsam rühmen wir deinen Namen. Dir sei Ehre immerdar. Dir sei Ehre immerdar, allmächtiger Gott, barmherziger Gott, Schöpfergott, Erlöser, Gott, Heiliger Geist, der Du uns lebendig machst, Gott, der Du in allen Geschöpfen gegenwärtig bist. Transzendenter Gott, so fern und so nah in Deinem Geschöpf, in unser aller Herzen. Amen. Gelobt sei Jesus Christus. Zu den Heiligen des Aostatals Angelus in Cogne am 21. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute morgen, als ich zur großen „Wiese des hl. Ursus” unterwegs war, habe ich die Möglichkeit gehabt, die großartige Kulisse der Berge, die das Städtchen Cogne und dieses Tal umgeben, aus der Nähe betrachten zu können. Was für ein bezauberndes Landschaftsbild haben wir vor uns! Wir können einige der am meisten beeindruckenden Gipfel dieser Gegend bewundern: die „Grivola”, das über viertausend Meter hohe „Gran Paradiso”, die „Tore del Gran San Pietro” und im Innern der Gruppe des „Gran Paradiso” die drei einander sehr ähnlichen Gipfel, die deshalb die „Drei Apostel” genannt werden. Beim Anblick dieses beeindruckenden Naturschauspiels erhebt sich spontan das Lob zum Herrn für die Wun- 236 REISEN der der Schöpfung. Und wie von selbst kommt aus meinem Herzen auch ein tief empfundener Dank an euch alle, die ihr dieses Schauspiel der Natur noch mit dem warmen Ton eurer Anwesenheit belebt. Ich wiederhole meinen herzlichen Gruß an die religiösen, zivilen und militärischen Obrigkeiten, die sich hier eingefunden haben. Vor allem danke ich all denen, die auf verschiedene Weise diese Begegnung möglich gemacht haben und die in großmütiger Zusammenarbeit dazu beitragen, meinen Aufenthalt im Aostatal unbeschwert und fruchtbar zu machen. 2. Bei der heutigen Eucharistiefeier haben wir des hl. Bessus, des hl. Ursus, dem die Pfarrei Cogne geweiht ist, des hl. Anselm „aus Aosta” (hl. Anselm von Canterbuiy) und des sei. Pier Giorgio Frassati gedacht. In diesen Tagen stellt die Liturgie uns wahrhaft heilige und menschliche Persönlichkeiten vor: Gestern war es der hl. Abt Bernhard, ein hervorragender Zeuge der Kultur und der monastischen Spiritualität des Abendlandes; heute ist es der hl. Pius X., mein erleuchteter und unerschrockener Vorgänger, der in den ersten kummervollen und schwierigen Jahren dieses Jahrhunderts lebte. Er verstand es, weise und mutig für den katholischen Glauben einzutreten, und wurde in seiner einfachen und väterlichen Art ein großer Meister der Katechese und der Evangelisierung. Liebe Brüder und Schwestern! Schauen wir auf die Heiügen, die mutigen Zeugen der Treue zu Christus! Lassen wir uns von ihrem Beispiel anregen, das Gebirge der Heiligkeit zu erklimmen! Heilig werden! Das ist - wie ihr wißt - die Berufung eines jeden Gläubigen. 3. Im Aufstieg zu Gott führt uns, mitten durch die Freuden und die Prüfungen des irdischen Lebens, vor allem die heilige Jungfrau. Eine Bronzestatue von ihr habe ich heute morgen geweiht. Sie soll auf dem Gipfel der „Tersiva” ihren Platz finden, an Stelle derer, die in vandalischer Zerstörungswut von frevelhaften Händen niedergerissen wurde. Übrigens sind es dieses Jahr vierzig Jahre seit der Errichtung der Muttergottesstatue auf dem Gipfel des „Gran Paradiso”, wo sie bei der Jahrhundertfeier der Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis aufgestellt wurde. Maria möge über diese Region wachen, die reich ist an Heiligtümern, welche eindringlich die marianische Frömmigkeit ihrer Bewohner kundtun. Dabei denke ich unter anderen an die Wallfahrtsstätten „Notre Dame de la Guerison” in Courmayeur und „Notre Dame de Machaby” in Amaz, beide im Aostatal; ferner an die „Madonna del Rocciamelone” in der Diözese Susa und „Nostra Signore di Oropa” in der Diözese Biella. Möge die himmlische Mutter, die wir morgen in der Liturgiefeier unter dem Titel „Königin” anrufen, über die ganze Welt wachen. Ihr vertrauen wir die echten Nöte der Menschheit an. Wir denken vor allem an die bevorstehende Konferenz von Kairo über „Bevölkerung und Entwicklung”. Von Maria erflehen wir Hilfe und Schutz, besonders für die Familien - während dieses Jahres, das der Familie gewidmet ist. 237 REISEN 2. Vorbereitete Ansprachen zu dem für den 8. September geplanten Besuch in Sarajevo Der Pastoralbesuch Papst Johannes Paul II. konnte nicht stattfmden und wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Hier werden die vorbereiteten Ansprachen, die Johannes Paul II. für den 8. September geplant hatte, dokumentiert. Textstellen, die sich auf eine tatsächliche Anwesenheit des Papstes in der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas beziehen, wurden unverändert belassen. Vereint auf dem Berg des Glaubens Ansprache an die serbisch-orthodoxe Gemeinschaft in Sarajevo am 8. September 1. Mein herzlicher Gruß gilt der serbisch-orthodoxen Gemeinschaft von Sarajevo, und damit möchte ich zugleich im Geiste das ganze serbische Volk umarmen. Ich spreche ihm meine aufrichtigsten Wünsche für Frieden und Brüderlichkeit aus. Ich entbiete den Friedenskuß Seiner Seligkeit, dem Patriarchen Pavle, dem Hirten der serbisch-orthodoxen Kirche, sowie den Bischöfen, die ihm zur Seite stehen. Ich möchte dies mit den Worten der Liturgie tun: „Christus ist in unserer Mitte.” 2. In diesen Gebieten, wo sich die zwei großen geistlichen Strömungen treffen, die dem Geist Europas Gestalt gegeben haben, möchte ich mit Nachdruck betonen, daß jene, die in diesen Traditionen leben, nicht im Widerspruch einander gegenüberstehen dürfen, sie sollen sich vielmehr freuen, daß sie unterschiedliche Gaben im Schoß der einen großen apostolischen Tradition empfangen haben. Wir wollen bemüht sein, uns besser kennenzulemen, um uns durch den Austausch dieser Gaben gegenseitig zu bereichern. Christus hat die Kirche als Gemeinschaft gewollt. Durch die brüderliche Gemeinschaft als unerläßliche Quelle eines echten und gerechten Friedens wird die Verherrlichung sichtbar, die Christus dem Vater im Heiligen Geiste darbringt. Zumal in den derzeitigen Verhältnissen haben wir die Aufgabe, das heilbringende Kreuz des Erlösers zu verkünden, denn nur in ihm können die Herzen der Menschen ihren Durst nach Licht, Wahrheit und Befreiung stillen. 3. Angesichts der dramatischen Ereignisse der modernen Geschichte, in der zahllose Brüder und Schwestern um der Liebe zu Christus willen das Martyrium erlitten haben, sind wir auf dem Berg des Glaubens vereint, auf dem das Kreuz als Zeichen des Sieges und der Gemeinschaft zwischen Himmel und Erde aufgepflanzt ist. In diesem Holz des Lebens findet der Mensch seine Wurzeln wieder. Wir können nicht zulassen, daß das Kreuz Christi entleert wird: Denn von ihm herab herrscht Er, der allein Worte des ewigen Lebens hat. 239 REISEN Ihm, unserer sicheren Hoffnung, vertraue ich die Leiden des serbischen Volkes und seine Sehnsucht nach guten, friedlichen Tagen an, und ich bete mit den Worten der großen Ostervigil: „Kreuz, Hüter des ganzen Universums; Kreuz, Zierde der Kirche; Kreuz, Quelle aller Macht; Kreuz, Stärke der Gläubigen; Kreuz, Ruhm der Engel und Ruin der Dämonen, rette uns jetzt und immer.” Im Geist der Solidarität und Brüderlichkeit Ansprache an die Gemeinschaft der Muslime in Sarajevo am 8. September Liebe muslimische Freunde! 1. Ich freue mich, euch begegnen und in euch die gesamte islamische Gemeinschaft grüßen zu können, die in dieser Region lebt. In den schwierigsten Augenblicken, wenn jede Hoffnung zu erlöschen und in der Finsternis der Verzweiflung, der Gewaltanwendung und des Hasses unterzugehen droht, ist den Gläubigen die Aufgabe anvertraut, das Licht des höchsten Gottes zu suchen, damit er das Leben und das Gewissen der Menschen erhelle. Wir sind aufgemfen, den Frieden und die Gerechtigkeit zu suchen und sie unter den Menschen zu verbreiten. „Friede”, das ist einer der Namen jenes einen Gottes, den wir voll Freude anbeten. Er ist ein Geschenk seiner Güte und offenbart sich im Leben des Menschen als Wohlwollen, Versöhnung und Verzeihung gegenüber seinesgleichen. Die konkrete Solidarität muß sich gegenüber den Opfern der Unterdrückung, des Hasses und der Grausamkeiten zeigen. Wir sollen jenen nahe sein, deren Städte niedergebrannt und bombardiert wurden; denen, die ihre Häuser verlassen und anderswo Zuflucht suchen mußten; den Frauen, die Gewalt erlitten haben; allen, die ungerechterweise verhaftet und in Konzentrationslagern gefangengehalten wurden. 2. Wie ich in Assisi beim Gebetstreffen fiir den Frieden in den Balkanländern am 9. und 10. Januar 1993 gesagt habe, drängen uns sowohl das Christentum als auch der Islam zu beharrlichem weiteren Einsatz, um Gerechtigkeit und Frieden für alle Opfer des Konfliktes zu erreichen. Da alle Menschen von Gott geschaffen und alle Mitglieder der einen Menschheitsfamilie sind, ist es unsere Pflicht, ihnen allen Hilfe zu leisten (vgl. O.R.dt., 22.1.93, S. 9 und 16.9.94, S. 13). Christen und Muslime sind in der gemeinsamen Verteidigung der Werte des Lebens und der Achtung vor jeder Person in einem Geist der Zusammenarbeit und des Dialogs aufgerufen, das Mitleid und die Barmherzigkeit Gottes sichtbar zu machen, indem sie sich dafür einsetzen, das ganze Menschengeschlecht zur Familie Gottes aul Erden zu machen. Mit diesem Geist der Solidarität und Brüderlichkeit können wir gemeinsam zui Wiederherstellung des notwendigen Friedens und der Eintracht unter den Menscher beitragen, zumal in diesen so schwer heimgesuchten Balkanländem. 240 REISEN 3. Noch einmal möchte ich zum Abschluß dieser kurzen, aber bedeutsamen Begegnung euch und der islamischen Gemeinschaft, die ihr vertretet, meine besten Wünsche aussprechen, die ich mit meinem Gebet verbinde. Möge der barmherzige und mitleidsvolle Gott, der sich des Schwachen und Unterdrückten annimmt, unsere Bitten erhören und unsere Bemühungen, der Sache der Gerechtigkeit und des Friedens zu dienen, segnen. Ein Band der Gemeinschaft, das niemand zerreißen kann Ansprache an die Priester und Ordensleute in Sarajevo am 8. September Verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Priester, liebe Ordensleute! 1. Die Kathedralkirche ist Symbol der Einheit, ein Ort der Begegnung, des Gebetes und des Friedens. Hier versammelt sich die Gemeinschaft der Christen um ihren Bischof, um ihren Glauben zu bekennen und ihre Gemeinschaft zu leben, zumal in der Feier des Geheimnisses der Eucharistie. Hier sind wir daher zusammengekommen, um Jesus Christus, den Friedensfürsten, unsere einzige und wirkliche Hoffnung, anzurufen. Auf die Kathedrale dieser schwer heimgesuchten Stadt schaut heute die ganze Kirche. Ich bin hergekommen, um meine Stimme im Namen des ganzen Volkes Gottes zu erheben und dir, Hebe, so hart geprüfte Kirche von Sarajevo, zu sagen, daß du nicht allein bist. Die Brüder und Schwestern in allen Teilen der Welt sind im Geiste hier versammelt und rufen in inständigem Flehen nach Frieden. Ich bin besonders glücklich, bei euch, den Hirten der Gemeinschaft, und bei euch, Hebe Ordensmänner und Ordensfrauen, auserwählter Teil der Erzdiözese, weilen zu dürfen und mit euch diese kurzen Stunden der BrüderHchkeit zu verleben. Ich grüße euch aUe mit großer HerzHchkeit. Ich grüße an erster SteUe dich, Msgr. Vinko Puljic, den eifrigen Hirten dieser Erzdiözese, und spreche dir meinen aufrichtigen Dank aus für die Empfindungen, die du mir gegenüber eben zum Ausdruck gebracht hast. Ich möchte dir besonders meine herzliche Wertschätzung aussprechen für das mutige Zeugnis der Teilnahme an den Leiden der gepeinigten Bevölkerung von Sarajevo. Ich grüße auch deinen Weihbischof, Msgr. Pero Sudar, und jeden von euch, mutige Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen von Sarajevo, die ihr hier anwesend seid. Mein herzHches Gedenken gilt auch aUen, die sich gern am heutigen Treffen beteiHgt hätten, es aber leider wegen des in Gang befindHchen Krieges nicht konnten. Ich umarme aUe und einen jeden in der Freude eines Vaters, der seine von großen Schwierigkeiten aHer Art heimgesuchten Kinder endHch treffen kann. Ich bin glück-Hch, unter euch zu weilen und gemeinsam mit euch Gott für die providentieHe Gele- 241 REISEN genheit zu danken, die er uns heute geschenkt hat. Unsere Begegnung bezeugt vor der Welt ein Band der Gemeinschaft, das niemand zerreißen kann. Durch meine Stimme soll euch der Gruß des auferstandenen Christus erreichen: „Friede, [Friede] sei mit euch” (Joh 20,19). 2. Liebe Brüder und Schwestern, ich weiß wohl um eure hochherzige und unermüdliche Hingabe, mit der ihr der euch anvertrauten Herde nachgeht, ohne die Opfer und Gefahren zu scheuen, denen euer Einsatz euch täglich aussetzt. Ich bin gekommen, um euch zu danken für das mutige Beispiel, das ihr der ganzen Welt gebt. Während der schrecklichen leidvollen Ereignisse, die das Leben von zahlreichen Personen und Städten in Bosnien und Herzegowina zerrüttet haben, seid ihr hier auf eurem Posten geblieben. So habt ihr Christus, den Guten Hirten, nachgeahmt, der sein Leben für seine Schafe hingegeben hat. Ihr habt mit eurem Volk Leiden und Hoffnungen, Einschränkungen und Gefahren geteilt und mit allen Mitteln den Menschen geholfen, die nicht nur von geistlichen Problemen heimgesucht waren, sondern denen es auch an Nahrung und Medikamenten fehlte und die weder Wohnung noch Arbeit noch Freiheit hatten. In der derzeitigen trostlosen Lage ist euer Verhalten ein heroisches Zeugnis der Hoffnung auf das Reich Gottes. Ihr schont euch nicht in der Hingabe eurer selbst in dem Bewußtsein, daß der Herr aus eurem Dienst Früchte der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens hervorgehen läßt. 3. Leider ist dieser sinnlose brudermörderische Konflikt noch nicht zu Ende, sondern zieht weiter eine endlose Spur von Schmerz, Tod und Trauer nach. Von euch, meine Lieben, fordert der Herr, nicht den Mut zu verlieren. Er ermutigt euch, an der Seite der euch anvertrauten Herde zu bleiben, um im Rahmen des Möglichen jedes materielle und geistliche Leid zu lindem. Es ist die Zeit der Passion, gekennzeichnet vom Geheimnis des Kreuzes. Doch vergessen wir nie: Am Kreuz hat sich unser Heil vollzogen. Von Golgotha erhebt sich für die geplagte Menschheit die Kunde vom Sieg der Liebe über den Haß, des Lebens über den Tod, des Friedens und der Versöhnung über allen Streit und alle Spaltung. Euch Erziehern und Zeugen im Dienst des Volkes Gottes obliegt die Aufgabe, die heilende und befreiende Kraft des Ostergeheimnisses aufstrahlen zu lassen, vor allem durch die erneute Verkündigung des Evangeliums von der Barmherzigkeit. Wir brauchen alle das Verzeihen Gottes. Doch wir müssen zugleich alle bereit sein, unseren Brüdern und Schwestern zu vergeben. Seid unermüdliche Träger einer Botschaft der Hoffnung. Vergeßt aber nicht, daß die Fackel der Hoffnung ständig vom Öl des Gebetes genährt werden muß. Wenn man fest in Christus verwurzelt bleibt, kann nichts den Willen erschüttern, weiter für den Frieden zu kämpfen. Das Gebet ist die Waffe der hochherzigen Erbauer des Reiches Gottes. Habt also keine Furcht: Christus hat die Welt überwunden (vgl. Joh 16,33). Er ist mit euch allen: Sein Friede möge stets den Horizont eures Lebens erhellen und 242 REISEN auch wieder im Leben aller Völker aufleuchten, die Bosnien und Herzegowina zum Vaterland haben. Werdet nicht mutlos, hebe Brüder und Schwestern, auch wenn die derzeitigen Verhältnisse so sind, daß sie nach Jahrhunderten des erfreulichen Wachstums sogar das Überleben der Kirche in eurem Land in Gefahr bringen. Ihr habt eine Aufgabe von historischer Tragweite. Vor allem von euch Priestern und Ordensleuten hängt es ab, dafür zu sorgen, daß das Evangelium weiterhin überall in eurem Vaterland verkündigt wird und daß die Gemeinschaft der Glaubenden geeint und fest mit ihren Hirten verbunden bleibt. Eure Bemühungen werden mit überreichen Früchten gesegnet sein; bleibt daher in ständiger Gemeinschaft mit Christus, und wachst in der solidarischen Zusammenarbeit mit euren Bischöfen und untereinander. Die ganze Kirche steht an der Seite der Gemeinschaft der Christen in Bosnien und Herzegowina. Wir werden mit allen Mitteln dafür arbeiten, daß sie die derzeitigen Schwierigkeiten überwinden und eine blühende Zukunft aufbauen kann. Ich vertraue diese Wünsche der mütterlichen Fürbitte der Jungfrau Maria an, die in tiefer Verehrung in zahlreichen Heiligtümern und Kapellen eures Landes angerufen wird, und grüße und segne euch alle herzlich. Krieg ist kein unausweichliches Schicksal - der Friede ist möglich Ansprache an den Präsidenten der Republik Bosnien-Herzegowina in Sarajevo am 8. September Herr Präsident, Vertreter der staatlichen Behörden und religiösen Gemeinschaften, Brüder und Schwestern! 1. Seit langem hatte ich den Wunsch, diese Reise zu unternehmen, um mit eigenen Augen die Zerstörung dieser Stadt zu sehen, euren Schmerz zu teilen, mit euch den Blick zum Himmel zu richten und zu dem Gott des Lebens und des Friedens zu flehen. Sarajevo stand in diesen langen, endlosen Kriegsjahren wirklich im Mittelpunkt meines Herzens. Hier war ich zusammen mit Brüdern verschiedener christlicher Konfessionen und Gläubigen anderer Religionen während des am 9. und 10. Januar 1993 in Assisi abgehaltenen Gebetstages geistig zugegen. Hierher bin ich am 23. Januar dieses Jahres während der für den Frieden auf dem Balkan in der Petersbasilika gefeierten heiligen Messe im Geist gepilgert. Zu euch gingen immer wieder meine Gedanken bei den vielen Anlässen, wo ich in tiefer Betrübnis zu einer raschen Befriedung aufrief. Erst jetzt hat der Herr meinen Wunsch erhört, auch physisch unter euch weilen zu können, um aus der Nähe eure Hoffnungen und eure Tränen zu teilen. Es ist leider ein sehr kurzer Besuch, aber ich hoffe inständig, daß er den Beginn eines Neuan- 243 REISEN bruchs von Frieden und Einvernehmen für dieses geliebte und gemarterte Land an-zeigen möge! 2. Danke, Herr Präsident, für die freundliche Aufnahme. Während ich Ihnen meinen herzlichen Gruß entbiete, den ich voll Ehrerbietung auf die anwesenden Vertreter der Behörden und auf alle ausdehne, die mitgewirkt haben, um diesen Besuch zu ermöglichen, habe ich die Bürger von Sarajevo und von ganz Bosnien-Herzegowina vor Augen: muslimische Bosniaken, Serben, Kroaten sowie Mitglieder nationaler Minderheiten. Sie alle möchte ich gemeinsam in meine Arme schließen. Voll Zuneigung denke ich an die geliebte katholische Gemeinde; an die Brüder der ehrwürdigen orthodoxen Kirche; an die große islamische Gemeinschaft; an die kleine, kostbare jüdische Gemeinde, die wieder einmal zerstreut worden ist. Alle sind Opfer der Gewalttaten eines Nationalismus geworden, der unempfänglich ist für die Werte des friedlichen Zusammenlebens zwischen den Völkern. Mit dankbarer Bewunderung denke ich an die religiösen und humanitären Organisationen, besonders an diejenigen der Vereinten Nationen, und an die vielen Menschen, die ungeachtet der Gefahren auf vielerlei Weise und mit verschiedenen Mitteln ihre konkrete Solidarität angeboten haben, wobei sie manchmal sogar soweit gingen, den Tod auf sich zu nehmen, damit andere leben konnten. Ich nehme teil am Schmerz aller, die den Verlust ihrer Lieben beklagen, besonders ihrer jungen Söhne und Töchter, dahingemäht von den Schrecken eines Krieges, der nichts und niemanden verschont. Ich bin als Bote von Eintracht und Frieden gekommen, allein von dem Wunsch getrieben, mich an die Seite der Opfer der Unterdrückung und der Gewalt zu stellen, um noch einmal zu wiederholen: „Ihr seid nicht verlassen. Wir sind bei euch. Wir werden immer mehr bei euch sein!” Mein Besuch will eine Pilgerfahrt des Friedens in eine Region sein, die von so vielen Leiden und Ungerechtigkeiten heimgesucht wird; eine Region, in der auf Grund einer absurden, blinden Gewalt Tausende von Menschen umgekommen sind und es unzählige Verwundete und Flüchtlinge gibt. Nein, dieser Krieg kann nicht, darf nicht weitergehen! 3. Diese Stadt Sarajevo, ein Schnittpunkt von Spannungen zwischen unterschiedlichen Kulturen und Nationen, kann als die „Stadt unseres Jahrhunderts” angesehen werden. Denn genau hier hat im Jahr 1914 der Erste Weltkrieg begonnen. Und hierher müssen wir am Ende dieses Jahrhunderts zurückkehren: im Jahr 1994. Aber was ist in Europa in diesen achtzig Jahren geschehen? Viel, sehr viel ist geschehen. Zunächst sind die im vorigen Jahrhundert errichteten Großreiche untergegangen. 1918 bedeutete für viele Länder Mitteleuropas den Beginn der Unabhängigkeit. Jenes Europa hat zwanzig Jahre gedauert. Anstelle der alten Mächte sind neue entstanden: im Westen das nationalsozialistische Regime, im Osten das kommunistische der Sowjetunion. Zwei feindliche Mächte, zwei feindliche Systeme, aber zu Kompromissen bereit, um imperialistische Programme zu verwirklichen. 244 REISEN Das Ende des Krieges im Jahr 1945 besiegelte die Niederlage des deutschen Nationalsozialismus. Nun hatte sich die Grenze des siegreichen Kommunismus nach Westen verlagert. Diesseits des Eisernen Vorhangs, im Westen, machte inzwischen die neue Europäische Gemeinschaft die ersten Gehversuche. Im Osten hingegen mußten die Nationen für ihre Identität und politische Unabhängigkeit einen harten Kampf durchstehen. Ein Augenblick von historischer Bedeutung in diesem Kampf war das Jahr 1989. Dieses Jahr bezeichnete das Ende der kommunistischen Herrschaft, aber auch den Anfang der Spannungen und dann des schrecklichen Krieges auf dem Balkan zwischen den Völkern des ehemaligen Jugoslawien. Also für alle eine neue Herausforderung, da in den Balkankonflikt Katholiken, Orthodoxe und Muslime verwickelt sind: Es handelt sich um Glaubende, die auf die Macht des Gebetes vertrauen und sich durch die gleiche Sorge verbunden fühlen. 4. Was für eine Sorge? Wir kehren in Gedanken in das Jahr 1945 zurück. Nachdem die Nationen den Zweiten Weltkrieg mit seinen unsagbaren Grausamkeiten überstanden hatten, waren sie sich über eine dringende Notwendigkeit klar: Sie mußten sich gegen den Krieg verbünden. Eine der ersten Taten auf dem Weg zum Frieden war die Erklärung der Menschenrechte. Der Krieg richtet sich gegen den Menschen. Wenn man den Krieg vermeiden will, muß man die Achtung vor den fundamentalen Rechten der menschlichen Person sicherstellen, unter denen das Recht auf Leben, das jeder Mensch von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod hat, den ersten Platz einnimmt. Dann gibt es die anderen Rechte, zum Beispiel das Recht auf Freiheit der Religion und des Gewissens, die die Prinzipien des Zusammenlebens der Menschen in seiner geistigen Dimension festlegen. Ihnen hat das Zweite Vatikanische Konzil eine eigene Erklärung, Dignitatis humanae, gewidmet. Das Zusammenleben der einzelnen Menschen und der Völker stützt sich außerdem auf die „Rechte der Völker”. Wie der einzelne, das Individuum, so hat auch jedes Volk das Recht auf Existenz, auf seine Entwicklung entsprechend den kulturellen Ressourcen der Nation. Aus ihnen schöpfen die Familien, die bei der Erziehung der Kinder die heimischen Kulturgüter an die kommenden Generationen weitergeben. Darüber habe ich wiederholt gesprochen, im besonderen vor der UNESCO während meines Besuches im Jahr 1980 (vgl. Insegnamenti di Giovanni Paolo II, Bd. IIM, [1980], S. 1636-1655; O.R.dt., 1980, Nr. 23 u. Nr. 25). So entsteht durch die Achtung der Personen und der Nationen der Friede, und so wird er errichtet und verteidigt. 5. Er ist deshalb eine große Aufgabe, die dem Einsatz aller anvertraut ist. Gewiß hängt sehr viel von denen ab, die öffentliche Verantwortung im Bereich der Konfliktparteien oder der internationalen Organisationen tragen. Warum sollte man nicht die wiederholten Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft für den Frieden in Bosnien und der Herzegowina ermutigen? Diese Anstrengungen müssen auf der Grundlage der vom internationalen Recht bestätigten und von den zahlreichen dies- 245 REISEN bezüglich angenommenen Resolutionen bekräftigten Grundsätze zielstrebig weitergehen. Offensichtlich ist jedoch das Schicksal des Friedens großenteils nicht allein den institutioneilen Formulierungen anvertraut, die im aufrichtigen Dialog und unter Achtung der Gerechtigkeit eindringlich konzipiert werden; das Schicksal des Friedens hängt vor allem von einer wiedergewonnenen Solidarität der Fierzen ab. Und diese setzt - vor dem Flintergrund von soviel Blut und soviel Haß - den Mut des Verzei-hens voraus. Man muß es fertigbringen, um Verzeihung zu bitten und zu verzeihen! Das heißt nicht, daß Verbrechen nicht auch von der menschlichen Gerechtigkeit verfolgt werden dürfen - das ist ja notwendig und geboten -, aber die Gerechtigkeit ist weit entfernt von jedem blinden Rachegefühl, vielmehr läßt sie sich von dem starken Bewußtsein für das Gemeinwohl leiten, das auf eine Wiedereingliederung des Verirrten abzielt. 6. Nur dieser geistige Horizont vermag den geeigneten Boden für den Frieden zu bereiten und den guten Ausgang der laufenden Verhandlungen zu begünstigen. Die Vorschläge und Kontakte der letzten Zeit haben - so lobenswert sie in der Absicht waren, dem Konflikt endlich ein Ende zu bereiten - noch nicht das nötige Einvernehmen zustande gebracht, um zu dem gewünschten Waffenstillstand zu gelangen. Diese Kontakte müssen fortgesetzt und intensiviert werden. Man kann nicht länger die flehentliche Bitte aller derer - Männer, Frauen, Jugendliche, alte Menschen, Kinder - ignorieren, die danach bangen, daß dem Konflikt ein Ende gesetzt und der Möglichkeit der Begegnung Raum gegeben wird! Ich möchte darum hier wiederholen, was ich zu Beginn dieses Jahres sagte: „Was mit Gewalt genommen oder vertilgt wird, macht einem Menschen oder der Sache, die er angeblich fördern möchte, niemals Ehre” {Ansprache an das Diplomatische Korps am 15.1.1994, Nr. 6; in: O.R.dt., Nr. 37, S. 22; vgl. O.R.dt., Nr. 4, S. 8). Die Methode des Dialogs, an der trotz aller Widerstände festgehalten wird, erfordert Aufrichtigkeit, Ausdauer und Hochherzigkeit bei allen, die am Dialog teilnehmen. Nur auf der Grundlage dieser Prinzipien wird man in der Lage sein, die Uneinigkeiten und die bestehenden Meinungsverschiedenheiten beizulegen, und wird man der konkreten Hoffnung auf eine würdigere Zukunft für alle Völkerschaften, die zusammen auf diesem Territorium leben, Raum geben. 7. Ich vertraue Ihnen, Herr Präsident, diese Überlegungen an, die noch einmal die Hoffnung auf eine unbeschwertere Zukunft für jeden Bewohner dieses geliebten Landes bekräftigen sollen. Sicher, angesichts des Zustandes, in dem sich die Stadt Sarajevo und mit ihr so viele andere Städte und Dörfer befinden, könnte die Hoffnung als eine Illusion oder eine Ausflucht aus der harten Alltagswirklichkeit erscheinen. Trotzdem soll man Hoffnung haben im Vertrauen auf Gott, der keiner verläßt. 246 REISEN Daher mein herzlicher Wunsch: Wenn endlich die Zeit des Leides und des Gegeneinanders vorüber ist, möge rasch die Ära der Toleranz, der Eintracht, der wiedergewonnenen Solidarität zwischen den Brudervölkern einsetzen! Wie ich bei anderer Gelegenheit gesagt habe, ist „der Krieg ... kein unausweichliches Schicksal; der Friede ist möglich! Er ist möglich, weil der Mensch ein Gewissen und ein Herz hat. Er ist möglich, weil Gott einen jeden von uns so, wie er ist, hebt, um ihn umzuformen und wachsen zu lassen” (ebd.). Möge Gott, Schöpfer und Herr jedes Menschen, allen seinen Trost schenken und zugleich in den Herzen die Vorsätze zu Dialog, zu Verständigung, zu ein vernehmlichem Bemühen um den Frieden und den Wiederaufbau stärken. Das, Herr Präsident, ist das Gebet, das ich an den Allmächtigen richte, während ich seinen Segen auf ganz Bosnien-Herzegowina herabrufe, besonders auf diejenigen, die am tiefsten und sichtbarsten die Zeichen des Krieges tragen und sich am brennendsten nach dem Frieden sehnen. 247 REISEN 3. Pastoralbesuch in Zagreb (10./11. September) Eine apostolische Pilgerreise kirchlicher Gemeinschaft Ansprache bei der Ankunft auf dem internationalen Flughafen in Zagreb am 10. September Herr Präsident der Republik, meine Herren Regierungsvertreter, meine Herren Vertreter der nichtkatholischen Gemeinschaften, Herr Kardinal und ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, liebe Bürger von Kroatien! 1. In der Stunde, wo ich zum ersten Mal meinen Fuß auf kroatischen Boden setze und ihn ergriffen küsse, möchte ich gerne an dieses geliebte Land und alle, die hier wohnen, einen herzlichen Gruß richten. Doch mein Gruß geht auch noch weiter: Er umfaßt Bosnien und Herzegowina, er umfaßt Sarajevo, die hart mitgenommene Stadt, die ich so gerne als Pilger des Friedens und der Hoffnung begrüßt hätte. Ich wollte der schwer betroffenen Bevölkerung, die dort wohnt, ein Wort des Trostes und der Solidarität sagen und auch physisch an ihre Seite treten. Seit allzu langer Zeit tobt der Krieg in einem Land, dessen Einwohner seit Jahrhunderten an Verhältnisse gegenseitiger Toleranz und beispielhafter Zusammenarbeit gewohnt waren. Um den blutigen brudermörderischen Krieg anzuhalten, habe ich jeden Weg versucht und an jede Tür geklopft. Auch der geplante Besuch vom vergangenen 8. September wollte sich auf dieser Linie bewegen. Nun vertraue ich Gott die in mir geweckte Bitterkeit über den erzwungenen Verzicht an und bitte ihn, dennoch in die Herzen aller Interessierten meine nachdrückliche Aufforderung zu Versöhnung und Frieden gelangen zu lassen. 2. Heute weile ich hier auf kroatischem Boden als waffenloser Pilger des Evangeliums Jesu, das eine Verkündigung der Liebe, der Eintracht und des Friedens ist. An erster Stelle grüße ich Sie, Herr Präsident der Republik, denn Sie tragen die schwere Verantwortung für das Schicksal aller Bewohner Kroatiens, und ich danke Ihnen für Ihre schönen Worte des Willkommens. Mein ergebener Gruß gilt ferner den übrigen staatlichen Autoritäten und allen, die sich für das Wohl dieser Nation hochherzig einsetzen. Als Nachfolger des Apostels Petms auf dem Sitz von Rom umarme ich in herzlicher Brüderlichkeit Kardinal Franjo Kuharic und alle übrigen Hirten der geliebten Ge- 249 REISEN meinschaft der Katholiken, die Familien und zumal die Kranken und Leidenden. Ein besonderes Gedenken gilt den Verbannten und Flüchtlingen, die derzeit in diesem Land anwesend sind; mit meinem Gruß wünsche ich ihnen, sie möchten möglichst bald in ihre Wohnungen zurückkehren können. Mein Gruß gilt ferner allen Gemeinschaften von Christen in Kroatien, zumal der serbischen orthodoxen Kirche und ihren Hirten; ich grüße auch die islamische Gemeinschaft, die in den letzten Jahren infolge der gewaltsamen Bevölkerungsverschiebungen aus den hart mitgenommenen Regionen Bosnien und der Herzegowina erheblich angewachsen ist; ich grüße schließlich die Gemeinschaft der Juden, die seit Jahrhunderten auf kroatischem Boden verwurzelt ist. 3. Liebe Bürger von Zagreb, ich freue mich, unter euch weilen zu dürfen. Ich bin gekommen, um mit euch ein historisches Ereignis der Erzdiözese zu feiern, nämlich das neunte Jahrhundert seit ihrer Errichtung. Jede Reise des Papstes hat ein pastora-les Anliegen. Das heutige ist eine apostolische Pilgerreise kirchlicher Gemeinschaft, welche die bestehenden Bande zwischen dem Sitz des Petrus und der katholischen Bevölkerung Kroatiens bestätigen möchte. Wie Sie, Herr Präsident, erwähnt haben, reicht die Geschichte des Christentums in diesem euren Land weit zurück. Schon vor der Ankunft der Kroaten in diesem Gebiet wurde der Same des Evangeliums in den kaiserlichen Provinzen Dalmatien und Pannonien verbreitet. Eure Ahnen begannen ihn nach dem Zeugnis von Konstantin Profirogenito seit den Zeiten des Kaisers Heraklius und des Papstes Agathon im siebten Jahrhundert aufzunehmen. Die Beziehungen zwischen Kroatien und dem Hl. Stuhl haben sich dann zumal im neunten Jahrhundert mit der Festigung des kroatischen Staates verstärkt, zur Zeit des Fürsten Branimir und im Pontifikat von Johannes VIII. Es war die Zeit der hochherzigen und weitblickenden Mission der heiligen Brüder aus Thessaloniki, Cyrill und Methodius, unter der slawischen Bevölkerung von Groß-Mähren, eine Tätigkeit, die ein unzerstörbares Zeichen in der sprachlichen und liturgischen Ausdrucksform, zumal in dei glogolitischen Überlieferung, auch in einigen Gebieten Kroatiens hinterlassen sollte. 4. Die Kontakte zwischen der Gemeinschaft der kroatischen Katholiken und dem Apostolischen Stuhl haben sich nie abgeschwächt. Im Verlauf der christlichen Jahrhunderte sind die Christen dieses Gebietes, die nicht selten „für das heilige Krem und den Schatz der Freiheit” kämpfen mußten, insgesamt dem Evangelium treu unc mit dem römischen Papst trotz Verfolgungen und Widerwärtigkeiten aller Art vereint geblieben. Hier möchte ich unbedingt Generationen von Gläubigen - Priester, Ordensleute unc Laien - in Erinnerung rufen, die sich verausgabt haben, um auch den fernsten Völkern die Reichtümer des Evangeliums Christi zu bringen, und sich mit hochherzige: Hingabe für ihre pastorale Betreuung und die Förderung des Menschen in den ver schiedenen Bereichen des Schul- und Gesundheitswesens sowie der Werke de Barmherzigkeit für die Ärmsten eingesetzt haben. 250 REISEN Zumal möchte ich jenen Kroaten Ehre erweisen, die sich in den Tugenden des Evangeliums ausgezeichnet und den Beweis eines heiligen und beispielhaften Lebens geliefert haben. Ich denke unter anderen an den Märtyrer, den hl. Nikolaus Tavelic, einen Franziskaner (f 1391); an den Kapuzinerpater, den hl. Leopold Bod-gan Mandic, einen Apostel des Beichtstuhls, den ich zu meiner Freude im Jahre 1983 heiligsprechen durfte; ich denke an den sei. Augustin Kazotic (f 1323), einen berühmten Hirten dieser Diözese, aber auch an den Priester und Märtyrer, den sei. Markus von Crisio (t 1619). Es ist ferner eine Pflicht, die hervorragende und ehrwürdige Gestalt des Kardinals und Dieners Gottes Alojzije Stepinac, das Bollwerk der Kirche in Kroatien, zu nennen, ferner die zahllosen Söhne und Töchter dieses Landes, die ihren Glauben und ihren Mut auch in jüngster Zeit bewiesen haben, als sie der Unterdrückung durch den atheistischen Kommunismus im Namen der Menschenrechte und des Wertes der Freiheit, zumal der Religionsfreiheit, widerstanden. 5. Herr Präsident, in Ihrem Willkommensgruß haben Sie auch auf die Ereignisse angespielt, die Kroatien in jüngster Zeit betroffen haben. Ein bedeutsames Ereignis war 1992, als nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes die Verkündigung der Souveränität Kroatiens und die sich anschließende internationale Anerkennung erfolgte und zum ersten Mal in der über tausendjährigen Geschichte der kroatischen Nation zwischen Kroatien und dem Heiligen Stuhl auch diplomatische Vertretungen ausgetauscht wurden. Leider wurde diese Freude durch die schrecklichen Leiden eines Konfliktes verdüstert, der im Lande bis heute tiefe Wunden hinterläßt. Wer erinnert sich nicht an Vukovar, Dubrovnik, Zara und zahlreiche weitere kroatische Städte und Dörfer, die vom Orkan des Krieges überfahren wurden. Der in Kroatien eingeschlafene Konflikt hat dann leider die benachbarten Gebiete Bosnien und Herzegowina erfaßt. Wieviel unschuldiges Blut wurde vergossen! Wie viele Tränen haben das Antlitz von Müttern und Kindern, Alten und Jungen gezeichnet! Der Heilige Stuhl setzt sich weiter mit allen Mitteln in seiner Verfügung für die Überwindung der bestehenden Spannungen sowie die Wiederherstellung der Gerechtigkeit und des Friedens in den Balkanländem ein. Wie hart das Bemühen um Frieden auch sein mag, es ist für jeden Gläubigen eine heilige Pflicht. Wenn man den Frieden wirklich will, ist er immer möglich! Will man ihn auf dem Fundament der Gerechtigkeit und der Wahrheit aufbauen, ist er vor allem von Gott zu erflehen. Dazu habe ich im Januar 1993 die Katholiken und die Vertreter anderer christlicher Konfessionen und nichtchristlicher Religionen nach Assisi eingeladen, während ich eine ähnliche Feier in diesem Jahr in der Petersbasilika zum Abschluß der Gebetswoche für die Einheit der Christen angeregt habe. Doch zum Gebet muß die hochherzige Initiative der Menschen guten Willens hinzukommen. Es ist notwendig, eine Kultur des Friedens zu fördern, angeregt von Empfindungen der Toleranz und universaler Solidarität. Eine solche Kultur lehnt einen 251 REISEN gesunden Patriotismus nicht ab, hält ihn aber fern von nationalistischen Übertreibungen und Verhärtungen. Sie ist fähig, große und edle Freunde zu schaffen, die sich wohl bewußt sind, daß die vom Haß geschlagenen Wunden nicht mit Rachsucht, sondern vielmehr mit Geduld und dem Balsam des Verzeihens geheilt werden: Die Verzeihung aber muß erbeten und gewährt werden in demütiger und großer Hochherzigkeit. Ohne eine solche Kultur des Friedens lauert immer im Hintergrund der Krieg und glimmt auch unter der Asche unsicherer Waffenruhen weiter. In christlicher Hoffnung möchte ich daher diese feierliche Stunde benutzen, um meinen nachdrücklichen Aufruf zu erlassen: Laßt die Sprache der Waffen endlich verstummen, und öffnet die Herzen für die erregende Aufgabe, den Frieden aufzubauen! Daher wünsche ich den für das öffentliche Leben dieser edlen Nation Verantwortlichen, sie mögen immer dem Weg des Friedens folgen, gestärkt durch die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, um die schwierigen und heiklen noch schwebenden Probleme zu lösen, wie jene der Souveränität über das ganze nationale Territorium, die Rückkehr der Flüchtlinge und des Wiederaufbaus dessen, was durch den Krieg zerstört wurde. 6. Meine Lieben, ich möchte meine Wünsche für euer Volk gerade in dem Wort „Frieden” zusammenfassen. Mit diesem Wort hat sich der auferstandene Christus am Ostertag an die Apostel gewandt. So möchte auch ich heute all euren Städten und Dörfern und jeder Familie, zumal denen, die am meisten geprüft sind und leiden müssen, zurufen: Der Friede sei mit euch! Als Pilger der Versöhnung lädt der Papst euch ein, auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 zu schauen und euch auf dieses historische Ereignis vorzubereiten, indem ihr im Licht der Werte des Evangeliums für den Wiederaufbau einer toleranten, gerechten, einträchtigen und solidarischen Gesellschaft arbeitet. Ich wünsche eurem hochherzigen Volk, eurer souveränen Republik und allen Bürgern ohne Unterschied der Sprache, religiösen Überheferungen und nationalen Gefühle, zumal der Kirche Gottes, die in Kroatien weilt, auf die Fürbitte der heiligsten Jungfrau Maria alles wahrhaft Gute im Herrn. Als Zeichen überreicher himmlischer Gaben aber erteile ich allen Anwesenden und allen, die uns über Radio und Fernsehen folgen sowie allen Einwohnern Kroatiens von Herzen den Apostolischen Segen. Gelobt sei Jesus und Maria! 252 REISEN Antwort auf ein lebhaftes Bedürfnis nach Gott Ansprache an die Priester und Ordensleute in der Kathedrale am 10. September Herr Kardinal, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, hebe Priester, Seminaristen und Ordensleute! 1. Ich freue mich, daß ich euch in dieser Kathedrale, dem geistlichen Zentrum der Erzdiözese, begegnen kann. Herzlich grüße ich nicht nur euch Anwesende, sondern alle, die aufgrund ihrer Arbeit, ihres Gesundheitszustandes oder anderer Schwierigkeiten nicht an dieser Stunde der Gemeinsamkeit und des Gebetes teilnehmen können. Ihr bildet einen besonders erwählten Teil des Gottesvolkes in Kroatien, und darum ist es recht, daß euch beim Besuch des Papstes eine besondere Zeit Vorbehalten ist. Liebe Priester, liebe Ordensmänner: Kardinal Alojzije Stepinac, der in dieser Kathedrale beigesetzt wurde, nannte euch für gewöhnlich seinen „Augenstern”. Er hatte recht, denn ihr müßt in der Sorge der Kirche einen zentralen Platz einnehmen, hängt doch ihr Wirken in der Welt zum großen Teil von eurem Dienst ab. Kraft der Priesterweihe und der vom Bischof empfangenen Sendung seid ihr berufen, unter den Menschen von heute den Dienst Christi, des Propheten, des Priesters und des Königs, erneut lebendig werden zu lassen. Nicht nur die Kirche, sondern auch die Gesellschaft braucht Priester und gottgeweihte Menschen, denn der heutige Mensch empfindet - allem Anschein entgegen -ein lebhaftes Bedürfnis nach Gott. Die materiellen Güter allein genügen nicht. Das Herz des Menschen ist unruhig, beständig auf der Suche nach dem, was seinem Leben Sinn und Wert geben kann. Die Welt braucht die Priester, weil sie Christus braucht. Gottgeweihte Menschen sind notwendig, weil der Mensch es nötig hat, immer wieder an die geistigen, die geistlichen und ewigen Werte erinnert zu werden. Seid stets tief davon überzeugt, daß die Zukunft der Kirche zum großen Teil von heiligen Priestern und Ordensmännern abhängt, die ganz von der Liebe zu Christus erfaßt und voll Eifer für ihre Brüder und Schwestern sind; Priester und Ordensleute, die darauf bedacht sind, durch Studium und Gebet immer tiefer in das Wort Gottes einzudringen, um darin Wegweisung und Halt für ihr gottgeweihtes Leben und die täglichen pastoralen Aufgaben zu finden. 2. Eine große Aufgabe ist euch auferlegt, hebe Priester und Ordensmänner: die Menschen mit Gott und untereinander zu versöhnen. Es ist eine besonders dringende Pflicht für euch in diesem Augenblick der Geschichte, in welchem ein unsinniger and grausamer Krieg den Balkan verwüstet und auch eure Heimat gezeichnet hat. Die Gräben des Hasses, die er aufgerissen hat, kann nur die von Gottes Geist gedeckte Liebe füllen. 253 REISEN Euch Priestern, die ihr bei der heiligen Messe „in persona Christi” das Opfer von Golgota lebt und gegenwärtig setzt, euch kommt es vor allem zu, echte Zeugen für den zu sein, der noch im Sterben sagte: „Vater, verzeih ihnen!” Wenn euer Volk auf euch schaut, auf den Dienst der Versöhnung, den ihr ausübt, aber vor allem auf das Beispiel, das ihr hochherzig gebt, dann möge es die Kraft finden, zu verzeihen und, wo nötig, um Verzeihung zu bitten. Das erfordert Demut und Offenheit des Geistes, Liebe zur Wahrheit und Streben nach wahrem Frieden. Euch vertraue ich als Aposteln und Zeugen für Vergebung und Versöhnung dieses schwierige, aber unbedingt notwendige Werk an. Seid eurer priesterlichen Identität treu, und macht die Eucharistie, die Liturgie, die Sakramente und das Gebet zur Gmndlage eures Apostolates, und steht fest in der Überzeugung, daß der Geist Gottes das Böse überwindet, daß seine Gnade stärker ist als die menschliche Bosheit, daß die Liebe, und nicht der Haß, das letzte Wort haben wird. In der Nachfolge Christi mögt ihr euch auch auszeichnen durch die Treue zum Zölibat, der euch gestattet, euch mit ungeteiltem Herzen dem Dienst des Herrn und des Nächsten hinzugeben. Diesbezüglich muß ich viele Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen loben, die in den tragischen Augenblicken des eben beendeten Krieges das Flüchtlingslos mit ihrem Volk geteilt haben und sich in schwierigen, oft demütigenden Situationen anzupassen wußten. Bleibt, meine Lieben, euren so schwer geprüften Gläubigen weiterhin nahe. Sie brauchen eure liebevolle Zuwendung und euren hochherzigen Dienst, um in den derzeitigen Widrigkeiten durchhalten und die Hoffnung auf ein besseres Morgen lebendig erhalten zu können. Aus euren Worten und aus eurem Verhalten werde immer die klare Überzeugung sichtbar, daß alle Menschen, welcher Volksgruppe oder welchem Volk sie auch angehören mögen, Kinder des gleichen Vaters im Himmel sind. Unter diesem Gesichtspunkt steht auch der ökumenische Dialog, der euch und euren Bischöfen selbst in den augenblicklichen schwierigen Umständen sehr am Herzen liegt. Werdet auf diesem vom Herrn gewollten Weg nicht mutlos. Er, der Herr, wird zu seiner Zeit die erwünschten Früchte schenken. 3. Im Lauf von einigen Jahrhunderten haben Beispiele von kroatischen Priestern und Ordensmännern ein einzigartiges geistliches Erbe hinterlassen. Ich denke besonders an eure beiden Heiligen, den Franziskaner Nikola Tavelic und den Kapuzinei Bogdan Mandic. Ich fteue mich, daß ich heute Herrn Kardinal Franjo Kuharic, den Präsidenten der Kroatischen Bischofskonferenz, eine Reliquie des heiligen Leopold, des großen Heiligen des Bußsakraments, überreichen kann. Möge dieser herausragende Sohn eures Volkes, auch durch dieses Zeichen, zu einer Einladung für alle werden, im Leben das zu verwirklichen, was täglich Gegenstand eurer Predigt ist. Aus der langen Reihe von Männern und Frauen, die sich in unserer Zeit durch die Übung der christlichen Tugenden ausgezeichnet haben, möchte ich noch an die Die ner Gottes erinnern: Josip Lang, Weihbischof von Zagreb die Franziskaner Vendel 254 REISEN lin Vosnjak und Ante Antic sowie den Laien Ivan Merz, der sich sehr aktiv eingesetzt hat im Zeugnis für das Evangelium in der heutigen Welt. Die eindrucksvollste Gestalt aber bleibt Kardinal-Erzbischof Alojzije Stepinac. Durch sein Dasein, seine Arbeit, seinen Mut und seine Geduld, durch sein Schweigen und schließlich durch seinen Tod hat er gezeigt, daß er ein wahrer Mann der Kirche war, zum größten Opfer bereit, um nur nicht den Glauben zu verleugnen. In jeder Lage, sowohl in Freiheit wie im Gefängnis und im Hausarrest, immer wachte er als wahrer Hirte über seine Herde. Und als er begriff, daß man durch die Zugehörigkeit zu politischen Vereinigungen den Klerus spalten und das Volk Gottes von der Kirche Roms trennen wollte, zögerte er nicht, sich dem mit aller Energie zu widersetzen, und er bezahlte seinen Mut mit Gefängnishaft. In diesem aufgewühlten Augenblick der nationalen Geschichte hielt er die wahrste, echteste Tradition eures Volkes hoch, das seit den Anfängen seiner Bekehrung zu Christus immer tiefe Verbundenheit zum Sitz des Petrus bekannt hat. Das habe ich schon 1979 bei der Eucharistiefeier anläßlich der kroatischen Nationalwallfahrt anerkannt. Damals zitierte ich die Worte von Papst Johannes VIII. aus dessen Epistula ad populum et clerum croatum (Brief an das kroatische Volk und den kroatischen Klerus), wo er schreibt: „Ich breite die Arme aus und drücke euch an mich und empfange euch mit väterlicher Liebe”, und unterstrich „die Liebe und Anhänglichkeit der Kroaten zur römischen Kirche, zum Sitz des Heiligen Petrus” (Insegnamenti, Bd. Il/I, 1979, S. 1024 f). 4. Die neuen Zeiten erfordern angepaßte Methoden der Evangelisation. Die Errichtung des demokratischen Regimes in Kroatien hat neue Möglichkeiten eröffnet für die Pastoraltätigkeit auf dem Gebiet des Unterrichts, der sozialen Kommunikationsmittel, der Militärseelsorge, der Seelsorge für die Kranken und die Gefangenen. Diese Chance müßt ihr ausnutzen und euch kreativ zeigen in voller Übereinstimmung mit den Bischöfen und mit den anderen Priestern auf diözesaner und nationaler Ebene. In diese Arbeit wachsamer pastoraler Sorge auf jedem Gebiet fügt sich die wertvolle Mithilfe der Ordensbrüder ein, die, wenn sie in rechter Weise genutzt wird, wirksam zum Aufbau der christlichen Gemeinschaft beitragen kann. Es wird auch dringend nötig sein, für gut durchgebildete Laien zu sorgen, die vor allem in der Katechese und der Sozialhilfe mit euch Zusammenarbeiten können, so daß ihr euch mehr eurer eigentlichen priesterlichen Tätigkeit widmen könnt. 5. Nun möchte ich noch ein besonderes Wort an die Ordensschwestern richten. Liebe Schwestern, ich kenne sehr wohl euer freudiges Zeugnis der Liebe zu Christus und zu den Schwestern und Brüdern, ich weiß um eure Hoffnungen und auch um eure Probleme und weiß, was ihr alles gelitten habt. Ich möchte meine Wertschätzung ausdrücken für eure Arbeit in den Pfarreien als Katechetinnen, Sakrista-ninnen und Organistinnen; ich schätze euren Einsatz bei den Kindern und den alten Menschen und eure Arbeit in den Krankenhäusern. Ich sage euch: Haltet freudig 255 REISEN durch im Werk der Evangelisierung und im Zeugnis der Liebe. Der Herr ist mit euch und bedient sich auch eures ebenso kostbaren wie verborgenen Dienstes, um sein Heilswerk bei den Völkern dieses ihm so lieben Landes weiterzuführen. Schließlich grüße ich mit besonderer Zuneigung auch die Nonnen der Klausurklöster in Kroatien: die Klarissinnen, die Unbeschuhten Karmelitinnen und die Benedikti-nerinnen. Kardinal Stepinac hat alles getan, um ein Kloster der Unbeschuhten Karmelitinnen in Brezovica zu haben. Er wollte, daß es in der Diözese nicht an einer Oase des Gebetes fehle, von wo aus sich beständig Fürbitten für die Priester, für die Ordensleute und für das kroatische Volk erhöben. Liebe Klausurschwestem, bleibt eurem ursprünglichen Charisma treu. Ihr bringt die kontemplative Seele der Kirche zum Ausdruck: Seid beharrlich in eurer Aufgabe als aufmerksame Wächterinnen für das Absolute, in beständigem Dialog mit Gott, um „die Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute” (Gaudium et spes, Nr. 1) vor ihn zu bringen und um Erbarmen und Verzeihung für so viele Brüder und Schwestern zu erlangen, die sich in Schwierigkeiten befinden. Die Priester, die Ordensgemeinschaften und das kroatische Volk brauchen sehr euer Gebet und das Zeugnis eures Lebens, das alles für das Ewige eingesetzt hat. 6. In dieser großartigen Kathedrale, die das Andenken an so viele große Persönlichkeiten eures Volkes bewahrt, erinnere ich mich in Dankbarkeit an den wohlverdienten Kardinal Franjo Seper, den ich gekannt und geschätzt habe. Er hat als Hirte dieser Erzdiözese und dann als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre der Kirche einen wertvollen Dienst geleistet. Liebe Priester, Seminaristen und Ordensleute, nun verabschiede ich mich von euch und vertraue euch der Muttergottes an, die vom kroatischen Volk gern als seine „Königin” angerufen wird. Ein echtes Verhältnis zu Jesus Christus muß von echter Marienfrömmigkeit begleitet sein, von der Verehrung seiner und unserer geliebten Mutter. Maria begleite euch immer und lenke eure Schritte im Dienst der Kirche und der Nation. Mit diesem Wunsch erteile ich euch allen, euren Familien und den eurer Pastoralen Sorge anvertrauten Menschen von Herzen meinen Segen. Im Rückblick auf 900 Jahre Kirche von Zagreb Homilie bei der Konzelebration auf dem Reitgelände in Zagreb am 11. September 1. „Du bist Christus” (vgl. Mk 8,29). Mit diesen Worten verkündet Petrus im Evangelium der heutigen Liturgiefeier auch im Namen des Apostelkollegiums seinen Glauben an den Sohn Gottes. Das gleiche Glaubensbekenntnis erneuert der Nachfolger des Petrus heute zusammen mit seinen Brüdern dieser alten und berühmten Kirche von Zagreb, am feierlichen und frohen Tag der neunhundertjährigen Wiederkehr ihrer Gründung. 256 REISEN Im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen sind in dieser Feier alle Gläubigen von heute vereint, aber auch die Generationen, die uns vorangegangen sind. Wenn wir heute an den Beginn des Christentums in diesem Land denken, dann befriedigen wir nicht nur ein natürliches Gefühl der Liebe zu den eigenen Ursprüngen; wir wollen vor allem dem Geist Gottes Dank sagen, der neunhundert Jahre hindurch nicht aufgehört hat, diese Kirche aufzubauen und sie zum lebendigen Zeichen der Liebe des himmlischen Vaters auf kroatischem Boden zu machen. 2. Du bist Christus! Zu diesem Bekenntnis des Glaubens gelangten unter den slawischen Völkern die Kroaten als erste. Als sie sich nämlich in diesem Gebiet in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts niederließen, bekamen sie Kontakt mit dem Christentum der blühenden Zeit in Pannonien und Dalmatien. Die erste Begegnung zwischen dem Heiligen Stuhl und dem kroatischen Volk reicht auf über 13 Jahrhunderte zurück, als Papst Johannes IV., der aus Dalmatien stammte, den Abt Martin in dieses Gebiet sandte. Das Werk der Evangelisierung ging dann weiter mit dem Wirken der von Rom gekommenen Missionare und wurde in den kommenden Jahrhunderten auch mit den Früchten des Wirkens der heiligen Brüder Cyrillus und Methodius bereichert. Die beiden Slawenapostel haben nämlich auch die religiöse und kulturelle Entwicklung des ganzen balkanischen Raumes erheblich beeinflußt. Ihre Tätigkeit hinterließ tiefe Spuren in der Liturgie und Sprache einiger Gebiete Kroatiens, wo bis vor wenigen Jahren noch die römische Liturgie die altslawische Sprache verwendete. 3. Du bist Christus! Die Kirche von Zagreb hat den Glauben vom altchristlichen Erbe des kontinentalen Kroatiens übernommen, wofür zahlreiche Heilige Zeugen sind: der hl. Quirinus, Bischof von Siscia; der hl. Bischof Eusebius und Polhon, Lektor von Cibale, zu denen in den Gebieten von Dalmatien und Istrien die hll. Venantius und Domnius von Salona sowie der hl. Maurus von Parentium kommen. Wie sollten wir nicht für all das Gott Dank sagen? Wie sollten wir ihm nicht danken für die Tatsache, daß der Großteil der Kroaten ständig Rom die Treue gehalten hat und dafür auch bereit und fähig war, nicht wenige Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten anzunehmen und zu überwinden? Ich denke in diesem Augenbhck an die lichtvollen Gestalten zahlreicher Heihgen unter euren Landsleuten, die euch wohlbekannt sind. Ich denke besonders mit lebhafter Ergriffenheit an den jüngsten Beweis der Treue zu Christus und zum Papst aus den Jahren, die unmittelbar dem Zweiten Weltkrieg folgten und für die der Erzbischof von Zagreb, Kardinal Alojzije Stepinac, als Vorkämpfer dasteht, der mit Leiden und Prüfungen aller Art sein mutiges Bekenntnis zum Evangelium bezahlt hat. 4. Diese ganze Geschichte der Gnade wird heute für euch zum Anlaß, über eure Gegenwart nachzudenken, sowie zum Aufruf, die Zukunft aufzubauen, die vor euch 257 REISEN liegt. Sie wird zumal zur Einladung, euer inniges und vertrauensvolles Gebet um den Frieden zu erheben. Mit Heimweh denken wir nämlich an die Zeit zurück, da auf diesem Gebiet alle Gläubigen sich in voller Gemeinschaft untereinander befanden und jeder mit dem eigenen Empfindungsvermögen und seiner Kultur die gleiche Anhänglichkeit an das Evangelium Christi pflegte. Die heutigen tragischen Spaltungen und Spannungen dürfen nicht vergessen lassen, daß zahlreiche Elemente jene Völker einen, die sich heute im Krieg befinden, und es wird zur dringlichen Pflicht, alles das, was eint, zu sammeln - und das ist ja nicht wenig -, um damit neue Ausblicke auf brüderliche Solidarität zu eröffnen. Der Friede in den Balkanländern - das möchte ich in dieser Stunde des Leidens nachdrücklich betonen - ist keine Utopie. Er legt sich sogar vom historischen Realismus her nahe. Jahrhunderte hindurch haben sich die Völker dieser Gebiete gegenseitig angenommen und vielfältigen Austausch im Bereich der Kunst, der Sprache, der Schrift und der volkstümlichen Kultur gepflegt. Stellt etwa nicht auch die überlieferte religiöse Toleranz einen gemeinsamen Reichtum dar, der fast tausend Jahre lang sich auch nicht in den dunkelsten Zeiten vermindert hat? Nein, es ist nicht erlaubt, das Phänomen nationalistischer Intoleranz, das nun diese Gebiete durchdringt, der Religion zuzuschreiben. Das gilt nicht nur für die Christen der verschiedenen Konfessionen, die Gott heute zu einer außerordentlichen Anstrengung beruft, die volle Gemeinschaft zu erreichen, sondern auch für die Gläubigen der anderen Religionen, zumal für die Muslime, die in den Balkanländem eine erhebliche Präsenz im Rahmen eines achtungsvollen bürgerlichen Zusammenlebens aufgebaut haben. 5. Du aber, Kirche von Zagreb, die du heute auf 900 Jahre zahlreicher Erweise der Barmherzigkeit des Herrn zurückblickst, bist gemeinsam mit den anderen Kirchen Kroatiens aufgerufen, zum Apostel einer neuen Eintracht zu werden. Hat uns etwa das Konzil nicht daran erinnert, daß die Kirche „Sakrament” nicht nur der innigsten Vereinigung mit Gott, sondern auch der Einheit des ganzen Menschengeschlechts ist? (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Der Glaube soll in den heute so hart mitgenommenen Gebieten wieder zur einigenden und wohltuenden Kraft werden wie die Flüsse, die sie durchziehen. Ich denke an den Fluß Save, der in Slowenien entspringt, dann euer Vaterland durchzieht, die Grenze zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegowina entlangfließt, um auf serbischem Gebiet in die Donau zu münden: in einen weiteren großen Fluß, der kroatisches und serbisches Gebiet auf der einen Seite mit anderen großen Ländern Ost-, Zentral- und Westeuropas vereint. Zwei Flüsse, die sich begegnen, wie es auch die zahlreichen Völker tun sollten, die von ihnen verbunden werden, und das gilt vor allem von den beiden Ausdrucksformen des Christentums, dem westlichen und östlichen, die in diesen Ländern seit jeher Zusammenleben. In diesem Gleichnis der 258 REISEN Flüsse können wir gleichsam die Spur des Weges erblicken, den Gott euch in dieser schwierigen geschichtlichen Stunde nahelegt. 7. Es ist ein Weg der Einheit und des Friedens, dem sich niemand entziehen darf. Das fordert noch vor dem Glauben auch die Vernunft. Hat die Geschichte etwa nicht tausend unzerstörbare Bande zwischen euren Völkern geschaffen? Sind nicht schon die Sprachen selbst in ihrer Verschiedenheit einander derart verwandt, daß sie ein gegenseitiges Sprechen und Verstehen erlauben, wie es bei anderen Völkern und in anderen Gegenden Europas weit weniger möglich ist? Frieden legt schon die geographische Lage nahe, die aus den Balkanländem ein unerläßliches Durchgangsgebiet zwischen dem Nahen Osten und dem mitteleuropäischen Raum macht. Gerade von daher hat sich im Lauf der Jahrhunderte das Aufblühen von Handels-, Finanz- und Untemehmergeschäften ergeben, die allen in reichem Maß Vorteile verschafft haben. In dieser Richtung hegt daher auch die Zukunft der balkanischen Halbinsel. In Zusammenarbeit und Solidarität lassen sich die vielen Probleme aufgreifen und lösen, mit denen sich die balkanischen Völker auseinanderzusetzen haben. Fortschritt und Wohl der balkanischen Nationen kennen nur einen Namen: Frieden. 8. Doch über das menschliche Zusammenleben hinaus bist du, Kirche von Zagreb und von ganz Kroatien, bei diesem dringenden Bemühen um Frieden durch einen kategorischen moralischen Imperativ aufgerufen. Es ist der Imperativ, der sich unwiderstehlich für jeden bewußt Glaubenden jedesmal ergibt, wenn er mit seinen Lippen das Gebet des „Vater unser” formuliert. Mit diesen Worten hat Christus uns gelehrt, uns an Gott als Vater zu wenden: eine liebe Anrede, die aber zugleich äußerste Ansprüche stellt! Wenn nämlich Gott unser Vater ist, dann sind wir alle Brüder und Schwestern und müssen uns auch als solche fühlen. Vor allen Unterschieden, noch vor aller Zugehörigkeit und allen Nationalitäten besteht eine grundlegende Einheit, die jedes Menschenwesen umfaßt: Wir Christen aber sind aufgerufen, sie mit besonderer Kraft und Verantwortung zu bezeugen. Wäre es etwa nicht unerträgliche Heuchelei, „Vater unser” zu sagen, während wir Gedanken der Rachsucht und des Hasses hegen oder gar Aktionen der Vergeltung und Rache planen? Das Vaterunser enthält tatsächlich in seinem Kem einen Entwurf der Gesellschaft, die nicht nur jede Gewaltanwendung ausschließt, sich vielmehr in jedem Aspekt nach Kriterien der brüderlichen Solidarität aufbaut. Diese Gesellschaft ist wie eine große Familie verstanden, in der einzelne und Gruppen ohne jede Diskriminierung sich angenommen, geachtet und geliebt fühlen. Diese Kultur der Solidarität ergibt sich vor allem durch die Erfahrung der Familie, der wir im Jahr der Familie besondere Aufmerksamkeit widmen sollen. Die Familien müssen notwendigerweise echte „Schulen der Liebe” sein: tief geeinte und zugleich für die ganze Gesellschaft offene Familien; Familien, wo das menschliche Leben in heiliger Ehrfurcht vom Beginn seiner Empfängnis an angenommen wird und wo man 259 REISEN zur Liebe zu einem jeden Menschenwesen erzogen wird, ohne zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Würden wir nur jene lieben, die uns wiederlieben - mahnt uns Jesus -, welchen Verdienst haben wir dann? „Tun das nicht auch die Heiden?” (Mt 5,47). 9. Dieses wunderbare Ideal ist leider der menschlichen Gebrechlichkeit ausgesetzt. Daher zeigt uns das gleiche Gebet des Herrn den maßgebenden Weg, um nach jedem Versagen wieder voranzukommen: Es ist der Weg des Verzeihens. „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsem Schuldigem.” Meine Lieben, wir wollen aufmerksam über die Kraft jenes „wie” nachdenken, über die Verheißung und Drohung zugleich, die dieses Wort einschließt. Die Drohung lautet: Nur ein Herz, das sich von allem Groll freigemacht hat, kann das Verzeihen Gottes erhalten. Die Verheißung lautet: Es gibt keine Verurteilung für den, auch wenn er schuldig ist, der seine Reue zeigt, indem er seinen Brüdern und Schwestern gegenüber Barmherzigkeit übt. Jetzt ist für die Kirche von Zagreb und von ganz Kroatien die Stunde, sich für gegenseitiges Verzeihen und Versöhnung vorbildlich einzusetzen. „Verzeihung erbitten und verzeihen”: So können wir die Aufgabe zusammenfassen, die uns allen obhegt, wenn wir solide Voraussetzungen für das Erreichen eines wahren und dauerhaften Friedens schaffen wollen. 10. Liebe Brüder und Schwestern, dieser Auftrag kommt aus den neunhundert Jahren christlicher Geschichte auf euch zu, die ihr heute feiert. Ihr seid aufgemfen, würdige Erben der Glaubenden zu sein, die euch vorangegangen sind, bestrebt, es euren Märtyrern und Heiligen gleichzutun. Diesen Auftrag hinterläßt euch heute der Nachfolger des Petrus, während ich euch herzlich grüße und umarme. Mein Gedenken gilt in dieser Stunde vor allem meinem verehrten Bruder, Kardinal Franjo Kuharic, eurem geliebten Hirten, seinen Weihbischöfen und den Prälaten des ganzen kroatischen Episkopates, die bei dieser heiligen Feier anwesend sind. Ich grüße ferner die Priester, die Ordensleute und alle Mitglieder des Volkes Gottes, zumal die Jugendlichen, die Kranken und die Familien. Ich grüße die Flüchtlinge und alle jene, die unter dem Krieg in den Balkanlän-dem leiden. Ich grüße ferner den Präsidenten der Republik und die Autoritäten, deren Präsenz bei dieser großen Feier den Wert und die Bedeutung der Bande ununterbrochener Übereinstimmung zwischen der kroatischen Nation und dem Heiligen Stuhl bekräftigt. 11. Ich vertraue dieses ganze geliebte Volk der Fürbitte der heiligsten Jungfrau an, die in dieser Erzdiözese und in ganz Kroatien so sehr verehrt wird. Die „Madonna der steinernen Pforte”, Schutzherrin der Stadt Zagreb, möge die Vorsätze mittragen, die diese Jahrhundertfeier in den Herzen der Hirten und Gläubigen dieser berühmten Kirche weckt. Die Empfindungen, die in unserem Geist in diesem feierlichen Augenblick leben, finden angemessenen Ausdruck im Lob- und Danklied des „Te Deum”. Dieser alte 260 REISEN Hymnus schließt mit einer eindringlichen Anrufung Gottes, er möge seine Gläubigen ins Heil führen: „Salvum fac populum tuum, Domine.” Diese Bitte erhebt sich heute wie ein Schrei aus unseren Herzen: Der Herr möge sein Volk retten, das in Kroatien lebt; er möge die Völker der Balkanländer und jene ins Heil führen, die überall auf Erden noch nach dem Frieden suchen. Salvos fac po-pulos tuos, Domine! (Herr, rette deine Völker). Herr, schenke uns Heil! Unsere Hoffnung ruht einzig auf dir: „Auf dich, Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt, ich werde in Ewigkeit nicht zuschanden werden! Gelobt sei Jesus und Maria. Am Schluß der Eucharistiefeier begrüßte der Papst die anwesenden Pilger in verschiedenen Sprachen. Auf deutsch sagte er: Herzlich begrüße ich Euch, liebe Pilger, die Ihr aus den deutschsprachigen Ländern gekommen seid. Helft auch künftig mit und tragt nach Kräften dazu bei, daß die Würde und die Rechte der Mitmenschen von allen Völkern und Nationen anerkannt und respektiert werden. Friedensstifter und Zeugen der neuen Zeit Angelus in Zagreb am 11. September Liebe Jugendliche! 1. Ihr seid hier sehr zahlreich zusammengekommen, um dem Papst und der Kirche eure Liebe zu bekunden. Ich grüße euch mit großer Freude. Danke für den herzlichen Empfang und die jugendliche Begeisterung! Wenn ich eure Gesichter anschaue, denke ich bewegt an das großartige Treffen vom Voijahr in Denver, wo ich vielen eurer Altersgenossen aus aller Welt begegnen konnte. Es war ein herrliches, unvergeßliches Erlebnis. Ein so außerordentlicher Zustrom junger Menschen hätte für die öffentliche Ordnung ein Anlaß zur Besorgnis sein können. Aber alles verlief in gegenseitiger Achtung und festlicher Freude. Die Jugendlichen in Denver setzten ein Zeichen für die Welt. Sie verstanden es zu zeigen, wie man unterschiedlicher Nationalität und Kultur sein, sich aber trotzdem verstehen und heben kann, wobei man alle Schwierigkeiten überwindet. Dieses Erlebnis kann auch für euch ein Bezugspunkt sein. Hier und in den Balkanländern seid ihr, junge Menschen, aufgerufen, an der vordersten Front beim Aufbau des Friedens zu stehen. Aber dafür gibt es nur einen Weg: auf Christus hören und sich von der Kraft seiner Gnade durchdringen lassen. In diesem Geist begeben wir uns im kommenden Jahr nach Manila, um das Wort des Auferstandenen zu hören: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 20,21). 261 REISEN 2. Christus, meine Lieben, ist die Wahrheit, die eurem Leben Richtung und eurer Zukunft Hoffnung schenken kann. Er grüßt euch, eure Familien und eure Nation von neuem mit dem Osterwunsch: „Friede sei mit euch!” (Joh 20,19). Der Frieden ist das große Geschenk des Herrn. Um ihn aber zu erlangen, muß man das Herz bekehren und Gott an die erste Stelle im eigenen Leben setzen. Wenn man Gott ablehnt oder ausgrenzt, beugt man sich fast unvermeidlich eitlen Götzen und kann dahin gelangen, eine Nation, eine Rasse oder eine Partei so sehr zu verehren, daß man in ihrem Namen Haß, Diskriminierung und Gewalt rechtfertigt. Nur Gott bietet ein sicheres Fundament für das Leben und die unveräußerliche Würde jedes Menschen. Meine Lieben! Christus ruft euch heute auf, diesen Versuchungen zu widerstehen. Ja, er fordert euch auf, Zeugen und Bauleute des Friedens zu sein. Nehmt diese schwierige, aber herrliche Sendung an. Er lädt euch deshalb ein, mit ihm bekannt zu werden und zusammenzutreffen, damit ihr, nachdem ihr die ermutigende Vertrautheit erfahren habt, allen die Wundertaten seiner Liebe verkünden könnt. 3. Heilige Maria, Maka Bozja od Kemnitih Vrata, die unter dem Titel „Decus singulare Croatiae” verehrt wird, stehe deinen Kindern bei, die sich dir anvertrauen. Du, die du als „Beginn einer besseren Welt” angerufen wirst, schaue gütig auf sie. Mögen sie durch deine Hilfe auf den Ruf des Erlösers hochherzig antworten. Mache sie zu glaubwürdigen Boten deines Sohnes, des Friedensfürsten. Erneuere sie im Herzen und in ihrem Leben. Stärke sie im Glauben der Apostel, damit sie frohe Zeugen der neuen Zeit und wahre Friedensstifter seien. Erlöse sie vor jeder Gefahr und vor dem Übel, o ehrwürdige und gebenedeite Jungfrau. Amen! Zum Abschluß einer Pilgerfahrt des Friedens Abschiedswort auf dem Flugplatz am 11. September Herr Präsident, meine Herren Vertreter der Regierung, Herr Kardinal und liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern alle! 1. Mein Aufenthalt unter Ihnen geht nun zu Ende. Zum Abschied möchte ich Ihnen noch einmal herzlich danken für die mir erwiesene wohlwollende Gastfreundschaft und für die zahlreichen Bekundungen der Achtung und Freundschaft, die mein kurzes, aber wichtiges Verweilen in Zagreb begleitet haben. Vor allem danke ich Gott, der gewollt hat, daß ich zu Ihnen hierherkam, um des 900jährigen Bestehens der Erzdiözese zu gedenken und um ihm zu danken, weil er während dieser neun Jahrhunderte nie aufgehört hat, Ihrer Gemeinschaft seine Barmherzigkeit und seine allmächtige Hilfe zu bezeigen. 262 REISEN Mein Dank gilt sodann Ihnen, Herr Präsident, und allen Behörden für alles, was getan wurde, um meinen Aufenthalt in Zagreb angenehm und zweckdienlich zu machen. Ihnen, Herr Kardinal, und euch, geliebte Hirten dieser Kirchen, sage ich Dank für das konkrete Zeugnis des Glaubens und der Zuneigung, das ihr zusammen mit der ganzen kirchlichen Gemeinschaft dem Nachfolger des Petrus gegeben habt, der eure Festesfreude und eure Hoffnung mit euch teilen wollte. Euch, ihr Gläubigen dieser geliebten Erzdiözese, und dem ganzen kroatischen Volk danke ich aufrichtig für eure so liebevolle Begrüßung. Der Friede sei mit euch! Das ist aufs neue mein Wunsch für euch in dem Augenblick, in dem ich mich anschicke, nach Rom zurückzukehren. Meine Reise sollte ja eine Pilgerfahrt des Friedens sein und die Gemeinschaft mit euch bekunden. 2. Bei dieser Gelegenheit, liebe Kroaten, konnte ich euren christlichen und bürgerlichen Einsatz schätzen. Ich habe in euch gläubige Menschen gefunden, die standhaft bleiben in Zeiten der Prüfung und hochherzig die Schwierigkeiten und Lasten vieler Menschen, die von den leidvollen Ereignissen dieser Jahre betroffen wurden, mittragen. Gereift und erstarkt in einer Vergangenheit, die nicht immer erfreulich war, seid ihr heute berufen, eine bessere Zukunft aufzubauen, indem ihr aktiv am öffentlichen Leben teilnehmt und euren unersetzlichen Beitrag leistet, um das demokratische System zu festigen, die Institutionen gut in Gang zu halten und den Rechtsstaat zur Vollendung zu bringen. Vergeßt nicht, daß der Glaube dann seine Fruchtbarkeit zeigt, wenn er fähig ist zu Initiativen der Güte, der Toleranz und des Verzeihens. Eure Geschichte sei euch wirklich „Lehrerin” für die Gegenwart. Aus den Wurzeln eurer Tradition, die mehr als 13 Jahrhunderte der Treue zu den Werten des Evangeliums aufweist, reiften in euren Vorfahren Früchte der Toleranz und Verständigungsbereitschaft. Sie zeigten sich im Erweis der Achtung vor den Nachbarvölkern und in der Zusammenarbeit mit ihnen, auch als es sich darum handelte, die Unabhängigkeit für eure Nation zu fordern. 3. Seid nun auf der Höhe dieser Beispiele, die sie euch gaben! Gerade die kurz hinter uns liegende Geschichte eures Landes und Europas sei euch ein Antrieb dazu. Für viele Länder ist dieses Jahrhundert gekennzeichnet durch das mühsame und oft leidvolle Suchen nach Unabhängigkeit und Frieden. Die Ereignisse, deren Schauplatz der europäische Kontinent in den letzten Jahren war, unterstreichen sehr deutlich eine unmißverständliche Gegebenheit, nämlich: Die großen wie auch die kleinen Nationen sind ein Teil der großen Völkerfamilie - denken wir vor allem an die europäischen Völker -, und alle haben das Recht zur Existenz. Im vorigen Jahr hatte ich Gelegenheit, bei meinem Pastoralbesuch in den baltischen Ländern in Tallinn darüber zu sprechen, und ich habe betont: „Fundament der menschlichen, christlichen demokratischen europäischen Kultur sind die Rechte der Person des Menschen und auch die Rechte der Völker” (O.R.dt., 22.10.93, S. 9). Jeder Staat hat das Recht 263 REISEN auf politische Anerkennung. In der Vergangenheit hat es nicht an geschichtlichen Erfahrungen verschiedener europäischer Länder gefehlt, die als Bundesstaaten der Konföderationen zusammengeschlossen waren. So war es z. B. bei der Republik Jugoslawien: Nach dem Zweiten Weltkrieg bildete sie einen Staatenbund, die Föderation der Südslawen. Es gehört zur Natur der Föderationen, daß die einzelnen Länder sich aus freier Entscheidung zu einem einzigen Staat vereinen. Jedes dieser Länder kann aber unter bestimmten Umständen und zu gewissen Bedingungen den Staatenbund verlassen und sich als unabhängiger Staat konstituieren. So war es 1989 auf dem Gebiet der ehemaligen Jugoslawischen Föderation. Jede der aus diesem Prozeß hervorgegangenen Republiken hat das Recht auf ihre Souveränität, und diese darf ihr von der internationalen Ordnung nicht verweigert werden. Wenn man sich diese elementaren Grundsätze der ethisch-juridischen internationalen Ordnung vergegenwärtigt, muß man klar und deutlich sagen, daß der auf dem Balkan ausgebrochene Krieg, der immer noch so viele Opfer in Bosnien-Herzegowina fordern, jeder Rechtfertigung entbehrt. Es ist also der Einsatz aller erfordert, damit er so bald als möglich ein Ende habe und ein konstruktiver Friedensprozeß eingeleitet werde. 4. Liebe Bürger von Zagreb, liebe Kroaten, schaut vorwärts! Habt Mut zum Verzeihen und Wohlwollen. Verzeihen bedeutet natürlich nicht, auf gerechte Maßnahmen eines Rechtsstaates zu verzichten, dem die Pflicht zusteht, die Urheber von Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Verzeihen bedeutet, das Herz freimachen von Rachegefühlen, die nicht mit der Zivilisation der Liebe vereinbar wären, zu der jeder Mensch guten Willens seinen Beitrag leisten muß. Der Friede setzt voraus, daß jeder Initiative stets der aufrichtige Wille zum Dialog, die Achtung der Rechte eines jeden - einschließlich der Rechte der nationalen Minderheiten - und die Pflicht gegenseitiger Toleranz zugrunde liegen. Mögt ihr immer fest davon überzeugt sein, daß der Friede letzten Endes sein Fundament in Gott selbst hat. Ihr wißt aus unmittelbarer Erfahrung, in welche Verirrungen eine Gesellschaft geraten kann, die die Ablehnung Gottes und die Mißachtung des göttlichen Gesetzes zur Grundlage ihrer Existenz macht. Der Mensch als Hauptziel und - Zweck des Staates wird zu dessen Objekt und Werkzeug, um antimenschliche Ziele zu verfolgen. Die Geschichte aber lehrt, daß der echte Glaube an Christus die sicherste Stütze für den Schutz und die Förderung der Menschenwürde ist. 5. Bleibt auch ihr, Opfer des Krieges: Verwundete, Waisen, Witwen, Vertriebene und Flüchtlinge, dem leidenden Christus treu! Vor fast fünfhundert Jahren hat Marko Marulic, der Vater der kroatischen Literatur, in einer Situation, die der heutigen ähnlich war, das Entsetzen, aber auch den Glauben der Christen angesichts des großen Leides, das über sie gekommen war, zum Ausdruck gebracht: „Weinend schreien wir Trostlosen zu dir”, so rief er, an Gott 264 REISEN gewandt, aus, aber in christlicher Hoffnung fügte er hinzu: „Wenn du bei uns bleiben willst, o Herr, dann wird es deinem Volk, das jetzt dem Untergang nahe ist, gelingen, standzuhalten.” 6. Auf die Kraft, die aus dem Glauben kommt, könnt auch ihr, Kroaten der Gegenwart, zählen. Wenn ich nun wieder in den Vatikan zurückkehre, nehme ich die Erinnerung an eure Gesichter, an eure Augen mit, worin ich das Verlangen nach einem ruhigeren Jetzt und die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft gelesen habe. Zu allen, besonders zu den Jugendlichen, sage ich: „Habt Mut!” Wie eure Vorfahren den Schwierigkeiten zu begegnen wußten, indem sie im Glauben Kraft suchten, so, meine heben Christen von Zagreb und von Kroatien, schöpft auch hier aus dem Wort Christi Kraft zur Orientierung, Halt und Stütze, um eure Zukunft zu gestalten. Diese Weisung vertraue ich der Fürsprache der heiligen Jungfrau an, die ihr mit Zuversicht als „Unsere Mutter, unsere Goldene Morgenröte” anruft: Möge sie all eurer Sehnsucht entgegenkommen, euch trösten und jedem von euch Stütze sein bei den Härten des Weges. Auch mein Segen begleite euch, den ich euch hier Anwesenden, euren Lieben und allen Söhnen und Töchtern der gebebten kroatischen Nation von Herzen erteile. Der Herr segne Kroatien! 265 REISEN 4. Pastoralbesuch in Lecce (Sonntag, 18. September) Hochherziges Dienen macht Verkündigung glaubwürdig Predigt bei der Eucharistiefeier im Stadion von Lecce am 18. September 1. „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein” (Mk 9,35). Die Worte Jesu aus dem eben verkündeten Abschnitt des Evangeliums weisen auf den Königsweg eines heiügen „Ehrgeizes” hin, der alle die angeht, die Gott kennen und lieben: Es ist der Weg eines geistlichen Primates, der paradoxerweise dadurch Wirklichkeit wird, daß man sich an den letzten Platz, den des hochherzigen und bedingungslosen Dienstes, nach dem Beispiel Jesu selbst stellt, der gekommen ist, zu dienen, und nicht, um sich bedienen zu lassen. Die Jünger, die auf dem Weg nach Kapharnaum darüber stritten, „wer der Größte sei” (Mk 9,34), hatten recht wenig von ihm verstanden. Von diesem höchst menschlichen Ehrgeiz spricht wirksam der Apostel Jakobus, der ihn als Beginn der „Kriege und Streitigkeiten”, welche die Gesellschaft verwüsten, hinstellt: „Ihr begehrt und erhaltet doch nichts. Ihr mordet und seid eifersüchtig und könnt dennoch nichts erreichen. Ihr streitet und führt Krieg” (Jak 4,2). Es ist das Bild einer Welt, die „von den Leidenschaften (beherrscht wird), die in den Gliedern und im Herzen des Menschen kämpfen”. Wie realistisch ist diese Botschaft, wenn wir auf die heutige Gesellschaft schauen! Der im Abschnitt des Evangeliums berichtete Streit macht uns darauf aufmerksam, daß wir auch unter den Söhnen und Töchtern der Kirche den nagenden Wurm des -wenn auch verschleierten - Stolzes vermuten müssen sowie nicht eingestandene ehrgeizige Bestrebungen, die das Wirken Gottes stören. Angesichts dieser Versuchung wird das Wort Jesu kategorisch und muß ernst genommen werden: „Wer der Erste sein will, sei der Letzte von allen und der Diener aller!” 2. „Diener aller”. Das heißt Christus dienen und nachahmen, der sich selbst als Opfer für uns hingegeben hat. Dienen heißt in einem Verhältnis konkreter Solidarität mit den Mitmenschen leben, zumal mit den Ärmsten. Dienen heißt hochherzig und -ohne Lohn oder eine Gegenleistung zu erwarten - lieben. Wenn die Kirche heute ein Zeichen der Hoffnung für die Gesellschaft sein will, muß sie in der Tiefe dieser Logik das Dienen nachleben. Die Welt von heute - schrieb mein vereinter Vorgänger Paul VI. - „hört lieber auf Zeugen als auf Lehrer” (Evcmgelii nuntiandi, Nr. 41). Dies gilt vor allem beim Dienst der Liebestätigkeit, 267 REISEN der - hochherzig ausgeübt - der Höhepunkt der Evangelisierung ist, wie uns das Thema in Erinnerung ruft, das die italienischen Bischöfe für die pastoralen Weisungen für die 90er Jahre gewählt haben (vgl. Evcingeliizzazione e testimonianzci della carilä, 9). Wir wollen echte Zeugen der Liebe sein und es vor allem in den Familien sein, in den Pfarreien, an den Stätten des Studiums und der Arbeit. Ihr, liebe Gläubigen von Lecce, versucht dies hochherzig zu tun, und ihr zeigt euch aufmerksam für die schwächeren Kreise der Bevölkerung. Macht weiter auf diesem Weg mit immer neuem Schwung. Wir brauchen mehr denn je diesen Einsatz in einer Gesellschaft, die immer noch zahlreiche Formen materieller und geistlicher Armut alter und neuer Art aufweist. Notwendig ist eine Kultur der Solidarität. Vor allem sollen sich die Eltern und Erzieher dafür einsetzen, die jungen Generationen zum Geist des Dienens, zur Aufgeschlossenheit, zum Dialog und zur Überwindung jeder egoistischen und auf Vergnügen bedachten Versuchung hinzuführen. Nichts ist so verdienstvoll wie dieses Bildungswerk mit weitem Atem, das mit Worten und dem ständigen und überzeugenden Beispiel vollzogen werden will. 3. Dann gibt es noch einen besonderen Dienst, den die Gläubigen der Gesellschaft zu leisten aufgerufen sind. Es geht darum, ihr jenes Mehr an Seele einzuhauchen, das dem heutigen Menschen, der von vielen Aufrufen abgelenkt wird, gestattet, die grundlegenden Werte des Geistes nicht zu verlieren. Der Apostel Jakobus hat uns an die Eigenschaften der „Weisheit, die von oben kommt”, erinnert: Sie ist „friedlich, freundlich, gehorsam und voll Erbarmen” (3,17). Das Zeugnis einer solchen Weisheit wird unbedingt den, der davon berührt wird, zum Blick „nach oben” veranlassen. Heute wird von vielen das mächtige Verlangen nach Gott gespürt. Im Nebel, der nicht selten die Menschheit überfällt, spürt man die Notwendigkeit des göttlichen Lichtes, das die Christen in ganz besonderer Weise bezeugen sollen. Sie sollten Menschen des Übernatürlichen sein, und sie werden dies in immer glaubwürdigerer Weise sein, wenn sie es verstehen, Kontemplation und Aktion in einem ausgewogenen Gleichgewicht zu halten und durch die Tat zeigen, wieviel der Glaube zum Aufbau einer des Menschen würdigen Welt beitragen kann. 4. Liebe Brüder und Schwestern von Lecce und dem Salenter Gebiet! Ich danke dem Herrn für diese unsere Begegnung, die wir so sehr erwartet und lange vorbereitet haben, und ich danke euch von Herzen für den warmen Empfang. Einen besonderen Gruß richte ich an euren Hirten, den lieben Msgr. Cosmo Francesco Ruppi, der diese alte und geliebte Metropolitankirche mit so viel Eifer leitet. Ich grüße dann in brüderlicher Verbundenheit die Bischöfe Apuliens, die bei unserer Feier anwesend sind, und die übrigen aus diesem Anlaß hierhergekommenen Bischöfe, und ich denke besonders an die emeritierten Bischöfe, welche den ihnen anvertrauten Diözesen hochherzig gedient haben. 268 REISEN Mein herzlicher Gruß gilt sodann den Priestern und Diakonen, den Ordensleuten und den verschiedenen Gruppen, Bewegungen und Verbänden zugehörigen Laien sowie dem ganzen Volk Gottes, das aus jedem Winkel des Salenter Gebietes hergekommen ist, um dem Nachfolger des Petrus zu begegnen. Ich weiß, daß dieser mein Besuch der Erzdiözese Lecce sich in den langen pastora-len Weg zur Vorbereitung der Diözesansynode einfügt, die am heutigen Nachmittag eröffnet werden wird. Die Synode ist eine Zeit außerordentücher Lebenskraft und Erneuerung der Diözese. Sie bietet euch, hebe Brüder und Schwestern, die provi-dentielle Gelegenheit zur Vertiefung der Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Gruppen eurer kirchlichen Gemeinschaft. So wißt diesen „Kairos” voll auszunützen; seid vor allem bereit, euch einer in den Dienst des anderen zu stellen. Bringt allen die frohe, freilich auch anspruchsvolle Botschaft von Christus, dem Erlöser des Menschen. 5. „Gott ist mein Helfer - der Herr beschützt mich” (Ps 54,6). In diesem Vertrauen legen wir nun alle Bitten und guten Wünsche auf dem Altar nieder. Auf dem eucha-ristischen Tisch wird erneut das Opfer Christi gegenwärtig, Geheimnis der Liebe und Halt für das Leben eines jeden Gläubigen und des ganzen Volkes Gottes. Die Eucharistie ist das größte Geschenk, das uns der Heiland hinterlassen hat; zu ihr wollen wir wie zu einer Quelle immerwährenden Heiles hingehen. Jede von euren Liturgiefeiem, liebe Brüder und Schwestern, sei lebendig und voll aktiver Teilnahme nach den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils und der Dokumente zu seiner Anwendung. Es soll eine mit dem Leben verbundene Liturgie sein, eine Liturgiefeier, die das Leben ändert. Machen wir uns bereit, in dieser Gesinnung und mit erneutem Einsatz für das Evangelium und die innere Bekehrung den Kelch des Heiles zu erheben. Wir wollen es tun mit dem Blick auf die im Krieg befindlichen Nationen, zumal auf die hart mitgenommene Bevölkerung der Balkanländer und Ruandas. Wir wollen es tun und unseren Blick sogar auf die Völker der ganzen Erde ausweiten in dem Bewußtsein, daß das eucharistische Opfer das solide Band ist, das die Menschen zu Brüdern und Schwestern macht, weil sie Zeichen und wirksames Werkzeug der Heilsliebe Gottes ist. 6. „Herr, sei du meine Stütze” {Antwortpsalm). Nie möge unsere Begeisterung im Dienst für den Herrn, die Kirche und die Mitmenschen abnehmen, indem wir immer auf die tätige Gegenwart des göttlichen Meisters vertrauen. Wie Maria, die von euch und der Bevölkerung dieser eurer Region so sehr geliebt und verehrt wird, wollen wir unbedingt zu demütigen Dienern werden (vgl. Lk 1,48), weil der Vater die Geheimnisse des Himmelreiches den Kleinen offenbart (vgl- Zwischengesang zum Evangelium). Die heilige Jungfrau möge alle verstehen lassen: „Wenn jemand der Erste sein will, soll er der Letzte und der Diener aller >ein.” 269 REISEN Der Mutter Gottes vertraue ich eure Stadt an, die sich als marianische Stadt darstellt; ihr vertraue ich das Salenter Gebiet und Apulien an, damit sie seine Einwohner beschützt und ihnen den Weg zeigt, der zum vollen und dauerhaften Leben führt. Sie möge euch verfügbar und bereit machen zum Dienen und zur Verkündigung des Evangeliums, ohne der Müdigkeit und allen möglichen Kompromissen nachzugeben. Die heilige Jungfrau Maria sei immer an eurer Seite, aber auch an der Seite eurer Kranken und Jugendlichen. Sie sei für dieses ganze Volk ein Zeichen des Trostes und der sicheren Hoffnung. Amen! Die Familie als Heiligtum des Lebens schützen Angelus in Lecce am 18. September 1. Aus Lecce, das es sich zur Ehre anrechnet, „Civitas mariana” genannt zu werden, richte ich heute mein Gebet an dich, seligste Jungfrau. Ich tue dies inmitten dieser heben Leute des Salento-Gebietes, die dich mit tiefer Liebe verehren und dich als Mutter aller Gnaden bezeichnen. Begleite du, die du uns auf dem Pilgerweg des Glaubens vorangehst, den Nachfolger Petri heute bei diesem Besuch, der eine weitere Etappe des „Großen Gebets für Italien” ist. Seligste Jungfrau, wir fassen Mut, weil wir dich an unserer Seite wissen. Du führst uns mit sicherer Hand zu Christus, deinem Sohn. Dir empfiehlt die Kirche in Lecce bei dieser günstigen Gelegenheit ihre Vorhaben des Guten, die Apostolatsarbeit und die Verpflichtung, das Evangelium unter diesen fleißigen und gläubigen Leuten zu bezeugen. 2. Wir grüßen dich, seligste Jungfrau, in den Heiligtümern, die die Volksfrömmigkeit im Salento-Gebiet errichtet hat: die Wallfahrtskirche der „Madonna di Roca” am Meeresufer, der „Madonna della cultura” von Paräbita und insbesondere unter vielen anderen die der „Santa Maria de finibus terrae” von Leuca. Wir bitten dich, treue Jungfrau, von diesem Gebiet aus, das dich auch als „Odegitria” anruft, stehe den Glaubenden in ihrem täglichen Bemühen bei, Wege der Begegnung und des gegenseitigen Verständnisses zu finden. Hier, wo der Osten und der Westen kostbare Geschenke des Glaubens und der Zivilisation ausgetauschl haben, spüren wir deine Nähe, o Mutter der Einheit. Wecke in allen Christen den Wunsch, bald in vollem Einklang den Glauben dei Apostel zu bekennen, um an dem einen Tisch das Opfer des Leibes und Blutes des Herrn feiern zu können. Öffne ihr Herz der Zuversicht und dem Dialog, damit sie ir der Welt glaubwürdige Zeugen der Heilsbotschaft sind. 3. Unser eifriges Gebet für alle Familien in diesem ihnen besonders gewidmeter Jahr steige zu dir empor. Du kennst die Schwierigkeiten, denen sie ausgesetzt sind 270 REISEN die Gefahren, die ihre Festigkeit bedrohen, und die Vorhaben, die ihre vom Schöpfer gewollte Physiognomie verändern wollen. Du weißt, wie sehr wir darauf beharrten - mit den vereinten Kräften der Glaubenden und aller Menschen guten Willens -, daß die jüngste Internationale Konferenz von Kairo die Familie als das Heiligtum der Gemeinschaft und des Lebens anerkenne und ihren Schutz gewährleiste entgegen allen Versuchen, ihre natürliche Struktur zu untergraben. An dich, die du der Welt den Erlöser geschenkt hast, wenden wir uns, damit diese Urzelle der Gesellschaft, die Wiege des menschlichen Lebens und der „Weg” der Kirche, nicht noch weiter geschwächt werde. Wir empfehlen dir die Jugendlichen vor allem von Apulien, die auf eine hoffnungsvolle Zukunft ausgerichtet sind; die Frauen, die berufen sind, einen wertvollen Beitrag zum Aufbau einer Gesellschaft zu leisten, die für alle aufnahmebereit ist; die Schwachen, die Alten, die Kranken und die Leidenden, die einer verstärkten Solidarität bedürfen. Wache über jeden einzelnen mit eifriger Sorge, und gieße über alle die Fülle deiner Gaben aus, o Königin ohne Makel der Sünde, o Mutter aller Gnaden, o Jungfrau Maria! Den eigenen Lebensplan an der Berufung ausrichten Improvisierte Worte am Schluß der Ansprache an die Jugend in Lecce am 18. September Maria, der Mutter der Kirche, empfehle ich die Diözesansynode von Lecce, die heute ihre Arbeit aufnimmt, und ich wünsche, daß es eine fruchtbringende Arbeit sein möge, für euch selbst, für euch als Glieder der Kirche, als lebendige Steine der Kirche, als Familienväter, Familienmütter, Jugendliche, auch als alte Menschen, als Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen: möge die Synode ertragreich sein, um den tieferen Sinn all dessen wiederzufinden, was es bedeutet, Christ zu sein, Priester, ja sogar Papst zu sein, was es bedeutet, Ordensmann, eine geweihte Person, Jugendlicher, Wissenschaftler, Universitätsprofessor, Student zu sein. All dies hat auch seine Bedeutung in christlicher Hinsicht, denn im Glauben finden wir ja die Tiefe einer jeden Berufung. Und ich wünsche euch, daß die Diözesansynode euch dabei helfen möge, besser eure christliche Berufung oder eure christlichen Berufungen entdecken zu können, denn er gibt derer viele und verschiedenartige, wie uns bereits der hl. Paulus lehrte. Dieses Haus, das Seminar, so nahe am „Haus des Klerus” gelegen, soll euch Seminaristen dabei helfen, eure Berufung zum Priestertum zu entdecken. Ihr seid noch jung. Das Priestertum ist ein Lebensentwurf, es ist eine Stimme, die euch ruft, eine Stimme, die ihr in euren Herzen vernehmen könnt. Aber ihr müßt euch noch prüfen, ihr müßt euch selbst noch im Gebet auf die Probe stellen, in erzieherischen und in- 271 REISEN tellektueUen Anstrengungen, ihr müßt noch ausprobieren, ob diese Straße eure ist, ob die Stimme, die euch ruft, wirklich die Stimme ist, die vom Herrn kommt. Die Berufung zum Priestertum, die Berufung, die jedes Seminar in sich trägt, möge auch die bevorzugte Aufgabe dieses Seminars sein, das heute als Gebäude, aber vor allem als Gemeinschaft von Seminaristen, von Erziehern und Schülern geweiht wird. Es ist gut, daß das „Haus des Klerus” sich nahe am Seminar befindet, denn dadurch können die Priester, manchmal auch die älteren Priester, auf die Seminaristen zukommen und sie können ein wenig diese neue Generation sehen, die eines Tages auf ihre Berufung, ihren Dienst und ihr Amt nachfolgen soll. Es ist gut, daß diese beiden Häuser so nahe beieinander sind, in geographischer und topographischer Hinsicht und ganz sicher auch im spirituellen Sinn. Diese doppelte Einweihung - jene der Synode, die kanonische und pastorale Merkmale aufweist, und jene des Seminars, das eine so wichtige kirchliche Bedeutung für die Diözese Lecce hat - vollzieht sich in Gegenwart so vieler Jugendlicher. Die Jugendlichen sind hierher gekommen, um den Papst zu fragen, um dem Papst ihre verschiedenen Fragen zu stellen. Erzbischof Ruppi hat mir gesagt, daß es sehr viele Fragen waren und daß es für den Papst wahrscheinlich unmöglich gewesen wäre, auf jede Frage eine Antwort zu geben. Doch diese so zahlreichen Fragen wiederholen sich, weil die Jugendlichen sehr ähnliche Probleme haben. All diese Fragen und all die Probleme der Jugend haben einen gemeinsamen Nenner. Und jedes Problem besitzt seine persönliche Dimension, die zwar unwiederholbar ist, die jedoch auch eine gemeinsame, gemeinschaftliche Dimension hat, weil ihr Jugendlichen in einer bestimmten Epoche, einer bestimmten Kultur, einer bestimmten Zivilisation lebt, und die Schwierigkeiten, die ihr habt, ebenso wie eure Vorhaben, all dies ist euch ein wenig gemeinsam, obgleich es immer etwas Persönliches bleibt. Ich, der ich schon so viele Male die Gelegenheit hatte, Jugendlichen in unterschiedlichen Teilen der Erde, in den römischen Pfarreien, in so vielen italienischen Diözesen, während so vieler Pastoralbesuche in verschiedensten Ländern und insbesondere während der Weltjugendtage zu begegnen, konnte sehen und mir eine Vorstellung davon machen, was es heißt, jung zu sein, und davon, was die heutige Jugend ist, von West nach Ost, von Nord nach Süd. Ich glaube, wir müssen die Bedeutsamkeit der Jugend erkennen: Was ist die Jugend? Jugend ist der Lebensabschnitt, ir dem man das ganze Leben plant. Der Jugendliche beginnt, sein Leben zu entwerfen, er lebt mit diesem Lebensentwurf und versucht, seinen Plan in die Tat umzusetzen, sich auf dessen Realisierung vorzubereiten. Dies nennt man mit anderen Wörter auch Berufung, denn jener Lebensplan, den du, liebes Mädchen, lieber Junge, als dein Eigentum vorfindest, kommt gleichzeitig auch von Gott, wird vom Heiliger Geist eingegeben, und es bedarf der Mitwirkung mit dem Heiligen Geist, um dieser Plan zu identifizieren und zu vertiefen, um ihn dann gut in die Tat umsetzen zu kön nen, um das Glück zu finden, denn der verwirklichte Lebensentwurf bringt dieses Glück mit sich, zu dem Gott uns beruft. Wir sind alle zur Glückseligkeit in Gott be rufen, mittels dieses unseres Lebensplanes, der auch von Ihm kommt. Er wird vor 272 REISEN uns angenommen, wird von uns realisiert und findet schließlich seine letzte Etappe in Gott selbst. Also, liebe Mädchen und Jungen, liebe Jugendliche, vielleicht genügen diese wenigen Worte, um all das ein wenig zusammenzufassen, was ihr mir übermitteln wolltet: eure Fragen, eure Sorgen, eure Ängste und eure Sehnsüchte. Ich denke, daß der hl. Franziskus es auf geniale Weise verstand, jeder Epoche der Welt, der Weltgeschichte und den Jugendlichen aller Epochen eine Antwort zu geben, als er seinen Sonnengesang sang: lobet, lobet! Eben dies ist das Ziel aller Geschöpfe und eines jeden von uns: lobet den Herrn, erweist ihm Ehre. Ein großer Heiliger und ein großer Theologe und Märtyrer aus Lyon in Frankreich, der im zweiten Jahrhundert gelebt hat, der hl. Irenäus, sagte: „Gloria Dei vivens homo”. Der Mensch, der lebt, die Person, die sich verwirklicht, die die Fülle des menschlichen und göttlichen Lebens erlebt, dieser Mensch, der so lebt, ist die „Ehre Gottes”. Also, ich wünsche euch allen, liebe Jugendliche, daß ihr so eure Berufung verstehen und euren Lebensplan entwerfen könnt. Dieser kann, je nach den verschiedenen Talenten, unterschiedlich aussehen; er hat jedoch einen gemeinsamen Nenner: er ist stets ein Plan, in dem man den Plan Gottes realisieren will, realisieren muß; und Gott will, daß wir alle heilig werden, er verlangt Heiligkeit für uns alle und von uns allen. Das wünsche ich euch von Herzen. Noch ein Wort zu diesem Herzen, das ich da sehe, auf dem geschrieben steht: „we love you”. Ich begegne oft diesen Worten und diesem Herzen. Es ist ein tiefes Symbol, denn diese Liebe - „we love” - muß vom Heiligen Geist kommen und sie kommt vom Heiligen Geist. Es ist gut, daß zu Beginn, zur Eröffnung unserer Versammlung der Chor das „Veni Sancte Spiritus” gesungen hat, denn es ist das Gebet, das uns in die Liebe einfuhrt, in die wahre Liebe. Ich danke dem Chor auch dafür, daß er das „Tu es Petrus” gesungen hat. Die beiden Gesänge passen gut zusammen. Wir wissen sehr wohl, daß Petrus ein Diener sein muß, Diener dieser Liebe, die die Kirche begründet. Und ich danke dem Herren, der es mir übertragen hat, der Kirche zu dienen, gestern und heute. Ich danke, daß es mir vergönnt war, meinem Petrusamt in eurer Diözese nachzukommen. Also, hoffen wir, daß auch das Seminar ein begeistertes und freudiges Leben haben möge. Und hoffen wir, daß auch die Synode einen begeisterten und freudigen Fortgang nehmen möge. Wo der Heilige Geist ist, wo die Liebe ist, dort ist auch Freude. Dies ist mein Wunsch an euch. 273 REISEN Auftrag zur Heiligkeit annehmen Ansprache bei der Einweihung des Priesterseminars und zur Eröffnung der Diöze-sansynode in Lecce am 18. September „Magnificat anima mea Dominum” 1. Liebe Brüder und Schwestern! Mit den Worten Marias möchte ich meine Freude zum Ausdruck bringen, heute zur Eröffnung der Diözesansynode und zur Einweihung zweier Bauwerke - das neue Seminar und das Haus des Klerus die euer Erzbischof Msgr. Cosmo Francesco Ruppi mit weitsichtigem Eifer gefördert hat, hier in eurer Mitte sein zu können. Von Herzen danke ich ihm für seine freundlichen Worte. Ferner grüße ich die anwesenden Bischöfe, die Priester und Ordensleute wie auch die in Vereinigungen und Bewegungen aktiv tätigen Laien. Schließlich möchte ich auch dem Vertreter der Jugend für den herzlichen Gruß danken, den er im Namen der Altersgenossen an mich gerichtet hat. Seid alle willkommen, die ihr hier zu diesem Treffen mit dem Nachfolger Petri zusammengekommen seid, insbesondere diejenigen, die in direkter Form mit dem Synodenprozeß zu tun haben. 2. Die heute, 163 Jahren nach der letzten, beginnende Diözesansynode muß für euch eine intensive Abendmahls-Erfahrung, ein weiterer Schritt zur Festigung der Einheit sein. Der Weg, den ihr nun einschlagt, dient der Erneuerung des Glaubenslebens eurer Teilkirche. Er verlangt eine Überprüfung der Qualität eures christlichen Zeugnisses und bietet gleichzeitig eine wirksame Anregung für einen stets hochherzigeren Dienst an Gott und den Brüdern. Eines seiner ersten Früchte ist zweifellos die Erfahrung des „Zusammenseins” selbst, im Glauben und in gegenseitiger Liebe, wie die Apostel in ihrer Gemeinschaft mit Christus beim Letzten Abendmahl. Dort erteilte der göttliche Meister seinen Jüngern die letzten Anweisungen und öffnete ihre Augen für den Glanz der Wahrheit. Dort schenkte er ihnen das Sakrament der Einheit und der Liebe, die Eucharistie. Dann, als sie nach der Auferstehung beisammen waren, goß er den Heiligen Geist über ihnen aus. All das wird er auch heute für eure Synode tun. Seid euch der Tatsache wohl bewußt, daß dieser Geist Gottes der eigentliche Protagonist der Synode ist. Hört auf ihn voll Demut und Bereitschaft. Vertraut auf ihn. 3. Während des Abschiedsmahls und der Fußwaschung im Abendmahlssaal ist deutlich erkennbar, daß der Dienst zu den grundlegenden Dimensionen des christlichen Lebens gehört. Auf ihm müssen alle kirchlichen Ämter begründet sein. Es ist Aufgabe der Synode, allen Bestandteilen der Kirche in Lecce zu helfen, Sinr und Freude des Dienens neu zu entdecken. Das gilt vor allem für euch, hebe Priester, die ihr Christus, dem „Herrn und Hirten” gleichgestaltet seid, um das Voll Gottes zu führen. Möge dieses Geschenk euch mit Dankbarkeit und Freude erfüllen Verrichtet eure pastorale Arbeit mit Hochherzigkeit und festigt sie durch konstante kulturelle, theologische und geistige Weiterbildung. 274 REISEN Aber auch von euch, liebe hier so zahlreich versammelten Gläubigen, wird eine besondere Einsatzbereitschaft verlangt. Ich denke hier an jene Vereinigungen und Bewegungen, die die Kirche in Lecce bereichern, wie vor allem die Katholische Aktion, diese einzigartige und wertvolle Form des Laiendienstes. „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt” (1 Petr 3,15), stellt euch hochherzig in den Dienst der Kirche und tragt den Sauerteig des Evangeliums in alle Kultur- und Lebensbereiche. 4. Ihre ganz besondere Aufmerksamkeit wird die Synode der Familienpastoral widmen, an die uns auch das derzeitig gefeierte „Jahr der Familie” erinnert. „Die Kirche - so schrieb ich unlängst in meinem Brief an die Familien (vgl. Nr. 2) - sieht den Dienst an der Familie als eine ihrer wesentlichen Aufgaben an”. Wir müssen uns dieses Dienstes stets stärker bewußt werden und den christlichen Familien helfen, ihre Berufung als ,Hauskirchen’ in vollem Maße zu leben. Ein weiterer dringlicher Aspekt, der eure Reflexionen anregen und lenken wird, ist die Förderung der Berufungen zum Priester- und Ordensleben. Mit Freude sehe ich, was in eurer Diözese bereits in dieser Hinsicht getan wird, zu deren Initiativen auch dieses Seminar gehört, das wir heute einweihen. Es ist für mich ein Geschenk des Herrn, dieses Seminar heute segnen zu können, insbesondere angesichts all jener Seiten der Heiligkeit, die der Heilige Geist innerhalb seiner Mauern schreiben wird. Liebe Seminaristen! Vor allem ihr habt heute Grund zu feiern: dieses Seminar ist für euch und jene Jugendlichen gebaut worden, die mit Hilfe der Erzieher den möglichen Ruf des Herrn prüfen wollen. Möge der Herr eurer Diözese eine Vielzahl heiliger Priester schenken! Möge er auch zahlreiche Berufungen für das Ordensleben und das geweihte Leben wecken und eurer Gemeinschaft einen stets lebendigeren Weg der Heiligkeit gewähren. Zusammen mit dem Seminar segne ich gerne auch das Haus des Klerus, das den Geistlichen helfen soll, in Brüderlichkeit zu leben und die zahlreichen Vorteile jener Lebensgemeinschaft zu erfahren, die das Konzil (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 8) in ihren verschiedenen Ausdrucksformen empfohlen hatte und für die Ausübung des Dienstamtes von großem Wert ist. Die Berufungen, die ein Geschenk Gottes sind und durch inständiges Beten erfleht werden müssen, entstehen nicht ohne menschliche Hilfe; normalerweise läßt sie das eifrige Zeugnis von Priestern und Ordensleuten aufblühen, die ihre dem Evangelium geweihte Existenz und ihren Dienst am Volk Gottes in freudiger Treue leben. Ihr, die Piiester und Ordensleute, seid das Vorbild der Jugend. Sie erwartet von euch eine lebendige Gotteserfahrung, herzliche menschliche Nähe, ein überzeugendes Angebot der großen auf dem Evangelium begründeten Ideale. 5. An diese Jugend, die sich hier in Lecce so zahlreich eingefunden hat, möchte ich ein ganz besonderes Wort richten. Vor allem denke ich an die Studenten, mit denen ich leider nicht auf dem Universitätsgelände Zusammentreffen konnte. Ich danke euch für eure Anwesenheit hier und grüße ehrerbietigst euren Rektor wie die ge- 275 REISEN samte akademische Gemeinschaft mit dem innigen Wunsch, daß das wissenschaftliche und bildungsmäßige Engagement der Universität Lecce stets mit den Werten des Geistes und den christlichen Prinzipien im Einklang stehen wird. Euch, hebe Jugendliche, grüße ich von ganzem Herzen. Ihr verkörpert eine Vielzahl von Jungen und Mädchen, die die Botschaft Gottes aufgenommen haben und nun unter ihren Freunden und Altersgenossen, unter ihren Schulkameraden und Arbeitskollegen Zeugnis für sie sein wollen. Die Kirche braucht eure schöpferischen Fähigkeiten, eure Gaben, eure Begeisterung. Möget ihr Christus, der euch zur Heiligkeit aufruft, folgen können. „Heiligkeit” ist ein anspruchsvolles Wort, das euch aber nicht erschrecken darf. Heiligkeit bedeutet nicht Außergewöhnliches leisten, sondern vielmehr die eigene Berufung mit Hilfe des Gebets, der Sakramente und dem täglichen Streben nach konsequenter, treuer Haltung wirklich gut leben. Ja, wir brauchen eine junge vom Ideal der „Heiligkeit” begeisterte Generation, um eine menschenwürdige Gesellschaft, eine Kultur der Liebe, aufzubauen. 6. Wenn ich euch ansehe, schaue ich mit Zuversicht auf die Zukunft dieser Erde, und meine Gedanken richten sich auf den gesamten italienischen Süden, den gesamten mediterranen Raum, an dessen Horizont sich das hier aufgebaute Zentrum befindet. In der alten Kultur der Salento-Halbinsel leben Osten und Westen zusammen. Insbesondere auf diesem Boden ist somit die Förderung einer Meinungs- und Aktionsbewegung möglich, die Nationen und Kulturen einander näherbringt und die Bande der Brüderlichkeit und Solidarität zwischen Nord und Süd, Ost und West festigt. Maria, der Königin des Friedens, vertraue ich all jene an, die in dieser neuen Hochburg des Glaubens und der Kultur wohnen, studieren und arbeiten werden. Und als Zeichen meiner Zuneigung erteile ich allen meinen Segen. 276 REISEN 5. Pastoralbesuch in Sizilien (5/6. November) Gebt die Hoffnung nicht auf! Botschaft an die Häftlinge des Jugendgefängnisses in Catania vom 5. November Liebe junge Freunde! 1. Gerne hätte ich die Einladung eures Seelsorgers angenommen, anläßlich meines Pastoralbesuches in der Diözese Catania mit euch zusammenzutreffen. Der Herr hat die Dinge jedoch anders vorgesehen. Ich will es aber nicht unterlassen, euch alle während meines Besuches in eurer Stadt sehr herzlich zu grüßen: Jeden von euch, eure Familien, den Direktor des Gefängnisses und seine Mitarbeiter. Ein besonderes Grußwort gilt den Gefängnisseelsorgem der Insel, denen ich sagen möchte, daß ich die Schwierigkeiten der Gefängnisseelsorge kenne und daher die Rolle des Priesters sehr schätze, der es versteht, denen, die sich in einer an sich schwierigen Situation befinden, menschlichen Trost zu spenden und religiösen Rat zu geben. Ich fordere daher euch, liebe Gefängnisseelsorger, auf, eure Aufgaben weiterhin mit dem klugen Takt zu erfüllen, den die vom Glauben erhellte Liebe nahelegt. 2. Und jetzt wende ich mich wieder an euch, hebe junge Freunde. Ich weiß, daß ihr mich gerne gesehen und gesprochen hättet und daß ihr euch eifrig auf diese Begegnung vorbereitet habt. Ihr habt euch gefragt, mit welchen Gefühlen der Papst euch begegnet wäre. Also: Vor einigen Monaten wurde im Vatikan, in der Sixtinischen Kapelle, das eindrucksvolle und faszinierende, von Michelangelo gemalte Fresko des Weltgerichtes restauriert. Es ist ein großartiges und einprägsames Werk. Der Künstler hat darin die im Matthäusevangelium beschriebene Szene wiedergegeben: Wenn der Menschensohn kommt, um die Lebenden und die Toten zu richten, wird er „denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid ... ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen” (Mt 25,34.36). Jesus selbst hat sich mit den Leidenden identifiziert, insbesondere mit denen, die im Gefängnis sind. Er ist also in eurer Mitte gegenwärtig. Ich hätte euch gerne besucht, denn dort wo der gekreuzigte Jesus ist, finden sich auch die geheimnisvollen Wurzeln der Auferstehung. Wenn das jedem von euch klar ist, werden sicher auch die Traurigkeit und die Verbitterung, die wegen des Unrechts, das ihr getan oder erlitten habt, manchmal euer Herz erfüllen, sich in unge- 277 REISEN trübte Freude verwandeln, eine Freude, die auch eure Brüder und Schwestern erfassen soll, damit sie sich vor dem Weg des Übels in acht nehmen. Ihr wißt, daß, noch bevor ihr in Gebäude dieser Art eingeschlossen werdet, die traurige Erfahrung des Gefängnisses bereits euer Leben prägen kann. Man kann sich ja manchmal in einer aussichtslosen Existenz ohne Zukunft und ohne Liebe eingekerkert fühlen, aus der man auf falsche Weise ausbrechen will, weshalb man in einer Sackgasse landet. Aber ihr habt jetzt gelernt, daß dieser Weg nicht in die Freiheit führt. Vergeßt es nie! In Sizilien ist heute das Verlangen nach Erlösung und Befreiung, insbesondere aus den Fängen der Mafia und anderer dunkler Mächte, sehr stark geworden. Wer die Verantwortung für Gewalt und für mit Menschenblut befleckte Unterjochung trägt, wird dafür vor dem Gericht Gottes einstehen müssen. Niemals darf man vor der entwürdigenden Offensive des Bösen kapitulieren! Niemals darf man sich in die Spirale des Hasses hineinziehen lassen, die die Lebensfreude auslöscht und das Herz für die Hoffnung und die Liebe verschließt. 3. Jesus sagt im Evangelium: „Jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er [der Winzer], damit sie mehr Frucht bringt” (Joh 15,2). Diese „Reinigungen” anzunehmen, muß man verstehen, da sie zwar im Augenblick Schmerzen verursachen, jedoch nachher größeres Wohl hervorrufen. Ihr seid jetzt sozusagen einer schmerzlichen Reinigung unterworfen, die oft durch Einsamkeit, Verwirrung und Frustration verschlimmert wird. Verliert nie die Hoffnung! Auch aus dem Übel kann Gutes hervorgehen. Liebe Freude, gerne hätte ich mit euch ein langes Gespräch ohne Zeitdruck geführt; ich würde gerne die persönliche, einzig dastehende und unwiederholbare Geschichte jedes einzelnen von euch selbst erfahren. Da das jedoch praktisch unmöglich ist, versichere ich euch meines Gebetes und bin euch in Liebe und Gebet nahe. Insbesondere möchte ich euch der christlichen Gemeinde der Stadt anvertrauen, der es gelingen wird, mit euch einen echten und konstruktiven Dialog aufzunehmen. Darüber hinaus empfehle ich euch der wohlwollenden Sorge der ganzen bürgerlichen Gesellschaft, den Menschen guten Willens, die sicher wissen, daß die Achtung euch gegenüber und der Einsatz für eure neue Eingliederung in das gesellschaftliche Leben der einzige Weg in eine bessere Zukunft ist. 4. Liebe junge Freunde, eure hochherzige Verfügbarkeit und Bereitschaft, mit Hilfe der göttlichen Gnade am wunderbaren Werk eurer Wiedergeburt als gottgefällige Geschöpfe mitzuwirken, dürfen nie erlahmen. Auch ihr seid berufen, das Fest des Lebens, der Freiheit und der Versöhnung zu feiern, seid dazu auserwählt, den Weg der Brüderlichkeit und der Liebe zu beschreiten. Die Schutzpatronin Catanias, die hl. Agatha, die ebenso jung war wie ihr und ei verstanden hat, ihren Glauben überzeugungstreu, um den Preis ihres Lebens zu bewahren, soll euch helfendes Vorbild sein. Maria, die Mutter Jesu und unsere Mutter möge euch jederzeit Schutz und Beistand sein. 278 REISEN Das, liebe junge Freunde, ist der herzliche Wunsch, den ich an jeden von euch und an alle Häftlinge in den Gefängnissen eurer Insel richte. Mein Segen für euch und eure Familien und für alle, die sich um euch sorgen und euch Tag für Tag nahe sind, begleitet diesen Wunsch. Junge Boten des Evangeliums können Gewalt und Korruption überwinden Ansprache an die Jugendlichen im Cibali-Stadion in Catania am 5. November Liebe Freunde! 1. Es ist für den Papst eine große Freude, sich unter den jungen Sizilianern zu befinden: Nach der Begegnung im Mai des Vorjahres in Agrigent bin ich heute bei euch, den Jungen und Mädchen aus Catania! Ich begrüße euch sehr herzlich und danke euch für die freundliche Aufnahme. Ich danke euch für alles, was ihr mir bisher gesagt habt, und hoffe, daß ihr mir nachher noch mehr sagen werdet. Zugleich mit euch begrüße ich eure Erzieher, angefangen mit dem Erzbischof, dem Erstverantwortlichen der Ortskirche, und mit den Priestern, die euch mit Liebe auf dem Weg des Glaubens und des christlichen Engagements begleiten. Dann möchte ich auch einer besonderen Altersgenossin von euch meine Ehrerbietung erweisen, die unsichtbar in eurer Mitte gegenwärtig ist, ja, die schon vor mir und vor euch hier war. Ich meine Agatha, eure heilige Patronin. Sie freut sich im Himmel über die Jugendlichen ihrer Stadt, die im Namen Jesu mit dem Nachfolger des Apostels Petrus vereint sind. Ich grüße dich, junge Märtyrerin Agatha! Du, die du Christus mit den Augen des Glaubens erkannt hast, hilf auch uns, seine Zeugen vor denen zu sein, die heute noch blind sind. Du, die du an Christus gebunden warst wie die Rehe an den Weinstock, lehre uns, das Böse mit dem Guten besiegen, und hilf uns, Früchte für das Reich Gottes zu tragen. 2. Ihr, liebe Jugendliche, die ihr der Kirche von Catania angehört, seid die Zukunft dieser Kirche. Ihr seid wie der Ginster, der auf der Lava Wurzeln schlägt. Die Hoffnung, die ihr in euch aufleben fühlt, unterhegt manchmal der Gefahr, sich in Angst und Enttäuschung zu verwandeln, wenn ihr ungewissen Lebensbedingungen gegenübersteht. Die Konsumgesellschaft versucht nicht selten auf obskure Weise, euch ohne euer Wissen zu Werkzeugen — manchmal unzulässiger — wirtschaftlicher Interessen zu machen. Das geschieht überall, ist jedoch dort besonders nachteilig, wo große Ar- 279 REISEN mut herrscht. Eure Träume prallen bald mit der eisernen Regel des Konkurrenzkampfes zusammen, der in manchen Fällen unbarmherzig ist und dazu führt, daß der Nächste nicht mehr als Mensch, sondern als möglicher Rivale betrachtet wird, über den man mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln hinweggeht. All das ist wie die Lava, die die Ginstersträuche bedroht. Für manche unter euch handelt es sich um einen heftigen, fast unerträglichen Zusammenstoß, und das besonders dann, wenn die von gesunden ethischen Grundsätzen erhellten Bande familiärer Liebe fehlen. Dann verbreitet sich in den Herzen statt der Hoffnung und der Begeisterung ein akutes Gefühl der Frustration und der Unsicherheit. 3. Was will also heute, nunmehr an der Schwelle des dritten Jahrtausends angelangt, der Papst den Jugendlichen Siziliens und vor allem Catanias sagen? Im Namen der Kirche wiederholt er euch: Stellt euch gegen alle, die daran interessiert sind, euch für ein oberflächliches, leichtsinniges Leben zu gewinnen, und entdeckt wiederum den verborgenen Schatz, den Reichtum, den ihr von euren christlichen Vorfahren geerbt habt. Verliert nicht das Erinnerungsvermögen, denn ein Mensch ohne Erinnerungsvermögen ist ein Mensch ohne Zukunft. Diesem Schatz möchte ich heute zwei einzigartige „Perlen” entnehmen, die auf die Begegnung zwischen der Kultur des Mittelmeerbeckens und der des Evangeliums zurückgehen. Es handelt sich dabei um Perlen von unermeßlichem Wert, die man nicht kaufen, sondern nur erben kann. Die erste ist die Auffassung vom Menschen als einem religiösen und gesprächsbereiten Wesen. Der fundamentale Ausdruck des Menschen, dessen nur er fähig ist und der ihn auf einzigartige Weise kennzeichnet, ist das Wort, das an den gerichtet wird, der Geheimnis ist: Das Gebet, das an Gott gerichtete Wort, an ihn, der Geheimnis ist. Heute morgen bin ich während der Seligsprechung von Magdalena Morano der Kirche Catanias begegnet, und ich sah, wie dieses Volk, diese Stadt, diese Kirche betet und am eucharistischen Geheimnis teilnimmt, wie es an der Seligsprechung einer ihm nahestehenden Person, eines apostolischen Menschen teilnimmt. Man kann also feststellen, welch reiche Erfahrung die Menschen dieser Insel seil der vorchristlichen Zeit im Bereich des Dialogs mit dem Geheimnis Gottes gesammelt haben! Diese Erfahrung nahm mit der Ankunft des Evangeliums auf der Insel, mit dem Verkündigen der außerordentlichen, von Gott in Christus gewirkten Annäherung an den Menschen genaue Umrisse an. Die christliche Gemeinde, die hiei schon in der apostolischen Zeit zur Blüte gelangt war, hat es gelernt, einen intensiven Dialog mit dem menschgewordenen Sohn Gottes und mit seiner jungfräulicher Mutter zu pflegen, und fand dank des Gebetes Licht und Unterstützung in allen Lebenslagen. Es ist dies eine religiöse Tradition, die einen echten Schatz darstellt unc erhalten und gestärkt werden muß, einen Schatz, der menschliche Werte von funda mentaler Bedeutung in sich birgt. Das Gebet hat bedeutsame Auswirkungen, z. B auf das Leben der Gesellschaft: Ein Mensch, der sich aufrichtigen Herzens an Got 280 REISEN wendet, kann sich in seinem Verhalten nicht nach dem Gesetz der Gewalt und der Überwältigung richten! Das Gebet ist also, wie sich zeigt, Quelle der Vermenschlichung und der Befreiung. Das, liebe Freunde, ist die erste Botschaft, die ich euch heute abend hinterlassen möchte: Lernt vertrauensvoll und mit einfachem Herzen beten, lernt es, euch an das Geheimnis Gottes zu wenden. Tut dies, indem ihr an den göttlichen Meister die gleiche Bitte richtet, mit der sich einst seine Jünger an ihn wandten: „Herr, lehre uns beten” (Lk 11,1). Wie der Blinde in Jericho in dem von euch soeben wirkungsvoll dargestellten Abschnitt des Evangeliums sollt ihr Jesus mit dem Gebet anrufen; er wird euch eine neue und keineswegs oberflächliche Art lehren, das Leben aufzufassen, und ihr könnt ihm auf seinem Weg nachfolgen (vgl. Mk 10,46-52). 4. Die zweite Perle eures Reichtums hingegen hat ihren Ursprung im Bereich des antiken Theaters - auch heute haben wir ein zwar modernes, aber eng mit dem klassischen, griechischen und römischen verbundenes, in ihm verwurzeltes und auf ihm beruhendes Theater gesehen - also: Die zweite Perle hat ihren Ursprung im Bereich dieses antiken Theaters. Es handelt sich dabei um den Sinn für das Los, für die Bestimmung. Der Mensch hat manchmal den Eindruck, er werde von einer höheren Gewalt beherrscht, gegen die jeder Kampf nutzlos wäre; dennoch aber bekundet er gerade mit diesem Kampf seine höchste Würde. Ihr, liebe Jugendliche, habt einen Sinn für die Bestimmung, stellt euch die tiefsten Fragen über Leben und Freiheit, und versucht, den Plan und den Sinn eures Lebens zu entdecken. Wie sehr wünsche ich heute, liebe Jugendliche aus Catania, daß in euch allen die christliche Botschaft in ihrer ganzen Herrlichkeit widerhalle, daß euch das Erstaunen über das Evangelium erfülle, dessen befreiende Kraft gerade vom Mittelmeerbecken seinen Ausgang nahm. Gott hat sich in Christus geoffenbart und hat sich in ihm dem Menschen als seine wahre Bestimmung geschenkt, als seine ewige Wohnung, für Zeit und Ewigkeit. Liebe junge Freunde, öffnet ihm Geist und Herz: Nehmt ihn in euer Leben auf und folgt ihm in treuem und liebendem Gehorsam. Ihr wißt sehr wohl, daß das Evangelium Gott als die Bestimmung des Menschen und den Menschen als Bestimmung Gottes verkündet! Das Leben des Blinden von Jericho ändert sich von Grund auf in dem Augenblick, in dem seine Bestimmung der Bestimmung Jesu begegnet: „Hab nur Mut, steht auf, er ruft dich” (Mk 10,49). Die Bestimmung ist „Berufung”, d. h. ein Aufruf, sich an Gott zu binden und mit ihm vereint zu bleiben, der sich an uns binden wollte, damit wir das Leben in Fülle haben (vgl. Joh 10,10). Liebe Jugendliche aus Catania, sucht herauszufinden, daß eure Bestimmung eine Berufung ist und daß diese Berufung einen Namen und ein Antlitz hat: Jesus. 5. Dies war das Geheimnis der hl. Agatha. Wenn wir eure junge Patronin fragen: Erkläre uns, wie du schon im Alter von etwa vierzehn Jahren stark genug sein konntest, um für Jesus Zeugnis abzulegen, und reif genug, um die Ehre zu haben, dein Leben für ihn hinzugeben, antwortet sie uns: „Es ist nicht mein Verdienst, daß ich 281 REISEN gut gewesen bin. Jesus war es, der mich gut gemacht hat, er ist das Geheimnis meines Namens und meines Lebens. Ich war ganz einfach wie eine mit dem Weinstock verbundene Rebe.” Das ist also das Geheimnis Agathas und vieler anderer, die ihr gleichen. Bedenkt, wie viele junge Menschen ihr Leben für das Evangelium hingegeben haben! Sie sind eine Schar, die niemand zählen kann, eine Schar aus allen Rassen, Völkern und Sprachen. Und das ist wirklich die „neue Generation”: Die der Heiligen! Tretet daher furchtlos dieser staunenerregenden Gemeinschaft bei: Wer sein Leben für Jesus verliert, findet es, und wer es für sich behalten will, sieht es den eigenen Händen entgleiten (vgl. Mt 16,25). Wer Christus nachfolgen will, muß weder ein Übermensch sein noch Übermenschliches leisten. Der junge Christ unterscheidet sich sicher von der Masse, aber nicht wegen seines Äußeren, sondern wegen seiner Denk- und Handlungsweise. Er ist innerlich anders, im Herzen, und dieses Anderssein spiegelt sich auch äußerlich wider, in seiner Art, sich zu verhalten, zu sprechen und mit den Mitmenschen in allen Situationen des täglichen Lebens umzugehen. Wenn die „Lymphe” Jesu in unseren Adern fließt, beginnt sogleich die Reifung gewisser guter, leicht erkennbarer Früchte. Der Apostel Paulus lehrt sie uns aufspüren, indem er sie für die Christen Galatiens aufzählt: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung” (Gal 5,22-23). Wenn die neuen Generationen diese Früchte tragen, sind Korruption, Gewalt und Mafia besiegt, und in Catania, in Sizilien, in ganz Italien und in aller Welt wird die Ziviüsation der Liebe Wirklichkeit. Das ist mein Wunsch, hebe Freunde aus Catania; das ist vor allem mein Gebet, und ich wünsche, daß es auch das eure werde. Die hl. Agatha steht auf eurer Seite: Sie wird euch helfen. Auch die Madonna ist mit euch: Sie wird euch auf diesem gewagten, aber begeisternden Weg führen. Auch ich begleite euch mit meinem Gebet und segne euch jetzt alle. Der Papst fügte in freier Rede hinzu: Ich will euch sagen, daß diese Begegnung mit den Jugendlichen Catanias dieses Jahr die erste Begegnung mit den neuen Generationen ist; sie folgt auf die Begegnung in Lecce. In Zagreb konnte ich nicht den Jugendlichen begegnen. Ich treffe immer gerne mit jungen Menschen zusammen, ich weiß nicht warum, abei es gefallt mir eben. Die große Begegnung in Denver in den Vereinigten Staaten, anläßlich des Welttages der Jugend, ist mir noch lebhaft in Erinnerung. Jetzt bereite ich mich auf das Welttreffen der Jugend in Manila vor. Ich weiß nicht, ob ihr schor die Flugkarten gekauft habt. Vielleicht wird es möglich sein, die Preise zu senken. Momentan bereite ich mich auf die Begegnung auf den Philippinen vor, indem icl einen Stock trage. Mit diesem Stock werde ich dort ankommen. Manche sagen, de Stock habe mich älter gemacht, andere hingegen, er habe mich verjüngt. Ich sehe daß auch ihr für und nicht gegen den Stock seid. 282 REISEN Jetzt müssen wir schließen, um nach Syrakus zu reisen, weil wir auch dort erwartet werden. Dort werde ich sofort sagen, die Jugendlichen aus Catania wollten nicht, daß ich sie verlasse, um mich nach Syrakus zu begeben. Ihr habt diesen großen, rauchenden und so gefährlichen Ätna sehr gut veranschaulicht, habt aber auch gut beschrieben, wie man die Gefahren überwinden kann. Dialog der Liebe des Herrn mit der Kirche Siziliens Homilie bei der Seligsprechung der Dienerin Gottes Magdalena Katharina Morano in Catania am 5. November 1. „Ich bin der wahre Weinstock” (loh 15,1). Jesus sprach diese Worte am Tag vor seinem Leiden. Aber die Allegorie, deren er sich bedient, bezieht sich in erster Linie auf die Auferstehung: Der Weinstock ist der auferstandene Christus, das unbesiegbare Leben, das sich den anderen schenkt. Wenn der Weinstock Leben schenken soll, muß er gereinigt werden. Der Winzer muß ihn sozusagen „verletzen”, wenn er ihm eine neue Rebe aufpfropfen will. Jesus sagt: Der Vater ist der Winzer; er ist es, der den Weinstock pflegt. Das Leben, das in mir ist, kommt vom Vater; es ist ein unbesiegbares Leben. Wenn ich den Tod annehme, tue ich es, um den Reben das Leben zugeben, das in mir ist und das mir der Vater geschenkt hat (vgl. Joh 15,1-2). 2. Es scheint daher klar zu sein, daß die Allegorie, deren sich Christus vor seinem Leiden bedient, in Wirklichkeit auf das Ostergeheimnis hingeordnet ist, das Geheimnis vom Leben, das den Tod besiegt hat. Dieses Leben ist durch die Erfahrung des Todes hindurchgegangen, damit seine Macht voll und ganz offenbar werde. Christus bezeichnet sich als Weinstock, auf den jeder von uns aufgepfropft werden muß. Der Weinstock ist also das Bild des ewigen Lebens und das Pfropfreis Sinnbild des Lebens, das sich ausbreitet. Der Vater ist der Geber jenes Lebens, das im Sohn offenbar und vom Sohn an jeden Menschen weitergegeben wird; dieser ist sozusagen die Rebe, in der sich der Saft sammelt; ist das nicht der Fall, so verdorrt sie, stirbt ab und wird ins Feuer geworfen (vgl. Joh 15,6). Was muß man also tun, um nicht eine trockene Rebe zu sein? Man muß in Christus bleiben, muß sich ständig von seinem Wort nähren, dem Wort, das Leben spendet. Wenn das Wort Christi in uns bleibt, wird das Gebet, das ihm entspringt, immer Er-hörung finden: „Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten” (Joh 15,7). Die Allegorie vom Weinstock und von der Rebe enthüllt das Geheimnis der Ernte, die Jesus seiner Kirche anbietet. In der Kirche reifen, ebenso wie im Weinstock des Evangeliums, diejenigen, die sein Wort aufnehmen - sie reifen für das Leben in Gott, also für die Verherrlichung. 283 REISEN Die Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch, „Gloria Dei vivens homo”, lehrt der hl. Irenäus, und er fügt hinzu: Das Leben des Menschen ist die Schau Gottes, „Vita hominis, visio Dei” (Adv. haereses, 4.20,7). 3. Mit dieser am Vorabend seines Leidens vorgetragenen Allegorie offenbart Jesus also voll und ganz das Geheimnis des Lebens, das in ihm ist. Dieses Geheimnis ist für viele Söhne und Töchter dieser gesegneten Erde Quelle des Lebens geworden; ihnen gilt heute unser Gedenken, während wir die liturgische Feier aller Heiligen der Kirchen in Sizilien begehen: des Märtyrers Euplo, der Märtyrerin Agathe, deren im Kanon der Liturgie gedacht wird, und des sei. Kardinals Giuseppe Benedetto Dus-met, um nur einige von ihnen zu nennen. Heute erweist sich das gleiche Geheimnis als Quelle des unsterblichen Lebens für die Dienerin Gottes Magdalena Morano, die ich zu meiner Freude heute in der Stadt, in der sie sich viele Jahre hindurch der christlichen Erziehung der Jugend gewidmet hat, zur Ehre der Altäre erheben darf. Auf diese Weise kann die neue Selige, die ihr Leben rückhaltlos Christus geweiht hat, über die Generationen hinweg für ihn Zeugnis ablegen. Sie wird heute in das Buch des Lebens eingetragen, damit das ganze Volk Gottes auf seiner Pilgerfahrt in dieser uralten Wiege der griechischen und der römischen Kultur dort die Wahrheit über die Rechtfertigung in Christus lesen könne. 4. Wie könnte man, während man dieser hervorragenden Zeugen des Evangeliums gedenkt, nicht auch andere großmütige Christen im Sinn haben, deren geistliches Abenteuer ein Geschenk Gottes für die ganze Kirche war? Ich denke dabei an Pater Allegra, einen Sohn eurer Insel, der sehr viel zum Dialog zwischen Christus und China beigetragen hat. Ich denke an den ehrwürdigen Diener Gottes Capizzi und an den hl. Nicola Politi. Ich denke auch an den Priester Giuseppe Puglisi, den mutigen Zeugen für die Wahrheit des Evangeliums. Ich denke schließlich an die mit den Gaben des Heiligen Geistes erfüllten Frauen Lucia Mangano und Giuseppina Faro: In ihnen hat der Dialog der Liebe des Herrn mit seiner Kirche Höhen von bewegender Schönheit erreicht. In geistlicher Vereinigung mit all diesen Großen eurer Insel begrüße ich herzlich die Kirche in Catania, die an der Schwelle des neuen Jahrtausends, aus der Erfahrung ihrer Heiligen schöpfend und dank ihrer Fürbitte der Stadt, den Schatz anbieten will, den sie in den tönernen Gefäßen ihrer Menschlichkeit trägt. Insbesondere begrüße ich Erzbischof Luigi Bommarito und danke ihm für die herzlichen Worte, die er soeben an mich gerichtet und mit denen er den Reichtum und den Einsatz der kirchlichen Gemeinschaft beschrieben hat. Mit ihm begrüße ich Kardinal Pappalardo und alle sizilianischen Bischöfe, die bei dieser Feier anwesend sind, wobei ich mit besonderer Herzlichkeit des Erzbischofs von Messina-Lipari-Santa Lucia dei Mela, Ignazio Cannavö, gedenke, der sein fünfzigjähriges Priesterjubiläum feiert. Mit Freude heiße ich alle Priester willkommen, die mit mir diese Eucharistiefeier konzelebrieren; ich heiße die Ordensmänner willkommen und auch 284 REISEN die Ordensfrauen, die immer in der Mehrheit sind. Ich heiße mit Freuden die Laien der ganzen Diözese Catania willkommen. Christifideles laici, ich begrüße euch und sehe euch mit Freude bei dieser großen Feier versammelt. Mein besonderer Gruß gilt der salesianischen Familie, angefangen von ihren Kardinalen Castillo Lara, Stickler und Javierre Ortas, dann dem Großrektor der Salesianer und selbstverständlich auch der Generaloberin der Schwestern von Maria Hilfe der Christen. Ein weiterer herzlicher Gruß gilt den bürgerlichen, administrativen und politischen Be-hördenvertretem, die zur Verwirklichung meines Besuches in Sizilien beigetragen haben; ich bin sehr dankbar für die Vorbereitung, für alles, was zweimal gemacht wurde, im April und im November: Schließlich gilt dieser mein Gruß auch den Kranken, den Betagten und allen, die, weil an der persönlichen Anwesenheit gehindert, durch Radio und Fernsehen im Geist mit uns vereint sind. Zu Beginn des neuen akademischen Jahres möchte ich ein herzliches Wort an alle richten, die in der Welt der Kultur tätig sind, insbesondere an die Dozenten, Forscher und Studenten der Universität Catania sowie an die des theologischen Studienzentrums St. Paul und des Hochschulinstitutes für religiöse Studien St. Lukas. Mögen sie sich, alle großmütig im Dienst der Wahrheit einsetzen, in respektvoller und aufgeschlossener Haltung zugunsten des Dialogs zwischen Wissenschaft und Glaube. Liebe Brüder und Schwestern! Eure altehrwürdige Kirche, die kürzlich das 900jährige Jubiläum der Eröffnung ihrer Kathedrale für den Gottesdienst gefeiert hat, ist von den heutigen Umständen zum Dienst für die Wiedergeburt der Stadt berufen, indem sie die Energien wachruft, die der Herr ständig in ihr erneuert, für einen unermüdlichen und eifrigen Dienst am Guten. 5. Gerade im Hinblick darauf wirkte Sr. Magdalena Morano! Sie, die „geborene Lehrerin”, war aus Turin, der Stadt Don Boscos, gekommen; sie brachte ihr hervorragendes pädagogisches Talent und ihre Gottes- und Nächstenliebe mit. Sr. Magdalena entfaltete auf dieser Insel und zum Wohl ihrer Bewohner ein intensives und fruchtbares geistliches und erzieherisches Wirken. Viele Jahre hindurch war sie eine von euch, war ein Vorbild treuen Dienstes für Gott und die Mitmenschen. Richtet euren Blick auf sie, liebe Gläubige, um besser den apostolischen und missionarischen Plan verwirklichen zu können, den die Kirche in Catania mit allen, die ihr angehören, ins Leben rufen will, indem sie auf die Stimme des Heiligen Geistes hört und sich als Gemeinschaft eifrig um die Erkenntnis der „Zeichen der Zeit” bemüht. Mutlosigkeit und Verbitterung angesichts beunruhigender und bedrückender Ereignisse sind begreifliche menschliche Gefühle, die jedoch nicht den christlichen Mut auslöschen und den Eifer für das Gute „um jeden Preis” - wie Mutter Magdalena Morano, seit heute eine Selige, sagte — erkalten lassen dürfen. Liebe Brüder und Schwestern aus Catania! Ihr besitzt ein reiches Erbe christlichen Glaubens und tatkräftiger Nächstenliebe, das auf die Urzeit des Christentums zurückgeht: Wir verfügen über sichere Nachrichten über die Anwesenheit einer christ- 285 REISEN liehen Gemeinde in Catania seit den ersten Jahrhunderten. In unserer Zeit, die von einer dramatischen Krise der menschlichen Werte und einem leidvollen Sehnen nach dem Absoluten geprägt ist, steht ihr vor der Aufgabe, ein ernsthaftes und anspruchsvolles Programm zu verwirklichen, das eine vertiefte Kenntnis der Lehre der Kirche, ein überzeugungstreues Leben und die unermüdliche Übung der Nächstenliebe ein-schließt. Mutter Morano, die, von einer tiefen Sehnsucht nach Liebe und Heiligkeit beseelt, viele Jahre lang unerschrocken und unermüdlich die Straßen eurer Stadt und eurer Region beschritt, soll euch hier ein Ansporn sein. Ihre Stütze waren die Lehren und die Beispiele des hl. Johannes Bosco und der hl. Maria Domenica Mazzarello. Wenn sie das Meer betrachtete, sagte sie. „Siehst du, wie groß, wie unendlich das Meer ist? Noch größer und unendlicher ist die Güte Gottes!” Den Weg zur Heiligkeit beschrieb sie mit einem einfachen, aber einprägsamen Vergleich: „Man besteigt den hohen Berg der Vollkommenheit mit der ständigen Abtötung. Auch die hohen Häuser sind aus kleinen, übereinandergelegten Steinen erbaut.” Ihre Ratschläge sind erhellend, kräftigend und ermutigend: „Denkt so, wie Jesus gedacht hätte. Betet so, wie Jesus gebetet hätte. Handelt so, wie Jesus gehandelt hätte.” So sprach und lebte Mutter Magdalena, indem sie immer wieder zu sich selbst sagte: „Bitte um die Gnade, jeden Tag in Frieden dein Kreuz tragen zu können.” 6. Unsere Schwester, die sei. Magdalena Morano, lebt in Gott, und Gott lebt in ihr für immer. „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt”, sagt der Herr durch den Mund des Propheten Jeremia (31,3). Die neue Selige hat an sich selbst die Wahrheit dieses göttlichen Wortes erfahren und legt jetzt, nach den Prüfungen des Lebens, für die Erfüllung des Versprechens Zeugnis ab, das Gott seinem Volk gemacht hat: „Weinend kommen sie, und tröstend geleite ich sie. Ich führe sie an wasserführende Bäche, [...] wo sie nicht straucheln. Denn ich bin Israels Vater” (ebd31,9). Die sei. Magdalena Morano lebt nunmehr gemeinsam mit den Seligen und Heiligen Siziliens und mit der ganzen „großen Schar” der Heiligen des Himmels „inmitten der Tröstungen”, wie sie Gott seinen Getreuen Vorbehalten hat, die sich um ein Leben im Glauben und ein Wirken in der Liebe bemühten. Gerade das wollte die neue Selige während ihres ganzen Lebens tun, indem sie „nicht mit Wort und Zunge ..., sondern in Tat und Wahrheit” (1 Joh 3,18) liebte. So wurde ihre Liebe zu einem ständigen Zeugnis des treuen Eingehens auf Gott, der Liebe ist. Sie erstrahlt heute vor uns als leuchtendes Beispiel tatkräftiger Solidarität, die es verstand, den Norden und den Süden Italiens zusammenzuschließen. Jetzt bittet die neue Selige für uns und für die Kirche. Die Fürsprache der Heiligen ist sehr mächtig! Magdalena hat den Willen Gottes erfüllt und hat uns das Zeugnis der gottgefälligen Werke hinterlassen. 7. Sei glücklich, Sizilien, sei glücklich, Catania, Heimat der hl. Agathe und vielei anderer Heiliger und Seliger, Wahlheimat der sei. Magdalena Morano! 286 REISEN „In festlichem Glanz sollen die Frommen frohlocken, auf ihren Lagern jauchzen: Loblieder auf Gott in ihrem Mund: Herrlich ist das für all seine Frommen” {Antwortpsalm). Sei glücklich, Sizilien. Sei glücklich trotz aller Schwierigkeiten und Leiden, denen du in unseren Tagen begegnen mußt. Sei glücklich, danke Gott für diese Schätze der Heiligkeit, der Kultur. All diese Schätze, die dir gehören, sind eine Quelle der Freude, der Dankbarkeit Gott gegenüber. Mit all deiner Armut bist du reich. Du bist reich und mußt von diesem deinem Reichtum überzeugt sein. Und ich möchte sagen, du sollst auf diesen deinen Reichtum stolz sein. Die Herrlichkeit Gottes leuchtet in dieser erhabenen Kirche auf, die in Catania ist. Die Herrlichkeit Gottes sind alle jene, die ihn hier aus ganzem Herzen gesucht und gefunden haben. Sie leben jetzt auf ewig in seiner Herrlichkeit. Ihrer Fürbitte vertrauen wir uns an. Amen! Gegen verbrecherische Organisation gemeinsam mutig Vorgehen! Ansprache an die Bevölkerung auf dem Domplatz von Syrakus am 5. November Herr Bürgermeister, verehrte Vertreter des öffentlichen und religiösen Lebens, Brüder und Schwestern von Syrakus! 1. Es war im vergangenen Mai alles bereitet für unsere gemeinsame Begegnung. Doch, wie ihr wißt, haben der Unfall, der mir am Vorabend meiner Abreise widerfahren ist, sowie die darauf folgende Zeit der Rekonvaleszenz meinen Besuch verzögert. Ich bin froh, mich heute endlich unter euch befinden zu können, in dieser Stadt, die so reich an Geschichte und Kultur, an Kunst und Naturschönheiten ist, und die, aufgrund ihrer natürlichen Lage und ihrer wirtschaftlichen und politischen Bedeutung, schon früh dazu ausersehen war, eine vorherrschende Stellung im Mittelmeerraum einzunehmen. Ich komme in diese Stadt, die eine der größten und bevölkerungsreichsten Metropolen der Antike war und die großartigen Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Dichtung, der Kunst, der Wissenschaft - unter ihnen Epicharmos, Theokritos und der große Archimedes - das Leben schenkte und Syrakus somit zur Hüterin der kulturellen und geistlichen Werte des klassischen Altertums machte. Ich grüße in euch, Bürger von Syrakus, die Erben dieser ruhmreichen Vergangenheit und die Bewahrer eines Kulturerbes, das auch in unserer Zeit reiche Früchte bringen sollte. Euch obliegt die Aufgabe, mit moderner Feinfühligkeit die stets aktuelle Botschaft des Altertums neu auszulegen. 287 REISEN Ich grüße den Herrn Bürgermeister, Professor Marco Fatuzzo, und danke ihm für die freundlichen Begrüßungsworte, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat. Ich grüße den Präsidenten der Region, den Abgeordneten Franco Martino, dem ich ebenfalls überaus dankbar bin für seine herzlichen Worte. Ich grüße die hier anwesenden Würdenträger aus Verwaltung und Militär. Ich grüße schließlich mit brüderlicher Zuneigung den Oberhirten der Erzdiözese, Msgr. Giuseppe Costanzo, den Klerus, die Ordensleute und die Laien der kirchlichen Gemeinschaft. Allen gilt mein Dank für euren herzlichen Empfang! Der Glanz, eures Landes, die Klarheit des Himmels, das Blau des Meeres machen meine Fahrt durch dieses an Kultur und Humanität reiche und fruchtbare Gebiet noch schöner und freudvoller: dieses Land, in dem der Same des Christentums - welches hierher gelangte auf dem Weg, der das Evangelium von Jerusalem aus, durch die Magna Graecia, bis nach Rom trug - überreich gestreut-wurde. 2. Die Apostelgeschichte (vgl. 28,12) zeigt uns auf, daß selbst der hl. Paulus nach Syrakus kam und hier drei Tage verweilte; und während dieser Zeit ergriff das Wort Christi, das er verkündete, Besitz von den Herzen der Bewohner dieser Stadt. Diese Stadt, bereits so voller Sonne und Kunst, wurde vom Glanz des Glaubens erfüllt. Und mit demselben Elan des Apostel Paulus komme ich heute zu euch, um Zeugnis von der Wahrheit abzulegen und mich zum Verkünder der ewigen Heilsbotschaft zu machen. Ich weiß nur zu genau, daß Syrakus seit frühen christlichen Ursprüngen eine besondere Beziehung zu Petras hat. Gemäß einer tief verwurzelten Tradition war nämlich der erste Bischof, der hl. Marcianus, ein Schüler des Petrus und wurde zur Zeit seines Aufenthaltes in Antiochien direkt von ihm hierher gesandt. Seitdem lernte euer Land, das in schrecklichen Zeiten der Verfolgung vom Blut der Märtyrer getränkt wurde, eine üppige Erntezeit christlichen Lebens kennen. So legte die glorreiche und beliebte hl. Lucia, eine Märtyrerin des vierten Jahrhunderts, die in der ganzen christlichen Welt Verehrung findet, unerschrocken Zeugnis für ihre Treue zu Christus ab. Am 13. Dezember, in der Adventszeit, wird der vorgeschriebene Gedenktag der hl. Lucia begangen. Möge ihr großherziges Beispiel, verbunden mit jenem zahlreicher Gläubiger jedweder Epoche, eine neue Blüte religiösen Eifers und gesellschaftlichen Engagements hervorrufen, damit - unter der Mitwirkung aller -die uns heute drohenden Schwierigkeiten überwunden werden können. 3. Dies ist nämlich die aktuelle Situation: die Stadt Syrakus, Erbin einer so ruhmreichen Vergangenheit, durchlebt derzeit - obgleich sie versucht, sich auf neue, hoffnungsvolle Perspektiven hin zu öffnen - eine wirklich nicht leichte wirtschaftliche und soziale Konjunktur. Auf ihr lastet das Gewicht einer Geschichte der Ausgrenzung, die Gefahr läuft, Syrakus nicht nur aus dem wirtschaftlichen, sondern auch aus dem sozialen und kulturellen Kreislauf der Nation auszuschließen. Aber den Syrakusanem fehlt zum Glück nicht der Wille, auf die Versuchungen der Resignation und der Isolierung zu reagieren. Dies sieht und spürt man. 288 REISEN Bürger von Syrakus, der Papst ist hier, um eure Sorgen zu teilen und um euch zu euren Vorhaben Mut zu machen. Gebt nicht den Versuchungen der Apathie und Trägheit nach, die zur Untätigkeit und zur fatalistischen Annahme des Bösen und der Ungerechtigkeit führen. Es hilft nichts, sich darauf zu beschränken, die Mängel in der öffentlichen Verwaltung, die konfliktgeladene Situation, bedingt durch politische Gruppen, die ausschließlich nach Macht, statt nach Dienst streben, sowie die daraus folgende Unbeweglichkeit und politische und administrative Lähmung zu beklagen. Es ist hingegen vonnöten, sich dafür einzusetzen, eine Antwort auf die nunmehr langjährigen sozialen Übel zu geben. Es ist unerläßlich, wieder Sinn und Lust am „Mitwirken” zu bekommen. Ich bin hier unter euch, um alle gesunden Kräfte der Gesellschaft dazu anzuspomen, sich zu einem neuen Engagement konstruktiver Solidarität zusammenzuschließen. Es ist dringend notwendig, daß die rechtschaffenen Bürger ihre Kräfte vereinen, um verbrecherischen Organisationen entgegenzuwirken und um die schweren augenblicklichen Probleme entschlossen in Angriff zu nehmen. Ich bin gekommen, um euch zu sagen: Beugt euch nicht auf euch selbst zurück! „Richtet euch auf und erhebt eure Häupter” (Lk 21,28). Ich bin gekommen, um Hoffnung zu säen, eine kreative Hoffnung, die auf dem Bewußtsein eures Engagements und auf der Aufgabe, die euch von der Geschichte anvertraut wird, gründet. 4. Liebe Syrakusaner, mein vierter Pastoralbesuch in Sizilien soll auch eine bedeutungsvolle Etappe auf dem Weg des „Großen Gebetes für Italien” sein, das am folgenden 10. Dezember in Loreto seinen Abschluß finden wird. Diese spirituelle Intention werden wir morgen besonders deutlich vor Augen haben, wenn ich das von euch als Zeichen der Liebe und Verehrung zur „Madonna delle Lacrime” errichtete Heiligtum weihen werde. Das Weinen Mariens ist ein bekümmerndes Zeichen der Zärtlichkeit einer Mutter, aber es ist auch der betrübte Aufruf zu einer dringend notwendigen Umkehr. Die Muttergottes lädt einen jeden zu einer tiefgehenden Prüfung seines Verhaltens ein. Ich vertraue der „Jungfrau der Tränen” meine bisherige Pilgerfahrt an. Ich bitte sie darum, sie möge für Syrakus und für die ganze italienische Nation jene moralische und soziale Wiedergeburt erringen, die sich alle so sehr wünschen. Das reiche Erbe an Kultur, Zivilisation und Humanität, das dem Namen Italiens und Siziliens in der Welt zu solcher Größe verhalf, möge weiterhin eine solide Grundlage bieten, auf der, dank des einträchtigen Beitrags aller Mitglieder der Gesellschaft, eine Zukunft des Friedens, der Solidarität und der Entwicklung für das ganze Land errichtet werden kann. Diese Botschaft der Hoffnung begleite ich mit meinem Segen. 289 REISEN Tränen der Gottesmutter sind Zeichen von Schmerz und Hoffnung Predigt bei der Weihe der Wallfahrtskirche der Muttergottes der Tränen in Syrakus am 6. November 1. Dominus flevit (vgl. Lk 19,41). In Jerusalem gibt es einen Ort am Hang des Ölbergs, wo der Überlieferung nach Christus über die Stadt Jerusalem weinte. In diesen Tränen des Menschensohnes ist beinahe das ferne Echo eines anderen Weinens enthalten, von dem die erste Lesung aus dem Buch Nehemia spricht. Nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft schickten sich die Israeliten an, den Tempel wieder aufzubauen. Zuvor aber hörten sie die Worte der Heiligen Schrift und des Priesters Esra, der dann das Volk mit dem Gesetzbuch segnete. Daraufhin brachen alle in Tränen aus. Tatsächlich lesen wir, daß der Statthalter Nehemia und der Priester Esra zu den Anwesenden sagten: „Heute ist ein heiliger Tag zu Ehren des Herrn, eures Gottes. Seid nicht traurig, und weint nicht! ... Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke” (Neh 8,9.10). Seht, es waren für die Israeliten Tränen der Freude über den wiedererrichteten Tempel und über die wiedergewonnene Freiheit. 2. Die Tränen Christi am Ölberghang waren hingegen keine Freudentränen. Denn er rief: „Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt. Darum wird euer Haus (von Gott) verlassen” {Mt 23,37-38). Ähnliche Worte sagte Jesus kurz danach auf dem Weg nach Golgota, als er den Frauen von Jerusalem begegnete und sie weinen sah. In den Tränen Jesu über Jerusalem drückt sich seine Liebe zur Heiligen Stadt aus zusammen mit dem Schmerz über ihre nicht ferne Zukunft, die er voraussieht: Die Stadt wird erobert und der Tempel zerstört werden, die jungen Menschen werden denselben Opfertod wie er, den Tod am Kreuz, erleiden. „Dann wird man zu den Bergen sagen: Fallt auf uns!, und zu den Hügeln: Deckt uns zu! Denn wenn das mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit dem dürren werden?” (Dt 23,30-31). 3. Wir wissen, daß Jesus ein weiteres Mal weinte - am Grab von Lazarus. „Die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte! Einige aber sagten: Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat, hätte er dann nicht auch verhindern können, daß dieser hier starb?” {Joh 11,36-37). Da wurde Jesus wieder innerlich erregt, und er ging zum Grab, wo er befahl, den Stein wegzunehmen; er erhob seine Augen zum Vater und rief mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! (vgl. Joh 11,38-43). 290 REISEN 4. Das Evangelium berichtet uns ein weiteres Mal von der inneren Bewegung Jesu, als er im Heiligen Geist voll Freude ausrief: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen” (Lk 10,21). Jesus freut sich über die göttliche Vaterschaft; er freut sich, daß es ihm gegeben ist, diese Vaterschaft zu offenbaren, und er freut sich schließlich über die besondere Ausstrahlung dieser Vaterschaft auf die Kleinen. Der Evangelist Lukas nennt das Freude im Heiligen Geist. Eine Freude, die Jesus drängt, sich noch mehr zu offenbaren: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand weiß, wer der Sohn ist, nur der Vater, und niemand weiß, wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will (ebd. 10,22)” (vgl. Dominum et vivificantem, Nr. 20). 5. Im Abendmahlssaal kündigt Jesus den Aposteln ihre zukünftigen Tränen an: „Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet bekümmert sein, aber euer Kummer wird sich in Freude verwandeln.” Und er fügte hinzu: „Wenn die Frau gebären soll, ist sie bekümmert, weil ihre Stunde da ist; aber wenn sie das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an ihre Not über der Freude, daß ein Mensch zur Welt gekommen ist” (Joh 16,20-21). So spricht Christus über die Traurigkeit und die Freude der Kirche, über ihre Tränen und ihre Freude, indem er sich auf das Bild einer gebärenden Frau bezieht. 6. Die Berichte des Evangeliums sprechen nie von den Tränen der Gottesmutter. Wir hören weder ihr Stöhnen in der Nacht von Betlehem, als die Zeit gekommen war, den Sohn Gottes zur Welt zu bringen, und auch nicht auf Golgota, als sie unter dem Kreuz stand. Wir erfahren auch nichts über ihre Freudentränen, als Christus auferstanden war. Auch die Heilige Schrift gibt keinen Hinweis auf diese Tatsache, aber für sie spricht die Einsicht des Glaubens. Maria, die aus Trauer oder Freude weint, ist Ausdruck der Kirche, die sich in der Weihnachtsnacht freut, am Karfreitag zu Füßen des Kreuzes leidet und sich am Morgen der Auferstehung wieder freut. Sie ist die Braut des Lammes, die uns die zweite Lesung aus dem Buch der Offenbarung (vgl. Offb 21,9) vorgestellt hat. 7. Die Tränen Marias treten in den Erscheinungen auf, mit denen sie von Zeit zu Zeit die Kirche auf ihrem Weg durch die Straßen der Welt begleitet. Maria weinte in La Salette in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, vor den Erscheinungen von Lourdes, in einer Zeit, in der das Christentum in Frankreich immer stärker angefeindet wurde. Sie weinte immer noch hier in Syrakus, nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges. Verständlich werden diese Tränen vor dem Hintergrund dieser tragischen Ereignisse: das ungeheure, durch den Konflikt hervorgerufene Blutbad; die Ausrottung der Söhne und Töchter Israels; die aus dem Osten kommende Bedrohung für Europa vom Kommunismus her, der erklärtermaßen atheistisch ist. 291 REISEN Zur selben Zeit weinte auch das Bild der Muttergottes von Tschenstochau in Lublin: eine Tatsache, die außerhalb von Polen wenig bekannt ist. Weit verbreitet hat sich hingegen die Nachricht von dem Ereignis in Syrakus, und viele Pilger sind hierher gekommen. Auch Kardinal Stefan Wyszynski pilgerte 1957 nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis hierher. Ich selbst kam damals als junger Bischof während des Konzils hierher und konnte am Gedenktag der Verstorbenen die heilige Messe feiern. Die Tränen der Gottesmutter gehören zu den Zeichen: Sie bezeugen die Anwesenheit der Mutter in der Kirche und in der Welt. Eine Mutter weint, wenn sie ihre Kinder von einem geistlichen oder körperlichen Übel bedroht sieht. Maria weint, weil sie an den Tränen Christi über Jerusalem oder am Grab des Lazarus oder schließlich auf dem Kreuzweg teilhat. 8. Es ist jedoch angebracht, auch an die Tränen des Petrus zu erinnern. Das Evangelium von heute erzählt vom Bekenntnis des Petrus in der Nähe von Cäsarea Phil-ippi. Hören wir die Worte Christi: „Selig bist du, Simon Baijona; denn nicht Heisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel” (Mt 16,17). Uns sind die weiteren Worte des Erlösers an Petrus gut bekannt: „Amen, amen, das sage ich dir: Noch bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen” (Joh 13,38). Und so geschah es. Aber als im Haus des Hohenpriesters beim Hahnenschrei Jesus den Petrus anblickte, „erinnerte sich [dieser] an das, was der Herr zu ihm gesagt hatte ... ging hinaus und weinte bitterlich” (Lk 22,61-62).Tränen des Schmerzes, Tränen der Umkehr zur Bekräftigung der Wahrheit seines Bekenntnisses. Dank ihrer konnte er nach der Auferstehung zu Christus sagen: „Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich Hebhabe” (Joh 21,17). 9. Heute ist es mir hier in Syrakus gegeben, das HeiHgtum der Muttergottes von den Tränen einzuweihen. Endlich bin ich nun hier, zum zweiten Mal, nachdem der geplante Besuch vom 1. Mai des Jahres aus den bekannten Gründen verschoben worden war. Jetzt komme ich aber als Bischof von Rom, als Nachfolger des Petrus, und erfülle mit Freude diesen Dienst an eurer Gemeinschaft, die ich in der Person ihres Hirten, Msgr. Giuseppe Costanzo, begrüße; er hat das Erbe seiner Vorgänger aufgegriffen und diesen Tag sehr eifrig vorbereitet. Mit ihm begrüße ich den Kardinal von Palermo, alle Bischöfe Siziliens und die anwesenden staatlichen, administrativen und militärischen Obrigkeiten, während ich ihnen für ihre Mitarbeit an der Organisation meines Pastoralbesuches danke. Einen besonderen Gruß richte ich an alle Priester und rufe sie auf, treue Nachahmer des Apostels Paulus zu sein, der in dieser herrlichen Stadt auf der Durchreise von Cäsarea nach Rom weilte (vgl. Apg 28,12). Der Sendungsauftrag, den ihr, meine Lieben, empfangen habt, erfordert Mut und Standhaftigkeit, aber der Herr wird euren hochherzigen Dienst zu lohnen wissen. Mein Gruß richtet sich dann an die Ordensmänner und Ordensfrauen und an die Mitglieder der Säkularinstitute. Ich hoffe, 292 REISEN daß das gottgeweihte Leben, wie es bei der jüngsten Versammlung der Bischofssynode hervorgehoben wurde, als Zeugnis der Werte des Geistes erstrahle und zum Initiator eines Apostolats „an vorderster Front” werde, das auf die in unserer Zeit bestehende tiefe Sehnsucht nach Gott Antwort zu geben weiß. Ich grüße mit Liebe auch alle gläubigen Laien, insbesondere die Familien in diesem Jahr, das ihnen gewidmet ist: In einer oft gleichgültigen und unachtsamen Welt mögen sie Zeichen einer opferbereiten Liebe sein, die im Glauben der Kirche wurzelt und für das Leben offen ist. 10. Heute, an diesem Ort, fühle ich in mir die Worte Christi widerhallen, der zu Petrus sagt: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein” (Mt 16,18-19). Diese Worte Christi bringen die höchste Autorität zum Ausdruck, die er als Erlöser besitzt; die Macht, Sünden zu vergeben, die um den Preis des auf Golgota vergossenen Blutes erlangt wurde; die Macht, loszusprechen und zu verzeihen. 11. Heiligtum der Muttergottes von den Tränen, du bist entstanden, um die Kirche an die Tränen der Mutter zu erinnern. Denke auch an die Tränen des Petrus, dem Christus die Schlüssel des Himmelreiches zum Wohl aller Gläubigen übergeben hat. Mögen diese Schlüssel dazu dienen, zu binden und zu lösen, zum Heil jeder menschlichen Not. Hierher, in diese aufnahmebereiten Mauern, kommen alle, die vom Bewußtsein der Sünde bedrückt sind, und hier erfahren sie den Reichtum des Erbarmens Gottes und seiner Vergebung! Die Tränen der Mutter fuhren sie hierher. Es sind Tränen des Schmerzes über diejenigen, die die Liebe Gottes zurückweisen; über die Familien, die zerrüttet oder in Schwierigkeiten sind; über die von der Konsumgesellschaft gefährdete und oft richtunglose Jugend; über die Gewalt, die immer noch so viel Blut vergießen läßt; über das gegenseitige Unverständnis und den Haß, die zwischen den Menschen und den Völkern tiefe Gräben aufwerfen. Es sind Tränen des Gebets: des Gebets der Mutter, die zu weiterem Gebet Kraft gibt und auch für diejenigen bittet, die nicht beten, weil sie von tausend anderen Interessen abgelenkt werden oder weil sie dem Ruf Gottes gegenüber hartnäckig verschlossen sind. Es sind Tränen der Hoffnung, die die verhärteten Herzen erweicht und sie für die Begegnung mit Christus, dem Erlöser, öffnet, der die Quelle des Lichtes und des Friedens für die einzelnen, die Familien und die ganze Gesellschaft ist. Muttergottes der Tränen, blicke mit mütterlicher Güte auf das Leid der Welt! Trockne die Tränen der Leidenden, der Vergessenen, der Verzweifelten, der Opfer aller Gewalt. 293 REISEN Erlange allen Menschen Tränen der Reue und des neuen Lebens, die die Herzen für das erneuernde Geschenk der Liebe Gottes öffnet. Erlange allen Tränen der Freude, nachdem sie die tiefe Liebe deines Herzens erfahren haben. Gelobt sei Jesus Christus! Gebet und Liebe können die Welt bewegen Angelus in Syrakus am 6. November 1. Liebe Brüder und Schwestern! Meine Lieben, euer Erzbischof hat gesagt, daß das ein Gnadentag sei. Ich möchte sagen, daß es auch ein Regentag geworden ist. Regen hat im Alten Testament immer Gnade bedeutet. Jetzt vor dem Angelusgebet eine kleine Betrachtung: Syrakus ruft mir die bekannte Herausforderung von Archimedes, dem großen Wissenschaftler dieser alten Stadt, in Erinnerung: „Gebt mir einen Platz, wo ich stehen kann, und ich werde die Erde bewegen!” Ein Ausspruch, der die hl. Theresia von Lisieux zur Überlegung und zu folgendem Kommentar angeregt hat: „Was Archimedes nicht erreichen konnte, weil seine Bitte nicht an Gott gewandt und nur vom materiellen Standpunkt aus gesprochen war, das haben die Heiligen vollständig erlangt. Der Allmächtige hat ihnen als Standort sich selbst, sich allein, und als Hebel das Gebet gegeben, das das Feuer der Liebe entzündet, und so haben sie die Erde bewegt” (vgl. italienische Ausgabe Die Schriften, Rom 1979, S. 307). Ja, nur Gott ist unser wahrer und unvergänglicher Standort, so wie die Liebe und das Gebet allein die sicheren geistlichen „Hebel” sind, mit denen es möglich ist, die Welt zu bewegen. Und das betrifft alle unsere Lebensbereiche. 2. Meine Aufmerksamkeit gilt in diesem Augenblick ganz besonders euch, hebe, hier anwesende Arbeitnehmer und Vertreter der Wirtschaft. Der Glaube ist das Fundament, und die Liebe ist der große „Hebel”, auf denen eine brüderlichere und solidarischere Gesellschaft aufgebaut werden muß. Denn durch sie werden viele schwere Probleme wirksam in Angriff genommen, die auch gegenwärtig auf verschiedener Produktionsbereichen lasten. Die Wirtschaft darf nicht vom reinen Interesse und vor alleiniger Gewinndynamik geleitet werden, sondern muß in den Dienst des Menschen gestellt werden. Seid deshalb immer überzeugtere Erbauer einer Kultur dei Solidarität in dem Bewußtsein, daß diese den Erfordernissen der Leistungsfähigkei' nicht widerspricht, sondern sie sogar durch größere Sicherheit und Stabilität unterstützt. 3. Ich sehe dann die vielen, hier versammelten Jugendlichen. Auch an euch, meint Lieben, richte ich die Aufforderung, jeden Plan auf die Liebe und das Gebet zi gründen. Euer Bemühen, eine dem Menschen angemessenere Zukunft zu bauen, dis der Hoffnung offensteht und reich an Idealen ist, stellt große Anforderungen. In de in Gott wurzelnden Liebe findet sich aber die Quelle einer unerschöpflichen Kraft 294 REISEN Mögt ihr es verstehen, mit eurem Enthusiasmus und eurer Sensibilität auch eure Altersgenossen „anzustecken”, die nach echten Zeugnissen der Wahrheit, des Friedens und der Werte suchen, die dem Evangelium entsprechen. Seid überall hochherzige Erbauer der Zivilisation der Liebe: in der Familie, in der Schule und in der christlichen Gemeinschaft selbst. Folgt mit Schwung und Überzeugung den Bildungswegen eurer Pfarreien, Vereinigungen und Bewegungen. Auf diese Weise werdet ihr echte Bahnbrecher der Zukunft der Insel und des ganzen Landes. 4. Maria, Lehrmeisterin des Gebets, die dieser Stadt das Geschenk ihrer Tränen hinterlassen hat, lädt alle ein, in Gott das feste Fundament des menschlichen Daseins zu suchen. Lassen wir uns von ihr zu Gott führen. Nachdem ich ihr heute morgen das Heiligtum der „Muttergottes der Tränen” geweiht habe, möchte ich jetzt eine geistige Wallfahrt zu den vielen Heiligtümern und Marienkirchen in Sizilien machen. Eure Diözese, liebe Syrakuser, zählt insgesamt fünfzig Kirchen, die der seligsten Jungfrau geweiht sind. Ihr, der Mutter der Kirche und unserer Mutter, empfehle ich die Familien, die Kinder und die Alten, die Arbeitslosen und die Kranken, während ich diese unsere Begegnung in das Große Gebet für Italien einreihe, das uns im Laufe dieses Jahres begleitet. Ich wünsche von Herzen, daß die Tränen der Muttergottes für Syrakus und für ganz Sizilien nur Freudentränen werden. Die Tränen der Mutter, ein Ausdruck des Schmerzes und der liebevollen Teilnahme, mögen wie Balsam die verwundeten Herzen und verbitterten Gemüter benetzen und Gefühle der Reue, der Bruderhebe und der Vergebung wecken. Maria, Mutter der Barmherzigkeit, bitte für uns! 295 REISEN 6. Pastoralbesuch in Loreto (10. Dezember) Wunderbares hat der Herr an uns getan Homilie im Heiligtum von Loreto am 10. Dezember 1. „Siehe, du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben” (Lk 1,31). Mit diesen Worten wendet sich der Engel Gabriel am Tag der Verkündigung an die Jungfrau Maria. Wir aber, liebe Brüder und Schwestern, Pilger aus allen Teilen Italiens, die wir gegenwärtig im marianischen Heiligtum von Loreto sind, werden heute eingeladen, über dieses Geheimnis der Gnade nachzudenken. Unser Gebetsgottesdienst gewinnt besonders feierlichen Charakter durch die Anwesenheit der Bischöfe, die aus allen Regionen des Landes hergekommen sind, um zu Füßen der allerseligsten Jungfrau die Sorgen und Hoffnungen der ihnen anvertrauten Bevölkerung niederzulegen. Ich grüße euch, liebe Brüder im Bischofsamt, und danke euch für das Zeugnis der Gemeinschaft, das eure heutige Anwesenheit so klar zum Ausdruck bringt. Ich freue mich ebenfalls, daß an diesem Geschehen zur Ehre Marias zahlreiche Priester und so viele Brüder und Schwestern als Mitglieder von Ordensgemeinschaften teilnehmen, die auf verschiedenen Gebieten der Seelsorge hier und in anderen italienischen Diözesen arbeiten. Ich grüße die ganze Kirche in Italien, die heute so würdig durch diese eure Versammlung vertreten und im Gebet bei Maria in ihrem Heiligtum von Loreto versammelt ist. In besonderer Weise möchte ich den lieben Erzbischof Msgr. Pasquale Macchi, den Hüter dieses Heiligtums, grüßen. Ich freue mich, daß ein enger Mitarbeiter des Dieners Gottes Paul VI., der lange Jahre an seiner Seite gelebt hat, nun gerade hier seinen kirchlichen Dienst erfüllen kann, bei dem ihm seine Erfahrung und Fachkenntnis zugute kommt. Ich habe nicht wenige Gründe, mich an meinen großen Vorgänger und Vater im Dienst auf dem Stuhl des Petrus zu erinnern: Die Person seines Sekretärs ruft mir die so werte Gestalt wieder in Erinnerung. Ich grüße alle jene, die in Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Delegaten den pa-storalen Dienst für die Vielzahl von Pilgern ermöglichen, die jeden Tag hier eintref-fen: Ich möchte hier sowohl die Söhne des hl. Franziskus - unermüdliche Beichtväter - erwähnen, aber auch die Mitglieder anderer männlicher und weiblicher Ordenskongregationen, die in Loreto anwesend sind. Ich grüße ferner das Laienpersonal, das seine Tätigkeit im Schatten des Heiligtums verrichtet. 297 REISEN Einen besonderen Gruß ergebener Dankbarkeit richte ich auch an den Präsidenten Oscar Luigi Scalfaro, der bei dieser feierlichen Begegnung anwesend ist, welche das „Große Gebet” für Italien abschließt. Wir sind recht glücklich, in dieser Stunde neben dem Präsidenten der italienischen Republik auch die Vertreter der italienischen Regierung unter uns zu haben. Loreto ist eine besondere Stätte: das bedeutendste marianische Heiligtum in Italien, an dem sich jedes Jahr Millionen von Pilgern aus der ganzen Welt einfinden. Heute feiern wir mit tiefer Verehrung in Gegenwart der Bischöfe zahlreicher Diözesen Italiens sowie mit Vertretern anderer Episkopate nicht nur aus Europa, sondern auch von anderen Kontinenten, vor allem aus Asien - also in Anwesenheit einer breiten Vertretung des Volkes Gottes -, das siebte Jahrhundert des Heiligen Hauses. 2. „Sei gegrüßt, du Gnadenvolle, der Herr ist mit dir” (Lk 1,28). Wir wissen nicht, an welchem Ort Maria diese Worte vernommen hat. Der Evangelist Lukas sagt nur, daß Gott den Engel Gabriel in eine Stadt Galiläas mit Namen Nazaret sandte. Nichts aber hindert uns an der Annahme, daß die Jungfrau die Verkündigung gerade in ihrem Haus vernommen hat, innerhalb der Mauern ihres Heimes. Die Verkündigung ist ein von den Malern aller Zeiten besonders beliebtes Thema, und sie stellen Maria gewöhnlich auch im Inneren des Hauses von Nazaret dar. Wenn es so geschehen ist, hörten die Mauern ihres Hauses die Worte des Englischen Grußes und die folgende Ankündigung des göttlichen Planes. Natürlich können Wände nicht hören, weil sie kein Leben besitzen, und doch sind sie Zeugen dessen, was gesagt wurde, Zeugen dessen, was in ihrem Inneren geschah. Sie waren also Zeugen des Geschehens, daß Maria, nachdem sie den Gruß des Engels gehört hatte, erschrak und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe (vgl. Lk 1,29). Sie vernahmen dann, daß der Engel die Jungfrau von Nazaret beruhigte mit den Worten: „Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden” (.Lk 1,30-32). Und als Maria fragte: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?” (Lk 1,34), erklärte der himmlische Bote: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig unc Sohn Gottes genannt werden” (Lk 1,35). Der Engel Gabriel berief sich ferner aul Elisabet, eine Verwandte Marias, die in ihrem Alter einen Sohn empfangen hatte um am Ende zu betonen, daß „für Gott nichts unmöglich” ist (Lk 1,37). Wenn eint Frau in fortgeschrittenem Alter einen Sohn empfangen hatte, konnte das auch be einer Frau geschehen, die „keinen Mann erkannte”. Als Maria all das gehört hatte sagte sie: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast’ (Lk 1,38). Hier endet das Gespräch, und es beginnt das Geheimnis der Menschwer düng. Der Sohn Gottes wurde empfangen im Schoß der Jungfrau durch das Wirkei des Heiligen Geistes und wurde in der Nacht von Betlehem geboren. Das Haus voi 298 REISEN Nazaret war Zeuge dieses Geheimnisses, des größten Geheimnisses der Geschichte, das seine Vollendung in den Osterereignissen finden wird. 3. Das Haus von Nazaret war Zeuge der Erfüllung der Verheißung des Propheten Jesaja, die wir heute in der Liturgie lesen: „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel [Gott mit uns] geben” (Jes 7,14). „Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen” steht im Buch der Offenbarung (21,3): Diese Worte gelten vor allem von der Jungfrau Maria, die Mutter des Erlösers wurde; sie beziehen sich aber auch auf ihr Haus, in dem dieses wunderbare Geheimnis des „Gott mit uns” begann. Der Abschnitt aus dem Brief des Paulus an die Galater, den wir gehört haben, bringt voll den Gehalt des Namens „Immanuel” zum Ausdruck. Das Haus von Nazaret wurde zum bevorzugten Ort der Sendung, von der der Apostel schreibt: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ... damit wir die Sohnschaft erlangen” (Gal 4,4-5). Die menschlichen Anfänge dieser Sendung des Sohnes durch den Vater fanden im Haus von Nazaret statt, das deswegen den Namen des größten Heiligtums verdient. Doch der Apostel fährt fort und spricht über die Annahme an Kindes Statt: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater!” (Gal 4,6). Also nicht nur die Sendung des Sohnes, sondern auch die Sendung des Geistes hat ihren bevorzugten Ort in dem kleinen Haus von Nazaret. An diesem Ort beginnt das göttliche Heilswerk und findet dort gleichsam seine neue Dimension. Das Heilswerk besteht ja in der Annahme des Menschen durch Gott als eigenen Sohn. Der von Gott in Jesus Christus, dem Sohn Marias, an Kindes Statt angenommene Mensch ist zugleich Erbe der Verheißung, Erbe des Neuen und Ewigen Bundes. Dieses ganze neue Evangelium des Lebens und der Heiligkeit beginnt in einem gewissen Sinn in dem kleinen Häuschen von Nazaret. Jene, die aus Itaüen und der ganzen Welt als Wallfahrer zum Heiligtum von Loreto kommen, lassen sich von ihrem tiefen Sinn für das Geheimnis der Menschwerdung leiten. Sie suchen in diesen Mauern tiefer in dieses Geheimnis des Glaubens einzudringen und bemühen sich, seiner in vollerem Maße teilhaftig zu werden. 4. Das Haus von Nazaret war auch Zeuge der Gottesmutterschaft, die in der Jungfrau heranreifte. Der Advent ist für die Kirche eine Zeit des Wartens auf Weihnachten: Sie hat die Gewißheit, daß sie sich so in besonderer Weise mit Maria vereinigt. Vor allem sie erwartet die Geburt Jesu. Alle anderen, auch ein ihr so nahestehender Mann wie Joseph, sind nur Zeugen und stehen irgendwie außerhalb dessen, was sich in ihr vollzieht. Die Jungfrau Maria - so kann man sagen - ist die einzige, welche die unmittelbare Erfahrung der in ihr heranreifenden Mutterschaft gemacht hat. Hier ist an die liturgische Überlieferung des Festes „Virginis pariturae” zu erinnern, des Festes der Jungfrau also, die sich auf die Geburt des Sohnes Gottes vorbereitet. Gerade das Haus von Nazaret war Zeuge dieser Erwartung und dieser Vorbereitung. 299 REISEN Was die Vorbereitung auf das Kommen eines Kindes in die Welt bedeutet, wissen alle hoffenden Mütter. Was es aber bedeutet, sich auf die Geburt des Sohnes Gottes vorzubereiten, das weiß nur sie, Maria von Nazaret. Vielleicht so, ja nur so kann man das Magnificat verstehen. Wir singen heute in der Liturgie das Magnificat mit Maria, doch nur sie ist imstande, jedes Wort und jeden Vers dieses Liedes in seiner ganzen Tragweite zu erfassen, des gewiß schönsten Liedes der Heiligen Schrift. Nur sie war sich voll des „Großen” (magnalia) bewußt, das der Allmächtige in ihr gewirkt hatte (vgl. Lk 1,49); in ihr und durch sie in Israel, dem Volk der göttlichen Auserwählung im Alten Bund. „Großes” sollte Gott in Kürze für die ganze Menschheit wirken, „von Geschlecht zu Geschlecht”. Wenn er als Mensch geboren wurde, sollte der Sohn Gottes den Wert des Menschseins zu unerhörter Würde erheben, wie die Tradition bekräftigt und wie es das II. Ökumenische Vatikanische Konzil in vielen Punkten seiner Lehraussagen bestätigte. 5. Wir treffen uns heute hier in Loreto mit einer großen Gruppe von Hirten der Kirche in Italien. Seit dem 15. März hat das Gebet für Italien durch alle Monate bis heute angedauert. Es begann beim Grab des Apostels Petrus, und es endet jetzt hier in Loreto. Ich kann jenen Tag im April 1985 nicht vergessen, an dem ich mich schon einmal in Loreto mit Kardinälen und Bischöfen und einer hoch qualifizierten Vertretung des Klerus und der Laien zum zweiten kirchlichen Kongreß der italienischen Kirche befand. In den seither bis heute vergangenen fast zehn Jahren haben sich viele Dinge in Italien gewandelt, doch es bleibt äußerst notwendig, ja es wird für das Wirken der Kirche und der Katholiken Italiens noch dringlicher, „mit demütigem Mut und vollem Vertrauen auf den Herrn darauf hinzuarbeiten, daß der christliche Glaube auf dem Weg in die Zukunft eine führende Rolle und eine mitreißende Wirksamkeit gewinnt” (Insegnamenti di Giovanni Paolo II, Bd. VIII,1, 1985, S. 999). Erleuchtet durch das Wort des Evangeliums und gedrängt von der Liebe zu Christus, werden es die italienischen Katholiken nicht daran fehlen lassen, im abschließenden Zeitraum des Jahrtausends ihren hochherzigen und konsequenten Beitrag auf kulturellem, sozialem und politischem Gebiet zu leisten, um das wahre Wohl der teuren italienischen Nation zu fördern. 6. Dies ist auch die Absicht, die dem Gebet für Italien zugrundeliegt, das ich gelegentlich als „das Große Gebet” bezeichnet habe. Das Gebet ist zwar immer dann groß, wenn es auf ein besonderes Wirken des Heiligen Geistes antwortet, es ist aber auch dann groß, wenn es auf besondere Bedürfnisse und Gegebenheiten antwortet. In meinem Leben habe ich oft ein Gebet erlebt, das man wohl als „groß” bezeichnen konnte. In meiner Erinnerung ist zumal die Große Novene vor der Jahrtausendfeiei der Taufe Polens haften geblieben: also die neunjährige Vorbereitung auf diese Jahrtausendfeier. Dieses Gebet wurde zugleich von Millionen meiner Landsleute als „groß” erlebt: Es war ein Gebet in Gemeinschaft mit der Mutter Gottes. Diese Ge- 300 REISEN meinschaft kam zum Ausdruck in der Pilgerreise des Bildes der Madonna von Jasna Göra, genauer der Kopie des Originals, die von Piüs XII. gesegnet worden war. Viele Elemente dieser Erfahrung leben wieder auf in dem „Großen Gebet”, das die Kirche in Italien heute in diesem Heiligtum von Loreto abschließt. Es kommt zum Abschluß, doch es geht in einem bestimmten Sinn weiter, weil die Kirchen Gottes in Italien sich auf den kirchlichen Kongreß in Palermo im November 1995 vorbereiten, einen Kongreß, der nachdenken und entscheiden soll über „das Evangelium der Liebe für eine neue Gesellschaft in Italien”. Gerade im Gebet kann man die Zeichen des Neuen erkennen und die Samenkörner der Erneuerung reifen sehen, die in der italienischen Gesellschaft vorhanden sind. Alles geht aus von Jesus Christus, der Fülle alles Neuen und der Quelle aller Erneuerung. So gewinnt das „Große Gebet” von Jahr zu Jahr an Bedeutung: Das ergibt sich auch aus der Tatsache, daß wir uns mit großen Schritten dem Jahr 2000 nähern, dem Ende des zweiten Jahrtausends seit der Geburt Christi. Das Heiligtum von Loreto ist erst 700 Jahre alt, doch dieses marianische Häuschen, zu dem wir als Pilger gekommen sind, ist Zeuge - ein einzigartiger Zeuge - des älteren Vorgangs, der sich auf die Geburt Jesu bezieht. Alles begann nämlich im Haus Marias in Nazaret. Es war stummer, aber direkter Zeuge der Verkündigung; wenn es aber Zeuge der Verkündigung war, dann zugleich auch Zeuge des höchsten Geheimnisses, von dem der Prolog im Evangelium des Johannes spricht: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt” (Joh 1,14). Dieses Geheimnis dauert in der Geschichte an, weil es von Anfang an zum Andau-em in den Wechselfällen des Menschen bis zum Ende der Welt bestimmt war. Es ist ein Geheimnis, das andauert und die Welt umwandelt. Beten wir heute, daß uns die tiefgehenden Augen des Glaubens geschenkt werden, um Zeugen dieser Umwandlung sein zu können, ja um unter dem Wirken der göttlichen Gnade an ihr teilnehmen und sogar mitwirken zu dürfen. Darum bitten wir als Hirten der Kirche in Italien, dämm bitten wir als Pilger, die das Heiligtum von Loreto besuchen. „Großes” hat der Herr getan an Dir, Mutter Gottes, und an uns allen. Amen Einladung der Jugend Europas zur Wallfahrt nach Loreto Angelus in Loreto am 10. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die erwartete Darbietung der italienischen Kunstflieger mit den drei Farben der Flagge konnte wegen Nebel nicht stattfinden. Dieses Vorhaben, auch wenn seine Verwirklichung nicht möglich war, ist dennoch ein willkommenes Zeugnis der verehrungsvollen Liebe, die die Luftwaffe mit der Jungfrau von Loreto verbindet, in der sie ihre Schutzpatronin sieht; es ist auch ein festliches Zeichen der Teilnahme der 301 REISEN gesamten nationalen Gemeinschaft an der heutigen zweifachen Kundgebung des Glaubens und der Marienverehrung. Bei dieser Gelegenheit danke ich der Italienischen Luftfahrt für die vielen mir erwiesenen Dienste. Dank ihrer kam ich nach Lo-reto, und ihr verdanke ich auch, menschlich gesprochen, meine Rückkehr nach Rom. Mit diesem Treffen zu Füßen der seligsten Jungfrau endet heute das Große Gebet für Haben, dieser einmütige Weg des Nachdenkens und Betens, der im März d. J. mit der von mir zelebrierten Messe in den Vatikanischen Grotten begann und uns fast das ganze Jahr 1994 über begleitete. 2. Die heutige Feier hat noch eine weitere Bedeutung: Mit ihr wird das 700. Lauretanische Jubiläumsjahr feierlich eröffnet. Es ist eine Zeit besonderer Gnade für alle, die im Laufe der kommenden Monate hierher wallfahren werden, um voll Vertrauen zu beten. Die himmlische Mutter ruft und lädt ihre Kinder in ihr Haus ein, damit sie den Glauben und die Gemeinschaft mit unserem Herrn Jesus vertiefen, und sie drängt sie, in der gegenseitigen Brüderlichkeit innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft zu wachsen. Durch einen günstigen Zufall trifft das Lauretanische Jubiläum mit dem Beginn der ersten Vorbereitungsphase auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 zusammen. Die Menschwerdung des Gottessohnes hat in Nazaret begonnen: Das Haus von Nazaret ist deshalb der Ort, wo sich die von der Heiligen Familie gebildete erste „Hauskirche” versammelte. Wie soll man nicht den eindringlichen Ruf vernehmen, der von diesem Heiligtum am Ende des Jahres der Familie an alle christlichen Familien ergeht, damit sie ihre Berufung mit mutigem Vertrauen voll verwirklichen? Jede christliche Familie ist aufgerufen, in der Welt greifbares Zeichen der Liebe Gottes zu sein, Ort der Annahme und des Schutzes für das Leben und Sitz der ersten Glaubensunterweisung. Das ruft die schweigende Gegenwart Marias in diesem Heiligen Haus in Erinnerung, das mit dem Geheimnis der Menschwerdung verbunden ist, das sich in Nazaret erfüllte. Wir wollen heute hier in Loreto der Mutter des Erlösers erneut die Familien aller Völker und Nationen anvertrauen. Wir empfehlen ihr besonders diejenigen, die schwere Prüfungen erdulden und leiden. 3. Im Hinblick darauf gehen unsere Gedanken spontan zu den lieben Völkern, die an der gegenüberhegenden Adriaküste weiterhin die furchtbare Tragödie des Krieges erleben. Ihnen wollen wir unsere liebevolle Verbundenheit zum Ausdruck bringen. Beten wir darum, daß auch dort endlich ein gerechter und dauerhafter Frieden einkehre. Beten wir ganz besonders in dieser Meinung zu Maria, der Königin des Friedens. Die Welt braucht Frieden; aber der Frieden kann nur entstehen durch die Umkehr der Herzen in der aufrichtigen Zustimmung zu dem Plan, den Gott für jeden einzelnen hegt. Dieser Ort erinnert uns an die Worte, die der Himmelsbote an Maria gerichtet hat, und an ihre Antwort des Glaubens und des Vertrauens auf den Herrn, 302 REISEN von dem das Heil für die ganze Menschheit ausgegangen ist. Maria ist das Vorbild unseres Glaubens, sie ist die ständige Stütze unseres Einsatzes für das Evangelium. Sie ist diejenige, die uns hilft, wirksam das Evangelium des Friedens zu verkünden, indem wir die erneuernde Kraft der göttlichen Liebe durch unser Leben bezeugen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Der Päpstliche Rat für die Laien hat in Zusammenarbeit mit der Italienischen Bischofskonferenz für den Monat September des kommenden Jahres eine große Wallfahrt der Jugend Europas zum Heiligen Haus von Loreto anberaumt. Sie soll eine Gelegenheit zum Nachdenken, zum Beten und zum geschwisterlichen Leben sein, bei der die Teilnehmer ihre Verpflichtung erneuern, für den Herrn Zeugnis abzulegen und ein Europa zu bauen, das seinen Wurzeln getreu ein Ort der Aufnahme, der Solidarität und des Friedens im christlichen Geist zu werden weiß. Von der Höhe dieses gesegneten Berges, der im Laufe der Jahrhunderte zahllose Pilgerscharen gesehen hat, richte ich gern eine herzliche Einladung an die Jugend des europäischen Kontinents, an diesem neuen kirchlichen Ereignis des Glaubens und der Hoffnung teilzunehmen, bei dem sie mit Maria das erhabene Geheimnis der Menschwerdung betrachten und den Verkündigungsauftrag des Evangeliums im anbrechenden neuen Jahrtausend annehmen möge. An die Jugendlichen Europas, die ich der Lauretanischen Jungfrau empfehle, richte ich die gleichen Worte, die ich im vergangenen Jahr zu den italienischen Jugendlichen gesprochen habe: „Geht zu Maria, geht mit Maria ... Laßt in eurem Herzen ihr fiat widerhallen”. Durch Maria Frieden für die Menschheit Gebet zur Muttergottes von Loreto am 10. Dezember Maria, wir wenden uns an dich, in deinem Heiligen Haus von Loreto, Andenken an das Geheimnis Gottes, der Mensch wurde in deinem reinsten Schoß durch den Heiligen Geist. Wir verehren das wunderbare Geschehen, dieses einzigartige Zeichen der Liebe Gottes für uns: Dein Beispiel gibt uns Mut, uns deinem geliebten Sohn anzuvertrauen und unser Leben auf dem Wort des Evangeliums aufzubauen. 303 REISEN Mutter der Barmherzigkeit, erlange uns von Jesus die Vergebung und die Erlösung von dem Bösen; erlange für die gesamte Menschheit, die noch von Haß und Egoismus beherrscht wird, Heil und Frieden. Auf den Spuren der zahllosen Pilger, die seit siebenhundert Jahren zu diesem Haus strömen, kommen wir und legen in deine Hände unser Bemühen um eine wahre, tiefe Umkehr. Dein Haus von Nazaret werde für unsere Familien Vorbild des gelebten Glaubens und der unermüdlichen Hoffnung damit in den Hauskirchen die Heilige Kirche wachse und sich überall die Liebe Christi verbreite. O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria. Quelle des Friedens und der Einheit Wort an eine Gruppe von Kranken beim Besuch in Loreto am 10. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! Die Begegnung mit euch Kranken hier im Heiligtum von Loreto, im Jahr der Familie und am Tag, wo das „Große Gebet für Italien” zu Ende geht, erhält eine Bedeutung von besonderer Wichtigkeit. Wenn ich an das „Haus von Nazaret” denke, wo Jesus heranwuchs und kräftig wurde (vgl. Lk 2,40), gefällt es mir, zu glauben, daß er gerade in der Hl. Familie durch das Beispiel von Josef und Maria in der Konkretheit des Alltäglichen die Hinwendung zu den Menschen in Schwierigkeiten gelernt hat. Im Wissen um die Bereitschaft zur Nächstenhebe der Gottesmutter, die nach der Botschaft des Engels ihrer Base Elisabet zu Hilfe eilt (vgl. Lk 1,39-56) und die bereit ist, zugunsten des in Schwierigkeiten befindlichen Hochzeitspaars in Kana in Galiläa einzugreifen (vgl. Joh 2,1-11), fällt es nicht schwer, sie sich an den Krankenbetten von Nazaret vorzustellen mit ihrem Sohn Jesus bei sich. Wir sind im „Jahr der Familie”. Die Krankheit kommt früher oder später, in schwererer oder leichterer Form in jedes Haus. Sie ist gewiß eine Prüfung; sie kann aber zu einer außerordentlichen Zeit des Wachsens und manchmal auch der Befreiung von Verschließung und Verständnislosigkeit werden. Einem kranken Familienmitglied nahe sein ist nicht nur Ausdruck einer konkreten Liebesbezeugung, sondern darüber hinaus auch eine Weise, ihm zu sagen: Vergessen wir unsere Unstimmigkei- 304 REISEN ten, versöhnen wir uns! Und das alles ohne Worte nur mit der Geste des Naheseins und der eifrigen und liebevollen Betreuung. Durch die Gnade Gottes kann die Krankheit auch Gelegenheit zu einer tiefen Glaubenserfahrung werden - ja zu einer „Hausliturgie”, bei der in Verborgenheit und Einfachheit ein geistliches Opfer von unschätzbarem Wert zelebriert wird. Maria bringt es dem ewigen Vater dar durch Christus, den barmherzigen und getreuen Priester, der unsere Leiden aus direkter Erfahrung kennt und versteht. Ja, meine Lieben, Loreto läßt uns an Nazaret denken, und Nazaret steht für jedes Haus, jede christliche Familie. In diesen Familien habt ihr Kranke eine unersetzbare Aufgabe: mit dem Gebet und dem Zeugnis eine unerschöpfliche Quelle des Friedens und der Einheit zu sein. Ich sage das auch in bezug auf die italienische Nation und vor allem auf die große Familie der Kirche. Ich vertraue euren Gebeten besonders das Anliegen der Einheit der Christen an: Betet inständig durch die Fürsprache der Gottesmutter für die volle Einheit der Christen im Glauben und in der Liebe. Ich danke euch von Herzen und erteile euch einen speziellen Segen zu eurem und eurer Lieben Trost. 305 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aus der Familie erwächst der Friede für die Menschheitsfamilie Botschaft (vom 8. Dezember 1993) zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1. Die Welt sehnt sich nach Frieden, sie braucht dringend Frieden. Trotzdem fordern weiterhin Kriege, Konflikte, überhandnehmende Gewalt, Situationen sozialer Instabilität und regionaler Armut unschuldige Opfer und verursachen Zwietracht und Spaltung zwischen einzelnen Menschen und unter den Völkern. Der Friede erscheint bisweilen ein wirklich unerreichbares Ziel! Wie soll man in einem in Gleichgültigkeit erstarrten und zuweilen von Haß vergifteten Klima auf ein Zeitalter des Friedens hoffen, dem doch nur Gefühle der Solidarität und Liebe förderlich sein können? Wir diiifen dennoch nicht resignieren. Wir wissen, daß der Friede trotz allem möglich ist, weil er in den ursprünglichen göttlichen Plan eingeschrieben ist. Gott wollte für die Menschheit einen Zustand der Harmonie und des Friedens, wofür Er in der Natur des „nach seinem Bild” geschaffenen Menschen selbst den Grund legte. Dieses Ebenbild Gottes verwirklicht sich nicht nur im Individuum, sondern auch in jener einzigartigen Personengemeinschaft, die von einem Mann und einer Frau gebildet wird, die derart in Liebe verbunden sind, daß sie „ein Fleisch” werden (Gen 2,24). Denn es steht geschrieben: „Als Abbild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie” (Gen 1,27). Diese besondere Personengemeinschaft hat der Herr mit der Sendung betraut, das Leben weiterzugeben und für es Sorge zu tragen durch die Bildung einer Familie, womit sie entscheidend zu der Aufgabe beitragen sollte, die Schöpfung zu verwalten und für die Zukunft der Menschheit zu sorgen. Die anfängliche Harmonie wurde von der Sünde zerbrochen, aber der ursprüngliche Plan Gottes besteht weiter. Darum bleibt die Familie das eigentliche Fundament der Gesellschaft, <1> bildet sie doch, wie es in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung heißt, deren „natürlichen und fundamentalen Kern”. <2> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 52. Artikel 16, 3. Der Beitrag, den die Familie auch zur Wahrung und Förderung des Friedens anbieten kann, ist so entscheidend, daß ich die mir vom Internationalen Jahr der Familie gebotene Gelegenheit ergreifen will, um diese Botschaft am Weltfriedenstag der Betrachtung über die enge Beziehung, die zwischen der Familie und dem Frieden besteht, zu widmen. Ich vertraue in der Tat darauf, daß dieses Jahr der Familie für alle, die zur Suche nach dem wahren Frieden beitragen wollen - Kirchen, religiöse Organismen, Vereinigungen, Regierungen, internationale Behörden -, eine nützliche 309 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gelegenheit bietet, gemeinsam zu untersuchen, wie der Familie geholfen werden kann, ihre unersetzliche Aufgabe als Baumeisterin des Friedens voll zu erfüllen. Die Familie: Gemeinschaft des Lebens und der Liebe 2. Die Familie ist als grundlegende und unersetzliche erzieherische Gemeinschaft der bevorzugte Träger für die Weitergabe jener religiösen und kulturellen Werte, die der Person helfen, zu ihrer Identität zu gelangen. Auf die Liebe gegründet und offen für das Geschenk des Lebens, trägt die Familie die Zukunft der Gesellschaft in sich; es ist ihre ganz besondere Aufgabe, wirksam zu einer friedlichen Zukunft beizutragen. Das wird sie zuallererst durch die gegenseitige Liebe der Eheleute erreichen, die vom natürlichen Sinn der Ehe her und, noch mehr, wenn sie Christen sind, von deren Erhebung zum Sakrament, zur vollen und gänzlichen Lebensgemeinschaft gerufen sind; darüber hinaus auch vermittels einer angemessenen Durchführung des Erziehungsauftrages, der die Eltern verpflichtet, die Kinder zur Achtung der Würde einer jeden Person und zu den Werten des Friedens zu erziehen. Diese Werte müssen nicht so sehr „gelehrt” als vielmehr in einer familiären Atmosphäre bezeugt werden, in der jene hingebungsvolle Liebe gelebt wird, die fähig ist, den anderen ir seinem Anderssein anzunehmen, indem sie seine Bedürfnisse und Anhegen zu der ihren macht und ihn an den eigenen Gütern teilhaben läßt. Die häuslichen Tugenden, die auf tiefer Achtung vor dem Leben und der Würde des Menschen gründen unc ihre Konkretisierung in Verständnis, Geduld, Ermutigung und gegenseitigem Verzeihen finden, verleihen der Gemeinschaft der Familie die Möglichkeit, die erste unc grundlegende Erfahrung von Frieden zu leben. Außerhalb dieses Zusammenhänge. von liebevollen Beziehungen und tätiger gegenseitiger Solidarität „bleibt” dei Mensch „für sich selbst ein unbegreifliches Wesen; sein Leben ist ohne Sinn, wem ihm nicht die Liebe geoffenbart wird, ... wenn er sie nicht erfährt und sich zu eigei macht”. Eine solche Liebe ist allerdings keine vorübergehende Emotion, sonden eine intensive, beständige moralische Kraft, die, auch um den Preis des eigenen Op fers, das Wohl des anderen sucht. Die wahre Liebe geht überdies immer mit der Ge rechtigkeit einher, die für den Frieden so notwendig ist. Sie neigt sich allen zu, die sich in Schwierigkeiten befinden: Menschen, die keine Familie haben, Kindern, die ohne Beistand und Liebe sind, Personen, die einsam sind und sich am Rande de Gesellschaft bewegen. Die Familie, die diese Liebe, wenngleich unvollkommen, lebt, indem sie sich de übrigen Gesellschaft hochherzig öffnet, stellt den wichtigsten Vermittler einer fried liehen Zukunft dar. Eine Zivilisation des Friedens ist nicht möglich, wenn die Liebi fehlt. 3 Enzyklika Redemptor Hominis, Nr. 10. 310 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Familie: Opfer des fehlenden Friedens 3. Im Widerspruch zu ihrer ursprünglichen Friedensberufung erweist sich die Familie leider nicht selten als Ort von Spannungen und Gewalttätigkeiten oder als wehrloses Opfer der unzähligen Formen von Gewalt, die die heutige Gesellschaft kennzeichnen. Spannungen sind zuweilen in den Beziehungen innerhalb der Familie zu finden. Oft rühren sie von der Schwierigkeit her, das Familienleben harmonisch zu gestalten, wenn die Arbeit die Eheleute einander femhält oder wenn das Fehlen oder die Bedrohung des Arbeitsplatzes sie der drängenden Sorge ums Überleben und der Angst vor einer unsicheren Zukunft unterwirft. Es fehlt nicht an Versuchungen, die auf Verhaltensmodelle zurückgehen, die von Hedonismus und Konsumismus inspiriert sind und die die Familienmitglieder dazu bringen, mehr nach persönlicher Befriedigung zu streben denn nach einem gelassenen und rührigen gemeinsamen Leben. Häufiger Streit zwischen den Eltern, Ablehnung von Kindern, Verlassen und Mißhandeln von Mindeqährigen sind die traurigen Anzeichen eines familiären Friedens, der bereits ernsthaft gefährdet ist und der sicherlich nicht wiederhergestellt werden kann durch die schmerzliche Lösung einer Trennung der Eheleute, weniger noch durch einen Rückgriff auf die Scheidung, die wahre „Plage” der heutigen Gesellschaft. <3> Vgl. Gaudium et spes, Nr. 47. Sodann werden in vielen Teilen der Welt ganze Nationen in die Spirale blutiger Konflikte verwickelt, deren erste Opfer häufig die Familien sind: Sie werden entweder ihres hauptsächlichen, wenn nicht einzigen Erhalters beraubt oder sehen sich gezwungen, Haus, Land und Besitz zu verlassen und die Flucht ins Unbekannte anzutreten; in jedem Fall sehen sie sich schweren Unannehmlichkeiten ausgesetzt, die jede Sicherheit in Frage stellen. Wie kann man in diesem Zusammenhang nicht an len blutigen Konflikt denken, der noch immer zwischen ethnischen Gruppen in Bosnien-Herzegowina andauert? Und dies ist kein Einzelfall auf den zahlreichen Kriegsschauplätzen der Welt! Angesichts dieser schmerzlichen Realität erweist sich die Gesellschaft oft nicht imstande, wirksame Hilfe anzubieten, oder läßt sträflicherweise sogar Gleichgültigkeit erkennen. Die spirituellen und psychologischen Bedürfnisse von Menschen, die die Auswirkungen eines bewaffneten Konfliktes durchgemacht haben, sind ebenso dringend und ernst wie ihr Bedarf an Nahrung und Unterkunft. Es würde besonderer Strukturen bedürfen, die eigens dafür vorgesehen sind, eine Hilfsaktion für die ilötzlich von verheerendem Ungemach heimgesuchten Familien einzuleiten, damit sie trotz allem nicht der Versuchung der Entmutigung und der Rache nachgeben, sondern dazu fähig sind, ihr Verhalten an der Vergebung und Wiederversöhnung zu nspirieren. Wie oft ist von all dem leider keine Spur zu finden! 311 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Außerdem darf man nicht vergessen, daß Krieg und Gewalt nicht nur zersetzende Kräfte darstellen, die die familiären Strukturen schwächen und zerstören können; sie üben auch einen unheilvollen Einfluß auf die Menschen dadurch aus, daß sie Verhaltensmodelle, die dem Frieden diametral entgegengesetzt sind, aufstellen und beinahe aufzwingen. In diesem Zusammenhang muß auf ein sehr trauriges Faktum hingewiesen werden: In der Tat sind heutzutage leider Jungen und Mädchen, ja sogar Kinder, in wachsender Zahl an bewaffneten Konflikten beteiligt. Sie werden gezwungen, sich bei den bewaffneten Milizen zu melden, und müssen für etwas kämpfen, das sie oft gar nicht verstehen. In anderen Fällen werden sie geradezu in eine Kultur der Gewalt hineingezogen, der zufolge das Feben wenig Wert hat und Töten nicht als unmoralisch gilt. Es hegt im Interesse der ganzen Gesellschaft, zu bewirken, daß diese Jugendlichen auf Gewalt verzichten und sich auf den Weg des Friedens begeben; das setzt aber eine geduldige Erziehung unter der Leitung von Personen voraus, die aufrichtig an den Frieden glauben. An dieser Stelle kann ich nicht umhin, ein weiteres ernstes Hindernis für die Entfaltung des Friedens in unserer Gesellschaft zu erwähnen: viele, allzu viele Kinder entbehren der Wärme einer Familie. Mitunter ist diese de facto abwesend: Die Elterr gehen anderen Interessen nach und überlassen die Kinder sich selbst. In anderer Fällen ist die Familie gar nicht vorhanden: Auf diese Weise gibt es Tausende vor Kindern, die kein anderes Zuhause haben als die Straße und sich außer auf sich selbst auf nichts und niemanden verlassen können. Manche dieser Straßenkindei finden auf tragische Weise den Tod. Andere werden zum Gebrauch und sogar zun Verkauf von Drogen und zur Prostitution angeleitet und enden nicht selten in Verbrecherorganisationen. Es ist unmöglich, derart skandalöse und ebenso verbreitete Zustände zu ignorieren. Schließlich steht die Zukunft der Gesellschaft selbst au: dem Spiel. Eine Gemeinschaft, die die Kinder ablehnt, sie ausgrenzt oder in hoffnungslose Situationen bringt, wird niemals den Frieden kennenlemen. Um mit einer friedlichen Zukunft rechnen zu können, ist es erforderlich, daß jede: kleine Menschenwesen die Wärme einer zuvorkommenden und beständigen Liebt erfährt, nicht aber treuloses Ausgeliefertsein und Ausbeutung. Auch wenn der Staa durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln und Strukturen viel tun kann, so bleib doch der Beitrag der Familie unersetzlich, um jenes Klima von Sicherheit und Ver trauen zu gewährleisten, dem große Bedeutung zukommt, die Kinder dahin zu brin gen, fröhlich in die Zukunft zu schauen und sie vorzubereiten, sich als Erwachsen: verantwortungsvoll am Aufbau einer Gesellschaft des echten Fortschritts und Frie dens zu beteiligen. Die Kinder sind die Zukunft, die bereits unter uns gegenwärtig ist; sie müssen erfahren können, was Frieden bedeutet, um imstande zu sein, ein friedliche Zukunft zu schaffen. 312 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Familie: Vorkämpferin des Friedens 5. Eine dauerhafte Friedensordnung braucht Institutionen, die die Werte des Friedens zum Ausdruck bringen und festigen. Die Struktur, die der-Natur des menschlichen Wesens am unmittelbarsten entspricht, ist die Familie. Nur sie gewährleistet die Kontinuität und die Zukunft der Gesellschaft. Die Familie ist daher dank der Werte, die sie zum Ausdruck bringt und die sie in ihrem eigenen Bereich und durch die Teilnahme jedes ihrer Mitglieder am Leben der Gesellschaft weitergibt, dazu berufen, aktive Vorkämpferin des Friedens zu werden. Als eigentlicher Kern der Gesellschaft hat die Familie Anspruch auf volle Unterstützung seitens des Staates, um ihre besondere Sendung voll entfalten zu können. Die staatlichen Gesetze müssen daher darauf ausgerichtet sein, das Wohlergehen der Familie zu fördern, indem sie ihr bei der Verwirklichung der ihr zufallenden Aufgaben behilflich sind. Angesichts der heute immer bedrohlicheren Tendenz, Ersatzformen der ehelichen Gemeinschaft zu legitimieren, Formen von Verbindungen, die aus der diesen innewohnenden Natur oder aufgrund der beabsichtigten Vorläufigkeit in keiner Weise den Sinn der Familie zum Ausdruck bringen und ihn gewährleisten können, hat der Staat die Pflicht, die Familie als authentische Institution zu fördern und zu schützen, wobei die naturgegebene Gestalt und die natürlichen und unveräußerlichen Rechte zu respektieren sind. <4> Zu diesen gehört das fundamentale Recht der Eltern, auf Grund ihrer moralischen und religiösen Überzeugungen sowie ihrer angemessenen Gewissensbildung frei und verantwortungsvoll zu entscheiden, wann sie einem Kind das Leben schenken wollen, um es dann diesen Überzeugungen entsprechend zu erziehen. Vgl. dazu die „ Charta der Familienrechte, vom Heiligen Stuhl allen Personen, Institutionen und Autoritäten vorgelegt, die mit der Sendung der Familie in der heutigen Welt befaßt sind” (22. Oktober 1983). Eine wichtige Rolle fällt dem Staat außerdem insofern zu, als er Verhältnisse zu schaffen hat auf Grand derer es den Familien möglich ist, für ihre wesentlichen Bedürfnisse in einer Weise zu sorgen, die der menschlichen Würde entspricht. Zu viele Familien sind heute von der Armut, ja vom Elend betroffen, einer ständigen Bedrohung für die soziale Stabilität, für die Entwicklung der Völker und für den Frieden. Es kommt zuweilen vor, daß die jungen Paare, weil sie die Mittel nicht besitzen, die Gründung einer Familie hinauszögem oder überhaupt daran gehindert werden, während die von der Not betroffenen Familien nicht voll am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können oder sogar zu einem Dasein vollkommen am Rand der Gesellschaft gezwungen sind. Die Verpflichtung des Staates entbindet jedoch die einzelnen Staatsbürger nicht ron ihrer Pflicht: Die wahre Antwort auf die schwerwiegendsten Fragen jeder Gesellschaft wird nämlich von der einhelligen Solidarität aller sichergestellt. In der Tat kann niemand ruhig bleiben, solange das Problem der Armut, die Familien und rinzelne heimsucht, keine angemessene Lösung gefunden hat. Das Elend stellt im-ner eine Bedrohung für die soziale Stabilität, für die wirtschaftliche Entwicklung 313 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und somit letztlich für den Frieden dar. Der Friede wird immer gefährdet sein, solange sich einzelne Personen und Familien gezwungen sehen, um ihr bloßes Überleben kämpfen zu müssen. Die Familie im Dienst des Friedens 6. Nun möchte ich mich direkt an die Familien wenden; im besonderen an die christlichen Familien. „Familie, werde, was du bist!” - habe ich in dem Apostolischen Schreiben Famili-aris consortio geschrieben. <5> Werde nämlich „innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe”, <6> dazu berufen, Liebe zu schenken und das Leben weiterzugeben! <5> Nr. 17. <6> Gaudium et spes, Nr. 48. Familie, du hast eine Sendung von wesentlicher Bedeutung: nämlich beizutragen zum Aufbau des Friedens, der für die Achtung vor dem menschlichen Leben und füi seine Entfaltung unerläßlich ist. <7> Da du weißt, daß der Friede niemals endgültigei Besitz ist, <8> darfst du nie müde werden, ihn zu suchen! Jesus hat mit seinem Tod an Kreuz der Menschheit seinen Frieden hinterlassen, indem er ihr seine ewige Gegenwart zusagte. <9> <10> Verlange nach diesem Frieden, bete um diesen Frieden, arbeite für diesen Frieden! Q Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2304. Q Gaudium et spes, Nr. 78. <9> Vgl. Joh 14,27; 20,19-21; Mt 28,20. <10> Vgl. Familiaris consortio, Nr. 85. Euch, Eltern, obhegt die Verantwortung, die Kinder zu Personen des Friedens heranzubilden und zu erziehen: Darum seid zuallererst Friedensmacher! Ihr, Kinder, die ihr mit der Leidenschaft eurer von Plänen und Träumen erfüllter jungen Jahre auf die Zukunft ausgerichtet seid, haltet das Geschenk der Familif hoch, bereitet euch auf die Verantwortung vor, sie in der Zukunft, die Gott eucl schenken wird, aufzubauen bzw. zu fördern, je nach der euch zugedachten Bern fung! Trachtet nach dem Guten, und hegt Gedanken des Friedens! Ihr, Großeltern, die ihr zusammen mit den anderen Verwandten in der Familie uner setzliche und wertvolle Bande zwischen den Generationen darstellt, leistet hoch herzig euren Beitrag an Erfahrung und Zeugnis, um die Vergangenheit und die Zu kunft in einer Gegenwart des Friedens zu verbinden! Familie, lebe einträchtig und in vollem Umfang deine Sendung! Wie könnten wir schließlich die vielen Menschen vergessen, die - aus verschiede nen Gründen - ohne Familie sind? Ihnen möchte ich sagen, daß es auch für sie ein Familie gibt: Die Kirche ist Haus und Familie fiir alle.11 Sie öffnet weit ihre Ton und nimmt alle auf, die allein und verlassen sind; sie sieht in ihnen die gebebte: 314 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kinder Gottes, welches Alter auch immer sie haben mögen, welcher Art auch ihre Sehnsüchte, Schwierigkeiten und Hoffnungen sein mögen. Möge die Familie in Frieden leben können, so daß aus ihr der Friede für die ganze Menschheitsfamilie erwächst! Das ist das Gebet, das ich am Beginn des Internationalen Jahres der Familie durch die Fürsprache Mariens, der Mutter Christi und der Kirche, zu dem emporsende, „nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt ist” (Eph 3,15). Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1993 Joannes Paulus PP. II Motu proprio Apostolisches Schreiben zur Errichtung der päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften vom 1. Januar Die sozialwissenschaftlichen Forschungen (Socialium Scientiarum investigationes) können wirksam zur Verbesserung der menschlichen Beziehungen beitragen, wie die auf den verschiedenen Gebieten des Zusammenlebens erreichten Fortschritte zeigen, vor allem in unserem Jahrhundert, das bald zu Ende geht. Aus diesem Grund hat sich die Kirche, immer auf das wahre Wohl des Menschen bedacht, mit wachsendem Interesse diesem Bereich der wissenschaftlichen Forschung zugewandt, um so konkrete Hinweise für die Erfüllung ihrer Lehraufgaben zu erhalten. Die Jahrhundertfeier der Enzyklika Rerum novarum hat Gelegenheit geboten, ein klareres Bewußtsein vom Einfluß dieses Dokumentes auf die Erweckung der Gewissen der Katholiken sowie auf die Suche nach konstruktiven Lösungen für die von der Arbeiterfrage gestellten Probleme zu gewinnen. ln der Enzyklika Centesimus annus, die dieses Jahrhundert würdigte, habe ich geschrieben, daß dieses Dokument der Kirche gleichsam „das Statut des Bürgerrechts” (vgl. Nr. 5) innerhalb der sich wandelnden Wirklichkeiten des öffentlichen Lebens verliehen hat. Mit jener Enzyklika leitete die Kirche vor allem einen Prozeß des Nachdenkens ein dank dem auf den Spuren der voraufgehenden Tradition, die ois ins Evangelium zurückreicht, sich jener gesamte Komplex von Grundsätzen bildete, der dann den Namen „Soziallehre” im engen Sinn des Wortes bekam. Auf diese Weise gab die Kirche sich Rechenschaft darüber, daß sich aus der Verkündigung des Evangeliums „Licht und Kraft” für die Ordnung des Lebens der Gesell-ichaft ergeben. Licht, weil die vom Glauben geleitete Vernunft aus der Botschaft les Evangeliums entscheidende Grundsätze für eine des Menschen würdige soziale Drdnung ableiten kann. Kraft, weil das im Glauben angenommene Evangelium nicht 315 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nur theoretische Grundsätze vermittelt, sondern auch geistige Energien mitteilt, um die von jenen Grundsätzen abzuleitenden konkreten Aufgaben zu erfüllen. In den letzten hundert Jahren hat die Kirche schrittweise dieses „Statut des Bürgerrechts” gefestigt, indem sie die Soziallehre vervollkommnete, immer in enger Verbindung mit der dynamischen Entwicklung der modernen Gesellschaft. Als 40 Jahre nach Rerum novarum die Arbeiterfrage eine umfangreiche soziale Frage geworden war, gab Pius XI. mit seiner Enzyklika Quadmgesimo anno klare Hinweise zur Überwindung der Aufspaltung der Gesellschaft in Klassen. Als dann totalitäre Systeme die Freiheit und Würde des Menschen bedrohten, protestierten Pius XI. und Pius XII. mit nachdrücklichen Botschaften, und als nach dem zweiten Weltkrieg Europa großenteils zerstört war, zeigten erneut Pius XII. in wiederholten Botschaften und dann Johannes XXIII. mit seinen Enzykliken Mater et magistra und Pacem in terris den Weg zum sozialen Wiederaufbau und zur Festigung des Friedens. Das II. Ökumenische Vatikanische Konzil stellte mit der Pastoralkonstitution Gaudium et spes die Behandlung der Beziehungen zwischen Kirche und Welt in einen umfassenden theologischen Zusammenhang und erklärte: „Wurzelgrund, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen ist und muß auch sein die menschliche Person” (Nr. 25). Als in den 70er Jahren immer deutlicher das Drama der Entwicklungsländer hervortrat, entwarf Papst Paul VI. angesichts einer einseitigen Sicht der Wirtschaft mit seiner Enzyklika Populorum progressio ein Programm zur integralen Entwicklung der Völker. In jüngerer Zeit habe ich mit meinen drei Sozialenzykliken entscheidenden Problemen der Gesellschaft gegenüber Stellung bezogen: zur Würde der menschlichen Arbeit (Laborem exercens), zur Überwindung der wirtschaftlichen und politischen Blöcke (Sollicitudo rei socialis) und im Anschluß an den Zusammenbruch des Systems des realen Sozialismus zur Errichtung einer neuen nationaler und internationalen Ordnung (Centesimus annus). Diese kurze Zusammenfassung will zeigen, daß die Kirche in den letzten hunden Jahren nicht auf „das Wort, das ihr zukommt” - wie Leo XIII. sagte -, verzichtei hat, sondern daß sie sogar weiter erarbeitete, was Johannes XXIII. das „reiche Erbe” der katholischen Soziallehre nannte. Eines tritt beim Blick auf diese hundert Jahre Geschichte hervor: Es ist der Kirche gelungen, das reiche Erbe der katholischen Soziallehre dank der engen Zusammenarbeit aufzubauen, die sie auf der einen Seite mit den katholischen sozialen Bewegungen und auf der anderen Seite mit den Fachleuten der Sozialwissenschaftei pflegte. Schon Leo XIII. hatte diese Zusammenarbeit betont, und Pius XI. spracl anerkennend von dem Beitrag der Wissenschaftler aus diesem Zweig der Human Wissenschaften für die Erarbeitung der Soziallehre. Johannes XXIII. betonte seiner seits in der Enzyklika Mater et magistra, daß sich die Soziallehre immer bemühei muß, „die wirkliche Lage der Dinge” zu berücksichtigen, und deswegen in ständi gern Dialog mit den Sozialwissenschaften bleiben muß. Das II. Ökumenische Vati kanische Konzil endlich hat klar zugunsten der „Autonomie der irdischen Wirklich keiten” (Gaudium et spes, Nr. 36) Stellung bezogen, die über die theologische Re 316 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN flexion hinaus Gegenstand der Sozialwissenschaften und der Philosophie sind. Diese Pluralität der Zugänge widerspricht keineswegs den Aussagen des Glaubens. Diese berechtigte Autonomie muß daher von der Kirche und vor allem von ihrer Soziallehre gebührend berücksichtigt werden. Ich selbst habe in der Enzyklika Sollicitudo rei socialis hervorgehoben, daß die katholische Soziallehre ihre Aufgaben in der Welt von heute nur „mit Hilfe rationaler Reflexion und wissenschaftlicher Erkenntnis” (Nr. 1) erfüllen kann, weil sie trotz der bleibenden Gültigkeit ihrer grundlegenden Prinzipien in ihrer Anwendung auch „vom Wandel der geschichtlichen Bedingungen und vom unaufhörlichen Fluß der Ereignisse” (Nr. 3) abhängt. Zuletzt habe ich bei Gelegenheit der Hundertjahrfeier von Rerum novarum betont, daß nach dem Zusammenbruch des Systems des realen Sozialismus sich Kirche und Menschheit vor gigantischen Aufgaben befinden. Die Welt ist nicht länger in zwei feindliche Blöcke gespalten, und doch steht sie neuen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krisen planetarischen Ausmaßes gegenüber. Auch wenn sich die Kirche nicht als zuständig beansprucht, all diesen Problemen angemessene technische Lösungen vorlegen zu können, so fühlt sie sich doch mehr denn je verpflichtet, ihren Beitrag zur Wahrung des Friedens und für den Aufbau einer des Menschen würdigen Gesellschaft anzubieten. Dazu braucht sie aber einen tieferen und ständigen Kontakt mit den modernen Sozialwissenschaften, mit ihren Forschungen und ihren Ergebnissen. Auf diese Weise „tritt sie mit den verschiedenen Disziplinen, die sich mit dem Menschen befassen, in einen Dialog ein, integriert ihre Beiträge und hilft ihnen, sich einem breiteren Horizont zu öffnen” (Centesimus annus, Nr. 59). Angesichts der großen Aufgaben, die die Zukunft uns vorbehält, muß dieser interdisziplinäre, schon in der Vergangenheit gepflegte Dialog nun neu geordnet werden. Deswegen errichte ich als Durchführung dessen, was ich bereits in meiner Ansprache vom 23. Dezember 1991 gesagt habe, mit dem heutigen Datum die Päpstliche Akademie der Sozialwissenschaften mit Sitz in der Vatikanstadt. Wie aus ihrem Statut zu ersehen ist, wird diese Akademie mit dem Ziel errichtet, „das Studium und den Fortschritt der sozialen, wirtschaftlichen politischen und Rechtswissenschaften im Licht der Soziallehre der Kirche zu fördern” (Art. 1). Indem ich den göttlichen Beistand über die Tätigkeit der neuen Akademie herabrufe, deren Arbeiten ich gewiß mit lebhaftem Interesse verfolgen werde, erteile ich all ihren Mitgliedern und Mitarbeitern einen besonderen Apostoüschen Segen. \us dem Vatikan, am 1. Januar des Jahres 1994, dem sechzehnten meines Pontifi-cates. Joannes Paulus PP. II 317 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria ist Mutter aller Menschen und Völker Homilie am Hochfest der Gottesmutter Maria, 1. Januar 1. Liebe Brüder und Schwestern, liebe Pueri Cantores, gelobt sei Jesus Christus. Ihr Pueri Cantores seid heute am ersten Tag des Jahres 1994 gekommen, um zu singen und singend von Gott Segen für euch alle, für eure Familien, eure Völker und die ganze Welt zu erbitten. Meine Lieben, ihr seid gekommen, um den Frieden für unseren Kontinent, für alle Erdteile der Welt zu erflehen. Der Herr sei mit euch, und er sei mit euch durch eure schönen Gesänge. Gehen wir jetzt über zur Betrachtung des Wortes Gottes. „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau” (Gal 4,4). Diese Worte aus dem Brief an die Galater beziehen sich auf das Weihnachtsgeheimnis. Es ist daher passend, sie an dem Tag zu lesen, der die Oktav dieses großen Feiertages abschließt, am Tag der Mutterschaft Mariens: Tag der „Theotokos”, der Gottesmutter. Sie ist die Jungfrau, von der der heilige Paulus spricht; sie ist ferner die Frau von Kana in Galiläa, von der das Johannesevangelium berichtet; und sie ist die Mutter, die zusammen mit dem Lieblingsjünger zu Füßen des Kreuzes steht. 2. Gott hat seinen Sohn gesandt, „damit wir die Sohnschaft erlangen” (Gal 4,5). In der Nacht von Betlehem bewirkt er die menschliche Geburt des Wortes durch die freie Mitwirkung der Jungfrau, damit sich in Übereinstimmung mit seinem ewigen Plan erfülle, wonach das Herz des Menschen verlangte: sich an Gott wenden und ihn mit dem Namen Vater anreden zu können. Nur ein Sohn kann zu Gott „Abba, lieber Vater”, sagen (Gal 4,6). Gott selbst will also, daß wir ihm ähnlich sind, „Söhne im Sohn”, daß wir „wie Gott” sind (vgl. Eph 1,5). Dieses ursprüngliche Verlangen des Menschen ist freilich von Anfang an verfälscht worden, da es durch den Geist des Bösen zum Gegenstand der Versuchung wurde. Wie bedeutsam ist das, was der heilige Paulus weiter im Brief an die Galatei schreibt: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsei Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater” (Gal 4,6). Diese doppelte Sendung war nötig - die des Sohnes und die des Heiligen Geistes -, um das innerste Sehnen de; Menschen nach der Gemeinschaft mit Gott zu erfüllen. Weihnachten war nötig! De: ewige Sohn mußte, durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen und Mensel geworden, in der Weihnacht als Sohn Mariens geboren werden. 3. Im Verlauf der Weihnachtsoktav haben wir darüber nachgedacht, und wir denkei auch heute weiter darüber nach in bezug auf Maria. Der heilige Lukas schreibt „Maria bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darübe nach” (LA 2,19). Sie mußte darüber nachdenken! Welche Frau hätte den Gruß de Engels vergessen können? 318 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesem Gruß macht der ewige Vater Maria zur Mutter seines Sohnes: „Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären und ihm den Namen Jesus geben” {Lk 1,31). Maria ist Jungfrau und möchte es bleiben. Daher fragt sie, wie das geschehen könne. „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heiüg und Sohn Gottes genannt werden” (Lk 1,35). An dieses Wort denkt Maria und erwägt es in ihrem Herzen während ihres ganzen Lebens, während der ganzen Ewigkeit. Heute feiern wir auch diese Ewigkeit von Maria, der Theotokos, der Mutter Gottes. So wird sie immer besser das Geheimnis der Menschwerdung des Wortes Gottes verstehen, das in ihrem jungfräulichen Schoß Mensch wird. 4. Weihnachten ist in der Geschichte der Menschheit ein Ereignis, das keine Vorgänger hat; es ist der entscheidende Punkt in der Heilsgeschichte. Die wunderbare Mutterschaft Mariens gehört zu diesem Geheimnis: Eben deswegen feiern wir sie am achten Tag des Weihnachtsfestes. Heute denken wir ferner an eine große Stunde in der Geschichte der alten Kirche, das Konzil von Ephesus, auf dem die Gottesmutterschaft der Jungfrau feierlich definiert wurde: Maria ist nicht nur Mutter der menschlichen Natur Christi, wie Nestorius sagte; sie ist vielmehr wirkliche Mutter Gottes, weil der, den sie geboren hat, der eingeborene Sohn Gottes ist. Die Wahrheit von der Gottesmutterschaft Mariens fand ein Echo in Rom, wo kurz darauf die Basilika Santa Maria Maggiore erbaut wurde, das erste marianische Heiligtum Roms und des ganzen Westens, in dem das Bild der Mutter Gottes - der Theotokos - unter dem schönen Titel „Heil des römischen Volkes” verehrt wird. 5. „Maria bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach” {Lk 2,19). Es waren Dinge von größter Bedeutung: für sie ebenso wie für uns! Ihr ganzes Leben lang hat sich Maria an die Ereignisse erinnert, durch die Gott sie hindurchführte. Sie dachte an die Nacht von Weihnachten, an die große Sorge Josefs, der von Gott auf die dem Kinde drohende Gefahr aufmerksam gemacht wurde, und an die Flucht nach Ägypten. Sie bedachte auch das, was sie aus dem Mund Simeons gehört hatte, als sie das Kind im Tempel darstellte; ferner die Worte des gerade zwölf Jahre alten Jesu beim ersten Besuch im Tempel: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?” {Lk 2,49). An all das dachte sie und erwog es in ihrem Herzen. Man darf voraussetzen, daß sie darüber später auch zu den Aposteln und Jüngern gesprochen hat, zum heiligen Lukas und zum heiligen Johannes. So fand die Wahrheit über die Gottesmutterschaft ihren Platz in den Evangelien. 6. Die Mutter Gottes - die Theotokos - wurde damit zur ersten Zeugin des großen Weihnachtsmysteriums, des großen Ostergeheimnisses. Bevor noch die Apostel für den gekreuzigten und auferstandenen Christus Zeugnis gaben und bevor Paulus die Evangelisierung der Heiden begann, war sie berufen worden: berufen und gesandt. Ihr diskretes mütterliches Zeugnis begleitet von Anfang an die Kirche auf ihrem 319 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Weg. Sie, die Mutter Gottes, ist zugleich Mutter der Kirche, und in dieser Kirche ist sie Mutter aller Menschen und Völker. Maria ist bei uns. Ihre Heiligtümer bezeugen in jedem Winkel der Erde ihre wundersame Präsenz, mit der sie für die Bedürfnisse eines jeden Menschen aufgeschlossen ist und dem Bösen zuvorzukommen sucht, das nicht nur die Existenz von einzelnen und Familien, sondern die von ganzen Nationen in Gefahr bringt. Anders kann man sich die Anwesenheit Mariens und ihre diskreten Mahnungen nicht erklären: - in Guadalupe in Mexiko; - in Jasna Göra in Polen und in weiteren Heiligtümern von Mittel- und Osteuropa; - in Lourdes und in Fatima und in so vielen anderen Heiligtümern der Welt, unter ihnen auch das von Loreto, dessen 700jähriges Bestehen demnächst gefeiert wird. 7. „Der Herr lasse sein Antlitz über dir leuchten und sei dir gnädig ... und schenke dir Frieden” (Num 6,25-26). Wir sind in der Peterskirche am ersten Tag des neuen Jahres versammelt, damit dieser gesegnete Frieden die Nationen der ganzen Welt erreicht. Deswegen ist Ihre heutige Anwesenheit sehr bezeichnend, geschätzte Herren Botschafter beim Apostolischen Stuhl. Sie stehen im Dienst der Sache des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Die Kirche verfolgt diese Probleme und grundlegenden Werte mit besonderer Sorge. An diesem Weltfriedenstag grüße ich herzlich den Präsidenten der Päpstlichen Räte für Gerechtigkeit und Frieden und „Cor Unum”, den unermüdlichen Kardinal Roger Etchegaray, sowie alle seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ich grüße zu Beginn dieses Jahres der Familie auch den Kardinalpräsidenten des Päpstlichen Rates für die Familie, seinen Sekretär und die anderen Mitarbeiter. Ich danke ihnen für alles, was sie geleistet haben, damit der Petrusdienst für der Frieden und die Gerechtigkeit ständig mit dem Herzschlag der Kirche übereinstimme. Ich danke Kardinal Etchegaray insbesondere für seine Initiativen, für seine Besuche der „Kirchen und Nationen, zumal der besonders geprüften wie Burundi ir letzter Zeit. Dieses ständige Bemühen gestattet es dem Papst, seinen Dienst wirksam zu erfüllen. Es geht um einen Dienst der Liebe zu allen Menschen und Völkern. Dann muß ich heute unbedingt in einer einzigen dankbaren Geste alle jene umar men, die den Papst bei seinem Dienst hochherzig unterstützen. Ich denke unter an deren an die Vertreter des Apostolischen Stuhles bei den verschiedenen Nationen die Mitglieder der Römischen Kurie, des Gouvematorates der Vatikanstadt und de: Vikariates der Diözese Rom. Ich denke ferner an alle, die ihre Dienste hochherzig ir dieser Basilika anbieten, die über dem Grab des Apostels Petrus errichtet wurde. Ich freue mich - wie ich schon zu Beginn gesagt habe -, heute auch die Pueri Can tores begrüßen zu können, die mit ihrer Anwesenheit und ihren Stimmen diesi Messe besonders feierlich gestalten. 320 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ... damit wir die Sohnschaft erlangen” (Gal 4,4-5). Zu Beginn des neuen Jahres müssen wir uns daran erinnern, daß auch dieser Tag in dem Geheimnis enthalten ist, das Paulus die „Fülle der Zeit” nennt. Zugleich mit der Gottesmutterschaft Mariens erstrahlt heute vor unseren Augen die Mutterschaft der Kirche. Die Kirche ist tatsächlich Mutter und wird es immer neu. Sie richtet ihren Bück auf Maria, „das Urbild der Kirche”, wie der heilige Ambrosius sagt {Expos. LkU,l; PL 15,1635 D; vgl. Lumen Gentium, Nr. 63). Auch die Kirche lebt wie Maria in der Tiefe die Probleme der ganzen Menschheitsfamilie mit, bewahrt und überdenkt sie in ihrem Herzen. Zu Maria nehmen die Völker aus allen Teilen der Erde ihre Zuflucht. An sie wenden sich vor allem jene, die besonders geprüft und gequält sind: die Völker Afrikas, die der Dritten Welt, die Nationen der Balkanhalbinsel und die des Vorderen Orients. Alle schauen auf sie: ihre Gottesmutterschaft ist zum großen Erbe der Menschheit geworden. Unter ihrem mütterlichen Mantel befinden sich in gewisser Weise auch ferne Völker, die das Geheimnis Jesu Christi nicht kennen. Viele wissen zwar nichts vom Sohn Gottes, wohl aber etwas von der Jungfrau Maria, und schon das bringt sie irgendwie dem großen Geheimnis der Geburt des Herrn näher. Sie nähern sich damit dem Herzen der Kirche wie die Hirten von Betlehem, um dann wie diese zurückzukehren und Gott zu loben und zu preisen für alles Gute, das sie geschaut haben. Der Neujahrstag ist ein Tag des besonderen Lobpreises Gottes, ein Tag inständigen Bittens, um Gottes Segen für das beginnende Jahr zu erlangen, das die Kirche in Übereinstimmung mit der Initiative der Vereinten Nationen einsatzbereit als Jahr der Familie zu feiern gedenkt. Deshalb hat der heutige Weltfriedenstag zum Thema: „Aus der Familie erwächst der Friede für die Menschheitsfamilie.” Möge der Herr das neue Jahr hindurch sein Antlitz über alle Familien leuchten lassen und ihnen gnädig sein. Der Herr segne uns und schenke uns den Frieden. Darum bitten wir mit eurem Gesang, liebe Pueri Cantores aus so vielen Ländern unseres Kontinents und der ganzen Erde. Gelobt sei Jesus Christus. Die Verantwortung der Katholiken gegenüber der Herausforderung dieses historischen Augenblicks Brief an die italienischen Bischöfe vom 6. Januar Liebe Bischöfe Italiens! 1. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” {Röm 1,7). Dieser historische, von Ereignissen von einzigartiger gesellschaftlicher Tragweite gekennzeichnete Augenblick, stellt auch für die italienischen Katholiken einen be- 321 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN herzten Aufruf zu Entschlossenheit und Engagement dar. Als Bischof von Rom bin ich mir der außergewöhnlichen Herausforderungen, die den „Zeichen der Zeit” entspringen, bewußt, und ich wende mich in tiefer Zuneigung an euch, Bischöfe der Kirchen dieser Halbinsel und der Inseln, Bischöfe von Nord-, Mittel- und Süditalien, um Sorgen und Hoffnungen mit euch zu teilen und, vor allem, von jenem Erbe an menschlichen und christlichen Werten Zeugnis abzulegen, die das wertvollste Gut des italienischen Volkes darstellen. Dieses Erbe wollte ich der Welt in meiner Weihnachtsbotschaft ins Gedächtnis rufen; unsere Pflicht ist es, hierbei innezuhalten, um uns - nunmehr am Ende des 2. Jahrtausends - zu besinnen. Zeugnis ablegen von drei großen Erbschaften In erster Linie handelt es sich um das Erbe des Glaubens, der hier in diesem Land durch die apostolischen Predigten seit den Anfängen des Christentums erweckt und bald durch das Vergießen des Blutes zahlreicher Märtyrer verstärkt wurde. Der von Petrus und Paulus und ihren Jüngern gesäte Samen hat in den Seelen der Bevölkerung dieser Erde tiefe Wurzeln geschlagen, dabei zu deren Fortschritt - auch im staatsbürgerlichen Bereich - beigetragen und unter ihnen neue und fruchtbare Bande der Zusammengehörigkeit und Zusammenarbeit geschaffen. Zum zweiten handelt es sich um das Erbe der Kultur, die einer einzigen Wurzel im Laufe der Generationen entsprossen ist. Welche Schätze an Wissen, an geistigen Anschauungen und Erfahrung wurden - auch dank des Glaubens - angesammelt und fanden Ausdruck in der Literatur, der Kunst, in menschlichem Untemehmensgeist, den juristischen Institutionen und dem lebendigen Gewebe aus Sitten und Bräuchen, das die wahre Seele eines Volkes darstellt! Dies ist ein Gut, auf das die ganze Welt voller Bewunderung und, das kann ruhig gesagt werden, auch voller Neid blickt. Die Italiener von heute können sich dessen bewußt und stolz darauf sein. Schließlich handelt es sich um das Erbe der Einheit, die, über die spezifische politische Bedeutung hinaus im Laufe des 19. Jahrhunderts gereift und tief im Bewußtsein des italienischen Volkes verwurzelt ist, das sich aufgrund der gemeinsamen Sprache, der historischen Ereignisse, des gemeinsamen Glaubens und der Kultur stets als wesentlicher Bestandteil eines einzigen Volkes fühlte. Diese Einheit ist nicht in Jahren meßbar, sondern in langen Jahrhunderten der Geschichte. Von den epochalen Veränderungen des Jahres 1989 zu den Schauplätzen der kommenden Jahre 2. In dieser sozialen und politischen Situation, die Italien in dieser delikaten Phase seiner Geschichte erlebt, spiegeln sich zweifelsohne noch die Auswirkungen dei epochalen Veränderungen wider, die sich in Europa im Laufe des außergewöhnlichen Jahres 1989 ereignet haben. Auf die frühere Gegenüberstellung der beider Blöcke, die gemeinhin die Bezeichnungen Ost und West trugen, folgte dei „plötzliche und wahrhaftig außergewöhnliche Zusammenbruch des kommunisti- 322 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Systems”, was sicherlich von „ökonomischen, sozialen und politischen Ursachen” abhing, aber bei eingehender Betrachtung einen ethischen, anthropologischen und schließlich spirituellen Grund hatte (vgl. Erklärung der Sondersynode für Europa, Nr. 1). Das veränderte geopolitische Bild Europas erscheint somit in ständiger Entwicklung und kündigt für die nächsten Jahre große Herausforderungen und neue Szenarien an: Während man einerseits auf dem Weg hin zu einem geeinten Europa voranschreitet, stellt sich anderseits in eindringlicher Weise das Problem der Beziehungen zwischen den Nationen, und nicht selten macht sich ein Aufflackem eines erbitterten Nationalismus vor allem in den Ländern Osteuropas und auf dem Balkan bemerkbar, wie es uns die triste Situation unserer Tage vor Augen führt. Für den Bau des neuen Europa das Erbe der Gründerväter, die von christlichem Glauben erfüllt waren, weiter entwickeln und stärken 3. Daher erscheint es mir auch, gerade ausgehend von der Interpretation der „Zeichen der Zeit” im Lichte der Werte menschlicher und christlicher Solidarität, wichtiger und dringlicher denn je, beherzt die Schaffung eines neuen Europa voranzutreiben in fester Überzeugung jener Ideale, die in jüngster Vergangenheit Staatsmänner vom Format eines Alcide De Gasperi in Italien, eines Konrad Adenauers in Deutschland und eines Robert Schuman in Frankreich geleitet und inspiriert und sie zu den Vätern des modernen Europa gemacht haben. Ist es nicht bezeichnend, daß an der Spitze der Einigungsbewegung des Kontinents Männer stehen, die von tiefem christlichen Glauben erfüllt sind? Waren es nicht die evangelischen Werte von Freiheit und Solidarität, aus denen sie Inspiration für ihren mutigen Plan schöpften? Ein Plan, der ihnen trotz der vorhersehbaren Schwierigkeiten, jedoch aufgrund ihrer sicheren Kenntnis, die sie von der Bedeutung des Christentums für die Schaffung und Entwicklung der in den Ländern dieses Kontinents präsenten Kulturen hatten, zu Recht realistisch schien. Das geistige und politische Erbe, das uns diese großen historischen Persönlichkeiten übermitteln, sollte daher nicht nur gehütet und verteidigt, sondern auch weiterentwickelt und verstärkt werden. Eine allgemeine Mobilmachung aller Kräfte ist vonnöten, damit Europa im Bemühen um seine Einheit Fortschritte erzielen kann und dabei gleichzeitig auch „über die eigenen Grenzen und das eigene Interesse” hinausblickt (Erklärung, 11). Auf diese Weise könnte zur Schaffung einer gerechten Zukunft im Zeichen von Solidarität und Frieden für alle Nationen beigetragen, ethnische und kulturelle Barrieren und Vorurteile abgetragen und die bestehende Trennung zwischen Okzident und Orient, zwischen dem Norden und dem Süden des Planeten überwunden werden. 323 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Italiens Aufgabe für ganz Europa ist die Verteidigung des religiösen und kulturellen Guts, das durch Petrus und Paulus in Rom seinen Ausgang nahm 4. Vor diesem europäischen und die ganze Welt betreffenden Hintergrund, meine lieben Brüder im Episkopat, tun wir gut daran, uns die Frage zu stellen: „Welches sind die Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten Italiens?” Ich bin der festen Überzeugung, daß Italien als Nation ganz Europa überaus viel zu bieten hat. Die Tendenzen, die heute darauf abzielen, die Position Italiens zu schwächen, sind auch für Europa selbst abträglich und finden ihren Nährboden vor allem auch in der Ablehnung des Christentums. Unter diesen Vorzeichen soll ein offenbar „wertneutrales” Europa und mit ihm ein ebenso „wertneutrales” Italien geschaffen werden, die aber in Wirklichkeit zur Verbreitung eines nachaufklärerischen Lebensmodells beitragen sollen. Dies wird auch aus einigen Tendenzen innerhalb des Funktionsapparates der europäischen Institutionen ersichtlich. Entgegen der Zielsetzung der Gründungsväter eines geeinten Europa scheinen einige in dieser Gemeinschaft tätige Kräfte vielmehr den Sinn eines geeinten Europas und dessen Aktionsradius auf eine rein ökonomische und säkularisierte Dimension reduzieren zu wollen. Italien ist aufgrund seiner Geschichte in besonderer Weise mit der Aufgabe betraut, das von den Aposteln Petrus und Paulus in Rom eingesetzte religiöse und kulturelle Gut für ganz Europa zu verteidigen. Dieser präzisen Aufgabe muß sich die italienische Gesellschaft in diesem historischen Augenblick, da eine politische Bilanz der Vergangenheit, von der Nachkriegszeit bis zum heutigen Tag, gezogen wird, voll bewußt sein. Die Präsenz der christlichen Laien ist für den Ausdruck der christlichen Tradition und Kultur der italienischen Gesellschaft auf gesellschaftlicher und politischer Ebene nötig 5. Einer solcher Bilanz können wir nicht gleichgültig und unbeteiligt gegenüberstehen, da wir als von tiefer Zuneigung für das wahre und vollständige Wohl des Menschen und der Gesellschaft erfüllte Hirten dazu aufgerufen sind (Gaudium et spes, Nr. 11). Insbesondere hat der Zusammenbruch des kommunistischen Systems in Mittel- und Osteuropa auch in Italien die politischen Kräfte und deren Beziehungen untereinander in ein neues Licht gerückt. So wurden Stimmen laut, denen zufolge in der neuen politischen Periode eine christlich gesinnte Macht überflüssig sei. Dies ist jedoch eine irrige Annahme, da die Präsenz christlicher Laien im gesellschaftlichen und politischen Leben nicht nur als Gegenpol zu den verschiedenen Formen von Totalitarismus, vor allem jener kommunistischen, Bedeutung hatte; eine solche Präsenz isi vor allem für den Ausdruck von christlicher Tradition und Kultur in der italienischer Gesellschaft nötig. 324 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die christlichen Laien können sich ihrer Verantwortung nicht entziehen 6. Heute ist sicherlich eine tiefgreifende soziale und politische Erneuerung vonnöten. Neben denjenigen, die sich an christlichen Werten orientierten und während fast eines halben Jahrhunderts die poütischen Geschicke Italiens in der Regierung leiteten und sich dabei unbestreitbare Verdienste für das Land und dessen Entwicklung zu eigen machten, gab es leider auch diejenigen, die sich - auch schwere - Macht-mißbräuche haben zuschulden kommen lassen: das sind insbesondere Personen, die nicht immer in der Lage waren, sich dem Druck der Kräfte zu widersetzen, die zu einer exzessiven Verstaatlichung drängten, oder solche, die die eigenen Interessen über das Wohl der Allgemeinheit stellten. Einige werden gar beschuldigt, gegen die Gesetze des Staates verstoßen zu haben. Gerade diese an die diversen politischen Kräfte und auch an die in der staatlichen Gesellschaft tätigen Instanzen gerichteten Beschuldigungen hatten juristische Konsequenzen, die derzeit die poütische Landschaft Italiens tiefgreifend verändern. In einer wahrheitsgetreuen und ehrlichen Bilanz, die von den Nachkriegsjahren bis in unsere Tage reicht, muß jedoch auch das berücksichtigt sein, was Katholiken in Zusammenarbeit mit anderen demokratischen Kräften für das Wohlergehen Italiens getan haben. Beispielsweise können nicht all diejenigen bedeutenden Initiativen unbeachtet bleiben, die Italien einen Platz unter den sieben fortschrittlichsten Ländern der Welt eingebracht haben; noch ist das große Verdienst, die Werte Freiheit und Demokratie gerettet zu haben, unterzubewerten oder gar zu vergessen. Genausowenig kann akzeptiert werden, daß das Christentum und insbesondere die Soziallehre der Kirche mit ihren wesentlichen und unverzichtbaren Inhalten nach einem ganzen Jahrhundert von Re rum novarum über das II. Vatikanische Konzil und Cen-tesimus annus in der derzeitigen Situation plötzlich aufhörten, Basis und Anregung zum sozialen und politischen Engagement der Christen zu sein. Die christlichen Laien dürfen sich deshalb nicht, und dies gilt besonders in diesem entscheidenden historischen Augenblick, ihrer Verantwortung entziehen. Vielmehr sollten sie unerschrocken ihr Vertrauen auf Gott, als den Herrn der Geschichte, und ihre Liebe zu Italien durch einiges und konsequentes Zusammenstehen sowie selbstlosen und aufrichtigen Dienst auf gesellschaftlichem und politischem Sektor bezeugen, stets offen für ehrliche Zusammenarbeit mit allen gesunden Kräften der Nation. Eine Gewissensprüfung für eine erneuerte Solidarität 7. Wenn die derzeitige Situation nach einer politischen und gesellschaftlichen Erneuerung verlangt, so hegt es an uns Hirten, eindringlich an die notwendigen Voraussetzungen dafür zu mahnen, d. h. an die Erneuerung des Geistes und des Herzens, und daher die kulturehe, moralische und religiöse Erneuerung (vgl. Veritatis splendor, Nr. 98). 325 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerade hierin liegt unsere pastorale Mission: Wir müssen alle zu einer besonderen Gewissenserforschung aufrufen. Dies ist nicht eine Bilanz rein politischer, sondern auch und vor allem kultureller und ethischer Art. Es ist daher notwendig, allen zu helfen, diese Bilanz von utilitaristischen und konjunkturellen Aspekten sowie von der Gefahr der Manipulation der öffentlichen Meinung zu befreien. Ich beziehe mich besonders auf korporative Tendenzen und separatistische Gefahren, die sich anscheinend im Land bemerkbar machen. In Italien herrscht in der Tat seit langem eine gewisse Spannung zwischen dem reichen Norden und dem ärmeren Süden. Heute ist diese Spannung sehr viel ausgeprägter. Korporative Tendenzen und separatistische Gefahren sind jedoch entschieden zu überwinden in einer aufrechten, von Liebe für das Vaterland getragenen Haltung und durch Verhaltensweisen erneuerter Solidarität. Diese Solidarität soll nicht nur innerhalb der Landesgrenzen gelebt werden, sondern auch Europa und die Dritte Welt einschließen. Liebe zum eigenen Land und Solidarität mit der gesamten Menschheit stehen in keinem Widerspruch zu den Banden des einzelnen mit seiner Region und der Ortsgemeinschaft, der er von Geburt an zugehört, und den Verpflichtungen, die er ihnen gegenüber hat. Solidarität schließt vielmehr alle Gemeinschaften ein, in denen der Mensch lebt: an erster Stelle die Familie, dann die örtliche und regionale Gemeinschaft, die Nation, den Kontinent, die gesamte Menschheit: Solidarität belebt und verbindet sie gemäß dem Subsidiaritätsprinzip, das jeder Gemeinschaft das rechte Maß an Autonomie verleiht. Die Gefahr aber, die diese vollkommen legitime und für die Wiedergeburt der italienischen Gesellschaft notwendige Gewissensprüfung in sich birgt, darf aber aucl nicht unterschätzt werden, d. h. die Gefahr, Gelegenheit zu einer unheilvollen Manipulation der öffentlichen Meinung zu bieten. Es ist Rechtens, daß die vermutlicl Schuldigen einem Gerichtsverfahren unterzogen werden und, im Falle ihrer Schuld die rechtlichen Konsequenzen zu tragen haben. Gleichzeitig muß man sich aber auch fragen, wo Mißbrauch endet und wo ein nor males und gesundes Funktionieren der Institutionen im Dienste des Allgemeinwohl: beginnt. Es ist offensichtlich, daß eine wohlgeordnete Gesellschaft die Entscheidun gen, die ihr künftiges Geschick betreffen, nicht allein in die Hände der Justizbehör den legen kann. Legislative und Exekutive haben in der Tat ihre eigenen, spezifi sehen Zuständigkeitsbereiche und Verantwortlichkeiten. Der Kirche fällt in diesem Fall offenbar die Aufgabe zu, das italienische Volk zi moralischer Erneuerung und tiefem Solidaritätsgefühl aufzurufen, um die Bedingun gen zur Versöhnung und zur Überwindung von Spaltungen und Gegensätzen zu ge währleisten. Ein großes Gebet des italienischen Volkes im Hinblick auf das Jahr 2000 8. Liebe Brüder im Episkopat, unsere gemeinsame Sorge um Italien darf sich nie! nur auf Worte beschränken. Wenn die Gesellschaft Italiens sich von Grund auf ei neuern, sich der gegenseitigen Verdächtigungen entledigen und mit Vertrauen in ihr 326 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zukunft blicken soll, bedarf es des Aufgebotes aller Gläubigen zu gemeinsamem Gebet. Aus eigener Erfahrung weiß ich, was ein solches Gebet in der Geschichte meines Landes bedeutet hat. In unmittelbarer Nähe des Jahres 2000 hat die gesamte Kirche und vor allem ganz Europa ein großes Gebet nötig, das, konvergenten Wellen gleich, durch die verschiedenen Kirchen, Nationen und Kontinente geht. In diesem großen Gebet nimmt Italien einen besonderen Platz ein: führt uns doch die Erfahrung der letzten Jahre die Notwendigkeit eines solchen Gebets vor Augen. Ein Gebet ist immer eine Art von „Bekenntnis”, ein Anerkennen der Präsenz Gottes in der Geschichte und seines Wirkens zum Wohle der Menschen und Völker; zugleich schafft das Gebet eine engere Verbindung mit Ihm und bringt die Menschen einander näher. Als Bischöfe der Kirchen Italiens werden wir im Hinblick auf das näherrückende Jahr 2000 und angesichts der gegenwärtigen Situation, in der eine Mobilisierung der geistigen und moralischen Kräfte der gesamten Gesellschaft dringend notwendig ist, bald zu diesem großen Gebet des italienischen Volkes aufrufen müssen. Ich bin der festen Überzeugung, und mit mir hervorragende italienische Persönlichkeiten, auch nicht praktizierende Katholiken, wie der verstorbene Staatspräsident Pertini, daß die Kirche in Italien viel mehr tun kann als gemeinhin angenommen wird. Sie stellt eine große soziale Kraft dar, die die Bewohner Italiens, vom Norden bis zum Süden, eint. Eine Kraft, die die Prüfung durch die Geschichte bestanden hat. Diese Stärke erwächst der Kirche vor allem aus dem Gebet und der Einigkeit im Gebet. Nun ist der Augenblick gekommen, da diese Überzeugung in größerem Maße konkretisiert werden kann und muß. Der Aufruf zu einem solchen Gebet, seine planmäßige Vorbereitung, seine tiefgreifende Motivierung in diesem historischen Augenblick werden für alle Italiener eine Anregung zum Nachdenken und zum Verstehen sein. Vielleicht sind sie auch ein Beispiel und ein Anreiz für andere Nationen. „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen” (Joh 15,5). Das Wort Jesu beinhaltet den überzeugendsten Aufruf zum Gebet und zugleich den stärksten Grund zum Vertrauen auf die Gegenwart des Erlösers in unserer Mitte. Gerade diese Anwesenheit ist eine unerschöpfliche Quelle der Hoffnung und des Mutes, auch in verworrenen und leidvollen Situationen in der Geschichte der einzelnen und der Völker. Liebe Brüder im Bischofsamt, in eure Hände lege ich in tiefer Gemeinschaft und mit Vertrauen diese Gedanken und Wünsche. Ich tue es einzig aus Liebe zur italienischen Nation, die mir von Beginn meines Pontifikates an so große Sympathie entgegengebracht hat, was mich dazu bewegt, von Italien als meinem zweiten Heimatland zu sprechen. Auf dieses Land rufe ich inständig die mütterliche Fürbitte Mariens herab, die uns den Erlöser geboren hat, und den Schutz der Heiligen Franziskus und Katharina. Euch und alle Italiener segne ich von Herzen. Aus dem Vatikan, am 6. Januar 1994, dem Fest der Erscheinung des Herrn. Foannes Paulus PP. II 327 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerufen und geweiht zum Dienst einer großen Familie unter den Völkern Predigt bei der heiligen Messe mit Bischofsweihen am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar „Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz” (Jes 60,3). 1. Das „Geheimnis” ist geoffenbart worden! Daher heißt das heutige Hochfest „Epiphanie” oder Sichtbarwerden. Es wurde den Magiern geoffenbart, die aus dem Orient nach Jerusalem gekommen waren: Sie erwarteten wachsam ein Zeichen vom Himmel und folgten von fern dem Licht Christi. So durften sie am Ende sein menschliches Antlitz betrachten, indem sie die Schwelle des Hauses in Betlehem betraten: „... sie fielen nieder und beteten ihn an” (Mt 2,11). Die Magier bekamen auf diese Weise „Anteil an der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium” (Eph 3,6). Das Evangelium kam nicht eigentlich zu ihnen, wohl aber kamen sie zum Evangelium. Dies kündet der Prophet Jesaja mit den Worten der ersten Lesung an. 2. Später hat das Evangelium andere Menschen erreicht. Schritt für Schritt gelangte es zu anderen Völkern. Das den voraufgegangenen Generationen angekündigte, aber noch nicht voll geoffenbarte Geheimnis (vgl. Eph 3,5) hat sich durch den Heiligen Geist vor allem den Aposteln geoffenbart (ebd.); diese wurden dann in der Kraft des Heiligen Geistes in die ganze Welt „gesandt”. Als Mensch ist der Apostel begrenzt und schwach; die göttliche Kraft kommt aber dank des Heiligen Geistes auf ihn herab und „macht” ihn fähig, bis zu den äußersten Grenzen der Erde zu gehen (vgl. Apg 1,8). In diesem unaufhaltsamen Lauf zu den Völkern aller Zeiten ruft das Evangelium auf dem Weg nach Damaskus in ungewöhnlicher und unvorhersehbarer Weise Saulus aus Tarsus. Davon spricht der Apostel in seinem Brief an die christliche Gemeinde in Ephesus, wie wir eben im vorgetragenen Text gehört haben: „Ihr habt doch gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch verliehen hat. Durch eine Offenbarung wurde mir das Geheimnis mitgeteilt” (Eph 3,2-3). 3. Das gleiche Geheimnis wurde zunächst den Hirten von Betlehem, Söhnen Israels, geoffenbart und dann im Ereignis, das wir heute feiern, den Magiern. Diese aber haben den Weg sämtlicher Völker eröffnet, die gemeinsam mit dem auserwählten Volk berufen wurden, sich dem in Christus offenbar gewordenen Geheimnis zu „nähern”, bis sie es einmal in seiner Fülle schauen können. So lesen wir im Buch des Propheten Jesaja: „Auf, werde licht, [Jerusalem], denn es kommt dein Licht ... Völker wanden zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz ... Deine Söhne kommen von fern, deine Töchter trägt man auf der Armen herbei” (Jes 60,1-4). Es sind prophetische Worte, die heute, am Tag der Er- 328 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN scheinung des Herrn, ihre verborgene Bedeutung enthüllen, und die Kirche bewahrt sie wie Maria in ihrem Herzen, verkündet sie aber auch sich selber und der ganzen Welt. 4. Die gleichen Worte, wie auch die des Apostels Paulus, gelten auch euch, liebe Brüder, die ihr heute aus den Händen des Bischofs von Rom die Bischofsweihe empfangt. Sie sprechen von euch allen gemeinsam und von einem jeden von euch einzeln. Auch euch wurde ja als Söhnen verschiedener Nationen durch den Heiligen Geist jenes unergründliche Geheimnis geoffenbart, das Er, der Geist, den Propheten angekündigt hat. Sie sprechen von dir, Msgr. Pietro Paolo Prabu, als mein Vertreter für Zaire bestimmt; von dir, Msgr. Peter Stephan Zurbriggen, Apostolischer Delegat in Mozambique; von dir, Msgr. Jean-Paul Gobel, Apostolischer Nuntius in Georgien und Armenien; von dir, Msgr. Julien K. Mawule Kouto, erwählter Bischof von Atak-pame (Togo); von dir, Msgr. Edward J. Slattery, erwählter Bischof von Tulsa (USA); von dir, Msgr. Uriah Ashley, dem ersten Bischof von Penonome (Panama); von dir, Msgr. Emiliano Antonio Cisneros Martmez, bischöflicher Prälat von Chota (Peru); von dir, Msgr. Americo Do Couto Oliveira, Bischof-Koadjutor von Lamego (Portugal); von dir, Msgr. Christo Proykov, Bischof-Koadjutor des Apostolischen Exarchates für die Katholiken des byzantinisch-slawischen Ritus in Bulgarien; von dir, Msgr. Ramön C. Argüelles, Weihbischof des Erzbischof von Manila (Philippinen); von dir, Msgr. Ricardo Valenzuela Rios, Weihbischof des Erzbischofs von Asuncion (Paraguay); von dir, Msgr. Paolo Gillet, Weihbischof des Bischofs von Albano (Itaüen); von dir, Msgr. Antoni Jözef Dlugosz, Weihbischof des Erzbischofs von Tschenstochau (Polen). Auch ihr werdet wie die Zwölf am Pfingsttag und wie Paulus vor den Mauern von Damaskus gerufen und geweiht, damit andere - Personen, Völker und Nationen-durch das Evangelium der Verheißung teilhaftig werden, die uns von Gott in Christus Jesus geschenkt wurde (vgl. Eph 3,6). 5. Liebe Brüder, die Bischofsweihen am Epiphaniefest in dieser St. Petersbasilika besitzen eine bezeichnende Tradition. Die Auflegung der Hände von seiten des Nachfolgers des Petrus und von allen anwesenden Kardinalen und Bischöfen, die Gesten und Worte der feierlichen Weiheliturgie, bilden das gediegene Fundament und den freudigen Beginn eurer Sendung. Zugleich mit meiner herzlichen Verbundenheit und meiner Hochachtung möge euch die Gnade begleiten, die euch der Herr durch diese heilige Berufung hat schenken wollen. Stützen und stärken möge euch zumal in Stunden der Schwierigkeiten und Prüfungen der Schutz der Mutter des Herrn und des heiligen Joseph. Wenn ihr im Verlauf dieses Jahres der Familie das Geheimnis der Heiligen Familie betrachtet, laßt euch bei der freudigen und treuen Erfüllung eures Dienstes immer von der Spiritualität des Hauses von Nazaret anregen. 329 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist der Heilige Geist, der in der Kirche die Bischöfe bestellt (vgl. Apg 20,28). Ich wünsche von Herzen, daß sich an einem jeden von euch die Worte des Evangelisten Johannes verwirklichen: vom Heisch gewordenen Wort „haben wir alle Gnade über Gnade empfangen” {Joh 1,16). Die liebevolle Treue des Vaters, die auf dem Antlitz Christi, des Herrn, erstrahlt, möge durch die Macht des Heiligen Geistes auf dem Weg eures bischöflichen Dienstes immer bei euch blieben. Amen. Mitglieder der großen Familie Gottes werden Predigt in der Eucharistiefeier zur Taufe von 41 Kindern am 9. Januar 1. „Voll Freude werden wir Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils” (Antw. Ps vgl. Jes 12,3). Am Fest der Taufe Jesu begrüßt die Kirche Roms voll Freude die Neugeborenen, die heute in den Petersdom gekommen sind, von ihren Vätern und ihren Müttern auf den Armen getragen (vgl. Jes 60,4), um das Sakrament der christlichen Initiation zu empfangen und mit ihm das neue Leben, das Christus uns mit seinem Blut am Kreuz verdient hat. In Liebe grüße ich euch, hebe Eltern, liebe Paten und Patinnen, die ihr heute die Freude habt, diesen Kindern das schönste und kostbarste Geschenk darzubieten: den Glauben an Jesus, den Heiland der Welt und der ganzen Menschheit. Eure Freude stimmt gut zusammen mit dem Jubel der ganzen Kirche, die am Gedächtnistag der Taufe Christi zum Jordanufer pilgert, um an einem geheimnisvollen Geschehen teilzunehmen: Das menschgewordene Wort bittet, von Johannes dem Täufer getauft zu werden. Mit dieser Geste vereinte er, der Heilige und der Gerechte, sich mit der Schar derer, die, dem Aufruf des großen Propheten folgend, sich bekehren und Buße tun wollten. Durch sein Hinabsteigen in den Jordan stellte Jesus sich auf die Seite von uns Sündern. Die wahre Taufe aber, jene im Heiügen Geist (vgl. Mk 1,8), wird Jesus selbst einsetzen kraft seines Todes und seiner Auferstehung. In dieser Taufe wird das Eintauchen in das Wasser zum wirksamen Zeichen für den Nachlaß dei Sünden und das ewige Leben in Christus. Heute wissen wir, daß „taufen” bedeutet: eintauchen in den Tod Christi, damit der Mensch auferstehe zum Leben des lebendigen Gottes: des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes (vgl. Röm 6,1-11). 2. Ihr alle, hebe Brüder und Schwestern, die ihr in dieser Basilika zu einem froher Fest der christlichen Familie zusammengekommen seid, seid gewiß vom Glauber geführt. Ihr glaubt, daß Jesus der Messias ist, der Christus, der Erlöser des Menschen. Er, der wahre Sohn Gottes, hat für uns Menschenkinder den Sieg errungen der die Welt überwindet: den Sieg durch den Glauben (vgl. 1 Joh 5,4). Und ihr Eltern wünscht nun für eure neugeborenen Kinder diesen wunderbaren Sie; durch den Glauben. Christus bietet ihn euch an im Sakrament der heiligen Taufe. E 330 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hat gesagt: „Der Mensch muß aus Heiligem Geist wiedergeboren werden” (vgl. Joh 3,5). Es ist wirklich notwendig, aus dem Wasser und dem Heiligen Geist wiedergeboren zu werden. Diese geistige Wiedergeburt geschieht durch das Sakrament unseres Lebens in Gott, das Sakrament, das für uns der Anfang des ewigen Lebens ist. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Am Ende der Weihnachtszeit im Gebet versammelt, werden wir von der Liturgie eingeladen, über das Geheimnis einer einzigartigen „Ernte” nachzudenken, einer geistlichen Ernte. Das Feld ist der Acker der Seelen, er ist durch das Wort Gottes, das aus dem Mund der Kirche hervorging, fruchtbar geworden. Die Seelen - ein Erdreich, das berufen ist, Früchte für das ewige Leben hervorzubringen. Wirklich! Das göttliche Wort bleibt, dank der Macht Christi, des Auferstandenen, nie ohne Wirkung. Sogar in den sakramentalen Zeichen wirkend, bringt es das Heilswerk, für das Gott es gesandt hat, zur Vollendung (vgl. Jes 55,10-11). Ja, liebe Eltern, Gott will dieses Heil für eure Kinder, wie er es für jeden Menschen will. Der Vater im Himmel wünscht, daß sie „das Leben haben ... in Fülle” {Joh 10,10). Und von euch, Väter und Mütter, die ihr als Eltern auf Erden schon mit ihm zusammengewirkt habt, indem ihr diese Kleinen ans Licht der Welt brachtet, von euch erwartet er noch weitere Zusammenarbeit: Er bittet euch, das Wirken seines heilbringenden Wortes durch die christliche Erziehung der Kinder zu unterstützen. Auch von euch, liebe Paten und Patinnen, erwartet Gott ein einzigartiges Mitwirken, das sich durch Unterstützung der Eltern bei diesem Erziehungswerk ausdrückt. Liebe Väter und Mütter, liebe Paten und Patinnen! Der Mensch kann zwar das Leben an andere Menschenwesen weitergeben, aber er ist nicht imstande, ihm den letzten Sinn zu geben. Nur im Worte Gottes liegt der volle Sinn des menschlichen Lebens und Sterbens. Befaßt ihr euch also als erste eifrig mit der Heiligen Schrift! Lest in der Familie das Evangelium, hört es aufmerksam in der Pfarrgemeinde, seid seine Zeugen im täglichen Leben. Auf diese Weise werden die Kleinen durch euch Christus kennenlemen, werden lernen, ihn zu lieben und ihm auf dem Weg des wahren Lebens zu folgen. 4. Die Kirche freut sich heute über diese Kinderschar - es sind 41 Kleine aus verschiedenen Ländern der Welt, aber in der Mehrzahl aus Rom-, die nun Mitglieder der großen Familie Gottes werden. In dieser Eucharistiefeier erfahren wir die Wirklichkeit der kirchlichen Gemeinschaft als weltweite Familie, gebildet aus jenen grundlegenden Zellen, den Familiengemeinschaften, den „kleinen Hauskirchen”. Und das bekommt noch einen besonderen Sinn in diesem „Jahr der Familie”. Innerhalb der Familie bekundet sich der Reichtum des menschlichen Daseins und der übernatürlichen Existenz. Den Eltern kommt ja an erster Stelle die Aufgabe zu, in den Kindern dem neuen, durch die Taufe in sie eingesenkten Leben zur Entfaltung und Reife zu verhelfen. 331 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden” (Mk 1,11). Heute, liebe Eltern, ruht dieses „Gefallen” des himmlischen Vaters auf euren Kindern und erweist in jedem von ihnen die Ähnlichkeit mit seinem eingeborenen, erstgeborenen Sohn. Mit einem Herzen voll Glauben und Liebe wollen wir die Aufforderung des Psalms annehmen, „mit Freuden aus den Quellen des Heils zu schöpfen” (vgl. Jes 12,3). Dazu lade ich euch ein. Ich freue mich mit euch und wünsche euch, daß die heutige Feier für jede Familie, die ihr vertretet, überreiche Früchte bringe. Danken wir der göttlichen Vorsehung für das Geheimnis, das wir feiern. Vertrauen wir der Heiligen Familie, Maria und Josef und dem eingeborenen Sohn des Vaters, jene an, die nun bald wiedergeboren werden zu neuem Leben. Der Segen Gottes komme herab auf sie und begleite sie ihr ganzes Leben hindurch! Amen. Mut zur Brüderlichkeit Ansprache an das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps beim Neujahrsempfang am 15. Januar Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. „Meine Pläne, die ich für euch habe, sind Pläne des Heils und nicht des Unheils; denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben.” So richtet der Prophet Jeremia die Worte aus, die er von Gott selbst empfangen hatte (vgl. 29,11). Zukunft und Hoffnung. Dies sind zugleich meine Wünsche für Sie, Exzellenzen, meine Damen und Herren, für Ihre Familien und Ihre Länder. Sie vertreten den überwiegenden Teil der Völker der Erde. Durch Sie grüße ich zugleich alle Ihre Landsleute und füge meine Gebete hinzu, daß einem jeden Glück und Wohlergehen in Freiheit und Gerechtigkeit beschieden sei. Diese Wünsche richte ich ebenso und mit der gleichen Sympathie an alle Nationen, die noch nicht beim Hl. Stuhl vertreten sind, die aber gewiß im Herzen und im Gebet des Papstes ihren Platz haben. Ihr Doyen, der liebe Mister Joseph Amichia, wollte mit seiner gewohnten Feinfühligkeit meine verschiedenen Tätigkeiten im Verlauf des vergangenen Jahres erwähnen. Ich danke ihm herzlich für seine Worte der Hochachtung und für seine liebevollen Wünsche, die er mir in Ihrem Namen ausgesprochen hat. Ich sehe darin eine Ermunterung für die ganze katholische Kirche, ihre Aufgabe als Zeugin des Glaubens in der „Güte Gottes” (Tit 3,4) weiterzuführen, wie das Weihnachtsfest sie uns ein weiteres Mal in ihrer erstaunlichen Frische gezeigt hat. 2. Weihnachten ist nichts anderes als die jedem Menschen angebotene Liebe Gottes. Es ist das Licht, das die Nacht von Betlehem erhellt hat; die allen Völkern verkündete Frohbotschaft, der Tag der Erscheinung des Herrn. Diese kiirzlichen Feierlichkeiten haben unsere Gedanken natürlicherweise auf das Heilige Land gerichtet, wo 332 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesus geboren wurde und wohin wir uns geistigerweise auf Pilgerfahrt begeben haben. Zum erstenmal nach langer Zeit scheint der Friede möglich zu sein dank des guten Willens der Völker, die heute dort wohnen. Die Feinde von gestern sprechen miteinander, und sie sprechen von der Zukunft. Die Dynamik der Konferenz von Madrid, die 1991 begonnen wurde, bestimmt weiter alle, die sich mutig dafür einsetzen, daß Dialog und Verhandlung über die Extremismen und Egoismen aller Axt triumphieren. Israelis und Palästinenser, Söhne Isaaks und Ismaels, haben einen Weg eröffnet: Alle ihre Freunde sind daher verpflichtet, ihnen zu helfen, diesen Weg zu Ende zu gehen. Es geht um eine gebieterische Pflicht, denn eine Situation der Ungewißheit und vor allem der schweren Leiden für die palästinensischen Bevölkerungsgruppen, die uns gut bekannt sind, machen die vorhandenen Schwierigkeiten noch schlimmer und laufen Gefahr, die so sehr erwarteten konkreten Früchte des begonnenen Dialogs aufzuschieben. In diesem Rahmen der Hoffnung und des Gefährdetseins finden die Gespräche statt, die dem Staat Israel und dem Hl. Stuhl die Unterzeichnung einer Abmachung über einige grundlegende Prinzipien gestattet haben, die ihre gegenseitigen Beziehungen leiten und der katholischen Kirche, die sich in diesem Land befindet, normale Daseinsbedingungen garantieren. Niemand zweifelt daran, daß alle Gläubigen davon gleichermaßen Nutzen haben werden. Außerdem ist der Hl. Stuhl überzeugt, daß ihm diese neue Form der Beziehungen zum Staat Israel gestattet, unter voller Wahrung seiner spirituellen und moralischen Eigenart den Wunsch nach Gerechtigkeit und Frieden all derer unterstützen und festigen zu können, die sich für den Friedensprozeß einsetzen. Er verzichtet auf keines der Prinzipien, die sein Wirken in der Vergangenheit bestimmt haben, arbeitet aber weiter daraufhin, daß man in Achtung vor dem Recht und den berechtigten Bestrebungen der Menschen und Völker unverzüglich Lösungen für weitere Fragen findet, die bisher nur teilweise Antworten gefunden haben. Es ist nicht notwendig, ungewöhnlich stark zu betonen, daß sich unter diesen Fragen auch der Status der Heiligen Stadt Jerusalem befindet, an dem die Anhänger der Religionen des Buches an erster Stelle interessiert sind. Tatsächlich müßte das ganze Gebiet von dieser glücklichen Entwicklung Vorteil haben. Ich denke zumal an den Libanon, dessen Souveränität und Einheit noch nicht angemessen gesichert sind. Ich vergesse auch nicht den nicht weit davon gelegenen Irak, dessen Einwohner den Preis des Krieges immer noch teuer bezahlen müssen. 3. Wenn ich weiter nach Osten schaue, möchte ich Afghanistan Ihrer Aufmerksamkeit empfehlen. Man hat vielleicht die Leiden dieser Bevölkerungsgruppen vergessen, die Opfer von Spaltungen und Gewaltanwendung ohne Unterlaß geworden sind. Ich ergreife die mir heute gebotene Gelegenheit, die internationale Gemeinschaft aufzufordem, dieses Land nicht weiter unbeachtet zu lassen und eine regionale Lösung zu fördern, die ihm einige Garantien für die Zukunft geben könnte. 333 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf dem asiatischen Kontinent leben arbeitsame Völker, die bemüht sind, ihre Wirtschaft um den Preis großer Opfer auf materiellem und menschlichem Gebiet zu entwickeln. Ich denke an das große Volk Chinas, gewiß, aber auch an das Volk von Vietnam, dessen Bemühungen um Öffnung und Wiedereinfügung in die internationale Welt man aufgreifen sollte. Ich begrüße den mit Hilfe der Vereinten Nationen friedlich verlaufenen Fortschritt in Kambodscha, der unbeschwerter in die Zukunft bücken läßt. Leider bleiben aber in diesem Teil der Welt Schattenzonen bestehen. Die Bevölkerungsgruppen von Sri Lanka stehen sich weiter erbarmungslos gegenüber. Die Bevölkerung von Osttimor möchte ihre kulturelle und religiöse Identität mehr gesichert sehen, während die Einwohner der Insel Bougainville, dramatisch vom Rest der Welt abgeschlossen, Opfer blutiger Rivaütäten geworden sind. Wir dürften ihre Prüfungen nicht vergessen. In diesem weiten Raum des Femen Ostens leben eifrige Gemeinschaften von Katholiken mit erstaunüchem apostoüschem Lebenskraft. Aber etüche von ihnen sind, wie ich mit tiefem Schmerz feststeüen muß, noch heute in ihren grundlegendsten Freiheiten behindert und Opfer unannehmbarer Diskriminierungen. Einige können nur schwer überleben, da sie zum Beispiel nicht die Hilfe von Missionaren in Anspruch nehmen können, deren Einreise durch Verwaltungsmaßnahmen fast unmögüch gemacht worden ist. Andere Gemeinschaften werden gehindert, sich zum Gottesdienst zu versammeln oder in Freiheit reügiöse Schriften zu verbreiten. Wieder anderen wird das Recht verweigert, sich gemäß dem Kirchenrecht zu organisieren oder normale Kontakte mit dem Apostolischen Stuhl zu unterhalten. Es gibt sogar Gemeinschaften, die das harte Untergrunddasein erfahren müssen. Indem ich Ihre Aufmerksamkeit auf diese schmerzüchen Situationen richte, möchte ich wünschen, daß die Verantwortlichen der Nationen hochherzig für Lösungen mitarbeiten, die sich nahelegen, denn es handelt sich auch um ein Problem der Gerechtigkeit. 4. Lateinamerika ist im vergangenen Jahr eine Region der Kontraste geblieben. Gewiß sind mit wenigen Ausnahmen die Regierungen dort aus demokratischen Wahlen hervorgegangen. Inflation und Außenverschuldung sind leicht zurückgegangen, obwohl die sozialen Kosten hoch sind und der Prozentsatz der absolut Armen gestiegen ist. Der Anfang dieses Jahres ist leider von schweren Spannungen und Gewalttätigkeit in gewissen Gebieten Mexikos gekennzeichnet. Wünschen wir, daß auch dort der Dialog das Übergewicht bekommt, damit ein abgestimmtes Vorgehen besser die Ursachen dieser schmerzlichen Ereignisse erkennen läßt und man ihnen in gegenseitiger Achtung vor den berechtigten Wünschen der betroffenen Bevölkerungsgruppen besser gerecht werden kann. Es besteht kein Zweifel, daß die amerikanischen Länder der südüchen Welthälfte noch ungenügend ausgenützte menschüche und materielle Mögüchkeiten besitzen. Daher sind Strukturen des abgestimmten Vorgehens, wie jene, die bereits bestehen. 334 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu ermutigen. Ich denke hier zum Beispiel an die Gruppe von Contadora und den gemeinsamen Markt für Südamerika. Die regelmäßigen Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter sowie die kürzliche Unterzeichnung der Abmachung über den freien Warenaustausch zwischen den Vereinigten Staaten, Mexiko und Kanada kommen zu den erwähnten traditionellen Strukturen hinzu. Wünschen wir, daß sich daraus wirkliche Vorteile für alle diese schutzlosen Bevölkerungsgruppen ergeben. Dringend notwendig ist aber auch eine Beschleunigung der Normalisierung der noch heiklen politischen Situationen. In Guatemala und Salvador kommen die Entwaffnung der bewaffneten Gruppen, die Wiedereinfügung der Kämpfer von gestern sowie die politischen und sozialen Reformen nur langsam voran, und gelegentlich gibt es sogar Rückschläge. Es hat sich in dieser Region noch nicht eine echte Kultur des Friedens durchgesetzt, obwohl viele Verantwortliche und zumal die katholische Kirche und ihre Hirten sich in dieser Richtung bemüht haben. Auch Nicaragua erlebt eine Besorgnis erregende Konjunktur, denn den verschiedenen Kreisen der Gesellschaft gelingt es nicht immer, sich über eine Form der Gesellschaft einig zu werden, welche auf Werten beruht, die von allen bejaht werden. Große Länder sind weiterhin eine Beute endemischer Übel, wie die immer noch ausgeprägtere Kluft zwischen Reichen und Armen, Korruption der Verwaltung, Terrorismus und Drogenhandel. Alle Nationen, kleine und große, brauchen neue moralische Kraft, die nicht unmöglich sein sollte, da ihre Bevölkerung sich zum christlichen Glauben bekennt. Hier ist zu bemerken, daß sich die katholische Kirche besonders verantwortlich fühlt, wie ich bei meinen apostolischen Reisen in diesen Teil der Welt betont habe. Die Episkopate vertreten übrigens mit Nachdruck die wesentlichen Gmndsätze der katholischen Soziallehre. Das Gemeinwohl muß das einzige Ziel der Regierenden und der Regierten sein, „das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind” (Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Wir können uns aus dieser Region der Welt nicht verabschieden, ohne zwei besonders geprüfte Länder zu erwähnen: Kuba und Haiti. Die Bevölkerung Kubas erlebt besonders schwere materielle Schwierigkeiten, durch innere und äußere Gründe hervorgerufen. Wichtig ist, dieses Land nicht isoliert zu lassen; man muß den Kubanern helfen, ihr Selbstvertrauen zurückzugewinnen. In ihrer mutigen Botschaft „Die Liebe hofft alles” haben die Bischöfe eine Priorität genannt: „Die Hoffnung der Kubaner neu beleben.” Wir alle müssen ihnen helfen, sich einmütig auf den Wegen zu einer Gesellschaft wiederzufinden, die immer mehr solidarisch ist und immer mehr die Werte achtet, die ein jeder in sich trägt. In jedem Fall hat die katholische Kirche in Kuba ihren Wunsch ausgesprochen, dem Land ihren geistigen und moralischen Beistand zu leisten, indem sie die Erziehung zum Verzeihen, zur Versöhnung und zum Dialog fördert: Gmndlagen für den Aufbau einer Gesellschaft, in der sich jeder zu Hause fühlt. Nicht weit von Kuba entfernt, macht Haiti noch Prüfungen ohne Ende mit. In ihrer kürzlichen Weihnachtsbotschaft haben die Bischöfe Haitis treffend das „physische und moralische Elend 335 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geschildert, von dem das Volk betroffen ist. Von diesem Elend wird der soziale Zusammenhalt aufgelöst und die Zerstörung im Land fortgesetzt”. Auch in Haiti muß die volle Versöhnung der Geister und die Absage an die Spaltungen, die sich in den beiden letzten Jahren ausgeprägt haben, Wirklichkeit werden. Es wird aber nur im Dialog aller Elemente der Gesellschaft möglich sein. Es muß ein ehrenwerter, achtungsvoller und vorurteilsloser Dialog sein, der nur ein einziges Ziel hat: selbstlos das wahre Wohl des Landes suchen. Ich kann die internationale Gemeinschaft nur auffordem, soviel wie möglich zur schnellen Verwirklichung dieses Zieles beizutragen. Wenn man den Bewohnern Haitis fertige politische Formen aufzwingt, weckt man nur neue Spaltungen. Die Bewohner Haitis selbst müssen ihre Zukunft aufbauen nach den Grundsätzen, welche die Bischöfe in der schon erwähnten Botschaft so passend in Erinnerung gerufen haben: Der Zweck rechtfertigt nicht die Mittel; Gewalt kann kein Recht schaffen; das politische Leben kann ohne Moral nicht gelingen. 5. Nehmen wir uns Zeit, die Lage in Afrika zu betrachten, einem Kontinent im Wandel, der eine entscheidende Zeit in seiner Geschichte durchlebt. Zahlreiche Völker haben noch in den letzten Monaten ihre berechtigten Wünsche nach Pluralismus und Demokratie ausgesprochen. Das ist eine positive Tatsache, die man zu berücksichtigen hat. Man darf nicht rückwärts gehen! Es ist ein gutes Zeichen, daß mehrere Nationen auf friedlichen Wegen ein umfassendes Bemühen um institutioneile Erneuerung unternommen haben. In Mozambique festigt sich der Friedensprozeß, gewiß langsam, aber mit dem Ausblick auf Wahlen im Herbst 1994. Südafrika hat mutig die letzten Hindernisse überwunden, die an rassische Schwierigkeiten erinnerten, und baut nun eine mehrvölkische Gesellschaft auf, in der sich jeder für das Wohl des anderen verantwortlich fühlen müßte. Ganz nahe im Indischen Ozean gelang es Madagaskar, den friedlichen Übergang zu einer demokratischen Gesellschaft zu schaffen. Wir wollen wünschen, daß diese Beispiele anstecken, denn allzu viele afrikanische Länder sind noch daran gehindert, sich auf dem Weg der politischen und sozialen Erneuerung zu engagieren. Dramatisch ist der Fall Angola. Auf die Wahlen folgte die Wiederaufnahme dei Kämpfe zwischen den Parteien, und zwar trotz der Entscheidung der Bevölkerung. Doch stellen jüngste Entwicklungen doch eine Rückkehr zum Dialog in Aussicht. Möchten die Angolaner verstehen, daß aus solchen brudermörderischen Kämpfer niemand als Sieger hervorgeht! In jedem Fall hat das Volk nur darunter zu leiden denn es muß in menschenunwürdigen Verhältnissen leben. In Burundi sind kürzlich erneut völkische Rivalitäten aufgebrochen, die das Lanc wieder in die Schrecken der Barbarei und des Elends versenkt und seine elementarsten institutionellen Strukturen schwerwiegend geschwächt haben. Nach den Ge metzeln im letzten Herbst ist nun die Stunde des Verzeihens und der Versöhnung 336 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gekommen. Gott erwartet das von den Menschen Burundis. Die Wahl eines neuen Präsidenten der Republik vor zwei Tagen ist ein gutes Zeichen. Nicht weit von dort entfernt befindet sich ein ausgedehntes Land mit erheblichen menschlichen und materiellen Reichtümem, Zaire nämlich, in der Auflösung. Es macht eine politische Krise durch, die leicht in einen unkontrollierbaren Bürgerkrieg ausarten könnte. Ich möchte hier einen väterlichen, aber nachdrücklichen Aufruf an alle richten, die irgendwie für eine Verlängerung und Entartung der Zustände verantwortlich sind: Die Dinge müssen sich rasch ändern. Kein Grund und kein Bestreben kann den Zustand institutionellen und materiellen Niedergangs rechtfertigen, in dem fast 30 Milhonen Bürger zu leben gezwungen sind. Die Interessen von Personen und Gruppen müssen vor dem Gemeinwohl und vor den berechtigten Bestrebungen der gesamten nationalen Gemeinschaft zurücktreten. Wenn nicht, wird das Chaos überwiegen, die internationale Isolierung wird strenger werden, und am Ende wird die Zukunft des Landes auf lange Jahre hinaus belastet. Im benachbarten Kongo und in Togo müssen wir ebenfalls bedauern, daß die von der Bevölkerung ausgesprochenen Wünsche noch nicht verwirklicht werden konnten. Politische Umstürze oder Anwendung von Gewalt können keine glaubwürdige Ordnung entstehen lassen und die Mitarbeit der Bevölkerungsgruppen am Aufbau der Gesellschaft motivieren. Hoffen wir ferner, daß der Demokratisierungsprozeß in Gabon nicht endgültig aufhört und daß die Machthaber Weitsicht genug besitzen, allen Menschen in Gabon zu gestatten, selbst die Baumeister einer besseren Zukunft zu werden. Wir wünschen auch, daß Nigeria autoritäre Entgleisungen zu vermeiden weiß und seine Bevölkerungsgruppen sich frei um gemeinsame Werte zusammenfinden können: Das wird am Ende die Entwicklung der wirtschaftlichen Möglichkeiten dieses großen Landes in Ordnung und Stabilität erlauben. Möge Liberia, das aus dem Krieg, der es seit 1989 aufgelöst hat, herauszukommen sucht, bei seinen traditionellen Partnern Hilfe bei den ersten Schritten auf dem Weg des Friedens und des Wiederaufbaus finden. Richten wir unseren Blick auf den Osten des Kontinents, freuen wir uns zu sehen, daß sich in Eritrea die Stabilität durchsetzt und ein gewisses Wachstum zustandekommt, obwohl dieses noch bescheiden bleibt. Unglücklicherweise bleiben zwei Kriegsherde, die Tod und Verzweiflung säen: Ich denke an die Kämpfe, die Somalia weiter verwüsten, und an den Sudan. Zu den Toten kommen die Verwundeten hinzu und das Drama der entwurzelten Menschen, die zu materiellem und moralischem Elend verurteilt sind. Wie sollten wir nicht alle Parteien in diesen Konflikten, die allzu oft mit Stammesgegensätzen zu tun haben, ermuntern, einen ernsthaften Dialog aufzunehmen? Mein Wunsch ist, daß die zuständigen internationalen Organisationen ernsthaft an die Personen und die Gruppen am Ort, appellieren und sie zum Frieden auffordem; daß sie ebenfalls die Institutionen unterstützen, die in der Lage sind, am Ort einen mutigen und notwendigen Prozeß der Rückkehr zur Brüderlichkeit überwiegen zu lassen. Denn Friede und Sicherheit 337 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN können nur von den Somaliern und Sudanesen selbst herkommen. Ich muß ferner die schwere Krise erwähnen, die Algerien erschüttert. Die Entfesselung der bewaffneten Gewaltanwendung und der wachsende Terrorismus scheinen dieses Land in eine politische Sackgasse geführt zu haben. Die verschiedenen Volksgruppen Algeriens sollten sich aber wieder zusammenfinden. Die Freunde dieses großen Landes müßten ihm helfen, einen loyalen Dialog aller zustande zu bringen, um aus dem Teufelskreis der Mißachtung, der Rache und der Gemetzel herauszukommen. Möge dem Mittelmeerraum als ausgesprochenem Bereich der Kultur eine neue Wunde erspart bleiben. In vielen Ländern Afrikas stehen wir vor neuen Formen des Eingreifens der Völker in den Aufbau ihrer Zukunft. Man gibt häufig zu, daß es sich um einen unumkehrbaren Prozeß handelt. Doch darf die politische Alternative nicht zu einer völkischen werden, denn das würde beweisen, daß sich nichts ändert. Ich bin überzeugt, daß die Ursprünglichkeit der völkischen, kulturellen und sozialen Strukturen Afrikas es jeder Nation gestattet, ihren eigenen demokratischen Rechtsstaat aufzubauen. Dringlich ist, dem rechtlosen Staat ein Ende zu setzen, der sich in allzu vielen Ländern Afrikas ausbreitet. Diesen Faktor müßte man beim Aufbau von Programmen der Zusammenarbeit mit diesen Staaten berücksichtigen. Denn Zusammenarbeit ist immer nötig: die Afrikaner müssen mit vielfältiger Hilfe ihrer Freunde - zumal ihrer europäischen Partner - rechnen können, damit ihre materielle und technische mit ihrer demokratischen Entwicklung gleichen Schritt hält. Es ist zumal klar, daß sie Hilfe brauchen angesichts der Geißel der Aids-Epidemie und natürlich auch bei der Aufnahme und dem Unterhalt der auf diesem Kontinent so zahlreichen Vertriebenen und Flüchtlinge. In dieser verworrenen Lage des Kontinents wird die katholische Kirche bald die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika abhalten. Mit Gottes Hilfe wird dies eine große Stunde des Gebets und des Nachdenkens sein, die den Katholiken dieser Gebiete, Hirten und Gläubigen gestattet, sich erneut in die Gegenwart Gottes zu versetzen, um ihr persönliches und gemeinschaftliches Leben wieder neu auszurichten, und auch, damit sie sich umschauen, um in jedem Afrikaner den Menschen erblicken zu lernen, der er ist, und nicht vor allem seine völkische Zugehörigkeit. Wir müssen Brücken, keine Mauern zwischen den Menschen errichten. Das Gleiche gilt für die Nationen und die verschiedenen Gruppen, die sie zusammensetzen. 6. So sind wir nun an den Gestaden des „alten Kontinents” angelangt, der zwischen Integration und Aufspaltung hin und her gerissen wird. Auf der einen Seite besitzt Europa tatsächlich ein ganzes Geflecht von mehrstaatlichen Institutionen, die es ihm gestatten müßten, sein edles Gemeinschaftsprojekt zu Ende zu führen. Doch anderseits ist dieses gleiche Europa gleichsam geschwächt durch Tendenzen zum Partikularismus, die sich verschärfen und auch von den Auswirkungen höchst primitiver rassistischer und nationaüstischer Denkweisen geprägt sind. Die blutigen Konflikte im Kaukasus und in Bosnien-Herzegowina machen das deutlich. 338 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese europäischen Widersprüche scheinen die politisch Verantwortlichen ohnmächtig gemacht und ohne Möglichkeiten gelassen zu haben, diese paradoxen Tendenzen global und auf dem Verhandlungswege zu meistern. Es ist sicher, daß der barbarische und nicht zu rechtfertigende Krieg, der nach der Verwüstung Kroatiens seit fast zwei Jahren Bosnien-Herzegowina mit Blut befleckt, erheblich das Vertrauenskapital hat schrumpfen lassen, dessen sich Europa erfreute. Die Kämpfe gehen weiter, und immer noch setzen sich die schlimmsten Extreme durch. Die Bevölkerungsgruppen leben nach wie vor in den Händen von skrupellosen Gewalttätern. Unschuldige Zivilisten werden systematisch zur Zielscheibe von Heckenschützen. Moscheen und Kirchen sind zerstört, und die von der Bevölkerung verlassenen Dörfer lassen sich schon nicht mehr zählen. Heute morgen möchte ich vor Ihnen, meine Damen und Herren, erneut und auf das Entschiedenste die Verbrechen gegen den Menschen und die Menschheit verurteilen, die vor unseren Augen begangen werden. Ich möchte erneut an das Gewissen eines jeden appellieren: - Alle, die eine Waffe in der Hand haben, fordere ich auf, sie niederzulegen; was mit Gewalt genommen oder vertilgt wird, macht einem Menschen oder der Sache, die er angeblich fördern möchte, niemals Ehre; - den humanitären Organisationen spreche ich meine Bewunderung für die Arbeit aus, die sie um den Preis zahlreicher Opfer leisten, und ich bitte sie, weiterzumachen und sich nicht entmutigen zu lassen; - ich flehe die politisch verantwortlichen Europäer an, ihre Anstrengungen zu verdoppeln und den sich bekämpfenden Parteien zuzusetzen, damit am Ende die Vernunft sich durchsetzt; - die Völker Europas bitte ich, nicht träge oder egoistisch die Mitmenschen zu vergessen, die zum Opfer von Konflikten geworden sind, die ihnen von ihren Führungskräften aufgezwungen wurden. Allen möchte ich meine tiefe Überzeugung aussprechen: Der Krieg ist kein unausweichliches Schicksal; der Friede ist möglich! Er ist möglich, weil der Mensch ein Gewissen und ein Herz hat. Er ist möglich, weil Gott einen jeden von uns so, wie er ist, liebt, um ihn umzuformen und wachsen zu lassen. Nach so vielen Jahren könnte auf diese Weise auch der Friede in Nordirland Wirklichkeit werden. Möge ihn niemand ablehnen! Es hängt vom guten Willen eines jeden und jeder Gruppe ab, ob die Hoffnung von heute etwas anderes ist als Illusion. Es wäre tatsächlich ein Ärgernis, wenn man sehen müßte, daß Europa nachgibt und hinnimmt, daß das Recht endgültig mit Füßen getreten und die internationale Ordnung lächerlich gemacht wird durch das Tun bewaffneter Banden, daß Gesellschaften in Funktion der Oberherrschaft einer Nation stehen sollen. Die Tatsache, daß die Organisation der Vereinten Nationen einen Gerichtshof aufgestellt hat, um die Kriegs verbrechen und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit abzuurteilen, die in der früheren jugoslawischen Föderation begangen wurden, zeigt, daß man sich mehr und mehr der Schande bewußt wird, die sich dort abspielt. Manche verlangen sogar 339 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Aufstellung eines ständigen internationalen Gerichtshofes, der die Verbrechen gegen die Menschlichkeit abzuurteilen hat. Zeigt das nicht, daß die internationale Gesellschaft, weit vom Voranschreiten entfernt, Gefahr läuft, ernsthaft zurückzuschreiten? 7. Wenn wir über das nachdenken, was den kollektiven Verhaltensweisen, die wir eben in Afrika oder in Europa geschildert haben, zugrundeliegt, so können wir ohne Mühe das Vorhandensein eines übertriebenen Nationalismus feststellen. Und es handelt sich nicht um die berechtigte Liebe zum Vaterland oder um die Hochachtung vor seiner Eigenart, sondern um eine Ablehnung des anderen in seinem Anderssein, um sich ihm besser aufzwingen zu können. Alle Mittel sind dann erlaubt: die Herausstellung der Rasse bis zur Identifizierung von Nation und Volksstamm; die Überschätzung des Staates, der für alle denkt und entscheidet; das Aufzwingen eines einheitlichen Wirtschaftsmodells; die Einebnung der kulturellen Besonderheiten. Wir stehen hier vor einem neuen Heidentum: der Vergötterung der Nation. Die Geschichte hat aber gezeigt, daß man vom Nationalismus sehr schnell zum Totalitarismus weitergeht, und wenn die Staaten nicht mehr gleichberechtigt sind, sind es am Ende die Menschen auch nicht mehr. So wird die natürliche Solidarität der Völker vernichtet, der Sinn für die Proportionen verfälscht und der Grundsatz der Einheit des Menschengeschlechtes mißachtet. Die katholische Kirche kann eine solche Sicht der Dinge nicht annehmen. Sie ist ihrer Natur nach universal und weiß sich in den Dienst aller gestellt. Sie identifiziert sich niemals mit einer einzelnen nationalen Gemeinschaft. Sie nimmt in ihrem Schoß alle Nationen, sämtliche Rassen und alle Kulturen auf. Sie erinnert sich - ja noch mehr, sie weiß sich als Hüterin - des Planes Gottes mit der Menschheit: alle Menschen in einer einzigen Familie zu versammeln. Und das deswegen, weil er der Schöpfer und Vater aller ist. Jedesmal dann also, wenn das Christentum westlicher oder östlicher Prägung zum Werkzeug des Nationalismus wird, wird es in seinem Herzen verwundet und unfruchtbar. Mein Vorgänger Papst Pius XI. hat diese Entgleisungen bereits 1937 in seiner Enzyklika Mit brennender Sorge angeprangert, wo er sagt: „Wer die Rasse oder das Volk oder den Staat oder die Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung ... herauslöst... und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge ” (AAS 29[1937]149). Europa besteht nun in seiner Mehrheit aus Staaten von kleinem oder mittlerem Zuschnitt. Doch alle besitzen ihr Erbe an Werten, die gleiche Würde und die gleichen Rechte. Keine Autorität kann die grundlegenden Rechte solcher Staaten einschränken, ohne diejenigen anderer Nationen zu gefährden. Wenn die internationale Gemeinschaft nicht dahin kommt, sich über die Mittel zu verständigen, wie sie das Problem der nationalistischen Ansprüche an seiner Wurzel lösen kann, läßt siel voraussehen, daß ganze Kontinente gleichsam verderben, und man kehrt mehr unc 340 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mehr zu reinen Machtverhältnissen zurück, deren erste Opfer die Menschen sein werden. Denn die Rechte der Völker gehen gleichen Schritts mit den Rechten des Menschen einher. 8. Ich möchte hier vor Ihnen als qualifizierten Diplomaten, die Sie sind, die große Verantwortung derer betonen, die die öffentlichen Dinge in der Hand haben. Sie sind vor allem die Diener ihrer Mitmenschen, und in einer unsicheren Welt wie der unseren betrachten die letzteren sie als Bezugspunkte. In meiner letzten Enzyklika habe ich daran erinnert, daß „Transparenz in der öffentlichen Verwaltung, Unparteilichkeit im Dienst am Staat, Achtung der Rechte auch der politischen Gegner, Schutz der Rechte der Angeklagten gegen summarische Verfahren und Verurteilungen, richtige und gewissenhafte Verwendung der öffentlichen Gelder, Ablehnung zweifelhafter oder unerlaubter Mittel, um die Macht um jeden Preis zu erobern, festzuhalten und zu vermehren, Prinzipien sind, die ihre erste Wurzel ... im transzendenten Wert der Person und in den objektiven sittlichen Erfordernissen für das Funktionieren der Staaten haben” {Veritatis splendor, Nr. 101). In allzu vielen Gesellschaften, auch in Europa, scheinen die Verantwortlichen vor den Forderungen einer politischen Ethik kapituliert zu haben, die die Transzendenz des Menschen und die Relativität der Organisationssysteme der Gesellschaft berücksichtigt. Es ist an der Zeit, daß sie sich erneut einmütig gewissen moralischen Forderangen anpassen, die die öffentlichen Gewalten ebenso wie die Bürger betreffen. Dazu haben ich in der gleichen Enzyklika geschrieben: „Angesichts der schwerwiegenden Formen sozialer und wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und politischer Korruption, von denen ganze Völker und Nationen heimgesucht werden, wächst die Empörung unzähliger mit Füßen getretener und in ihren menschlichen Grundrechten gedemütigter Personen, und immer verbreiteter und heftiger macht sich das Verlagen nach radikaler persönlicher und gesellschaftlicher Erneuerung bemerkbar, die allein imstande ist, Gerechtigkeit, Solidarität, Wahrhaftigkeit und Transparenz zu gewährleisten” (Veritatis splendor, Nr. 98). Bei dieser schwierigen, aber so notwendigen Aufgabe der Berücksichtigung der Moral, sind die Katholiken zusammen mit den übrigen Gläubigen aufgerufen, ihre Verantwortung als Zeugen zu übernehmen. Die Präsenz von Katholiken bei der Führung der Gesellschaften gehört zur Soziallehre der Kirche, und die staatlichen Autoritäten müssen ebenso wie die Bürger mit ihnen rechnen können. Es handelt sich hier um eine Form der Verkündigung des Evangeliums und der Werte, die es enthält, die für den Aufbau einer menschlicheren Gesellschaft nützlich, ja notwendig sind. Ich bin überzeugt: Wie sie es gestern in zahlreichen Ländern des alten Europa zu tun verstanden, so werden sich die Christen auch weiter politisch und sozial zu engagieren wissen, um zu sagen und mehr noch durch ihre Hochherzigkeit und ihre Selbstlosigkeit zu zeigen, daß wir nicht die Schöpfer der Welt sind. Im Unterschied zu Gott empfangen wir sie. Er erschafft sie und erschafft uns. Wir sind also nur Sachwalter, die in Achtung vor dem Plan Gottes Güter auswerten, um sie zu teilen. 341 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich möchte hier vor Ihnen die starken Worte des heiligen Paulus zitieren: „Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder ... dient einander in Liebe ... Wenn ihr einander beißt und verschlingt, dann gebt acht, daß ihr euch nicht gegenseitig umbringt” (Gal 5,13.15). 9. Nachdem sie allzu lange Jahre eine Spaltung kennengelemt hat, die ihr durch verkürzende Ideologien aufgezwungen wurde, sollte die Welt jetzt keine Ausschlüsse mehr keimen! Es ist im Gegenteil die Zeit der Begegnung und der Solidarität zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd gekommen. Wenn wir einen Blick auf die heutige Welt werfen, wie wir es eben getan haben, können wir nur mit Bitterkeit feststellen, daß allzu viele Menschen immer noch Opfer ihrer Mitmenschen sind. Doch wir dürfen uns damit nicht abfinden. Da wir das Jahr begonnen haben, das die Organisation der Vereinten Nationen der Familie gewidmet hat, wirken wir dahin, daß die Menschheit mehr und mehr einei echten Familie gleiche, wo ein jeder sich angehört, geschätzt und geliebt fühlt, wc jeder bereit ist, sich zu opfern, damit der andere wächst, wo niemand zögert, derr Schwächeren zu helfen. Hören wir den Aufruf des Apostels Johannes: „Wenn jemand Vermögen hat und sein Herz vor dem Bruder verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Gottesliebe in ihm bleiben?” (1 Joh 3,17). In dieser Weihnachtszeit ist jedem Menschen die unerhörte Zärtlichkeit Gottes an-geboten; das Kind in der Krippe zeigt sie so schön! Ein jeder von uns ist eingelader zum Wagnis der Brüderlichkeit. Dies ist mein innigster Wunsch für einen jeden vor Ihnen, für einen jeden Ihrer Landsleute und für alle Nationen der Erde. Familie - erster Evangelisationsbereich Ansprache an die „Itineranten-Katechisten des Neokatechumenalen Weges” am 17. Januar Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Es ist für mich eine große Freude, mit euch zusammenzutreffen, den erfahrene] „Itineranten-Katechisten des Neokatechumenalen Weges”, die ihr hier versammel seid, um gemeinsam mit den Initiatoren und den Verantwortlichen zu beten und übe die Früchte und die Aussichten des euch anvertrauten Auftrags nachzudenken, ins besondere im Hinblick auf die Rolle der Familien inmitten der Armen. Ich begrüße Herrn Kiko Arguello und danke ihm für die Worte, die er soeben in eu rem Namen an mich gerichtet hat; ich heiße jeden von euch herzlichst willkommer Der Friede des Herrn sei mit euch! 2. Euer „Weg” entspringt dem Geist des II. Vatikanischen Konzils und will ein Be: spiel jener neuen Evangelisierung sein, die am Vorabend des dritten christliche Jahrtausends der Kirche Hoffnung gibt. 342 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Euer Verdienst ist es, jene „kerygmatische” Predigt wieder entdeckt zu haben, die auch die Fernstehenden zum Glauben einlädt auf einen Weg, der nach der Taufe beschritten wird gemäß den Hinweisen des Ordo Initiationis Cbristianae Adultorum. Auch der Katechismus der Katholischen Kirche hat sie aufgegriffen (vgl. Nr. 1231). Im Mittelpunkt dieses Glaubenswegs steht die fruchtbare Synthese von Predigt, Änderung der moralischen Lebensführung und Liturgie. All das geschieht im Rahmen kleiner Gemeinschaften, in denen „das Nachdenken über das Wort Gottes und die Teilnahme an der Eucharistie ... lebendige Zellen der Kirche heranbilden und die Vitalität der Pfarrei durch reife Christen erneuern, die imstande sind, durch einen radikal gelebten Glauben für die Wahrheit Zeugnis abzulegen” (vgl. Botschaft an die europäischen Bischöfe in Wien, 12. April 1993). Diese Gemeinschaften helfen, die Kirche als Leib Christi zu erleben, in welchem Gott durch die Zeichen der Sakramente sein Heilshandeln den Menschen aller Generationen, insbesondere den Familien, zuteil werden läßt. 3. Heute sind wir uns alle der schweren Familienkrise bewußt, die für die tiefgreifenden Übel der heutigen Gesellschaft verantwortlich ist. Aufgrund dessen hat die Kirche, indem sie sich die Initiative der Vereinten Nationen zu eigen machte, 1994 zum Jahr der Familie erklärt. Eure nun schon mehrjährige Erfahrung auf dem „Weg” wird euch sicher gezeigt haben, daß die kleine Gemeinde, unterstützt durch das Wort Gottes und die sonntägliche Eucharistie, zum Ort der Gemeinschaft wird, an dem die Familie den Sinn und die Freude an ihrem fundamentalen Auftrag zur Vermittlung des natürlichen und des übernatürlichen Lebens wiederfindet. Die Familie kann diese ursprüngliche Aufgabe nicht auf andere übertragen. Wir sehen, daß bereits in frühester Zeit im Volk Gottes die Familie als erster Evangelisationsbereich galt, wie es im Buch Deuteronomium heißt: „Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte ... sollst du deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst” (Dtn 6,6-7). So entdecken eure Familien erneut das tägliche Gebet mit den Kindern und vor allem jene Feier im häuslichen Familienkreis, wenn am Tag des Herrn Vater und Mutter die Heilige Schrift öffnen, aus ihr vorlesen und über sie sprechen, und die Kinder sich in einem vom Heiligen Geist erleuchteten Dialog öffnen können. Dieser Brauch wird in jenem Brief wiedergegeben, indem der heilige Paulus Timotheus daran erinnert, wie seine Mutter und Großmutter ihn von Kindheit an mit der Heiligen Schrift vertraut machten (vgl. 2 Tim 1,5; 3,14-15). 4. In Anbetracht dessen ist es somit nicht schwer, die Früchte des „Neokatechume-lalen Weges” zu erkennen: Versöhnt, offen für das Leben und in Dankbarkeit gegen iie Kirche sind die Familien bereit, die Botschaft des Evangeliums bis an die Gren-jen der Welt zu tragen. Ich selbst hatte bei anderen Anlässen bereits Gelegenheit, las Kreuz solchen Familien zu überreichen, die sich anschickten, in die ärmsten und lern Christentum am meisten entfremdeten Gebiete zu reisen. Heute haben zahlrei-;he Berufungen dort ihren Urspmng. Junge Frauen, bereit zum Ordensleben und 343 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zum kontemplativen Leben; junge Männer auf dem Weg zum Priestertum in den örtlichen Seminaren und den diözesanen Missionsseminaren „Redemptoris Mater”, die entstanden sind, um Kirchen zu unterstützen, die durch den Priestermangel große Schwierigkeiten haben. So erfüllt sich die Hoffnung des II. Vatikanischen Konzils: „Die Priester mögen also daran denken, daß ihnen die Sorge für alle Kirchen am Herzen hegen muß ... Zu diesem Zweck können deshalb mit Nutzen internationale Seminare ... geschaffen werden” (Presbyterorum ordinis, Nr. 10). 5. Vor allem aber ist der missionarische Aufschwung eine bedeutende Frucht dieses „Weges”. Mit Freude vernehme ich, daß ihr den Worten zustimmt, die ich an die Jugendlichen in Denver richtete. Damals sagte ich: „Dies ist nicht die Zeit, sich des Evangeliums zu schämen (vgl. Röm 1,16). Es ist vielmehr an der Zeit, es von den Dächern zu predigen (vgl. Mt 10,27)” (Predigt beim Weltjugendtag in Denver, 15. August 1993). Deshalb bereitet ihr euch auf große Volksmissionen vor, die sich vor allem an diejenigen wenden, die sich von der Kirche entfernt haben oder sie noch nicht kennen. Ich wünsche und hoffe, daß die Initiative im vollen Einverständnis mit den jeweiligen Bischöfen, das Evangelium auf den Straßen zu verkünden, überall reiche Früchte trage. 6. Liebe „Itineranten-Evangelisten”! Mit großer Zuneigung wende ich mich an euch, denn ihr habt alles aufgegeben, um - in willigem und stetem Gehorsam gegenüber den Bischöfen - Christus, den gekreuzigten Christus, in 94 Ländern der fünf Kontinente zu verkünden. Ich ermuntere euch, stets dem Charisma treu zu bleiben, das Gott euch für das Wohl der gesamten kirchlichen Gemeinschaft anvertraut hat: durch euer Wirken zur eingehenden Wiederentdeckung der christlichen Initiation der Erwachsenen beizutragen. Seid meines ständigen Gebetsgedenkens versichert. Es ist mir eine Freude, heute in einem Klima festlicher Gemeinsamkeit denen unter euch, die zur Wanderevangelisation berufen sind, das Kreuz zu überreichen. Maria, die demütige Jungfrau von Nazaret, möge euch auf eurer Pilgerschaft durch die Welt zur Verkündigung des Gottesreiches begleiten. Bleibt alle in ihrem mütterlichen Schutz! Von Herzen erteile ich euch, euren Familien und dem Neokatechu-menalen Weg den Apostolischen Segen. 344 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diener der Weltkirche im Bereich von Bildung und Kultur Predigt bei den Exequien für Kardinal Gabriel-Marie Garrone am 18. Januar Meine Herrn Kardinale, verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, geehrte Anverwandte und Freunde des Verstorbenen, liebe Brüder und Schwestern! 1. Auch Kardinal Gabriel-Marie Garrone hat uns verlassen! Am vergangenen Samstag beendete unser geliebter und verehrter Freund seine am 12. Oktober 1901 in Aix-les-Bains begonnene Pilgerschaft auf Erden, die ihn nach seiner Priesterweihe im April 1925 nach Chambery führte, wo er als Lehrer und Leiter des Seminars tätig war; die anschließenden Jahre verbrachte er zunächst als Koadjutor von Kardinal Saliege und später als Erzbischof in Toulouse; schließlich kam er als Präfekt der Kongregation für das Katholische Bildungswesen und anderer Kurienämter nach Rom. Die ersehnte Begegnung mit dem Herrn kam nach langer Krankheit, die er mit Gelassenheit und Ergebung im Mutterhaus der „Petites Soeurs des Pauvres”, in unmittelbarer Nähe von San Pietro in Vincoli, ertragen hat. Seit Jahren lebte der Kardinal nunmehr in dieser Ordensgemeinschaft, wo er mit lobenswerter Aufmerksamkeit umsorgt wurde und der heute unsere tiefe Dankbarkeit gilt. 2. Große Intensität und Dynamik kennzeichneten das Leben des verehrten und unvergeßlichen Kardinals, dem ich in echter und tiefer Freundschaft verbunden war, die - als ein Geschenk Gottes - während des II. Vatikanischen Konzils entstanden war. Nachdem sich seine Fähigkeiten vor allem in der Jugendpastoral in Chambery gezeigt hatten, war er von 1947 bis 1966 Koadjutor und schließlich Erzbischof von Toulouse. Auf aktive Weise nahm er zunächst an der Vorbereitung des II. Vatikanischen Konzils teil und wurde anschließend Mitglied der Kommission für das Laienapostolat wie auch der Theologischen Kommission. Insbesondere trug er zur Ausarbeitung der Apostolischen Konstitution Gaudium et spes bei. In jenen Jahren brachte er mir gegenüber bei zahlreichen Gelegenheiten sein hochgeschätztes Wohlwollen zum Ausdruck und half mir, mit dem Ambiente des Konzils vertraut zu werden. Dank seiner außergewöhnlichen Intelligenz und seiner im Geiste des Evangeliums geprägten Sensibilität für die zahlreichen Probleme unserer Zeit trug er maßgeblich zur konziliaren Erneuerung der Kirche bei. Aufgrund seiner kulturellen Kenntnisse und seiner vielseitigen und langjährigen pa-storalen Erfahrung übertrug Paul VI. ihm, mit der Absicht, die angekündigte „Intemationalisierung” der römischen Kurie zu realisieren, die Leitung der Kongregation für das Katholische Bildungswesen (für die Seminare und Studieneinrichtun- 345 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen) und ernannte ihn während des Konsistoriums vom 26. Juni 1967 zum Kardinal mit der Titelkirche von Santa Sabina. Der Heilige Vater wünschte seine direkte Mitarbeit auf einem schwierigen und wichtigen Sektor wie dem des katholischen Bildungswesens, wo die genaue und konstruktive Durchführung der im Rahmen der historischen Konzilsversammlung erhofften Erneuerung unerläßlich war. Als intelligenter und für die Anforderungen der heutigen Zeit offener Mensch inspirierte sich Kardinal Garrone für seine tägliche Aufgabe an den Worten des heiligen Paulus: „Die Hoffnung aber läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist” (.Röm 5,5). Mit unermüdlichem Eifer förderte er die Erneuerung der Ausbildung zukünftiger Priester und setzte sich dafür ein, damit sie ihren pastoralen Dienst mit Aufmerksamkeit und Offenheit gegenüber den Sorgen und Ängsten der Menschheit leisten können, die in der heutigen Zeit von gegensätzlichen Ideologien und ständig neuen gesellschaftlichen und menschlichen Fragen bedrängt ist. Zu den Früchten seiner Arbeit gehört die Apostolische Konstitution Sapientia Chri-stiana, die an Stelle des Schreibens von Pius XI. Deus scientiarum Dominus, die nachfolgenden Vorschriften auftiahm, sie in Wirklichkeit vervollständigte und bereicherte. Im Licht der unlängst erschienenen Enzyklika Veritatis splendor scheint Artikel 68 der Konstitution von ganz besonderer Bedeutung zu sein; in Paragraph 1 heißt es: „Die geoffenbarte Wahrheit muß auch in Verbindung mit den wissenschaftlichen Ergebnissen der voranschreitenden Zeit betrachtet werden, damit man klar erkennt, ,wie der Glaube und die Vernunft sich in der einen Wahrheit begegnen’; ferner soll sie in einer Weise dargelegt werden, wie sie, ohne den Wahrheitsgehalt zu verändern, dem Wesen und der Eigenart einer jeden Kultur entspricht, wobei besonders die Philosophie und Weisheit der Völker Beachtung finden muß; es ist jedoch jede Form von Synkretismus und falschem Partikularismus auszuschließen”. Das war die ständige Sorge des Kardinals bis er 1980 das Amt des Präfekten de: Kongregation für das Katholische Bildungswesen niederlegte und beauftragt wurde die Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und der Kultur zu pflegen. Auch als Achtzigjähriger und bereits von altersbedingten Beschwerden geplagt setzte er, ein Mann apostolischen Mutes und großer Zuversicht, den Dienst für da: Reich Gottes fort. Er förderte den Seligsprechungsprozeß der Dienerin Gottes unc Gründerin der „Petites Soeurs des Pauvres”, Schwester Jeanne Jugan; er sorgte fü die Veröffentlichung und Neuausgabe einiger ihrer interessanten und nützlichen Bü eher; mit jugendlichem Eifer nahm er im Herbst 1985 anläßlich des zwanzigstel Jahrestags an der Beendigung des II. Vatikanischen Konzils an der Sondersitzun; der Bischofssynode teil. In Erwartung der Begegnung mit dem Herrn widmete e sich vor allem dem Gebet und der Meditation. Gott schenkte ihm zwar ein langes nicht aber ein unbeschwertes Leben. Stets werde ich jene Ruhe und Gelassenheit i: 346 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erinnerung haben, die er dank seiner beständigen, tiefen Einheit mit Gott ausstrahlte. Indem wir uns nun von ihm verabschieden, wollen wir dem Herrn für diesen seinen treuen Diener danken, den er der Weltkirche geschenkt hat. Auch schulden wir jenem katholischen Frankreich Anerkennung, das die Geschichte des Katholizismus durch ein breites philosophisch-künstlerisches und literarisches Erbe bereichert hat und zu deren bedeutenden Urhebern auch Kardinal Garrone gehörte. 3. Im Buch der Weisheit lesen wir folgende ermutigenden Worte: „Alle, die auf ihn vertrauen, werden die Wahrheit erkennen, und die Treuen werden bei ihm bleiben in Liebe. Denn Gnade und Erbarmen wird seinen Erwählten zuteil” (3,9). Kardinal Garrone vertraute auf den Herrn und war ihm treu ergeben: Gnade und Erbarmen werden ihm somit zweifellos beschieden sein! „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand!”: voll Treue ging Kardinal Garrone den beschwerüchen Weg dieses 20. Jahrhunderts und wurde Zeuge vom Untergang der Reiche, von dem gewaltsamen Entstehen und Niedergang der Diktaturen, der Ausdehnung der Kultur, von den Errungenschaften der Wissenschaft und Technik, von der Unterdrückung der Geringen und Armen. Er erlebte zwei furchtbare Weltkriege, die Mentalitäten und Brauchtum verändert haben: vor allem erkannte er die Krise des christlichen Glaubens und somit auch der Ethik und Pädagogik. Die bedeutsame Stimme eines Jahrhunderts der Geschichte sagt uns, daß alles vorübergeht, die Wahrheit aber immerfort bleibt: diese Botschaft vermittelt uns das Leben des verstorbenen Kardinals während wir über das Vergangene nachdenken und den Blick in die Zukunft richten. Wir leben in der Gewißheit des Gotteswortes, das auch sein Leben erfüllt hat: „Es ist aber der Wille dessen, der mich gesandt hat, daß ich keinen von denen, die er mir gegeben hat, zugrunde gehen lasse, sondern daß ich sie auferwecke am Letzten Tag” (Joh 6,39). Laßt uns in Erwartung der Ewigkeit leben, voll Sehnsucht nach Gott und seinem himmlischen Reich! 4. „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?” Das ist der sehnliche Wunsch des Psalmisten; das ist auch der Wunsch des verstorbenen Kardinals. Voll Vertrauen übergeben wir ihn heute dem gerechten und barmherzigen Vater im Himmel, während sein Andenken stets in uns lebendig bleibt. 347 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Lage der griechisch-katholischen Kirche in Rumänien Ansprache an die Teilnehmer der Tagung über die pastoralen Probleme der katholischen Kirche des byzantinischen Ritus in Rumänien, organisiert von der Kongregation für die Orientalischen Kirchen am 21. Januar Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, liebe Priester und Seminaristen! 1. „Die Apostel versammelten sich bei Jesus und berichteten ihm alles, was sie gelehrt hatten” (,Mk 6,30). Auch wir sind nach dem Beispiel der ersten Zeugen Christi erneut drei Jahre nach dem ersten Ad-limina-Besuch in der Ewigen Stadt versammelt, um zu beten und über die Schritte nachzudenken, die wir inzwischen im Namen des Herrn vollbracht haben. Jene erste Begegnung war ein historisches und providentielles Ereignis: Eure Kirche war nach 40 Jahren aus dem Kerker unaussprechlicher Leiden und schwerer Demütigungen hervorgegangen und begann erneut, ein christliches lieben in der wiedergewonnenen Freiheit zu planen. Wir fühlten uns in jener Stunde wirklich in der Gegenwart aller eurer Märtyrer und Bekenner des Glaubens, unserer mächtigen Fürsprecher am Throne des Lammes für ihr Volk, das endlich aus der Gefangenschaft herausgekommen ist. Viele Jahre hindurch „erhob sich ein unaufhörliches Gebet der Kirche zu Gott” (Apg 12,5) für euch. Dann erschien euch unversehens der Engel des Herrn und sagte: „Schnell, steh auf!” Und auch euch fielen wie dem Apostel Petrus die Ketten von den Händen. An jeden einzelnen von euch wandte sich der Engel mit den Worten: „Gürte dich, und zieh deine Sandalen an ... Wirf deinen Mantel um und folge mir!” (vgl. Apg 12,7-8). „Petrus ging hinaus und folgte ihm” (Apg 12,9). In diesen Jahren seid ihr wirklich dem Engel der Freiheit gefolgt und habt die überreichen Früchte jener Prüfungen entdeckt. Wie ließe es sich sonst erklären, daß zahlreiche Jugendliche an die Pforten der Seminare und Ordenshäuser pochen? Wie sollte man sonst den Eifer erklären, mit dem sich die Laien bemühen, die ihnen eigene Rolle in der Gemeinschaft der Kirche einzunehmen und euch mit voller Verfügbarkeit bei euren Initiativen zu unterstützen? 2. In diesen Tagen seid ihr einer Einladung des Hl. Stuhls gefolgt und nach Ron gekommen, um eines Sinnes mit meinen Mitarbeitern an der Römischen Kurie und qualifizierten Fachleuten die vom Geist inspirierten Entscheidungen reifen zu lassen Es ist ja der Geist, der „alle zur Erkenntnis Gottes erleuchtet, er begeistert die Propheten, macht weise die Gesetzgeber, weiht die Priester, stärkt die Könige, vollendet die Gerechten, macht Enthaltsame ehrwürdig, bewirkt die Gabe der Heilung’ (Basilius, Homilie über den Glauben, Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 2, Müncher 1925, S. 394). 348 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine nicht gewollte, ja mit großem Leid ertragene Isolierung hat euch gehindert, voll an jenem Frühling der Kirche teilzuhaben, der das Zweite Vatikanische Konzil gewesen ist, auf dem es möglich war, aus der Schrift, den Vätern und der Liturgie die lebenspendende Nahrung zu gewinnen, um gediegen und frisch auf die Fragen und Erwartungen des Menschen von heute antworten zu können. In diesen Tagen aber hattet ihr Gelegenheit, eure christliche Erfahrung mit der stärkenden Lebenskraft des Konzils durchdringen zu lassen, damit seine Botschaft, dem Urspmng getreu, auch eure spezifische Identität befruchte und sie in neuer Kraft und Schönheit erstrahlen lasse. 3. Ihr habt vor allem erkannt, daß die Lebenskraft der Kirche und die Glaubwürdigkeit der Botschaft des Evangeliums weithin von einer sorgfältigen Ausbildung des Klerus abhängen. Ein harmonisches Wachstum der Persönlichkeit, ein inneres Leben in tiefer und herzlicher Gemeinschaft mit dem Herrn, genährt vor allem durch die Liturgie und das persönliche Gebet, das volle und tief empfundene Bewußtsein von den Geheimnissen des Heiles, erworben durch ein anspruchsvolles Studium, das auf dem heutigen Stand ist und die verschiedenen Fächer übergreift, das sind einige Aspekte, die eure Bildungsaufgabe tragen müssen. Die Betrübnisse der Vergangenheit werden euch nicht hindern, die Jugendlichkeit eurer Kirche neu zu kräftigen, wenn ihr vor allem der Ausbildung der neuen Priester weiten Raum gebt, denn sie sind berufen, Anreger dieser Hoffnung, ja einer wahren Auferstehung zu sein. Um dieses Ergebnis zu erzielen, wird es vor allem euer Anliegen sein, Erzieher des Klerus auszuwählen und vorzubereiten: Beauftragt weise Männer mit beispielhaftem Leben, die auch menschliche Tugenden besitzen. Verschafft ihnen wirkliche Fachkenntnis in den Fächern, die sie unterrichten sollen, so daß sie qualifizierte Führer bei der Vorbereitung derer werden können, die einmal im Weinberg des Herrn arbeiten sollen. Die Kirche ist vor allem durch die Kongregation für die Orientalischen Kirchen bereit, dieses euer Bemühen in jeder Weise zu unterstützen. Vergebt ferner nicht die ständige Weiterbildung des Klerus, zumal nachdem so viele lahre hindurch die Möglichkeit des Studiums sehr eingeschränkt, wenn nicht gänzlich verwehrt war. Soll dieses Ausbildungsprogramm voll verwirklicht werden, ist eine enge, vertrau-;nsvolle und ständige Zusammenarbeit der Erziehungsinstitute eurer Kirche notwendig: Konzentriert euer Bemühen so, daß ihr vor allem die Qualität betont. L Eine weitere sehr wichtige Aufgabe bildet die Sorge für die Heilige Liturgie, den Drt, wo der Glaube zur Verkündigung und Anbetung wird und sich die Gemein-;chaft sowie die Geschwisterlichkeit unter den Gläubigen zeigt: Sie ist die eigent-iche Bilderin des christlichen Lebens und die vollständigste Zusammenfassung sei-1er verschiedenen Aspekte. Die Verhältnisse der Vergangenheit haben euch der li-urgischen Feiern beraubt, die in aller Feierlichkeit veranstaltet werden sollten, wie ■s zumal die byzantinische Tradition fordert. Nun geht es darum, unverzüglich eine 349 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN immer tiefere Kenntnis ihrer beispielhaften Verwendung zurückzugewinnen, um die volle Anhänglichkeit an eure uralten Traditionen neu zu festigen (vgl. Orientalium Ecclesiarum, Nr. 6). Die Arbeit muß klug, aber synthetisch und mutig erfolgen und sich auf ein aufmerksames Studium der Quellen und eine passende Katechese stützen. Vor allem ist dafür zu sorgen, daß unverzüglich dem Klerus und den Gläubigen die liturgischen Bücher zur Verfügung gestellt werden. Diese Vertiefung des Bewußtseins von der liturgischen Identität und das Bemühen, die Erfordernisse in das konkrete Leben zu überführen, werden das Fundament einer echten kirchlichen Wiedergeburt bilden und mithelfen, auch die Beziehung zur Orthodoxen Kirche neu zu festigen in dem Wissen um dieses gemeinsame Erbe und seine Anwendung. 5. Wir wissen, daß noch einige Hindernisse Schwierigkeiten auf dem Weg zur vollen und sichtbaren Geschwisterlichkeit unter den Christen bereiten, obwohl diese doch für die Bezeugung des Evangeliums so notwendig ist. Zu diesem Punkt konnte ich bereits betonen: „Alle müssen davon überzeugt sein, daß auch in solchen Fällen sich eher gelegentlich ergebender und praktischer Streitfragen der Dialog noch das geeignetste Mittel ist, einen brüderlichen Austausch anzustreben, der zum Ziel hat, den Streit im Geist der Gerechtigkeit und der Liebe zu beseitigen” {Brief an die Bischöfe des europäischen Kontinents über die Beziehungen zwischen Katholiken und Orthodoxen in der neuen Lage Mittel- und Osteuropas, Nr. 2, in: O.R.dt., 21.6.1991, S. 7). Die griechisch-katholische Kirche in Rumänien hat keinen Überfluß an Habe und materiellen Strukturen, auch wenn diese sich neu zu bilden beginnen: Ihr eigentlicher Reichtum ist die Lebenskraft des Glaubens selbst, der ohne zu zögern einen hohen Preis der Treue zu Gott, zur Kirche und zu den Rechten des menschlichen Gewissens bezahlt hat. 6. Wir dürfen nicht vergessen, daß es noch viele sind, die mit der Verkündigung des Evangeliums erreicht werden müssen; so viele Jugendliche erwarten von der Kirche eine Hoffnung und Sinn für ihr Leben; so viele neue Arme warten auf einen barmherzigen Samariter, der sich ihrer annimmt. Eine engere Zusammenarbeit und wirksamere Koordinierung auf Ebene der Eparchien und auch auf der der Metropolit werden unerläßlich bleiben für die Verbreitung einer fruchtbaren und systematischer Katechese, für die Kräftigung der Laienverbände und -bewegungen, für die Ausbildung, die Kraft und die Treue in voller Übereinstimmung mit einem organischer Pastoralplan; endlich auch für das Anwachsen von Werken und Initiativen der Cari tas und Sozialhilfe. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, es nähert sich bereits der Jahrestag der 300 Jahn seit eurer Vereinigung mit dem Sitz des Petrus, den wir am 7. Oktober 1998 bege hen; dieses Ziel sei für alle eine kräftige Anregung für ein noch intensiveres un( wirksameres Bemühen im Geist der Brüderlichkeit und Offenheit. 350 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Überbringt allen den Gruß des Papstes, zumal dem verehrten Kardinal Alexandra Todea, der Gott täglich sein Gebet und seine Leiden für das Wohl eurer Kirche darbringt, für die er wirklich sein Leben hingegeben hat. Ich denke ferner an Bischof Lucian Muresan, der auch seinerseits aus Gesundheitsgründen heute nicht bei uns sein kann. Versichert der ganzen edlen rumänischen Nation meine Zuneigung und mein ständiges Gebetsgedenken. Ich verfolge persönlich mit intensiver Anteilnahme den Weg eurer Kirche. Mit diesen Empfindungen tiefer Gemeinschaft erteile ich euch meinen Segen, mit dem ich zugleich auch alle eurer pastoralen Sorge anvertrauten Gläubigen umfassen möchte. Ihr seid nicht verlassen! Wir sind immer mit euch! Predigt bei der Messe am Gebetstag für den Frieden in den Balkanländem, 23. Januar 1. „Denn er (Christus) ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile (Juden und Heiden) und riß durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder” (Eph 2,14). Die Worte des Briefes an die Epheser über die Wand, welche die Menschheit getrennt hat, erinnern an die Berliner Mauer, die Europa lange Jahre hindurch in zwei entgegensetzte Blöcke geteilt hat. Nach ihrem Fall im Jahr 1989 scheinen jedoch neue Mauern erstanden zu sein, die Europa auf andere Weise und aus anderen Gründen teilen. Diese modernen Schranken, die vor allem die Nationen spalten, sind offensichtlich die Nationalismen. Wir sind heute Zeugen des unbestrittenen Entstehens solcher Spaltungen, wie es in den Balkanländem geschieht. Die Feindschaft, welche die Völker entzweit, die zuvor fähig waren, friedlich zusammenzuleben, ist für Europa und für die Welt Grund zu neuer Beunruhigung und offensichtlicher Gefahr geworden. Angesichts solcher Bedrohungen lädt uns der Apostel ein, unser Denken auf Christus zu richten. „Denn er ist unser Friede” (Eph 2,14), weil er die Wand niederriß, welche die Menschheit trennte. Paulus erklärt uns, daß diese Wand zwischen Juden und Heiden stand: Christus hat sie durch sein Blut, das er am Kreuz vergoß, niedergerissen. Durch das Kreuz hat er alle erlöst und jede Nation und jedes Volk der Erde mit gleicher Liebe umfaßt. Er hat jeden Menschen, Mann und Frau, Juden und Griechen, Freien und Sklaven zu sich gezogen (vgl. Kol 3,11). An ihn wenden wir uns also heute, während wir in der Petersbasilika in der Gebetswoche für die Einheit der Christen versammelt sind, um den Frieden in den Balkanländem zu erbitten, damit endlich der Krieg ein Ende nehme, der vor allem in Bosnien und in Herzegowina geführt wird. 351 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist ein Gebetstag, der die gesamte Kirche umfaßt. Um ihn vorzubereiten, hat zu Monatsbeginn ein Studientreffen im Vatikan im Geist des Weltfriedenstages stattgefunden, das dem Thema Frieden in den Balkanländem gewidmet war. Diejenigen, welche daran teilnahmen, haben sich bemüht, die Mechanismen des Krieges zu verstehen, der leider weitergeht, und zugleich eine Antwort auf die Frage gesucht, ob, in welcher Weise und unter welchen Bedingungen der Frieden im ehemaligen Jugoslawien möglich sei. Der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden hat einen Aufruf veröffentlicht, der Reflexionen enthält, die im Laufe der Konferenz gereift sind und auf die wir am heutigen Gebetstag Bezug nehmen wollen. 2. Das Gebet heute soll vor allem eine große, flehentliche Bitte sein, der eine tiefempfundene Danksagung vorauszugehen hat. Müssen wir denn Gott nicht dafür danken, daß in unserer Zeit der Frieden in Europa und in der Welt im wesentlichen bewahrt worden ist? Wenn wir zurückschauen und an die vorherrschende Sorge der achtziger Jahre denken, dürfen wir nicht die damals befürchtete Gefahr eines Atomkrieges vergessen. Dieser Konflikt schien das unausweichliche Ergebnis der Auseinandersetzung jener beiden Welten, welche die Berliner Mauer in Europa künstlich teilte. Wie könnte man den Rüstungswettlauf und den tragischen Wettbewerb in der Perfektionierung der technischen Vernichtungswaffen vergessen? Wir waren uns wohl bewußt, daß das alles auf dem Gewissen nicht nur Europas, sondern der ganzen Menschheit lastete. In der 1988 veröffentlichten Enzyklika Sollicitudo rei socia-lis betonte ich, daß die Kriegsvorbereitungen, weil sie riesige Aufwendungen von beiden Seiten erforderten, den Weg des wünschenswerten und gerechten Fortschritts besonders in den Entwicklungsländern entscheidend verlangsamten (vgl. Nr. 10). Gott, immer wachsam und barmherzig in seiner Vorsehung, hat uns erlaubt, das Schlimmste zu verhüten. Und heute danken wir ihm aus tiefstem Herzen. Trotzdem leiden wir, weil neue Mauern errichtet wurden, die jetzt nicht mehr so sehr die Systeme, sondern die einzelnen Nationen, insbesondere die des ehemaligen Jugoslawien entzweien. Die Feststellung der ständig geschürten gegenseitigen Feindseligkeiten schmerzt und erschreckt uns. Wir leiden beim Anblick so vieler Grausamkeiten, der vielfältigen und schwersten Verletzungen der Menschenrechte, der Zerstörung unschätzbarer Denkmäler der Zivilisation. Tief berühren uns die an Frauen unc Kindern, alten und schutzlosen Menschen verübten Gewalttaten. Deshalb ist dei Hauptmoment unseres Gebets die flehentliche Bitte, der Ruf um Frieden. 3. Liebe Brüder und Schwestern, wir sind hier versammelt, um diese eindringliche Bitte um Frieden im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen zu erheben, während wir uns mit unseren Brüdern und Schwestern im Glauben vereinen. Sc geschieht es allerorts auf der Welt, so auch in unserer Stadt. Der Bischof von Ron dankt deshalb allen Vertretern der Kirchen und christlichen Gemeinschaften für ihre Teilnahme an diesem solidarischen Gebet. Die traditionelle Begegnung, die ge wohnlich in der Basilika St. Paul vor den Mauern stattfindet, wird in diesem Jahr ii St. Peter abgehalten. Wir sind deshalb geistig mit dem großen Völkerapostel ver 352 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eint. Indem er Christus verkündete, brachte er den Femen und den Nahen Frieden (vgl. Jes 57,19). Durch Christus haben die einen wie die anderen tatsächlich Zutritt zum Vater in dem einen Geist (vgl. Eph 2,18). Christus ist unser Frieden (vgl. Eph 2,14): Er ist es, der uns mit dem Vater versöhnt hat; er ist es, der den Menschen aller Zeiten mit Gott und damit die Menschheit, die durch das Erbe der Ursünde belastet war, versöhnt hat. Indem er die Schuld des ersten Adam auf sich nahm, hat Jesus durch seinen Tod am Kreuz die alte Sünde getilgt, und so ist, „wo die Sünde mächtig wurde, die Gnade übergroß geworden” (vgl. Rom 5,20). Sein Opfertod ist der Preis dieses Friedens. Eben deshalb sagt der auferstandene Christus, während er den Aposteln die Wundmale der Kreuzigung zeigt: „Friede sei mit euch!” (Joh 20,21). Dann fügt er hinzu: „Empfangt den heiligen Geist!” (Joh 20,22), den Geist der Liebe, den er geben kann infolge unserer Versöhnung mit dem Vater, die er durch seinen Kreuzestod gewirkt hat. In dieser Dimension ist Christus wirklich unser Frieden, der universale Frieden. Das Christentum ist die Religion des universalen Friedens. Seine Sendung ist es, in Christus die Menschen zu einen und ihnen bewußt zu machen, daß sie untereinander Brüder und Schwestern sind, weil sie in ihm Adoptivkinder des einen Vaters im Himmel sind. Diese Wahrheit verurteilt jede zwischen Menschen und Nationen bestehende Form des Hasses, der Feindschaft und der Grausamkeit. Diese Wahrheit ist ein unaufhörlicher Ruf zum Frieden auf Erden. Frieden den Menschen guten Willens! Diese Botschaft erklang in der Nacht von Betlehem. Der Frieden ist das wahre Wohl der Menschheit, der Ausdruck des Gefallens, das Gott am Menschen von Anfang an findet, seit er ihn als Mann und Frau erschaffen und ihm die ganze sichtbare Welt anvertraut hat. Aber dieser Frieden ist auch an den guten Willen der Menschen gebunden. Gegenstand unseres Gebets von heute ist gerade dieser gute Wille. Wir erflehen ihn für alle: für die Politiker und für die Generäle, die an der Spitze der Streitkräfte stehen, für die Regierenden und für die Repräsentanten der internationalen Institutionen, für die Minister und die Verantwortlichen der humanitären Organisationen, die für die Gefangenen und Flüchtlinge sorgen; für alle, die medizinische Hilfe und karitativen Beistand leisten. 4. Meine Lieben! Heute beten wir auch für die Einheit der untereinander noch getrennten Christen. Die Kriegsereignisse in den Balkanländem haben nicht nur das feste Einvernehmen der Nationen verletzt, sondern auch das ausgewogene Zusammenleben der Religionen getrübt. Der Konflikt auf dem Boden des ehemaligen Jugoslawien und besonders in Bosnien-Herzegovina ist gewiß kein Religionskrieg, und ebensowenig sind es die Geschehnisse in Nordirland. Dies muß deutlich unterstrichen werden, jedoch mit dem Zusatz, daß die betroffenen Völker verschiedenen Kirchen und Religionen angehören. Die hauptsächlich politische Auseinandersetzung zwischen Gruppen und Nationen kann also leicht als ein Kampf zwischen verschiedenen Bekenntnissen interpretiert werden. Bei einer nationalistischen Ausrich- 353 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tung droht die religiöse oder Konfessionszugehörigkeit ein weiterer Beweggrund zu Feindschaft und Haß zu werden. All das steht gewiß Christus entgegen, der jedoch alle durch seinen Kreuzestod versöhnt und erlöst hat. Jesus hat vor seinem Tod eine eindringliche Bitte für die Einheit derer, die an ihn glauben, ausgesprochen: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein” (Joh 17,21). Die Worte des hohenpriesterlichen Gebets des Erlösers verbinden uns heute in besonderer Weise. Sie sind für uns die ständige Herausforderung, welche die Christen seit einiger Zeit besonders lebhaft und dramatisch spüren. Wir alle empfinden mit wachsender Bewegung die Bedeutsamkeit dieser Worte im Hinblick auf das Jahr 2000. Das zweite Jahrtausend war eine Zeit der Spaltungen zwischen den Christen des Ostens und denen des Westens. Sind wir nicht gehalten, vor der Jahrhundertwende alle Anstrengungen zu unternehmen, damit das, was uns trennt, verringert und eingeschränkt, und das, was uns eint, gefestigt und erweitert werde? 5. Das Jahr 1993 ist von nicht wenigen und einladenden Fortschritten auf dem schwierigen Weg der Einheit der Christen gekennzeichnet. Im Bewußtsein der leider noch anhaltenden Trennungen suchen die Jünger Christi, sich einer dem andern gegenüber zu öffnen und aufeinander zuzustreben in Initiativen, die dem Willen des göttlichen Erlösers entsprechen. Im vergangen Sommer wurde in Santiago de Compostela die Versammlung der Kommission „Glaube und Kirchenverfassung” abgehalten, die das Departement für die theologischen Forschungen des Weltkirchenrates ist. Die Theologen, die daran teilnahmen, haben eine vertiefte Reflexion über das Thema der kirchlichen Gemeinschaft entfaltet. Im Juni vergangenen Jahres ist auch die internationale Kommission für den Dialog zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche zusammengetreten. Die Auseinandersetzung war nützlich und hat trotz der anhaltenden Schwierigkeiten in allen die Hoffnung genährt, zur vollen Gemeinschaft gelangen zu können. Im September hatte ich auf meiner Reise in die Baltenländer Gelegenheit, persönlich die verschiedenen christlichen Gemeinschaften zu treffen, die in diesen Ländern wohnen, und sie aufzurufen, nicht nur die Minderheiten zu achten, sondern unter ihnen auch brüderliche und uneigennützige Beziehungen aufzubauen. Die Reise, die ich für die kommenden Monate in den Libanon zur Synode der katholischen Bischöfe plane, wird mir erlauben, auch die orthodoxen Patriarchen dieser Region zu treffen, die mich alle in den vergangenen Jahren in Rom besucht haben. Vor kurzem habe ich zu meiner großen Freude die Ankündigung vernommen, daß der Ökumenische Patriarch Rom und dessen Bischof im nächsten Jahr besuchen will. Danken wir dem Herrn für den Geist der Liebe, in dem die Begegnungen zwischen den katholischen und den anglikanischen Bischöfen über - wie wir wissen - heikle 354 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Probleme verlaufen. Danken wir auch für die bedeutsamen Klärungen, die im Dialog zwischen Katholiken und Lutheranern über die Rechtfertigungslehre erreicht wurden. Das erlaubt uns, begründete Hoffnungen für günstige Entwicklungen in der Zukunft zu hegen. 6. „Friede den Femen und den Nahen!” (Jes 57,19). Meine Lieben, die messianische Verheißung des Jesaja hat im Brief an die Epheser Widerhall gefunden. „Friede den Femen und den Nahen, spricht der Herr, ich werde sie heilen. ... Ich bin auch bei den Zerschlagenen und Bedrückten, um den Geist der Bedrückten wieder aufleben zu lassen und das Herz der Zerschlagenen neu zu beleben” (Jes 57,19.15). Vor diesem Hintergrund scheinen die Worte des Propheten besonders aktuell: „Bahnt eine Straße, ebnet den Weg, entfernt die Hindernisse auf dem Weg meines Volkes” (Jes 57,14). Es sind Worte, die den Advent betreffen, einen Advent, der unaufhörlich andauert und während dem die Menschen und die Nationen ohne Unterlaß alle Bemühungen unternehmen müssen, die mit dem Frieden und mit der Gerechtigkeit auf Erden verbunden sind. In der Bergpredigt preist Christus die Friedensstifter selig (vgl. Mt 5,9). Möge unser heutiges Gebet zu Werken des Friedens inspirieren. Möge Christus, unser wahrer Frieden, uns zu jenen Werken anleiten, die diesem wirklich dienen. Dies erbitte uns seine Mutter, die Königin des Friedens. Die Fürsprache des hl. Franziskus, des Patrons des Gebetstreffens für den Frieden vom vergangenen Jahr in Assisi, begleite uns. Helfen mögen uns durch ihre Fürsprache auch die Patrone Europas, der hl. Benedikt und die hll. Kyrill und Method wie auch die hl. Birgitta von Schweden, die hl. Elisabeth von Ungarn, die hl. Hedwig von Schlesien und die Heiligen, die besondere Verdienste bei der Förderang des Friedens unter den Menschen und Nationen hatten. Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünden der Welt, gib uns den Frieden! Liebe Brüder und Schwestern, dieses Gebet von heute ist zugleich ein Pilgerweg. Ja, wir sind die pilgernde Kirche und auf Pilgerschaft. Man kann sagen, daß wir auf den Knien pilgern, wie ich so oft in den Wallfahrtsorten nicht nur in meiner Heimat, sondern auch auf den Philippinen, in Mexiko und anderswo gesehen habe. Pilgern, wallfahren für den Frieden, pilgern und beten, flehentlich bitten. Auf diesem Pilgerweg betreten wir die gepeinigten Balkanländer, gehen wir zu diesen unseren Brüdern und Schwestern, die leiden, damit sie sich nicht allein und verlassen fühlen: Ihr seid nicht verlassen, wir sind mit euch, und wir werden mit euch und immer mehr mit euch sein! Der Frieden muß siegen in diesem Land, in den Balkanländem, in unserem Europa, in allen Teilen der Welt. Er muß siegen mit der Hilfe Gottes! Die menschlichen Kräfte erweisen sich vielleicht als schwach und ungenügend, aber es gibt eine stärkere Kraft, die von heute. Diese große Kraft muß man immer mehr anwenden, damit das möglich wird, was menschlich unmöglich scheint. 355 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser Pilgerweg, diese Wallfahrt führt uns in die ganze Welt, um zu all unseren christlichen und nichtchristlichen Brüdern und Schwestern in der ganzen Welt zu gelangen, zu allen, die sich 1986 in Assisi versammelt haben. Dieses Gebet geht vor allem zu unseren Brüdern, den Patriarchen und Bischöfen des Ostens, zu unseren Brüdern, den Führern der Reformierten Kirchen und Gemeinschaften im Westen. Wir gehen überallhin, überall und mit allen beten wir um Frieden. Mit allen. Zu allen sagen wir: Brüder und Schwestern, für diese Spaltungen sind wir nicht verantwortlich! Wenn uns die Einheit fehlt, wie kann uns die Welt glauben? Jesus hat gebetet: „Alle sollen eins sein ...”, damit die Welt glaubt. Und das wird an der Schwelle des dritten Jahrtausends zu einer Gewissenserforschung, an erster Stelle für den Papst. So verläuft unser Gebet für die Einheit der Christen heute in St. Peter. Gewöhnlich fand in St. Paul ein wichtiges Treffen statt, dem ich immer höchste Bedeutung zugemessen habe. St. Peter wird auf diese Weise noch universaler. Ich danke für eure Vorbereitung. Ich möchte diesen Dank an die ganze Welt, an alle Kirchen richten, die heute dasselbe tun. Die Kirche in aller Welt, in ganz Europa betet heute. Dieses Aufsehen, dieser große Lärm, der immer um Christus ist, war notwendig. Möge er mit großer Lautstärke bitten, möge er flehen, während er uns so gedemütigt, so schwach sieht. Möge er bitten, er ist unsere Kraft, er ist unser Frieden. Mit ihm und für uns mögen seine Mutter, unsere Heiligen, die hll. Petrus und Paulus, bitten. Wir sind vereint, in Gemeinschaft, in der Gemeinschaft der Heiligen. Muß nicht diese Gemeinschaft der Heiligen das Vorbild unserer Gemeinschaft im Glauben und in der Kirche werden? Beten wir, möge er mit uns bitten, daß wir eins seien: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein!” Amen. Journalismus - Gebrauch der Sprache im Dienst der Wahrheit Ansprache an die beim Hl. Stuhl akkreditierten Journalisten am 24. Januar Herr Direktor des Presseamts, meine Damen und Herren Journalisten, Brüder und Schwestern! 1. Ich bin sehr erfreut, mit Ihnen an Ihrem Arbeitsplatz, dem komplett renovierten und mit modernsten technischen Geräten für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit ausgestatteten Presseamt des Hl. Stuhls, zusammenzukommen. In diesem Konferenzraum, dem Ort, wo Sie aus beruflichen Gründen Persönlichkeiten der Kirche und Fachleute treffen, habe ich heute nicht nur das Vergnügen, mil Ihnen zu sprechen, sondern auch eine Möglichkeit, die vielen Aufmerksamkeiten. 356 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Sie mir zuteil werden lassen, zu erwidern. Lassen Sie mich deshalb gleich zu Anfang die Gelegenheit nutzen, Sie ganz herzlich zu begrüßen. Mein besonderer Dank geht dabei an den Direktor, Herrn Dr. Navarro-Valls, und dessen eifrige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Sodann möchte ich alle akkreditierten Journalisten und Fotoreporter begrüßen und sie bitten, meine Grüße an ihre Familien zu übermitteln. Wie könnte ich diese Gelegenheit ungenutzt lassen, um Sie für all die zusätzlichen Mühen, die ich nicht selten Ihrem normalen Arbeitspensum hinzufüge, und Ihre Lieben für die Zeit, die Sie ihnen entziehen, um sich Ihrer beruflichen Tätigkeit zu widmen, um Verzeihung zu bitten? Im Rahmen Ihrer Arbeit und neben der täglichen Anwesenheit in diesem Presseamt begleiten Sie mich auf meinen pastoralen Besuchen in die römischen Pfarreien, auf die päpstlichen Reisen innerhalb und außerhalb Italiens. Ich weiß sehr wohl, wie schwierig das ist und daß es zuweilen auch nicht wenige Unannehmlichkeiten verursacht: So erfordert es von Ihnen Hingabe, Kompetenz, Anpassungsfähigkeit und konstante Weiterbildung. Ihre Aufgabe ist es, aus nächster Nähe die Aktivitäten des Nachfolgers Petri und des Hl. Stuhls zu verfolgen. In gewisser Hinsicht gehören Sie zu den Personen aus meinem engsten Umfeld und sind damit betraut, die öffentliche Meinung unter Zuhilfenahme der Kommunikationsmittel über meinen pastoralen Dienst in Kenntnis zu setzen. Sie befassen sich jedoch nicht nur mit dem Papst: Ihr Augenmerk gilt vielmehr auch der gesamten vielfältigen Arbeit des Hl. Stuhls und der Weltkirche. 2. Sicherlich kann heute, meine lieben Damen und Herren Journalisten, die Bedeutung der Massenmedien, die zu „Hauptquellen für Information und Erziehung, Leitung und Anregung auf der Ebene des einzelnen Menschen, der Familie und des Sozialverhaltens” geworden sind (vgl. Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel, 1. März 1991) nicht bestritten werden. Die Botschaft des Lebens und der Hoffnung, die die Kirche verkündet, ist alt und dennoch immer neu: „Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit” (.1 Kor 1,23-24). Ihnen, den mit religiöser Information beauftragten Journalisten, fällt die heikle und schwierige Aufgabe zu, die Botschaft des Evangeliums wiederzugeben, so wie es in unserer heutigen Zeit in der Welt widerhallt. Ihre Arbeit erfordert daher Fingerspitzengefühl und ist nicht einfach, da Sie sich nicht mit oberflächlichen Bewertungen begnügen sollen, mit anderen Worten: Religiöse Ereignisse sollen nicht so behandelt werden als seien es einfache Vorkommnisse auf menschlicher Ebene. Von Ihnen wird sehr viel mehr erwartet: nämlich ein zugleich geistliches und zeitüches Gut zu vermitteln, eine ewige Wahrheit, die in die Geschichte eintritt. Sie sollen also dazu beitragen, dem Evangelium in der von den modernen Kommunikationsmitteln ge- 357 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaffenen „neuen Kultur” Gestalt zu verleihen, um jenen Bruch zwischen Verkündigung des Evangeliums und Kultur zu überwinden, den Papst Paul VI. als „die Tragödie unserer Zeit” bezeichnet hatte (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 20). Wie Ihr Schutzheiliger, der hl. Franz von Sales, dessen Fest wir heute begehen, sind Sie dazu aufgerufen, Ihre Erfahrung im Gebrauch der Sprache in den Dienst der Wahrheit zu stellen und so zur Schaffung einer brüderlichen und solidarischen Gesellschaft beizutragen, die sich an den Werten der „Gesellschaft im Zeichen der Liebe” orientiert. 3. Liebe Journalisten, wie ich es bereits angesprochen habe, haben viele unter Ihnen mich in den vergangenen Jahren auf meinen Pilgerfahrten um die Welt begleitet. Ich möchte an dieser Stelle innehalten, um wenigstens die Reisen des Jahres 1993 ins Gedächtnis zu rufen: neun Reisen in Italien und fünf in europäische, afrikanische und amerikanische Länder; diesen müssen noch einige Besuche in den römischen Pfarreien und anderen Einrichtungen wie beispielsweise Krankenhäusern, Seminaren, Schulen und religiösen Einrichtungen zugerechnet werden. Auch wer diese interessanten geistlichen Erfahrungen nicht mit mir gemacht hat, war mir mit seinem Arbeitseinsatz dennoch nahe. So haben wir im Laufe des letzten Jahres zusammen Tausende von Kilometern zurückgelegt: Bei unseren Besuchen in den afrikanischen Nationen Benin, Uganda und dem Sudan; innerhalb Europas führten uns unsere Reisen nach Albanien, Spanien in und die Länder des Baltikums, die, wie Albanien, bis vor kurzem von einem unbeugsamen kommunistischen Regime unterdrückt wurden; auf dem amerikanischen Kontinent zählten Jamaika, Yucatan in Mexiko mit seinen Menschen, die mir so nahe sind, und schließlich Denver und das bewegende Treffen mit Tausenden von Jugendlichen anläßlich des Weltjugendtages zu unseren Reisezielen. Überall legte ich großen Wert darauf, den Aufruf zu erneuern, mit dem ich meinen Dienst als Nachfolger Petri angetreten habe: Öffnet Christus die Türen! 4. Ein Dienst, den ich erfüllt habe und weiterhin erfüllen werde, vor allem im Hinblick auf den bedeutenden Treffpunkt des Jahres 2000, worauf sich die Kirche ir ihrer Gesamtheit mit dem Gebet, der Besinnung und neuem missionarischem Eifei vorbereitet. Der Beginn des dritten christlichen Jahrtausends stellt einen zweifellos wichtigen Abschnitt nicht nur für die Gemeinschaft der Kirche, sondern auch für die Stadt Rom, für Europa, für die gesamte Menschheit dar. Dies soll nicht als eine: chiliastischen Logik das Wort redend verstanden werden: Ich bin vielmehr der festen Überzeugung, daß das 3. Jahrtausend das „große Mysterium” des Glauben: Wiederaufleben lassen wird. In diesen sechs Jahren der Vorbereitung ist die gesamt« kirchliche Gemeinschaft aufgerufen, die Geschichte der Menschheit in der Tiefen Perspektive zu betrachten, damit die Zeichen jener authentischen Erneuerung er kannt werden, die aus der Begegnung mit Christus entsteht. Seit dem Zweiten Vati kanischen Konzil haben wir, so kann man wohl sagen, den Weg hin auf dieses be vorstehende historische und christliche Ereignis eingeschlagen. Ein Weg, der näher bringt und zusammenführt. Vor allem junge Menschen sind von einer inneren Sehn 358 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sucht nach Wahrheit und Gerechtigkeit, nach Solidarität und Versöhnung erfüllt. Sie streben nach Einheit, Eintracht und wahrem Frieden des einzelnen und der Völker untereinander. Gerade dank der fortwährenden Gegenwart Christi in der Geschichte können wir wirklich auf eine ethische und religiöse Wiedergeburt und eine bessere Zukunft für alle hoffen. Das Jubiläum des Jahres 2000 ist daher auch eine Ankündigung äußerer und innerer Freude, eine wichtige Ankündigung für alle Gläubigen und Nichtgläubigen. So erinnert es nicht nur an Christi Geburt in der Nacht von Bethlehem, sondern stellt auch den Aufruf dar, das Ereignis der göttlichen Rettung, das von Christus, „der will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen” (7 Tim 2,4), gelebt wurde, wirksamer präsent zu machen. 5. Meine heben Freunde Journalisten! Als Weggefährten auf derselben Pilgerreise sehen wir uns mit oftmals dramatischen Situationen konfrontiert, aber dennoch sind wir auch Zeugen ermutigender Zeichen der Hoffnung für die heutige Menschheit. Dies betrifft uns und macht uns verantwortungsbewußt. Gott möge Ihnen helfen, stets getreue Mittler der Wahrheit zu sein. Seien Sie sich sicher: Ihre Tätigkeit, bei der konstant das Augenmerk darauf gerichtet ist, objektiv und das Gemeinwohl respektierend zu arbeiten, wird beim Herrn, der mit väterlicher Liebe über jeden von uns wacht, sicherlich die angemessene Anerkennung finden. Bei Ihrer ständigen Aktivität, die sich der Worte und Bilder bedient, möge Sie die Liebe der Mutter Jesu Christi geleiten - das Wort Gottes, das perfekte Ebenbild des Vaters (vgl. 2 Kor 4,4) - und der hl. Franz von Sales, der Meister der klaren und wahrheitsgetreuen Kommunikation, beschützen. Der päpstliche Segen, den ich den hier Anwesenden und allen Ihren Familienmitgliedern erteile, möge Sie begleiten. Marktwirtschaft setzt Sicherheit der individuellen Freiheit und des Eigentums voraus Ansprache an die Mitglieder der „Banca d'Italia” am 27. Januar Herr Präsident, meine Herren Mitglieder des Direktoriums, des höheren Rates und des Gewerkschaftskollegiums der Italienischen Zentralbank! 1. Ich danke Ihnen für diesen Ihren Besuch, mit dem Sie an das erste Jahrhundert seit Gründung der „Banca d'Italia” erinnern wollten. Ich danke besonders dem Herrn Präsidenten für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Ihnen allen gilt mein herzliches Willkommen. Unsere heutige Begegnung fallt in eine heikle und schwierige Stunde in der Geschichte Italiens; doch in seinen hundert Lebensjahren ist Ihr Bankinstitut Zeuge von 359 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stunden gewesen, in denen eine nicht weniger große Verwirrung herrschte, die aber zugleich erwiesen haben, daß die Nation die Fähigkeit besaß, sie zu überwinden. An dieses hochherzige Volk wollte ich mich vor wenigen Wochen in einem an seine Bischöfe gerichteten Brief wenden, um in einem herzlichen Aufruf die Katholiken nicht nur zu bitten, ihre eigene Verantwortung auf sozialem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet zu übernehmen, sondern um zugleich allen Italienern meine Hochachtung und Zuneigung auszusprechen. Ich habe zutiefst das Vertrauen, daß Italien trotz der Probleme, die es im Augenblick plagen, im kostbaren Erbe seiner Kultur und seines Glaubens die Kraft für ein neues, vor allem ideelles und moralisches „risorgimento” finden wird. 2. Seitdem es im vergangenen Jahrhundert seine politische Einheit erreicht hat, waren Italien gewaltige Fortschritte beschieden, die seiner Geschichte würdig sind; Fortschritte, die ihm mit Recht die Hochachtung der internationalen Gemeinschaft eingebracht haben. Auf diesem Weg hat aber eine nicht zu unterschätzende Rolle das Institut gespielt, das Sie vertreten. Es ist Ausdruck und Werkzeug der fortschreitenden nationalen Einigung. Denn am Vorabend seiner Einrichtung gab es sechs Institutionen, welche die Funktion von Emissionsinstituten innehatten. Schrittweise wurde der „Banca d'Italia” die derzeitige Form gegeben, so daß sie ein Institut öffentlichen Rechtes wurde und allein das Emissionsrecht hat. So befindet sie sich jetzt im Mittelpunkt des Geldsystems und besitzt die grundlegende Aufgabe, über den Wert des Geldes zu wachen, damit die wirtschaftliche Tätigkeit des Landes sich geordnet entfalten kann. 3. Von allen wird die Wichtigkeit einer angemessenen Regelung des Wirtschaftssystems anerkannt, zumal in den komplexen Verhältnissen gegenseitiger Abhängigkeit, die die heutige Gesellschaft auf nationaler und internationaler Ebene kennzeichnen. Gerade deswegen unterstreicht die Soziallehre der Kirche, auch wenn sie sich der außerhalb ihrer Zuständigkeit liegenden Bewertungen technischer Art enthält, die Rolle des Staates im Bereich der Wirtschaft, denn es ist evident, was ich in der Enzyklika Centesimus annus geschrieben habe: „Die Wirtschaft, insbesondere die Marktwirtschaft, kann sich nicht in einem institutioneilen, rechtlichen und politischen Leerraum abspielen. Im Gegenteil, sie setzt die Sicherheit der individuellen Freiheit und des Eigentums sowie eine stabile Währung und leistungsfähig öffentliche Dienste voraus. Hauptaufgabe des Staates ist es darum, diese Sicherheit zu garantieren, so daß der, der arbeitet und produziert, die Früchte seiner Arbeit genießen kann und sich angespomt fühlt, seine Arbeit effizient und redlich zu vollbringen” (Nr. 48). 4. Ihr Institut bildet sicher eine der Lebensadern in der Regelung des wirtschaftlichen Lebens, und aus dieser seiner entscheidenden Stellung ergeben sich nicht geringe Folgerungen ethischer Art. Was auf dem Spiel steht, ist nämlich das Gemeinwohl, zumal sind es die Interessen der unteren Klassen, die nur auf ihre Arbeit zählen können und Gefahr laufen, die höchsten Kosten für das schlechte Funktionierer 360 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und die Krise der Wirtschaft zahlen zu müssen. Es braucht daher eine gut geregelte Wirtschaft, aber eben deswegen muß diese Wirtschaft auf die Forderungen der Ethik sowie die Gebote der Solidarität achten. Die Wirtschaft muß sich der inneren Priorität der Arbeit gegenüber dem Kapitel bewußt sein (vgl. Laborem exercens, Nr. 12) sowie der Unveräußerlichkeit des „Rechtes auf Arbeit” für alle Menschen 0ebd., Nr. 18); eine Wirtschaft, die den Forderungen einer wachsenden weltweiten Verflechtung der finanziellen Dynamik entspricht, ohne je die Rechte der Ärmsten zu vergessen und sie, erst recht nicht im Namen der Gesetze des Marktes, mit Füßen zu treten. 5. Die Italienische Zentralbank hat in diesem Jahrhundert eine erstrangige Rolle für die Entwicklung und das Gemeinwohl Italiens gespielt. Heute ist von ihr angesichts einer Zukunft voll neuer Dringlichkeiten nicht nur technische Fachkenntnis auf der Höhe der Zeit gefordert, sondern auch das starke Bewußtsein von Idealen und Werten. Gott gebe Ihnen dafür Weisheit und Licht. Ein providentielles Zusammentreffen läßt diese Begegnung mit einer anderen Jahrhundertfeier Zusammenkommen, an die ich passend erinnern möchte, da ich zu so hoch qualifizierten Vertretern des Wirtschaftslebens spreche. Vor genau hundert Jahren versammelte im Januar 1894 ein Wirtschaftsfachmann, dessen Seligsprechung im Gange ist, der ehrwürdige Diener Gottes Giuseppe Toniolo, in Mailand weitere bedeutende Katholiken um sich, um ein berühmt gewordenes Programm zu erarbeiten, das die konkrete Vermittlung der in Rerurn novarum verkündeten Grandsätze für Italien leisten wollte. Er wurde damit zum Förderer einer Wirtschaft im Dienste des Menschen, einer von der Weisheit des Evangeliums erleuchteten Wirtschaft. Heute, geehrte Herren, ist mehr denn je die gleiche Erfindungskraft, die gleiche Fachkenntnis und der gleiche Sinn für Ideale notwendig. Mit diesen Gesinnungen und Wünschen rufe ich auf Sie alle und auf Ihre Arbeit, auf Ihre Mitarbeiter und Ihre Familien den Trost des Schutzes von oben herab und erteile einem jeden meinen Segen. Gerechtigkeit ist Teilhabe an der Wahrheit Ansprache an die Mitglieder des Gerichtes der Römischen Rota am 28. Januar 1. Ich bin Ihnen, Herr Dekan, sehr dankbar für die Grußadresse, die Sie im Namen aller an mich gerichtet haben. Zusammen mit Ihnen grüße ich herzlich das Kollegium der Rotarichter, der Beamten und alle, die ihren Dienst am Gericht der Römischen Rota versehen, Personal und Teilnehmer am „Studium Rotale” und die Rotaanwälte. Ihnen allen gelten meine innigen Wünsche für alles Gute im Herrn! Einen besonderen Wunsch für erfolgreiche Arbeit möchte ich an Sie persönlich richten, Herr Dekan, der Sie seit kurzem die Ehre und die Bürde der Leitung des Ge- 361 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN richts übernommen haben in der Nachfolge von Erzbischof Emesto Fiore, an den ich mich mit Zuneigung erinnere. Die Mutter vom Guten Rat, Sitz der Wahrheit, möge Ihnen jeden Tag in der Erfüllung Ihres wichtigen kirchlichen Dienstes beistehen. 2. Ich habe mit lebhaftem Interesse ihre tiefgehenden Ausführungen über die menschlichen und evangeliumsgemäßen Wurzeln gehört, die die Tätigkeit des Gerichtes nähren und seinem Einsatz im Dienst der Gerechtigkeit Halt geben. Mehrere Themen würden es verdienen, aufgegriffen und entwickelt zu werden. Der besondere Bezug aber, den Sie zur unlängst erschienenen Enzyklika Veritatis splendor hergestellt haben, veranlaßt mich, heute morgen mit Ihnen bei der beeindruckenden Beziehung zwischen dem Glanz der Wahrheit und dem der Gerechtigkeit zu verweilen. Als Teilhabe an der Wahrheit besitzt auch die Gerechtigkeit ihren Glanz, der imstande ist, im Subjekt eine freie Antwort hervorzurufen, die nicht nur äußerüch ist, sondern aus dem Innersten des Gewissens entspringt. Schon mein großer Vorgänger Pius XII. mahnte weisunggebend, als er sich an die Rota wandte: „Die Welt bedarf der Wahrheit, die Gerechtigkeit ist, und jener Gerechtigkeit, die Wahrheit ist” (AAS 34[1942]342). Die Gerechtigkeit Gottes und das Gesetz Gottes sind Widerschein des göttlichen Lebens. Aber auch die menschliche Gerechtigkeit muß sich bemühen, über die Wahrheit nachzudenken, an deren Glanz sie teilhat. „Quandoque iustitia veritatis vocatur” („Zuweilen wird die Gerechtigkeit Wahrheit genannt”), bemerkt der hl. Thomas (H-H, q. 58, art. 4 ad 1) und sieht den Grund dafür in der Erfordernis, daß die Gerechtigkeit gemäß der richtiggeleiteten Vernunft verwirklicht werden muß, das heißt gemäß der Wahrheit. Es ist daher legitim, vom „splendor iustitiae” („Glanz der Gerechtigkeit) zu sprechen und vom „splendor legis” („Glanz des Gesetzes”): Aufgabe jeder Rechtsordnung ist nämlich der Dienst an der Wahrheit; sie ist „das einzige feste Fundament, auf das sich das persönliche, eheliche und soziale Leben stützen kann” (Ansprache an die Rota: AAS 82[1990]875). Es ist daher geboten, daß die menschlichen Gesetze danach streben, in sich den Glanz der Wahrheit widerzuspiegeln. Natürlich gilt das auch in der konkreten Anwendung der Gesetze, die sogar menschlichen Akteuren anvertraut ist. Die Liebe zur Wahrheit muß sich daher in Liebe zur Gerechtigkeit übertragen und in den daraus folgenden Einsatz zur Festigung der Wahrheit in den Beziehungen innerhalb der menschlichen Gesellschaft; seitens der Rechtsunterworfenen aber darf die Liebe zum Gesetz und zur Gerichtsordnung nicht fehlen, die das menschliche Bemühen darstellen, konkrete Normen zur Lösung der einzelnen Fälle anzubieten. 3. Es ist daher notwendig, daß diejenigen, die in der Kirche mit der Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit betraut sind, dank der ständigen Zwiesprache mit Got im Gebet dazu gelangen, deren Schönheit zu erahnen. Das wird sie befähigen, unte: anderem den Reichtum an Wahrheit des neuen Codex des kanonischen Rechtes z\ schätzen und die inspirierende Quelle im Zweiten Vatikanischen Konzil zu erken 362 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen, dessen Leitlinien kein anderes Ziel haben, als die lebendige Gemeinschaft jedes Gläubigen mit Christus und den Brüdern zu fördern. Das kirchliche Gesetz trägt Sorge dafür, das Recht jedes einzelnen im Zusammenhang der Pflichten aller hinsichtlich des Gemeinwohls zu schützen. In dieser Hinsicht merkt der Katechismus der Katholischen Kirche an: „Gerechtigkeit gegenüber Menschen ordnet darauf hin, die Rechte eines jeden zu achten und in den menschlichen Beziehungen jene Harmonie herzustellen, welche die Rechtsbeschaffenheit gegenüber den Personen und dem Gemeinwohl fördert” (Nr. 1807). Wenn die Seelsorger und die Richter die Gläubigen ermutigen, nicht nur die kirchlichen Rechte auszuüben, sondern sich auch der eigenen Pflichten bewußt zu werden, um diese treu zu erfüllen, wollen wir sie gerade dazu führen, den „Glanz des Gesetzes” persönlich und unmittelbar zu erfahren. In der Tat, der Gläubige, der „unter dem Antrieb des Geistes die Notwendigkeit gründlicher Revision seines Verhältnisses zur Kirche erkennt, wird die Behauptung und Ausübung seiner Rechte in die Annahme der Pflicht zur Einheit und Solidarität umwandeln, um die höheren Werte des Gemeinwohls zur Geltung kommen zu lassen” (Ansprache an die Rota, AAS 71[1979]425 f.; O.R.dt., 10, 1979, 3). Demgegenüber wird die Instrumentalisierung der Gerechtigkeit im Dienst individueller Interessen oder seelsorglicher Formen - vielleicht aufrichtig gemeint, aber nicht auf der Wahrheit gegründet - als Folge soziale und kirchliche Situationen von Mißtrauen und Verdächtigung entstehen lassen, in denen die Gläubigen der Versuchung ausgesetzt werden, nur einen Kampf rivalisierender Interessen zu sehen und nicht eine gemeinsame Anstrengung, nach Recht und Gerechtigkeit zu leben. 4. Die gesamte Tätigkeit des kirchlichen Richters besteht, wie es mein verehrter Vorgänger Johannes XXIII. aussprach, in der Ausübung des „ministerium veritatis” („Dienstes an der Wahrheit”). In dieser Perspektive ist es leicht zu verstehen, daß der Richter nicht nachlassen kann, das „lumen Domini” („Licht des Herrn”) anzurufen, um die Wahrheit in jedem einzelnen Fall erkennen zu können. Ihrerseits dürfen jedoch die betroffenen Parteien nicht nachlassen, im Gebet die Bereitschaft zur radikalen Annahme der endgültigen Entscheidung für sich zu erbitten- selbstverständlich nach Ausschöpfung jedes legitimen Mittels, um das zu widerlegen, wovon sie in ihrem Gewissen überzeugt sind, es entspräche nicht der Wahrheit oder der Gerechtigkeit im betreffenden Fall. Wenn die Verwalter des Gesetzes sich anstrengen, eine Haltung der vollen Bereitschaft gegenüber dem Anspruch der Wahrheit zu wahren mit unerbittlichem Respekt für die Verfahrensvorschriften, können die Gläubigen die Gewißheit bewahren, daß die kirchliche Gemeinschaft ihr Leben unter der Führung des Gesetzes entwickelt; daß die kirchlichen Rechte durch das Gesetz geschützt werden; daß das Gesetz im letzten eine Gelegenheit für eine liebende Antwort auf den Willen Gottes ist. 5. Die Wahrheit ist jedoch nicht immer einfach: Ihre Bejahung erweist sich manchmal als sehr anspruchsvoll. Das hebt das Gebot nicht auf, daß sie im Umgang und in 363 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Beziehungen unter den Menschen immer respektiert werden muß. Das gleiche gilt für die Gerechtigkeit und für das Gesetz: Auch diese erweisen sich nicht immer als einfach: Die Aufgabe des Gesetzgebers - des universellen oder lokalen - ist nicht bequem. Da das Gesetz das Gemeinwohl beachten muß - „Omnis lex ad bo-num commune ordinatur” (I-II, q. 90, art. 2) -, ist es gut verständlich, daß der Gesetzgeber auch schwere Opfer von den einzelnen verlangt, wenn es notwendig ist. Diese werden hier ihrerseits antworten mit der freien und großzügigen Zustimmung desjenigen, der neben seinen eigenen auch die Rechte der anderen anzuerkennen weiß. Hieraus wird eine feste Antwort erfolgen, unterstützt vom Geist aufrichtiger Offenheit für die Erfordernisse des Gemeinwohls im Bewußtsein um die Vorteile, die davon im letzten für den einzelnen selbst ausgehen. Es ist Ihnen die Versuchung wohl bekannt, im Namen einer nicht richtigen Auffassung von Mitgefühl und Mitleid harte Ansprüche, die sich aus der Treue zum Gesetz ergeben, zu reduzieren. In dieser Hinsicht muß man erneut betonen, daß es - wenn es sich um eine Verletzung handelt, die nur die Person berührt - genügt, sich nach der Weisung zu richten: „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr” (Joh 8,11). Aber wenn die Rechte Dritter berührt werden, dann kann Mitleid nicht gewährt oder angenommen werden, ohne sich den Verpflichtungen zu stellen, die diesen Rechten entsprechen. Geboten ist auch die Warnung vor der Versuchung, die Beweise und Prozeßnormen zu instrumentalisieren, um ein „praktisches” Ziel zu erreichen, das vielleicht als „pastoral” angesehen wird, jedoch zum Schaden für die Wahrheit und die Gerechtigkeit. Als ich mich vor einigen Jahren an Sie wandte, habe ich Bezug genommen auf eine „Verfälschung” in der Sicht der seelsorglichen Dimension des kirchlichen Rechtes: „Die Verfälschung besteht darin, daß man nur den mäßigenden und humanitären Aspekten, die unmittelbar mit der rechtlichen Billigkeit verbunden werden können, pastorale Tragweite und Absichten zuschreibt; man meint also, nur die Ausnahmen bei den Gesetzen und das eventuelle Vermeiden von Prozessen und kanonischen Strafen und die schnellere Abwicklung der rechtlichen Formalitäten seien pastoral wirklich bedeutsam.” Aber ich habe damals ermahnt, daß auf diese Weise leicht vergessen wird, „daß auch die Gerechtigkeit und das strenge Recht - und infolgedessen die allgemeinen Normen, die Prozesse, Strafen und andere typische Ausdrucksformen des Rechtswesens, wenn sie notwendig werden - von der Kirche zum Wohl der Seelen gefordert werden und damit innerlich pastorale Wirklichkeiten sind” (Ansprache an die Rota, AAS 87[1990]873; O.R.dt., 5, 1990, 3). Es ist auch wahr, daß es nicht immer leicht ist, den konkreten Fall der Gerechtigkeit zu lösen. Aber die Liebe oder die Barmherzigkeit - daran erinnerte ich bei gleicher Gelegenheit - „können ja nicht von der geforderten Wahrheit absehen. Eine gültige Ehe mag ernste Schwierigkeiten durchmachen, sie kann aber nicht als ungültig betrachtet werden, wenn man nicht der Wahrheit Gewalt antun will und damit das einzig tragfähige Fundament untergräbt, auf dem sich persönliches, eheliches und soziales Leben aufbauen läßt” (ebd., 875; O.R.dt., 5, 1990, 5). Es sind diese Prin- 364 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zipien, die ich mich mit besonderer Festigkeit im Jahr der Familie zu betonen verpflichtet fühle, während mit immer größerer Klarheit Risiken erkennbar werden, denen das Institut der Familie durch ein irriges „Verständnis” ausgesetzt wird. 6. Eine richtige Haltung gegenüber dem Gesetz trägt auch dessen Funktion als Instrument im Dienst geregelter Funktionsabläufe der menschlichen Gesellschaft bei und ist für die kirchliche Gemeinschaft eine Bekräftigung der „communio”. Um die authentische „communio” zu fördern, die das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt, ist es absolut notwendig, einen richtigen Sinn der Gerechtigkeit und ihrer vemunftmäßigen Erfordernisse lebendig zu erhalten. Gerade hierfür wird es Sorge des Gesetzgebers und der Rechtsanwender sein, Normen zu schaffen und anzuwenden, die auf der Wahrheit dessen gründen, was in den sozialen und persönlichen Beziehungen geboten ist. Die rechtmäßige Autorität wird sich sodann bemühen und die richtige Bildung des persönlichen Gewissens fördern (Veritatis splendor, Nr. 74); denn wenn es gut gebildet ist, folgt das Gewissen von Natur aus der Wahrheit und nimmt in sich selbst ein Prinzip des Gehorsams wahr, das es dazu bewegt, sich an die Richtlinie des Gesetzes zu halten (vgl. ebd., Nr. 60; Dominum et vivificantem, Nr. 43). 7. Im persönlichen Bereich ebenso wie im sozialen und im speziell kirchlichen Bereich können auf diese Weise die Wahrheit und die Gerechtigkeit ihren Glanz hervorbringen, deren heute die gesamte Menschheit wie noch nie bedarf, um den richtigen Weg und ihre endgültige Bestimmung in Gott zu finden. Welche Bedeutung hat deshalb Ihre Aufgabe, verehrte Prälaten, Richter und liebe Mitarbeiter der Römischen Rota. Ich vertraue darauf, daß diese Ausführungen Ihnen Anregung und Unterstützung in der Ausübung Ihrer Tätigkeit sind, für die Ihnen meine herzlichsten Wünsche gelten. Zugleich versichere ich Sie eines besonderen Gedenkens im Gebet. Zur Bekräftigung dieser Wünsche erteile ich gern meinen Segen, mit dem ich auch alle diejenigen einschließen möchte, die sich in der Kirche der schwierigen Aufgabe der Rechtsprechung widmen. In gemeinsamer Verantwortung für das Leben in der Ewigen Stadt Ansprache an den Bürgermeister und die Stadtverwaltung von Rom am 31. Januar Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Meine Herren Vertreter der Kapitolinischen Verwaltung! 1. Vielen Dank für euren Besuch! Mit großer Freude heiße ich euch heute am Sitz Jes Petrus willkommen. Ihr macht gerade die ersten Schritte bei einem anspruchsrollen und nicht leichten Dienst für diese Stadt, deren Antlitz die Zeichen der Jahr-:ausende trägt und die sich nun mit neuer Hoffnung ihrer Zukunft öffnet. Ich danke 365 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN euch allen für eure Präsenz und bin besonders dem Herrn Bürgermeister für die höflichen Worte dankbar, die er an mich gerichtet hat. Die heutige Begegnung bekräftigt eine Tradition gegenseitiger und achtungsvoller Aufmerksamkeit zwischen den Vertretern der Stadtverwaltung Roms und dem Nachfolger des Petrus, der dies ja gerade als Bischof von Rom ist. Seit Petrus zusammen mit dem Völkerapostel in dieser Stadt mit der Vergießung des Blutes seinen Glauben und seine Liebe zu Christus bezeugte, wäre Rom ohne das Christentum unbegreiflich. Seine vorchristlichen Wurzeln und die vielfältigen kulturellen Einflüsse, die es die Jahrhunderte hindurch geprägt haben, wurden dadurch nicht beeinträchtigt, sondern haben durch die weise Unterscheidungskraft des Christentums nur gewonnen, weil dieses fähig ist, jeden echten menschlichen Wert aufzunehmen und ihn zu seiner vollen Reife zu führen. Was ich in meinem kürzlichen Brief an die Bischöfe Italiens über „die Verantwortung der Katholiken angesichts der Herausforderungen der gegenwärtigen geschichtlichen Stunde” geschrieben habe, gilt daher erst recht für Rom. Denn hier kann man das dreifache Erbe des Glaubens, der Kultur und der Einheit mit Händen greifen, das „sich nicht nach Jahren, sondern nach langen Jahrhunderten der Geschichte bemißt” - ein Reichtum, „auf den man mit Bewunderung -ja wir könnten sagen mit Neid - aus allen Teilen der Welt schaut” {Brief an die Bischöfe Italiens, Nr. 1). 2. Rom ist tatsächlich die „italienische Stadt” schlechthin. Sie ist es als Hauptstadt; sie ist es aber auch, weil hier Bevölkerungsgruppen aus allen Teilen Italiens zusammengekommen und sozial und kulturell verschmolzen sind. Es fehlt der Stadt leider nicht an Schwierigkeiten, die im übrigen das ganze Land betreffen, zumal was Arbeit und Beschäftigung angeht. Rom muß sich messen mit den meist typischen Schwierigkeiten der großen Städte, die oft unter Formen städtebaulichen und ökologischen Niedergangs zu leiden haben und voll von Organisationsproblemen sind, die das Leben in ihr stören. Zu all dem kommen Probleme der Kultur und Moral, die nicht nur die Qualität des Lebens, sondern auch die Achtung vor dem menschlichen Leben selbst beeinträchtigen. Sie wirken sich nicht wenig auf die Familie aus, die von der mangelnden Festigkeit des ehelichen Bandes bedroht ist und zuweilen angesichts einer ungewissen Zukunft regelrecht von einer verständlichen Angst geplagt wird, für die - verbunden mit anderen Ursachen - die Verminderung der Zahl der Geburten die Verantwortung trägt. Die Entscheidungen und Verhaltensweisen werden ferner von schweren Mißständen beeinflußt wie dem Fehlen verfügbarer Wohnungen, die sich junge Ehepaare auch leisten können. Es ist eine Situation, die Besorgnis erregt, auch wegen der Verbreitung von Spekulationen, die den Fordemngen der Gerechtigkeit zuwider sind. Wie sollten wir nicht über dieses wachsende Phänomen klagen, das, verbunden mit der Arbeitslosigkeit und Unsicherheit der Arbeit, zuweilen davon abrät, die Verantwortung für einen neuen heimischen Herd zu übernehmen oder seinen Aufbau behindert, und wenn er einmal gegründet ist, seine Unbeschwertheit beeinträchtigen kann? 366 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Eure Verwaltung versucht, derart komplexe Situationen zu meistern, und die Kirche bietet wie in der Vergangenheit ihre loyale und offene Zusammenarbeit an: immer freilich nach dem Aufruf des Evangeliums darauf bedacht, die Rechte eines jeden menschlichen Wesens zu verteidigen und zu schützen, zumal die der Ärmsten und an den Rand Gedrängten. Wie sollten wir unter diesen nicht die Einwanderer aus anderen Ländern erwähnen, zumal aus der Dritten Welt, die in großer Zahl in unserer Stadt wohnen? Ihnen und allen Mitbürgern gegenüber, die von schwierigen Situationen betroffen sind, muß sich die aufnahmebereite und solidarische Aufmerksamkeit der ganzen Gemeinschaft Roms zeigen. In dieser Hinsicht ist die Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wirklich groß, und ich wünsche, daß diese Verantwortung mutig sowie in Achtung vor den menschlichen und christlichen Werten übernommen wird, die tief in der religiösen und bürgerlichen Geschichte unserer Stadt verwurzelt sind. Groß ist freilich auch die Verantwortung aller Römer, und an dieser Verantwortung fühlt sich die Kirche von Rom innerlichst beteiligt. 4. Herr Bürgermeister, in Ihrer Begrüßungsansprache haben Sie passend auf die Di-özesansynode angespielt, die vor kurzem abgeschlossen wurde und nun konkret durchgeführt wird. Sie fand im Gefolge der ständigen pastoralen und sozialen Tätigkeit der Diözese statt und hat eine vertiefte und deutliche „Begegnung mit der Stadt” eingeschlossen, um die Bereiche akuteren Leidens sowie die Gebiete und Wege festzustellen, die am meisten versprechen, sich besonders entwickeln und sich so der großen Gemeinschaft der Stadt eröffnen können. Die Synode hat ferner über die am meisten geeigneten Wege nachgedacht, auf denen die Kirche Roms ihren spezifischen Beitrag zur Linderung dieser Leiden leisten und die Entwicklung fördern kann, indem sie auf die Anregung der christlichen Soziallehre zurückgreift und die Hochherzigkeit vieler ihrer Kinder anspricht, die einen qualifizierten und verantwortlichen Dienst leisten. Ich denke hier an die vielfältigen katholischen Initiativen auf dem Gebiet der Caritas und der Hilfeleistung, vom Gesundheitswesen bis zu Erziehung und Schule, von der Familie bis zur Kultur. Ich denke an die römischen Pfarreien als echte Zentren des Zusammenhalts, der Hilfe sowie der sozialen und moralischen Förderung für Kinder und Jugendliche, Familien und Alte, abgesehen davon, daß sie Orte des Gottesdienstes und der christlichen Ausbildung sind. Zumal in den Randgebieten der Stadt, die zwar am meisten bedürftig, aber leider noch oft ohne angemessene Pfarrstrukturen sind, wirkt die Kirche Roms, wie Sie, Herr Bürgermeister, erwähnt haben, für den Aufbau neuer Pfarreien, und sie ist der Verwaltung dankbar für die versprochene Zusammenarbeit, von der unsere Leute nur Vorteil haben. 5. Rom, diese unsere gebebte Stadt, hat eine universale Bedeutung und ist zur Erfüllung einer besonderen Sendung im Dienst der Kirche und der ganzen Menschheits-famihe aufgerufen. Hier ist es an der Zeit, Aufmerksamkeit und Bemühen auf das nicht mehr ferne große Jubüäum des zweiten christhchen Jahrtausends zu richten. 367 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Für das historische Ereignis des Jahres 2000 haben Sie, Herr Bürgermeister, Worte gefunden, die ich mit großer Aufmerksamkeit vernommen habe. Gewiß ist in dieser Zeit eine konkrete Zusammenarbeit, wenn auch in unterschiedlicher Zuständigkeit, zwischen der Kirche von Rom, den Autoritäten der Stadt und des Staates gefordert, damit unsere Stadt als „gemeinsames Vaterland” seine Rolle als lebendiges Zentrum der Christenheit angemessen spielen kann. Dazu ist es gewiß an erster Stelle notwendig, daß die kirchliche Gemeinschaft von Rom voll ihrem Glauben, ihrer Hoffnung und christlichen Liebe nachlebt, ihr Antlitz im Gebet erneuert und intensiv nach den Weisungen der Diözesansynode evangeli-siert, so daß alle, die als Pilger herkommen, zugleich mit der immer aktuellen Botschaft der bleibenden christlichen Wahrheiten eine lebendige Kirchenerfahrung im Zusammenhang mit einer modernen Metropole machen können, wenn diese auch von starken Strömungen der Säkularisierung erfüllt ist. Notwendig ist freilich auch, zeitig das vorzusehen, was zu einer angemessenen Aufnahme gehört, mit Einrichtungen und Infrastrukturen, die Rom in die Lage versetzen, würdig jene willkommen zu heißen, die hier zusammenströmen, und sie den Reichtum seines geschichtlichen und künstlerischen, bürgerlichen und religiösen Erbes bewundern lassen, zum Vorteil der Besucher und der Bürger zugleich. 6. Ich weiß gut, hebe Vertreter der Kapitolinischen Verwaltung, daß ihr mit der Übernahme der Aufgabe des Dienstes für die Stadt eine wahrhaft schwere Aufgabe übernommen habt, die großen Emst und viel Verantwortung fordert. Ich möchte euch meine Ermutigung aussprechen: Die Kirche steht euch nahe! Nahe mit ihrem Gebet und ihrer tatkräftigen Unterstützung in Formen, die mit ihrer Sendung übereinstimmen. Ein aufrichtiger Dialog wird und helfen, immer die besten Wege für die wünschenswerte und notwendige Zusammenarbeit zu finden. Möge der Herr die Bemühungen aller segnen, die sich im Dienst des Menschen einsetzen, um dieser Stadt ihr bestes Antlitz zu schenken, das ihrer Geschichte und ihres Glaubens würdig ist. Inkulturation des Glaubens als pastorales Problem Ansprache an afrikanische Bischöfe, Teilnehmer eines vom Neokatechumenalen Weg veranstalteten Kongresses am 31. Januar Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich empfange euch mit Freude, liebe Kardinäle und Bischöfe aus 30 afrikanischer Nationen, zusammen mit den Veranstaltern vom Neokatechumenalen Weg und der zahlreichen Wanderkatechisten, die auf dem afrikanischen Kontinent für das Reicl Gottes arbeiten. Der Friede sei mit euch allen. 368 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN An der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends seid ihr in Rom zusammengekommen, um den Herrn im Hinblick auf die Versammlung der Bischofssynode für Afrika, die im kommenden Monat April stattfinden wird, um einen neuen missionarischen Impuls zu bitten. Auch auf eurem jungen und dynamischen Kontinent erwartet die Kirche sehnlich eine breitere und gründlichere Aufnahme der vom Zweiten Vatikanischen Konzil wiederentdeckten theologisch-pastoralen Reichtümer. Die Menschheit von heute braucht ein Zeugnis, das ans Herz rührt. Nur so entsteht der „neue Mensch”. Nur so wird es nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau, nicht Weiße und Schwarze geben (vgl. Kol 3,10 f.; Gal 3,28). Der „neue Mensch” geht über die natürliche Religiosität hinaus, ihre Angst vor dem Göttlichen und die ständige Versuchung, Gott zu dem alleinigen Zweck zu verehren, daß er einem ein bequemes und sicheres Leben verschafft. Der „natürlich” religiöse Mensch kennt die tiefe Dimension des Christentums noch nicht. Der afrikanische Kontinent erlebt in dieser Hinsicht einen Augenblick von historischer Tragweite. Dieser ist für euch eine lange erwartete und vorbereitete „Zeit der Gnade”, in der die kirchlichen Gemeinschaften gerufen sind, ihr „Miteinander-Gehen” in vollem Ausmaß zu zeigen. Die bevorstehende Versammlung ist sicher ein von der Vorsehung gewolltes Ereignis, das sich in die verheißungsvolle pastorale Epoche der Neuevangelisierung einfügt. Auch für Afrika besteht die Notwendigkeit eines katechumenalen Wegs, der die natürliche Religiosität übersteigt und zum wahren Glauben führt. In der Kirche der ersten Jahrhunderte ist das mit den Völkern des Mittelmeerraumes geschehen, auch sie glühend vor natürlicher Reügiosität und zugleich bereit, die Evangeliumsbotschaft aufzunehmen. Das Evangelium sät die „Caritas” ins Herz des Menschen: die Liebe, mit der Christus uns geliebt hat, die göttliche Liebe, die vollständige Liebe, die Feindeshebe, wie sie von Christus gelebt wurde, der für uns das Leben gab, als wir noch Feinde Gottes waren (vgl. Röm 5,10). Die Liebe, die voneinander verschiedene Menschen eins macht, damit die Welt glaubt, daß Jesus Christus der Gesandte des Vaters ist (vgl. Joh 17). Hundert Jahre nach der ersten Evangelisierung, die vom Blut der Märtyrer und dem Zeugnis so vieler Missionare fruchtbar gemacht wurde, erwartet Afrika neue Heiüge, die das in ihnen lebendig gewordene Evangelium bringen, neue Evangelisierer, denen der auferstandene Christus beisteht, indem er ihr Wort bekräftigt (vgl. Mk 16,20). 2. Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt! Als Bischöfe seid ihr vor allem „Apostel”, ausgesandt die gute Nachricht zu verkünden! Ihr seid die Erstverantwortlichen der Verkündigung Christi in der Kirche. Diese Verantwortung bringt im wesentlichen zwei grundlegende Interessen mit sich: das erste, daß Christus verkündet wird; das zweite, daß die Verkündigung im konkreten Leben der Leute sozusagen „Gestalt annimmt”. 369 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir berühren hier ein zentrales Problem der Pastoral: das der sogenannten Inkulturation des Glaubens. Die Evangelisierung erneuert sich in der Tat dort, wo Christus mit der Kraft des Geistes und zugleich mit einer wahren Liebe zum Menschen und zu seiner Geschichte verkündet wird. Nun, unter den von der Vorsehung gewollten Werkzeugen dieser Inkulturation gibt es auch den Neokatechumenalen Weg. Ich sehe mit Freude, daß dieser in vielen eurer Diözesen, in unterschiedlichen Kulturen wie in Sambia, Zaire, Cote d'Ivoire und anderen Nationen, seine Früchte bringt. Es haben sich kleine Gemeinschaften gebildet, in denen die Familie Unterstützung und Hilfe bei ihrer wesentlichen Sendung erfährt, Christus zu verkünden und mit ihm das Kreuz des Heils zu tragen. 3. Der Hirt, der gesandt ist, die für das Wachstum der Gemeinschaft ausgeteilten Gaben zu erkennen und nutzbar zu machen, soll insbesondere darüber wachen, daß die Beziehung zwischen Kerygma und Ortskultur und diejenige zwischen den Gemeinschaften des Wegs und den Pfarrgemeinschaften in passender Weise angelegt werden. Es ist vor allem Pflicht des Bischofs, die Grandentscheidungen des Neokatechumenalen Wegs zu lenken, der in europäischem und lateinamerikanischem Milieu entstanden und gewachsen ist und daher der Anleitung erleuchteter afrikanischer Hirten oder erfahrener Missionare bedarf, um den spezifischen und missionarischen Bedürfnissen der verschiedenen Nationen angepaßt zu werden. Hinsichtlich der innerkirchlichen Beziehungen zwischen den neokatechumenalen Gemeinschaften und der Pfarrei kommt euch die Vorsehung, liebe Brüder, gerade durch das Synodenerlebnis entgegen. „Synode” heißt in der Tat „gemeinsam gegangener Weg”. Das Christentum ist seiner ursprünglichen Bezeichnung nach selbst der „Weg”. Die neokatechumenale Bewegung, die für sich den schönen Namen „Weg” gewählt hat, stellt sich in den Dienst der Neuentdeckung des „Weges” des Evangeliums vor allem für die, die davon entfernt sind. Sie kann daher zum Aufbau einer Pfarrei genutzt werden, die imstande ist, fest in Christus - in seinem Wort und in seinen Mysterien - verwurzelte Erwachsene zu formen. Ich denke an die Ermahnungen des Apostels Paulus an die Thessalonicher: „Löscht den Geist nicht aus!” (7 Thess 5,19), und an die Korinther: „Alles geschehe so, daß es aufbaut.” (1 Kor 14,26) Es ist notwendig, „miteinander zu gehen”, indem man die kirchlichen Gemeinschaften und Gruppen in bezug auf das Wachstum der ganzen Pfarrgemeinde unter der Führung des Pfarrers und seiner Mitarbeiter aufeinander abstimmt. Gut in den Pastoralplan der Gemeinde eingefügt und in Einklang mit anderen in ihr tätigen Charismen kann der Neokatechumenale Weg wirksam dazu beitragen, den Pfarreien den für die Neuevangelisierung typischen Stil aufzuprägen: ein Stil, bestehend aus Wesentlichkeit und Radikalität, aus Eingetauchtsein in das Mysterium des gestorbenen und auferstandenen Christus und aus mutiger Offenheil für die Bedürfnisse des heutigen Menschen. 370 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Diese erneuerte missionarische Aktion hat zweifellos die Familie zum Hauptgegenstand, in dem doppelten Sinn des Empfängers und zugleich Überbringers der Guten Nachricht. Diese wunderbare Realität, die sich in der Urgemeinde gleich gezeigt hat, ist nach dem zweiten Vatikanischen Konzil wieder ganz in den Vordergrund gerückt und stellt eine wahre tragende Struktur der Kirche in jeder Epoche dar. Ist die Familie nicht die natürliche Wiege der Heiligen? Und entstehen geistliche Berufe nicht leichter in einer dem Evangelium treuen Familie? Innerhalb des Neokatechumenalen Wegs haben zahlreiche Familien, getrieben von der Kraft des Wortes Gottes und der Teilnahme an den heiligen Geheimnissen, großherzig die Bedürfnisse der Mission zu den ihren gemacht. Sie sind so eine wertvolle Hilfe für euch Hirten, die ihr nicht nur nach Priestern und Katechisten sucht, sondern auch nach Ehepaaren und Familien, die der Heilsbotschaft Herz und Mund zu leihen imstande sind. Meine Lieben, bei euren missionarischen Anstrengungen möge euch Maria, die Jungfrau des Weges, mit ihrer Hilfe begleiten. Sie hat sich auf die Reise gemacht, um ihrer älteren Verwandten Elisabet das Vollmaß der Liebe und Freude zu bringen, die sie erfüllten (vgl. Lk 1,39-45): Sie mache, daß euer Dienst großherzig und reich an Früchten für den Aufbau der kirchlichen Gemeinschaften in Afrika sei. Geht euren Weg in Treue zu Christus und zu den Brüdern! Geht in miteinander! Von Herzen segne ich euch. Die Familie steht im Dienst der Liebe, Die Liebe steht im Dienst der Familie Botschaft zur Fastenzeit 1994 (vom 3. September 1993) Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Die Fastenzeit ist die uns vom Herrn geschenkte Zeit, die dazu angetan ist, unseren Aufbruch zur Umkehr zu erneuern und in uns den Glauben, die Hoffnung und die Liebe zu stärken, um in den von Gott gewünschten Bund einzutreten und eine Zeit der Gnade und Versöhnung zu erleben. „Die Familie steht im Dienst der Liebe, die Liebe steht im Dienst der Familie.” Mit diesem für dieses Jahr gewählten Thema möchte ich alle Christen dazu einladen, ihr Leben umzugestalten und ihre Verhaltensweisen zu ändern, um Sauerteig zu sein und zur Vermehrung der Liebe und Solidarität - wesentliche Werte des sozialen und des christlichen Lebens - innerhalb der Menschheitsfamilie beizutragen. 2. Zuerst sollen sich die Familien ihrer Sendung in der Kirche und der Welt bewußt werden. Im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet empfangen sie den Heiligen Geist, der in ihnen und durch sie alle Dinge neu macht und das Herz der Gläubigen der universalen Dimension öffnet. Jeder, der aus der Quelle der Liebe schöpft, wird dazu fähig sein, diese Liebe durch sein Leben und seine Werke weiterzugeben. Das 371 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebet verbindet uns mit Christus und macht so aus allen Menschen Brüder und Schwestern. Die Familie ist der erste und besonders geeignete Ort für die Erziehung und für die Einübung des brüderlichen Lebens, der Liebe und der Solidarität in seinen vielfältigen Formen. In den familiären Beziehungen lassen sich die Aufmerksamkeit, die Annahme und die Achtung des anderen erlernen, der immer den ihm zukommenden Platz finden soll. Das gemeinsame Leben ist sodann eine Einladung zum Teilen, die den einzelnen aus seinem Egoismus herausfmden läßt. Wenn man teilen und geben lernt, entdeckt man die unermeßliche Freude, die einem der gemeinsame Besitz der Güter bereitet. Die Eltern sollen sorgfältig darauf achten, durch ihr Vorbild und ihre Anleitung bei ihren Kindern das Bewußtsein für Solidarität zu wecken. Von Kindheit an sollte jeder auch die Erfahrung von Verzicht und Enthaltsamkeit machen, um seinen Charakter zu festigen und seine Triebe zu bezähmen, besonders das Verlangen nach Alleinbesitz. Was man im Familienleben lernt, bleibt das ganze Dasein hindurch gegenwärtig. 3. Mögen in diesen besonders schweren Zeiten, die unsere Welt durchmacht, die Familien nach dem Vorbild Mariens, die sich eilig aufmachte, um ihre Cousine Elisabeth zu besuchen, auf ihre notleidenden Brüder und Schwestern zugehen und sie in ihrem Gebet mittragen! Wie der Herr, der für die Menschen Sorge trägt, sollen wir sagen können: „Ich habe die Not meines Volkes gesehen, und sein Hilfeschrei ist zu mir gedrungen” (1 Sam 9,16); da werden wir für die Rufe des Volkes nicht taub bleiben dürfen. Denn die Armut einer ständig wachsenden Zahl unserer Brüder und Schwestern zerstört deren Menschenwürde und verunstaltet die ganze Menschheit; sie ist eine schreiende Beleidigung für die Pflicht zu Solidarität und Gerechtigkeit. 4. Heute soll sich unsere Aufmerksamkeit besonders auf die Leiden und die Armut der Familien richten. Denn zahlreiche Familien haben die Armutsschwelle erreicht und besitzen nicht einmal mehr das Lebensminimum, um sich und ihre Kinder zu ernähren, um diesen letzteren ein normales physisches und psychisches Wachstum und einen regelmäßigen und anerkannten Schulbesuch zu ermöglichen. Manche haben nicht mehr die Mittel für eine annehmbare Unterkunft. Die Arbeitslosigkeit greift immer mehr um sich und steigert in beträchtlichem Ausmaß die Verarmung ganzer Schichten der Bevölkerung. Frauen stehen allein da, um für den Unterhalt und die Erziehung ihrer Kinder zu sorgen, was die Jugendlichen oft dazu veranlaßt, sich auf den Straßen hemmzutreiben, sich in Drogenkonsum, in Alkoholmißbraucl oder in die Gewalt zu flüchten. Zur Zeit ist ein Anwachsen von Ehepaaren unc Familien festzustellen, die psychologischen und ihre Beziehungen betreffenden Belastungsproben ausgesetzt sind. Die sozialen Schwierigkeiten tragen manchmal zui Auflösung des Kerns der Familie bei. Allzu oft wird das Kind schon vor seiner Geburt nicht angenommen. In einigen Ländern werden Kinder unmenschlichen Bedin gungen ausgesetzt oder auf schändliche Weise ausgebeutet. Alte und behindern 372 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen werden, weil sie nicht mehr wirtschaftlich gewinnbringend sind, in äußerste Einsamkeit abgeschoben und fühlen sich unnütz. Familien werden, weil sie anderen Rassen, anderen Kulturen, anderen Religionen angehören, aus dem Land verwiesen, in dem sie sich niedergelassen haben. 5. Angesichts dieser Geißeln, die den ganzen Planeten heimsuchen, können wir nicht schweigen und nicht untätig bleiben, denn sie verletzen die Familie, Grundzelle der Gesellschaft und der Kirche. Wir sind aufgerufen, uns erneut aufzuraffen. Christen und Menschen guten Willens haben die Pflicht, den in Schwierigkeiten befindlichen Familien dadurch beizustehen, daß sie ihnen die geistigen und materiellen Mittel gewähren, um aus den oft tragischen Situationen, auf die wir soeben hingewiesen haben, herauszufinden. In der diesjährigen Fastenzeit lade ich daher vor allem zum Teilen mit den ärmsten Familien ein, damit sie insbesondere gegenüber den Kindern die ihnen zustehende Verantwortung wahmehmen können. Keiner darf unter Berufung auf sein Anderssein, seine Schwachheit oder seine Armut abgeschoben werden. Im Gegenteil, die Verschiedenartigkeit ist ein Reichtum für den gemeinsamen Aufbau. Wir geben uns Christus hin, wenn wir uns den Armen hingeben, denn sie „haben das Gesicht unseres Erlösers angenommen” und „sind die Lieblinge Gottes” (hl. Gregor von Nyssa, Von der Liebe zu den Armen). Der Glaube verlangt das Teilen mit den Mitmenschen. Die materielle Solidarität ist ein allererster und wesentlicher Ausdruck der brüderlichen Liebe: Sie gewährt jedem die Mittel, sein Auskommen zu finden und sein Leben weiterzuführen. Die Erde und ihre Reichtümer gehören allen. „Die Fruchtbarkeit der ganzen Erde muß die Fruchtbarkeit für alle sein” (hl. Ambrosius von Mailand, De Na-buthe VII, 33). In den schmerzlichen Zeiten, die wir erleben, ist es zweifellos nicht damit getan, etwas von seinem Überfluß abzugeben; es gilt vielmehr, seine Haltungen und Konsumgewohnheiten zu verändern, um etwas von dem für einen selbst Notwendigen abzugeben und nur das Wesentliche zu bewahren, so daß alle in Würde leben können. Lassen wir uns in unseren manchmal unmäßigen Wünschen nach Besitz Selbstbeschränkung auferlegen, um unserem Nächsten das zu bieten, woran er grundlegenden Mangel hat. Das Fasten der Reichen muß zur Nahrung der Armen werden (vgl. hl. Leo der Große, Homilie 20 über das Fasten). 5. Ich lenke besonders die Aufmerksamkeit der Diözesen und Pfarrgemeinden auf iie Notwendigkeit, praktische Möglichkeiten zu finden, um den mittellosen Familien su Hilfe zu kommen. Ich weiß, daß zahlreiche Diözesansynoden bereits Vorstöße in fiesem Sinn unternommen haben. Die Familienpastoral muß auch eine erstrangige Lolle spielen. Außerdem sollen die Christen in den zivilen Einrichtungen, an denen ;ie beteiligt sind, stets an diese Aufmerksamkeit und an diese vordringliche Pflicht ;rinnem, den schwächsten Familien zu helfen. Ich wende mich nochmals an die Tihrer der Nationen, damit sie nach Maßgabe ihrer Länder und des ganzen Planeten lie Mittel und Möglichkeiten finden, um die Spirale der Armut und der Verschul- 373 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN düng der Haushalte zum Stillstand zu bringen. Die Kirche wünscht, daß sich in der Wirtschaftspolitik die Führer und Untemehmensleiter der zu bewirkenden Veränderungen und ihrer Verpflichtungen bewußt werden, damit die Familien nicht allein von den ihnen zugestandenen Hilfen abhängen, sondern daß die Arbeit der Familienmitglieder ihnen die Mittel für den Lebensunterhalt bereitstellen kann. 7. Die christliche Gemeinschaft greift mit Freude die Initiative der Vereinten Nationen auf, 1994 zu einem Internationalen Jahr der Familie zu erklären, und überall dort, wo sie kann, leistet sie dazu gern ihren besonderen Beitrag. Verschließen wir heute nicht unser Herz, sondern hören wir die Stimme des Herrn und die Stimme unserer Brüder und Schwestern! Mögen die Aktionen der Nächstenliebe, die im Laufe dieser Fastenzeit von der Familien und für die Familien durchgeführt werden, jedem die tiefe Freude bereiter und die Herzen dem auferstandenen Christus öffnen, der „der Erstgeborene vor vielen Brüdern” ist (Rom 8,29)1 Allen, die auf diesen Anruf von seiten des Hern antworten werden, erteile ich gern meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 3. September 1993 Joannes Paulus PP. II Gratissimam Sane Brief an die Familien (1994 - Jahr der Familie) vom 2. Februar Liebe Familien! 1. Die Feier des Jahres der Familie bietet mir die willkommene Gelegenheit, an di< Tür eures Hauses zu klopfen mit dem Wunsch, euch sehr herzlich zu grüßen um mich bei euch aufzuhalten. Ich tue das mit diesem Schreiben, wobei ich von dei Worten der Enzyklika Redemptor Hominis ausgehe, die ich in den ersten Tage: meines Petrusamtes veröffentlicht habe. Ich schrieb damals: Der Mensch ist de Weg der Kirche. Mit dieser Formulierung wollte ich zunächst auf die vielfältigen Wege Bezug neh men, die der Mensch entlanggeht, und zugleich wollte ich unterstreichen, wie leb haft und groß der Wunsch der Kirche ist, ihn beim Durchlaufen dieser Wege seine irdischen Existenz zu begleiten. Die Kirche nimmt an den Freuden und Hoffnunger an der Trauer und an den Ängsten des täglichen Lebens der Menschen teil, weil si zutiefst davon überzeugt ist, daß Christus selbst sie in alle diese Wege eingeweil hat: Er hat den Menschen der Kirche anvertraut; Er hat ihn ihr anvertraut als „Weg ihrer Sendung und ihres Dienstes. 1 2 Vgl. Enzyklika Redemptor Hominis (4. März 1979),Nr. 14: AAS 71(1979)284-285. Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium spes, Nr. 1. 374 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Familie - Weg der Kirche 2. Unter diesen zahlreichen Wegen ist die Familie der erste und der wichtigste. Ein gemeinsamer Weg und doch ein eigener, einzigartiger und unwiederholbarer Weg, so wie jeder Mensch unwiederholbar ist; ein Weg, von dem kein Mensch sich lossagen kann. In der Tat kommt er normalerweise innerhalb einer Familie zur Welt, weshalb man sagen kann, daß er ihr seine Existenz als Mensch verdankt. Fehlt die Familie, so entsteht in der Person, die in die Welt eintritt, eine bedenkliche und schmerzliche Lücke, die in der Folge auf dem ganzen Leben lasten wird. Mit herzlich empfundener Fürsorge ist die Kirche denen nahe, die in solchen Situationen leben, weil sie um die grundlegende Rolle weiß, die die Familie zu spielen berufen ist. Sie weiß darüber hinaus, daß der Mensch normalerweise seine Familie verläßt, um seinerseits in einem neuen Familienkern die eigene Lebensberufiing zu verwirklichen. Selbst wenn er sich für das Alleinbleiben entscheidet, bleibt die Familie als jene fundamentale Gemeinschaft, in der das gesamte Netz seiner sozialen Beziehungen, von den unmittelbarsten und nahehegenden bis hin zu den entferntesten, verwurzelt ist, so etwas wie sein existentieller Horizont. Sprechen wir etwa nicht von der „Menschheitsfamilie”, wenn wir auf die Gesamtheit der auf der Welt lebenden Menschen Bezug nehmen? Die Familie hat ihren Ursprung in derselben Liebe, mit der der Schöpfer die geschaffene Welt umfangt, wie es schon „am Anfang” im Buch Genesis (1,1) ausgesprochen wurde. Eine letzte Bestätigung dafür bietet uns lesus im Evangelium: „... Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab” {Joh 3,16). Der mit dem Vater wesensgleiche einzige Sohn, „Gott von Gott und Licht vom Licht”, ist durch die Familie in die Geschichte der Menschen eingetreten: „Durch die Menschwerdung hat sich der Sohn Gottes gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, ... mit einem menschlichen Herzen geliebt. Geboren aus Maria, der Jungfrau, ist er in Wahrheit einer aus uns geworden, n allem uns gleich außer der Sünde.” <11> Wenn daher Christus „dem Menschen den Menschen selbst voll kundmacht”, <12> tut er das, angefangen von der Familie, in die er nneingeboren werden und in der er aufwachsen wollte. Wie man weiß, hat der Er-öser einen großen Teil seines Lebens in der Zurückgezogenheit von Nazaret vermacht, als „Menschensohn” seiner Mutter Maria und Josef, dem Zimmermann, ,gehorsam” (Lk 2,51). Ist nicht dieser kindliche „Gehorsam” bereits der erste Aus-iruck jenes Gehorsams gegenüber dem Vater „bis zum Tod” (Phil 2,8), durch den ;r die Welt erlöst hat? Ebd., 22. Ebd. Jas göttliche Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes steht also in enger Bezie-mng zur menschlichen Familie. Nicht nur zu einer Familie, jener von Nazaret, son-lem in gewisser Weise zu jeder Familie, entsprechend der Aussage des Zweiten /atikanischen Konzils über den Sohn Gottes, der „sich in seiner Menschwerdung 375 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt (hat)”. <13> <14> <15> In der Nachfolge Christi, der in die Welt „gekommen” ist, „um zu dienen” (Mt 20,28), sieht die Kirche den Dienst an der Familie als eine ihrer wesentlichen Aufgaben an. In diesem Sinne stellen sowohl der Mensch wie die Familie „den Weg der Kirche” dar. <13> Ebd. ^ Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 11. <15> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, II. Teil, I. Kap. Das Jahr der Familie 3. Aus eben diesen Gründen begrüßt die Kirche mit Freude die von der Organisation der Vereinten Nationen geförderte Initiative, 1994 zum Internationalen Jahr der Familie zu erklären. Diese Initiative macht offenkundig, wie grundlegend für die Staaten, die UNO-Mitglieder sind, die Familienfrage ist. Wenn die Kirche daran teilzunehmen wünscht, so tut sie es, weil sie selbst von Christus zu „allen Völkern” (Mt 28, 19) gesandt worden ist. Es ist im übrigen nicht das erste Mal, daß sich die Kirche eine internationale Initiative der UNO zu eigen macht. Es sei z. B. nur an das Internationale Jahr der Jugend 1985 erinnert. Auch auf diese Weise macht sie sich in der Welt präsent, indem sie die Papst Johannes XXIII. so teure Absicht und Anregung der Konzilskonstitution Gaudium et spes verwirklicht. Am Fest der Heiligen Familie 1993 hat in der gesamten Kirche das „Jahr der Familie” begonnen als eine der bedeutsamen Etappen auf dem Vorbereitungsweg zum Großen Jubeljahr 2000, das das Ende des zweiten und den Beginn des dritten Jahrtausends seit der Geburt Jesu Christi bezeichnen wird. Dieses Jahr soll unsere Gedanken und Herzen auf Nazaret hinlenken, wo es am vergangenen 26. Dezembei mit einer festlichen Eucharistiefeier unter Leitung des päpstlichen Gesandten offiziell eröffnet wurde. Während dieses ganzen Jahres ist es wichtig, die Zeugnisse der Liebe und de> Sorge der Kirche für die Familie wiederzuentdecken: Liebe und Sorge, die seit der Anfängen des Christentums, als die Familie bezeichnenderweise als „Hauskirche’ angesehen wurde, zum Ausdruck gebracht wurden. In unseren Tagen kommen wii häufig auf den Ausdruck „Hauskirche” zurück, den sich das Konzil zu eigen macht* und dessen Inhalt, so wünschen wir, immer lebendig und aktuell bleiben möge. Dieser Wunsch wird angesichts des Wissens um die veränderten Lebensbedingunger der Familien in der heutigen Welt nicht geringer. Eben deshalb ist der Titel, den da: Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes gewählt hat, um die Aufgabei der Kirche in der Gegenwart aufzuzeigen, bedeutsamer denn je: „Förderung de, Würde der Ehe und der Familie.” Ein weiterer wichtiger Bezugspunkt nach den Konzil ist das Apostolische Schreiben Familiaris consortio aus dem Jahr 1981. Je ner Text stellt sich einer umfangreichen und komplexen Erfahrung in bezug auf di: Familie, die immer und überall bei den verschiedenen Völkern und Ländern „de Weg der Kirche” bleibt. In gewisser Hinsicht wird sie es gerade dort noch mehr, wc 376 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Familie innere Krisen erleidet oder schädlichen kulturellen, sozialen und ökonomischen Einflüssen ausgesetzt ist, die ihre innere Festigkeit untergraben, wenn sie nicht sogar ihre Bildung selbst behindern. Das Gebet 4. Mit dem vorhegenden Schreiben möchte ich mich nicht an die Familie „im abstrakten Sinn” wenden, sondern an jede konkrete Familie jeder Region der Erde, auf welchen geographischen Längen oder Breiten sie sich auch befinde und wie komplex und verschiedenartig ihre Kultur und ihre Geschichte auch sein mag. Die Liebe, mit der Christus „die Welt geliebt hat” {Joh 3,16), die Liebe, mit der Christus jeden einzelnen und alle „bis zur Vollendung geliebt hat” (Joh 13,1), ermöglicht es, diese Botschaft an jede Familie als Lebens-„Zelle” der großen, universalen Menschheits-„Familie” zu richten. Der Vater, Schöpfer des Universums, und das fleischgewordene Wort, Erlöser der Menschheit, bilden die Quelle dieser universalen Öffnung zu den Menschen als Brüder und Schwestern und halten dazu an, sie alle in das Gebet einzuschließen, das mit den anrührenden Worten beginnt: „Vater unser.” Das Gebet bewirkt, daß der Sohn Gottes mitten unter uns weilt: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen” {Mt 18,20). Dieses Schreiben an die Familien möchte in erster Linie eine Bitte an Christus sein, in jeder menschlichen Familie zu bleiben; eine Einladung an Ihn, durch die kleine Familie von Eltern und Kindern in der großen Familie der Völker zu wohnen, damit tatsächlich alle mit Ihm zusammen sprechen können: „Vater unser!” Das Gebet muß zum beherrschenden Element des Jahres der Familie in der Kirche werden: das Gebet der Familie, das Gebet für die Familie, das Gebet mit der Familie. Es ist bezeichnend, daß der Mensch gerade im Gebet und durch das Gebet auf äußerst schlichte und zugleich tiefgründige Weise seine ihm eigentümliche Subjektivität entdeckt, das menschliche „Ich” nimmt im Gebet leichter die Tiefgründigkeit seines Personseins wahr. Das gilt auch für die Familie, die nicht nur die fundamentale „Zelle” der Gesellschaft ist, sondern auch eine eigene, besondere Subjektivität besitzt. Die erste und grundlegende Bestätigung findet dies und konsolidiert sich dann, wenn die Mitglieder der Familie einander in der gemeinsamen Anrufung begegnen: „Vater unser.” Das Gebet kräftigt die geistliche Stärkung und Festigung der Familie, indem es dazu beiträgt, sie an der „Stärke” Gottes teilhaben zu lassen. Bei dem feierlichen „Brautsegen” während der Eheschließungsfeier ruft der Zelebrant den Herrn mit den Worten an: „Gieße über sie (die Neuvermählten) die Gnade des Heiligen Geistes aus, damit sie kraft deiner Liebe, die ihre Herzen erfüllt, in ihrem ihelichen Bund einander treu bleiben.” <16> Aus dieser „Ausgießung des Geistes” er- Rituale Romamun, Ordo celebrandi matrimonium, n. 74, editio typica altera, 1991, S. 26. 377 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wächst die den Familien innewohnende Stärke ebenso wie die Kraft, die in der Lage ist, sie in der Liebe und in der Wahrheit zu einigen. Die Liebe und Sorge für alle Familien 5. Möge das Jahr der Familie zu einem einstimmigen und universalen Gebet der einzelnen „Hauskirchen” und des ganzen Volkes Gottes werden! Möge dieses Gebet auch die Familien erreichen, die in Schwierigkeiten oder in Gefahr sind, die verzagt oder getrennt sind und diejenigen, die sich in Situationen befinden, welche Familia-ris consortio als „irregulär” bezeichnet. <17> Mögen sie alle sich von der Liebe und Sorge der Brüder und Schwestern umfangen fühlenl Vgl. Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, Nrn. 79-84: AAS 74(1982)180-186. Das Gebet im Jahr der Familie stellt zunächst ein ermutigendes Zeugnis von seiten der Familien dar, die in der häuslichen Gemeinsamkeit ihre menschliche und christliche Lebensberufung verwirklichen. Deren gibt es zahlreiche in jeder Nation, Diözese und Pfarrei! Auch wenn man sich die nicht wenigen „irregulären Situationen” vor Augen hält, so darf man vernünftigerweise annehmen, daß jene „die Regel” darstellen. Und die Erfahrung zeigt, wie entscheidend die Rolle einer Familie in Übereinstimmung mit den sittlichen Normen ist, damit der Mensch, der in ihr geborer wird und seine Erziehung erfährt, ohne Unsicherheiten den Weg des Guten einschlägt, das ihm ja ewig in sein Herz geschrieben ist. Auf die Zersetzung der Familien scheinen in unseren Tagen leider verschiedene Programme ausgerichtet zu sein die von sehr einflußreichen Medien unterstützt werden. Es scheint bisweilen so zi sein, daß unter allen Umständen versucht wird, Situationen, die tatsächlicl „irregulär” sind, als „regulär” und anziehend darzustellen, indem man ihnen den äu ßeren Anschein eines verlockenden Zaubers verleiht; sie widersprechen tatsächlicl der „Wahrheit und der Liebe”, die die gegenseitige Beziehung zwischen Männen und Frauen inspirieren und leiten sollen, und sind daher Anlaß für Spannungen unc Trennungen in den Familien mit schwerwiegenden Folgen besonders für die Kinder Das moralische Gewissen wird verdunkelt, was wahr, gut und schön ist, wird ent stellt, und die Freiheit wird in Wirklichkeit von einer regelrechten Knechtschaft ver drängt. Wie aktuell und anregend klingen angesichts all dessen die Worte des Pau lus in bezug auf die Freiheit, mit der Christus uns befreit hat, und die von der Sündi verursachte Knechtschaft (vgl. Gal 5,1)! Man ist sich also bewußt, wie angemessen, ja notwendig in der Kirche ein Jahr de Familie ist; wie unerläßlich das Zeugnis aller Familien ist, die tagtäglich ihre Beru fung leben; wie dringend ein intensives Gebet der Familien ist, das wächst und di ganze Erde umspannt und in dem die Danksagung für die Liebe in der Wahrheit, fü die „Ausgießung der Gnade des Heiligen Geistes”, <18> für die Anwesenheit Chris-unter Eltern und Kindern zum Ausdruck kommt: Christi, des Erlösers und Bräuti gams, der uns „bis zur Vollendung geliebt hat” (vgl. Joh 13,1). Wir sind zutief: Vgl. Rituale Romanum, Ordo celebrandi matrimomium, n. 74, a.a.O., S. 26. 9 10 378 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN davon überzeugt, daß diese Liebe größer als alles ist (vgl. 1 Kor 13,13), und wir glauben, daß sie imstande ist, siegreich all das zu überwinden, was nicht Liebe ist. Möge dieses Jahr unablässig das Gebet der Kirche, das Gebet der Familien, der „Hauskirchen”, emporsteigen! Und möge es sich zuerst bei Gott und dann auch bei den Menschen vernehmen lassen, damit sie nicht in Zweifel verfallen und alle, die aus menschlicher Schwachheit wankend werden, nicht den Versuchungen der Faszination von nur scheinbar Gutem erliegen, wie sie sich in jeder Versuchung darbieten. Zu Kana in Galiläa, wo Jesus zu einer Hochzeitsfeier eingeladen war, wandte sich die Mutter, die ebenso zugegen war, an die Diener und sagte: „Was er euch sagt, das tut” (.loh 2,5). Auch an uns, die wir in das Jahr der Familie eingetreten sind, richtet Maria eben diese Worte. Und was Christus in diesem besonderen geschichtlichen Augenblick sagt, stellt einen starken Aufruf zu einem großen Gebet mit den Familien und für die Familien dar. Die jungfräuliche Mutter lädt uns ein, uns mit diesem Gebet den Empfindungen des Sohnes zu verbinden, der eine jede Familie liebt. Diese Liebe hat er zu Beginn seiner Erlösungssendung eben mit seiner heilbringenden Anwesenheit in Kana in Galiläa zum Ausdruck gebracht, eine Anwesenheit, die bis heute andauert. Bitten wir für die Familien in aller Welt. Bitten wir durch ihn, mit ihm und in ihm den Vater, „nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird” (Eph 3,15). I. Die Zivilisation der Liebe „Als Mann und Frau schuf er sie” 6. Der unendliche und so vielfältige Kosmos, die Welt aller Lebewesen, ist in die Vaterschaft Gottes als sein Quell eingeschrieben (vgl. Eph 3,14-16). Er ist ihr natürlich eingeschrieben nach dem Kriterium der Analogie, aufgrund dessen es uns möglich ist, schon am Beginn des Buches Genesis die Wirklichkeit der Vaterschaft und Mutterschaft und daher auch der menschlichen Familie zu erkennen. Der inter-pretative Schlüssel dazu liegt im Prinzip des „Abbildes” und der „Ähnlichkeit” Got-:es, die der biblische Text nachdrücklich betont (vgl. Gen 1,26). Gott erschafft kraft seines Wortes: „Es werde!” (z. B. Gen 1,3). Es ist bedeutsam, daß dieses Wort Got-:es bei der Erschaffung des Menschen durch diese weiteren Worte ergänzt wird: ,Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich” (Gen 1,26). Der Schöpfer geht, bevor er den Menschen schafft, gleichsam in sich selbst, um darin das Vorbild und die Inspiration im Geheimnis seines Wesens zu suchen, das sich in gewisser Hinsicht schon hier als das göttliche „Wir” offenbart. Aus diesem Ge-leimnis geht auf schöpferische Weise der Mensch hervor: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf ir sie” (Gen 1,27). 379 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott segnet die neuen Wesen und spricht zu ihnen: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde; unterwerft sie euch” (Gen 1,28). Das Buch Genesis gebraucht dieselben Formulierungen, die im Zusammenhang der Erschaffung der anderen Lebewesen verwendet wurden: „Vermehrt euch”, aber ihr analoger Sinn ist klar. Muß nicht diese Analogie von Zeugung und Elternschaft im Licht des Gesamtzusammenhanges gelesen werden? Keines der Lebewesen außer dem Menschen wurde „als Abbild Gottes und ihm ähnlich” geschaffen. Die menschliche Elternschaft hat, obwohl sie jener anderer Lebewesen in der Natur biologisch ähnlich ist, an sich wesenhaft und ausschließlich eine Ähnlichkeit” mit Gott, auf die sich die Familie gründet, die als menschliche Lebensgemeinschaft, als Gemeinschaft von Personen, die in der Liebe vereint sind (communio personarum), verstanden wird. Im Licht des Neuen Testamentes ist es möglich, das Urmodell der Familie in Gott selbst, im trinitarischen Geheimnis seines Lebens, wiederzuerkennen. Das göttliche „Wir” bildet das ewige Vorbild des menschlichen „Wir”; vor allem jenes „Wir”, das von dem nach dem Abbild und der Ähnlichkeit Gottes geschaffenen Mann und der Frau gebildet ist. Die Worte des Buches Genesis enthalten jene Wahrheit über den Menschen, der die Erfahrung der Menschheit selbst entspricht. Der Mensch wurde „am Anfang” als Mann und Frau geschaffen: Das Leben der menschlichen Gemeinschaft - der kleinen Gemeinschaften wie der ganzen Gesellschaft - trägt das Zeichen dieser Ur-Dualität. Aus ihr gehen die „Männlichkeit” und die „Weiblichkeit” der einzelnen Individuen hervor, so wie aus ihr jede Gemeinschaft ihren je eigentümlichen Reichtum in der gegenseitigen Ergänzung der Personen schöpft. Darauf scheint sich die Stelle aus dem Buch Genesis zu beziehen: „Als Mann und Frau schuf er sie” (Gen 1,27). Das ist auch die erste Aussage über die gleiche Würde von Mann und Frau: Beide sind in gleicher Weise Personen. Diese ihre Begründung mit der besonderen Würde, die sich daraus ergibt, bestimmt schon „am Anfang” die Wesensmerkmale des gemeinsamen Gutes der Menschheit in jeder Dimension und jedem Bereich des Lebens. Zu diesem gemeinsamen Gut leisten beide, der Mann und die Frau, ihren je eigenen Beitrag, dank dessen sich an den Wurzeln des menschlichen Zusammenlebens selbst der Charakter von Gemeinsamkeit und Ergänzung findet. Der eheliche Bund 7. Die Familie wurde stets als erster und grundlegender Ausdruck der sozialen Natur des Menschen angesehen. In ihrem wesentlichen Kern hat sich diese Sicht aucl heute nicht geändert. In unseren Tagen jedoch zieht man es vor, in der Familie, die die kleinste anfängliche menschliche Gemeinschaft darstellt, alles hervorzuheben was persönlicher Beitrag des Mannes und der Frau ist. Die Familie ist tatsächlic! eine Gemeinschaft von Personen, für welche die spezifische Existenzform und Ar des Zusammenlebens die Gemeinsamkeit ist: communio personarum. Auch hier trit bei Wahrung der absoluten Transzendenz des Schöpfers der Schöpfung gegenübe: 380 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der exemplarische Bezug zum göttlichen „Wir” hervor. Nur Personen sind imstande, „in Gemeinsamkeit” zu leben. Ihren Ausgang nimmt die Familie von der ehelichen Verbindung, die das Zweite Vatikanische Konzil als „Bund” bezeichnet, in dem sich Mann und Frau „gegenseitig schenken und annehmen”.n Das Buch Genesis macht uns offen für diese Wahrheit, wenn es unter Bezugnahme auf die Gründung der Familie durch die Ehe sagt, „der Mann verläßt Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch” (Gen 2,24). Im Evangelium wiederholt Christus im Streitgespräch mit den Pharisäern dieselben Worte und fügt hinzu: „Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen” (Mt 19,6). Er offenbart von neuem den normativen Inhalt einer Tatsache, die bereits „am Anfang” (Mt 19,8) bestand und die diesen Inhalt immer in sich bewahrt. Wenn der Meister das „jetzt” bestätigt, so tut er das, um an der Schwelle des Neuen Bundes den unauflöslichen Charakter der Ehe als Fundament des Gemeinwohls der Familie unmißverständlich klarzumachen. Wenn wir zusammen mit dem Apostel die Knie vor dem Vater beugen, nach dessen Namen jede Elternschaft benannt ist (vgl. Eph 3,14-15), erkennen wir, daß das Eltemsein das Ereignis ist, durch das die bereits mit dem Ehebund gebildete Familie sich „im vollen und eigentlichen Sinn” verwirklicht. Die Mutterschaft schließt notwendig die Vaterschaft, und umgekehrt, die Vaterschaft notwendig die Mutterschaft ein: Sie ist Frucht der Dualität, die dem Menschen vom Schöpfer „am Anfang” geschenkt wurde. Ich habe auf zwei miteinander verwandte, aber nicht identische Begriffe Bezug genommen: den Begriff communio (Gemeinsamkeit) und den Begriff communitas (Gemeinschaft). Die „Gemeinsamkeit” betrifft die persönliche Beziehung zwischen dem „Ich” und dem „Du”. Die „Gemeinschaft” dagegen übersteigt dieses Schema in Richtung einer „Gesellschaft”, eines „Wir”. Die Familie als Gemeinschaft von Personen ist daher die erste menschliche „Gesellschaft”. Sie entsteht, wenn der bei der Trauung geschlossene eheliche Bund sich verwirklicht, der die Eheleute für eine dauernde Liebes- und Lebensgemeinschaft öffnet und sich im vollen und eigentlichen Sinn mit der Zeugung von Kindern vervollständigt: Mit der „Gemeinsamkeit” der Eheleute beginnt diese grundlegende „Gemeinschaft” der Familie. Die „Familiengemeinschaft” ist zutiefst von dem durchdrungen, was das eigentliche Wesen der „Gemeinsamkeit” ausmacht. Kann es auf menschlicher Ebene eine andere „Gemeinsamkeif’ geben, welche jener vergleichbar wäre, die zwischen der Mutter und dem Kind entsteht, das sie zuerst im Schoß getragen und dann zur Welt gebracht hat? In der so begründeten Familie offenbart sich eine neue Einheit, in der die Beziehung der „Gemeinsamkeit” der Eltern volle Erfüllung findet. Die Erfahrung lehrt, daß diese Erfüllung auch eine Aufgabe und eine Herausforderung darstellt. Die Aufgabe li 12 Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 48. Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 69: AAS 74(1982)165. 381 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verpflichtet die Ehegatten in der Verwirklichung ihres anfänglichen Bundes. Die von ihnen gezeugten Kinder müßten - und darin besteht die Herausforderung - diesen Bund dadurch festigen, daß sie die eheliche Gemeinsamkeit von Vater und Mutter bereichern und vertiefen. Ist das nicht der Fall, so muß man sich fragen, ob nicht der Egoismus, der sich wegen der menschlichen Neigung zum Bösen auch in der Liebe des Mannes und der Frau verbirgt, stärker ist als diese Liebe. Die Ehegatten müssen sich dessen sehr klar bewußt sein. Sie müssen von Anfang an ihre Herzen und Gedanken jenem Gott zuwenden, „nach dessen Namen jedes Geschlecht benannt wird”, damit ihre Elternschaft jedes Mal aus dieser Quelle die Kraft zur unablässigen Erneuerung der Liebe schöpfe. Vaterschaft und Mutterschaft stellen an sich eine besondere Bestätigung der Liebe dar, deren ursprüngliche Weite und Tiefe zu entdecken sie ermöglichen. Das geschieht jedoch nicht automatisch. Es ist vielmehr eine Aufgabe, die beiden übertragen ist: dem Ehemann und der Ehefrau. In ihrem Leben stellen Vaterschaft und Mutterschaft eine „Neuheit” und eine Fülle dar, die so erhaben sind, daß man sie nur „auf den Knien” empfangen kann. Die Erfahrung lehrt, daß die menschliche Liebe wegen ihrer auf die Elternschaft hingeordneten Natur bisweilen eine tiefe Krise durchmacht und daher ernsthaft bedroht ist. Man wird in solchen Fällen in Erwägung ziehen, sich an die Dienste zu wenden, die von Ehe- und Familienberatem angeboten werden, durch die es möglich ist, sich unter anderem von besonders ausgebildeten Psychologen und Psychotherapeuten Hilfe geben zu lassen. Man darf jedoch nicht vergessen, daß die Worte des Apostels immer gültig bleiben: „Ich beuge meine Knie vor dem Vater, nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird.” Die Ehe, das Ehesakrament, ist ein in Liebe geschlossener Bund von Personen. Und die Liebe kann nur von der Liebe vertieft und geschützt werden, jener Liebe, die „ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist” (.Röm 5,5). Sollte sich das Gebet des Jahres der Familie nicht auf den entscheidenden Punkt konzentrieren, den der Übergang von der ehelichen Liebe zur Zeugung und somit zur Elternschaft darstellt? Wird nicht gerade da die „Ausgießung der Gnade des Heiligen Geistes”, die die Liturgie während der Trauungsfeier erbittet, unentbehrlich? Der Apostel bittet den Vater, während er seine Knie vor ihm beugt, „er möge euch ... schenken, daß ihr in eurem Innern durch seinen Geist an Kraft und Stärke zu-nehmf’ (Eph 3,16). Diese „Kraft im Innern des Menschen” wird im gesamten Familienleben benötigt, besonders in seinen kritischen Augenblicken, wenn also die Liebe, die in dem liturgischen Ritus des Ehekonsenses mit den Worten ausgedrückt wurde: „Ich verspreche, dir immer, ... alle Tage meines Lebens treu zu bleiben” einer schweren Prüfung ausgesetzt ist. 382 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Einheit der beiden 8. Nur die „Personen” sind imstande, diese Worte auszusprechen; nur sie sind fähig, auf der Grundlage der gegenseitigen Wahl, die ganz bewußt und frei ist bzw. sein sollte, in Gemeinsamkeit” zu leben. Das Buch Genesis stellt dort, wo es auf den Mann Bezug nimmt, der Vater und Mutter verläßt, um sich an seine Frau zu binden (vgl. Gen 2,24), die bewußte und freie Wahl heraus, die der Ehe ihren Anfang verleiht und einen Sohn zum Ehemann und eine Tochter zur Ehefrau werden läßt. Wie soll man diese gegenseitige Wahl richtig verstehen, wenn man nicht die volle Wahrheit über die Person und das vernünftige und freie Wesen vor Augen hat? Das Zweite Vatikanische Konzil spricht hier, unter Verwendung wie nie zuvor bedeutungsvoller Worte, von der Ähnlichkeit mit Gott. Es bezieht sich dabei nicht nur auf das göttliche Ebenbild, das bereits jedes menschliche Wesen an und für sich besitzt, sondern auch und in erster Linie auf „eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe”. <19> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 24. Diese besonders reichhaltige und prägnante Formulierung stellt vor allem heraus, was für die tiefste Identität jedes Mannes und jeder Frau entscheidend ist. Diese Identität besteht in der Fähigkeit, in der Wahrheit und in der Liebe zu leben; ja, noch mehr, sie besteht in dem Verlangen nach Wahrheit und Liebe als bestimmende Dimension des Lebens der Person. Dieses Verlangen nach Wahrheit und Liebe macht den Menschen sowohl offen für Gott wie für die Geschöpfe: es macht ihn offen für die anderen Menschen, für das Leben „in Gemeinschaft”, vor allem für die Ehe und die Familie. In den Worten des Konzils ist die „Gemeinschaft” der Personen in gewissem Sinne aus dem Geheimnis des trinitarischen „Wir” abgeleitet, und auch die „eheliche Gemeinschaft” wird auf dieses Geheimnis bezogen. Die Familie, die aus der Liebe des Mannes und der Frau entsteht, erwächst in grandlegender Weise aus dem Mysterium Gottes. Das entspricht dem tiefsten Wesen des Mannes und der Frau, es entspricht ihrer Natur und ihrer Würde als Personen. Mann und Frau vereinen sich in der Ehe so innig miteinander, daß sie - nach den Worten der Genesis - „ein Fleisch” werden (Gen 2,24). Die zwei Menschenwesen, die auf Grand ihrer physischen Verfassung männlich und weiblich sind, haben trotz körperlicher Verschiedenheit in gleicher Weise teil an der Fähigkeit, „in der Wahrheit und der Liebe” zu leben. Diese Fähigkeit, die für das menschliche Wesen, insofern es Person ist, charakteristisch ist, hat zugleich eine geistige und körperliche Dimension. Denn durch den Leib sind der Mann und die Frau darauf vorbereitet, in der Ehe eine „Gemeinschaft von Personen” zu bilden. Wenn sie sich kraft des ehelichen Bundes so vereinen, daß sie „ein Fleisch” werden (Gen 2,24), muß sich ihre Vereinigung „in der Wahrheit und der Liebe" erfüllen und auf diese Weise die ei- 3 383 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gentliche Reife der nach dem Abbild und Gleichnis Gottes erschaffenen Personen an den Tag legen. Die aus dieser Vereinigung hervorgegangene Familie gewinnt ihre innere Festigkeit aus dem Bund zwischen den Ehegatten, den Christus zum Sakrament erhoben hat. Sie empfängt ihren Gemeinschaftscharakter, ja ihre Wesensmerkmale als „Gemeinschaft” aus jener gmndlegenden Gemeinsamkeit der Ehegatten, die sich in den Kindern fortsetzt. „Seid ihr bereit, in Verantwortung und Liebe die Kinder, die Gott euch schenken will, anzunehmen und zu erziehen ...?”, fragt der Zelebrant während des Trauungsritus. <20> Die Antwort der Brautleute entspricht der tiefsten Wahrheit der Liebe, die sie verbindet. Auch wenn ihre Einheit sie untereinander verschließt, öffnet sie sich doch auf ein neues Leben, auf eine neue Person hin. Als Eltern werden sie fähig sein, einem Wesen, das ihnen ähnlich ist, das Leben zu schenken, nicht nur „Heisch von ihrem Heisch und Bein von ihrem Gebein” (vgl. Gen 2,23), sondern Abbild und Gleichnis Gottes, das heißt Person. Rituale Romanum, Ordo celebrandi matrimonium, n. 60, a.a.O., S. 17. Mit der Frage: „Seid ihr bereit?” erinnert die Kirche die Neuvermählten daran, daß sie sich im Angesicht der Schöpfermacht Gottes befinden. Sie sind berufen, Eltern zu werden, das heißt, mit dem Schöpfer mitzuwirken bei der Weitergabe des Lebens. Mit Gott Zusammenarbeiten, um neue Menschen ins Leben zu rufen, heißt mitwirken an der Übertragung jenes göttlichen Abbildes, das jedes „von einer Frau geborene” Wesen in sich trägt. Die Genealogie der Person 9. Durch die Gemeinschaft von Personen, die sich in der Ehe verwirklicht, gründen der Mann und die Frau die Familie. Mit der Familie verbindet sich die Genealogie jedes Menschen: die Genealogie der Person. Die menschliche Elternschaft hat ihre Wurzeln in der Biologie und geht zugleich über sie hinaus. Wenn der Apostel „seine Knie vor dem Vater beugt, nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird”, stellt er uns in gewissem Sinne die gesamte Welt der Lebewesen vor Augen, von den Geistwesen im Himmel bis zu den leiblichen Geschöpfen auf der Erde. Jede Zeugung findet ihr Ur-Modell in der Vaterschaft Gottes. Doch im Fall des Menschen genügt diese „kosmische” Dimension der Gottähnlichkeit nicht, um die Beziehung von Vaterschaft und Mutterschaft angemessen zt definieren. Wenn aus der ehelichen Vereinigung der beiden ein neuer Mensch entsteht, so bringt er ein besonderes Abbild Gottes, eine besondere Ähnlichkeit mi' Gott selbst in die Welt: in die Biologie der Zeugung ist die Genealogie der Persor eingeschrieben. Wenn wir sagen, die Ehegatten seien als Eltern bei der Empfängnis und Zeugung eines neuen Menschen Mitarbeiter des Schöpfergottes, <21> beziehen wir uns nicht ein fach auf die Gesetze der Biologie; wir wollen vielmehr hervorheben, daß in de, Vgl. Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 28: AAS 74( 1982)114. 14 15 384 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menschlichen Elternschaft Gott selber in einer anderen Weise gegenwärtig ist als bei jeder anderen Zeugung „auf Erden”. Denn nur von Gott kann jenes „Abbild und jene Ähnlichkeit” stammen, die dem Menschen wesenseigen ist, wie es bei der Schöpfung geschehen ist. Die Zeugung ist die Fortführung der Schöpfung. So stehen also die Eltern sowohl bei der Empfängnis wie bei der Geburt eines neuen Menschen vor einem „tiefen Geheimnis” (Eph 5,32). Nicht anders als die Eltern ist auch der neue Mensch zur Existenz als Person, zum Leben „ in der Wahrheit und der Liebe ”, berufen. Diese Berufung öffnet sich nicht nur dem Zeithehen, sondern in Gott öffnet sie sich der Ewigkeit. Das ist die Dimension der Genealogie der Person, die Christus uns endgültig enthüllt hat, als er das Licht seines Evangeliums auf das menschliche Leben und Sterben und damit auf die Bedeutung der menschlichen Familie ausgoß. Wie das Konzil feststellt, ist der Mensch „auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur”. Die Entstehung des Menschen folgt nicht nur den Gesetzen der Biologie, sondern unmittelbar dem Schöpferwillen Gottes: es ist der Wille, der die Genealogie der Söhne und Töchter der menschlichen Familien angeht. Gott hat den Menschen schon am Anfang „ gewollt” - und Gott „ will" ihn bei jeder menschlichen Empfängnis und Geburt. Gott „will” den Menschen als ein Ihm selbst ähnliches Wesen, als Person. Dieser Mensch, jeder Mensch wird von Gott „um seiner Selbst willen” geschaffen. Das gilt für alle, auch jene, die mit Krankheiten oder Gebrechen zur Welt kommen. In die persönliche Verfassung eines jeden ist der Wille Gottes eingeschrieben, der den Menschen in gewissem Sinne selbst als Ziel will. Gott übergibt den Menschen sich selbst, während er ihn zugleich der Familie und der Gesellschaft als deren Aufgabe anvertraut. Die Eltern, die vor einem neuen Menschenwesen stehen, sind sich oder sollten sich voll dessen bewußt sein, daß Gott diesen Menschen „um seiner Selbst willen will”. Diese knappe Formulierung ist sehr inhaltsreich und tiefgreifend. Vom Augenblick der Empfängnis und dann von der Geburt an ist das neue Wesen dazu bestimmt, sein Menschsein in Fülle zum Ausdruck zu bringen — sich als Person zu „finden”. Das betrifft absolut alle, auch die chronisch Kranken und geistig Behinderten. „Mensch sein” ist seine fundamentale Berufung: „Mensch sein” nach Maßgabe der empfangenen Gaben. Nach Maßgabe jener „Begabung”, die das Menschsein an sich darstellt, und erst dann nach Maßgabe der anderen Talente. In diesem Sinne will Gott jeden Menschen „um seiner Selbst willen”. In dem Plan Gottes überschreitet die Berufung der menschlichen Person jedoch die zeitlichen Grenzen. Sie kommt dem Willen des Vaters entgegen, der im fleischgewordenen Wort geoffenbart worden ist: Gott will den Menschen dadurch beschenken, daß er ihn an seinem gött- Vgl. Pius XII., Enzyklika Humani generis (12. August 1950): AAS 42(1950)574. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 24. 385 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen Leben teilhaben läßt. Christus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Steht die letzte Bestimmung des Menschen nicht im Widerspruch zu der Feststellung, daß Gott den Menschen „um seiner Selbst willen” will? Wenn der Mensch für das göttliche Leben geschaffen ist, existiert er dann wirklich „um seiner Selbst willen”? Das ist eine Schlüsselfrage, die sowohl für das Aufblühen wie für das Verlöschen der irdischen Existenz große Bedeutung hat: sie ist für den Verlauf des ganzen Lebens wichtig. Es könnte den Anschein haben, daß Gott dem Menschen dadurch, daß er ihn für das göttliche Leben bestimmt, endgültig sein Existieren „um seiner Selbst willen” entzieht. Welche Beziehung besteht zwischen dem persönlichen Leben und der Teilhabe am trinitarischen Leben? Darauf antwortet der hl. Augustinus mit den berühmten Worten: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.” <22> <23> Dieses „unruhige Herz” deutet darauf hin, daß zwischen der einen und der anderen Zielsetzung kein Widerspruch besteht, vielmehr eine Verbindung, eine Zuordnung, eine tiefgreifende Einheit. Auf Grund der ihr eigenen Genealogie existiert die nach dem Bild Gottes geschaffene Person gerade durch Teilhabe an Seinem Leben „um ihrer Selbst willen” und verwirklicht sich. Der Gehalt solcher Verwirklichung ist die Fülle des Lebens in Gott, jenes Lebens, von dem Christus spricht (vgl. Joh 6,37-40), der uns gerade dafür erlöst hat, um uns dort hineinzuführen (vgl. Mk 10,45). <22> Confessiones, I, 1. <23> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium t spes, Nr. 50. Die Ehegatten wünschen die Kinder für sich; und sie sehen in ihnen die Krönung ihrer gegenseitigen Liebe. Sie wünschen sie für die Familie als wertvollstes Geschenk21 Es ist in gewissem Maß ein verständlicher Wunsch. Doch ist der ehelichen und der elterlichen Liebe die Wahrheit über den Menschen eingeschrieben, die in knapper und präziser Form vom Konzil ausgedrückt wurde mit der Feststellung, daß Gott „den Menschen um seiner Selbst willen will”. Mit dem Willen Gottes muß der Wille der Eltern übereinstimmen: in diesem Sinne müssen sie das neue menschliche Geschöpf wollen, wie es der Schöpfer will: um seiner Selbst willen. Das menschliche Wollen unterhegt immer und unweigerlich dem Gesetz der Zeit und de: Vergänglichkeit. Das göttliche hingegen ist ewig. „Noch ehe ich dich im Mutterleit formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst habe ich dich geheiligt”, lesen wir im Buch des Propheten Jeremia (1,5). Die Genealogie der Person ist also zunächst mit der Ewigkeit Gottes verbunden und ers danach mit der menschlichen Elternschaft, die sich in der Zeit verwirklicht. Bereit: im Augenblick der Empfängnis ist der Mensch hingeordnet auf die Ewigkeit in Gott. 386 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das gemeinsame Wohl von Ehe und Familie 10. Der Ehekonsens definiert das der Ehe und der Familie gemeinsame Wohl. „Ich nehme dich ... als meine Frau - als meinen Mann - und verspreche dir die Treue in guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit. Ich will dich heben, achten und ehren, solange ich lebe.” <24> Die Ehe ist eine einzigartige Gemeinsamkeit von Personen. Auf der Grundlage dieser Gemeinsamkeit ist die Familie berufen, zu einer Gemeinschaft von Personen zu werden. Es handelt sich dabei um eine Verpflichtung, die die Neuvermählten „vor Gott und der Kirche” übernehmen, wie ihnen der Zelebrant im Augenblick des Konsensaustausches in Erinnerung ruft. <25> Zeugen dieser Verpflichtung sind alle, die an dem Ritus teilnehmen; in ihnen sind in gewissem Sinne die Kirche und die Gesellschaft als Lebensraum der neuen Familie vertreten. Die Worte des Ehekonsenses legen fest, worin das gemeinsame Wohl des Ehepaares und der Familie besteht. Zunächst das gemeinsame Wohl der Ehegatten: die Liebe, die Treue, die Ehrerbietung, die Dauerhaftigkeit ihrer Verbindung bis zum Tod: „alle Tage des Lebens.” Das Wohl der beiden, das zugleich das Wohl eines jeden von ihnen ist, muß dann zum Wohl der Kinder werden. Während das gemeinsame Wohl seiner Natur nach die einzelnen Personen verbindet, gewährleistet es das wahre Wohl einer jeden von ihnen. Wenn die Kirche, wie übrigens auch der Staat, den durch die oben wiedergegebenen Worte ausgedrückten Konsens der Ehegatten entgegennimmt, so tut sie das, weil er „ihnen ins Herz geschrieben ist” {Rom 2,15). Es sind die Ehegatten, die sich gegenseitig den Ehekonsens leisten, indem sie vor Gott schwören, das heißt die Wahrheit ihres Konsenses beteuern. Als Getaufte sind sie in der Kirche Spender des Sakraments der Ehe. Der hl. Paulus lehrt, daß diese gegenseitige Hingabe ein „tiefes Geheimnis” (Eph 5,32) ist. 2 Rituale Romanum, Ordo celebrandi matrimonium, n. 62, a.a.O., S. 17. ^ Ebd., n. 61, a.a.O., S. 17. Die Worte des Konsenses drücken also aus, was das gemeinsame Wohl der Ehegatten darstellt, und weisen auf das hin, was das gemeinsame Wohl der künftigen Familie sein muß. Um das hervorzuheben, richtet die Kirche an sie die Frage, ob sie bereit seien, die Kinder, die Gott ihnen schenken wird, anzunehmen und christlich zu erziehen. Die Frage bezieht sich auf das gemeinsame Wohl des künftigen Kerns der Familie, während sie die in die Gründung der Ehe und Familie eingeschriebene Tenealogie der Personen gegenwärtig hält. Die Frage der Kinder und ihrer Erzielung steht in engem Zusammenhang mit dem Ehekonsens, mit dem Schwur von Liebe, ehelicher Achtung und Treue bis zum Tod. Die Annahme und Erziehung der Kinder - zwei der wichtigsten Zwecke - sind von der Erfüllung dieser Verpflich-:ung abhängig. Die Elternschaft stellt eine Aufgabe nicht nur physischer, sondern geistlicher Natur dar, denn über sie verläuft die Genealogie der Person, die ihren ;wigen Anfang in Gott hat und zu Ihm hinführen soll. Jber all das sollte das Jahr der Familie, ein Jahr des besonderen Gebets der Famili-:n, jede Familie in neuer und vertiefter Weise unterrichten. Was für eine Fülle von 387 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stichworten aus der Bibel könnte den Nährboden dieses Gebetes bilden! Wichtig ist nur, daß zu den Worten der Heiligen Schrift stets das persönliche Gedenken an die Ehegatten als Eltern und an die Kinder und Enkel hinzukommt. Durch die Genealogie der Personen wird die eheliche Gemeinsamkeit zu einer Gemeinsamkeit der Generationen. Der in dem festen Vertrag vor Gott geschlossene sakramentale Bund der beiden dauert fort und konsolidiert sich in der Aufeinanderfolge der Generationen. Er muß zur Gebetseinheit werden. Damit das aber im Jahr der Familie auf bedeutsame Weise sichtbar werden kann, muß das Beten zu einer Gewohnheit werden, die im täglichen Leben jeder Familie verwurzelt ist. Das Gebet ist Danksagung, Gotteslob, Bitte um Vergebung, inständige Bitte und Anrufung. In jeder dieser Formen hat das Gebet der Familie Gott viel zu sagen. Es hat auch den Menschen viel zu sagen, angefangen bei der gegenseitigen Gemeinsamkeit der Personen, die durch familiäre Bande verbunden sind. Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst?” (Ps 8,5), fragt der Psalmist. Das Gebet ist der Ort, wo sich auf die schlichteste Weise das schöpferische und väterliche Gedenken Gottes offenbart. Nicht nur und nicht so sehr das Gedenken an Gott von seiten des Menschen als vielmehr das Gedenken an den Menschen von seiten Gottes. Darum kann das Gebet der Familiengemeinschaft zum Ort gemeinsamen und gegenseitigen Gedenkens werden: denn die Familie ist Generationengemeinschaft. Beim Gebet sollen alle anwesend sein: die Lebenden ebenso wie die bereits Verstorbenen und auch diejenigen, die noch zur Welt kommen sollen. Es ist nötig, daß man in dei Familie für jeden betet, im Rahmen des Gutes, das die Familie für ihn, und des Gutes, das er für die Familie darstellt. Das Gebet bekräftigt noch fester dieses Gut eber als gemeinsames Gut der Familie. Ja, es läßt dieses Gut auch auf immer neue Weise entstehen. Im Gebet ist die Familie gleichsam das erste „Wir”, in dem jeder „ich’ und „du” ist; jeder ist für den anderen Gatte bzw. Gattin, Vater bzw. Mutter, Sohr oder Tochter, Bruder oder Schwester, Großvater oder Enkel. Sind das die Familien, an die ich mich mit diesem Schreiben wende? Sicher gibt e; nicht wenige Familien von dieser Art, aber die Zeit, in der wir leben, macht dir Tendenz zu einer Beschränkung des Familienkems auf den Umfang von zwei Gene rationen offenkundig. Dies hat seinen Grund oft in dem nur beschränkt vorhandener Wohnraum, insbesondere in den großen Städten. Nicht selten hegt es aber auch ii der Überzeugung begründet, mehrere Generationen zusammen störten die Vertrau lichkeit und erschwerten zu sehr das Leben. Ist aber nicht gerade das der schwäch ste Punkt? In den Familien unserer Zeit gibt es wenig menschliches Leben. Es feh len Personen, mit denen man das gemeinsame Wohl schaffen und teilen kann; docl das Wohl verlangt seiner Natur nach, geschaffen und mit anderen geteilt zu werden bonum est diffusivum sui („das Gute ist auf seine Ausbreitung hin angelegt.”) <26> Ji mehr das Wohl gemeinsam ist, desto mehr ist es auch eigenes Wohl: mein - dein -unser. Das ist die innere Logik der Existenz im Guten, in der Wahrheit und in de Hl. Thomas von Aquin. Summa Theologiae, I, q. 5, a. 4. ad 2. 24 388 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe. Wenn der Mensch diese Logik anzunehmen und ihr zu folgen versteht, wird seine Existenz wahrhaftig zu einer „aufrichtigen Hingabe”. Die aufrichtige Selbsthingabe 11. Der Feststellung, daß der Mensch auf Erden die einzige von Gott um ihrer Selbst willen gewollte Kreatur ist, fügt das Konzil sogleich hinzu, daß er „sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner Selbst vollkommen finden kann”. <27> Das könnte wie ein Widerspruch erscheinen, ist es tatsächlich aber nicht. Es ist vielmehr das große staunenswerte Paradoxon der menschlichen Existenz: einer Existenz, die berufen ist, der Wahrheit in der Liebe zu dienen. Die Liebe sorgt dafür, daß sich der Mensch durch die aufrichtige Selbsthingabe verwirklicht: Lieben heißt, alles geben und empfangen, was man weder kaufen noch verkaufen, sondern sich nur aus freien Stücken gegenseitig schenken kann. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 24. Die Hingabe der Person verlangt ihrer Natur nach beständig und unwiderruflich zu sein. Die Unauflöslichkeit der Ehe entspringt hauptsächlich aus dem Wesen solcher Hingabe: Hingabe der Person an die Person. In diesem gegenseitigen Sich-Hinge-ben kommt der bräutliche Charakter der Liebe zum Ausdruck. Im Ehekonsens nennen sich die Neuvermählten bei ihrem Eigennamen: „Ich ... nehme dich ... als meine Frau (als meinen Mann) und verspreche dir die Treue ... solange ich lebe.” Eine solche Hingabe verpflichtet viel stärker und tiefer als alles, was auf welche Weise und um welchen Preis auch immer „gekauft” werden kann. Während sie ihre Knie vor dem Vater beugen, von dem jede Elternschaft stammt, werden sich die künftigen Eltern bewußt, daß sie „erlöst” worden sind. Sie sind in der Tat um einen teuren Preis losgekauft worden, um den Preis der aufrichtigsten Hingabe, die überhaupt möglich ist, das Blut Christi, an dem sie durch das Sakrament teilhaben. Liturgische Krönung des Ehekonsenses ist die Eucharistie - das Opfer des „hingegebenen Leibes” und des „vergossenen Blutes” -, die im Konsens der Brautleute in gewisser Weise ihren Ausdruck findet. Wenn sich der Mann und die Frau in der Ehe in der Einheit des „einen Fleisches” gegenseitig schenken und empfangen, tritt die Logik der aufrichtigen Hingabe in ihr Leben ein. Ohne sie wäre die Ehe leer, während die auf diese Logik gegründete Gemeinschaft der Personen zur Gemeinschaft der Eltern wird. Wenn sie das Leben an ein Kind weitergeben, fügt sich im Bereich des „Wir” der Eheleute ein neues menschliches „Du” ein, eine Person, die sie mit einem neuen Namen benennen werden: „unser Sohn ...; unsere Tochter ...” „Ich habe einen Mann vom Herrn erworben” (Gen 4,1), sagt Eva, die erste Frau der Geschichte. Ein menschliches Wesen, das zunächst neun Monate lang erwartet und den Eltern und Geschwistern dann „offenbar gemacht” wurde. Der Prozeß von Empfängnis und Entwicklung im Mutterschoß, Niederkunft und Geburt dient dazu, gleichsam einen geeigneten Raum zu schaffen, damit sich das neue Geschöpf als „Gabe” kundmachen kann: denn das ist 25 389 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN es in der Tat von Anfang an. Könnte dieses zarte, hilflose Geschöpf, das in allem von seinen Eltern abhängig und vollständig ihnen anvertraut ist, etwa anders bezeichnet werden? Das Neugeborene gibt sich den Eltern damit hin, daß es zur Existenz gelangt. Seine Existenz ist bereits ein Geschenk, das erste Geschenk des Schöpfers an die Kreatur. Im Neugeborenen verwirklicht sich das gemeinsame Wohl der Familie. Wie das gemeinsame Wohl der Ehegatten Erfüllung in der ehelichen Liebe findet, bereit, zu geben und das neue Leben zu empfangen, so verwirklicht sich das gemeinsame Wohl der Familie durch dieselbe eheliche Liebe, die im Neugeborenen Gestalt angenommen hat. In die Genealogie der Person ist die Genealogie der Familie eingeschrieben, die durch die Vermerke in den Taufregistem im Gedächtnis festgehalten wird, auch wenn diese nur die soziale Folge der Tatsache sind, „daß ein Mensch zur Welt gekommen ist” (Joh 16,21). Aber ist es wahr, daß das neue Menschenwesen ein Geschenk für die Eltern ist? Ein Geschenk für die Gesellschaft? Allem Anschein nach deutet nichts darauf hin. Die Geburt eines Menschen scheint manchmal schlicht als ein statistisches Datum auf, das wie viele andere in den Berechnungen zum Bevölkerungswachstum registriert wird. Sicher bedeutet die Geburt eines Kindes für die Eltern zusätzliche Mühen, neue wirtschaftliche Belastungen und andere praktische Bedingtheiten: dies sind Gründe, die sie zu der Versuchung verleiten können, keine weitere Geburt zu wollen. <28> In manchen gesellschaftlichen und kulturellen Kreisen macht sich diese Versuchung sehr stark bemerkbar. Ist also das Kind kein Geschenk? Kommt es nur, um zu nehmen und nicht, um zu geben? Das sind einige besorgniserregende Fragen, von denen sich der heutige Mensch nur mit Mühe zu befreien vermag. Das Kind kommt und beansprucht Platz, während es auf der Welt immer weniger Platz zu geben scheint. Aber stimmt es wirklich, daß das Kind der Familie und der Gesellschaft nichts bringt? Ist es etwa nicht ein „Teilchen” jenes gemeinsamen Gutes, ohne das die menschlichen Gemeinschaften zerbrechen und Gefahr laufen zu sterben? Wie könnte man das leugnen? Das Kind wird von sich aus zu einem Geschenk für die Geschwister, für die Eltern, für die ganze Familie. Sein Leben wird zum Geschenk für die Geber des Lebens, die nicht umhin können werden, die Anwesenheit des Kindes, seine Teilnahme an ihrer Existenz, seinen Beitrag zu ihrem und zum gemeinsamen Wohl der Familiengemeinschaft wahrzunehmen. Das ist eine Wahrheit, die in ihrer Einfachheit und Tiefe selbstverständlich ist trotz der Kompliziertheit und auch möglichen Pathologie der psychologischen Struktur bestimmter Personen. Das Gemeinwohl der ganzen Gesellschaft liegt im Menschen, der, wie erwähnt, „der Weg der Kirche” <29> ist. Er ist zunächst „die Ehre Gottes”: Gloria Dei vivens homo, wie es in dem bekannten Ausspruch des hl. Irenäus heißt, <30> der auch so übersetzt werden könnte: „Es gereicht Gott zur Ehre, Vgl. Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 25: AAS 80(1988)543-544. <29> Enzyklika Redemptor Hominis (4. März 1979), Nr. 14: AAS 71(1979)884-885; vgl. Enzyklika Centesimus amms (1. Mai 1991), Nr. 53: AAS 83( 1991 )859. <30> Adversus haereses, IV, 20, 7: PG 1. 1057; Sch 100/2, 648-649. 390 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß der Mensch lebt.” Wir stehen hier, so könnte man sagen, vor der höchsten Definition des Menschen: Die Ehre Gottes ist das gemeinsame Gut alles Existierenden-, das gemeinsame Gut des Menschengeschlechtes. Ja! Der Mensch ist ein gemeinsames Gut: gemeinsames Gut der Familie und der Menschheit, der einzelnen Gruppen und der vielfältigen sozialen Strukturen. Es bedarf jedoch einer bedeutsamen Unterscheidung nach Grad und Modalität. Der Mensch ist zum Beispiel gemeinsames Gut der Nation, der er angehört, oder des Staates, dessen Bürger er ist; aber er ist es auf konkretere, einzigartige und unwiederholbare Weise für seine Familie; er ist es nicht nur als zur Masse der Menschen gehörendes Individuum, sondern als „dieser Mensch”. Der Schöpfergott ruft ihn „um seiner Selbst willen” ins Leben: und damit, daß der Mensch zur Welt kommt, beginnt sein „großes Abenteuer”, das Abenteuer des Lebens. „Dieser Mensch” hat auf Grund seiner menschlichen Würde jedenfalls Anspruch auf eigene Behauptung. Genau diese Würde bestimmt ja den Platz der Person unter den Menschen und zunächst in der Familie. In der Tat ist die Familie - mehr als jede andere menschliche Wirklichkeit - der Bereich, in dem der Mensch durch die aufrichtige Selbsthingabe „um seiner Selbst willen” existieren kann. Deshalb bleibt sie eine soziale Institution, die man nicht ersetzen kann und nicht ersetzen darf: Sie ist „das Heiligtum des Lebens”. <31> Enzyklika Centeshnus annus (1. Mai 1991), 39: AAS 83(1991)842. Die Tatsache, daß ein Mensch geboren wird, daß „ein Mensch zur Welt gekommen ist” (Joh 16,21), stellt ein österliches Zeichen dar. Davon spricht, wie der Evangelist Johannes berichtet, Jesus selbst zu den Jüngern vor seinem Leiden und Tod, indem er die Traurigkeit über seinen Weggang mit dem Schmerz einer gebärenden Frau vergleicht: „Wenn die Frau gebären soll, ist sie bekümmert (d. h. sie leidet), weil ihre Stunde da ist; aber wenn sie das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an ihre Not über der Freude, daß ein Mensch zur Welt gekommen ist” (Joh 16,21). Die „Stunde” des Todes Christi (vgl. Joh 13,1) wird hier mit der „Stunde” der Frau in Geburtswehen verglichen; die Geburt eines neuen Menschen findet ihre volle Entsprechung in dem von der Auferstehung des Herrn gewirkten Sieg des Lebens über den Tod. Diese Gegenüberstellung gibt Anlaß zu verschiedenen Überlegungen. Wie die Auferstehung Christi die Offenbarung des Lebens jenseits der Schwelle des Todes ist, so ist auch die Geburt eines Kindes Offenbarung des Lebens, das durch Christus immer zur „Fülle des Lebens” bestimmt ist, die in Gott selbst liegt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Damit ist die wahre Bedeutung des Wortes des hl. Irenäus - Gloria Dei vivens homo -in ihrem tiefgründigsten Wert enthüllt. Es ist die evangeüsche Wahrheit der Selbsthingabe, ohne die der Mensch nicht „vollkommen zu sich selbst kommen” kann und die ihn erahnen läßt, wie tief diese „aufrichtige Hingabe” in der Hingabe Gottes, des Schöpfers und Erlösers, in „der Gnade des Heiligen Geistes”, deren „Ausgießen” auf die Neuvermählten der Ze- 391 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lebrant während der Trauungsfeier erbittet, verwurzelt ist. Ohne dieses „Ausgießen” wäre es wirklich schwierig, das alles zu begreifen und als Berufung des Menschen zu erfüllen. Jedoch viele Menschen erfassen es intuitiv! So viele Männer und Frauen tun genau diese Wahrheit, wodurch sie zu der Erkenntnis gelangen, daß sie nur in ihr „der Wahrheit und dem Leben” (Joh 14,6) begegnen. Ohne diese Wahrheit vermag das Leben der Ehegatten und der Familie keinen vollkommen menschlichen Sinn zu erlangen. Darum wird die Kirche niemals müde, diese Wahrheit zu lehren und zu bezeugen. Auch wenn sie mütterliches Verständnis für die zahlreichen und komplizierten Krisensituationen, in die die Familien verwickelt sind, sowie auch für die moralische Schwachheit jedes Menschen bekundet, ist die Kirche der Überzeugung, daß sie der Wahrheit über die menschliche Liebe absolut treu bleiben müsse: andernfalls würde sie sich selbst verraten. Ein Abweichen von dieser heilbringenden Wahrheit wäre in der Tat dasselbe, als würde sie „die Augen eures Herzens” (Eph 1,18) schließen, die hingegen stets offen bleiben müssen für das Licht, mit dem das Evangelium die menschlichen Geschehnisse erleuchtet (vgl. 2 Tim 1,10). Das Bewußtsein jener aufrichtigen Selbsthingabe, durch die der Mensch „sich selbst findet”, wird nachdrücklich erneuert und ständig gewährleistet angesichts der zahlreichen Widerstände, denen die Kirche seitens der Befürworter einer falschen Zivilisation des Fortschritts begegnet. <32> Die Familie bringt immer eine neue Dimension des Wohls für die Menschen zum Ausdruck und ruft dadurch neue Verantwortung hervor. Es handelt sich um die Verantwortung für jenes einzigartige gemeinsame Gut, in das das Wohl des Menschen eingeschlossen ist: jedes Mitgliedes der Familiengemeinschaft; ein sicherlich „schwieriges” (bonum arduum), aber faszinierendes Gut. Vgl. Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 25: AAS 80(1988)543-544. Die verantwortliche Elternschaft 12. Beim Entwurf des vorliegenden Schreibens an die Familien ist nun der Zeitpunkt gekommen, auf zwei miteinander verknüpfte Fragen einzugehen. Die eine allgemeinere betrifft die Zivilisation der Liebe\ die andere spezifischere betrifft die verantwortliche Elternschaft. Wir haben bereits gesagt, daß die Ehe sich an eine einzigartige Verantwortung für das gemeinsame Wohl wendet: zunächst der Ehegatten, dann der Familie. Darge-stellt wird dieses gemeinsame Gut vom Menschen, vom Wert der Person und von allem, was das Maß seiner Würde repräsentiert. Der Mensch bringt diese Dimension in jedes soziale, wirtschaftliche und politische System mit. Im Bereich der Ehe und Familie wird diese Verantwortung aus vielen Gründen noch „verbindlicher”. Nicht ohne Grund spricht die Pastoralkonstitution Gaudium et spes von „Förderung der Würde der Ehe und der Familie”. Das Konzil sieht diese „Förderung” als Aufgabe der Kirche wie des Staates; doch sie bleibt in jeder Kultur vor allem Pflicht der Personen, die ehelich vereint eine bestimmte Familie bilden. Die „verantwortliche 392 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Elternschaft” bringt die konkrete Aufgabe zum Ausdruck, diese Pflicht zu erfüllen, die in der heutigen Welt neue Wesensmerkmale angenommen hat. Diese betrifft insbesondere direkt den Augenblick, wo der Mann und die Frau dadurch, daß sie sich „zu einem Fleisch” vereinen, Eltern werden können. Es ist ein an besonderem Wert reicher Augenblick, sei es für ihre interpersonale Beziehung, sei es für ihren Dienst am Leben: Sie können Eltern - Vater und Mutter - werden und das Leben an ein neues menschliches Wesen weitergeben. Die beiden Dimensionen der ehelichen Vereinigung, nämlich Vereinigung und Zeugung, lassen sich nicht künstlich trennen, ohne die tiefste Wahrheit des ehelichen Aktes selbst anzugreifen. <33> Vgl. Paul VI., Enzyklika Humanae vitae (25. Juli 1968), Nr. 12: AAS 60(1968)488-489; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2366. Das ist die ständige Lehre der Kirche, und die „Zeichen der Zeit”, deren Zeugen wir heute sind, bieten neue Gründe, sie mit besonderem Nachdruck zu bekräftigen. Der den pastoralen Erfordernissen seiner Zeit gegenüber so aufmerksame hl. Paulus verlangte in Klarheit und Festigkeit, „dafür einzutreten, ob man es hören will oder nicht” (vgl. 2 Tim 4,2), ohne jede Angst davor, daß „man die gesunde Lehre nicht erträgt” (vgl. 2 Tim 4,3). Seine Worte sind allen gut bekannt, die das Geschehen unserer Zeit zutiefst erfassen und erwarten, daß die Kirche „die gesunde Lehre” nicht nur nicht aufgibt, sondern sie mit erneuerter Kraft verkündet, indem sie in den aktuellen „Zeichen der Zeit” die Gründe für ihre weitere und von der Vorsehung bestimmte Vertiefung erneut sucht. Viele dieser Gründe finden sich bereits in den Wissenschaften wieder, die sich aus dem alten Stamm der Anthropologie zu verschiedenen Fachgebieten, wie der Biologie, der Psychologie, der Soziologie und deren weiteren Verzweigungen entwickelt haben. Alle kreisen gewissermaßen um die Medizin, die zugleich Wissenschaft und Kunst ist (ars medica): im Dienst des Lebens und der Gesundheit des Menschen. Aber die Gründe, auf die hier hingewiesen wird, ergeben sich vor allem aus der menschlichen Erfahrung, die vielfältig ist und die in gewissem Sinne der Wissenschaft selbst vorausgeht und folgt. Die Ehegatten lernen aus eigener Erfahrung, was die verantwortliche Elternschaft bedeutet; sie lernen es auch dank der Erfahrung anderer Ehepaare, die in ähnlichen Verhältnissen leben und auf diese Weise aufgeschlossener für die Daten der Wissenschaften geworden sind. Man könnte also sagen, die „Gelehrten” lernen gleichsam von den „Eheleuten”, um dann ihrerseits in der Lage zu sein, sie auf kompetentere Weise über die Bedeutung der verantwortungsbewußten Zeugung und über die Methoden ihrer Anwendung zu unterrichten. Ausführlich wurde dieses Thema in den Konzilsdokumenten behandelt, in der Enzyklika Humanae vitae, in den „Vorschlägen” der Bischofssynode von 1980, in dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio und in ähnlichen Dokumenten bis hin zu der von der Glaubenskongregation herausgegebenen Instruktion Donum 393 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vitae. Die Kirche lehrt die moralische Wahrheit über die verantwortliche Elternschaft und verteidigt sie gegen heute verbreitete irrige Sichtweisen. Warum tut die Kirche das? Etwa weil sie die Problemlage nicht zur Kenntnis nimmt, die von allen beschworen wird, die in diesem Bereich zum Nachgeben raten und die Kirche auch mit unrechtmäßigem Druck, wenn nicht manchmal geradezu mit Drohungen, zu überzeugen suchen? Nicht selten wirft man dem kirchlichen Lehramt in der Tat vor, es sei bereits überholt und verschließe sich den Forderungen des modernen „Zeitgeistes”; es entfalte ein Vorgehen, das für die Menschheit, ja für die Kirche selbst schädlich sei. Durch das hartnäckige Verharren auf ihren Positionen würde die Kirche - so heißt es - an Popularität verlieren, und die Gläubigen würden sich immer mehr von ihr abwenden. Doch wie kann man behaupten, die Kirche, besonders die mit dem Papst vereinten Bischöfe, sei unempfindlich für solch schwerwiegende und aktuelle Themenl Paul VI. erkannte gerade in ihnen so lebensentscheidende Fragen, die ihn zur Veröffentlichung der Enzyklika Humanae vitae veranlaßten. Das Fundament, auf das sich die Lehre der Kirche von der „verantwortlichen Elternschaft” gründet, ist umfassender und tragfähiger denn je. Das Konzil bringt das zunächst in der Lehre über den Menschen zur Sprache, wenn es sagt, daß er „auf Erden die einzige von Gott um seiner Selbst willen gewollte Kreatur ist” und „sich nur durch die aufrichtige Hingabe seiner Selbst vollkommen finden kann”. <34> Dies deshalb, weil er als Abbild und Gleichnis Gottes geschaffen und von dem für uns und um unseres Heiles willen Mensch gewordenen, eingeborenen Sohn des Vaters erlöst worden ist. Das Zweite Vatikanische Konzil, das dem Problem des Menschen und seiner Berufung besondere Aufmerksamkeit widmete, führt aus, daß die eheliche Vereinigung, das biblische „ein Heisch”, nur dann vollkommen verstanden und erklärt werden kann, wenn man auf die Werte der „Person” und der „Hingabe” zurückgreift. Jeder Mann und jede Frau verwirklichen sich vollständig durch die aufrichtige Hingabe ihrer Selbst, und der Augenblick der ehelichen Vereinigung stellt für die Eheleute eine ganz besondere Erfahrung dar. Da werden der Mann und die Frau in der „Wahrheit” ihrer Männlichkeit und Weiblichkeit zu gegenseitiger Hingabe. Das ganze Leben in der Ehe ist Hingabe; in einzigartiger Weise wird das aber offenkundig, wenn die Ehegatten durch ihr gegenseitiges Sich-Darbringen in der Liebe jene Begegnung vollziehen, die aus den beiden „ein Heisch” macht (Gen 2,24). Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 24. Sie erleben also auch wegen der mit dem ehelichen Akt verbundenen Zeugungsfähigkeit einen Augenblick besonderer Verantwortung. Die Ehegatten können in jenem Augenbück Vater und Mutter werden, indem sie die Entstehung einer neuen menschlichen Existenz hervorrufen, die sich dann im Schoß der Frau entwickeln wird. Wenn die Frau als erste bemerkt, daß sie Mutter geworden ist, so erfährt durch ihr Zeugnis der Mann, mit dem sie sich zu „einem Heisch” vereinigt hat, seinerseits, daß er Vater geworden ist. Für die mögliche und in der Folge tatsächliche 32 394 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vater- bzw. Mutterschaft sind beide verantwortlich. Der Mann muß das Ergebnis einer Entscheidung, die auch seine gewesen ist, anerkennen und annehmen. Er kann sich nicht hinter Ausdrucksweisen verstecken wie: „Ich weiß nichts”, „ich will nicht”, „du hast gewollt.” Die eheliche Vereinigung schließt auf jeden Fall die Verantwortung des Mannes und der Frau ein, eine potentiell vorhandene Verantwortung, die zur tatsächlichen wird, wenn die Umstände es auferlegen. Das gilt vor allem für den Mann, der, obwohl er der erste Urheber der Einleitung des Zeugungsprozesses ist, biologisch davon Abstand hat: denn das neue Menschenwesen wächst in der Frau heran. Wie könnte der Mann davon unberührt bleiben? Beide, der Mann und die Frau, müssen gemeinsam sich selbst und den anderen gegenüber die Verantwortung für das von ihnen hervorgerufene neue Leben übernehmen. Diese Schlußfolgerung wird im wesentlichen von den Humanwissenschaften geteilt. Man muß jedoch tiefer gehen und die Bedeutung des ehelichen Aktes im Lichte der erwähnten Werte der „Person” und der „Hingabe” analysieren. Das ist es, was die Kirche durch ihre beständige Lehre, besonders auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, tut. Im Augenblick des ehelichen Aktes sind der Mann und die Frau dazu aufgerufen, die gegenseitige Hingabe ihrer Selbst, die sie im ehelichen Bund geleistet haben, auf verantwortungsbewußte Weise zu bestätigen. Nun zieht die Logik der totalen Selbsthingabe an den anderen die potentielle Öffnung für die Zeugung nach sich: Die Ehe ist somit aufgerufen, sich als Familie noch vollkommener zu verwirklichen. Sicher hat die gegenseitige Hingabe von Mann und Frau nicht als einziges Ziel die Geburt von Nachwuchs, sondern ist in sich selbst die gegenseitige Gemeinschaft der Liebe und des Lebens. Aber immer muß die innerste Wahrheit dieser Hingabe gewährleistet sein. „Innerste” ist nicht gleichbedeutend mit „subjektiver” Wahrheit. Es bedeutet vielmehr, daß sie wesentlich mit der objektiven Wahrheit desjenigen bzw. derjenigen verbunden ist, der oder die sich hingibt. Die Person darf niemals als Mittel zur Erreichung eines Zweckes betrachtet werden; niemals vor allem als Mittel des „Genusses”. Sie ist und muß einzig das Ziel jedes Aktes sein. Nur dann entspricht die Handlung der wahren Würde der Person. Zum Abschluß unserer Überlegungen zu diesem so wichtigen und heiklen Thema möchte ich ein besonderes Wort der Ermutigung zunächst an euch, liebe Eheleute, und an alle jene richten, die euch helfen, die Lehre der Kirche über die Ehe, über die verantwortliche Elternschaft zu verstehen und in die Praxis umzusetzen. Ich denke insbesondere an die Seelsorger, an die vielen Gelehrten, Theologen, Philosophen, Schriftsteller und Publizisten, die sich nicht dem herrschenden Kulturkonformismus anpassen, sondern mutig bereit sind, „gegen den Strom zu schwimmen”. Darüber Hinaus betrifft diese Ermutigung eine ständig wachsende Gruppe von Experten, Ärz-:en und Erziehern, wahren Laienaposteln, für die die Förderung der Würde der Ehe and der Familie zu einer wichtigen Lebensaufgabe geworden ist. Im Namen der Kirche sage ich allen meinen Dank! Was könnten ohne sie die Seelsorger, die Priester, lie Bischöfe, ja selbst der Nachfolger Petri ausrichten? Davon habe ich mich immer 395 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mehr überzeugt seit den ersten Jahren meines Priestertums, von der Zeit an, als ich mich in den Beichtstuhl zu setzen begann, um die Sorgen, Ängste und Hoffnungen so vieler Eheleute zu teilen: ich bin schwierigen Fällen von Auflehnung und Verweigerung begegnet, gleichzeitig aber zahllosen, in großartiger Weise verantwortlichen und großzügigen Personen! Während ich dieses Schreiben verfasse, habe ich alle diese Eheleute vor Augen und umfange sie mit meiner Zuneigung und mit meinem Gebet. Die zwei Zivilisationen 13. Liebe Familien, die Frage der verantwortlichen Elternschaft ist eingeschrieben in die Gesamtthematik der „Zivilisation der Liebe”, über die ich jetzt zu euch sprechen will. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich klar, daß die Familie die Grundlage dessen bildet, was Paul VI. als „Zivilisation der Liebe” bezeichnetep ein Ausdruck, der dann in die Lehre der Kirche Eingang gefunden hat und bereits vertraut und gebräuchlich geworden ist. Heutzutage läßt sich kaum ein Beitrag der Kirche oder über die Kirche denken, der von der Bezugnahme auf die Zivilisation der Liebe ab-sehen würde. Der Ausdruck steht in Verbindung mit der Tradition der „Hauskirche” im Christentum der Anfänge, besitzt aber auch einen klaren Bezug zur heutigen Zeit. Etymologisch leitet sich der Begriff „Zivilisation” von „civis”, Staatsbürger, her und unterstreicht die politische Dimension der Existenz jedes Individuums. Der tiefere Sinn des Ausdrucks „Zivilisation” ist jedoch nicht so sehr politisch als eigentlich mehr „humanistisch”. Die Zivilisation gehört zur Geschichte des Menschen, weil sie seinen geistigen und moralischen Bedürfnissen entspricht: als Abbild und Gleichnis Gottes geschaffen hat er die Welt aus den Händen des Schöpfers mit dem Auftrag empfangen, sie nach seinem Abbild und Gleichnis zu gestalten. Genau aus der Erfüllung dieser Aufgabe entsteht die Zivilisation, die schließlich nichts anderes ist als die „Humanisierung der Welt”. Zivilisation hat also in gewisser Hinsicht dieselbe Bedeutung wie „Kultur”. Mar könnte daher auch sagen: „Kultur der Liebe”, obwohl es vorzuziehen ist, sich ar den bereits vertraut gewordenen Ausdruck zu halten. Die Zivilisation der Liebe irr jetzigen Sinn des Ausdrucks inspiriert sich an den Worten aus der Konzilskonstitution Gaudium et spes: „Christus ... macht... dem Menschen den Menschen selbs, voll kund und erschließt ihm seine höchste BerufungP4 Man kann daher sagen, die Zivilisation der Liebe beginnt mit der Offenbarung Gottes, der „die Liebe ist”, wie Johannes sagt (7 Joh 4,8.16), und die von Paulus im Hohenlied der Liebe im erster Korintherbrief (13,1-13) wirkungsvoll beschrieben wird. Diese Zivilisation ist enj verbunden mit der Liebe, die „ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligei Geist, der uns gegeben ist” {Röm 5,5), und die wächst dank der beständigen Kulti vierung, von der die Allegorie aus dem Evangelium vom Weinstock und von dei Vgl. Predigt bei der Abschlußfeier des Heiligen Jahres (25. Dezember 1975): AAS 68(1976)145. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. 396 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reben so einprägsam spricht: „Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt” (.Joli 15,1-2). Im Lichte dieser und anderer Texte des Neuen Testamentes vermag man zu erfassen, was man unter „Zivilisation der Liebe” versteht und warum die Familie mit dieser Zivilisation organisch verbunden ist. Wenn die Familie der erste „Weg der Kirche” ist, muß man hinzufiigen, daß auch die Zivilisation der Liebe „Weg der Kirche” ist, der in der Welt verläuft und die Familien und die anderen nationalen und internationalen gesellschaftlichen Institutionen eben wegen der Familie und durch die Familien auf diesen Weg ruft. Denn die Familie hängt in vielfacher Hinsicht von der Zivilisation der Liebe ab, in der sie die Gründe ihres Seins als Familie findet. Und gleichzeitig ist die Familie das Zentrum und das Herz der Zivilisation der Liebe. Es gibt jedoch keine echte Liebe ohne das Bewußtsein, daß Gott „die Liebe ist” -und daß der Mensch das einzige Geschöpf Gottes auf Erden ist, das „um seiner Selbst willen” ins Leben gerufen wurde. Der als Abbild und Gleichnis Gottes erschaffene Mensch kann sich nur durch die aufrichtige Selbsthingabe in vollem Maße „wiederfmden”. Ohne einen solchen Begriff vom Menschen, von der Person und von der „Gemeinsamkeit von Personen” in der Familie kann es die Zivilisation der Liebe nicht geben; umgekehrt ist ohne die Zivilisation der Liebe ein solcher Begriff von Person und Gemeinsamkeit von Personen nicht möglich. Die Familie stellt die fundamentale „Zelle” der Gesellschaft dar. Doch bedarf es Christi - des „Weinstocks”, aus dem sich die „Reben” nähren damit diese Zelle nicht der Bedrohung einer Art kultureller Entwurzelung ausgesetzt ist, die sowohl von innen wie auch von außen herrühren kann. Denn wenn auf der einen Seite die „Zivilisation der Liebe” besteht, so ist auf der anderen Seite weiterhin die Möglichkeit zu einer destruktiven , Anti-Zivilisation” gegeben, wie das in der Tat heute von vielen Tendenzen und Situationen bestätigt wird. Wer kann leugnen, daß unsere Zeit eine Zeit großer Krisen ist, die sich an erster Stelle als eine tiefe „Krise der Wahrheit” darstellt? Krise der Wahrheit bedeutet in erster Linie Krise von Begriffen. Bedeuten die Begriffe „Liebe”, „Freiheit”, „aufrichtige Hingabe” und selbst die Begriffe „Person”, „Rechte der Person” wirklich das, was sie von ihrem Wesen her beinhalten? Deshalb hat sich die Enzyklika über den „Glanz der Wahrheit” (Veritatis splendor) für die Kirche und für die Welt - vor allem im Westen - als so kennzeichnend und bedeutsam erwiesen. Nur wenn die Wahrheit über die Freiheit und die Gemeinsamkeit der Personen in Ehe und Familie ihren Glanz zurückgewinnt, wird es wirklich den Aufbau der Zivilisation der Liebe geben und dann möglich sein, wirksam - wie es das Konzil tut - von „Förderung der Würde der Ehe und Familie” <35> zu sprechen. Vgl. ebd., 47. 35 397 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Warum ist der „Glanz der Wahrheit” so wichtig? Er ist es vor allem aus Kontrast: Die Entwicklung der modernen Zivilisation ist an einen naturwissenschaftlich-technologischen Fortschritt gebunden, der sich oft als einseitig erweist und demzufolge rein positivistische Wesensmerkmale aufweist. Der Positivismus hat bekanntlich auf theoretischem Gebiet den Agnostizismus und auf praktischem und sittlichem Gebiet den Utilitarismus zum Ergebnis. In unseren Tagen wiederholt sich die Geschichte in gewisser Hinsicht. Der Utilitarismus ist eine „Zivilisation” der Produktion und des Genusses, eine Zivilisation der Dinge und nicht der „Personen”, eine Zivilisation, in der von „Personen” wie von „Dingen” Gebrauch gemacht wird. Im Zusammenhang mit der Zivilisation des Genusses kann die Frau für den Mann zu einem Objekt werden, die Kinder zu einem Hindernis für die Eltern, die Familie zu einer hemmenden Einrichtung für die Freiheit der Mitglieder, die sie bilden. Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur manche Programme der Sexualerziehung zu prüfen, die häufig trotz gegenteiliger Meinung und des Protestes vieler Eltern in den Schulen eingeführt werden; oder die Neigung zur Abtreibung, die sich vergeblich hinter dem sogenannten „Selbstentscheidungsrecht” (pro choice) von seiten beider Ehegatten, im besonderen aber von seiten der Frau zu verstecken sucht. Das sind nur zwei der vielen Beispiele, die man in Erinnerung mfen könnte. Es leuchtet unmittelbar ein, daß sich in einer solchen kulturellen Situation die Familie bedroht fühlen muß, weil sie in ihren eigentlichen Grundfesten gefährdet ist. Alles, was gegen die Zivilisation der Liebe ist, ist gegen die Wahrheit über den Menschen insgesamt und wird für ihn zu einer Bedrohung: es erlaubt ihm nicht, zu sich selbst zu finden und sich als Gatte, als Vater oder Mutter, als Kind sicher zu fühlen. Die von der „technischen Zivilisation” propagierte sogenannte „sichere Sexualität” ist im Hinblick auf die globalen Erfordernisse der Person in Wirklichkeit ganz entschieden nicht sicher, ja für die Person äußerst gefährlich. Denn hier befindet sich die Person in Gefahr, so wie sich ihrerseits die Familie in Gefahr bringt. Worin besteht die Gefahr? Es ist der Verlust der Wahrheit über sich selbst, zu der sich das Risiko des Verlustes der Freiheit und demzufolge selbst des Verlustes der Liebe hinzugesellt. „Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen - sagt Jesus -, und die Wahrheit wird euch befreien” (Joh 8,32): die Wahrheit, nur die Wahrheit wird euch auf eine Liebe vorbereiten, von der man sagen kann, daß sie „schön” ist. Die Familie unserer Zeit wie aller Zeiten ist auf der Suche nach der „schönen Liebe”. Eine Liebe, die nicht „schön” ist oder die nur auf Befriedigung der Begierde (vgl. 1 Joh 2,16), auf einen gegenseitigen „Gebrauch” des Mannes und der Frau verkürzt wird, macht die Person zum Sklaven ihrer Schwächen. Bringen nicht manche moderne „Kulturprogramme” diese Versklavung? Es sind Programme, die auf die Schwächen des Menschen „niederrieseln” und ihn auf diese Weise immer schwächer und schutzloser machen. Die Zivilisation der Liebe ruft Freude hervor, unter anderem Freude darüber, daß ein Mensch zur Welt kommt (vgl. Joh 16,21), und folglich, weil die Gatten Eltern werden. Zivilisation der Liebe bedeutet „sich an der Wahrheit freuen” (vgl. 398 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1 Kor 13,6). Aber eine Zivilisation, die sich an einer konsumistischen und geburtenfeindlichen Gesinnung inspiriert, ist keine Zivilisation der Liebe und kann es niemals sein. Wenn die Familie so wichtig für die Zivilisation der Liebe ist, so ist sie es wegen der besonderen Nähe und Intensität der Bande, die in ihr zwischen den Personen und Generationen entstehen. Sie bleibt jedoch verwundbar und kann leicht den Gefahren ausgesetzt sein, die ihre Einheit und Festigkeit schwächen oder sogar zerstören. Infolge solcher Gefahren hören die Familien auf, Zeugnis zu geben für die Zivilisation der Liebe, und können sogar zu ihrer Verneinung, zu einer Art Gegen-Zeugnis werden. Eine zerstörte Familie kann ihrerseits eine spezifische Form von „Anti-Zivilisation” stärken, indem sie die Liebe in den verschiedenen Ausdrucksformen zerstört, mit unvermeidlichen Auswirkungen auf das gesamte soziale Leben. Die Liebe ist anspruchsvoll 14. Jene Liebe, welcher der Apostel Paulus im Brief an die Korinther sein Hoheslied gewidmet hat - jene Liebe, die „langmütig und gütig ist” und „alles erträgt” (.1 Kor 13,4.7) ist gewiß eine anspruchsvolle Liebe. Doch genau darin besteht ihre Schönheit: in der Tatsache, daß sie anspruchsvoll ist, denn auf diese Weise baut sie das wahre Gute des Menschen auf. Das Gute ist nämlich, sagt der hl. Thomas, seiner Natur nach „auf Ausbreitung hin angelegt”. <36> Die Liebe ist wahr, wenn sie das Gute der Personen und der Gemeinschaften hervorruft, es hervorruft und es an die anderen weitergibt. Nur wer im Namen der Liebe an sich selbst Forderungen zu stellen vermag, kann auch von den anderen Liebe verlangen. Denn die Liebe ist anspruchsvoll. Sie ist es in jeder menschlichen Situation; sie ist es um so mehr für denjenigen, der sich dem Evangelium öffnet. Ist es nicht dies, was Christus in „seinem” Gebot verkündet? Es ist notwendig, daß die heutigen Menschen diese anspruchsvolle Liebe entdecken, denn sie bildet in Wahrheit das tragende Fundament der Familie, ein Fundament, das imstande ist, „alles zu ertragen”. Nach dem Apostel ist die Liebe nicht fähig, alles „zu ertragen”, wenn sie „Neid und Mißgunst” nachgibt, wenn sie „prahlt”, wenn sie „sich aufbläht”, wenn sie „ungehörig handelt” (vgl. 1 Kor 13,4-5). Die wahre Liebe, so lehrt der hl. Paulus, ist anders: „Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand” (i Kor 13,7). Genau diese Liebe „wird alles ertragen”. In ihr wirkt die starke Kraft Gottes selber, der „die Liebe ist” (.1 Joh 4,8.16). In ihr wirkt die starke Kraft Christi, des Erlösers des Menschen und Heilands der Welt. Summa Theologiae, I, q. 5, a. 4, ad 2. Mit unserer Meditation über das 13. Kapitel des ersten Paulusbriefes an die Korinther begeben wir uns auf den Weg, der uns am unmittelbarsten und augenfälligsten die volle Wahrheit über die Zivilisation der Liebe begreifen läßt. Kein anderer biblischer Text drückt diese Wahrheit einfacher und umfassender aus als das Hohelied ier Liebe. !6 399 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Gefahren, die der Liebe entgegenstehen, stellen auch eine Bedrohung für die Zivilisation der Liebe dar, weil sie begünstigen, was ihr wirksam zu widerstreiten vermag. Hier ist insbesondere an den Egoismus gedacht, nicht nur den Egoismus des einzelnen, sondern auch denjenigen des Ehepaares oder, in einem noch weiteren Bereich, an den sozialen Egoismus, z. B. einer Klasse oder einer Nation (Nationalismus). Der Egoismus, in jeder Form, widerspricht unmittelbar und grundsätzlich der Zivilisation der Liebe. Will man etwa behaupten, die Liebe werde ein-fachhin als „Anti-Egoismus” definiert? Das wäre eine allzu armselige und nur negative Definition, auch wenn es wahr ist, daß zur Verwirklichung der Liebe und der Zivilisation der Liebe verschiedene Formen von Egoismus überwunden werden müssen. Richtiger ist hier von „Altruismus” zu sprechen, der die Antithese des Egoismus ist. Doch noch reichhaltiger und vollständiger ist sodann der vom hl. Paulus erläuterte Liebesbegriff. Das Hohelied der Liebe aus dem ersten Korintherbrief bleibt die Magna Charta der Zivilisation der Liebe. In ihm geht es nicht so sehr um einzelne Äußerungen (sei es des Egoismus oder des Altruismus) als um die radikale Annahme des Konzeptes des Menschen als Person, die sich durch die aufrichtige Hingabe ihrer Selbst „wiederfindet”. Eine Hingabe ist natürlich „für die anderen” da: das ist die wichtigste Dimension der Zivilisation der Liebe. Wir betreten somit das Herzstück der evangelischen Wahrheit über die Freiheit. Die Person verwirklicht sich durch die Ausübung der Freiheit in der Wahrheit. Die Freiheit kann nicht als Befugnis verstanden werden, alles Beliebige zu tun: sie bedeutet Selbsthingabe. Mehr noch: sie bedeutet innere Disziplin der Selbsthingabe. In den Begriff Hingabe ist nicht nur die freie Initiative des Subjektes, sondern auch die Dimension der Pflicht eingeschrieben. Das alles verwirklicht sich in der „Gemeinsamkeit der Personen”. So befinden wir uns hier im eigentlichen Herzen jeder Familie. Wir befinden uns auch auf den Spuren des Gegensatzes zwischen dem Individualismus und dem Personalismus. Die Liebe, die Zivilisation der Liebe ist mit derr Personalismus verbunden. Warum gerade mit dem Personalismus? Weil der Individualismus die Zivilisation der Liebe bedrohtl Den Schlüssel zur Antwort finden wii in dem Ausdruck des Konzils: eine „aufrichtige Hingabe”. Der Individualismus setz einen Gebrauch der Freiheit voraus, indem das Subjekt macht, was es will und wa: ihm nützlich erscheint, indem es selbst „die Wahrheit” dessen, was ihm beliebt „festlegt”: Es duldet nicht, daß andere von ihm etwas im Namen einer objektiver Wahrheit „wollen” oder fordern. Es will einem anderen nicht auf der Grundlage de Wahrheit „geben”, es will nicht zu einer „aufrichtigen” Hingabe werden. Der Indi vidualismus bleibt somit egozentrisch und egoistisch. Der Gegensatz zum Persona lismus entsteht nicht nur im Bereich der Theorie, sondern noch mehr in dem de, „Ethos". Das „Ethos” des Personalismus ist altruistisch: Es treibt die Person dazi an, sich für die anderen hinzugeben und Freude in der Hingabe zu finden. Es ist dl Freude, von der Christus spricht (vgl. Joh 15,11; 16,20.22). Darum müssen die menschlichen Gesellschaften und in ihnen die Familien, die häu fig in einem Umfeld des Kampfes zwischen der Zivilisation der Liebe und ihren Ge 400 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gensätzen leben, ihr tragendes Fundament in einer richtigen Auffassung vom Menschen und davon suchen, was über die volle „Verwirklichung” seines Menschseins entscheidet. Sicher im Widerspruch zur Zivilisation der Liebe steht die sogenannte ,freie Liebe”, die um so gefährlicher ist, weil sie gewöhnlich als Frucht eines „echten” Gefühls hingestellt wird, während sie tatsächlich die Liebe zerstört. Wie viele Familien sind gerade aus „freier Liebe” in die Brüche gegangen! Dem „wahren” Gefühlsantrieb im Namen einer von Auflagen „freien” Liebe auf jeden Fall zu folgen, bedeutet in Wirklichkeit, den Menschen zum Sklaven jener menschlichen Instinkte zu machen, die der hl. Thomas „Leidenschaften in der Seele” nennt. <37> Die „freie Liebe” nützt die menschlichen Schwächen aus, indem sie ihnen mit Hilfe der Verführung und mit dem Beistand der öffentlichen Meinung einen gewissen „Rahmen” von Vortrefflichkeit liefert. So sucht man durch die Schaffung eines „moralischen Alibi” das Gewissen „zu beruhigen”. Nicht bedacht werden jedoch alle daraus erwachsenden Folgen, besonders wenn diese außer dem Ehegatten die Kinder zu bezahlen haben, die des Vaters oder der Mutter beraubt und dazu verurteilt werden, tatsächlich Waisen lebender Eltern zu sein. 7 Ebd., I-II, q. 22. Dem sitthchen Utilitarismus hegt, wie man weiß, die dauernde Suche nach dem „Maximum” an Glück zugrunde, aber eines „utilitaristischen Glücks”, das nur als Vergnügen, als unmittelbare Befriedigung zum ausschließlichen Vorteil des einzelnen Individuums verstanden wird, jenseits oder gegen die objektiven Forderungen des wahren Guten. Das dargestellte Programm des Utilitarismus, das sich auf eine im individualistischen Sinne orientierte Freiheit oder eine Freiheit ohne Verantwortung gründet, stellt die Antithese zur Liebe dar, auch als Ausdruck der in ihrer Gesamtheit betrachteten menschlichen Zivilisation. Wenn dieser Freiheitsbegriff in der Gesellschaft Aufnahme findet und sich leicht mit den verschiedensten Formen menschli-;her Schwäche verbindet, wird er sich recht bald als systematische und dauernde Bedrohung für die Famüie entpuppen. In diesem Zusammenhang ließen sich viele rnheilvolle, auf statistischer Ebene dokumentierbare Folgen anführen, auch wenn rieht wenige von ihnen als schmerzliche und blutende Wunden in den Herzen der Männer und Frauen verborgen bleiben. Die Liebe der Ehegatten und der Eltern besitzt die Fähigkeit, solche Wunden zu behandeln, wenn nicht die in Erinnerung gebrachten Gefahren sie ihrer für die nenschlichen Gemeinschaften so wohltuenden und heilsamen Regenerationskraft rerauben. Diese Fähigkeit hängt von der göttlichen Gnade der Vergebung und der Viederversöhnung ab, die die geistige Kraft gewährleistet, immer aufs neue zu beginnen. Deshalb haben es die Mitglieder der Familie nötig, Christus in der Kirche lurch das wunderbare Sakrament der Buße und der Wiederversöhnung zu begeg-len. 401 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In diesem Zusammenhang wird man sich bewußt, wie wichtig das Gebet mit den Familien und für die Familien, insbesondere für die von der Trennung bedrohten Familien, ist. Wir müssen dafür beten, daß die Ehegatten ihre Berufung auch dann lieben, wenn der Weg schwierig wird oder enge und steile, scheinbar unüberwindbare Strecken aufweist; beten, damit sie auch dann ihrem Bund mit Gott treu sind. „Die Familie ist der Weg der Kirche”. In diesem Schreiben wollen wir diesen Weg bekennen und miteinander verkünden, der über das Ehe- und Familienleben „zum Himmelreich führt” (vgl. Mt 7,14). Es ist wichtig, daß die „Personengemeinschaft” in der Familie zur Vorbereitung auf die „Gemeinschaft der Heiligen” wird! Eben deshalb bekennt und verkündet die Kirche die Liebe, die „alles erträgt” (1 Kor 13,7), weil sie mit dem hl. Paulus in ihr die „größte” (7 Kor 13,13) Tugend sieht. Der Apostel setzt für niemanden Grenzen. Lieben ist Berufung aller, auch dei Eheleute und der Familien. In der Kirche sind in der Tat alle gleichermaßen zui Vollkommenheit der Heiligkeit berufen (vgl. Mt 5,48). <38> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nrn. 11, 4 und 4L Das vierte Gebot: „Du sollst Vater und Mutter ehren”. 15. Das vierte der Zehn Gebote betrifft die Familie, ihre innere Festigkeit und Geschlossenheit; wir könnten auch sagen; ihre Solidarität. Im Wortlaut des vierten Gebotes ist von der Familie nicht ausdrücklich die Rede Tatsächlich geht es aber um sie. Um die Gemeinsamkeit zwischen den Generationei auszudrücken, hat der göttliche Gesetzgeber kein passenderes Wort gefunden als „Ehre ...” {Ex 20,12). Wir stehen hier vor einer anderen Form, das auszudrücken was Familie ist. Diese Formulierung ist keine „künstliche” Erhöhung der Familie sondern legt ihre Subjektivität und die daraus erwachsenden Rechte an den Tag. Dit Familie ist eine Gemeinschaft besonders intensiver zwischenmenschlicher Bezie hungern zwischen Ehegatten, zwischen Eltern und Kindern, zwischen den Genera tionen. Sie ist eine Gemeinschaft, die in besonderer Weise garantiert wird. Und Got findet keine bessere Gewähr dafür als: „Ehre!” „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das de Herr, dein Gott, dir gibt” {Ex 20,12). Dieses Gebot folgt auf die drei grundlegende! Gebote, die das Verhältnis des Menschen und des Volkes Israel zu Gott betreffen „Shema, Israel ...”, „Höre Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig” {Dtn 6,4) „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben” {Ex 20,3). Das ist das erste um größte Gebot, das Gebot, Gott „über alle Dinge” zu lieben: er wird „mit ganzen Herzen, ganzer Seele und mit ganzer Kraft” geliebt {Dtn 6,5; vgl. Mt 22,37). Es is bezeichnend, daß sich das vierte Gebot gerade in diesen Rahmen einfügt: „Ehr' deinen Vater und deine Mutter”, denn sie sind für dich in gewissem Sinne die Be vollmächtigten des Herrn, diejenigen, die dir das Leben geschenkt und dich in di 38 402 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menschliche Existenz eingeführt haben: in einen Stamm, eine Nation, eine Kultur. Nach Gott sind sie deine ersten Wohltäter. Wenn allein Gott gut, ja das Gute selbst ist, so haben die Eltern in einzigartiger Weise an dieser seiner erhabenen Güte teil. Und deshalb: Ehre deine Eltern! Hier besteht eine gewisse Analogie zu der Verehrung, die Gott gebührt. Das vierte Gebot steht in enger Verbindung zum Gebot der Liebe. Das Band zwischen „ehre!” und „liebe!” ist tief. Die Ehre ist in ihrem Wesenskem mit der Tugend der Gerechtigkeit verbunden, doch läßt sich diese ihrerseits ohne Berufung auf die Liebe - Liebe zu Gott und zum Nächsten - nicht vollständig erklären. Und wer ist mehr Nächster als die eigenen Familienangehörigen, die Eltern und die Kinder? Ist das vom vierten Gebot angezeigte interpersonale System einseitig? Verpflichtet es dazu, nur die Eltern zu ehren? Im buchstäbhchen Sinn: ja. Indirekt können wir jedoch auch von der „Ehre” sprechen, die den Kindern von seiten der Eltern gebührt. „Ehre” heißt: erkenne an! Das heißt, laß dich von der überzeugten Anerkennung der Person leiten, vor ahem von der Person des Vaters und der Mutter und dann von der anderer Familienmitglieder. Die Ehre ist eine ihrem Wesen nach selbstlose Haltung. Man könnte sagen, sie ist „eine aufrichtige Hingabe der Person an die Person”, und in diesem Sinne trifft sich die Ehre mit der Liebe. Wenn das vierte Gebot Vater und Mutter zu ehren verlangt, so verlangt es das auch im Hinblick auf das Wohl der Familie. Eben deshalb steht es jedoch Anforderungen an die Eltern. Eltern - daran scheint sie das göttliche Gebot zu erinnern -, handelt so, daß euer Verhalten die Ehre (und die Liebe) von seiten eurer Kinder verdientl Laßt den göttlichen Ehranspruch für euch nicht in ein „moralisches Vakuum” hineinfallen! Schließlich handelt es sich also um eine wechselseitige Ehre. Das Gebot „ehre dei-ren Vater und deine Mutter” sagt den Eltern indirekt: Ehrt eure Söhne und eure Töchter! Sie verdienen das, weil sie existieren, weh sie das sind, was sie sind: das gilt vom ersten Augenbhck der Empfängnis an. So macht dieses Gebot dadurch, daß iS die innerste Famihenbande zum Ausdruck bringt, das Fundament ihrer inneren 3eschlossenheit offenkundig. Das Gebot fährt fort: „damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, lir gibt.” Dieses „damit” könnte ein „utilitaristisches” Kalkül nahelegen: ehren im hinblick auf das künftige lange Leben. Wir sagen indessen, daß das die essentiehe Bedeutung des seinem Wesen nach mit einer selbstlosen Haltung verbundenen Imperativs „ehre” nicht mindert. Ehren bedeutet niemals: „Ziehe die Vorteile in Be-racht.” Dennoch fällt es schwer, nicht zuzugeben, daß aus der zwischen den Mitgliedern der Famihengemeinschaft bestehenden Haltung wechselseitiger Ehre auch Nutzen verschiedener Art erwächst. Die „Ehre” ist sicher nützlich, so wie jedes vahre Gut „nützlich” ist. Die Familie verwirklicht vor ahem das Gut des „Zusammenseins”, das Gut im vahrsten Sinne des Wortes der Ehe (daher ihre Unauflöslichkeit) und der Familien-;emeinschaft. Man könnte es zudem als Gut der Subjektivität bezeichnen. Denn die ’erson ist ein Subjekt, und das ist auch die Familie, weil sie von Personen gebildet 403 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wird, die durch ein tiefes Band der Gemeinschaft verbunden sind und so ein einziges Gemeinschaftssubjekt bilden. Ja, die Familie ist mehr Subjekt als jede andere soziale Institution: mehr als die Nation, der Staat, mehr als die Gesellschaft und die internationalen Organisationen. Diese Gesellschaften, besonders die Nationen, erfreuen sich deshalb einer eigenen Subjektivität, weil sie sie von den Personen und ihren Familien erhalten. Sind das lediglich „theoretische” Überlegungen, formuliert, um die Familie in der öffentlichen Meinung zu „erhöhen”? Nein, es handelt sich vielmehr um eine andere Ausdrucksweise dessen, was Familie ist. Und auch sie läßi sich aus dem vierten Gebot ableiten. Dies ist eine Wahrheit, die vertieft zu werden verdient: sie unterstreicht nämlich die Wichtigkeit dieses Gebots auch für das moderne System der Menschenrechte. Die institutionellen Anordnungen gebrauchen die Rechtssprache. Gott hingegen sagt „Ehre!” Sämtliche „Menschenrechte” sind letzten Endes hinfällig und wirkungslos wenn ihrer Gmndlage der Imperativ „ehre!” fehlt; mit anderen Worten, wenn du Anerkennung des Menschen durch die einfache Tatsache, daß er Mensch, „dieser’ Mensch ist, fehlt. Rechte allein genügen nicht. Es ist daher nicht übertrieben, zu bekräftigen, daß das Leben der Nationen, de: Staaten, der internationalen Organisationen durch die Familie „hindurchgeht” unc sich auf das vierte Gebot des Dekalogs „gründet”. Trotz der vielfachen Erklärungei rechtlicher Art, die erarbeitet wurden, bleibt, als Ergebnis der „aufklärerischen’ Prämissen, wonach der Mensch „mehr” Mensch ist, wenn er „nur” Mensch ist, un sere heutige Zeit in beachtlichem Ausmaß von der „Entfremdung” bedroht. Es is nicht schwer zu erkennen, daß die Entfremdung von all dem, was in verschiedene Form so sehr zum vollen Reichtum gehört, unsere Zeit gefährdet. Und das zieht dis Familie mit hinein. Denn die Bejahung der Person ist in hohem Maße auf die Fami lie und infolgedessen auf das vierte Gebot bezogen. In Gottes Plan ist die Familie ii verschiedener Hinsicht die erste Schule des Menschen. Sei Menschl Dies ist de Imperativ, der in ihr vermittelt wird: Mensch als Sohn oder Tochter der Heimat, al Bürger des Staates und, so würde man heute sagen, als Bürger der Welt. Er, der de Menschheit das vierte Gebot gegeben hat, ist ein dem Menschen gegenübe „wohlwollender” Gott (philanthropos, wie die Griechen sagten). Der Schöpfer de Universums ist der Gott der Liebe und des Lebens: Er will, daß der Mensch da Leben habe und es in Fülle habe, wie Christus sagt (vgl. Joh 10,10): daß er das Le ben vor allem dank der Familie habe. Hier zeigt sich klar, daß die „Zivilisation der Liebe” eng mit der Familie verbünde ist. Für viele stellt die Zivilisation der Liebe noch eine reine Utopie dar. Man meir in der Tat, daß Liebe niemandem abverlangt und niemandem auferlegt werde könne: es handele sich um eine freie Entscheidung, die die Menschen annehme oder zurückweisen können. An all dem ist etwas Wahres. Und doch bleibt die Tatsache bestehen, daß Jesu Christus uns das Gebot der Liebe hinterlassen hat, so wie Gott auf dem Berg Sin: geboten hatte: „Ehre deinen Vater und deine Mutter.” Die Liebe ist daher nicht ein 404 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Utopie: sie ist dem Menschen als eine mit Hilfe der göttlichen Gnade zu erfüllende Aufgabe gegeben. Sie wird dem Mann und der Frau im Ehesakrament als Prinzip und Quelle ihrer „Pflicht” anvertraut und wird für sie zum Fundament der gegenseitigen Verpflichtung: zuerst der ehelichen, dann der elterlichen. In der Feier des Sakraments schenken und empfangen die Ehegatten sich gegenseitig, indem sie ihre Bereitschaft erklären, die Kinder anzunehmen und zu erziehen. Hier liegen die Angelpunkte der menschlichen Zivilisation, die nicht anders definiert werden kann denn als „Zivilisation der Liebe”. Ausdruck und Quelle dieser Liebe ist die Familie. Durch sie geht der Hauptstrom der Zivilisation der Liebe hindurch, der in ihr ihre „sozialen Grundlagen” sucht. Die Kirchenväter haben im Zuge der christlichen Überlieferung von der Familie als „Hauskirche”, als „kleiner Kirche”, gesprochen. Sie bezogen sich somit auf die Zivilisation der Liebe als auf ein mögliches System des Lebens und des menschlichen Zusammenlebens. „Zusammensein” als Familie, einer für den anderen dasein, einen gemeinschaftlichen Raum schaffen für die Bejahung jedes Menschen als solchen, für die Bejahung „dieses” konkreten Menschen. Manchmal handelt es sich um Personen mit physischen oder psychischen Behinderungen, von denen sich die sogenannte „Fortschritts”-Gesellschaft Heber befreit. Auch die Famihe kann einer solchen Ge-seUschaft ähnlich werden. Sie wird es tatsächlich, wenn sie sich auf schnellstem Wege von denen befreit, die alt oder von Mißbildungen oder Krankheiten betroffen sind. Sie handelt so, weil der Glaube an jenen Gott abnimmt, nach dessen Willen „alle lebendig" (Lk 20,38) und aHe in Ihm zur FüHe des Lebens berufen sind. Ja, die Zivilisation der Liebe ist möglich, sie ist keine Utopie. Sie ist jedoch nur möglich durch einen ständigen und lebendigen Bezug zu „Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird” (vgl. Eph 3,14-15), von dem jede menschliche Famihe hervorgeht. Die Erziehung 16. Worin besteht die Erziehungl Um diese Frage zu beantworten, werden zwei grundlegende Wahrheiten in Erinnerung gebracht: die erste ist, daß der Mensch zum Leben in der Wahrheit und in der Liebe berufen ist; die zweite Grundwahrheit besagt, daß sich jeder Mensch durch die aufrichtige Hingabe seiner Selbst verwirklicht. Das gilt sowohl für den Erzieher wie für den, der erzogen wird. Die Erziehung stellt demnach einen einzigartigen Prozeß dar, in dem die gegenseitige Gemeinsamkeit der Personen höchst bedeutsam ist. Der Erzieher ist eine in geistigem Sinne „zeugende” Person. In dieser Sicht kann die Erziehung als echtes und eigentliches Apostolat aiigesehen werden. Sie ist eine lebenschaffende Verbindung, die nicht nur eine tiefgreifende Beziehung zwischen Erzieher und zu Erziehendem hersteHt, sondern diese beiden an der Wahrheit und an der Liebe teilhaben läßt, dem Endziel, zu dem jeder Mensch von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist berufen ist. 405 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Elternschaft setzt die Koexistenz und Interaktion autonomer, selbständiger Subjekte voraus. Das wird in höchstem Maße an der Mutter offenkundig, wenn sie ein neues menschliches Wesen empfängt. Die ersten Monate seiner Gegenwart im Mutterschoß schaffen eine besondere Bindung, die bereits jetzt einen erzieherischen Wert annimmt. Die Mutter baut bereits in der vorgeburtlichen Phase nicht nur den Organismus des Kindes, sondern indirekt seine ganze Menschlichkeit auf. Auch wenn es sich um einen Prozeß handelt, der sich von der Mutter auf das Kind richtet, darf der besondere Einfluß, den das Ungeborene auf die Mutter ausübt, nicht vergessen werden. An diesem wechselseitigen Einfluß, der draußen nach der Geburt des Kindes offenbar werden wird, nimmt der Vater nicht direkt teil. Er soll sich jedoch verantwortlich darum bemühen, während der Schwangerschaft und, wenn möglich, auch bei der Niederkunft seine Aufmerksamkeit und seinen Beistand anzubieten. Für die „Zivilisation der Liebe” kommt es wesentlich darauf an, daß der Mann die Mutterschaft der Frau, seiner Ehefrau, als Geschenk empfindet, denn dies wirkt sich außerordentlich auf den gesamten Erziehungsprozeß aus. Es hängt viel von der Bereitschaft ab, in richtiger Weise an dieser ersten Phase des Geschenks des Menschseins teilzunehmen und sich als Ehemann und Vater in die Mutterschaft der Frau hineinversetzen zu lassen. Die Erziehung ist in dem Augenblick vor allem eine „Beschenkung” mit Menschlichkeit seitens beider Elternteile. Sie vermitteln gemeinsam ihre reife Menschlichkeit an das Neugeborene, das seinerseits ihnen die Neuheit und Frische der Menschlichkeit schenkt, die es in die Welt mitbringt. Das geschieht auch im Fall von Kindern, die von geistigen und körperlichen Behinderungen gezeichnet sind: ja, in diesem Fall kann ihre Situation eine ganz besondere erzieherische Kraft entfalten. Mit Recht richtet daher die Kirche bei der Brautmesse an das Brautpaar die Frage: „Seid ihr bereit, die Kinder, die Gott euch schenken will, anzunehmen und sie im Geiste Christi und seiner Kirche zu erziehen?” <39> Die eheliche Liebe drückt sich in der Erziehung als wahre Elternliebe aus. Die „Personengemeinschaft”, die am Beginn der Familie als eheliche Liebe zum Ausdruck kommt, vervollständigt und vervollkommnet sich mit der Erziehung, die auf die Kinder ausgeweitet wird. Der potentielle Reichtum, den jeder Mensch darstellt, der in der Familie geboren wird und heranwächst, wird verantwortlich angenommen, so daß er nicht entartet und verlorengeht, sondern sich im Gegenteil in einer immer reiferen Menschlichkeit verwirklicht. Auch das ist ein wechselseitiger dynamischer Prozeß, in welchem die Eltern als Erzieher ihrerseits gewissermaßen erzogen werden. Als Lehrer ihrer Kinder in Menschlichkeit lernen sie auch von ihnen. Hier wird die organische Struktur der Familie deutlich sichtbar, und es offenbart sich die Grundbedeutung des vierten Gebotes. Rituale Romanum, Ordo celebrandi matrimonium, n. 60, a.a.O., S. 17. 39 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das „ Wir" der Eltern, des Ehemannes und der Ehefrau, entfaltet sich durch die Erziehung im „ Wir” der Familie, die sich in die voraufgehenden Generationen einfügt, aber offen ist für eine schrittweise und fortschreitende Erweiterung. Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang einerseits die Eltern der Eltern und andererseits die Kindeskinder. Wenn die Eltern im Weiterschenken des Lebens am Schöpfungswerk Gottes teilnehmen, haben sie vermittels der Erziehung Anteil an seiner väterlichen und zugleich mütterlichen Erziehung. Die göttliche Vaterschaft stellt nach dem hl. Paulus das urgründliche Vorbild jeder Elternschaft im Kosmos dar (vgl. Eph 3,14-15), insbesondere der menschlichen Vater- und Mutterschaft. Über die göttliche Erziehung hat uns auf vollkommene Weise das ewige Wort des Vaters belehrt, das in seiner Menschwerdung dem Menschen die wahre und vollständige Dimension seines ! Menschseins enthüllt hat: die Gotteskindschaft. Und so hat es auch bekanntgemacht, worin die wahre Bedeutung der Erziehung des Menschen besteht. Durch Christus wird alle Erziehung, innerhalb der Familie wie außerhalb, in die heilschaffende Di-: mension der göttlichen Pädagogik hineingestellt, die auf die Menschen und auf die ; Familien ausgerichtet ist und ihren Gipfel findet im österlichen Geheimnis von Tod und Auferstehung des Flerm. Von diesem „Herzen” unserer Erlösung nimmt jeder christliche Erziehungsprozeß seinen Ausgang, der zu gleicher Zeit immer Erziehung i zu voller Menschlichkeit ist. Die Eltern sind die ersten und hauptsächlichen Erzieher der eigenen Kinder und haben auch in diesem Bereich grundlegende Zuständigkeit: sie sind Erzieher, weil sie Eltern sind. Sie teilen ihren Erziehungsauftrag mit anderen Personen und Institutionen wie der Kirche und dem Staat; dies muß jedoch immer in korrekter Anwendung des Prinzips der Subsidiarität geschehen. Dieses impliziert die Legitimität, ja die Verpflichtung, den Eltern Hilfe anzubieten, findet jedoch in deren vorgängigem Recht und in ihren tatsächlichen Möglichkeiten aus sich heraus seine unüberschreit-bare Grenze. Das Prinzip der Subsidiarität stellt sich also in den Dienst der Liebe der Eltern und kommt dem Wohl der Familie in ihrem Innersten entgegen. In der Tat isind die Eltern nicht in der Lage, allein jedem Erfordernis des gesamten Erziehungsprozesses zu entsprechen, insbesondere was die Ausbildung und das breite Feld der Sozialisation betrifft. So vervollständigt die Subsidiarität die elterliche Liebe, indem sie deren Grundcharakter bestätigt, denn jeder andere Mitwirkende am Erziehungsprozeß kann nur im Namen der Eltern, auf Grund ihrer Zustimmung, und in einem gewissen Maße sogar in ihrem Auftrag tätig werden. Der Weg der Erziehung führt auf die Phase der Selbsterziehung zu, die erreicht wird, wenn sich der Mensch dank eines entsprechenden Niveaus psychophysischer Reife „allein zu erziehen” beginnt. Mit der Zeit geht die Selbsterziehung über die vorher im Erziehungsprozeß erreichten Ziele hinaus, in dem sie aber weiterhin verwurzelt bleibt. Der Heranwachsende begegnet neuen Personen und neuen Milieus, im besonderen den Lehrern und Mitschülern, die auf sein Leben einen Einfluß ausüben, der sich als erzieherisch oder erziehungsfeindlich erweisen kann. In dieser 407 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Subjektivität ist an die Identität gebunden, die der Ehe und der Familie eigen ist. Die Ehe, die der Familie als Institution zugrunde hegt, wird durch den Bund hergestellt, mit dem „Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, welche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist”. <40> Nur eine solche Verbindung kann als „Ehe” in der Gesellschaft anerkannt und bestätigt werden. Nicht können dies die anderen zwischenmenschlichen Verbindungen, die den oben in Erinnerung gebrachten Bedingungen nicht entsprechen, auch wenn sich heute über diesen Punkt Tendenzen verbreiten, die für die Zukunft der Familie und selbst der Gesellschaft sehr gefährlich sind. <40> Codex des kanonischen Rechtes, can. 1055, § I; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1601. Keine menschliche Gesellschaft darf sich in Grundfragen, die das Wesen der Ehe und Familie betreffen, in die Gefahr des Permissivismus begeben! Ein ähnlicher moralischer Permissivismus muß den authentischen Erfordernissen des Friedens und der Gemeinschaft unter den Menschen Schaden zufügen. Es ist somit begreiflich, warum die Kirche die Authentizität der Familie verteidigt und die zuständigen Institutionen, insbesondere die verantwortlichen Politiker, wie auch die internationalen Organisationen dazu anregt, nicht der Versuchung einer scheinbaren und falschen Modernität nachzugeben. Als Liebes- und Lebensgemeinschaft ist die Familie eine tief verwurzelte soziale Realität und in ganz besonderer Weise eine, wenn auch in verschiedener Hinsichl bedingte, souveräne Gesellschaft. Die Bejahung der Souveränität der Institution Familie und die Anerkennung ihrer vielfältigen Bedingtheiten veranlaßt dazu, vor den Rechten der Familie zu reden. Diesbezüglich hat der Heilige Stuhl im Jahre 1983 die Charta der Familienrechte veröffentlicht, die auch heute ihre ganze Aktualität behält. Die Rechte der Familie sind eng verknüpft mit den Menschenrechten wenn nämlich die Familie Personengemeinschaft ist, so hängt ihre Selbstverwirklichung ganz maßgebend von der gerechten Anwendung der Rechte der sie bildenden Personen ab. Einige dieser Rechte betreffen unmittelbar die Familie, wie das Recht der Eltern auf verantwortete Zeugung und Erziehung des Nachwuchses; andere Rechte hingegen betreffen auf nur indirekte Weise den Familienkem: daruntei sind von besonderer Bedeutung: das Recht auf Eigentum, besonders auf das sogenannte Familieneigentum, und das Recht auf Arbeit. Die Rechte der Familie sind jedoch nicht einfach die mathematische Summe de: Rechte der Personen, ist doch die Familie etwas mehr als die Summe ihrer einzeli genommenen Mitglieder. Sie ist Gemeinschaft von Eltern und Kindern; mitunte: Gemeinschaft mehrerer Generationen. Damm schafft ihre Subjektivität, die sich au der Grandlage des Planes Gottes aufbaut, die Grundlage ihrer eigenen und spezifi sehen Rechte und fordert sie. Die Charta der Familienrechte, ausgehend von dei genannten Moralprinzipien, festigt die Existenz der Institution Familie innerhalb de Sozial- und Rechtsordnung der „großen” Gesellschaft: der Nation, des Staates um 410 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der internationalen Gemeinschaften. Jede dieser „großen” Gesellschaften ist zumindest indirekt von der Existenz der Familie abhängig und beeinflußt; deshalb ist die Definition von Aufgaben und Pflichten der „großen” Gesellschaft gegenüber der Familie eine äußerst wichtige und wesentliche Frage. An erster Stelle steht die nahezu organische Bindung zwischen Familie und Nation. Natürlich kann man nicht in jedem Fall von Nation im eigentlichen Sinn sprechen. Dennoch gibt es ethnische Gruppen, die sich zwar nicht als wirkliche Nationen betrachten können, aber in gewissem Maße die Funktion einer „großen” Gesellschaft erfüllen. Sowohl bei der einen wie bei der anderen Annahme beruht die Bindung der Familie zur ethnischen Gruppe oder zur Nation vor allem auf der Teilnahme an der Kultur. Die Eltern zeugen die Kinder gewissermaßen auch für die Nation, weil sie deren Mitglieder sind und an ihrem Geschichts- und Kulturerbe teilhaben. Von Anfang an zeichnet sich die Identität der Familie gewissermaßen auf Grund der Identität der Nation ab, der sie angehört. Durch ihre Teilhabe am Kulturerbe der Nation trägt die Familie zu jener besonderen Souveränität bei, die ihrer Kultur und Sprache entspringt. Ich habe über dieses Thema vor der UNESCO-Vollversammlung in Paris im Jahr 1980 gesprochen und bin darauf in Anbetracht seiner unzweifelhaften Bedeutung später wiederholt zurückgekommen. Über die Kultur und die Sprache findet nicht nur die Nation, sondern jede Familie zu ihrer geistigen Souveränität. Anders ließen sich viele Ereignisse der Geschichte der Völker, insbesondere der europäischen, schwer erklären; alte und moderne, herausragende und schmerzliche Geschehnisse, Siege und Niederlagen, an denen sichtbar wird, wie organisch die Familie an die Nation und die Nation an die Familie gebunden ist. Gegenüber dem Staat ist diese Bindung der Familie zum Teil ähnlich und zum Teil andersartig. Der Staat unterscheidet sich aämlich von der Nation durch seine weniger „familiäre” Struktur, die wie ein politisches System und eher „bürokratisch” organisiert ist. Nichtsdestoweniger besitzt ruch das staatliche System in gewissem Sinn seine „Seele” in dem Maße, in dem es seinem Wesen als rechtlich geordnete „politische Gemeinschaft” in Hinordnung auf las Gemeinwohl entspricht. <41> Mit dieser „Seele” steht die Familie in engem Zusammenhang, die mit dem Staat eben kraft des Subsidiaritätsprinzips verbunden ist. Die Familie ist in der Tat eine soziale Wirklichkeit, die nicht über alle für die Realisierung ihrer Ziele, auch im Bereich von Unterricht und Erziehung, notwendigen vlittel verfügt. Der Staat ist daher aufgerufen, entsprechend dem erwähnten Prinzip :u intervenieren: dort, wo die Familie sich selbst genügt, soll man sie selbständig landein lassen; ein überzogenes Eingreifen des Staates würde sich als schädlich und iber eine Mißachtung hinaus als eine offene Verletzung der Rechte der Familie er-veisen; nur dort, wo sie selbst wirklich nicht hinreichend ist, hat der Staat die Mög-ichkeit und die Pflicht zum Eingreifen. Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 74. 411 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Abgesehen vom Bereich der Erziehung und des Unterrichts auf allen Stufen findet die staatliche Hilfe, die Initiativen von Privaten jedenfalls nicht ausschließen darf, zum Beispiel in den Einrichtungen ihren Ausdruck, deren Ziel und Zweck es ist, das Leben und die Gesundheit der Bürger zu schützen, und besonders in den die Arbeitswelt betreffenden Vorsorgemaßnahmen. Die Arbeitslosigkeit stellt in unseren Tagen eine der ernstesten Bedrohungen für das Familienleben dar und erfüllt zu Recht alle Gesellschaften mit Sorge. Sie stellt eine Herausforderung für die Politik der einzelnen Staaten und einen Gegenstand aufmerksamen Nachdenkens für die Soziallehre der Kirche dar. Es ist daher unerläßlicher und dringender denn je, hier mit mutigen Lösungen Abhilfe zu schaffen, die auch über nationale Grenzen hinauszublicken verstehen zu den vielen Familien, für die das Fehlen von Arbeit zu einerr dramatischen Elend wird. <42> Vgl. Enzyklika Centesimus cmnus (1. Mai 1991), Nr. 57: AAS 83(1991)862-863. Wenn von der Arbeit in bezug auf die Familie gesprochen wird, ist es richtig, die Bedeutung und die Belastung der Arbeitstätigkeit der Frauen innerhalb der Kernfamilie hervorzuheben: <43> Sie müßte in höchstem Maße anerkannt und aufgewerte, werden. Die „Mühen” der Frau, die, nachdem sie ein Kind zur Welt gebracht hat dieses nährt und pflegt und sich besonders in den ersten Jahren um seine Erziehung kümmert, sind so groß, daß sie den Vergleich mit keiner Bemfsarbeit zu fürchter brauchen. Das wird klar anerkannt und nicht weniger geltend gemacht als jedes andere mit der Arbeit verbundene Recht. Die Mutterschaft und all das, was sie an Mü hen mit sich bringt, muß auch eine ökonomische Anerkennung erhalten, die wenig stens der anderer Arbeiten entspricht, von denen die Erhaltung der Familie in eine derart heiklen Phase ihrer Existenz abhängt. Vgl. Enzyklika Laborem exercens (14. September 1981), Nr. 19: AAS 73(1981)625-629. Es muß jede Anstrengung unternommen werden, damit sie als anfängliche Gesell schaft und in gewissem Sinn als „souverän” anerkannt wird! Ihre „Souveränität” is für das Wohl der Gesellschaft unerläßlich. Eine wahrhaft souveräne und geisti; starke Nation besteht immer aus starken Familien, die sich ihrer Berufung und ihre Sendung in der Geschichte bewußt sind. Die Familie steht im Zentrum aller diese Probleme und Aufgaben: sie in eine untergeordnete und nebensächüche Rolle zi versetzen, sie aus der ihr in der Gesellschaft gebührenden Stellung auszuschließer heißt, dem echten Wachstum des gesamten Sozialgefüges einen schweren Schade: zufügen. II. Der Bräutigam ist bei euch Zu Kana in Galiläa 18. Im Gespräch mit den Jüngern des Johannes spielt Jesus eines Tages auf di Einladung zu einer Hochzeit und auf die Anwesenheit des Bräutigams unter de Hochzeitsgästen an: „Der Bräutigam ist bei ihnen” (Mt 9,15). Er wies so auf di 42 43 412 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erfüllung des Bildes vom göttlichen Bräutigam in seiner Person hin, das bereits im Alten Testament benutzt wurde, um das Geheimnis Gottes als Geheimnis der Liebe vollkommen zu enthüllen. Dadurch, daß er sich als „Bräutigam” bezeichnete, enthüllt Jesus also das Wesen Gottes und bekräftigt seine unendliche Liebe zum Menschen. Doch wirft die Wahl dieses Bildes indirekt auch ein Licht auf die tiefe Wahrheit der ehelichen Liebe. Während er es in der Tat dazu benutzt, um von Gott zu sprechen, zeigt Jesus, wieviel Väterlichkeit und wieviel Liebe Gottes sich in der Liebe eines Mannes und einer Frau widerspiegeln, die sich in der Ehe vereinen. Dazu ist Jesus am Beginn seiner Sendung in Kana in Galiläa, um zusammen mit Maria und den ersten Jüngern an einem Hochzeitsmahl teilzunehmen (vgl. Joh 2,1-11). Er will auf diese Weise zeigen, wie tief die Wahrheit der Familie in die Offenbarung Gottes und in die Heilsgeschichte eingeschrieben ist. Im Alten Testament und besonders bei den Propheten stehen sehr schöne Worte über die Liebe Gottes: eine zuvorkommende Liebe wie diejenige einer Mutter zu ihrem Kund, zartfühlend wie die des Bräutigams zur Braut, aber gleichzeitig ebenso zutiefst eifersüchtig; nicht in erster Linie eine Liebe, die bestraft, sondern vergibt; eine Liebe, die sich, wie die zwischen dem Vater und dem verschwenderischen Sohn, zum Menschen hinabbeugt und ihn aufrichtet, indem sie ihn am göttlichen Leben teilhaben läßt. Eine Liebe, die in Erstaunen versetzt: eine Neuheit, die der ganzen heidnischen Welt bis dahin unbekannt gewesen war. In Kana in Galiläa ist Jesus Verkünder der göttlichen Wahrheit über die Ehe; der Wahrheit, auf die sich die menschliche Familie stützen und von der sie sich gegen alle Prüfungen des Lebens stärken lassen kann. Jesus verkündet diese Wahrheit mit seiner Anwesenheit bei der Hochzeit von Kana und durch das erste von ihm gewirkte „Zeichen”: das zu Wein verwandelte Wasser. Wiederum verkündet er die Wahrheit über die Ehe, als er im Gespräch mit den Pharisäern diesen erklärt, daß die Liebe, die von Gott ist, die zarte und bräutliche Liebe, Quelle von grundlegenden und tiefgreifenden Anforderungen ist. Weniger anspruchsvoll war Mose gewesen, der erlaubt hatte, eine Scheidungsurkunde auszustellen. Als sich die Pharisäer in der bekannten Auseinandersetzung auf Mose beru-?en, antwortet Christus entschieden: „Im Anfang war das nicht so” (Mt 19,8). Und tr ruft ihnen in Erinnerung: Der Schöpfer des Menschen hat diesen als Mann und ”rau geschaffen und bestimmt: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und findet sich an seine Frau, und die zwei werden ein Fleisch” (Gen 2,24). Mit logischer Konsequenz zieht Christus den Schluß: „Sie sind also nicht mehr zwei, son-lem eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen” Mt 19,6). Auf den Einwand der Pharisäer, die sich auf das mosaische Gesetz Stuten, antwortet er: „Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch erlaubt, eure Tauen aus der Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so” (Mt 19,8). esus beruft sich auf den „Anfang” und findet in den Ursprüngen der Schöpfung elbst den Plan Gottes wieder, auf den sich die Familie und durch sie die gesamte Jeschichte der Menschheit stützt. Die natürliche Wirklichkeit der Ehe wird nach 413 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Willen Christi zum wahren und eigentlichen Sakrament des Neuen Bundes, das mit dem Siegel des Blutes des Erlösers Christus versehen ist. Eheleute und Familien, erinnert euch, um welchen Preis ihr „erkauft” worden seidl (vgl. 1 Kor 6,20). Es ist jedoch von seiten des Menschen her schwer, diese wunderbare Wahrheit aufzunehmen und zu leben. Wie sollte man sich darüber wundem, daß Mose den Forderungen seiner Landsleute nachgab, wenn selbst die Apostel, als sie die Worte des Meisters hörten, antworteten: „Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu heiraten” (Mt 19,10)! Trotzdem bekräftigt Jesus, um des Wohles des Mannes und der Frau, der Familie und der ganzen Gesellschaft willen, die von Gott von Anfang an gestellte Forderung. Gleichzeitig jedoch nimmt er die Gelegenheit wahr, um den Wert der Entscheidung zur Ehelosigkeit im Hinblick auf das Reich Gottes geltend zu machen: auch diese Entscheidung läßt „Zeugung” zu, wenn auch auf andere Art. Von dieser Entscheidung nehmen das geweihte Leben, die Orden und die religiösen Kongregationen im Orient und im Abendland ebenso ihren Ausgang wie die Regelung des priesterlichen Zölibats gemäß der Tradition der lateinischen Kirche. Es ist also nicht wahr, daß „es nicht gut ist zu heiraten”, aber die Liebe für das Himmelreich kann einen auch dazu bringen, nicht zu heiraten (vgl. Mt 19,12). Zu heiraten bleibt dennoch die gewöhnliche Berufung des Menschen, die vom größten Teil des Gottesvolkes wahrgenommen wird. In der Familie bilden sich die lebendigen Steine des geistigen Hauses heraus, von denen der Apostel Petrus sprichi (vgl. 1 Petr 2,5). Die Körper der Eheleute sind Wohnstatt des Heiligen Geistes (vgl 1 Kor 6,19). Da die Weitergabe des göttlichen Lebens jene des menschlichen Lebens voraussetzt, werden in der Ehe nicht nur die Kinder der Menschen geboren sondern kraft der Taufe auch Adoptivkinder Gottes, die von dem neuen Leben leben, das sie von Christus durch seinen Geist empfangen. Auf diese Weise, liebe Brüder und Schwestern, Eheleute und Eltern, ist der Bräuti gam bei euch. Ihr wißt, daß Er der Gute Hirte ist, und ihr kennt seine Stimme. Ih: wißt, wohin Er euch führt, wie Er kämpft, um euch die Weiden zu verschaffen, au denen ihr das Leben findet und es in Fülle findet; ihr wißt, daß Er sich den raubgie rigen Wölfen entgegenstellt, stets bereit, ihrem Rachen die Schafe zu entreißen: je den Ehemann und jede Ehefrau, jeden Sohn und jede Tochter, jedes Mitglied eure Familien. Ihr wißt, daß Er als Guter Hirte bereit ist, sein Leben hinzugeben für di< Herde (vgl. Joh 10,11). Er führt euch Wege, die nicht jene abschüssigen und heim tückischen vieler moderner Ideologien sind; Er wiederholt die Wahrheit unverkürz für die heutige Welt, so wie Er sich an die Pharisäer wandte, wie Er sie den Apo stein verkündete, die sie dann in der Welt verkündeten, indem sie sie den Mensche ihrer Zeit, Juden wie Griechen, verkündeten. Die Jünger waren sich wohl bewußi daß Christus alles neu gemacht hatte; daß der Mensch zu einer „neuen Schöpfung geworden war: nicht mehr Jude und Grieche, nicht mehr Sklave und Freier, nie! mehr Mann und Frau, sondern „einer” in Ihm (vgl. Gal 3,28), ausgezeichnet mit de Würde eines Adoptivkindes Gottes. Am Pfingsttag hat dieser Mensch den Tröstei 414 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geist, den Geist der Wahrheit, empfangen; so begann das neue Volk Gottes, die Kirche, als Vorwegnahme eines neuen Himmels und einer neuen Erde (vgl. Offb 21,1). Die Apostel, die zuerst auch in bezug auf Ehe und Familie ängstlich gewesen waren, sind mutig geworden. Sie haben begriffen, daß Ehe und Familie eine echte, von Gott selbst stammende Berufung darstellen, ein Apostolat sind: das Apostolat der Laien. Sie dienen der Umgestaltung der Erde und der Erneuerung der Welt, der Schöpfung und der gesamten Menschheit. Liebe Familien, auch ihr müßt mutig sein, stets bereit, Zeugnis zu geben von jener Hoffnung, die euch erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15), weil sie euch vom Guten Hirten durch das Evangelium ins Herz gepflanzt wurde. Ihr müßt bereit sein, Christus zu jenen Weiden zu folgen, die das Leben geben und die Er selbst mit dem österlichen Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung bereitet hat. Habt keine Angst vor Gefahren! Die göttlichen Kräfte sind weitaus mächtiger als eure Schwierigkeiten! Unermeßlich größer als das Böse, das in der Welt Fuß faßt, ist die Wirksamkeit des Sakraments der Wiederversöhnung, das von den Kirchenvätern nicht zufällig „zweite Taufe” genannt wird. Viel ausgeprägter als die Verderbtheit, die in der Welt gegenwärtig ist, ist die göttliche Kraft des Sakraments der Firmung, die die Taufe zur Reifung bringt. Unvergleichlich größer ist vor allem die Macht der Eucharistie. Die Eucharistie ist ein wahrhaft wunderbares Sakrament. In ihm hat Christus sich selbst uns als Speise und Trank, als Quelle heilbringender Kraft hinterlassen. Er hat sich selbst uns hinterlassen, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben (vgl. Joh 10,10): das Leben, das in Ihm ist und das Er uns mit der Gabe des Heiligen Geistes in der Auferstehung am dritten Tag nach seinem Tod mitgeteilt hat. Denn das Leben, das von Ihm kommt, ist in der Tat für uns. Es ist für euch, liebe Eheleute, Eltern und Familien! Hat Er die Eucharistie beim Letzten Abendmahl nicht in einer familiären Umgebung eingesetzt? Wenn ihr euch zu den Mahlzeiten trefft und untereinander einig seid, ist Christus bei euch. Und noch mehr ist Er der Emmanuel, der Gott mit uns, wenn ihr euch zum eucharistischen Mahl begebt. Es kann geschehen, daß man Ihn, wie in Emmaus, erst „beim Brechen des Brotes” erkennt (vgl. Lk 24,35). Es kommt auch vor, daß Er lange vor der Tür steht und anklopft in Erwartung, daß Ihm die Tür geöffnet werde, damit Er eintreten und mit uns Mahl halten kann (vgl. Offb 3,20). Sein letztes Abendmahl und die dabei gesprochenen Worte bewahren die ganze Macht und Weisheit des Opfers am Kreuz. Es gibt keine andere Macht und keine andere Weisheit, durch die wir gerettet werden können und furch die wir zur Rettung der anderen beitragen können. Es gibt keine andere Macht rnd keine andere Weisheit, durch die ihr, Eltern, eure Kinder und auch euch selbst erziehen könnt. Die erzieherische Macht der Eucharistie hat sich durch die Generaionen und Jahrhunderte hindurch bestätigt. Der Gute Hirte ist überall bei uns. Wie er in Kana in Galiläa als Bräutigam unter ien Brautleuten anwesend war, die sich einander für das ganze Leben anvertrauten, ;o ist der Gute Hirte heute bei euch als Grund der Hoffnung, als Kraft der Herzen, 415 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN als Quelle immer neuer Begeisterung und als Zeichen für den Sieg der „Zivilisation der Liebe”. Jesus, der Gute Hirte, wiederholt für uns: Fürchtet euch nicht. Ich bin bei euch. „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” {Mt 28,20). Woher soviel Kraft nehmen? Woher die Gewißheit nehmen, daß du bei uns bist, obwohl sie dich, Sohn Gottes, getötet haben und du gestorben bist wie jedes andere Menschenwesen? Woher diese Gewißheit? Der Evangelist sagt: „Er liebte sie bis zur Vollendung” {Joh 13,1). Du liebst uns also, Du bist der Erste und der letzte, der Lebendige; Du warst tot und lebst nun in alle Ewigkeit (vgl. Ojfb 1,17-18). Das tiefe Geheimnis 19. Der hl. Paulus faßt das Thema Familienleben mit dem Wort: „tiefes Geheimnis” (Eph 5,32) zusammen. Was er im Brief an die Epheser über dieses „tiefe Geheimnis” schreibt, stellt, auch wenn es im Buch Genesis und in der gesamten Tradition des Alten Testamentes verwurzelt ist, dennoch einen neuen Ansatz dar, der sodann im Lehramt der Kirche seinen Niederschlag finden wird. Die Kirche bekennt, daß die Ehe als Sakrament des Bundes der Ehegatten ein „tiefes Geheimnis” ist, da sich in ihr die bräutliche Liebe Christi zu seiner Kirche ausdrückt. Der hl. Paulus schreibt: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie im Wasser und durch das Wort rein und heilig zu machen” {Eph 5,25-26). Der Apostel spricht hier von dei Taufe, die er im Brief an die Römer ausführlich behandelt und die er als Teilhabe am Tod Christi vorstellt, um sein Leben zu teilen (vgl. Röm 6,3-4). In diesem Sakrament wird der Gläubige als ein neuer Mensch geboren, da der Taufe die Krafi innewohnt, ein neues Leben, das Leben Gottes, selbst zu vermitteln. Das göttlichmenschliche Geheimnis wird in gewissem Sinne im Taufereignis zusammengefaßt „Christus Jesus, unser Herr, Sohn Gottes - werden später der hl. Irenäus und viele andere Kirchenväter im Osten und im Westen sagen -, ist Menschensohn geworden damit der Mensch Sohn Gottes werden kann.” <44> Vgl. Adversus haereses, III, 10, 2: PG 7, 873; SCh 211, 116-119; Hl. Athanasius, De incamatione Verbi, 5* PG 25, 191-192; Hl. Augustinus, Sermo 185, 3: PL 38, 999; Senno 194, 33: PL 38, 1016. Der Bräutigam ist also derselbe Gott, der Mensch geworden ist. Im Alten Bunc stellt sich Jahwe als Bräutigam Israels, des auserwählten Volkes, vor: ein zartfüh lender und anspruchsvoller, eifersüchtiger und treuer Bräutigam. Alle Fälle von Verrat, von der Abtrünnigkeit und dem Götzendienst Israels, die von den Prophetei mit eindrucksvoller Dramatik beschrieben werden, bringen es nicht zuwege, dii Liebe auszulöschen, mit der der Gott-Bräutigam „bis zur Vollendung liebt” (vgl Joh 13,1). Die Bestätigung und die Erfüllung der bräutlichen Gemeinschaft zwischen Gott um seinem Volk ereignet sich in Christus, im Neuen Bund. Christus versichert uns, dal der Bräutigam bei uns ist (vgl. Mt 9,15). Er ist bei uns allen, Er ist bei der Kirche Die Kirche wird zur Braut: Braut Christi. Diese Braut, von der der Epheserbrie 44 416 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN spricht, vergegenwärtigt sich in jedem Getauften und ist wie eine Person, die vor dem Blick ihres Bräutigams erscheint: wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat (...)■ So will er die Kirche herrlich vor sich erscheinen lassen, ohne Flecken, Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos” (.Eph 5,25-27). Die Liebe, mit welcher der Bräutigam der Kirche „seine Liebe bis zur Vollendung erwies”, bewirkt, daß sie je neu heilig ist in ihren Heiligen, auch wenn sie weiterhin eine Kirche von Sündern ist. Auch die Sünder, „die Zöllner und Dirnen”, sind zur Heiligkeit berufen, wie Christus selbst im Evangelium bezeugt (vgl. Mt 21,31). Alle sind dazu berufen, herrliche, heilige und makellose Kirche zu werden. „Seid heilig -sagt der Herr-, weil ich heilig bin” (Lev 11,44; vgl. 1 Petr 1,16). Das ist die erhabenste Dimension des „tiefen Geheimnisses”, die innere Bedeutung der sakramentalen Hingabe in der Kirche, der tiefste Sinn von Taufe und Eucharistie. Sie sind die Früchte der Liebe, mit der der Bräutigam geliebt hat bis zur Vollendung; Liebe, die sich ständig ausweitet, indem sie die Menschen mit wachsender übernatürlicher Teilhabe am göttlichen Leben beschenkt. Nachdem der hl. Paulus gesagt hat: „Ihr Männer, liebt eure Frauen” (Eph 5,25), fügt er mit noch größerer Nachdrücklichkeit hinzu: „Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, hebt sich selbst. Keiner hat je seinen eigenen Leib gehaßt, sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche. Denn wir sind Glieder seines Leibes” (Eph 5,28-30). Und er ermahnt die Eheleute mit den Worten: „Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus” (Eph 5,21). Das ist gewiß eine neue Darstellung der ewigen Wahrheit über die Ehe und die Familie im Lichte des Neuen Bundes. Christus hat sie geoffenbart im Evangelium, mit seiner Anwesenheit in Kana in Galiläa, mit dem Opfer am Kreuz und den Sakramenten seiner Kirche. Die Eheleute finden somit in Christus den Bezugspunkt ihrer ehelichen Liebe. Wenn der hl. Paulus von Christus als dem Bräutigam der Kirche spricht, nimmt er in analoger Weise auf die eheliche Liebe Bezug; er bezieht sich auf das Buch Genesis: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und die zwei werden ein Fleisch” (Gen 2,24). Das ist das „tiefe Geheimnis” der ewigen Liebe, die bereits vor der Schöpfung gegenwärtig war, in Christus geoffenbart und der Kirche anvertraut wurde. „Dies ist ein tiefes Geheimnis - sagt der Apostel -; ich beziehe es auf Christus und auf die Kirche” (Eph 5,32). Man kann daher die Kirche nicht als mystischen Leib Christi, als Zeichen des Bundes des Menschen mit Gott in Christus, als universales Sakrament des Heiles verstehen, ohne sich auf das „tiefe Geheimnis” zu beziehen, das mit der Erschaffung ies Menschen als Mann und Frau und mit der Berufung der beiden zur ehelichen riebe, zur Elternschaft verbunden ist. Das „tiefe Geheimnis”, das die Kirche und fas Menschsein in Christus ist, existiert nicht ohne das „tiefe Geheimnis”, das in lern „ein Fleisch sein” (vgl. Gen 2,24; Eph 5,31-32), das heißt in der Wirklichkeit ler Ehe und Familie, zum Ausdruck kommt. 417 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Familie selbst ist das tiefe Geheimnis Gottes. Als „Hauskirche” ist sie die Braut Christi. Die Universalkirche und in ihr jede Teilkirche enthüllt sich ganz unmittelbar als Braut Christi in der „Hauskirche” und in der in ihr gelebten Liebe: eheliche Liebe, elterliche Liebe, geschwisterliche Liebe, Liebe einer Gemeinschaft von Personen und Generationen. Ist etwa die menschliche Liebe ohne den Bräutigam und ohne die Liebe denkbar, mit der Er zuerst geliebt hat bis zur Vollendung? Nur wenn sie an dieser Liebe und an diesem „tiefen Geheimnis” teilnehmen, können die Eheleute lieben „bis zur Vollendung”: entweder werden sie zu Teilhabern an dieser Liebe, oder sie lernen nicht bis ins Innerste kennen, was die Liebe ist und wie radikal ihre Anforderungen sind. Das stellt zweifellos eine große Gefahr für sie dar. Die Lehre des Epheserbriefes versetzt uns wegen ihrer Tiefgründigkeit und wegen ihrer ethischen Kraft in Erstaunen. Indem er die Ehe und indirekt die Familie als das „tiefe Geheimnis” in bezug auf Christus und auf die Kirche bezeichnet, kann der Apostel Paulus noch einmal bekräftigen, was er vorher zu den Ehemännern gesagt hatte: „Jeder von euch liebe seine Frau wie sich selbst!” Dann fügt er hinzu: „Die Frau aber ehre den Mann!” (Eph 5,33). Sie ehrt ihn, weil sie ihn liebt und sich wieder geliebt weiß. Kraft solcher Liebe werden sich die Eheleute gegenseitig zum Geschenk. In der Liebe ist die Anerkennung der persönlichen Würde des anderen und seiner unwiederholbaren Einzigartigkeit enthalten: tatsächlich wurde jeder von ihnen als menschliches Wesen unter allen Kreaturen auf Erden von Gott um seiner Selbst willen gewollt; <45> jeder macht sich jedoch mit dem bewußten und verantwortlichen Akt selbst und aus freien Stücken zum Geschenk an den anderen und an die vom Herrn empfangenen Kinder. Bezeichnenderweise fährt der hl. Paulus in seiner Ermahnung fort, indem er einen Zusammenhang zum vierten Gebot herstellt: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern, wie es vor dem Herrn recht ist. Ehre deinen Vater und deine Mutter: Das ist ein Hauptgebot, und ihm folgt die Verheißung: damit es dir gul geht und du lange lebst auf der Erde. Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Weisung des Herrn!” (Eph 6,1-4). Der Aposte sieht also im vierten Gebot folgerichtig den Auftrag zu gegenseitiger Achtung zwischen Ehemann und Ehefrau, zwischen Eltern und Kindern und erkennt so in ihn das Prinzip der gefestigten Geschlossenheit der Familie. Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium < spes, Nr. 24. Die wunderbare paulinische Synthese über das „tiefe Geheimnis” stellt sich gewissermaßen als Zusammenfassung, als Summe der Lehre über Gott und den Men sehen dar, die Christus zu Ende geführt hat. Leider hat sich das abendländisch* Denken mit der Entwicklung des modernen Rationalismus nach und nach von diese Lehre entfernt. Der Philosoph, der das Prinzip „Cogito, ergo sum”, „Ich denke, als* bin ich”, formuliert hat, hat auch der modernen Auffassung vom Menschen den dua listischen Charakter aufgeprägt, der sie kennzeichnet. Zum Rationalismus gehör die radikale Gegeneinanderstellung von Geist und Körper und Körper und Geist in 45 418 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen. Der Mensch ist hingegen Person in der Einheit von Körper und Geist. Der Körper darf niemals auf reine Materie verkürzt werden: Er ist ein „von Geist erfüllter" Körper, so wie der Geist so tief mit dem Körper verbunden ist, daß er ein „leibhaftiger” Geist genannt werden kann. Die reichste Quelle für die Kenntnis des Körpers ist das fleischgewordene Wort. Christus offenbart den Menschen dem Menschen. Diese Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils ist in gewissem Sinne die lange erwartete Antwort der Kirche an den modernen Rationalismus. Diese Antwort gewinnt eine grundlegende Bedeutung für das Verständnis der Familie, besonders vor dem Hintergrund der heutigen Zivilisation, die, wie schon gesagt wurde, in so vielen Fällen anscheinend darauf verzichtet hat, eine „Zivilisation der Liebe” zu sein. Groß ist im modernen Zeitalter der Fortschritt in der Kenntnis der materiellen Welt und auch der menschlichen Psychologie gewesen; was aber seine innerste Dimension, die metaphysische Dimension, betrifft, so bleibt der heutige Mensch für sich selbst großenteils ein unbekanntes Weserv, folglich bleibt auch die Familie eine unbekannte Wirklichkeit. Dazu kommt es wegen der Entfernung von jenem „tiefen Geheimnis”, von dem der Apostel spricht. Die Trennung im Menschen zwischen Geist und Körper hatte zur Folge, daß sich die Tendenz verstärkte, den menschlichen Leib nicht nach den Kategorien seiner spezifischen Ähnlichkeit mit Gott zu behandeln, sondern nach den Kategorien seiner Ähnlichkeit mit allen anderen in der Natur vorhandenen Körpern, Körpern, die der Mensch als Material für seine auf die Herstellung von Konsumgütem ausgerichtete Tätigkeit verwendet. Doch wird jeder unmittelbar einsehen, daß die Anwendung solcher Kriterien auf den Menschen in Wirklichkeit enorme Gefahren in sich birgt. Wenn der unabhängig von Geist und Denken betrachtete menschliche Körper als Material wie der Körper von Tieren verwendet wird - und das geschieht zum Beispiel bei den Manipulationen an Embryonen und Föten gehen wir unausweichlich einer schrecklichen ethischen Niederlage entgegen. In einer solchen anthropologischen Perspektive erlebt die Menschheitsfamilie soeben die Erfahrung eines neuen Manichäismus, in dem der Körper und der Geist radikal einander entgegengesetzt werden. Weder lebt der Körper vom Geist, noch belebt der Geist den Körper. Der Mensch hört so auf, als Person und Subjekt zu leben. Trotz der Absichten und gegenteiligen Erklärungen wird er ausschließlich zu einem Objekt. Auf diese Weise hat diese neomanichäische Zivilisation zum Beispiel dazu geführt, daß man in der menschlichen Sexualität mehr ein Terrain der Manipulation und der Ausbeutung sieht als die Wirklichkeit jenes anfänglichen Staunens, las Adam am Morgen der Schöpfung vor Eva sagen ließ: „Das ist Fleisch von mei-rem Fleisch und Bein von meinem Gebein” (vgl. Gen 2,23). Und das Staunen, das n den Worten des Hohenliedes anklingt: „Verzaubert hast du mich, meine Schwester Braut, ja verzaubert mit einem Blick deiner Augen” (Hld 4,9). Wie weit entfernt 6 7 „Corpore et anima unus”, wie das Konzil mit einer glücklichen Ausdrucksweise herausstellt: ebd., Nr. 14. Ebd., Nr. 28. 419 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sind doch gewisse moderne Auffassungen von dem tiefen Verständnis der Männlichkeit und Weiblichkeit, das uns die christliche Offenbarung bietet! Sie läßt uns in der menschlichen Sexualität einen Reichtum der Person entdecken, die die wahre Erschließung ihres Wertes in der Familie findet und ihre tiefe Berufung auch in der Jungfräulichkeit und im Zölibat um des Himmelreiches willen zum Ausdruck bringt. Der moderne Rationalismus duldet das Geheimnis nicht. Er akzeptiert das Geheimnis des Menschen, des Mannes und der Frau, nicht und will nicht anerkennen, daß die volle Wahrheit über den Menschen in Jesus Christus geoffenbart worden ist. Im besonderen duldet er nicht das im Epheserbrief verkündete „tiefe Geheimnis” und bekämpft es auf radikale Weise. Selbst wenn er im Rahmen eines unklaren Deismus die Möglichkeit eines höheren oder göttlichen Wesens und sogar das Verlangen nach ihm anerkennt, weist er die Vorstellung von einem Gott, der Mensch geworden ist, um den Menschen zu erlösen, entschieden zurück. Für den Rationalismus ist es undenkbar, daß Gott der Erlöser ist, schon gar nicht, daß er „der Bräutigam” ist, die urgründliche und einzige Quelle der ehelichen Liebe des Menschen. Er interpretiert die Erschaffung und den Sinn der menschlichen Existenz radikal anders. Aber wenn dem Menschen der Ausblick auf einen Gott abhanden kommt, der ihn hebt und ihn durch Christus dazu beruft, in Ihm und mit Ihm zu leben, wenn der Familie nicht die Möglichkeit eröffnet wird, an dem „tiefen Geheimnis” teilzuhaben, was bleibt dann anderes als die reine irdische Dimension des Lebensl Es bleibt das irdische Leben als Gelände des Existenzkampfes, die anstrengende Suche nach Gewinn, vor allem nach ökonomischem Gewinn. Das „tiefe Geheimnis”, das Sakrament der Liebe und des Lebens, das seinen Anfang in der Schöpfung und in der Erlösung hat und dessen Garant der Bräutigam Christus ist, hat in der modernen Denkweise seine tiefsten Wurzeln verloren. Es isl in uns und rings um uns bedroht. Möge das in der Kirche begangene Jahr der Familie für die Eheleute zu einer geeigneten Gelegenheit werden, es wiederzuentdecker und sich kraftvoll, mutig und mit Begeisterung wieder dazu zu bekennen. Die Mutter der schönen Liebe 20. Ihren Anfang nimmt die Geschichte der „schönen Liebe” mit der Verkündigung mit jenen wunderbaren Worten, die der Engel Maria überbracht hat, die dazu beru fen wird, die Mutter des Gottessohnes zu werden. Mit dem „Ja” Marias wird Der der „Gott von Gott und Licht vom Licht” ist, zum Menschensohn; Maria ist sein; Mutter, obwohl sie Jungfrau bleibt und „keinen Mann erkennt” (vgl. Lk 1,34). Al: Jungfrau und Mutter wird Maria Mutter der schönen Liebe. Diese Wahrheit ist be reits in den Worten des Erzengels Gabriel geoffenbart, aber ihre volle Bedeutun: wird nach und nach vertieft und bestätigt werden, wenn Maria ihrem Sohn auf der Pilgerweg des Glaubens folgt. <46> Zweites Vatikanisches Konzil. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium. Nrn. 56-59. 420 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die „Mutter der schönen Liebe” wurde von dem aufgenommen, der der Tradition Israels entsprechend bereits ihr irdischer Gemahl war, Josef aus dem Stamm Davids. Er hätte das Recht gehabt, sich Gedanken zu machen über das Eheversprechen sowie über seine Frau und die Mutter seiner Rinder. In diese bräutliche Verbindung greift jedoch Gott mit seiner Initiative ein: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist” {Mt 1,20). Josef weiß, ja er sieht mit eigenen Augen, daß in Maria ein neues Leben heranwächst, das nicht von ihm stammt, und als gerechter Mann, der sich an das alte Gesetz hält, das in diesem Fall ihm die Pflicht der Scheidung auferlegte, will er in liebevoller Weise die Ehe auflösen (vgl. Mt 1,19). Der Engel des Herrn läßt ihn wissen, daß das nicht seiner Berufung entspräche, ja gegen die eheliche Liebe wäre, die ihn mit Maria verbindet. Diese gegenseitige eheliche Liebe verlangt, um voll und ganz die „schöne Liebe” zu sein, daß er Maria und ihren Sohn in sein Haus in Nazaret aufnimmt. Josef gehorcht der göttlichen Botschaft und handelt so, wie ihm befohlen worden ist (vgl. Mt 1,24). Auch dank Josefs wird das Geheimnis der Fleischwerdung und zusammen mit ihm das Geheimnis der Heiligen Familie tief in die eheliche Liebe des Mannes und der Frau und indirekt in die Genealogie jeder menschlichen Familie eingeschrieben. Was Paulus das „tiefe Geheimnis” nennen wird, findet in der Heiligen Familie seinen höchsten Ausdruck. Auf diese Weise steht die Familie wahrhaftig im Zentrum des Neuen Bundes. Man kann auch sagen, daß die Geschichte der „schönen Liebe” in gewissem Sinne mit dem ersten Menschenpaar, mit Adam und Eva, begonnen hat. Die Versuchung, der sie nachgaben, und die daraus folgende Ursünde, beraubt sie nicht vollständig der Fähigkeit zur „schönen Liebe”. Das ahnt man, wenn man zum Beispiel im Buch Tobit liest, daß die Neuvermählten Tobias und Sara, als sie über den Sinn ihrer Vereinigung nachdachten, sich auf die Voreltern Adam und Eva beriefen (vgl. Tob 8,6). Im Neuen Bund bezeugt das auch der hl. Paulus, wenn er von Christus als neuem Adam spricht (vgl. 1 Kor 15,45): Christus kommt nicht, um den ersten Adam und die erste Eva zu verdammen, sondern um sie zu erlösen; er kommt, um das zu erneuern, was im Menschen Geschenk Gottes ist, was in ihm ewig, gut und schön ist und die Grundlage der schönen Liebe bildet. Die Geschichte der „schönen Liebe” ist in gewissem Sinne die Geschichte der Heilsrettung des Menschen. Die „schöne Liebe” nimmt immer mit der Selbstoffenbarung der Person ihren Anfang. In der Schöpfung offenbart sich Eva dem Adam, wie Adam sich Eva offenbart. Im Laufe der Geschichte offenbaren sich die neuen Bräute ihren Gatten, die neuen Menschenpaare sagen sich gegenseitig: „Wir wollen miteinander durch’s Leben gehen.” So beginnt die Familie als Bund der beiden und kraft des Sakramentes als neue Gemeinschaft in Christus. Damit sie wirklich schön ist, muß die Liebe Hingabe Gottes sein, ausgegossen vom Heiligen Geist in die menschlichen Herzen und in ihnen ständig genährt (vgl. Röm 5,5). Die Kirche, die darum weiß, bittet im Ehesakrament den Heiligen Geist, die menschlichen Herzen heimzusuchen. Damit es 421 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirklich „schöne Liebe”, das heißt Hingabe der Person an die Person, ist, muß sie von dem kommen, der selbst Hingabe und Quelle aller Hingabe ist. So geschieht es im Evangehum, was Maria und Josef betrifft, die an der Schwelle des Neuen Bundes die Erfahrung der im Hohenlied beschriebenen „schönen Liebe” wieder erleben. Josef denkt und sagt von Maria: „Meine Schwester Braut” (vgl. Hld 4,9). Maria, Gottesmutter, empfängt durch den Heiligen Geist, und von ihm kommt die „schöne Liebe”, die das Evangehum feinsinnigerweise in den Zusammenhang des „tiefen Geheimnisses” stellt. Wenn wir von der „schönen Liebe” reden, reden wir damit von der Schönheit'. Schönheit der Liebe und Schönheit des Menschenwesens, das kraft des Heihgen Geistes zu solcher Liebe fähig ist. Wir reden von der Schönheit des Mannes und der Frau: von ihrer Schönheit als Bruder oder Schwester, als Brautleute, als Ehegatten. Das Evangehum klärt nicht nur über das Geheimnis der „schönen Liebe” auf, sondern auch über das nicht weniger tiefe Geheimnis der Schönheit, die wie die Liebe von Gott kommt. Von Gott sind der Mann und die Frau, Personen, dazu berufen, sich gegenseitig zum Geschenk zu werden. Aus dem Urgeschenk des Geistes, „der das Leben gibt”, entspringt das gegenseitige Geschenk, Ehemann oder Ehefrau zu sein, nicht weniger als das Geschenk, Bruder oder Schwester zu sein. Das alles findet seine Bestätigung im Geheimnis der Fleischwerdung, das in der Geschichte der Menschen zur Quelle einer neuen Schönheit geworden ist, die unzählige künstlerische Meisterwerke inspiriert hat. Nach dem strengen Verbot, den unsichtbaren Gott in Bildern darzustellen (vgl. Dtn 4,15-20), hat das christliche Zeitalter dagegen für die künstlerische Darstellung des menschgewordenen Gottes, seiner Mutter Maria und Josefs, der Heihgen des Alten wie des Neuen Bundes und überhaupt der gesamten von Christus erlösten Schöpfung gesorgt und auf diese Weise einen neuen Bezug zur Welt der Kultur und der Kunst hergestellt. Man kann sagen, der neue Kunstkanon, in seiner Achtsamkeit für die Tiefendimensionen des Menschen und für seine Zukunft beginnt mit dem Geheimnis der Inkarnation Christi und läßt sich von den Geheimnissen seines Lebens inspirieren: die Geburt von Bet-lehem, die Verborgenheit in Nazaret, das öffentliche Wirken, Golgota, die Auferstehung und seine endgültige Rückkehr in Herrlichkeit. Die Kirche weiß, daß ihre Präsenz in der modernen Welt und im besonderen, daß ihr Beitrag und die Unterstützung bei der Bewertung der Würde der Ehe und Familie eng mit der Kulturentwicklung zusammenhängt; mit Recht macht sie sich darum Sorge. Eben deshalb verfolgt die Kirche aufmerksam die Orientierungen der sozialen Kommunikationsmittel, deren Aufgabe es ist, das große Publikum nicht nur zu informieren, sondern zu formen.4,9 In Kenntnis der umfassenden und tiefgreifenden Auswirkung dieser Medien wird sie nicht müde, jene, die im Kommunikationsbereich tätig sind, vor den Gefahren der Manipulation der Wahrheit zu warnen. Was für eine Wahrheit kann es in dei 49 Vgl. Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel. Pastoralinstruktion Aeiatis novae (22. Februa 1992). Nr. 7. 422 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tat in Filmen, Schauspielen, Rundfunk- und Fernsehprogrammen geben, in denen die Pornographie und die Gewalt vorherrschen? Ist das ein guter Dienst an der Wahrheit über den Menschen! Das sind einige Fragen, denen sich die Manager dieser Instrumente und die verschiedenen Verantwortlichen für die Bearbeitung und Vermarktung ihrer Produkte nicht entziehen können. Durch eine solche kritische Reflexion müßte sich unsere Zivilisation, obschon so viele positive Aspekte auf materieller wie auf kultureller Ebene zu verzeichnen sind, bewußt werden, daß sie unter verschiedenen Gesichtspunkten eine kranke Zivilisation ist, die tiefgreifende Entstellungen im Menschen erzeugt. Warum kommt es dazu? Der Grund liegt darin, daß unsere Gesellschaft sich von der vollen Wahrheit über den Menschen losgelöst hat, von der Wahrheit über das, was der Mann und die Frau als Personen sind. Infolgedessen vermag sie nicht angemessen zu begreifen, was die Hingabe der Personen in der Ehe, eine dem Dienst der Elternschaft verantwortliche Liebe, die authentische Größe der Elternschaft und der Erziehung wirklich sind. Ist es also übertrieben zu behaupten, daß die Massenmedien, wenn sie sich nicht nach den gesunden ethischen Prinzipien ausrichten, nicht der Wahrheit in ihrer wesentlichen Dimension dienen? Das ist also das Drama: Die modernen Mittel der sozialen Kommunikation sind der Versuchung ausgesetzt, durch Verfälschung der Wahrheit über den Menschen die Botschaft zu manipulieren. Der Mensch ist nicht derjenige, für den von der Werbung Reklame gemacht und der in den modernen Massenmedien dargestellt wird. Er ist weit mehr als psychophysische Einheit, als ein Wesen aus Seele und Leib, als Person. Er ist weit mehr durch seine Berufung zur Liebe, die ihn als Mann und Frau in die Dimension des „tiefen Geheimnisses” einführt. Maria ist als erste in diese Dimension eingetreten und hat auch ihren Gemahl Josef darin eingeführt. So sind sie zu den ersten Vorbildern jener schönen Liebe geworden, die die Kirche für die Jugend, für die Eheleute und für die Familien unaufhörlich anruft. Und auch die Jugend, die Eheleute, die Familie mögen nicht müde werden, gleichfalls dafür zu beten. Wie sollte man nicht an die Scharen alter und junger Pilger denken, die in den Marienheiligtümem zusammenströmen und den Blick auf das Antlitz der Muttergottes richten, auf das Antlitz der Mitglieder der Heiligen Familie, auf denen sich die ganze Schönheit der Liebe widerspiegelt, die dem Menschen von Gott geschenkt wird? In der Bergpredigt erklärt Christus im Zusammenhang mit dem sechsten Gebot: „Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen” (Mt 5,27-28). In bezug auf die Zehn Gebote, die es auf die Verteidigung der traditionellen Geschlossenheit von Ehe und Familie abgesehen haben, bezeichnen diese Worte einen großen Sprung nach vom. Jesus geht an die Quelle der Sünde des Ehebruchs: sie hegt im Innern des Menschen und wird an einer Weise des Schauens und Denkens offenkundig, die von der Begierde beherrscht wird. Durch die Begierde neigt der Mensch dazu, sich ein anderes Menschenwesen 423 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN anzueignen, das nicht ihm, sondern Gott gehört. Während sich Christus an seine Zeitgenossen wendet, spricht er zu den Menschen aller Zeiten und aller Generationen; er spricht im besonderen zu unserer Generation, die im Zeichen einer konsu-mistischen und hedonistischen Zivilisation lebt. Warum äußert sich Christus in der Bergpredigt in derart kraftvoller und anspruchsvoller Weise? Die Antwort ist vollkommen klar: Christus will die Heiligkeit der Ehe und der Familie gewährleisten, Er will die volle Wahrheit über die menschliche Person und über ihre Würde verteidigen. Nur im Lichte dieser Wahrheit kann die Familie bis ins letzte die große „Offenbarung” sein, die erste Entdeckung des andern', die gegenseitige Entdeckung der Ehegatten und dann jedes Sohnes bzw. jeder Tochter, die von ihnen zur Welt gebracht werden. Was die Eheleute einander schwören, nämlich „die Treue in guten und in bösen Tagen und sich zu lieben, zu achten und zu ehren, solange sie leben”, ist nur in der Dimension der „schönen Liebe” möglich. Sie kann der heutige Mensch nicht aus den Inhalten der modernen Massenkultur lernen. Die „schöne Liebe” lernt man vor allem durch Beten. Denn das Gebet ist, um eine Formulierung des hl. Paulus zu verwenden, immer mit einer Art innerer Verborgenheit mit Christus in Gott verbunden: „Euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott” (Kol 3,3). Nur in einer solchen Verborgenheit wirkt der Heilige Geist, Quelle der schönen Liebe. Nicht nur in das Herz Marias und Josefs, er gießt diese Liebe auch in die Herzen der Brautleute aus, die imstande sind, das Wort Gottes zu hören und es zu bewahren (vgl. Lk 8,15). Die Zukunft jeder Kemfamilie hängt von dieser „schönen Liebe” ab: gegenseitige Liebe der Ehegatten, der Eltern und der Kinder, Liebe aller Generationen. Die Liebe ist die wahre Quelle der Einheit und der Stärke der Familie. Die Geburt und die Gefahr 21. Die kurze Erzählung über die Kindheit Jesu berichtet auf sehr bedeutsame Weise fast gleichzeitig von seiner Geburt und von der Gefahr, der er gleich entgegentreten muß. Lukas gibt die prophetischen Worte wieder, die der greise Simeon anläßlich der Darstellung des Kindes im Tempel, vierzig Tage nach der Geburt, gesprochen hat. Er sprach von „Licht” und von einem „Zeichen, dem widersprochen wird”; dann prophezeite er Maria: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen” (vgl. Lk 2,32-35). Matthäus hingegen hält bei dem hinterhältigen Vorgehen ein, das von seiten des Herodes gegen Jesus angezettelt wurde: Als er von den Magiern, die aus dem Osten gekommen waren, um den neuen König zu sehen, der geboren werden sollte, informiert wurde (vgl. Mt 2,2), fühlte er sich in seiner Macht bedroht und befahl nach der Abreise der Magier, alle Kinder unter zwei Jahren in Betlehem und Umgebung zu töten. Jesus entging den Fängen des Herodes dank eines besonderen göttlichen Eingreifens und dank der väterlichen Sorge Josefs, dei ihn zusammen mit seiner Mutter nach Ägypten brachte, wo sie bis zum Tod des Herodes blieben. Dann kehrten sie in ihre Geburtsstadt Nazaret zurück, wo für die 424 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heilige Familie ein langer, von getreuer und großherziger Erfüllung der Alltagspflichten gekennzeichneter verborgener Lebensabschnitt begann (vgl. Mt 2,1-23; Lk 2,39-52). Von prophetischer Aussagekraft erscheint die Tatsache, daß Jesus von Geburt an Drohungen und Gefahren ausgesetzt war. Er ist bereits als Kind ein „Zeichen, dem widersprochen wird”. Prophetische Aussagekraft gewinnt außerdem das Drama der auf Befehl des Herodes ermordeten unschuldigen Kinder von Betlehem, die, nach der alten Liturgie der Kirche, zu Teilhabern an der Geburt und dem erlösenden Leiden und Sterben Christi geworden sind. <47> Durch ihre „Passion” ergänzen sie, „für den Leib Christi, die Kirche, was an den Leiden Christi noch fehlt” (Kol 1,24). In der Liturgie ihres Festes, das auf das 5. Jahrhundert zurückgeht, wendet sich die Kirche an die heiligen unschuldigen Kinder und bezeichnet sie mit den Worten des Dichters Prudentius (f um 450) als ,31umen von Märtyrern, die Christi Verfolger gerade zu Beginn des Lebens abgerissen hat, wie der Wirbelsturm die Knospen der Rosen”. Im Evangelium von der Kindheit wird also die Ankündigung des Lebens, die sich auf wunderbare Weise im Ereignis der Geburt des Erlösers erfüllt, in aller Deutlichkeit der Bedrohung des Lebens gegenübergestellt, eines Lebens, das in seiner Vollständigkeit das Geheimnis der Fleischwerdung und der gottmenschlichen Wirklichkeit Christi einschließt. Das Wort ist Heisch geworden (vgl. Joh 1,14), Gott ist Mensch geworden. Auf dieses erhabene Geheimnis beriefen sich die Kirchenväter oft: „Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch in ihm und durch ihn Gott werde.” <48> Diese Glaubenswahrheit ist gleichzeitig die Wahrheit über den Menschen. Sie legt die Schwere jedes Anschlags auf das Leben des Kindes im Mutterschoß an den Tag. Hier, genau hier haben wir es mit dem Gegensatz zur „schönen Liebe” zu tun. Wer es ausschließlich auf den Genuß abgesehen hat, kann soweit gehen, die Liebe dadurch zu töten, daß er ihre Frucht tötet. Für die Kultur des Genusses wird die „Frucht deines Leibes, die gesegnet ist” (Lk 1,42), in gewissem Sinne zu einer „Frucht, die verflucht ist”. Hl. Athanasius, De incamcitione Verbi, 54: PG 25, 191-192. In diesem Zusammenhang sind auch die Verzerrungen in Erinnerung zu bringen, die der sogenannte Rechtsstaat in zahlreichen Ländern erfahren hat. Das Gesetz Gottes gegenüber dem menschlichen Leben ist eindeutig und entschieden. Gott gebietet: „Du sollst nicht töten” (Ex 20,13). Kein menschlicher Gesetzgeber kann daher behaupten: Du darfst töten, du hast das Recht zu töten, oder, du solltest töten. Leider hat sich dies in der Geschichte unseres Jahrhunderts bewahrheitet, als auch auf demokratische Weise an die Macht gekommene politische Kräfte gegen das Recht eines jeden Menschen auf Leben gerichtete Gesetze erlassen haben, und dies unter Berufung auf so anmaßende wie abwegige eugenische, ethnische oder ähnliche Gründe. Ein auch wegen seiner weithin von Gleichgültigkeit oder Zustimmung seitens der öffentlichen Meinung begleitetes nicht minder schwerwiegendes Phänomen ist das der Gesetzgebung, die das Recht auf Leben von der Zeugung an nicht achtet. Wie könnte man Gesetze moralisch akzeptieren, die es gestatten, das noch nicht ge- 425 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN borene menschliche Wesen, das aber bereits im mütterlichen Schoß lebt, zu töten? Das Recht auf Leben wird zum ausschließlichen Vorrecht der Erwachsenen, die sich eben genau der Parlamente bedienen, um ihre Vorhaben in die Tat umzusetzen und die eigenen Interessen zu verfolgen. Das Recht auf Leben wird dem, der noch nicht geboren ist, verweigert, und so sterben auf Grund dieser gesetzgeberischen Dispositionen Millionen Menschenwesen auf der ganzen Welt. Wir stehen vor einer enormen Bedrohung des Lebens: nicht nur einzelner Individuen, sondern auch der ganzen Zivilisation. Die Behauptung, diese Zivilisation sei unter gewissen Gesichtspunkten zu einer „Zivilisation des Todes” geworden, erhält eine besorgniserregende Bestätigung. Ist es etwa kein prophetisches Ereignis, daß die Geburt Christi von der Gefahr für seine Existenz begleitet gewesen ist? Ja, auch das Leben dessen, der gleichzeitig „Menschensohn” und „Sohn Gottes” ist, war bedroht, war von Anfang an in Gefahr und ist nur durch ein Wunder dem Tod entronnen. In den letzten Jahrzehnten sind jedoch einige tröstliche Anzeichen für ein Wiedererwachen der Gewissen festzustellen: das betrifft sowohl die Welt des Denkens wie selbst die öffentliche Meinung. Besonders unter den Jugendlichen wächst ein neues Bewußtsein der Ehrfurcht vor dem Leben von der Empfängnis an; die Bewegungen für das Leben „pro life” breiten sich aus. Das ist eine Triebkraft der Hoffnung für die Zukunft der Familie und der ganzen Menschheit. „... ihr habt mich auf genommen”. 22. Eheleute und Familien in aller Welt: der Bräutigam ist bei euchl Das vor allem will euch der Papst in dem Jahr sagen, das die Vereinten Nationen und die Kirche der Familie widmen. „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird” (Joh 3,16-17); „was aus dem Heisch geboren ist, das ist Heisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist ... Ihr müßt von neuem geboren werden” (Joh 3,6-7). Ihr müßt „aus Wasser und Geist geboren werden” (Joh 3,5). Gerade ihr, liebe Väter und Mütter, seid die ersten Zeugen und Diener dieser neuen Geburt aus dem Heiligen Geist. Ihr, die ihr eure Kinder für die irdische Heimat zeugt, vergeßt nicht, daß ihr sie gleichzeitig für Gott zeugt. Gott wünscht ihre Geburt aus dem Heiligen Geist; Er will sie als Adoptivkinder in dem eingeborenen Sohn, der uns „Macht gibt, Kinder Gottes zu werden” (Joh 1,12). Das Werk der Errettung dauert in der Welt an und wird durch die Kirche verwirklicht. Das alles ist das Werk des Sohnes Gottes, des göttlichen Bräutigams, der das Reich des Vaters an uns weitergegeben hat und uns, seine Jünger daran erinnert: „Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch!” (Lk 17,21). Unser Glaube sagt uns, daß Jesus Christus, der „zur Rechten des Vaters sitzt” kommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten. Auf der anderen Seih 426 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN versichert uns der Evangelist Johannes, daß er nicht in die Welt gesandt ist, „damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird” (Joh 3,17). Worin besteht also das Gericht? Christus selbst bietet die Antwort: „Mit dem Gericht verhält es sich so: Das Licht kam in die Welt (...)• Wer die Wahrheit liebt, kommt zum Licht, damit offenbar wird, daß seine Taten in Gott vollbracht sind” (Joh 3,19.21). Das alles hat kürzlich die Enzyklika Veritatis splendor in Erinnerung gebracht. Ist Christus also Richter? Deine eigenen Taten werden dich im Licht der Wahrheit richten, die du kennst. Die Väter und Mütter, die Söhne und Töchter werden nach ihren Taten gerichtet werden. Jeder von uns wird nach den Geboten gerichtet werden; auch nach jenen Geboten, die wir in diesem Schreiben erwähnt haben: dem vierten, fünften, sechsten und neunten. Ein jeder von uns wird jedoch vor allem nach der Liebe gerichtet werden, die den Sinn und die Zusammenfassung der Gebote darstellt. „Am Abend unseres Lebens werden wir nach der Liebe gerichtet werden” - schrieb der hl. Johannes vom Kreuz. Christus, Erlöser und Bräutigam der Menschheit, „ist dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß er für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf seine Stimme” (vgl. Joh 18,37). Er wird der Richter sein, aber so, wie er selbst es angezeigt hat, als er vom Weltgericht sprach (vgl. Mt 25,31-46). Sein Gericht wird ein Gericht über die Liebe sein, ein Gericht, das die Wahrheit endgültig bestätigen wird, daß der Bräutigam bei uns war und wir es vielleicht nicht gewußt haben. Der Richter ist der Bräutigam der Kirche und der Menschheit. Darum richtet er, indem er spricht: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid (...) Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben” (Mt 25,34-36). Diese Aufzählung ließe sich natürlich verlängern, und in ihr könnte eine Unmenge von Problemen auftauchen, die das Ehe- und Familienleben betreffen. Da würde man auch Äußerungen wie diese antreffen können: „Ich war ein noch ungeborenes Kind, und ihr habt mich aufgenommen und mich zur Welt kommen lassen; ich war ein verlassenes Kind, und ihr seid mir eine Familie gewesen; ich war ein Waise, und ihr habt mich angenommen und erzogen wie euer Kind.” Und weiter: „Ihr habt den zweifelnden oder unter äußerem Druck stehenden Müttern geholfen, ihr ungeborenes Kind anzunehmen und es zur Welt kommen zu lassen; ihr habt unzähligen Familien geholfen, Familien, die Schwierigkeiten damit hatten, die Kinder, die Gott ihnen geschenkt hatte, zu erhalten und zu erziehen.” Und wir könnten fortfahren in einer langen und bunten Liste, die jede Art von wahrem moralischem und menschlichem Guten enthält, in dem die Liebe zum Ausdruck kommt. Das ist die große Ernte, die der Erlöser der Welt, dem der Vater das Gericht anvertraut hat, einzuholen kommen wird: es ist die reiche Ernte an Gnaden und guten Werken, die im Lebenshauch des Bräutigams im Heili- 52 53 Vgl. Veritatis splendor (6. August 1993), Nr. 84. Dichos de luz y amor, 59. 427 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen Geist gereift ist, der in der Welt und in der Kirche nicht zu wirken aufhört. Dafür danken wir dem Spender alles Guten. Wir wissen jedoch, daß es bei dem von dem Evangelisten Matthäus geschilderten Endgericht noch eine andere Aufzählung gab, schwerwiegend und erschreckend: „Weg von mir, ihr Verfluchten (...). Denn ich war hungrig, und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir keine Kleidung gegeben” (Mt 25,41-43). Und auch in dieser Liste werden sich noch andere Haltungen finden lassen, in denen Jesus einfach nur als der abgewiesene Mensch erscheint. Auf diese Weise identifiziert Er sich mit den verlassenen Ehepartnern, mit dem empfangenen und abgelehnten Kind: „Ihr habt mich nicht aufgenommen!” Auch dieser Richterspruch geht mitten durch die Geschichte unserer Familien, er geht mitten durch die Geschichte der Nationen und der Menschheit. Das Wort Christi: „Ihr habt mich nicht aufgenommen”, trifft auch gesellschaftliche Institutionen, Regierungen und internationale Organisationen. Pascal hat geschrieben: „Jesus wird im Todeskampf stehen bis zum Ende der Welt.” <49> Der Todeskampf von Getsemane und der Todeskampf von Golgota sind der Höhepunkt der Offenbarung der Liebe. Im einen wie im anderen offenbart sich der Bräutigam, der bei uns ist, der stets von neuem liebt, der „hebt bis zur Vollendung” (vgl. Joh 13,1). Die Liebe, die in ihm ist und die von ihm über die Grenzen der persönlichen oder der Familiengeschichte hinausgeht, überschreitet die Grenzen der Geschichte der Menschheit. B. Pascal, Pensees, Le mystere de Jesus, 553. Während ich, hebe Brüder und Schwestern, am Ende dieser Überlegungen an all das denke, was im Jahr der Familie von verschiedenen Stellen aus öffentlich verkündet werden wird, möchte ich mit euch das Bekenntnis des Petrus an Christus wiederholen: Allein „du hast Worte des ewigen Lebens” (Joh 6,68). Gemeinsam sagen wir: Deine Worte, Herr, werden nicht vergehen! (vgl. Mk 13,31). Was kann euch der Papst am Ende dieser langen Betrachtung über das Jahr der Familie wünschen? Ich wünsche euch, daß ihr alle euch wiederfmdet in diesen Worten, die „Geist und Leben” sind (Joh 6,63). „Im Inneren an Kraft und Stärke zugenommen” 23. Ich beuge meine Knie vor dem Vater, nach dessen Namen jedes Geschlecht benannt wird, „und bitte, er möge euch ... schenken, daß ihr in eurem Innern durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt” (Eph 3,16). Ich möchte gern auf diese Worte des Apostels zurückkommen, auf die ich im ersten Teil dieses Schreibens Bezug genommen habe. Sie sind in gewissem Sinne Schlüsselwörter. Die Familie, die Elternschaft halten miteinander Schritt. Zugleich ist die Familie die erste menschliche Umgebung, wo der „innere Mensch” Gestalt annimmt, von dem dei 54 428 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Apostel spricht. Die Festigung seiner Kraft ist Geschenk des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist. Das Jahr der Familie stellt uns in der Kirche vor eine enorme Aufgabe, zwar nicht verschieden von jener, welche die Familie Jahr für Jahr und Tag für Tag betrifft, die aber im Rahmen dieses Jahres besondere Bedeutung und Wichtigkeit annimmt. Wir haben das Jahr der Familie in Nazaret begonnen, am Fest der Heiligen Familie; wir wollen während dieses Jahres zu jenem Gnadenort pilgern, der in der Geschichte der Menschheit zum Heiligtum der Heiligen Familie geworden ist. Wir wollen diese Pilgerfahrt machen und dabei das Wissen um das Erbgut an Wahrheit über die Familie wiedergewinnen, die seit Anbeginn einen Schatz der Kirche darstellt. Es ist der Schatz, der sich aus der reichen Tradition des Alten Bundes anhäuft, im Neuen Bund vervollständigt und seinen vollen und sinnbildlichen Ausdruck im Geheimnis der Heiligen Familie findet, in welcher der göttliche Bräutigam die Erlösung aller Familien vollbringt. Von dort aus verkündet Jesus das „Evangelium der Familie”. Aus diesem Wahrheitsschätz schöpfen alle Generationen der Jünger Christi, angefangen von den Aposteln, von deren Lehre wir in diesem Schreiben reichlich Gebrauch gemacht haben. In unserer Zeit wird dieser Schatz in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils gründlich erforscht; <50> interessante Analysen findet man auch in den zahlreichen Ansprachen entwickelt, die Pius XII. dem Thema der Eheleute widmete, <51> in der Enzyklika Humanae vitae Pauls VI., in den Beiträgen zu der Bischofssynode, die der Familie gewidmet war (1980), und in dem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Familiaris consortio. Auf diese Aussagen des Lehramtes habe ich bereits Bezug genommen. Wenn ich jetzt darauf zurückkomme, dann deshalb, um zu unterstreichen, wie umfassend und reichhaltig der Schatz der christlichen Wahrheit über die Familie ist. Die schriftlichen Zeugnisse allein genügen freilich nicht. Viel wichtiger sind die lebendigen Zeugnisse. Paul VI. hat beobachtet, daß „der heutige Mensch lieber auf Zeugen hört als auf Lehrmeister, oder, wenn er auf die Lehrmeister hört, dann, weil sie Zeugen sind”. <52> Es sind vor allem die Zeugen, denen in der Kirche der Schatz der Familie anvertraut ist: jenen Vätern und Müttern, Söhnen und Töchtern, die durch die Familie den Weg ihrer menschlichen und christlichen Berufung, die Dimension des „inneren Menschen” (Eph 3,16), von dem der Apostel spricht, gefunden und somit die Heiligkeit erlangt haben. Die Heilige Familie ist der Anfang vieler anderer heiliger Familien. Das Konzil hat daran erinnert, daß die Heiligkeit die universale Berufung der Getauften ist. <53> In unserer Zeit wie in der Vergangenheit fehlt es nicht an Zeugen des „Evangeliums der Familie”, auch wenn Vgl. vor allem Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nrn. 47-52. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Ansprache an die Teilnehmerinnen an dem Kongreß der Italienischen Katholischen Vereinigung der Hebammen (29. Oktober 1951) in: Discorsi e Radiomessaggi, XIII, 333-353). 55 56 57 58 Vgl. Paul VI., Ansprache an die Mitglieder des Laienrates (2. Oktober 1974): AAS 66(1974)568. Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 40. 429 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie unbekannt sind oder von der Kirche nicht heiliggesprochen worden sind. Das Jahr der Familie stellt die geeignete Gelegenheit dar, das Bewußtsein für deren Existenz und deren große Anzahl zu mehren. Durch die Familie hindurch fließt die Geschichte des Menschen, die Geschichte der Errettung der Menschheit. Ich habe auf diesen Seiten zu zeigen versucht, daß sich die Familie im Zentrum des großen Kampfes zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod, zwischen der Liebe und allem, was sich der Liebe widersetzt, befindet. Der Familie ist die Aufgabe anvertraut, vor allem für die Befreiung der Kräfte des Guten zu kämpfen, dessen Quelle sich in Christus, dem Erlöser des Menschen, befindet. Es gilt darauf hinzuwirken, daß diese Kräfte sich einem jeden Familienkern zuneigen werden, damit - wie anläßlich des Tausendjahrjubiläums der Christianisierung Polens gesagt wurde - die Familie „Festung Gottes” sei. <54> Das ist der Grund, warum sich dieses Schreiben von den apostohschen Ermahnungen inspirieren lassen wollte, die wir in den Schriften des Paulus (vgl. 1 Kor 7,1-40; Eph 5,21-6,9; Kol 3,25) und in den Briefen des Petrus und des Johannes (vgl. 1 Petr 3,1-7; 1 Joh 2,12-17) finden. Wie ähnlich sind sich doch bei aller Verschiedenheit des geschichtlichen und kulturellen Rahmens die Situationen der Christen und der Familien von damals und von heute! Vgl. Kardinal Stefan Wyszynski, Rodzina Bogiem silna, in Jasna Göra gehaltene Predigt (26. 8. 1961). Ich habe daher eine Einladung: eine Einladung, die ich besonders an euch, liebe Ehemänner und Ehefrauen, Väter und Mütter, Söhne und Töchter, richte. Es ist eine Einladung an alle Teilkirchen, daß sie eins bleiben in der Lehre der apostolischen Wahrheit; an die Brüder im Bischofsamt, an die Priester, an die Ordensfamilien, an die geweihten Personen, an die Bewegungen und Laienvereinigungen; an die Brüder und Schwestern, mit denen uns der gemeinsame Glaube an Jesus Christus verbindet, auch wenn wir noch nicht die volle, vom Erlöser gewollte Gemeinschaft erleben; <55> an all jene, die den Glauben Abrahams teilen und wie wir zu der großen Gemeinschaft derer gehören, die an einen einzigen Gott glauben; <56> an diejenigen, die Erben anderer geistlicher und religiöser Traditionen sind; an jeden Mann und jede Frau guten Willens. Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 15. Vgl. ebd., 16. Christus, der derselbe ist „gestern, heute und in Ewigkeit” (Hebr 13,8), sei bei uns, wenn wir die Knie beugen vor dem Vater, in dem jede Elternschaft und jede menschliche Familie ihren Ursprung hat (vgl. Eph 3,14-15), und mit denselben Worten des Gebetes zum Vater, das Er selbst uns gelehrt hat, gebe er noch einmal das Zeugnis der Liebe, mit der Er uns „geliebt hat bis zur Vollendung” (Joh 13,1)! Ich spreche mit der Kraft seiner Wahrheit zum Menschen unserer Zeit, damit er begreift, welche großartigen Güter die Ehe, die Familie und das Leben sind; welche große Gefahr die Mißachtung dieser Wirklichkeiten und die geringe Rücksichtnah- 59 60 61 430 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN me auf die höchsten Werte darstellen, die die Familie und die Würde des Menschen begründen. Möge der Herr Jesus uns mit der Macht und der Weisheit des Kreuzes dies erneut sagen, damit die Menschheit nicht der Versuchung des „Vaters der Lüge” (.Joh 8,44) nachgibt, der sie ständig auf breite und geräumige, dem Anschein nach leicht begehbare angenehme Wege treibt, die aber in Wirklichkeit voller Hinterhalte und Gefahren sind. Möge es uns gegeben sein, stets dem zu folgen, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben” ist (Joh 14,6). Das, liebe Brüder und Schwestern, sei das Engagement der christlichen Familien und die missionarische Sorge der Kirche während dieses an einzigartigen göttlichen Gnaden reichen Jahres. Die Heilige Familie, Ikone und Vorbild jeder menschlichen Familie, helfe jedem, im Geist von Nazaret zu wandeln; sie helfe jeder Familie, ihre Sendung in Kirche und Gesellschaft durch das Hören des Gotteswortes, das Gebet und das brüderliche Leben miteinander zu vertiefen. Maria, Mutter der schönen Liebe, und Josef, Hüter des Erlösers, mögen uns alle unablässig mit ihrem Schutz begleiten. Mit diesen Empfindungen segne ich jede Familie im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 2. Febmar des Jahres 1994. Joannes Paulus PP. II 431 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sakrale Musik als Lob Gottes - Liturgischer Dienst erfordert gediegene Ausbildung Schreiben an Msgr. Domenico Bartolucci, Musikdirektor des Chores für die päpstliche Zelebrationen, vom 2. Februar Dem geliebten Sohn Msgr. Domenico Bartolucci auf Lebenszeit Musikdirektor des Chores für die päpstlichen Zelebrationen Die Feier des vierten Jahrhunderts seit dem Tod von Giovanni Pierluigi aus Pa-lestrina ruft der Gemeinschaft der Christen und der Welt die Fülle des musikalischen Schaffens und die Qualität des Stils, des Forschens und Vertiefens und der Ausarbeitungen des großen Komponisten in Erinnerung. Zugleich lädt sie ein, die bleibende Aktualität des außerordentlichen Beitrags neu zu entdecken, den er für die musikalische Kultur und die liturgische Überlieferung der Kirche geleistet hat. Giovanni Pierluigi bleibt nämlich auch 400 Jahre nach seinem Tod ein immer noch aktueller Meister, der vor allem dem Musiker für die Liturgie und dem Glaubenden an der Schwelle des bevorstehenden dritten christlichen Jahrtausends nützliche Lehren erteilen kann. Herangewachsen in der Schule für Kontrapunkt und Vokalmusik der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, verstand es Pierluigi aus Palestrina, die Entfaltung außergewöhnlicher künstlerischer Talente mit den Gehalten einer gediegenen Heranbildung im Glauben in Übereinstimmung zu bringen. Sein Leben als Komponist war vor zwei Konstanten gekennzeichnet, deren Bedeutung jenseits der Grenzen von Raurr und Zeit bestehen bleibt: ein ständiger Fleiß im Dienste der Gottesverehrung des christlichen Volkes und eine wache Aufmerksamkeit für das Wort Gottes. Geduldig widmete er sich dem Studium alles dessen, was ihn gediegener vorbereiter konnte, und paßte sich immer sowohl an die Erfordernisse der liturgischen Feier als auch an die Kultur des Volkes Gottes in der Teilkirche an, wo er zu wirken hatte So sehen wir ihn in Beziehung zu Mantua, wo er zum Teil musikalischen Programmen folgte, die sich von denen unterschieden, welche ihm durch seine römische Tätigkeit in der Cappella Giulia der Vatikanischen Basilika und der Sixtinischen Ka pelle für die päpstlichen Gottesdienste bereits vertraut waren. Das Wort Gottes kannte und liebte er, ausgehend von seiner Verkündigung in de Liturgie und besonders intensiv von den Texten, die die lange Tradition des Gottes dienstes ins Herz der Riten eingefügt hatte, um die Geheimnisse des Herrn zu besin gen. Die zahlreichen Motetten zeigen, wie intensiv und wirksam es dem weisei Komponisten gelang, die in der Botschaft des göttlichen Wortes enthaltene Wahr heit zum Ausdruck zu bringen. 432 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Durch den Reichtum und die Originalität der polyphonen Struktur läßt die sakrale Musik die andächtig lauschenden Gläubigen den dichten und bewegenden Gehalt des Textes wahmehmen und bezieht sie in das Geheimnis ein. Ebenso wird der Glaube der Kirche, übermittelt durch die Hymnen und Gesänge der Messe und des Stundengebetes, im Bewußtsein verwurzelt und festigt die Einheit der betenden Versammlung, die als mystischer Leib Christi zusammengerufen ist, um in Gemeinschaft mit ihrem Herrn dem Ewigen Vater die gebührende Huldigung darzubringen (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 7). Als unermüdlicher Arbeiter führte Pierluigi aus Palestrina ein Leben fieberhafter Tätigkeit und ständigen apostolischen Eifers. Als genialer Meister und zugleich ständiger Sucher nach neuen Ausdrucksformen der Kunst wußte er für die chorale Polyphonie originelle Lösungen zu finden, indem er weise aus den umfangreichen kontrapunktischen Strömungen seiner Zeit das auswählte, was ihm jeweils am besten helfen konnte bei seinem strengen Bemühen, den Menschen das geoffenbarte Wort in voller Übereinstimmung mit dem Glauben der Kirche zu vermitteln. Er vernachlässigte daher nicht das Studium und das Suchen nach neuen Lösungen für ein fruchtbares und angemessenes Verhältnis zwischen Text und Musik. Daher stellt sich die Kunst Palestrinas auch heute noch als erhabener Ausdruck des gehörten und bezeugten Glaubens dar, aber auch als ein bleibender Ausdruck religiöser Musik. Vom fruchtbaren Lebenssaft der gregorianischen Melodien, die er sich während der vielen Jahre seines Dienstes in den Römischen Chören als Kantor, Dirigent und vor allem als Komponist angeeignet hatte, wußte er eindrucksvolle Themen zu gewinnen, die zugleich mit der Überheferung des heiligen Gesangs eng verbunden waren. Vor allem ließ er sich vom liturgischen Geist beim Suchen nach einer Ausdrucksform leiten, die zwar nicht auf Ergriffenheit und Originalität verzichtete, aber auch nicht in übertriebenen und banalen Subjektivismus abglitt. Diese in seinem sehr umfangreichen musikaüschen Werk immer vorhandenen Qualitäten haben zur Schaffung eines klassisch gewordenen Stils beigetragen, der allgemein im Bereich der Kirchenmusik als beispielhaft anerkannt wird. Dieser Schule muß man sich auch in unserer Zeit zuwenden, um Schüler und Fortsetzer des Werkes von Giovanni Pierluigi aus Palestrina zu werden in Übereinstimmung mit der vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünschten liturgischen und musikalischen Erneuerung: „Die Kirchenmusik wird um so heiliger sein, je enger sie mit der liturgischen Handlung verbunden ist, sei es, daß sie das Gebet inniger zum Ausdruck bringt oder die Einmütigkeit fördert, sei es, daß sie die heiligen Riten mit größerer Feierlichkeit umgibt” (Sacrosanctum concilium, Nr. 112). Beute wie gestern müssen die Musiker, die Komponisten und die Sänger in den li-urgischen Chören, die Organisten und Orchesterspieler der Kirchenmusik die Notwendigkeit einer ernsthaften und gediegenen beruflichen Ausbildung beachten. Vor tllem müssen sie sich bewußt sein, daß alle ihre Schöpfungen und Interpretationen sich nicht der Forderung entziehen dürfen, inspirierte, korrekte und die ästhetische 433 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Würde achtende Werke zu sein, so daß sie zu anbetendem Gebet werden, wenn sie innerhalb der liturgischen Feier in Gesang und Ton das Geheimnis des Glaubens ausdrücken. Jeder Glaubende, dessen Hinwendung zu Gott in der Eucharistiefeier ihre Quelle und ihren Gipfel findet und der täglich aufgerufen ist, die im gemeinsamen Gottesdienst durch den heiligen Gesang aufgenommene Botschaft ins Leben zu übertragen, wird so mit Freude aus dem echten Dienst der sakralen Musik Nutzen ziehen können. Er wird auch in seinem Inneren das Lied wiederholen, das das Wort Gottes und den christlichen Glauben preist. Ich bin überzeugt, daß in der heutigen Zeit des Einsatzes für eine neue Evangelisierung und des Suchens nach neuen ästhetischen Richthnien für die gesamte sakrale Kunst die Jahrhundertfeier Palestrinas einen geeigneten und wertvollen Beitrag leisten wird. Bekanntlich hat die Kirche von Rom, dem Sitz des Nachfolgers Petri, seit alten Zeiten der für den Gottesdienst bestimmten Musik große Aufmerksamkeit und Hochachtung geschenkt. Sie hat nach und nach auch bedeutende ModeUe für den liturgischen Gesang vorgelegt, um auch den übrigen kirchlichen Gemeinschaften gültige Anregungen zu bieten. Diese einzigartige Überlieferung findet in der Geschichte dieses alten und berühmten Chores ihr sichtbarstes Zeugnis. Ich bin daher überzeugt, daß er in Treue zu dem Erbe, das ihm Palestrina hinterlassen hat, sich weiter mit neuem Eifer für die Förderung der Zierde des feierlichen liturgischen Gottesdienstes im Hauptgotteshaus der Christenheit einsetzt. Indem ich Ihnen, Monsignore, sowie den Mitgliedern des Chores meine lebhafte Wertschätzung ausspreche, wünsche ich zugleich, die Feierlichkeiten zum Jubiläum Palestrinas mögen eine passende Gelegenheit zur Ermunterung neuer künstlerischer und geistlicher Initiativen werden. Mit diesen Wünschen erteile ich gerne Ihnen, den Mitgliedern des Chores und denen, die in allen Kirchen in der sakralen Musik und beim liturgischen Dienst das Lob Gottes singen, einen besonderen Apostolischen Segen als Unterpfand dafür, daß der Herr ihr Bemühen um den Glanz des Gottesdienstes begleite und fruchtbar mache. Aus dem Vatikan, 2. Februar 1994 Joannes Paulus PP. II 434 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche in Lateinamerika braucht zahlreiche Berufungen Botschaft zum I. Lateinamerikanischen Kongreß über die Berufungen in Itaici-Saö Paulo, vom 2. Februar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, geliebte Priester, Ordensfrauen, Ordensmänner und Laien! In meiner diesjährigen Botschaft zum Weltgebetstag um geistliche Berufe habe ich die ganze Kirche an jenes kirchliche Ereignis erinnert, das zu begehen ihr euch nun anschickt: den Ersten Kongreß des lateinamerikanischen Kontinents über die Berufungen vom 23. bis 27. Mai in Itaici-Sa5 Paulo (Brasilien). Ich wollte es bewußt erwähnen wegen seiner Bedeutung, und auch damit die ganze kirchliche Gemeinschaft sich in Solidarität mit euch engagiert und euch mit ihrer geistlichen Nähe und ihrem inständigen Gebet - versammelt um Maria, die Mutter Jesu - begleitet. Dieser Kongreß in Lateinamerika ist der erste auf der Ebene eines Kontinents. Mit ihm wird eine Reihe eröffnet, die sich mit Gottes Hilfe auf den verschiedenen Kontinenten fortsetzen soll, wo die Kirche das Sakrament der Einheit und die Verkünderin der Botschaft Christi unter den Völkern ist. Ich habe das lebhafte Interesse sehr zu schätzen gewußt, mit dem ihr den Vorschlag des Hl. Stuhls angenommen habt, daß dieser Kongreß auf dem sogenannten Kontinent der Hoffnung verwirklicht werden sollte. Zeichen der Mitverantwortung und Zusammenarbeit Erst vor kurzem wurde des 5. Jahrhunderts seit der Ankunft des Evangeliums in der Neuen Welt gedacht. Im Zeichen dieses Datums haben die Hirten Lateinamerikas anläßlich ihres Zusammenseins bei der 4. Vollversammlung des lateinamerikanischen Episkopates in Santo Domingo, die unter dem Leitwort „Neuevangelisierung, menschlicher Fortschritt, christliche Kultur - Jesus Christus gestern, heute und immer” stand, kraftvoll und mit großer Hoffnung den Sendungsauftrag zu einem erneuerten Wirken für das Evangelium auf dem ganzen Kontinent übernommen. Dieser Kongreß nun fügt sich in eben diesen Kontext ein, weil es ja für die Erfüllung des Auftrages der Neuevangelisierung der Völker Lateinamerikas wesentlich ist, „eine kraftvolle Berufungspastoral durchzuführen” (Conclusiones, Santo Domingo, Sfr. 293; vgl. Nm. 79-82). Ich bin überzeugt, daß dieses kirchliche Treffen für euch und für die ganze Kirche jinen besonderen Segen von Christus, dem Herrn der Ernte, bedeuten wird, welcher tu einer großherzigen Antwort verpflichtet, die zur Förderung von zahlreichen und reiligmäßigen Berufungen zum Priestertum, zum geweihten Leben und zu den andern Formen der besonderen Weihe für den Dienst am Evangelium führt. 3s ist wohl angebracht hervorzuheben, daß auch dieser Kongreß einen beredten \usdruck der kirchlichen „communio” darstellt. Vom ersten Augenblick an wollte 435 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN er Zeichen der Mitverantwortung und der engen Zusammenarbeit zwischen dem Hl. Stuhl, dem latein-amerikanischen Bischofsrat (CELAM) und der lateinamerikanischen Vereinigung der Ordensleute (CLAR) sein. Mit dieser Botschaft möchte ich euch in eurem Bemühen um eine geschlossene Zusammenarbeit zugunsten der Beru-fungspastoral bestärken und euch gleichzeitig ermutigen, mittels geeigneter Initiativen die Mitarbeit der christlichen Familien und aller Gläubigen an diesem Werk von so großer Bedeutung für die Kirche auszubauen Die aktuelle Situation in Lateinamerika Ihr wißt sehr wohl, geliebte Brüder, daß Lateinamerika zur Zeit einen besonders wichtigen Augenblick seiner Geschichte erlebt. Euer Kontinent ist ein junger Erdteil, reich an Möglichkeiten, der jedoch großen Herausforderungen gegenübersteht, welche den entschiedenen Willen aller zu deren Bewältigung verlangen. Seine Völker sehnen sich sehr nach Freiheit, nach Stärkerei Anerkennung ihrer Würde und nach einer wachsenden Teilhabe auf dem Gebiet des gesellschaftspolitischen Lebens und innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft selbst. Ihr Gesicht, das von den Bischöfen in lebendigen und beredten Zügen geschilden wurde, vor allem in den Dokumenten von Puebla und Santo Domingo (vgl. Pue-bla, 31-37; Santo Domingo, 178) spiegelt die Herausforderungen und Probleme eines jeden wider, der sich mit aller Kraft einen Weg in die Zukunft öffnen will Aber im leidenden Gesicht eines jeden Menschen, wie schließlich im Gesicht vor ganz Lateinamerika, spiegelt sich auch das Licht der Hoffnung und die Sehnsuch nach besseren Zeiten. Die Kirche macht sich diesen langen Weg Amerikas zu eigen, während sie fortfährt die große Liebe Christi, des Erlösers des Menschen, des Retters der Welt, der in ihi gegenwärtig ist, zu verkünden und zu bezeugen. Die Hirten, die Ordensgemein schäften und die engagierten Laien begleiten sie mit Glauben und Hoffnung in der Pfarreien, den Schulen, den Krankenhäusern, den Missionen und in so vielen ande ren pastoralen Initiativen mitten unter den Armen und den Randgruppen, unter dei Jugendlichen und den Erwachsenen sowie den verschiedenen sozio-kulturellei Schichten der Bevölkerung (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 69). Die Sendung der Bo ten des Evangeliums besteht darin, die Hoffnung immer mehr mit dem Licht und de Kraft, die vom Herrn hervorgehen, zu verlebendigen, wobei sie von der Notwendig keit geleitet sind, die Hoffnung strahlen zu lassen in den „Zentren, in denen eim neue Menschheit entsteht” (Redemptoris missio, Nr. 37). Die Kirche ist sich der enormen Herausforderung bewußt, welche die gegenwärtig! Zeit für ihre Sendung bedeutet; sie weiß, daß sie trotz ihrer Schwachheit Hoffnungs trägerin für das neue Leben ist, nach dem das lateinamerikanische Volk sich sehn und das nur von Christus, dem Herrn des Lebens, kommen kann. Darum spürt si die dringende Notwendigkeit von mehr „Arbeitern für die Ernte” (vgl. Mt 9,38) Ordensmänner und -frauen, geweihte Mitglieder der Säkularinstitute und engagiert 436 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Laien, die ihre Energien und ihr ganzes Leben dafür hingeben, Baumeister und Zeichen der Hoffnung, die aus dem Evangelium kommt, zu sein. Mit Freude stellen wir fest, daß in den letzten Jahren aus den christlichen Familien, die zutiefst im Glauben verwurzelt sind, eine größere Zahl an Berufungen hervorgegangen ist. Die Diözesanseminare und die Ordensgemeinschaften haben - und das ist eine ermutigende Tatsache - einen Zuwachs der Zahl ihrer Mitglieder erlebt. Dank des Zeugnisses einer Kirche, die dient und die dem Volk nahe ist, hat der Herr Männer und Frauen hervorgehen lassen, die begierig danach sind, ihr ganzes Leben der Sache Christi zu weihen; und ausgehend von Gemeinschaften, welche die evangelischen Werte transparent machen, hat der Herr in sehr vielen jungen Menschen gar den Wunsch, ihm noch enger nachzufolgen, vermehrt. Wie sollten wir Gott nicht danken für diese tröstliche Tatsache! Gleichzeitig freilich sind zweifellos die pastoralen Bedürfnisse des Kontinents gewachsen, und die Zahl der Priester, Ordensfrauen, Ordensmänner und anderer Personen des geweihten Lebens, die in Lateinamerika arbeiten, erweist sich völlig unzureichend, um dem dringenden Verlangen nach pastoraler Aufmerksamkeit genügen zu können. Überraschenderweise kann man feststellen, daß sich der bedrängendste Priestermangel gerade in Lateinamerika bemerkbar macht, jenem Kontinent, der die höchste Prozentzahl an Katholiken im Vergleich zur Gesamtbevölkerung aufweist und der, absolut betrachtet, die höchste Katholikenzahl in der Welt besitzt. Es fehlen Arbeiter für das Evangelium an der Peripherie der großen Metropolen, in den ländlichen Gebieten, unter den Bewohnern der Anden und jenen in der unermeßlichen Weite der Wälder. Es fehlen Diener für die Frohbotschaft, die sich den Jugendlichen, den Familien, den Alten und Kranken, den Arbeitern, den Intellektuellen, den Baumeistern der Gesellschaft widmen, ebenso wie den Armen und an den Rand Gedrängten. Es ist eine höhere Zahl an Priestern und Ordensleuten in den Pfarreien, den apostolischen Bewegungen, den kirchlichen Basisgemeinschaften, den Schulen und Universitäten und auf so vielen anderen Gebieten notwendig, wie ich schon in der Enzyklika Redemptoris missio (vgl. Nr. 37) hervorgehoben habe. Anderseits fehlen im Blick auf die weiten Horizonte der weltweiten Sendung der Kirche auch Missionare und Missionsschwestem, die über die eigenen Grenzen hinausgehen, um bis an die Grenzen der Welt den „unerforschlichen Reichtum Christi” (Eph 3,8; vgl. Con-clusiones, Santo Domingo, 121-125) zu verkünden. Die Notwendigkeit einer gezielten Berufungspastoral Aus all diesen Gründen wird die Notwendigkeit einer erneuerten Berufungspastoral immer dringlicher, die in erster Linie als eine verpflichtende Dimension des Ge-samtpastoralplans konzipiert ist, gleichzeitig aber auch als spezifisches Feld für jene Aktivität, welche das Erwecken, die Bewertung und die Weiterentwicklung der Antwort auf eine Berufung derer begleitet, die der Herr in seine Nachfolge ruft. 437 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beim seelsorgerlichen Handeln darf nie vergessen werden, daß Erziehung zum Glauben auch heißt, den Dynamismus der Berufung, der dem christlichen Leben eignet, zu entwickeln. Christ zu sein, ist an sich schon eine Berufung, ein Anruf: die höchste Berufung, und so Quelle und Basis jeder spezifischen Nachfolge innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft. Deshalb ist es notwendig, schon von Kindheit an die Dimension der Berufung, die im Leben des Getauften gegeben ist, zu entfalten. Im Laufe seines gesamten Entwicklungsprozesses muß der Christ sein eigenes Hören immer mehr zu einem Hinhören auf die Stimme Gottes, der ihn ruft, werden lassen; er soll immer mehr das eigene Herz öffnen, um Gottes Einladung anzunehmen; er sollte immer besser den eigenen Willen bereit machen, die Wege des Herrn zu gehen, der ihm bei der Verkündigung seines Reiches vorangeht. Auf diese Weise werden das Kind und der Jugendliche schon vom Mutterschoß der christlichen Mütter an, getragen von der Wärme und der Beständigkeit des Gebets der gläubigen Familien, es lernen, ihr Leben als einen Aufruf zum Geben und zum Sich-Hingeben zu betrachten. „Die Be-rufungspastoral findet ihr erstes und natürliches Betätigungsfeld in der Familie”, habe ich in meiner diesjährigen Botschaft zum Weltgebetstag um geistliche Berufe gesagt. Ja wirklich, die Familie ist berufen, den Kindern die freudvolle Erfahrung der christlichen Berufung zu vermitteln und sich dadurch selbst darauf vorzubereiten, als besonders zu schätzendes Geschenk die Berufung eines ihrer Kinder zum priesterlichen Dienst oder zum geweihten Leben zu erhalten. Es besteht jedenfalls kein Zweifel, daß die bedeutsamste und günstigste Lebensphase, die Stimme des Herrn zu hören, zu bewerten und ihr zu folgen, die Jugendzeit ist, jenes Alter, in dem sich die menschliche Person mit höherer Großherzigkeit für die Horizonte einer Totalhingabe öffnet. Das Evangelium erzählt, wie Jesus bei der Vermehrung der Brote, um so den Hunger der Leute zu stillen, die Ihm gefolgt waren, der Großherzigkeit eines jungen Menschen bedurfte, der Ihm alles anbot, was er hatte: seine Brote und seine Fische (vgl. Joh 6,9); es erzählt auch, wie er in Galiläa Johannes und Andreas fasziniert hatte, die Ihm folgten und bei Ihm blieben (vgl. Joh 1,39). Werdet darum nicht müde, einer wirksamen Jugendpastoral neue Impulse zu geben, die reich ist an einem Leben gemäß dem Evangelium und Trägerin klarer Berufungsangebote: Vermittelt den jungen Menschen eine faszinierende Erfahrung dei Freundschaft mit dem Herrn, eine solide katechetische Ausbildung und ein verantwortungsvolles apostolisches Engagement. Die jungen Menschen von heute sind zui Großherzigkeit fähig und wissen mit einem großmütigen Ja dem Herrn, der sie ruft, zu antworten. Geeignete Maßnahmen Das Problem der Berufungen betrifft das Leben der Kirche selbst. Ohne eine ausreichende Zahl von „Arbeitern in der Ernte” wird sie den Auftrag Christi nicht ver- 438 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirklichen können - und dieser ist ja letztlich der Grund ihrer Existenz und ihrer Sendung in der Geschichte: „Geht also hin und lehrt alle Völker” (Mt 28,19). Und sie könnte auch nicht jeden Tag das eucharistische Opfer erneuern: „Tut dies ... zu meinem Gedächtnis” (I Kor 11,25; vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 1). Im Bewußtsein des drängenden Anrufs der gegenwärtigen Augenblicks ermutige ich euch, eure Hirtensorge in organische Programme und mutige Pastoralprojekte umzusetzen, die einen zusätzlichen Impuls und die Koordinierung dessen bewirken sollen, was in jeder Diözese und in jedem Land auf diesem Gebiet bereits geschieht. Man kann sich nur wünschen, daß der kontinentale Kongreß, den ihr abhaltet, einen neuen Anreiz darstellt, all das Positive noch zu mehren, das schon am Entstehen ist und Anlaß zu echter Hoffnung gibt. Ich möchte noch einige Elemente unterstreichen, die man sich bei den Projekten einer Berufungspastoral vor Augen halten sollte: - Die Berufungspastoral erfordert in erster Linie das Zeugnis eines authentischen Glaubens, freudiger Hoffnung und wirksamer Liebe. Sie erfordert kirchliche Gemeinschaften, die echte Kraftanstrengungen leisten, um eine brüderliche Gemeinschaft als Frucht der Teilnahme an der Eucharistie zu leben, die beständig sind im Gebet, ausdauernd im Hinhören auf das Wort Gottes und im Tun der Liebe. Das Zeugnis besitzt tatsächlich nach wie vor die überzeugendste Anziehungskraft, über die die Jünger Christi verfügen. - Des weiteren darf in den Diözesen, den Pfarreien und den Gemeinschaften des geweihten Lebens das häufige und ausdrückliche Gebet um Berufungen nicht fehlen. Fördert christliche Gemeinschaften, die beharrlich sind im Gebet, die sich bewußt sind, daß sie sich niemals selbst jene Berufungen schenken könnten, deren sie bedürfen, und die dämm folgerichtig immer bereit sind, sie anzunehmen, zu begleiten und zu unterstützen als ein echtes Geschenk, das von oben kommt. - Die Berufungspastoral setzt voraus, ja erfordert als notwendig, daß den Berufungen aufmerksam und konkret nachgegangen wird. Dies verlangt Personen, die unter spirituellem, theologischem und pädagogischem Gesichtspunkt vorbereitet sind und die sich diesem wichtigen kirchlichen Auftrag hingeben; dies erfordert auch verschiedene wirkungsvolle Räume für die Annahme und die Unterstützung; es braucht adäquate und organische Stufenpläne für eine christliche Formung, für die Bewertung und Begleitung von Berufungen; und es erfordert eine aufrichtige und loyale Zusammenarbeit unter den verschiedenen Verantwortlichen in der Berufungspastoral auf den unterschiedlichen Gebieten und den verschiedenen Ebenen der Kirche. Das sind, liebe Brüder, einige Überlegungen, die aus meinem Herzen als Hirte hervorkommen und die ich in die Hände Mariens legen möchte, der Mutter und Königin der Apostel, damit sie bei ihrem göttlichen Sohn Fürsprache einlege um einen guten Ausgang des Kongresses. Die Kirche in Lateinamerika braucht und erwartet auch zahlreiche und heiligmäßige Berufungen, die ihr ganzes Leben der Neuevangelisierung weihen. Von den zahlreichen Heiligtümern, die über eure Länder hin verstreut sind, von den kirchlichen 439 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaften und den christlichen Familien aus möge sich einstimmig das folgende Gebet erheben: Herr Jesus Christus, vom Vater gesandt und vom Heiligen Geist gesalbt, hast du deinen Jüngern die Verkündigung des Heils anvertraut, damit sie bis zum Ende der Zeiten an die Grenzen der Erde gelange. Erwecke in Lateinamerika einen neuen Frühling bei den Berufungen. Du kennst jeden beim Namen und du hast Worte des ewigen Lebens. Erneuere auf dem Kontinent der Hoffnung die Einladung, alles zu verlassen und dir zu folgen, damit viele junge Menschen sich dir weihen, im priesterlichen Dienst und im geweihten Leben, und sich vollkommen dem Dienst am Evangelium widmen. Du, der du deinen Freunden die Worte des Vaters anvertraust, sei du der einzige Herr und Meister aller, die du rufst. Gieße über den kirchlichen Gemeinschaften die Gaben deines Geistes aus, damit eine neue Generation von Aposteln allen Menschen deine Auferstehung verkünde und sie in deiner Kirche vereine. Erneuere in allen Getauften den dringlichen Aufruf zur Neuevangelisierung, damit sie Zeugen deiner Wahrheit und deines Lebens seien inmitten der Männer und Frauen unserer Zeit. Darum bitten wir dich auf die Fürsprache der Jungfrau Maria, des Urbilds der Ganzhingabe an deinen Dienst und der Mutter aller, die berufen sind, Apostel deines Reiches zu sein. Amen. Hierzu erteile ich meinen Apostolischen Segen. Vatikan, den 2. Februar 1994, am Fest der Darstellung des Herrn. Joannes Paulus PP. II Christus, Licht der Völker und Zeichen des Widerspruchs Predigt bei der Lichtmeßfeier mit den Ordensleuten in St. Peter am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 1. „Ihr Tore, hebt euch nach oben, hebt euch, ihr uralten Pforten; denn es kommt dei König der Herrlichkeit” (Ps 24,7). Mit diesen Psalmworten grüßt die Liturgie am heutigen Fest den in Betlehem geborenen Jesus, während er zum ersten Mal die Schwelle des Tempels von Jerusalerr überschreitet. Vierzig Tage nach seiner Geburt brachten Maria und Josef ihn in der Tempel, um das Gesetz von Mose zu erfüllen: „Jede männliche Erstgeburt soll den Herrn geweiht sein” (Lk 2,23; vgl. Ex 13,2.11). Der Evangelist Lukas betont, daß die Eltern Jesu das Gesetz des Herrn befolgten welches die Darstellung des Neugeborenen empfahl und die Reinigung der Mutte: vorschrieb. Aber das Wort Gottes will unsere Aufmerksamkeit nicht auf diese Ritei lenken, sondern auf das Geheimnis des Tempels, der heute den aufnimmt, den de Alte Bund verheißen und die Propheten erwartet haben. Für ihn war der Tempel be 440 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stimmt. Der Tag sollte kommen, wo er dort als „der Bote des Bundes” (vgl. Mal 3,1) eintrat und sich als „Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für sein Volk Israel” (Lk 2,32) offenbarte. 2. Das heutige Fest ist gleichsam eine große Vorwegnahme: Es nimmt Ostern vorweg. Denn in den liturgischen Texten und Zeichen erkennen wir beinahe in einer feierlichen messianischen Ankündigung das, was am Ende der Mission Jesu im Geheimnis seines Ostern geschehen sollte. Alle im Jerusalemer Tempel Anwesenden sind gleichsam unbewußte Zeugen der Vorwegnahme des Ostern des Neuen Bundes, das heißt eines Geschehens, das in dem geheimnisvollen Kind nunmehr nahe ist, eines Geschehens, das allem neue Bedeutung verleihen kann. Die Pforten des Heiligtums öffnen sich dem wunderbaren König, der „dazu bestimmt ist, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und daß er ein Zeichen sein wird, dem widersprochen wird” (vgl. Lk 2,34). In jenem Augenblick weist nichts auf seine Königsherrschaft hin. Das vierzig Tag alte Kind ist ein normales Kind, Sohn armer Eltern. Die engeren Freunde wissen, daß es in einem Stall bei Betlehem geboren ist. Sie erinnern sich an den Engelsgesang und den Besuch der Hirten, aber wie können sie, die Nächststehenden, ja sogar Maria und Josef denken, daß dieses Kind - gemäß den Worten des Briefes an die Hebräer - dazu bestimmt ist, sich der Nachkommen Abrahams anzunehmen und ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen (vgl. Hebr 2,16-17)? In Wirklichkeit ist die Darstellung dieses Kindes im Tempel als Erstgeborener einer der Familien Israels gerade dafür ein Zeichen; sie ist die Ankündigung aller Erfahrungen, Leiden und Prüfungen, denen er sich selbst unterziehen sollte, um der Menschheit zu Hilfe zu kommen, jenen Menschen, die das Leben sehr oft auf eine harte Probe stellt. Er, der barmherzige, einzige und ewige Priester des neuen und festen Bundes Gottes mit der Menschheit sollte das göttliche Erbarmen offenbaren. Er, der Verkünder des Vaters, der „die Welt so sehr gebebt” hat {Joh 3,16). Er, das Licht, das jeden Menschen erleuchtet in den aufeinanderfolgenden einzelnen Geschichtsperioden. Aber aus diesem Grund wird Christus auch in jeder Epoche „Zeichen des Widerspruchs” {Lk 2,34). Die, welche heute als junge Mutter ihn auf den Armen trägt, wird in einzigartiger Weise an seinem Leiden teilhaben: Die Seele der Jungfrau wird von einem Schwert durchdrungen, und ihr gemeinsames Leiden mit dem Erlöser wird dazu dienen, die die Gedanken vieler Menschen zu offenbaren (vgl. Lk 2,35). 3. Der Tempel von Jerusalem wird so Schauplatz des messianischen Geschehens. Nach der Nacht von Betlehem ist das hier die erste augenscheinliche Manifestation des Geheimnisses der göttlichen Weihnacht. Es ist eine Offenbarung, die aus dem tiefsten Innern des Alten Bundes kommt. Wer ist Simeon, dessen Worte, vom Heibgen Geist inspiriert, unter dem Tempelgewölbe von Jerusalem widerhaben? Er ist einer von denen, die mit unerschütterli- 441 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chem Glauben „auf die Rettung Israels” warteten (vgl. Lk 2,25). Simeon lebte in der Gewißheit, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe: eine vom Heiligen Geist stammende Gewißheit (vgl. ebd., V. 26). Und wer ist Hanna, die Tochter Penuels? Eine hochbetagte, im Evangelium als Prophetin bezeichnete Witwe, die sich ständig im Tempel aufhielt und Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten diente (vgl. ebd., V. 36-37). 4. Die Hauptfiguren, die an dem Geschehen teilnehmen, dessen heute gedacht wird, sind alle in einem großen Symbol zusammengefaßt: dem Symbol des Tempels, des von Salomon erbauten Tempels von Jerusalem, dessen Spitztürme allen Generationen Israels den Weg des Gebets weisen. Denn das Heiligtum ist die Krönung des Weges, den das Volk durch die Wüste ins verheißene Land zurücklegt, und drückt eine große Erwartung aus. Von dieser Erwartung spricht die ganze heutige Liturgie. Die Bestimmung des Tempels von Jerusalem erschöpft sich nicht darin, den Alten Bund zu verkörpern. Seine wahre Bedeutung war von Anfang an die Erwartung des Messias: Der von den Menschen zur Ehre Gottes erbaute Tempel sollte einem anderen Tempel Platz machen, den Gott selbst dort, in Jerusalem, errichtet hat. Heute kommt jener in den Tempel, der sagt, er werde seine Bestimmung erfüllen und ihn „wieder aufrichten”. Eines Tages, während er im Tempel lehrt, wird Jesus sagen, daß dieses von Menschenhänden errichtete Gebäude, das schon von den Invasoren zerstört und wiederaufgebaut worden war, von neuem zerstört würde, aber diese Zerstörung sollte den Beginn eines unzerstörbaren Tempels anzeigen. Nach seiner Auferstehung verstanden die Jünger, daß er mit dem „Tempel” seinen Leih gemeint hatte (vgl. Joh 2,20-21). 5. Meine Lieben, wir erleben heute also eine einzigartige Offenbarung des Geheimnisses des Tempels, der nur einer ist: Christus selbst. Ein Tempel ist aber jedei Mensch, der an seiner Heiligkeit teilhat. Denn das Heiligtum soll nicht so sehr den Gottesdienst als vielmehr der Heiligkeit dienen. Durch Christus ist jeder Mensch Mann oder Frau, berufen, ein lebendiger Tempel des Heiligen Geistes zu werden ein Tempel, wo wirklich Gott wohnt. Von einem solchen geistlichen Tempel spracl Jesus bei der Begegnung mit der samaritischen Frau, als er deutlich machte, wer die wahren Anbeter Gottes sind, und zwar jene, die ihn „im Geist und in der Wahrhei anbeten” (vgl. Joh 4,23-24). 6. Die Petersbasilika freut sich heute über eure Anwesenheit, liebe Brüder unc Schwestern, die ihr aus den verschiedensten Gemeinschaften kommt und die Wel der gottgeweihten Personen vertretet. Einem schönen Brauch zufolge bildet gerad< ihr die heilige Versammlung, wo Christus als „Licht der Völker” gefeiert wird. Ii euren Händen tragt ihr brennende Kerzen, in euren Herzen tragt ihr das Licht Chri sti, und im Geist seid ihr mit euren geweihten Brüdern und Schwestern in aller Wel vereint: Ihr seid der unersetzliche und unschätzbare Reichtum der Kirche. Die Geschichte des Christentums bestätigt die Bedeutung eures Ordensberufes: Mi euch ist vor allem die Verbreitung der Heilskraft des Evangeliums unter den Völ 442 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kern und Nationen durch die Jahrhunderte hindurch verbunden, in Europa und dann in der Neuen Welt, in Afrika und im Femen Osten. Daran wollen wir besonders in diesem Jahr denken, in dessen Verlauf die Versammlung der Bischofssynode stattfinden wird, die dem gottgeweihten Leben in der Kirche gewidmet ist. Wir müssen uns darauf besinnen, damit wir dem Herrn Ehre erweisen und dämm beten, daß eine so wichtige Berufung zusammen mit der familiären in unserer Zeit und auch im nahen dritten Jahrtausend nicht unterdrückt werde. 7. Zur heutigen Eucharistiefeier haben sich gottgeweihte Personen versammelt, die in Rom arbeiten, aber im Geist und im Herzen vereinen wir uns mit den in aber Welt verstreuten Mitgliedern der Ordensgemeinschaften, Kongregationen und Säkularinstitute, besonders mit jenen, die für Christus ein außerordentliches Zeugnis able-gen, das sie ungeheure Opfer kostet und manchmal das Martyrium nicht ausschließt. Mit besonderer Liebe denke ich an die Ordensmänner und -frauen in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, die Opfer eines unsinnigen Bruderkrieges sind. In euch, hebe Schwestern und hebe Brüder, sei Christus, das Licht der Welt, verherrlicht! Christus, das Zeichen des Widerspruchs in dieser Welt, sei verherrlicht! In ihm lebt der Mensch: In ihm gereicht jeder Mensch Gott zur Ehre, wie der heilige Irenäus lehrt (vgl. Adv. haer. 4, 20, 7). Ihr seid die „Epiphanie”, das Erscheinungsbild, dieser Wahrheit. Damm werdet ihr in der Kirche so sehr geliebt und verbreitet ihr in der Menschheit eine große Hoffnung. Wir bitten heute den Herrn ganz besonders, daß der evangelische Sauerteig eurer Berufung immer mehr Herzen von jungen Menschen erreiche und sie dränge, sich vorbehaltlos dem Dienst des Reiches Gottes zu weihen. 8. „Hebt euch, ihr uralten Pforten ...” Zusammen mit Maria und Josef pilgern wir heute im Geist zum Tempel von Jerusalem, der Stadt, die Gott dem Volk Israel gegeben hat und die im Laufe der Jahrhunderte Stadt der großen Begegnung wurde. Ahe, die der Nachkommenschaft Abrahams im Glauben angehören, finden dort einen gemeinsamen Bezugspunkt. Ahe wünschen, daß sie ein bedeutsames Friedens-Zentrum werde, damit - gemäß dem prophetischen Wort aus der Offenbarung - Gott alle Tränen von den Augen der Menschen abwische (vgl. Offb 21,4) und jene Mauer - seit Jahrhunderten Überrest des antiken Salomontempels - aufhöre, die „Klagemauer” zu sein und für die an den einen wahren Gott Glaubenden zum Ort des Friedens und der Versöhnung werde. Wir pilgern heute ganz besonders in diese Stadt, wir, die aus dem Geheimnis Christi die Inspiration für das ganze Leben geschöpft haben: ein dem Reich Gottes vorbehaltlos geweihtes Leben. Unser Pilgerweg gipfelt in der Gemeinschaft mit dem Leib und Blut, die der ewige Sohn Gottes selbst angenommen hat, als er Mensch wurde, um im Heisch seiner Menschheit als vollkommenes geistliches Opfer vor den Vater linzutreten und so den Bund zu vollenden, den Gott mit Abraham, unserm Vater im Glauben (vgl. Röm 4,16), geschlossen hat. 443 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Bischof von Rom schaut mit Liebe auf Jerusalem, von wo eines Tages Simon Petrus, gedrängt von der apostolischen Berufung, auszog und nach Rom kam: Das gleiche wie er tat auch der Apostel Paulus. Am Ausgang des zweiten Jahrtausends beugt der Nachfolger Petri die Knie an jenen Orten, die durch die Anwesenheit des lebendigen Gottes geheiligt sind. Durch die Welt pilgernd, durch Städte, Länder und Kontinente, bleibt er in Gemeinschaft mit dem göttlichen Licht, das in dem wahrhaft heiligen Land vor zweitausend Jahren entzündet wurde, um die Nationen und Völker der gesamten Welt zu erleuchten. Der sei. Giuseppe Marello und der Kreuzzug für die Katechese Ansprache an das Generalkapitel der Oblaten vom hl. Josef von Asti am 3. Februar Liebe Oblaten-Patres vom hl. Josef! 1. Mit Freude denke ich an den Aufenthalt in eurem Mutterhaus in Asti am vergangenen 25. September anläßlich meines Pastoralbesuchs in der dortigen Diözese zurück. Damals hatte ich Gelegenheit, am Grab von Msgr. Marello zu beten, den ich selbst am folgenden Tag im Laufe einer festliche Eucharistiefeier auf dem historischen Platz des „Palio” seliggesprochen habe. Jene Begegnung hat sich mir tief ins Herz geprägt, und ich freue mich, heute morgen mit den gleichen Gefühlen der Zuneigung und Anerkennung meinen herzlichen Gruß an euch alle richten zu können. Ich grüße euren Generaloberen und danke ihm für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich begrüße die Mitglieder des Kapitels und durch sie alle Oblaten vom hl. Josef, die selbstlos die von ihrem Gründer begonnene, verdienstvolle apostolische Tätigkeit weiterführen - wie er in vollkommener Treue zum Stellvertreter Christi und zum Apostolischen Stuhl. 2. Wir brauchen Heilige! Die Kirche und die Gesellschaft benötigen Heilige, heute ebenso wie im vorigen Jahrhundert, als euer Gründer lebte. Der selige Marello wai innerlich von der ständigen Sorge angetrieben, Christus treu nachzufolgen. Sein tägliches Bemühen galt der Verbreitung der Wahrheit des Evangeliums und der Heranbildung von konsequenten und mutigen Christen. Er hatte die Sendung, unter der Armen und Jugendlichen zu arbeiten, wie es die von ihm gegründete Kongregatior mit gleichem Enthusiasmus auch in Zukunft tun will. Erwartet ihr von diesem Generalkapitel etwa keinen neuen Impuls in Richtung auf die Neuevangelisierung? Liebe Oblaten vom hl. Josef, habt stets das Beispiel eures seligen Gründers vor Au gen! Er, der so sehr auf die stete Hilfe der göttlichen Vorsehung und auf den Schut; des Pflegevaters unseres Erlösers vertraute, steht mit der mitreißenden Kraft seine 444 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hingabe vor euch. Ihr sollt ganz dem Dienst der Kirche geweiht sein, so wie er entschlossen, euer Leben für sie und für das Wohl der Seelen hinzuschenken. 3. Das kurze, aber intensiv gelebte Dasein des Bischofs Marello läßt seine grundlegenden Orientierungen gut erkennen. Sein Leben war von drei Verpflichtungen gezeichnet: Hingabe in der Spendung des Bußsakraments und der geistlichen Leitung, Einsatz für die Katechese, Sorge um die Alten und Kranken. Als spiritueller Leiter im Seminar und im Dom und als Kanonikus der Kathedrale war er zu einem Bezugspunkt für die ganze Stadt Asti geworden, besonders durch seine ausdauernde Anwesenheit im Beichtstuhl. Seine Absicht war, daß sich die Oblaten hauptsächlich der Katechese - als Unterstützung der Pfarrer - widmen sollten. So könnte man sagen, daß die vomehmlichen Sorgen seines bischöflichen Dienstes gerade der Unterweisung im Glauben und der gründlichen, engmaschigen Evangelisierung galten, um die christlichen Gewissen zu erziehen, wahrhaft, entschlossen und bereit zu sein, den vielfältigen ideologischen Gefährdungen jener Zeit entgegenzutreten und sie zu überwinden. Zu diesem Zweck rief er zu einem „Kreuzzug der Katechese” auf und richtete 1894 zu diesem Thema an den Klerus und die Gläubigen einen Hirtenbrief, der bis heute seine Bedeutung und seinen Wert behalten hat. Mit der modernen Art seines Dienstes und Wortes verband sich vollkommene Rechtgläubigkeit in der Lehre, die er mutig und aufgeschlossen vorzutragen wußte. So sagte er: „Die Gesellschaft kann nur gerettet werden, wenn sie sich den Schätzen der Weisheit und des Lebens nähert, die in der Lehre des Katechismus enthalten sind. Er ist die Stimme dessen, der mit Macht und höchster Autorität lehrt und der allein Worte ewigen Lebens hat”. Liebe Brüder! Nehmt euch - wie er - die Verpflichtung der Katechese zu Herzen, vor allem bei der Jugend. Haltet fest an eurer Treue zur wahren Lehre; seid immer und eifrig besorgt, das Brot der christlichen Wahrheit für die Jugend zu brechen: in der Freizeitgestaltung, in der Schule, in den Gemeinden. Im übrigen mögen die gleiche Liebe wie die eures Gründers zu den Leidenden, den alten und kranken Menschen, seine Freundlichkeit und Herzlichkeit und sein tiefes Mitempfinden auch die Eigenschaften eures täglichen Lebens und eurer Ordensfamilie sein, nach dem Beispiel und unter dem himmlischen Schutz des hl. Josef, dem er euch geweiht hat. 1. Als er zum Bischof von Acqui ernannt wurde, zeichnete Msgr. Marello das Motiv su seinem Wappen: Über einem stürmischen Meer steht das Marienmonogramm md die Inschrift: „Ite para tutum”. VTit seinem beständigen Vertrauen zum Pflegevater Jesu verband Marello eine tiefe, ;ohn-gleiche Frömmigkeit zur Jungfrau und Mutter, auf deren mütterlichen Schutz :r baute. Der namhafte Dominikanertheologe P. Garrigou-Lagrange schrieb über hn: „Dieser Gründer der Oblaten vom hl. Josef war ein Lieblingssohn der heiligen ungfrau. In seinem Leben erkennt man, wie sich das bewahrheitet, was der hl. jrignion de Montfort über das Verhalten Marias gegenüber den Aus wählten sagt: >ie hebt sie, führt sie, schützt und verteidigt sie und tritt wirksam für sie ein ...”. 445 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Brüder, schaut auf Maria, den Stern der Evangelisierung! Als ergebener Sohn der Mutter des Erlösers zeigt der sei. Marello auch heute seinen Söhnen im Geiste den Weg, den sie gehen sollen, den Weg des demütigen und vertrauensvollen Sich-Überlassens in die Hände Gottes, um Werkzeuge für eine echte Erneuerung in der Kirche und in der Gesellschaft zu sein, angefangen bei den Familien. Anläßlich dieses Generalkapitels, das eine wichtige Etappe im Leben eures Instituts darstellt, fordere ich euch auf, euch selbst und die Pläne für euer Apostolat der himmlischen Mutter anzuvertrauen, wie es euer seliger Gründer stets getan hat. Maria begleite euch auf den Wegen eurer vielfältigen apostolischen Unternehmungen und führe euch zur Heiligkeit. Diese Wünsche begleite ich mit meinem Gebet, und von Herzen erteile ich euch den Apostolischen Segen, der auch eurer ganzen Ordensfamilie gilt. Schluß mit dem Krieg! Aufruf zum Frieden in den Balkanländem vom 5. Februar Ich möchte euch heute abend einladen, den Rosenkranz für den Frieden in Bosnien-Herzegowina zu beten. Mit tieftraurigem Herzen bin ich gezwungen, euch an das Massaker zu erinnern, da; sich heute in Sarajewo zugetragen hat. Verbrecherhände zerstören und morden sy stematisch weiter. Niemand und nichts kann solch verwerfliche Taten rechtfertigen. Ich bitte inständi« die Urheber so menschenunwürdiger Taten, diesen Verbrechen ein Ende zu setzen Sie werden diese vor Gott verantworten müssen. Ich beschwöre die verantwortlichen Politiker auf nationaler und internationale Ebene: Versucht alles, auch um den Preis schwerster Opfer, damit man sofort da Einstellen des Feuers erreicht. Die Balkanländer stürzen in den Abgrund. Europa kann es nicht zulassen und nich Zusehen, wie ganze Völker ihrer grundlegenden Güter beraubt, die Städte zerstör und ihre Kinder vernichtet werden. Schluß mit dem Krieg! Vernunft und Brüderlichkeit müssen siegen! Das ist geboter wenn wir vermeiden wollen, daß der Waffenlärm alle anderen Stimmen abwürgt! Richten wir unsere Bitte durch die Fürsprache der Jungfrau Maria an den Allei höchsten, damit er den von unsäglichen Leiden niedergedrückten Völkern neu Wege zur Versöhnung und zum Frieden eröffne! 446 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Europa durch Krieg tief verunsichert Ansprache an die Mitglieder des „Nato Defense College” am 7. Februar Meine Damen und Herren! Von neuem hat das „Nato Defense College” eine Gruppe des militärischen und diplomatischen Personals versammelt, und dieser Umstand bietet uns Gelegenheit für dieses kurze, aber bedeutsame Treffen. Während ich Sie im Vatikan willkommen heiße, möchte ich denken, daß jeder von euch ein treuer Diener der Sache des Friedens ist. Frieden ist ein Wort und ein Wunsch, die jedem am Herzen liegen. Oder wenigstens sollte er es tun, denn er ist ein wesentliches Gut, von dem das Wohl des Einzelnen und der Fortschritt der Gesellschaft und Zivilisation abhängen. Aber wenn wir uns umschauen, können wir nicht umhin, zu erschrecken angesichts des Schauspiels so vieler Gewalt mit dementsprechend schwerer Verantwortung, die auf denen lastet, die ganze Völker in grausame und entmenschlichende Kriege geführt haben. In vielen Fällen, vor allem in der ehemaligen Republik Jugoslawien, erfahren wir, daß die unbeschreiblichen Schreckenstaten, die täglich an unschuldigen Menschen verübt werden, das unausweichliche Ergebnis von langanhaltender ethnischer Feindschaft und Haß sind, von Haß einer Gruppe gegen die andere. Aber das kann nicht alles erklären. Krieg ist nicht unvermeidlich: Er ist das Ergebnis einer Reihe konkreter politischer Entscheidungen. Jemand fällt irgendwo die Entscheidungen, die schreckliche Folgen von Tod, Verletzungen, Zerstörung und Leid mit sich bringen. Der Aufruhr und blutige Konflikt, die Europa erschüttern, haben es tief verunsichert. Europa muß sich darauf nesinnen, daß sein Schicksal nicht von strategischen oder wirtschaftlichen Interessen allein abhängt. Es muß vor allem seine Seele wiederfinden, um in seinem bürgerlichen, moralischen und geistlichen Leben erneuert zu werden. Die ständigen Appelle des Hl. Stuhls und die der anderen Religionsführer und Manier und Frauen guten Willens sind an die Gewissen jener gerichtet, die etwas tun rönnen, um den Lauf der Dinge zu ändern. Bis jetzt wurde die Hoffnung nicht er-üllt. Venn alle menschlichen Mittel zu scheitern scheinen, wenden sich die Gläubigen an 3ott, der allein - nach den Worten des Propheten Ezechiel - „die Herzen von Stein vegnehmen und sie mit Herzen von Heisch ersetzen kann” (vgl. Ez 11,19). Das rbitte ich für euch und für alle, die der Sache des Friedens dienen: Daß Ihre Herzen mmer von der hohen Achtung vor dem einzigartigen Wert und der Würde jedes denschen beherrscht werden und daß Ihre Berufsausbildung und -fähigkeiten dazu Jenen, die Rechte aller, besonders der Opfer von Ungerechtigkeit und Gewalt, zu chützen und hochzuhalten. lott segne Sie und Ihre Lieben überreich in diesem internationalen Jahr der Familie, ein Schutz sei über den Ländern, die Sie vertreten. 447 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Würde der Person, Einheit der Familie, Achtung vor dem Leben sind Grundwerte der Gesellschaft Ansprache an die Teilnehmer am Studienseminar über die Probleme der Familie und Bioethik am 10. Februar Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Bei Gelegenheit des Studienseminars über die Familienpastoral und die Bioethik, einer dreiwöchigen Begegnung zur Vertiefung und zum Erfahrungsaustausch, wolltet ihr dem Nachfolger des Petrus begegnen, um ihm eure Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe Christi zu bezeugen. Ich bin euch sehr dankbar für diese schöne Geste und richte an jeden mein herzliches Willkommen. Ein besonderes Wort des Dankes gilt dem heben Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, der mir zusammenfassend den Verlauf eurer Arbeiten geschildert hat. Ich weiß, daß einige unter euch Hirten weit ausgedehnter Diözesen sind, und icl kann mir vorstellen, daß es vielleicht schwierig für sie war, ihren Sitz zu verlassen, um sich gänzlich einem Angebot zum Aggiomamento und zur ständigen Weiterbildung zu widmen. Doch welcher Bischof kann seine Diözese verlassen, ohne Probleme und Unbehagen zu schaffen? Um so schätzenswerter ist daher die von eucl gezeigte Bereitschaft, diese Gelegenheit zu lehrmäßiger Vertiefung sehr aktuellei Themen nicht zu versäumen. Ich freue mich über die Initiative des Päpstlichen Rates für die Familie, die euch al len eine kostbare Gelegenheit zum Studium, Nachdenken und brüderlichen Aus tausch geboten hat. Sie ist, wie wir gehört haben, von einer intensiven Tätigkeit ge kennzeichnet und erstreckt sich über einen beachthchen Zeitraum, und alle sind seh befriedigt darüber, weil sie pastoral und persönlich von großem Vorteil ist. Icl danke allen, die bei der Durchführung der Tagung mitgewirkt haben, zumal de] Fachleuten des Institutes für Studien über Ehe und Familie sowie des Bioethik-Insti tutes der Katholischen Universität. Besonders herzlich begrüße ich die Bischöfe Osteuropas, für die der Kurs die erst Gelegenheit zu einer längeren pastoralen Aussprache mit Bischöfen anderer Konti nente über diese Themen von drängender Aktualität bietet, die für ihre Kirchen zur Teil neu sind. 2. Die Bischöfe stehen heute oft vor zahlreichen und verschiedenen Aufgaben, un sie finden nicht immer Zeit, mit der nötigen Ruhe und Gründlichkeit komplexe un neue Themen zu studieren wie die, mit denen ihr euch in diesen Tagen auseinandei gesetzt habt. Es war daher eine Gnade des Herrn, daß ihr diese Gelegenheit b< kommen habt und nun in eure Diözesen zurückkehren könnt, um die Pastoral d< Familie und der Verteidigung des menschlichen Lebens mit neuem Eifer und grüne licher Kenntnis zu verstärken und zu vervollkommnen. 448 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese eure Teilnahme wird gewiß weitere analoge Initiativen zur Veranstaltung von Studienkursen für Bischöfe und die verschiedenen Pastoralarbeiter anregen mit dem Ziel, eine solide Arbeit zur Unterstützung der Familie zu leisten und die Kultur des Lebens zu stärken, damit sie jene Kultur des Todes überwindet, deren Zeichen sich in verschiedenen Bereichen der heutigen Gesellschaft zeigen. Ich werde nicht müde werden, als Antwort auf die gegebenen Herausforderungen die Schaffung von Instituten zur Vorbereitung der in der Pastoral für diese grundlegenden Bereiche des kirchlichen Lebens Verantwortlichen zu empfehlen. Heute wird mehr denn je eine ernsthafte und solide Ausbildung für diese Ziele unerläßlich. Eure Beteiligung am Kurs bezeugt euer pastorales Interesse und bildet für viele ein anregendes Beispiel. 3. Die zuverlässige Einheit von theologischen und pastoralen Kriterien in der Sicht der unerläßlichen Weisung des Lehramtes der Kirche, unterstützt vom Beitrag der humanen und biologischen Wissenschaften, bildet eine gültige Grundlage für den pastoralen Dienst auf dem spezifischen Gebiet, mit dem ihr euch in diesen Tagen beschäftigt habt. Die Kirche ist aufgerufen, das „Evangelium der Familie” als der in der Ehe begründeten Gemeinschaft der Liebe und des Lebens zu verkünden und die Würde der echten und verantwortlichen Liebe darzulegen und zu verteidigen. Die Gesellschaften sind dabei, immer besser zu begreifen, wie notwendig es ist, die Bedeutung des Institutes Familie und die Tiefe der kirchlichen Lehre zur Verteidigung der Wahrheit über den Menschen, der geachtet, geliebt und unterstützt werden möchte, anzuerkennen. Die Kirche ist sich nämlich dessen bewußt, daß sie mit der Förderung von Ehe und Familie sowie mit der Verteidigung des sakralen Charakters des Lebens zum Wohl ier Gesellschaft in echtester, lauterster und selbstlosester Weise beiträgt. Die Gesellschaft kann nicht in Frieden und Wohlstand leben, sie kann auch keinen ichten Fortschritt erreichen ohne Wahrung der Würde der Person, der Einheit der Familie und der Achtung vor dem menschlichen Leben. Über diese Wahrheit, die zugleich elementar, der Kultur entsprechend und politisch ist, geben sich die auf-nerksamsten und weitblickendsten öffentlichen Autoritäten in wachsendem Maß lechenschaft. 1. In diesem Geist wollte ich mein unmittelbares und gleichsam vertrauliches Wort m die Familien selbst richten in einem Brief, der bald veröffentlicht wird. Die Wahrheit des Evangeliums, an die ich in diesem Brief erinnern wollte, soll das jewissen der Gläubigen stärken, doch die in ihm angesprochenen Werte sind für Ile Familien und auch für die Gesellschaft wesentlich und lebenswichtig. Das Jahr der Familie hat also die günstige Gelegenheit geboten, diese Initiative urchzuführen, die nützlicherweise auch für die Bischöfe anderer Bischofskonferen-en und Kontinente wiederholt werden könnte, um in den Ortskirchen dauerhafte iüchte zu bringen. 449 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In dieser Hoffnung spreche ich euch allen meine herzlichen Wünsche aus und rufe auf euch den ständigen Beistand des Herrn herab in Erinnerung an die Heilige Familie, über deren Beispiel ihr beim Besuch des Heiligtums von Loreto nachgedacht habt. Euch allen gilt mein Segen. Motu Proprio Apostolisches Schreiben zur Errichtung der Päpstlichen Akademie für das Leben vom 11. Februar 1. Das Geheimnis des Lebens, zumal des menschlichen Lebens, zieht in wachsendem Maße die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler an, angeregt von den außergewöhnlichen Möglichkeiten der Forschung, die der Fortschritt von Wissenschaft und Technik ihren Untersuchungen heute bietet. Die neue Situation öffnet auf der einer Seite faszinierende Aussichten zu Eingriffen an den Quellen des Lebens selbst, sie stellt aber zugleich vielfältige und bisher unbekannte Fragen moralischer Ordnung die der Mensch nicht mißachten darf, ohne Gefahr zu laufen, vielleicht nicht wiedei gutzumachende Schritte zu tun. Dessen bewußt, möchte die Kirche, die kraft des Auftrags Christi gehalten ist, das Gewissen der Menschen über die aus der menschlichen Natur sich ergebenden moralischen Forderungen zu erhellen, „nach Kenntnisnahme der Daten der Forschung und Technik, ihrem vom Evangelium kommen den Auftrag und ihrer apostolischen Pflicht gemäß die Morallehre vorlegen, die de Würde der Person und ihrer ganzheitlichen Berufung entspricht” (Kongregation fü die Glaubenslehre, Instruktion Donum vitae, Nr. 1). Diese Aufgabe ist zumal in un serer Zeit dringend, wenn man bedenkt, daß „in der hebevollen und hochherzige] Annahme jeden menschlichen Lebens, vor allem des schwachen oder kranken, dii Kirche heute einen besonders entscheidenden Zeitpunkt ihrer Sendung erlebt, di um so notwendiger ist, als eine Kultur des Todes mehr und mehr beherrschen! wird” (Apostolisches Schreiben Christifideles laici, Nr. 38). 2. Die Präsenz der Kirche auf dem Gebiet der Gesundheit reicht viele Jahrhundert zurück, und sie hat nicht selten das Eingreifen des Staates vorweggenommen. Durc ihre helfende Fürsorge und ihre pastorale Tätigkeit verkündet sie auch heute noc das „Evangelium des Lebens” in den veränderlichen geschichtlichen und kulturelle Situationen, und sie bedient sich dabei einer Pädagogik, die der Wahrheit des Evar geliums treu bleibt und zugleich die „Zeichen der Zeit” beachtet. Sie stellt zumal ii Gesundheitswesen das Bedürfnis fest, jede mögliche Kenntnis im Dienst ai menschlichen Leben zu vertiefen, damit dort, wo die Technik keine erschöpfende Antworten zu geben vermag, sich „das Gesetz der Liebe” äußern kann. Es ist ei Gesetz, das ihre gesamte missionarische Tätigkeit anregt und sie veranlaßt, die Bo schaft Christi, der gekommen ist, das Leben zu schenken und es in Fülle zu schei ken (vgl. Joh 10,10), immer lebendig und aktuell zum Ausdruck zu bringen. 450 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Als ich am 11. Februar 1985 die Päpstliche Kommission, den heutigen Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst, einrichtete, nannte ich unter ihren Zielen: „Erläuterung, Verteidigung und Verbreitung der kirchlichen Lehraussagen zum Gesundheitswesen sowie Förderung ihrer praktischen Anwendung durch die im Gesundheitswesen Tätigen” (Motu proprio Dolentium hominum, Nr. 6). Diese Zielsetzung wurde durch die Apostolische Konstitution Pastor bonus (Art. 153, Par. 3-4) für das Dikasterium bekräftigt. Das erfordert freilich, daß alle im Gesundheitswesen Tätigen angemessen in der Moral und den Problemen der Bioethik geschult sind (vgl. Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa, 1991, Erklärung, Nr. 10), damit deutlich wird, daß Wissenschaft und Technik, die im Dienst der Person des Menschen und ihrer grundlegenden Rechte stehen, zum integralen Wohl des Menschen und zur Verwirklichung des göttlichen Heilsplans beitragen (vgl. Pasto-ralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 35). 4. Um dieses Ziel zu erreichen und in Antwort auf viele Hinweise der Hauptverantwortlichen für die Gesundheitspastoral sowie in dem Bewußtsein, daß die Kirche sich im Dienst des Lebens unbedingt mit der Wissenschaft treffen muß (vgl. n. Ökumenisches Vatikanisches Konzil, Botschaft an die Intellektuellen und Wissenschaftler vom 8. Dezember 1965), errichte ich mit diesem Motu proprio die Päpstliche Akademie für das Leben, die nach den Statuten autonom ist. Sie steht aber in Verbindung mit dem Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst und arbeitet eng mit ihm zusammen. Sie hat die besondere Aufgabe, die Hauptprobleme der Biomedizin und des Rechtes hinsichtlich der Förderung und des Schutzes des Lebens zu studieren, darüber zu informieren und für entsprechende Schulung zu sorgen, vor allem in der direkten Beziehung, die diese Probleme zur christlichen Moral und den Weisungen des Lehramtes der Kirche haben. 5. Die Päpstüche Akademie für das Leben hat ihren Sitz im Vatikan, und an ihrer spitze steht ein von mir ernannter Präsident, dem ein Rat und ein kirchlicher Berater ^ur Seite stehen. Es steht dem Präsidenten der Päpstlichen Akademie zu, ihre Ver-;ammlung einzuberufen, ihre Tätigkeit anzuregen, ihr Jahresprogramm zu billigen md ihre Verwaltung nach der Norm ihrer eigenen Statuten zu überwachen, die der Billigung des Apostolischen Stuhles zu unterbreiten sind. Die Mitglieder der Akademie werden von mir ernannt und vertreten die verschiede-len Zweige der biomedizinischen Wissenschaften sowie der Wissenschaften, die nger mit der Förderung und Verteidigung des Lebens verbunden sind. Es sind fer-ler korrespondierende Mitglieder vorgesehen. '. Indem ich den götthchen Beistand auf die Tätigkeit der neuen Akademie herab-ufe, deren Arbeiten ich gewiß mit lebhaftem Interesse verfolgen werde, erteüe ich em all ihren Mitgliedern und Mitarbeitern sowie allen, die sich für ein möglichst Utes Gelingen dieser Initiative einsetzen, einen besonderen Apostolischen Segen. ms dem Vatikan, 11. Februar 1994 oannes Paulus PP. II 451 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heilbringendes Leiden - zum christlichen Leidensverständnis Botschaft zum II. Welttag des Kranken 1994 am 11. Februar (vom 8. Dezember 1993) 1. Euch, geliebte Brüder und Schwestern, die ihr an eurem Körper und an eurem Geist die Zeichen des menschlichen Leidens tragt, spreche ich mit Liebe meine Zuneigung aus anläßlich des Welttages der Kranken. Besonders grüße ich euch Kranke, die ihr die Gnade des Glaubens an Christus habt, den Sohn des lebendigen Gottes, Mensch geworden im Schoß der Jungfrau Maria. In ihm, der mit allen Leidenden innig verbunden ist, der zum Heil der Menschen gekreuzigt wurde und auferstanden ist, findet ihr die Kraft, euer Leiden zu ertragen als „heilbringendes Leiden”. Ich möchte jedem einzelnen von euch an jedem Ort der Erde begegnen können, urr euch im Namen des Herrn Jesus, der „Gutes tat und alle heilte”, die krank warer (Apg 10,38), zu segnen. Ich möchte bei euch sein, um eure Leiden zu lindem, uir euren Mut zu stärken, um eure Hoffnung zu stillen, damit ein jeder aus sich selbsi ein Geschenk der Liebe zu Christus, zum Wohl der Kirche und der Welt macher kann. Wie Maria unter dem Kreuz (vgl. Joh 19,25) möchte ich am Leidensweg so viele Brüder und Schwestern stehen, die in diesem Augenblick unter Bürgerkriegen lei den, die in Krankenhäusern dahinsiechen oder die um ihre Lieben kämpfen, welche Opfer der Gewalt geworden sind. Die Hauptfeierlichkeiten des diesjährigen Weltta ges werden im Marienheiligtum von Tschenstochau begangen, um durch die mütter liehe Fürsprache der allerseligsten Jungfrau die göttliche Gabe des Friedens um zugleich auch geistige und körperliche Stärkung der Kranken und Leidenden zu er bitten, die in Stille ihre Opfer der Königin des Friedens darbringen. 2. Aus Anlaß des Welttages des Kranken möchte ich die Aufmerksamkeit der Kran ken, der Mitarbeiter im Gesundheitswesen, der Christen und aller Menschen gute: Willens auf das Thema des „heilbringenden Leidens” lenken. Das heißt, auf de christlichen Sinn des Leidens, über den ich im Apostolischen Schreiben Salvific doloris geschrieben habe, welches am 11. Februar vor zehn Jahren erschienen ist. Wie kann man überhaupt vom heilbringenden Leiden sprechen? Ist das Leiden nicl vielleicht ein Hindernis zum Glück und ein Gmnd, sich von Gott abzuwenden Ohne Zweifel gibt es Drangsale, die aus menschlicher Sicht ohne irgendeinen Sin erscheinen. In Wirklichkeit aber hat der Herr Jesus, das fleischgewordene Wort, gesagt: „Seli die Trauernden” (Mt 5,4) und es gibt eine höhere Sicht, nämlich die Sicht Gotte: die alle zum Leben ruft und, selbst durch Leiden und Tod hindurch, zu seinem ew gen Reich der Liebe und des Friedens. 452 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glücklich derjenige, der es vollbringt, das Licht Gottes in der Armut eines leidenden oder behinderten Lebens leuchten zu lassen! 3. Um im Leiden dieses Licht zum Leuchten zu bringen, müssen wir vor allem das Wort Gottes hören, das in der Heiligen Schrift niedergeschrieben ist, die man auch als „ein großes Buch über das Leiden” (Salvifici doloris, Nr. 6) bezeichnen kann. In der Tat, wir finden in ihr „eine lange Reihe von Situationen, die für den Menschen auf verschiedene Weise schmerzlich sind” (ebd., Nr. 7), die vielfache Erfahrung des Übels, die unvermeidbar die Frage „warum?” (ebd., Nr. 9) hervorruft. Diese Frage hat im Buch Ijob ihren Ausdruck in viel dramatischerer Weise gefunden und zugleich auch teilweise eine Antwort. Der Lebensweg dieses gerechten Menschen, der auf alle mögliche Weise trotz seiner Unschuld geprüft wurde, zeigt, daß „es doch nicht wahr ist, daß jedes Leiden Folge von Schuld sei und den Charakter von Strafe habe” (ebd., Nr. 11). Die volle und endgültige Antwort auf Ijob ist Christus. „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf’ (Gaudium et spes, Nr. 22). In Christus ist auch das Leiden in das Geheimnis der unendlichen Liebe hineingenommen, welche vom Dreifältigen Gott ausstrahlt und somit das Leiden Ausdruck der Liebe und Mittel der Erlösung werden läßt, eben heilbringendes Leiden. Es ist in der Tat der Vater, der die totale Hingabe des Sohnes auserwählt hat, als Weg zur Wiederherstellung des seit der Sünde zerfallenen Bundes mit den Menschen: „Gott hat die Welt so sehr gebebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat” (Job 3,16). Es ist der Sohn, der „dem eigenen Leiden entgegengeht im vollen Bewußtsein seiner erlösenden Macht, der im Gehorsam gegenüber dem Vater geht, aber vor allem, der mit dem Vater verbunden ist in dieser Liebe, mit der er die Welt und den Menschen in der Welt gebebt hat” (Salvifici doloris, Nr. 16). Es ist der Heilige Geist, der durch den Mund des Propheten die Leiden voraussagt, die Christus freiwihig auf sich nimmt für die Menschen und, in gewisser Weise, an Stelle der Menschen: „Er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen ... Der Herr lud auf Ihn die Schuld von uns allen” (Jes 53,4-6). 4. Bewundern wir, Brüder und Schwestern, die Vorsehung der göttbchen Weisheit! Christus „hat sich der Welt des menschlichen Leidens genähert, da er selbst dieses Leiden auf sich genommen hat” (Salvifici doloris, Nr. 16): Er ist uns in allem gleich geworden außer der Sünde (vgl. Hebr 4,15; 1 Petr 2,22), er hat unsere menschbche Natur mit allen ihren Begrenzungen angenommen bis zum Tod (vgl. Phil 2,7-8), er hat sein Leben für uns hingegeben (vgl. Joh 10,17; 1 Joh 3,16), damit wir das Leben haben, das neue Leben des Geistes (vgl. Röm 6,4; 8,9-11). Manchmal geschieht es, daß durch das Gewicht eines plötzbchen und unerträglichen Leidens jemand einen Vorwurf gegen Gott richtet und ihn der Ungerechtigkeit be- 453 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zichtigt; aber die Klage erstirbt auf den Lippen derer, die den Gekreuzigten betrachten, der „freiwillig” und „unschuldig” (Salvifici doloris, Nr. 18) leidet. Einen Gott, der sich mit dem menschlichen Leiden verbindet, kann man nicht mehr anklagen! 5. Die vollkommene Offenbarung des Heilswertes des Leidens ist die Passion des Herrn: „Im Kreuz Christi hat sich nicht nur die Erlösung durch das Leiden erfüllt, sondern das menschliche Leiden selbst ist dabei zugleich erlöst worden” (ebd. Nr. 19). Christus hat „sein Leiden dem Menschen geöffnet”, und der Mensch findet in ihm seine eigenen Leiden wieder, die „bereichert durch einen neuen Inhalt und eine neue Bedeutung” {ebd., Nr. 20) sind. Die Vernunft, die schon den Unterschied zwischen Leiden und Übel erkennt, versteht, erleuchtet durch den Glauben, daß alles Leiden durch die Gnade eine Fortführung des Geheimnisses der Erlösung werden kann, auch wenn sie bereits in Christus vollkommen ist, jedoch „ständig offen bleibt für jede Liebe, die in menschlichem Leiden ihren Ausdruck findet” {ebd., Nr. 24). Alle Widerwärtigkeiten des Lebens können Zeichen und Vorausdeutungen der zukünftigen Herrlichkeit sein. „Statt dessen freut euch, daß ihr Anteil an den Leiden Christi habt in dem Maße, in dem ihr teilnehmt an den Leiden Christi”, so ermahnt der erste Petrusbrief, „denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln” {1 Petr 4,13). 6. Ihr wißt aus Erfahrung, liebe Kranke, daß in eurer Situation das Beispiel viel wichtiger ist als Worte. Ja, wir brauchen alle Vorbilder, damit diese uns helfen, den Weg der Heiligung des Leidens zu gehen. An diesem Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes schauen wir auf zu Maria wie zu einer lebendigen Ikone des Evangeliums des Leidens. Durchstreift mit dem Geist die Abschnitte ihres Lebens. Findet Maria in der Armut des Hauses von Nazaret, in der Erniedrigung des Stalles von Bethlehem, in den Strapazen der Flucht nach Ägypten, in der Ermüdung der demütigen und gesegneten Arbeit mit Jesus und mit Joseph. Trotzdem erfuhr Maria die Prophezeiung des Simeon, die die Teilhabe der Mutter an den Leiden des Sohnes {Lk 2,34) voraussagte, in tiefer Weise als eine geheimnisvolle Vorbedeutung des Leidens. Zusammen mit dem Sohn begann auch sie, sich auf das Kreuz hin auszurichten. Tatsächlich „erreichte das Leiden Marias dann auf dem Kalvarienberg, vereint mit dem Leiden Jesu, einen Höhepunkt, wie er schon vom rein menschlichen Standpunkt aus in seiner Größe nur sehr schwer vorstellbar ist, der aber auf geheimnisvolle und übematürhche Weise ganz gewiß fruchtbai würde für das Heil der Welt” {Salvifici doloris, Nr. 25). Die Mutter Jesu wurde von der Sünde bewahrt, aber nicht vom Leiden. Deshalt identifiziert sich das christliche Volk mit der Figur der schmerzhaften Jungfrau, die im Leiden die eigenen Leiden birgt. Indem er sie betrachtet, tritt jeder Gläubige immer tiefer in das Geheimnis Christi und seines Leidens ein. 454 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Versuchen wir, mit dem unbefleckten Herzen der Mutter Jesu, in dem sich in einzigartiger und unvergleichlicher Weise das Leiden des Sohnes zum Heil der Welt widerspiegelt, in Gemeinschaft zu treten. Nehmen wir Maria, die der sterbende Christus seinen Jüngern zur geistigen Mutter gegeben hat, auf, und vertrauen wir uns ihr an, um Gott treu zu sein auf dem Weg von der Taufe bis zur Herrlichkeit. 7. Ich wende mich nun an euch, Mitarbeiter im Gesundheitswesen, Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger, Priester und Ordensschwestern, technische und Verwaltungsangestellte, Sozialhelfer und Freiwillige. Wie der gute Samariter steht den Kranken und Leidenden zur Seite, und seid ihnen zu Diensten, respektiert in ihnen vor allem und immer die Würde der Person und, aus der Sicht des Glaubens, erkennt in ihnen die Gegenwart des leidenden Jesus. Bewahrt euch vor der Gleichgültigkeit, die aus der Gewohnheit entspringen kann; erneuert tagtäglich die Bereitschaft, Brüder und Schwestern für alle ohne irgendeine Ausnahme zu sein. Zum unentbehrlichen Beitrag eures Berufsstandes, zusammen mit den geeigneten Strukturen, fügt „das Herz” hinzu, das einzig es fertigbringt, diese menschlicher werden zu lassen (Salvifici doloris, Nr. 29). 8. Zum Schluß wende ich mich an euch, Verantwortliche der Nationen, damit ihr die Gesundheit als Problem auf Weltebene in bevorzugter Weise betrachtet. Es gehört zu den Zielen des Welttages des Kranken, eine weitgehende Sensibilisierung für die schwierigen und unumgänglichen Probleme, die das Gesundheitswesen und die Gesundheit betreffen, ins Werk zu setzen. Etwa zwei Drittel der Menschheit entbehren noch der notwendigen gesundheitlichen Versorgung, während die Mittel, die in diesem Feld eingesetzt werden, oft viel zu unzureichend sind. Das Programm der Weltgesundheitsorganisation (Gesundheit für alle im Jahr 2000), das als ein Trugbild erscheinen könnte, ermutigt vielmehr zu einer aktiven Solidarität. Die außergewöhnlichen Fortschritte der Wissenschaft und der Technik, der Ausbau der Massenkommunikationsmittel tragen dazu bei, diese Hoffnung immer mehr auszubauen. 9. Geliebte Kranke, widersteht, gestärkt durch den Glauben, dem Bösen in all seinen Formen, ohne entmutigt zu werden und ohne dem Pessimismus zu verfallen. Ergreift die Möglichkeit, die euch Christus gibt, eure Situation zu verändern, als Ausdruck der Gnade und der Liebe. So wird auch euer Leiden heilbringend werden und wird die leiden Christi vervollständigen zum Wohl seines Leibes, der die Kirche ist (vgl. Kol 1,24). Euch allen, Mitarbeitern im Gesundheitswesen, die ihr euch dem Dienst an den leidenden hingebt, wünsche ich Gnade und Frieden, Heil und Gesundheit, Lebenskraft, unaufhaltsamen Einsatz und unzerstörbare Hoffnung. Zusammen mit der mütterlichen Gegenwart der heiligen Jungfrau, Salus infirmorum, begleite und stärke euch immer mein herzlicher Segen. Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1993 Joannes Paulus PP. II 455 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kranken in der Familie annehmen Predigt bei der Messe mit den Kranken am Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes, 11. Februar „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig” (Lk 1,49). 1. Liebe Brüder und Schwestern! Das heutige Fest der seligsten Jungfrau von Lourdes lädt uns ein, uns geistig mit den vielen Pilgern zu vereinen, die vertrauensvoll zu der Grotte gehen, wo die erschienen ist, in der der Mächtige Großes für die Menschheit getan hat. Im Geist pilgern wir zu der Quelle, die aus dem Felsen sprudelt, und dort begegnen wir Bernadettes Glauben. Auch an ihr hat der Herr Großes getan: Er hat mit offensichtlichen Wundem die Wahrheit der Unbefleckten Empfängnis der seligsten Jungfrau bekräftigt. Wir gehen nach Lourdes mit unserer Leidenslast, gestützt von der Hoffnung, Licht und Trost zu finden. Es vereint uns der Wunsch, derjenigen zu begegnen, die in ihrem jungfräulichen Schoß das Wort Gottes aufgenommen hat, das zu unserem Heil Mensch geworden ist. Was sagt uns die Weiße Dame vom Felsen? „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis.” Ich bin der reine Tempel, den Gott sich bereitet hat, um Wohnung unter den Menschen zu nehmen, mit ihnen eine Familie zu bilden und alle ihre Krankheiten zu heilen. Die Quelle, die aus der Lourdesgrotte fließt, ist als Zeichen von Marias Anwesenheit unter den Leidenden entstanden. Und deshalb rufen wir Maria an unter dem Namen „Heil der Kranken”. Zahllose Menschen haben die Kraft dieser Quelle erfahren, manchmal an ihrem Körper, immer an ihrem Geist. 2. Indem wir uns mit Maria, der Pilgerin im Glauben, vereinen, festigt sich in uns die Überzeugung, daß jeder Augenblick des Lebens eine kostbare Zeit der Gnade ist, die uns anleitet, Christus als unsere sichere Hoffnung aufzunehmen. In dem Apostolischen Schreiben Salvifici doloris, dessen zehnter Jahrestag heute begangen wird, sagte ich, daß Maria, indem sie „durch ihre Gegenwart Zeugin des Leidens ihres Sohnes wurde und durch ihr Mitleid daran teilhatte, einen ganz besonderen Beitrag zum Evangelium vom Leiden bot ... Sie hat tatsächlich ein ganz besonderes Anrecht darauf, von sich sagen zu können, daß sie an ihrem Leib - wie schon in ihrem Herzen - ergänze, was an den Leiden Christi noch fehlt” (Nr. 25). Wir sind heute in der Petersbasilika versammelt, um den U. Welttag der Kranken zu begehen. Liebe Kranke, ihr seid die Vertreter eines großen Pilgerzuges des menschlichen Leidens, der aus allen Teilen der Welt nach Lourdes zieht, um im Licht des „Leidens mit Christus” Kraft zu schöpfen. In diesem Augenblick sind wir im Gebei und durch die Aufopferung unserer Leiden mit all denen vereint, die an ihren Gliedern die Last der Krankheit und die damit verbundenen Beschwerlichkeiten spüren Besonders nahe sind wir den Pilgern, die nach Tschenstochau zur Jungfrau vor 456 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jasna Göra in Polen gekommen sind. Zu Füßen der Gottesmutter hat sich heute die große Wallfahrt versammelt mit Kardinal Fiorenzo Angelini an der Spitze, der Präsident des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst und bei diesem Anlaß mein Delegierter ist. 3. Maria, die dem Volk Gottes auf dem Pilgerweg des Glaubens voranschreitet, geht uns allen voran: im Gebet, in der Danksagung, in der Fürbitte. Das größte Wunder von Lourdes ist, daß gerade dort der Anfang gesetzt wurde zu einem solchen Gebet in unserer Zeit. Ein Gebet, das uns offenhält für Gottes „Überraschungen”, einschließlich die „Überraschung” des Leidens; ein Gebet, das uns hilft, im Geist brüderlicher Anteilnahme zu leben. Die große Familie der Gläubigen will in diesem Jahr der Familie mit besonderer Liebe jede vom Leiden betroffene menschliche Familie umfangen. Ihr vor allem, der kleinen „Hauskirche”, ist die Annahme jedes gesunden oder kranken menschlichen Lebens von seinem Beginn bis zu seinem Ende anvertraut. Die christliche Familie ist auch zur Welt hin offen: Nach dem Beispiel der Jungfrau wird sie Tempel Gottes und Heiligtum des Bundes, wo die vertrauensvolle Darbringung der täglichen Leiden in Vereinigung mit dem eucharistischen Opfer für das Heil der ganzen Menschheit ihren Platz hat. Der Familie, die betet, wird nie das Bewußtsein der eigenen grundlegenden Berufung fehlen: ein Weg in Gemeinschaft zu sein, solidarisch mit den Leidenden von nah und fern. 4. Liebe Brüder und Schwestern! In der Stille des Gebets können wir den unsagbaren Schrei Christi hören, der in der Welt des menschlichen Leidens widerhallt: der Schrei jener, die „in ihrem irdischen Leben das ergänzen, was an den Leiden Christi noch fehlt” (vgl. Kol 1,24). Alle, die von Krankheiten jeder Art betroffen sind, insbesondere die Kinder, die Alten, die Schutzlosen und die Opfer menschlicher Bosheit in jeder Form erheben zusammen mit Christus einen „gewaltigen Schrei” über die Welt und die großen Übel, die sie erfüllen. Es ist ein Schrei für den Sieg der Liebe über den Haß, des Friedens über den Krieg; es ist eine mächtige Stimme, die sich für Gerechtigkeit und Frieden erhebt, während wir auf das Jahr 2000 zugehen. 5. „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig” [Lk 1,49). Die Jungfrau von Lourdes weist uns den Weg und das Ziel. Auch wir, Pilger inmitten der Schwierigkeiten des Lebens, bemühen uns, Christus, dem Herrn, entgegenzulaufen (vgl. Phil 3,12.14). Der große Pilgerzug der Leidenden auf den Wegen des Glaubens kann mit der jährlichen Wallfahrt der Jugend übereinstimmen. Die Jugendlichen lieben die Alten, die Kranken, die Verlassenen. Mit ihrer frischen Hochherzigkeit sind sie ihnen besonders nahe durch die vielfachen Formen des Freiwilligendienstes. Die Jugendlichen und die Kranken begegnen einander, während sie zur gleichen Quelle gehen: zu Christus, „aus dessen Innern Ströme von lebendigem Wasser fließen” (vgl. Joh 7,38). Das beweisen die vielen Zeugnisse der 457 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hochherzigkeit junger Menschen, denen man in Lourdes und in anderen Wallfahrtsorten begegnet! Wie der barmherzige Samariter bleiben sie bei dem Leidenden stehen, vom Mitleid bewegt durch den Ruf der Liebe (vgl. Salvifici doloris, Nm. 28-29). Die Welt des Leidens muß mit jener der Jugend Zusammentreffen! Die Zukunft gehört ihnen, aber sie gehören zu euch, Kranken und Alten, in derselben Weise, wie die Kinder das Morgen der Familie sind, aber zugleich zur Gegenwart dessen gehören, der sie gezeugt hat. Die Botschaft Christi fordert konsequentes Zeugnis Ansprache an die Delegierten der 17. Versammlung des Italienischen Exerzitienbundes (FIES) am 12. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich heiße euch mit großer Freude anläßlich des dreißigsten Jahrestages der Gründung des Italienischen Exerzitienbundes (Federazione Italiana Esercizi Spirituali -FIES) willkommen, wo ihr als Verantwortliche, Förderer und Mitarbeiter tätig seid. Ich begrüße den Vorsitzenden, Erzbischof Salvatore De Giorgi, und danke ihm für die Worte, die er an mich gerichtet hat. Ich begrüße euch alle, Räte, Delegierte, Leiter und Leiterinnen von Exerzitienhäusem, und ganz besonders euch Jugendliche, die ihr zum ersten Mal an der Versammlung teilnehmt als Förderer von Exerzitien unter euren Altersgenossen. Vor dreißig Jahren gründete der von uns gegangene Msgr. Giuseppe Almici, Bischof von Alessandria, den Italienischen Exerzitienbund (FIES). Es war die Zeit, als die große Meditation des Zweiten Vatikanischen Konzils den ganzen kirchlichen Leib erstarken ließ. Gemäß dem Wortlaut des neuen Statuts setzt der Bund sich zum Ziel, geistliche Exerzitien zu fördern „als starke Erfahrung Gottes, hervorgerufen von seinem Wort, verstanden und aufgenommen im persönlichen Leben unter dem Wirken des Heiligen Geistes, der in einer Atmosphäre des Schweigens und des Gebets und mit der Mittlung eines geistlichen Führers die Fähigkeit verleiht, zu unterscheiden in bezug auf die Läuterung des Herzen, die Änderung des Lebens und die Nachfolge Christi zur Erfüllung der eigenen Sendung in der Kirche und in der Welt’! (Art. 1). Diese durchdachte Beschreibung eignet sich bestens dazu, das Thema eurer Versammlung zu beleuchten und zu vertiefen: nämlich die Beziehung zwischen der „starken Zeiten” des Geistes und der Neuevangelisierung. 2. Wenn wir auf Jesus bücken, den „Urheber und Vollender des Glaubens” (vgl Hebr 12,2), erkennen wir, daß er ganz für den Vater und ganz für das Himmelreicl da ist: Das irdische Dasein des Gottessohnes ist völlig der Annahme und der Verkündung des Willens des Vaters gewidmet. Deshalb „zog [Jesus] sich an einen ein 458 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN samen Ort zurück, um zu beten” (Lk 5,16), um dann die Menge, die ihm folgte und von allen Seiten bedrängte, mit dem Brot des Himmels speisen zu können. Der göttliche Meister bezieht alsbald die Jünger in seine Sendung ein. Er will, daß sie mit der Kraft desselben Heiligen Geistes daran teilnehmen, den er in Fülle besitzt. Aus diesem Grund ruft er sie „an einen einsamen Ort, wo wir allein sind” (Mk 6,31), damit sie ausruhen und im vertrauten Zusammensein mit ihm direkt aus der Quelle der Gnade schöpfen können. Meine Lieben, um die Bedeutung und den Wert geistlicher Exerzitien vollkommen verstehen zu können, müssen wir uns die zweifache Bindung gut vor Augen halten, die die Jünger einerseits mit Jesus und über ihn mit dem Vater und anderseits mit der Menge vereint. Die Menge braucht heute wie damals Liebe und Hoffnung, Wahrheit und Freiheit. Jesus ist der Sämann. Er lehrt seine Jünger mit ihm und wie er zu säen. Er sät das Wort, sicher, daß dieses Frucht bringen wird; am einsamen Ort zieht er den Samen in den Herzen seiner Jünger, damit sie selbst der Menge zu essen geben können (vgl. Mt 14,16). Geistliche Exerzitien sind für „Nahestehende” bestimmt, nicht für „Fernstehende”, doch wird in ihnen die Evangelisierung vorbereitet: Wie soll der Jünger Apostel Christi werden ohne „starke Zeiten” des Geistes, während denen der gute Same des Wortes in der Stille aufgenommen und sozusagen „eigenes Fleisch” werden kann? Wenn das Hören des Meisters ihm das Herz nicht mit Gnade und Wahrheit erfüllt, wird jede seiner Initiativen, auch die lobenswerteste, ein nutzloses Hin- und Herbewegen bleiben, wie die evangelische Begebenheit von Marta und Maria lehrt (Lk 10,38-42). 3. Liebe Jugendliche, die ihr hier anwesend seid, ihr könnt bezeugen, daß die neuen Generationen vor allem das suchen: eine Botschaft, die das Wesentliche des Lebens enthält und für die konsequent Zeugnis abgelegt werden soll. So war die Botschaft Christi an seine Jünger, so soll auch die Neuevangelisierung sein. Laßt euch vom Herrn in seine Sendung miteinbeziehen ohne Bedingungen oder Vorbehalte. Seid vor allem ihr die ersten, die sich vom Mysterium Christi einnehmen lassen, bereit, alles zu verlassen, um ihn kennenzulemen und die Kenntnis über ihn zu verbreiten. Diesen Wunsch weite ich auf euch alle aus, die ihr den Italienischen Exerzitienbund (FIES) bildet, und vertraue ihn der Fürbitte der Jungfrau von Nazaret an, Modell der Kirche, die hinhört, der Kirche, die ausgesandt ist. Bei eurem kirchlichen Dienst begleite euch der Apostolische Segen, den ich euch und der gesamten Vereinigung von Herzen erteile. 459 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 150 Jahre Belgisches Kolleg im Dienst der Priesterbildung Worte bei der Eröffnung der Meßfeier in der Kapelle „Redemptoris Mater” am 12. Februar Zur Eröffnung der Feier richtete der Papst folgende Worte an die Anwesenden, zunächst in Flämisch: Mit Freude begrüße ich Godfried Kardinal Danneels und seine vier Weihbischöfe, Msgr. Eugeen Laridon, Weihbischof von Brügge, Msgr. Werner Quintens, Rektor des Belgischen Kollegs sowie die Priester, die hier einmal studiert haben oder im Augenblick hier weilen. Wir feiern den 150. Jahrestag der Errichtung des Kollegs und der Inbesitznahme der Titelkirche des heiligen Anastasius durch den Oberhirten von Mechelen-Brüssel. Der Papst fuhr in Französisch fort: Mit Freude begrüße ich ferner die Mitglieder der Familien und die Freunde, die zur Teilnahme an den verschiedenen Feierlichkeiten hergekommen sind. Ich möchte sie an die besondere Rolle erinnern, die Eltern, Brüder, Schwestern und Umgebung bei der Weckung von Priesterberufen und ihrem Wachstum und dann später aber in der Unterstützung der Priester in ihrem pastoralen Dienst einnehmen. Ich vergesse nicht die große Gnade, die mir zuteil geworden ist, daß ich im Belgischen Kolleg einen Teil meiner theologischen Studien machen durfte und dabei die Unterstützung einer brüderlichen und eifrigen priesterlichen Gemeinschaft erfuhr, wie sie für die Fruchtbarkeit der intellektuellen Ausbildung, für das geistliche Leben und für das pastorale Wirken notwendig ist. In einigen Monaten werde ich mich bei Gelegenheit der Seligsprechung von Pater Damian de Veuster in euer Land begeben. Wir beten also in dieser Eucharistiefeier für eure Landsleute, zumal für die Priester und Seminaristen. Bitten wir Christus, er möge seinen Geist auf die Diener der Kirche herabsenden, damit alle, die eine pastorale Aufgabe haben, diese wirklich nach dem Beispiel erfüllen, das der Herr uns im Evangelium dieses Tages vor Augen stellt. Aufmerksarr für ihre Zeitgenossen, die Hunger und Durst nach der Frohbotschaft haben, möge es ihnen immer am Herzen hegen, ihnen im Geist des Dienens das Wort der Wahrheii und des Lebens zu übermitteln und ihnen in den Sakramenten die Gnaden mitzuteilen, die sie zur Erfüllung ihrer Taufberufung benötigen. So werden sie alle zusammen mit der Hilfe des Erlösers die Kirche, den Mystischer Leib Christi, aufbauen zur Ehre Gottes und zum Heil der Welt. 460 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Chancen und Risiken neuzeitlicher Freiheitlichkeit Graßworte an die Pilger aus Südthüringen bei der Sonderaudienz am 12. Februar Liebe Pilger aus Südthüringen! Anläßlich Eurer Reise nach Rom heiße ich Euch besonders herzlich im Vatikan willkommen. Mein Dank gilt Frau Claudia Nolte, Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie sind dem Wunsch Ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger gerne nachgekommen und haben diese Pilgerreise organisiert. Durch die mit dem Zusammenwachsen Deutschlands verbundenen Veränderungen ergeben sich für die Kirche sowie für alle Christen und Menschen guten Willens in Eurem Land neue Herausforderungen und Aufgaben. Trotz vielfacher praktischer Probleme, mit denen Kirche und Gesellschaft konfrontiert sind und deren Lösung notwendig ist - von der Erneuerung der Institutionen über die Renovierung der Gebäude bis zur Organisation der Seelsorge angesichts des Priestermangels ermuntere ich Euch, Eurem Bischof und den Priestern beziehungsweise Pastoren aktiv zur Seite zu stehen in grundlegenden Fragen, die für das Leben der einzelnen und der Gesellschaft in Zukunft von entscheidender Bedeutung sein werden. Als Christen müssen wir das „Salz der Erde” und das „Licht der Welt” sein (vgl. Mt 5,13.14), wenn es darum geht, gegen die Gefahr des reflexionslosen, seichten Praktizismus als Grundhaltung unseres Lebens anzukämpfen. Dabei würden wir einer falschen Strategie erliegen, wollten wir das Jammern über die gegenwärtige Welt und das Warnen vor ihren Verlockungen zum Axiom unseres Lebens und Handelns erheben. Die reine Abwehrhaltung gegenüber Tendenzen, die Kirche, Glaube und Moral bedrohen, genügt nicht; vielmehr ist eine objektive Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken der neuzeitlichen Freiheitlichkeit notwendig. Ihr habt selbst erfahren, daß Freiheit ein Geschenk ist, das allerdings, wie alle Geschenke, auch mißbraucht werden kann. Die Freiheit gehört zur Natur des Menschen. Im Unterschied zu totalitären Systemen ist Freiheit im Verständnis der katholischen Soziallehre nicht dem Kollektiv, sondern dem Individuum übertragen. Je freier der Gläubige ist, desto eher hebt er in solidarischer Weise. Ihr lebt an der Nahtstelle der ehemaligen beiden Teile Deutschlands; deswegen obhegt Euch eine besondere Verantwortung, die positiven Erfahrungen aus der Vergangenheit zu bewahren und einzubringen, aber zugleich dem Neuen mit großer Offenheit zu begegnen. Sittliche Normen und das System von Werten sind Wesensbestandteü einer wahrhaft humanen Gesellschaft. „Wahrhaftes Verständnis und echte Barmherzigkeit bedeuten in Wirklichkeit Liebe zur menschlichen Person, zu ihrem wahren Wohl, zu ihrer authentischen Freiheit. Und dies kommt gewiß nicht dadurch zustande, daß man die sittliche Wahrheit verbirgt oder abschwächt, sondern indem man sie in ihrer tiefsten Bedeutung als Ausstrahlung der ewigen Weisheit Gottes, die uns in Christus 461 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erreicht, und als Dienst am Menschen, am Wachstum seiner Freiheit und an der Erreichung seiner Seligkeit darlegt” (Enzyklika Veritatis splendor, Nr. 95). In den heutigen europäischen Gesellschaften, in den postkommunistischen wie in den westlichen, können wir nicht von einem geistigen Leerraum sprechen. Aber die Werte sind weitgehend in den Bannkreis einer Kultur abgedriftet, die von den Gesetzen des Marktes beherrscht wird. Die Freiheit, die uns gegeben ist, recht zu verstehen und mit ihr verantwortungsbewußt umzugehen, verlangt von uns mehr Freiheitsfähigkeit. Mein Wunsch an Euch ist, im Licht des Evangeliums Euren Auftrag in Familie, Kirche und Gesellschaft wahrzunehmen und Euch auch zukünftig in der alltäglichen Lebensgestaltung nicht zu scheuen, von der Hoffnung Zeugnis zu geben, die Euch als Christen und als Menschen guten Willens erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Mit der Bitte, meinem Mitbruder im Bischofsamt Joachim Wanke und den Priestern von Erfurt-Meiningen meine herzlichen Grüße zu übermitteln, erteile ich Euch und Euren heben Angehörigen zu Hause von Herzen meinen Apostolischen Segen. Der Glaube braucht das Gebet Ansprache beim Besuch im Päpstlichen Großen Seminar beim Lateran am 12. Februar Es ist Tradition, daß nach diesem herrlichen Oratorium der Papst sprechen muß, aber seine Worte sind weniger „herrlich”. Ihr habt uns an Abschnitte des Johannesevangeliums erinnert: an Magdalena, die Jünger am Abend im Abendmahlssaal ohne Thomas, dann an Emmaus, endlich erneut an die Jünger mit Thomas. Wie Thomas bin ich ein wenig ungläubig gewesen; ich bin im Geist etwas umhergewandert, bis zur Akropolis in Athen, wohin der hl. Paulus kam, und ich habe eine Parallele entdeckt zwischen dem, was ihr in Erinnerung gerufen habt, und dieser Begegnung des Paulus von Tarsus mit den Athenern, die vielleicht noch ungläubiger waren als Thomas. Aber weshalb ist mir dieser Abschnitt aus der Apostelgeschichte mit Paulus auf dem Areopag in Athen in den Sinn gekommen? Weil dort etwas sehr Bezeichnendes geschah und gesprochen wurde. Paulus sagt seinen Zuhörern auf dem Areopag: „Als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit dei Aufschrift: Einem unbekannten Gott.” Und dann versucht er, sie vom Gedanken an diesen unbekannten Gott zur Erkenntnis Gottes zu führen. Er erklärt in sehr bezeichnenden und eindrucksvollen Worten, wer dieser Gott, dieser unbekannte Gott, ist, der uns umfängt, und daß die ganze Schöpfung sein Werk ist; dieser Gott, vor dem wir nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen wurden. Als Paulus das alles sagte, hörten sie ihm gerne zu. Paulus verstand zu reden, er wai ein guter Prediger. Als er aber von der Auferstehung sprach, stieß er auf Protest 462 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das wollten sie nicht gelten lassen. „Darüber wollen wir dich ein andermal hören”, sagten sie. Offensichtlich verlangt diese Auferstehung, daß man geistig einen Sprung vollzieht. Einen Sprung forderte sie von allen, die wir in unserem Oratorium erlebt haben. Für Magdalena war es ein Sprung; sie konnte sich nicht vorstellen, daß der Gärtner, mit dem sie gesprochen hatte, tatsächlich Christus war, der auferstandene Christus; es war ein Sprung für die Apostel; und auch für die Jünger von Emmaus war es unglaublich. Es war ein Sprung für Thomas, der nicht zustimmen wollte, obwohl ihm die anderen Apostel sagten: „Es stimmt, er lebt, er war bei uns, wir haben ihn gesehen, wir haben ihn berührt.” Es hegt hier also etwas vor, was menschliches Begreifen übersteigt. Zwei Elemente übersteigen hier die menschliche Fassungskraft: zunächst die Tatsache, daß Gott Mensch geworden ist, dann daß dieser Gott-Mensch leiden, gekreuzigt und begraben werden, am dritten Tage aber auferstehen wollte. Diese Angaben, daß er Mensch wurde, die Tatsache, daß er gemartert, gekreuzigt und begraben wurde und doch zum Leben zurückkehrte, sind für menschliche Fassungskraft schwierige Punkte. Wenn uns dieser Sprung gelingen soll, wenn wir zum Glauben gelangen wollen, dann genügt nicht die rein menschliche Kenntnis, es genügen nicht die Philosophie und alle Wissenschaften. So war es auch für die Bürger von Athen. Das Gebet ist notwendig. Nötig ist der Glaube, und der Glaube setzt immer das Gebet voraus. Daher bin ich so zufrieden darüber, daß hier in diesem Seminar eine Schule des Gebetes besteht. Mit diesem Gebet seid ihr befähigt, Christus zu begegnen, seid fähig, ihn zu erkennen. Wir sehen, daß Magdalena bereitwilliger als die anderen war, Jesus zu erkennen. Aber dann haben ihn alle wiedererkannt: die Jünger, die Apostel und auch Thomas. Er hat Jesus wiedererkannt und gesagt: „Mein Herr und mein Gott.” Wenn man einmal den auferstandenen Christus erkennt, erkennt man Gott. Die Macht, aufzuerstehen, den Tod mit dem Leben zu besiegen, ist eine göttliche Vollmacht. Daher: „Mein Herr und mein Gott.” Ihr habt in diesem Oratorium nicht nur eine biblische Geschichte - die von Magdalena, von Emmaus und Thomas - erzählt, sondern zwei zugleich, weil auch die Geschichte von Athen, von Paulus und dem Prozeß der Ungläubigkeit auf dem Areo-pag von Athen dabei war. Ihr habt zugleich erzählt und erklärt, was eure Schule des Gebetes ist. Diese Gebetsschule befindet sich hier im Seminar, und sie soll verhelfen zu lernen, wie man die verschiedenen Formen der Ungläubigkeit überwindet, die verschiedenen Grenzen und Vorbehalte unserer menschlichen Natur; wie man also all dies überwindet und dazu gelangt, Christus zu erkennen und in ihm den lebendigen Gott, der für immer und schon immer lebt und das Leben schenkt im Vater, im Sohn und im Heiligen Geist. Daher möchte ich euch beglückwünschen zu dieser schönen Initiative, die so reiche Früchte trägt. Sie trage Frucht innerhalb des Seminars, damit viele Seminaristen, viele Berufungen treu bleiben und die Berufungen sich mehren. Dies ist ein Segen aottes, eine Gnade Gottes; ich glaube, es ist auch eine Frucht des Gebetes dieser 463 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schule. Diese trägt Früchte auch außerhalb des Seminars in eurer religiösen Alltags-erfahrung, in der religiösen Erfahrung der Laien, nicht zu reden von den Schwestern, denn die Schwestern sind viel vollkommener als wir alle ... So viele Jugendliche aus Rom, Italien und dem Ausland treffen sich hier zum Beten, zur Vertiefung in die Probleme ihres Lebens, um Christus wiederzufinden, und sie finden ihn auch wieder. Sie finden ihre Berufung: Einige von ihnen sehe ich nach Jahren wieder, verheiratet und mit einem Kind, andere sehe ich, die sich für ihr ganzes Leben zur Weihe an Christus entschieden haben, um Priester zu werden. Es ist also ein guter Weg. Ich beglückwünsche euch zu diesem Weg, ich beglückwünsche die Teilnehmer, vor allem das Seminar mit seinem Rektor, der von dieser Schule des Gebetes begeistert ist. Wenn ich von Glückwünschen spreche, dann denke ich natürlich auch an den Kardinalvikar. Wem legen wir diese Glückwünsche zu Füßen? Unserer Lieben Frau von der Zuversicht, denn heute ist ihr Fest. Sie flößt uns so viel Zuversicht ein, und zahlreiche Bischöfe und Päpste haben in ihr für ihr ganzes Leben diese Zuversicht gefunden, zum Beispiel Papst Johannes und viele andere. Ich danke allen. Einheit der Christen ist mehr Gottesgeschenk als Menschenwerk Ansprache an die Kursteilnehmer der „Graduate School” des Ökumenischen Instituts von Bossey am 14. Februar Liebe Freunde in Christus! „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” (Phil 1,2). Mit diesem apostolischen Gruß heiße ich die Teilnehmer des laufenden Kurses, dei von der „Graduate School” des Ökumenischen Instituts von Bossey gesponsen wird, herzlich willkommen. Ich bin sicher, daß diese Tage in Rom interessant unc bildend waren, und ich hoffe, daß Ihr Gebet und Nachdenken in dieser Stadt, wo die Apostel Petrus und Paulus Blutzeugnis für Christus ablegten, in Zukunft reiche Frucht bringen. Ich sehe, daß der Kurs, an dem Sie in den vergangenen fünf Monaten teilgenommer haben, sich mit einem Thema befaßte, das der 5. Weltkonferenz über Glauben unc Kirchenverfassung in Santiago de Compostela vom vergangenen Jahr entnommer war: „Auf die Gemeinschaft im Glauben, Leben und Zeugnis zu.” Kirchliche Ge meinschaft ist ein tiefes Geheimnis, „zugleich unsichtbar und sichtbar” (Communio nis Notio, Nr. 4). Sie ist Gottes Werk (vgl. Eph 4,12) und nichts weniger als „dis Einheit (der Getauften) mit dem Vater durch Christus im Geist” (Ecumenical Direc tory, 1993, Nr. 13; vgl. Joh 17,21). 464 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Überzeugung führte die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils dazu, großes Gewicht auf den „geistlichen Ökumenismus” zu legen, indem sie ihn als „die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung” bezeichneten (Unitatis redintegratio, Nr. 8), denn die Einheit der Christen bleibt immer ein göttliches Geschenk, und deshalb kann kein noch so erfolgreiches oder gut geplantes menschliches Unternehmen von sich aus unsere Spaltungen heilen (vgl. ebd., Nr. 24). Alle, die sich in Christus erkennen, vereinen sich mit seiner Bitte: „Alle sollen eins sein” (Joh 17,21). Mit unerschütterlichem Vertrauen wenden wir uns an den Vater, der denen Gutes geben wird, „die ihn bitten” (Mt 7,11). Und wir werden nie aufhören, den Weg der Reue und Buße zu gehen, so daß wir, frei von allem Mißtrauen, seine Gnade empfangen können, wenn sie geschenkt wird. Wenn Sie in Ihre Heimatländer zurückkehren, werden Sie - so hoffe ich - mit der Hilfe des Heiligen Geistes fähige Mitarbeiter sein und zum weiteren Fortschritt der christlichen Einheit beitragen, besonders durch Ihr Gebet und dadurch, daß Sie wahre Werkzeuge des Friedens und der Versöhnung sind. Gott segne Sie alle. Aufgeschlossen für die Führung des Heiligen Geistes Ansprache an eine Delegation der „Evangelical Lutheran Church in America” am 14. Februar Liebe Freunde! Mit Freude begrüße ich diese Delegation der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Amerika. Ich hoffe, daß eure ökumenische Pilgerreise unseren gemeinsamen Wunsch nach Einheit aller Jünger Christi weiter stärken möge. Der Heilige Geist entfacht diesen Wunsch stets aufs Neue und gräbt ihn tiefer in unsere Herzen ein. Viele Gruppen amerikanischer Lutheraner haben im Laufe der Jahre den Hl. Stuhl besucht; sie sind ein Zeichen der guten Beziehungen, die sich in den Vereinigten Staaten zwischen Lutheranern und Katholiken entwickelt haben. Ein weiteres Zeichen ist der im Jahr 1964 begonnene theologische Dialog: Er mündete in mehrere bedeutende Erklärungen zu verschiedenen Fragen, über die Lutheraner und Katholiken lange Zeit geteilter Meinung waren. Es ist richtig, daß die Betrachtung über das Wesen der Rechtfertigung in diesem Dialog einen besonderen Platz einnimmt. In meiner Enzyklika Veritatis splendor hob ich die Tatsache hervor, daß wir nur durch eine Antwort im Glauben auf die Frohbotschaft des Heils in Jesus Christus wirklich als Kinder des Vaters leben können (vgl. Nr. 19-21): „die Gerechtigkeit’, die das Besetz fordert, aber keinem zu verleihen vermag, findet jeder Gläubige vom Herrn lesus bekundet und verliehen” (ebd., Nr. 23). Im Lichte dieser verwandelnden Bnade macht es der Heilige Geist dann möglich, die Gebote des Herrn einzuhalten; ;ines der wichtigsten davon ist, daß wir einander lieben sollen wie auch er uns ge-iebt hat (vgl. Joh 15,12). 465 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich bete dafür, daß Lutheraner und Katholiken sich immer mehr vom Heiligen Geist leiten lassen, damit die noch verbleibenden Hindernisse, die einer vollen und sichtbaren Gemeinschaft im apostolischen Glauben und Sakramentsleben entgegenstehen, überwunden werden können. Möge dies geschehen durch Jesus Christus; ihm sei Ehre in alle Ewigkeit (vgl. Röm 16,27). Amen. Die Fastenzeit - Zeit des Heiles und der Entsagung Predigt am Aschermittwoch, 16. Februar 1. „... Zeichen des Widerspruchs” (Lk 2,34). Zeichen des Widerspruchs ist die Asche, die die Kirche heute auf unser Haupt streut. Zeichen des Widerspruchs in bezug auf Leben und Unsterblichkeit, für die der Mensch geschaffen wurde. Der Ritus der Aschenauflegung will uns sagen: „Staub bist du, und zum Staub wirst du zurückkehren!” (Gen 3,19). Wir wollen abei vor diesem Zeichen nicht fliehen. Wir fühlen vielmehr das innerste Bedürfnis, es ir der Liturgie des Aschermittwoch mit neuem Leben zu erfüllen, weil es eine grundlegende Wahrheit über den Menschen enthält. Durch das Zeichen, das seine radikale Demütigung durch den Tod darstellt, verkündet das menschliche Geschöpf die Worte der Buße und bittet um eine tiefgreifende Reinigung: „Ich erkenne meine bösen Taten ... Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt” (Ps 51,5-6). 2. „Den, der keine Sünde kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht” (2 Kor 5,21) Bei der Feier der Aschenauflegung wiederholt auch die Kirche: „Erschaffe mir Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist ... Mach micf wieder froh mit deinem Heil” (Ps 51,12.14). Der seiner Unschuld beraubte und dem Tod ausgelieferte Mensch ruft zu Gott, den Spender des Lebens; er ruft zu dem, der das „Zeichen des Widerspruchs” ist: Wi dersprich meinem Tod, widersprich meiner Sünde! Der Mensch ruft Gott um dieses Zeichen an, und es wurde ihm in Jesus Christu: gegeben (vgl. Jes 7,14). Die heutige Feier richtet uns auf das „große Zeichen” des Heiles aus: den gekreuzig ten Christus. Vierzig Tage wird die Zeit der Buße, des Gebetes, des Fastens und de; Almosengebens dauern, die die geistige und zugleich die materielle Sphäre des Le bens anspricht, damit wir alle in den Sinn dieses Zeichens tief eindringen können. Wer bist du, o Christus, der du die Sünde nicht kanntest, aber „für uns zur Sündi werden” wolltest? Ja, es ist notwendig, daß wir das Haupt neigen und uns beim Empfang der Ascb dem Zeichen des Heiles und der Erlösung öffnen, das Du bist, o gekreuzigter um auferstandener Christus. 466 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. „Tut Buße, und glaubt an das Evangelium.” „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium” (Mk 1,15). Dies ist ein wunderbarer Aufruf, der schöpferische Kraft enthält. Die Fastenzeit ist eine Zeit des Heiles, die ersehnte Zeit, in der wir aufgerufen sind, mit Christus zum Vater zurückzukehren: durch den Tod zum Leben überzugehen; durch das uns eigene Sterben zur Auferstehung überzugehen. Wir sind aufgerufen, die Tür unseres Herzens zu schließen (vgl. Mt 6,6) und sie sorgfältig zu versiegeln; zugleich aber sind wir aufgerufen, sie zu öffnen, sie weit für alle zu öffnen. Die Fastenzeit ist eine Zeit der Sammlung und der Brüderlichkeit, der Entsagung und der Hochherzigkeit. Seht da, Jesus begibt sich in die Wüste. Gehen auch wir mit ihm! Dort wird er auf „den Vater der Lüge” treffen (Joh 8,44): den Weg für all seine Täuschungen verbauen und für alle Menschen den Weg der Wahrheit öffnen, den Weg, der zum allein wahren Vater führt durch den Heiligen Geist, die Quelle der Liebe und des Lebens. 4. Heute beginnt die Zeit einer großen Verklärung, in der jeder menschliche Widersprach dank der Gnade dessen überwunden werden soll, der getreues und ewiges Zeichen der göttlichen Barmherzigkeit ist. O Christus, für uns Sünder Zeichen des Widerspruchs, erleuchte uns mit deiner Wahrheit! Schenke uns dein Heil, schenke uns deinen Sieg! (vgl. Ps 118,25). Vom Sinn des Fastens in unserer Zeit Improvisierte Ansprache bei der Begegnung mit dem römischen Klerus am 17. Februar Noch ein Wort zu einem Thema, das meines Erachtens vernachlässigt worden ist: Jas Fasten. Zweifellos sind viele bereit zu fasten, auch unter den Pfarrern und dem römischen Klerus. Gleiches gilt auch für zahlreiche Laien, die Mitglieder der Bewegungen und anderer Gruppen, der Gebetsgruppen [...], aber dennoch gibt es verschiedene Probleme. fhristus sagte einst zu den Aposteln, daß der Satan, das Böse also, nur durch Beten and Fasten überwunden, besiegt und vertrieben werden kann. vVir, insbesondere die älteren unter uns, die mindestens Sechzigjährigen, wissen, laß diese Frage des Fastens in der Kirche einst sehr ausführlich geregelt war, mit jpeziellen kirchlichen Vorschriften und vielen Anwendungsbestimmungen. Es gab luch zahlreiche kasuistische, moraltheologische Probleme. \11 das ist vielleicht vor allem aufgrund gewisser Umstände etwas in den Hintergrund gerückt: durch den Krieg und die durch ihn verursachten schwierigen Situa- 467 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tionen; danach schien es nicht mehr angebracht, das Fasten mit zu eingehenden kirchlichen Vorschriften zu regeln. Vielleicht war diese Einstellung auch richtig und berechtigt. So kommt es, daß wir heute lediglich zwei fest vorgeschriebene Fasttage im Jahr haben. Weiteres überläßt man der persönlichen Initiative des einzelnen, es ist die private Angelegenheit jedes Christen. Vielleicht ist diese Haltung gut und richtig, aber ich fürchte, daß das Klima unserer heutigen Zeit mit dem Fasten nicht sonderlich zu vereinbaren ist. Man spricht viel von Konsumdenken: etwas gebrauchen steht im Gegensatz zum Fasten, denn Fasten bedeutet auf etwas verzichten, für ein höheres, geistiges Ziel von etwas ablassen. Mehr als geistlicher und weniger als sinnenbetonter Mensch leben. All das scheint mir von der heutigen Mentalität weit entfernt zu sein, und ich weiß nicht, ob unsere Brüder, auch die der orthodoxen, orientalischen Kirchen, in dieser Hinsicht nicht eine konsequentere, eine stärkere Position als unsere einnehmen. Abgesehen von den Muslimen, die ja ihren Ramadan haben, kennt auch dei jüdische Glaube in diesem Punkt, unter diesem Aspekt sehr strenge Regeln. Manchmal denke ich, daß wir hinter den anderen zurückstehen. Doch hier geht es nicht um eine Frage katholischen Ehrgeizes: es ist vielmehr ein Problem der Treue zum Herrn und vor allem ein Problem der Wirksamkeit unserer Bemühungen, denr obwohl unser Einsatz groß ist und die Kirche sicherlich ihre strukturelle Kraft hat muß dennoch befürchtet werden, daß diese geistige auf dem Gebet und dem Faster begründete Kraft vielleicht manchmal fehlt. Es ist wahr, daß der westliche Mensel heute eher bereit ist, anderen etwas zu geben, Almosen zu spenden, viele sind dazi bereit, es gibt zahlreiche Initiativen in dieser Hinsicht. Er ist eher bereit, anderen zi geben und seinerseits auf etwas zu verzichten. Zweifellos sind wir mit diesem Geist der Welt und großen Aufgaben konfrontiert wir müssen diesen Geist besiegen, jenes Böse besiegen, von dem Christus spricht Das ist unsere Aufgabe, eine große, schwere Herausforderung. Daher müssen wi unsere Kräfte messen, sie sowohl von der einen als auch von der anderen Seite ab wägen, erkennen, ob wir für diese schwierige Aufgabe, für diesen geistigen Kamp nicht zu schwach sind. Bekanntlich kämpften die großen Heiligen, die großen Hirte: mit dieser geistlichen Kraft, der Kraft des Gebets und des Fastens. Daran sollten wi uns mit Sicherheit erinnern und vielleicht im Leben der Kirche, der katholische: Gemeinschaften und der Kirche Roms auch ein wenig wiederbeleben. Ich weil nicht, ob die römische Synode dieses Thema erörtert hat. Die Synode hat zweifello große Verdienste und ich möchte Kardinal Poletti, Kardinal Ruini und allen Arbeits ebenen der Synode für die Realisierung dieses großen Werks der römischen Synod danken. Vom Thema des Fastens zu dem der Pfarrgemeinde übergehend möchte ich noch mals den römischen Pfarreien für die Herzlichkeit danken, mit der sie den Papst be seinen Pastoralbesuchen empfangen. Von Nutzen kann auch ein Pfarrbesuch wie de letztere in der Pfarrgemeinde Santissima Assunta e San Michele sein, wo ich etwa wichtiges verdient habe: der Pfarrer sagte mir, er gebe mir Ferien ... Es ist als 468 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nützlich, eine Pfarrgemeinde zu besuchen, insbesondere wenn der Pfarrer gewissermaßen ein „Gebirgle” ist und so die gleiche Sehnsucht spürt... Diese Reflexion möchte ich nicht weiter ausdehnen. Ein Samenkorn hinterlassen, das des Fastens, reicht aus, um zum Nachzudenken anzuregen. Fastenzeit bedeutet vierzig Tage Fasten. Jesus fastete vierzig Tage und vierzig Nächte, ein wirklich großes Fasten. Es ist nicht nur das, aber auch das. So hat er sich auf den schweren Kampf vorbereitet, der ihm bevorstand: sofort darauf folgte die große Versuchung und dann die gesamte Mission im Geist des Evangeliums, die große Versuchung der Osterwoche und der glorreiche Sieg. Dieses Problem überlasse ich euren Reflexionen, vielleicht auch einem Überdenken des Bischofsrates und schließlich den verschiedenen Initiativen. Wenn man bereits entschieden hat, daß es keine festgelegten Fastenverordnungen in der Kirche mehr geben wird, dann sollte man wenigstens geeignete Initiativen und Anlässe erwägen. In dieser Hinsicht war für mich auch ein Tag wie der 23. Januar eine Bestätigung. Für das große Übel - der gegenseitige Haß unserer Brüder auf dem Balkan - wurde am 23. Januar ein Gebetstag und am 21. Januar ein Fasttag gefeiert. Diese Initiative wurde in Rom, überall in Italien und auch außerhalb des Landes von vielen geteilt und gebilligt. Vielleicht brauchen wir keine mechanischen Fastenvorschriften, sondern vielmehr gut motivierte Aufforderungen: wir fasten für diesen Zweck, für jenes Ziel, um für eine bestimmte Sache einzutreten. Vielleicht könnte man in diesem Sinn auch die kirchliche Praxis der vorösterlichen Fastenzeit neu überdenken. Vielen Dank! Christusnähe als priesterliches Bildungsziel Gruß an die Direktoren der englischsprachigen Seminare in Europa am 18. Februar Liebe Brüder in Christus, es ist mir eine Freude, die Direktoren der englischsprachigen Seminare und Colleges aus verschiedenen europäischen Ländern willkommen zu heißen. Ich weiß, daß ihr über Jahre hinweg in dem einen oder anderen eurer Länder jährlich zusammengekommen seid, um zu beten und über die vielen Fragen und Probleme zu diskutieren, denen ihr im Laufe eures wichtigen Werks der künftigen, sowohl diözesanen als auch ordensintemen, Priesterausbildung begegnet. Dieses Jahr habt ihr Rom als den Ort eurer Begegnung ausgewählt, und ich bete, daß euer Aufenthalt bei den Gräbern der Apostel Peter und Paul die Gelegenheit zu besonderer Gnade und neuem Einsatz für die Verpflichtungen bieten möge, die ihr zum Wohl der Kirche eingegangen seid. Eure Aufgabe ist nicht leicht. Ihr tragt die Verantwortung dafür, daß die Studenten in euren Kollegien eine solide Ausbildung in Philosophie, Theologie und all den vielen für die Priesterarbeit unerläßlichen praktischen Fertigkeiten erhalten. Doch ist das Studium keinesfalls das einzige Ziel des Seminarlebens. Die jungen Männer, die 469 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eurer Sorge anvertraut sind, müssen darin unterwiesen werden, wie sie beten sollen, wie sie dem Herrn nahekommen können, der sie zu seinem besonderen und unmittelbaren Dienst aufgerufen hat. Die Studenten müssen die innige Verbindung zum Göttlichen Hirten erwerben, ohne die sie keine guten Priester werden können und ohne die sie Gefahr laufen, abzufallen. Philosophie, Theologie und Gebet: Es versteht sich, daß ein weiteres wesentliches Element die menschliche Entwicklung ist. Priester müssen dieselbe Erziehung erfahren wie alle anderen. Denn nur so können sie mit den Menschen auf gleicher Ebene verkehren und, wie der Apostel Paulus sagt, allen Menschen alles sein. Darüber hinaus darf keinesfalls davon ausgegangen werden, daß eure Studenten, bevor sie zu euch kommen, bereits ein alles umfassendes Verständnis der grundlegenden Glaubenswahrheiten haben. Es ist eure Pflicht, dies nachzuprüfen und womöglich Abhilfe zu schaffen. Da ihr diese Tage mit Diskussionen und Gebeten verbringt, bitte ich den Heiligen Geist, euch zu erleuchten und euch mit frischem Mut zu erfüllen. Eure Arbeit ist für das Leben der Kirche wesentlich und ich danke euch für alles, was ihr tut. Ich vertraue euch der Fürsprache Marias, der Mutter der Priester und Mutter der Kirche, an, und erteile euch, euren Assistenten und all euren Studenten meinen Apostolischen Segen. Solidarität und Hilfe für Sarajevo Ansprache an die Teilnehmer des Marsches der „Solidarität für Sarajevo” am 19. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Dieser Schweigemarsch, den ihr durch die Straßen Roms gemacht habt, will Solidarität gegenüber der Bevölkerung der gepeinigten Stadt Sarajevo und von ganz Bosnien-Herzegovina bezeigen. Euch allen mein herzliches Willkommen. Ich begrüße insbesondere den Herrn Bürgermeister von Rom und die anderen hier anwesenden Bürgermeister vieler italienischer Städte, den Minister für die sozialen Angelegenheiten und alle, die diese bedeutsame Kundgebung gefördert haben. Immer noch brausen Kriegsstürme über die nahen Länder des ehemaligen Jugoslawiens hinweg, wo die hartnäckige Gewalt Tausende von Wehrlosen, Schutzlosen und Schwachen getroffen hat. Mögen sich diese Stürme der Zerstömng endlich legen! Sie stürzen auf Völker nieder, die von grausamen Personen gepeinigt werden, die ihre Menschlichkeit vergessen. Kinder, Kranke und Verwundete erbitten und erwarten unsere Solidarität und einen rastlosen Einsatz, um der unsinnigen Sprache der Waffen ein Ende zu setzen. 470 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Wir können sie nicht allein lassen. Sie sind Opfer anomaler Kriegshandlungen, durchgeführt von Menschen, die unempfänglich geworden sind für die fundamentalsten Werte und Rechte des Menschen. Wir können nicht schweigen, denn der Mut der Brüderlichkeit drängt uns, alles zu versuchen, um in den Balkanländem den Frieden wiedererblühen zu lassen. Auf den Knien und nur mit dem Mut unserer inständigen Bitte fordern wir die beteiligten Parteien, die verantwortlichen Politiker und Militärs auf, dieses furchtbare Blutbad zu beenden. Nichts möge unversucht bleiben, um diejenigen, die Opfer des in ihnen wohnenden Hasses geworden sind, zur Vernunft zu bringen und zur Liebe zurückzuführen. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Die Solidarität, die ihr mit dieser schweigenden Initiative bekundet habt, ist vor allem in diesem Augenblick wichtig, wo sich konkrete Aussichten auf eine Befriedung abzuzeichnen scheinen. Eure Geste ist ein Zeichen von Bürgersinn und konkreter politischer und moralischer Unterstützung. Wenn sich dann menschliche Solidarität mit dem wehrlosen, aber wirksamen Gebet zu Gott verbindet, können auch die verhärtetsten Herzen erschüttert werden und zu der Einsicht gelangen, daß man eine Nation nicht durch die Grausamkeiten des Krieges aufbaut, sondern durch die Zusammenarbeit und Eintracht aller. Jetzt möchte ich mich an die Verantwortlichen der Länder des ehemaligen Jugoslawiens wenden und sie bitten, freie Durchfahrt zu geben für die humanitären Hilfstransporte, die von Split nach Sarajevo, Mostar Ost und Mostar West fahren, um den Kindern dieser Städte Hilfe zu bringen. Ich bitte zugleich um die Zusammenarbeit aller für die anderen Hilfstransporte, die in den nächsten Tagen verschiedene Städte in den Balkanländem erreichen werden, um den anderen Kindern ohne ethnischen oder religiösen Unterschied zu helfen. Es ist eine Geste konkreter Liebe der Kindheit gegenüber, die die Hoffnung und Morgenröte der Menschheit ist. 4. Gott, der die verborgenen Gedanken des Menschenherzens kennt, gebe allen Gefühle des Friedens ein. Die soeben begonnene Fastenzeit erinnert uns an den mühevollen Weg durch die Wüste; eine Wüste, die reinigt, bekehrt, erneuert und das Herz auf die wesentliche Werte ausrichtet. In der Wüste begegnet der Mensch Gott, und indem er Gott trifft, findet er sich selbst. Nur nach diesem Weg ist er bereit, in das Land der Verheißung, in die Stadt des Friedens, einzutreten. Meine Lieben, möge die Geste von heute abend eine der vielen Taten sein, die jeder von euch täglich zugunsten der Solidarität zu vollbringen weiß. Maria, die gütige Jungfrau und Königin des Friedens, führe und schütze uns immer! Gott segne euren hochherzigen Einsatz und stärke euch. 471 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maximilian Kolbe - Vorbild der Zivilisation der Liebe Gruß wort an die Kleriker der Franziskaner-Konventualen anläßlich der Hundertjahrfeier der Geburt des hl. Maximilian Kolbe am 26. Februar Liebe junge Mitbrüder des hl. Maximihan Kolbe! 1. In Liebe empfange ich euch heute und heiße euch von Herzen willkommen. Mein Gruß gilt vor allem dem Generalminister der Franziskaner-Konventualen, P. Lan-franco Serrini, dem ich für die freundlichen Worte danke, die er soeben auch im Namen der Ritter der Immakulata, im Namen eurer Erzieher und im Namen von euch allen an mich gerichtet hat. Ihr seid hier zusammengekommen, um des ersten Jahrhunderts seit der Geburt des hl. Maximihan Kolbe, Märtyrer der Liebe und Schutzpatron unseres schwierigen Jahrhunderts, zu gedenken. Diese Hundertjahrfeier ist vor allem heute, da wir uns an der Schwelle zum dritten Jahrtausend befinden, Anlaß zum Gebet, zum Nachdenken und zu erneuertem Einsatz. Pater Maximihan Maria Kolbe, der am 8. Januar 1894 in Zdunska Wola in Polen geboren wurde, zeichnet sich besonders aus durch die starke Liebe, mit der er sein Dasein der Unbefleckten Jungfrau geweiht hat, und durch die heldenhafte Hingabe seines Lebens an seine Brüder, die zu seinem furchtbaren Opfertod im Bunker von Auschwitz geführt hat. Er bleibt unter uns als Prophet und als Zeichen der neuen Zeiten, Zeiten der Zivilisation der Liebe. 2. Bereits als Priester im Collegio Seraphicum hier in Rom bemühte er sich darum, mit seinen Studienkollegen die vollständige Hingabe an die Immakulata zu teilen und sie dazu anzuleiten, die Ritter derer zu sein, die uns als Morgenröte der Sonne des Heils, Christi, des Herrn, gegeben wurde. Ihnen wollte er die Aufgabe anvertrauen, „die Immakulata”, wie er schrieb, „da auszustrahlen, wo wir leben, andere Seelen zu ihr hinzuziehen, damit sich ihr auch die Herzen unserer Nächsten öffnen und damit sie ohne Unterschied von Rasse, Nationalität und Sprache im Herzen aller und überall herrsche wie auch im Herzen aller Menschen, die zu allen Zeiten bis ans Ende der Welt leben werden” (SK 1210, III, 475). Auf der ganzen Welt sind ihm viele mit dem Mut der Hoffnung in Treue zur Berufung und Lebensstrenge nachgefolgt in dem Bewußtsein, daß, wie er gern wiederholte, „nur die Liebe schöpferisch ist”. Doch ließ der Optimismus, mit dem Pater Kolbe den Alltag bewältigte, ihn nie vergessen, daß sich der ständige Kampf zwischen Gnade und Sünde, zwischen Treue und Untreue, innerhalb des Lebens selbst abspielt (vgl. Röm 7,14-25). Und gerade, als das Böse über ihn zu siegen schien, im Schrecken des Vernichtungslagers, tat sich in aller Fülle der Sieg Christi kund. „Nur die Liebe ist schöpferisch.” Die Sünde zerstört. 3. Pater Maximihan Kolbe hat mit seinem mutigen Zeugnis die Kraft der neuer Schöpfung bestätigt, die Maria, die Immakulata, vorwegnimmt und für die sie ah vorherbestimmte Mutter des Erlösers vorbildlich ist. 472 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unser Jahrhundert kann auf zahlreiche Märtyrer zurückblicken, die ihr Leben hingegeben haben, um ihren Glauben an den Gott des Lebens zu bekräftigen. Heute besteht eine der Aufgaben der Kirche gewiß darin, die Erinnerung an diese Männer und Frauen wachzuhalten, unsere Brüder und „Schwestern, die uns gelehrt haben, das Leben weit für Christus zu öffnen, um ihn allen zu verkünden (vgl. Kol 1,23) in jedem Winkel der Erde, so, wie es euer Mitbruder Pater Kolbe getan hat. Aus ihrem Blut ist in der Kirche die Blüte einer neuen Jugend hervorgegangen: Und diesen Frühling der Hoffnung braucht heute die Menschheit. Wenn der Mensch eine Zivilisation schaffen will, die Gott aus seinem Horizont ausschließt, so erzeugt er furchtbare Verbrechen und schreckliches Unheil. Jedesmal, wenn die Menschen ihre Stadt ohne die Werte errichten wollten, die dem „Sein aus Gott” (vgl. 1 Joh 4,6) entstammen, haben sie schließlich Mauern und Schranken zwischen sich aufgebaut. 4. Liebe Jugendliche! Euch ist die stets aktuelle Botschaft anvertraut, die der hl. Maximilian mit dem höchsten Opfer besiegelt hat. „Jede Generation”, so hat er geschrieben, „muß die eigene Mühe und die eigenen Früchte denen der vorhergehenden Generationen hinzufügen ... Und was fügen wir hinzu? ... Es eröffnet sich uns die zweite Seite unserer Geschichte: das heißt, die Immakulata den Herzen der Menschen nahebringen, damit sie in ihnen den Thron ihres Sohnes errichtet, sie dazu anleitet, Ihn zu erkennen und in ihnen die Liebe zum heiligsten Herzen Jesu entflammt” (SK 486,1, 894-895). Dies ist ein dichtgefaßtes Programm, das das ganze Leben mit einbezieht. Es wird eurem Eifer und eurem Einsatz anvertraut. Lernt die Unbefleckte Jungfrau heben, damit sie euch zum Sohne führt! Für sie und mit ihrer Hilfe werdet ihr die unvermeidbaren Schwierigkeiten überwinden können, denen ihr auf eurem Weg begegnet. Mit ihr werdet ihr in das Herz eines jeden Menschen, dem ihr begegnet, die Saat Christi, der Mittelpunkt und Ziel eines jeden Daseins ist, aussäen. Ruft sie darum mit Vertrauen und Liebe an, damit auch ihr, wie der hl. Maximilian, wahrhafte Zeugen der Liebe Gottes zu jedem Menschen sein könnt. Von Herzen wünsche ich euch „Pax et bonum”, und mit Freude segne ich euch alle. Elternrecht - Subsidiaritätsprinzip in der Erziehung Ansprache bei der Sonderaudienz an die „Confederex” am 26. Februar „Die Eltern sind die ersten und hauptsächlichen Erzieher der eigenen Kinder und haben auch in diesem Bereich grundlegende Zuständigkeit. Sie teilen ihren Erziehungsauftrag mit anderen Personen und Instituionen wie der Kirche und dem Staat; dies muß jedoch immer in korrekter Anwendung des Prinzips der Subsidiarität geschehen ... Das Prinzip der Subsidiarität stellt sich also in den Dienst der Liebe der Eltern und kommt dem Wohl der Familie in ihrem Innersten entgegen.” (Brief an die Familien, Nr. 16) 473 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich, euch heute zu treffen, und heiße euch alle herzlich willkommen. Ganz besonders begrüße ich die Lehrerin Liliana Beriozza Ripamonti, Nationalvorsitzende eures Verbandes der Vereinigungen früherer Schüler und Schülerinnen von katholischen Schulen, und den Nationalassistenten P. Umberto Ceroni. Anläßlich des 40. Jahrestages seit der Gründung eures Verbandes habt ihr Zusammentreffen wollen, um über eure Aufgabe nachzudenken, die darin besteht, angesichts der wichtigsten Bedürfnisse der Gesellschaft Zeugen für die christlichen Werte zu sein. Dies ist eine Aufgabe, die auch den Geist erkennen läßt, der euren Verband belebt: nicht nur Organisationsgeist, sondern auch und vor allem Gemeinschaftsgeist, der offen ist für gegenseitige Zusammenarbeit und zur Gegenüberstellung der zahlreichen Erfahrungen und Initiativen. 2. Die Bedürfnisse der heutigen Welt sind zweifellos zahlreich und erfordern seitens der Gläubigen beständige Aufmerksamkeit und intensiven apostolischen Einsatz. Eines jedoch ist heute ganz besonders klar und vorrangig: Es geht um die Verteidigung und die Unterstützung, die der Familiengemeinschaft und ihrem unersetzlichen erzieherischen Charakter angeboten werden müssen. Aus diesem Grund möchte ich in diesem „Jahr der Familie” und wenige Tage vor der Veröffentlichung meines Briefes an die Familien nochmals die wesentliche Rolle hervorheben, die die Familie im Bereich der Religion, der Gesellschaft und der Erziehung und Bildung einnimmt. Und eben darum habe ich geschrieben, daß sie „der erste und wichtigste” unter den Wegen der Kirche ist, die „den Dienst an der Familie als eine ihrer wesentlichsten Aufgaben ansieht” (vgl. Brief an die Familien, Nr. 2). In diesem Sinne legt das Statut eures Verbandes bei der Festsetzung seiner institutionellen Ziele zweckmäßig Nachdruck auf die „Bestätigung der religiösen und sittlichen Grundsätze der Familie ... für einen sozialen Einsatz der Evangelisierung und Förderung des Menschen” (Statut, 3, c). Außerdem habt ihr als frühere Schüler und Schülerinnen und nun eurerseits als Erzieher und Eltern in bezug auf das Wachstum und die Reife der Person erfahren, wie ausschlaggebend die Rolle der familiären und schulischen Erziehung ist, und ihr habt euch vorgenommen, sie zu fördern. Erziehen besteht nicht nur darin, zu lehren, sondern an der Wahrheit und an dei Liebe teilzuhaben und teilhaben zu lassen, im geistigen Sinne zu „zeugen” (vgl. Brief an die Familien, Nr. 16) und zum Wachstum in der Daseinsordnung zu verhelfen. Als Jünger Christi, unseres Meisters, dürfen wir dieser wesentlichen Mission gegenüber nicht gleichgültig bleiben. Wir sollten sie entweder direkt ausüben, oder abei sie fördern und uns bemühen, bei dieser Aufgabe den Eltern zur Seite zu stehen, die „die ersten und hauptsächlichen Erzieher der eigenen Kinder sind und auch in die- 474 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sem Bereich grundlegende Zuständigkeit haben: Sie sind Erzieher, weil sie Eltern sind” (ebd.). 3. Es geht um eine Aufgabe, die nicht nur ihnen zukommt, da die Eltern - was ich im Brief an die Familien in Erinnerung gerufen habe (ebd.) — „mit anderen Personen und Institutionen, wie der Kirche und dem Staat, ihre Erziehungsaufgabe teilen”. Doch habe ich hinzugefügt, daß dies immer in „korrekter Anwendung des Prinzips der Subsidiarität geschehen muß”. Kraft dieses Prinzips findet die den Eltern angebotene Hilfe „in deren vorgängigem Recht und in ihren tatsächlichen Möglichkeiten aus sich heraus eine unüberschreitbare Grenze”. Aus der rechten Anwendung des Prinzips der Subsidiarität ergibt sich daher, daß „jeder andere Mitwirkende am Erziehungsprozeß nur im Namen der Eltern, auf Grund ihrer Zustimmung und in einem gewissen Maße sogar in ihrem Auftrag tätig werden kann”. In dieser Hinsicht zeigt sich also die Tätigkeit eurer Vereinigung als geeignet, die Erziehungsaufgabe der Eltern und auch die der Lehrer zu unterstützen. Die katholische Schule ist dazu aufgerufen, eine lebendige Gemeinschaft zu sein, innerhalb derer jene Werte der Treue zu Christus vermittelt werden, der die Wahrheit des Menschen ist, Werte, die dem menschlichen Dasein Hoffnung und Sinn geben können. Meine Lieben, ich danke euch für das Gute, das ihr tut, und wünsche mir, daß ihr alle mit immer größerer Begeisterung, Bereitschaft und Hochherzigkeit den Weg im Dienste an den Familien, der Schule und der Gesellschaft weitergehen möget. Dazu mfe ich die Hilfe Gottes an und die Fürsprache Mariens, der Quelle der Weisheit, und erteile euch allen und euren Familien als Unterpfand von Herzen den Apostolischen Segen. Evangelisierung heißt die Welt retten Ansprache zum Abschluß der Fastenexerzitien am 26. Februar „Ecce nunc tempus acceptabile.” Wir danken dem Herrn für diese wohlgefällige Zeit, diese Fastenzeit, diese erste Fastenwoche. Wir danken dem Herrn für das besondere Privileg der geistlichen Exerzitien im Vatikan, zu denen wir uns heute versammelt haben. Wir sind hier beim Hl. Stuhl immer vereint, auch wenn wir in verschiedenen Büros arbeiten. In dieser Woche konnten wir uns um den eucharistischen Jesus versammeln durch Gebet, Meditation und Hören, Hören auf unseren Prediger, der uns geführt hat. Wir danken Kardinal Saldarini, dem Erzbischof von Turin, für das, was er uns in dieser Woche aufgrund seiner reichen Erfahrung gegeben hat. Durch eine Exegese von Auszügen eines einzigen Briefes, des zweiten Korintherbriefes, ließ er uns in das Geheimnis Christi eindringen und führte uns gleichzeitig zu den Aufgaben hin, die uns, den Dienern Christi, den Verwaltern der Geheimnisse Gottes, eigen sind. Er 475 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verstand es, uns auf diese Verpflichtungen hinzuweisen und uns als Personen zu stärken, die in besonderer Weise für Seine Sache tätig sind. Dann verstand er es auch, uns den großen Evangelisierungsauftrag deutlich zu machen. Es ist bewunderswert, wie er durch scharfes und eigenständiges Nachdenken aus wenigen Schriftworten ein für das Ende des zweiten Jahrtausends erforderliches Evangelisierungsprogramm heraus arbeiten und entwickeln konnte. Evangelisierung ist immer „Opus divinum” und „opus humanum”, „opus Ecclesiae”. In dieser Evangelisierung sollen wir uns mit der Welt konfrontieren, nicht um die Welt zu richten, sondern um die Welt zu retten, wie Christus. Wir danken Eurer Eminenz für dieses Geschenk, das Sie uns gemacht haben. Gemeinsam danken wir dem Herrn in dieser Kapelle des Erlösers, indem wir das Ma-gnifikat singen. Und wir bitten der Herrn für unseren Prediger in seinem Apostelauftrag; für uns alle bitten wir um eine gute Fortsetzung dieser Fastenzeit. Amtsantritt von Dr. Cornaro als Botschafter der Republik Österreich beim Hl. Stuhl Ansprache bei der Übergabe des Beglaubigungsschreibens am 28. Februar Sehr geehrter Herr Botschafter! 1. Nehmen sie meinen aufrichtigen Dank entgegen für die sehr freundlichen Worte, mit denen Sie die Überreichung Ihres Beglaubigungsschreibens als neuer außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Österreich beim Hl. Stuhl begleitet haben. Zu Ihrem Amtsantritt heiße ich Sie herzlich willkommen und beglückwünsche Sie zu dieser ehrenvollen und bedeutsamen Aufgabe. Sie übernehmen eine große Verantwortung, den Beitrag Österreichs mit seiner großen Geschichte und seinem reichen kulturellen Erbe für die Zukunft Europas in adäquater Weise einzubringen. Die Republik Österreich kann dazu beitragen, die Mauern noch weiter abzutragen, die durch Teilungen, Unverständnis und Streit entstanden sind. Und sie kann Vertrauen fördern, um die vielschichtigen Schwierigkeiten und Konflikte zu lösen, die nach den Ereignissen von 1989 aufkamen. 2. Unsere heutige erste Begegnung steht, wie Sie selbst hervorgehoben haben, in Zeichen von Schatten des Krieges über einem Teil Europas mit unermeßlichem Leie für die Zivilbevölkerung. Wie ich in meiner Predigt am 23. Januar dieses Jahres be tont habe, scheinen „neue Mauern entstanden zu sein, die Europa auf andere Weise und aus anderen Gründen teilen. Diese modernen Schranken, die vor allem die Na fronen spalten, sind offensichtlich die Nationalismen. Wir sind heute Zeugen de unbestrittenen Entstehens solcher Spaltungen, wie es in den Balkanländern ge schieht”. Grausamkeiten brutalster Art, schwerste Verletzungen der fundamentale] Menschenrechte zerstören die Zivilisation der Liebe, des Verständnisses und de 476 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Toleranz. Die Gewalttaten, die an alten Menschen, an Frauen und Kindern verübt wurden, müssen unser Gewissen wachrütteln und dürfen unseren Ruf nach Frieden auf Erden nicht verstummen lassen. Kein Mensch guten Willens darf resignieren. In diesem Zusammenhang ist es mir ein Anliegen, der Regierung, der Kirche und allen Menschen guten Willens in der Republik Österreich herzlich zu danken für die vielfache Hilfe, die sie Flüchtlingen, Verfolgten, Einwanderern und Notleidenden angedeihen ließen. Zugleich verleihe ich meiner Überzeugung Ausdruck, daß Österreich auch in Zukunft sein großzügiges Wohlwollen und tätige Nächstenliebe anderen Menschen, die in Not sind, nicht versagen wird. 3. Die gegenwärtige Situation veranlaßt uns, auch darüber nachzudenken, wie im Völkerrecht leider immer noch bestehende Divergenzen in der Bewertung der Menschenrechte überwunden werden können. Nach dem Abbau ideologischer Barrieren in den ehemals kommunistischen Ländern hatte sich zwar eine gewisse Einigkeit über den Wert des Friedens und die Bedeutung der Menschenrechte entwickelt; es besteht aber in unseren Tagen die große Gefahr, daß die anfängliche Euphorie in eine neue Enttäuschung und Frustration umschlägt. Der Gedanke des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes ist zwar grundsätzlich normiert, es bedarf aber erheblicher Anstrengungen, um diese Normen umzusetzen. Wenn die internationale Gemeinschaft sich nicht in der Lage sieht, bei eklatanten Menschenrechtsverletzungen mittels wirksamer Mechanismen einzugreifen und den Frieden zu sichern, entsteht ein Dilemma, das schwerwiegende moralische Probleme aufwirft. Alle ethnischen und religiösen Gruppen sollen sich zwar grundsätzlich in das Staatsganze ein-ordnen, zugleich aber ist darauf zu achten, daß ihnen gleichberechtigte Möglichkeiten der Teilnahme am staatlichen Leben eröffnet werden. 4. Die Zusammenarbeit zwischen Ihrem Land und dem Hl. Stuhl bezieht sich vor allem auf die Herstellung einer tragfähigen Basis für die Sicherung des Friedens und ainer gerechten Ordnung Europas. Dabei kommt der Funktion Österreichs, die aus seiner geschichtlichen und geographischen Lage erwächst, eine besondere Bedeu-:ung zu. Wir dürfen dabei nicht in überholte und antiquierte Denkweisen zurückver-?allen, die sich als nicht tragfähig erwiesen haben. Eine Politik der Nationalstaaten ms der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wäre für Europa schädlich. Angesichts der /eränderten Verhältnisse wird die friedenstiftende Rolle Europas und Österreichs im aesonderen von entscheidender Bedeutung sein. Die klassische Aufgabenstellung Österreichs bestand immer in der Rolle des Mitt-ers zwischen den westlichen und den östlichen Nachbarn. Venn die Nachbarstaaten der Republik Österreich heute dort fortzufahren versucht ind, wo sie vor Beginn der kommunistischen Ära aufgehört haben, gilt es zu be-ücksichtigen, daß die angestellten Zerstörungen sich nicht nur auf das Wirtschaftsind staatliche Ordnungsgefüge beziehen, sondern vor allem im Geistigen anzutref-sn sind. Deshalb ist es von Bedeutung, die geistig beherrschenden Prinzipien und hs System der Werte, die Europa über Jahrhunderte aus christlichen Überzeugun- 477 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen heraus geprägt haben, neu herauszustehen und zu vermitteln. Wie ich bereits in der Enzyklika Veritatis splendor betont habe, macht sich „immer verbreiteter und heftiger (...) das Verlangen nach radikaler persönlicher und gesellschaftlicher Erneuerung bemerkbar, die allein imstande ist, Gerechtigkeit, Solidarität, Wahrhaftigkeit und Transparenz zu gewährleisten” (Nr. 98). Die Ausweitung der Freiheitschancen der Menschen zählt zu den großen Errungenschaften der europäischen Geschichte. In den freien Gesellschaften Europas ist das System der Werte und der Moral allerdings in den Bannkreis des Marktes und des Kapitals geraten, und dies nicht gerade im Interesse einer Gewährleistung der oben genannten Werte. Denn „in allen Bereichen des persönlichen, familiären, gesellschaftlichen und politischen Lebens leistet (...) die Moral - die sich auf die Wahrheit gründet und sich in der Wahrheit der authentischen Freiheit öffnet - nicht nur dem einzelnen Menschen und seinem Wachstum im Guten, sondern auch der Gesellschaft und ihrer wahren Entwicklung einen ursprünglichen, unersetzlichen und äußerst wertvollen Dienst” (Veritatis splendor, Nr. 101). 5. Sie haben, sehr geehrter Herr Botschafter, in Ihrer Überreichungsrede im Zusammenhang des „Jahres der Familie” auf den fundamentalen Stellenwert der Familie für die Gesamtgesellschaft hingewiesen. Der Schutz und die Förderung der Familie müssen unser aller Anhegen sein, das der Kirche, der verfassungsmäßigen Organe des Staates sowie aller gesellschaftlichen Kräfte. Glaube, Liebe, Treue unc Hingabe müssen den Kindern von ihren Eltern vorgelebt werden. Wie ich bereits in meiner Ansprache an die österreichischen Bischöfe anläßlich ih res Ad-limina-Besuches im April 1992 dargelegt habe, breiten sich „die Gering Schätzung der Treue, die Entwürdigung der Frau, die Verächtlichmachung der Ge bote Gottes, der schrankenlose Egoismus, die entwürdigende Pornographie und da: leichtsinnige Spiel des weltzerstörenden Konsumismus” immer mehr aus. Zur glei chen Zeit sollte allen verantwortlichen Kräften in Staat und Gesellschaft imme mehr ins Bewußtsein eindringen, daß „die Familie als grundlegende und unersetz liehe erzieherische Gemeinschaft der bevorzugte Träger für die Weitergabe jene religiösen und kulturellen Werte (ist), die der Person helfen, zu ihrer Identität z’ gelangen. Auf die Liebe gegründet und offen für das Geschenk des Lebens, trägt di Familie die Zukunft der Gesellschaft in sich” (Botschaft zur Feier des Weltfriedens tages am 1. Januar 1994, Nr. 2). Unternehmen wir gemeinsam jede nur möglich Anstrengung, das wertvolle Gut der Familie zu schützen und mit neuem Glanz z versehen. 6. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Staat und Kirche, die auf der Basi des Konkordats in guter und wirksamer Weise geregelt ist, möge zur sittlichen E] neuerung der Menschen und der Gesellschaft beitragen. Es ist der Mensch, an des sen Wohl dem Staat und der Kirche gemeinsam gelegen sein muß, indem sie durc Zusammenwirken die hohen Werte und Ideale fördern. 478 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit meinem aufrichtigen Dank erwidere ich die mir von Ihnen überbrachten guten Wünsche des Herrn Bundespräsidenten. Ihnen, Ihrer werten Familie sowie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Botschaft erbitte ich Gottes Schutz und Beistand und erteile Ihnen allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Kraft des Glaubens ermöglicht den Heilsdienst am leidenden Menschen Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst am 1. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine große Freude, anläßlich der dritten Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst mit euch Zusammentreffen zu können. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß ihr euch zu einem Zeitpunkt versammelt habt, in der die Kirche in der Liturgie den „intensiven Moment” der Fastenzeit lebt, wenn die Aufforderungen zum Gebet und zur Buße, zur Wandlung und Erneuerung vorrangig und eindringlich werden. In dieser Zeit wird in der Liturgie die Bedeutung des Schmerzes hervorgehoben, der in Linderung und Trost Gelegenheit zur Liebe bietet und durch die Annahme und Darbringung in Gemeinschaft mit dem Leidenden von Golgota erlösende und österliche Kraft erhält. Wie könnte man in diesem Zusammenhang nicht die Bedeutung des durch euch verkörperten und vertretenen Päpstlichen Rates „anerkennen, dem die Aufgabe zufällt, durch die Ausübung und Lenkung des „Apostolats der Barmherzigkeit” die Sorge der Kirche für die Kranken” zum Ausdruck zu bringen (vgl. Pastor bonus, Nr. 152). Ich begrüße euch daher herzlichst und voll tiefer Dankbarkeit: vor allem den Präsidenten des Dikasteriums, Fiorenzo Kardinal Angelini, dem ich für seine freundlichen Worte und die kurzen Erläuterungen danke, mit denen er die bereits geleistete und die geplante Arbeit Umrissen hat; ebenso grüße ich die verehrten Brüder im Bischofsamt, Mitglieder dieses Dikasteriums, den Sekretär wie den Untersekretär, die Priester, Ordensmänner und -trauen, die Laien, Berater und Sachverständigen. Allen gilt meine aufrichtige Dankbarkeit für die intensive und erleuchtete Arbeit der vergangenen zwei Jahre. 1. Die alte Frage, die die Existenz des Leids an den Verstand und das Herz des VIenschen richtet, stellt sich in unserer heutigen Zeit in stärkerem Ausmaß und wachsender Intensität. Mit schmerzlicher Befremdung stellen wir fest, daß das iurch Bosheit, Selbstsucht, verwerfliches Trachten nach materiellem Reichtum und vlacht verursachte Leid bestürzende Ausmaße angenommen hat. 'licht nur Millionen von Ungeborenen laufen Gefahr, daß das Geschenk des Lebens ingegriffen und geraubt wird, sondern auch zahlreiche Kinder, die aufgrund von 479 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Haß und eigennütziger Berechnung ohne Zukunft sind. Gleichzeitig werden viele Familien zerstört, und ganzen Bevölkerungsgruppen droht, in dem erbarmungslosen Massaker-Holocaust der Bruderkriege ausgerottet zu werden. Die Kirche erlebt jede Form des menschlichen Leids mit tiefer, sorgenvoller Anteilnahme, ohne jemals der Versuchung der Gewohnheit und der passiven Resignation nachzugeben. Vielmehr erhebt sie ihren mütterlichen Mahn- und Flehruf und fordert ihre Kinder auf, mit dem Einsatz der Liebe und des Gebets zu reagieren. Auch wenn der Christ sich seiner menschlichen Ohnmacht gegenüber der Ausbreitung des Bösen bewußt ist, so weiß er dennoch, daß er durch das Gebet auf die Allmacht Gottes bauen kann, der den ihm vertrauenden Menschen nicht verläßt. Die Kirche, die betet und hofft, entdeckt im Glauben die Antwort auf die Frage, die das Mysterium des Leidens jeden Tag erneut aufwirft. Sie weiß, daß „sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft aufklärt” (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22); insbesondere ist sie sich bewußt, daß „sich im Kreuz Christi nicht nur die Erlösung durch das Leiden erfüllt hat, sondern das menschliche Leiden selbst ist dabei zugleich erlöst worden” (vgl. Salvifici doloris, Nr. 19). In Christus, der „sein Leiden dem Menschen geöffnet hat, findet der Mensch zugleich seine eigenen Leiden; im Glauben sieht er sie nun bereichert durch einen neuen Inhalt und eine neue Bedeutung” (ebd., Nr. 20). 3. Aber dennoch beschränkt sich die Kirche nicht darauf, dem leidtragenden Menschen lediglich die erleuchtende Antwort des Glaubens zu geben, sondern sie nimmi sich vielmehr, ihrer alten Tradition entsprechend, des menschlichen Leids an. Den Beispiel des göttlichen Meisters folgend, der „durch alle Städte und Dörfer zog .. und alle Krankheiten und Leiden heilte” (vgl. Mt 9,35), wird sie nicht müde, die Initiativen zur Linderung der menschlichen Schmerzen und Nöte zu vermehren. In dieser Hinsicht fordert sie jeden Christen auf, so zu handeln wie der barmherzige Samariter in jenem „Schlüsselgleichnis für das volle Verständnis des Gebotes de: Nächstenliebe” (Veritatis splendor, Nr. 14). Liebe Brüder und Schwestern, eure Aufgabe ist die Förderung und Belebung diese: Apostolats, das seine charakteristische Bedeutung im Dienst am Leben findet, des sen Kostbarkeit und edle Größe insbesondere in den Leidtragenden leuchten. Dahe sehe ich mit großer Freude die zahlreichen Initiativen, die euer Dikasterium mit un ermüdlichem Eifer gefördert hat, um im Bereich der Sensibilisierung, der Gewis sensbildung, der Zusammenarbeit auf allen Ebenen und der Hilfe für die Notleiden den dieses wundervolle Werk zum Schutz des bedrohten Lebens zu unterstützen. Davon zeugen eure Teilnahme an nationalen und internationalen Projekten zur Ge sundheitsförderung, die konstanten Kontakte mit anderen Dikasterien der Römi sehen Kurie und den Bischofskonferenzen, die Pastoralbesuche in Krankenhäuserr die Initiativen in der Herausgabe von Schriften zur Verbreitung der Grundsätze de kirchlichen Lehramts, die wichtigen internationalen Konferenzen über die zentrale Themen zum Schutz des Lebens, die Bemühungen um interkirchliche und ökumen: 480 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehe Gemeinschaft, die konkrete Aufmerksamkeit gegenüber besonderen Situationen, die unmittelbare Unterstützungsmaßnahmen erfordern, und schließlich auch die Anerkennung, die ihr von den höchsten im Bereich des Sanitäts- und Gesundheitswesens tätigen Weltorganisationen erhalten habt. Das beweist letzten Endes auch diese neue vom Hl. Stuhl gegründete Akademie des Lebens unter dem Vorsitz von Professor Lejeune. 4. Am vergangenen 11. Februar feierte die Kirche zum zweiten Mal den jährlichen Welttag des Kranken. Bei dieser Gelegenheit habe ich an den zehnten Jahrestag der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens Salvifici doloris erinnern wollen. Dieses Dokument war der unmittelbare Auftakt zur Gründung eures Dikasteriums, das im Einklang mit dem Inhalt und den Hinweisen des „Evangeliums vom Leiden” auf so wirkungsvolle Weise dazu beigetragen hat, in der gesamten kirchlichen Gemeinschaft eine neue Bereitschaft für den Dienst am Leid des Menschen zu verbreiten. Während seines neunjährigen Bestehens konnte euer Päpstlicher Rat ein beständiges Anwachsen seiner Tätigkeit verzeichnen. Deshalb habe ich bezeichnenderweise, ebenfalls am vergangenen 11. Februar, das Motu proprio Vitae mysterium unterzeichnen wollen, mit dem ich die Päpstliche Akademie für das Leben gegründet habe. Durch ihre Verbindung mit dem Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst wird die neue Institution mit diesem eng Zusammenarbeiten müssen, um ihre besondere Aufgabe „des Studiums, der Information und der Ausbildung im Hinblick auf die wichtigsten Probleme der Biomedizin und der Rechtsnormen zur Förderung und zum Schutz des Lebens, vor allem in der unmittelbaren Beziehung, die diese mit der christlichen Moral und den Weisungen des kirchlichen Lehramts verbinden”, erfüllen zu können (vgl. Nr. 4). 5. Die Kirche setzt sich heute in einem allgemeinen Bemühen um Evangelisierung dafür ein, den Herausforderungen der zeitgenössischen Gesellschaft zu begegnen: Herausforderungen, die in unermeßlichen und immer mehr um sich greifenden Formen des Leidens und der Einsamkeit vielleicht einen ihrer besorgniserregendsten Aspekte haben. Ihr, liebe Brüder und Schwestern, seid aufgerufen, in diesem schwierigen apostolischen und missionarischen Grenzgebiet zu arbeiten, gestützt durch den Glauben and gestärkt durch das Gebet. In der Begegnung mit der leidenden Menschheit sind rieh die Gläubigen bewußt, Christus selbst gegenüberzutreten, dessen heiliges Antitz auch das all derer ist, die die unzähligen Kreuze tragen, die ihnen durch Ungerechtigkeit, Gewalttaten und Egoismus auferlegt worden sind, ln diesem Dienst an den Leidtragenden erkennen wir den fruchtbarsten Nährboden ur Berufungen, wie die vielen Formen des christlichen Volontariats und die Zahl ler Priesterberufungen und der Berufungen zum gottgeweihten Leben zeigen, die in len vom Leid am stärksten heimgesuchten Gebieten der Welt heranreifen. 481 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In Anbetracht dessen freue ich mich über das, was euer Dikasterium im Rahmen der eingehenden Untersuchungen, Vorschläge und Initiativen im Hinblick auf die 9. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode unternimmt, die sich im kommenden Herbst mit dem Thema des geweihten Lebens und seiner Sendung in der Kirche und der Welt befassen wird. Es ist nämlich eure Sorge, das besondere Charisma der Ordensleute im Krankendienst tiefer zu erfassen, Gesundheit und Krankheit vorzugsweise als Evangelisierungsfeld der geweihten Personen zu betrachten im motivierten Bewußtsein von der engen Beziehung, die zwischen der Ge-sundheitspastoral und der Pastoral zur Förderung der Berufungen besteht. Indem ich eure Pläne und Absichten der heiligen Jungfrau, „der lebendigen Ikone des Evangeliums vom Leiden”, anvertraue, in deren Herzen „sich in einzigartiger und unvergleichlicher Weise das Leiden des Sohnes zum Heil der Welt widerspiegelt” (Botschaft anläßlich des 2. Welttag der Kranken, Nr. 6), ermuntere ich euch, eure Arbeit mit neuem Enthusiasmus fortzusetzen, und als Zeichen meiner besonderen Zuneigung erteile ich euch und euren Mitarbeitern meinen Apostolischen Segen. Ansprache an Bundespräsident Richard von Weizsäcker anläßlich seines Staatsbesuchs im Vatikan am 3. März Herr Bundespräsident! 1. Es ist für mich eine besondere Freude und Genugtuung, am heutigen Tag das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland in Begleitung seiner werten Frau Gemahlin, des Herrn Bundesministers für Gesundheit und weiterer hoher Persönlichkeiten aus Regierung und Verwaltung empfangen zu können. Gern habe ich Ihrem Wunsch nach dieser Begegnung entsprochen und verbinde mit meinem aufrichtigen Dank für diesen Besuch einen herzlichen Willkommensgruß. 2. Ihre Anwesenheit ruft in mir die beiden Pastoralbesuche in Ihrem Land in lebhafte Erinnerung, während derer ich die noble Gastfreundschaft und die humanen unc christlichen Werte in all ihrer Tiefe erfahren durfte, die die Deutschen in ihrem individuellen und gesellschaftlichen Leben kennzeichnen. Mein Dank und meint Hochachtung gilt allen Bürgerinnen und Bürgern Ihres geschätzten Landes, das siel in einer entscheidenden, zugleich aber nicht einfachen Phase seiner Geschichte be findet. Nach vier Jahrzehnten gewaltsamer Teilung wurde die Mauer zwischen Ost un< West überwunden. Der Freiheitswille der Menschen in den Ländern Mittel- um Mittelosteuropas war stärker als das mit Beton, Stacheldraht und Schießbefehl gesi cherte System der Diktatoren. Nach dieser geschichtsträchtigen Phase der Selbstbe freiung der unterdrückten Völker von der Last der auferlegten politischen Gewalt herrschaft konnten Sie, Herr Bundespräsident, auf den Stufen des Reichstages i 482 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Berlin den ersten wirklichen „Tag der deutschen Einheit” feiern. Sie sind damit auch der erste Bundespräsident aller Deutschen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert die volle Ausübung der Religionsfreiheit. Das Verhältnis und das Zusammenwirken von Kirche und Staat gründen in Deutschland - nicht zuletzt aufgrund schmerzlicher geschichtlicher Erfahrungen- im beiderseitigen Interesse auf einem soliden Fundament. Staat und Kirche verstehen ihr Zusammenwirken gemäß den Prinzipien von gegenseitigem Respekt, von Subsidiarität und Solidarität, ohne sich in die ausschließlichen Kompetenzen des jeweils anderen einzumischen. Die Idee des Grundgesetzes kann nur gewahrt bleiben, wenn sie in jeder nachwachsenden Generation erneut lebendige Gestalt und Akzeptanz gewinnt. Sonst würden Idee und politische Wirklichkeit auf Dauer gesehen auseinanderklaffen. Als überzeugter Christ und durch Ihre Haltung als Staatsmann haben Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident, ein beredtes Zeugnis davon gegeben, daß gesellschaftliches und politisches Handeln ohne Rückbezug auf eine höchste Autorität Gefahr läuft, aus der Verankerung zu geraten und seine unabdingbare und existentielle Rückbindung zu verlieren. Es geht letztüch um die grundlegende Frage, ob alle politische Gestaltung allein in der Verfügungsgewalt des Menschen hegt oder ob es eine vorgängige und übergreifende Autorität, die Autorität Gottes, gibt, an dem menschlicher Gestaltungswille Maß zu nehmen und dem gegenüber er sich zu verantworten hat und an der Gestaltungsfreiheit notwendigerweise ihre Grenzen findet. 3. Die glückliche Vollendung der staatlichen Einheit Ihres Landes in Freiheit stellt das deutsche Volk vor besondere Herausforderungen. Dies bedeutet zusätzliche Verantwortung, die Sie, Herr Bundespräsident, wahrgenommen haben. Sie haben dies getan angesichts gewisser Anzeichen einer Identitätskrise, die sich nicht zuletzt im Verlust moralischer Wertvorstellungen niederschlägt. Es ist sowohl die Aufgabe der Kirchen als auch aller verantwortlichen Kräfte in Staat und Gesellschaft, die Rolle des Identitätsstifters zu übernehmen, wenn die Menschen nach dem Verschwinden gewohnter Denkmuster, die eine geschichtliche Entwicklung vorgab, nunmehr keine Orientierungshilfen mehr zu erkennen glauben und gleichzeitig nicht so recht wissen, worin die eigene Identität des Volkes bestehen könnte. Geistige Heimatlosigkeit kann schnell den Blick auf das Wahre und Gute verstellen. Eine derartige Entwicklung verlangt von allen Verantwortlichen ein hohes Maß an Klugheit. Alle als Sekundärtugenden bezeichnten Merkmale können nur mit Sinn gefüllt sein, wenn sie an die Kardinaltugenden der Klugheit, der Gerechtigkeit, der Tapferkeit und der Mäßigung (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1805) gekoppelt sind. Erst von dieser eigentlichen Mitte humanen Verhaltens her beziehen sie ihre Kraft. Andernfalls bleiben sie leere Verhaltensformen, die zudem die Gefahr der Abschottung und der Manipulation in sich bergen. In dieser Zeit des Umbruchs und der Orientierungslosigkeit haben Sie, Herr Bun-iespräsident, es als Ihre Pflicht betrachtet, sich für den Erhalt der sittlichen Ordnung 483 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN beziehungsweise deren Wiederherstellung einzusetzen. Sie taten dies auch im Wissen darum, daß die demokratische Staatsordnung ohne die ihr vorgegebenen Werte nicht bestehen kann. 4. Die Wiederentdeckung der Kardinaltugenden und wahren Ideale ist heute dringend notwendig. Die Versuchungen, denen es im öffentlichen Leben zu widerstehen gilt, sind zweifellos groß und gefährlich. Die Debatte über den Lebensschutz etwa kann bisweilen auch bei christlichen Politikern die Angst vor dem klaren Wort des Widerspruchs mit sich bringen, wenn der Eindruck entsteht, eine demokratische Mehrheit sei für die Tötung bedrohten und schutzbedürftigen, ungeborenen oder sterbenskranken menschlichen Lebens. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, verabschiedet am Ende einer traurigen Erfahrung der Einschränkung der grundlegenden Freiheiten, ist aus einer hohen Achtung vor dem Leben und der Familie als Grundlage der Gesellschaft entstanden, die die Einzelperson vor dem Totalitarismus schützt. Deutschland ist aufgerufen, sich nicht auf Wege zu begeben, die jene lebenswichtigen Werte verletzen, die von den uns vorausgegangenen Generationen als lebenswichtig anerkannt wurden. Der Verlust vorgegebener Wertmaßstäbe kann niemals ein Schweigen des Politikers rechtfertigen, der sich Gott gegenüber für die Menschen und die sittliche Ordnung verantwortlich weiß. Die Klugheit des in der politischen Verantwortung Stehenden zeigt sich in dem Maß, in dem er einer vermeintlich applaudierenden Mehrheit auch dann entgegenzutreten in der Lage ist, wenn es um die Grundwerte menschlicher Kultur geht. Gerade in Grenzfragen des Lebens, in denen nicht mehr unbedingt ein gesellschaftlicher Konsens besteht, muß bisweilen ein unbequemes Wort gesprochen werden. 5. Es war Ihnen, Herr Bundespräsident, immer ein Anliegen, sich für die Schwacher in der Gesellschaft einzusetzen. Sie haben die Asylanten und Einwanderer in Schut2 genommen und auf deren unveräußerliche Rechte hingewiesen, wie überhaupt die Frage der Menschenrechte und des Minderheitenschutzes Ihrem politischen Wirker ein fundamentales Anliegen war. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eir aufrichtiges Wort des Dankes an die politisch und gesellschaftlich Verantwortlicher in der Bundesrepublik Deutschland richten für die Aufnahme einer großen Zahl vor Asylanten. Deutschland hat in der Tat mehr Flüchtlinge aus Krisengebieten aufge nommen als alle anderen europäischen Länder zusammen. Ebenso gebührt Ihren Land für die Hilfe, die den Entwicklungsländern und der durch Kriegswirren in ehemaligen lugoslawien in unermeßliche Not und unbeschreibliche Bedrängnis ge ratenen Bevölkerung geleistet wurde, Dank und Anerkennung. 6. Wir gedenken in diesem Jahr auf internationaler Ebene und ebenso kirchlicher seits insbesondere der Familie und ihrer Bedeutung für die Kirche und für die Ge Seilschaft. Wie ich in meinem Brief an die Familien ausgeführt habe, ist es für di Kirche wie für die Gesamtgesellschaft von fundamentaler Bedeutung, daß wir un 484 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht „in Grundfragen, die das Wesen der Ehe und Familie betreffen, in die Gefahr des Permissivismus begeben!” (Nr. 17). Was die Erziehung der Kinder betrifft, dürfen die alten Sekundärtugenden wie Pflicht und Gehorsam nicht isoliert vom Gesamten der christlichen Tugenden betrachtet werden. Es geht heute zuerst um die Diagnose eines Krankheitsbildes der ganzen Gesellschaft, dem Egozentrik und reine Konsumorientierung, fehlende Solidarität und die Bezogenheit auf das Eigeninteresse zugrundehegen, deren vorherrschende Rationalität das Kosten-Nutzen-Kalkül ist. Wichtig ist die Hinführung von Kindern und Jugendlichen zu selbständigem Urteil und zu Autonomie, orientiert an dem grundsätzlichen Ziel einer in sich selbst stehenden kindlichen Persönlichkeit und der Einsicht, daß Jugendliche in ihrer eigenen Würde zu respektieren und daß Wärme und Akzeptanz Voraussetzungen allen erzieherischen Handelns sind. Eltern und Lehrer haben sich selbst, ihre Inhalte, Zielvorgaben und ihre Autorität unter den Anspruch der Glaubwürdigkeit und der Begründung zu stellen. Andererseits ist erzieherisches Handeln von der Erkenntnis geleitet, daß jede Freiheit um ihre Grenzen weiß. Im Freiheitstaumel der vergangenen Jahre bestand die Gefahr, allzu schnell dem Irrglauben hinterherzulaufen, Freiheit bedeute einen Freibrief für alles und jeden. Freiheit ist und bleibt aber nur Freiheit, wenn sie an Verantwortung gekoppelt und aus ihr heraus realisiert wird. Und Verantwortung kann letztlich nur jemandem geschuldet werden, der zugleich der Garant für wirkliche Freiheit ist: Gott selber. Sein Wort ist Wahrheit (vgl. Joh 17,17), und wer die Wahrheit tut, kommt wirklich zum Licht (vgl. Joh 3,21). 7. Wie in anderen Ländern zeigen sich in Deutschland, Herr Bundespräsident, die Folgen der Reformation. Die damals zerbrochene Einheit im Glauben wiederherzustellen ist ein großer Wunsch vieler Christen. letztlich jedoch ist nur von der Mitte des Glaubens her, von Christus selber, die Einheit möglich. In Ihm dürfen sich die Christen aller Konfessionen stets vertrauensvoll finden. Dann wird es eines Tages möglich sein, gemeinsam Eucharistie als Fest der wiedergewonnenen Einheit zu fei- 8. Bevor ich diese Begegnung beschließe, ist es mir ein Anliegen, Herr Bundespräsident, Ihnen von Herzen zu danken für den freundlichen Besuch. In Ihrer Person bekunde ich meine Hochachtung vor der ganzen deutschen Nation. Ihnen und Ihrer werten Frau Gemahlin erflehe ich Gottes treues Geleit, und ich erbitte Ihnen und allen Gläubigen und Menschen guten Willens in Ihrem geschätzten Land auf die Fürsprache der Gottesmutter, des Apostels der Deutschen, des hl. Bonifatius, und aller heiligen Schutzpatrone Ihrer Heimat reiche himmlische Gnaden. Von Herzen arteile ich dazu meinen Apostolischen Segen. 485 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Medien im Dienst von Kunst und Verkündigung Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 4. März Meine Herren Kardinäle! Meine Herren Erzbischöfe und Bischöfe! Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Es ist stets eine Freude für mich, anläßlich eurer Vollversammlung die Mitglieder des Päpstlichen Rats für die sozialen Kommunikationsmittel zu treffen. Dieses Jahr steht eure Versammlung im Zeichen des dreißigsten Jahrestags der Errichtung dieser besonderen Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die Konzilsväter waren sich der Wichtigkeit der Kommunikationsmittel voll bewußt und forderten im Dekret Inter mirifica die jährliche Feier eines Weltmedientages und die Errichtung eines Büros, das sich mit theoretischen und praktischen Fragen im Zusammenhang mit den Medien - vor allem Presse, Radio, Kino und Fernsehen - befassen sollte. Schon drei Monate nach der Promulgation von Inter mirifica errichtete Papst Paul VI. diese spezielle Behörde der Römischen Kurie, die somit eines der ersten sichtbaren Ergebnisse des Konzils war. Die Probleme und Möglichkeiten, die vor dreißig Jahren auf dem Gebiet der sozialen Kommunikationsmittel bestanden, haben heute eine noch größere Dringlichkeit. Heute wie damals ist es die Hauptaufgabe eures Rates, nach Wegen zu suchen, um das Geheimnis des Heils in Jesus Christus durch die wunderbaren Instrumente des Kontakts und der Interaktion zwischen Menschen, die die moderne Technik fast jedermann zugänglich gemacht hat, wirksamer mitzuteilen. 2. Eine sehr offensichtliche, aber vielleicht nicht genügend anerkannte Aufgabe ir dieser Hinsicht besteht darin, eine positive und konstruktive Beziehung - einer ständigen Dialog - zu den Medien aufrechtzuerhalten. Es gibt viele Männer unc Frauen guten Willens in den Medien, die erkennen, daß die Kirche im Namen Chri sti selbstlos den Armen, den Kranken, der Jugend und denen, die allzu leicht ver gessen werden, zu dienen sucht. Sie sind offen, diese Geschichten zu berichten unc diese Anstrengungen zu unterstützen, sofern man ihnen davon in einer Weise er zählt, die in den Herzen der Kommunikatoren selbst und in deren breitem Publikun Solidarität wachzurufen vermag. Diese Public-Relations-Arbeit gilt für alle Medien nicht nur für die Welt der Nachrichtenvermittlung, sondern auch für die Mediei Kino, Theater, Videokassetten und Tonaufnahmen, die hungrig nach Ideen um vielleicht noch hungriger nach den Wahrheiten und Werten sind, die dem Leben um jedem menschlichen Bestreben eine Bedeutung und ein Ziel geben. 3. So viele Meisterwerke der Malerei, Bildhauerei und Architektur, die ihr um euc herum in dieser Stadt, Rom, seht, sind ein klarer Beweis, daß die Geheimnisse de Glaubens und der transzendenten Wahrheit über den Menschen mit großer Kra: 486 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von den Künsten dargestellt werden können. Ein eindrucksvolles Beispiel, an das man sofort denkt, da wir auf seine Enthüllung nach der Restaurierung warten, ist Michelangelos Fresco vom Jüngsten Gericht in der Sixtinischen Kapelle, welches mit großer Beredsamkeit und Unmittelbarkeit von jenem Tag spricht, wo Christus, „der Richter, dann zu richten (sitzt)” und „sich das Verborgene lichten (wird)” (Sequenz Dies Irae). Die materielle Wirklichkeit des Frescos, da ein Werk von menschlichem Genie, erhebt Herz und Verstand des Betrachters zum Nachdenken über die transzendente Wirklichkeit der letzten Abhängigkeit des Menschen von Gott, unserem hebenden Schöpfer und unserem gerechten Richter. In unserer heutigen Zeit gibt es neue Kunstformen, die nicht auf statische -wenngleich eindrucksvolle - Darstellungen in Farbe, Gips und Stein beschränkt sind. Kann das Epos christlichen Glaubens und christlicher Liebe nicht auch auf diese Weise - auf dem Fernsehschirm und der Kino-Leinwand, im Radio und auf Bandaufnahmen - in anziehender Weise erzählt werden? Was könnten die Christen noch mehr tun, um die heutigen Medien dazu zu inspirieren und anzuregen, Meisterwerke zu schaffen, die es mit denen, die uns hier umgeben, in ihrer spirituellen Kraft, eine Botschaft zu vermitteln, die tief ans Herz des Menschen rührt, aufnehmen können? 4. Die katholische Präsenz in den Medien ist ein Weg, die Sendung der Kirche zu erfüllen, das Reich Gottes zu verkünden und alle zum Kommen einzuladen (vgl. Mk 1,15). Sie ist ein Ausdruck evangelischer Liebe und pastoraler Sorge. Besonders in diesem Jahr der Familie sollten Künstler und Medienschaffende herausgefordert sein, Werke zu schaffen, die ein reicheres, tieferes und fruchtbareres Familienleben fördern. Menschliche Liebe ist in der Geschichte stets eines der stärksten Themen der Literatur und des Dramas gewesen, und die herausragende Schönheit der menschlichen Liebe im Leben der Familie bietet eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration für die kreative Phantasie. Die selbstlosen Opfer, die Ehemänner und Ehefrauen füreinander und für ihre Kinder bringen, und die hebevolle Antwort der Kinder können kreativen Künstlern in den Medien sowie einem Publikum, das offen ist für Botschaften, die Hoffnung geben, den Geist erheben und zur Inspiration verhelfen. ln meiner Botschaft zum diesjährigen Weltmedientag habe ich die Auswirkungen, die die sozialen Kommunikationsmittel, speziell das Fernsehen, auf die Familien haben kann, behandelt. Die Botschaft suchte Orientierung zu geben zum Gebrauch des Fernsehens zur Bereicherung des Lebens des einzelnen und der Familie und zur Vermeidung dessen, was dem moralischen Gerüst der Familie und der Gesellschaft selbst Schaden zufügen kann. Ebenso haben die Kommunikationsmittel das Poten-:ial, uns erkennen zu lassen, daß wir alle Güeder der einen Menschheitsfamilie sind. Die Medien können starke Förderer des Verständnisses und der Einheit unter den Völkern sein; sie können Gefühle der Solidarität mit denen wecken, die unter Na-urkatastrophen und gewalttätigen Konflikten zu leiden haben; sie können die Freu- 487 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den und Leiden unserer Brüder und Schwestern überall auf der Welt zu unseren eigenen Freuden und Leiden machen. Sowohl die Informations- als auch die Unterhaltungsmedien können unsere für die Welt offenen Augen und Ohren sein und Einblick in die Sehnsüchte und Wünsche wie auch in die Schwierigkeiten und Enttäuschungen der ganzen Menschheitsfamilie gewähren. In euren Überlegungen während dieser Tage habt ihr gesehen, daß die christliche Botschaft in den Kommunikationsmitteln auf verschiedene Art dargeboten worden ist und werden kann, nicht zuletzt durch das Beispiel, die persönliche Integrität und den Glauben engagierter Katholiken in allen Teilen der Welt. Ihnen und vor allem euch heute hier Anwesenden und euren Familien und Kollegen erteile ich meinen Apostolischen Segen. Und ich bete, daß die Gute Nachricht Jesu Christi durch die Kommunikationsmittel noch mehr gehört und aufgenommen wird. Erziehung aus der Sicht des Evangeliums Ansprache an das Internationale Büro für katholische Erziehung (OIEC) am 5. März Herr Präsident, Herr Generalsekretär, hebe Freunde! 1. Gerne empfange ich euch, die ihr am 14. Weltkongreß des Internationalen Büros für katholische Erziehung (Office International de l’Enseignement Cathohque, OIEC) teilnehmt, der dem Thema „L’Ecole cathohque au Service de tous” („Die katholische Schule im Dienst aller”) gewidmet ist. Eure Anwesenheit in Rom bezeugt euer ständiges Anliegen, eure Erziehungsaufgabe im Geist des Evangeliums und gemäß den Weisungen des Lehramtes der Kirche zu erfüllen, wie auch euren Wunsch, eure Verbundenheit mit dem Hl. Stuhl unablässig zu stärken. Einen besonderen Gruß richte ich an euren Präsidenten, Erzbischof Angelo Innocent Fernandes, und an euren Generalsekretär, Pater Andres Delgado Hemandez. Ihm danke ich aufrichtig für die mit Tatkraft und Hingabe geleistete Arbeit, die Leitlinie von Bruder Paulus Adams fortführend, der kürzlich verstorben ist und den wir dem Herrn anvertrauen. Nicht vergessen möchte ich die Gründer eurer Vereinigung, ganz besonders Prälat Michel Descamps, der sich lange im Dienst der kathohschen Erziehung eingesetzt hat. 2. Im Namen der ganzen Kirche möchte ich euch meinen tiefempfundenen Dank unc meine große Dankbarkeit für eure Tätigkeit aussprechen und durch euch dieser Dank jenen, die auf allen Kontinenten in der kathohschen Erziehung tätig sind, zukommen lassen. Euer Bulletin bezeugt den missionarischen Eifer, der die katholi sehe Erziehungsgemeinschaft beseelt. Ich schätze auch eure Anhänglichkeit unc eure Treue in der Befolgung der von der Kirche gegebenen Weisungen hinsichtlicl Erziehung und Bildung. Tatsächlich sind die verschiedenen Dokumente über die 488 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erziehung, die vor allem seit dem Konzil vom Lehramt der Kirche kommen, eine wichtige Quelle der Inspiration für euch. Ihr erfüllt eine der wesentlichen Aufgaben der gesamten Kirche: junge Menschen erziehen, um sie durch die verschiedenen Etappen ihres Wachstums zur menschlichen und christlichen Reife zu führen. Der hl. Johannes Chrysostomus faßte diesen Auftrag in die zwei zusammengehörenden Gebote: „Blickt jeden Tag aufmerksam auf die Jugend” und „Erzieht Wettkämpfer für Christus” (in: De V education des enfants, Nr. 22; 19 [vgl. Sources chretiennes, Bd. 188: „Sur la vaine gloire et Teducation des enfants.”]). 3. Wie das Thema eures Kongresses in Erinnerung ruft, ist es euer berechtigtes Anhegen, allen jungen Menschen unabhängig von ihren religiösen Überzeugungen und ihrer Rasse zu gestatten, die dem besonderen Fall entsprechende Erziehung zu erhalten, auf die sie schon kraft ihrer Personenwürde ein Recht haben (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis, Nr. 1). Nach dem Subsidiaritätsprinzip, dem die Kirche sehr verbunden bleibt (vgl. Brief an die Familien, Nr. 16), müssen die Eltern die - öffentliche oder private - Schule wählen können, der sie ihre Kinder anvertrauen wollen. Den Regierungen, die die schwierige Aufgabe haben, das Erziehungssystem zu organisieren, obliegt es, den Gebrauch dieser Freiheit konkret möglich zu machen. Es ist euer Ziel, darauf hinzuwirken, daß die lange Periode der Ausbildung in der Jugend dem Wachstum des ganzen Menschen und jedes Menschen dient, indem man eine elitäre Sicht der katholischen Schule vermeidet; denn diese ist aufgerufen, jedem die zur Entfaltung seiner Persönlichkeit, seines moralischen und geistlichen Lebens sowie für seine Einbindung in die Gesellschaft nötigen Möglichkeiten zu geben. Dieses Ziel beruht auf den evangelischen Grundsätzen, die eure Tätigkeit als Erzieher leiten. Das Interesse der katholischen Schule für die, die nicht immer die Mittel haben, um die Erziehung zu erhalten, nach der sie streben, ist auch ein Ausdruck des mütterlichen Auftrags der Kirche. Diejenigen, die geringe wirtschaftliche Mittel haben, die keine Hilfe bekommen, die ohne Glauben sind oder keine Familien haben, müssen zu den bevorzugten Empfängern der katholischen Erziehung gehören können (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 8). 4. Die katholische Schule kann sich nicht damit zufrieden geben, der jungen Generation eine intellektuelle Bildung zu vermitteln. Die Schulinstitution ist in der Tat für alle, Schüler und Lehrer, ein herzliches Milieu, eine große edukative Familie (vgl. Brief an die Familien, Nr. 16), wo jeder junge Mensch über seine Fähigkeiten und intellektuellen Möglichkeiten hinaus geachtet wird, die nicht als die einzigen Reich-tümer seiner Person gewertet werden dürfen. Das ist die Grundvoraussetzung, damit die Talente von jedem wachsen können. Es ist in der Tat ein ganz besonderer Auftrag der katholischen Kirche, Männer und Frauen heranzubilden, die in der Welt von morgen ihr Bestes zum Wohl der Gesellschaft und der Kirche zu geben fähig sind. Die verschiedenen katholischen Schuleinrichtungen dürfen die besondere Aufgabe, 489 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die ihnen zukommt, niemals aus den Augen verlieren. Abgesehen von der Notwendigkeit, einen qualitativ hochwertigen Unterricht zu bieten, müssen die Lehrer und Erzieher sich auch bemühen, zu den für alle menschliche Existenz wesentlichen sittlichen und geistlichen Werten hinzufuhren und selbst Christus zu bezeugen, Quelle und Mittelpunkt des ganzen Lebens. Es wird ihnen stets ein Anhegen sein, Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die in ihnen ist (vgl. 1 Petr 3,15). Die Bildung des Verstandes muß notwendigerweise mit der Bildung des Gewissens und der Entwicklung des sittlichen Lebens durch die Übung der Tugenden sowie mit dem sozialen Lernen und der Öffnung für die Welt einhergehen. Diese unerläßliche Gesamterziehung des Menschen ist der Weg der Entwicklung und der Förderung der Person und der Völker, der Weg der Solidarität und des brüderlichen Einvernehmens, der Weg Christi und der Kirche (vgl. Redemptor Hominis, Nr. 14). In der modernen Gesellschaft ist die Werte Vermittlung ohne Zweifel die schwerwiegendste Herausforderung für die gesamte Erziehergemeinschaft, die ihr bildet. Die Weitergabe einer Kultur kann nicht geschehen ohne die gleichzeitige Weitergabe dessen, was deren Grundlage und innerste Seele ist, die durch Christus geoffenbarte Wahrheit und Würde des Lebens und der menschlichen Person, die in Gott ihren Ursprung und ihr Ziel hat. So werden die jungen Menschen den tiefen Sinn ihres Daseins entdecken und die Hoffnung in sich nähren können. 5. Eure lange Tradition und eure große Erfahrung als Ausbilder geben euch einen anerkannten Platz in der internationalen Welt der Erziehung. Es ist eine Gelegenheit, die Stimme der Kirche hören zu lassen, deren erste Sorge die ganzheitliche Entwicklung der Person ist und nicht, wie die heutige Gesellschaft zu denken und zu tun versucht ist, die Rentabilität des Individuums innerhalb eines politischen und wirtschaftlichen Systems. Ich fordere euch also gerne auf, die verschiedenen möglichen Formen der Zusammenarbeit mit den Bischofskonferenzen fortzusetzen unc zu intensivieren, damit eure Sendung voll in die von den Hirten aufgestellten pasto-ralen Maßnahmen integriert ist, sowie die Zusammenarbeit mit den internationaler Organisationen und mit den verschiedenen kontinentalen und nationalen Vereinigungen, die im Dienst der Förderung des Unterrichts und der Bildung der Jugenc stehen. Gefragt ist eure Präsenz auch bei den Verantwortlichen der Nationen, dami die Sorgen der Kirche, was Fragen der Bildung, der Erziehung und der Achtung vo: den sittlichen Werten angeht, immer mehr Beachtung finden vor allem in Zeiten, wc die Erziehungsprogramme überarbeitet und den neuen wissenschaftlichen Normei angepaßt werden. Einige Länder bedürfen heute vermehrt eurer Unterstützung. Icl denke an die Länder der Dritten Welt, in denen Programme der Alphabetisierun; und der Basiserziehung entwickelt werden, sowie an die Länder des Ostens und ai die Länder im Krieg. Die Neugestaltung des Erziehungssystems ist einer der bevor zugten Wege des nationalen Wiederaufbaus und der Teilnahme am internationale: Leben. 490 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Am Ende unserer Begegnung möchte ich euch meines Beistands, meines Vertrauens und meines Gebets für das von eurer Organisation vollbrachte unermüdliche Werk versichern. Ich wünsche euch, daß ihr am Ende eurer Arbeiten gestärkt nach Hause aufbrecht, um eure Erziehungsaufgabe fortzusetzen. Indem ich euch der Fürbitte des hl. Johannes Bosco, des Jugendapostels, anvertraue, erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen, den ich gerne auf alle Mitglieder des Internationalen Büros für katholische Erziehung und deren Familien sowie auf die jungen Menschen, denen eure ständigen Bemühungen zugute kommen, erstrecke. Einheit der Kirchen - Aufbau Europas Ansprache an die Studenten der orthodoxen theologischen Fakultät von Thessaloniki am 5. März Liebe Freunde! „Gnade sei mit euch und Friede!” (1 Thess 1,1): Mit diesen Worten des Apostels Paulus an die Thessalonicher heiße ich euch willkommen, Studenten der theologischen Fakultät Thessaloniki. In Rom entdeckt ihr ein christliches Erbe, das zweifellos verschieden von dem euren ist, dieses jedoch ergänzt. Eure persönlichen Kontakte werden den brüderlichen Austausch der theologischen und spirituellen Schritte begünstigen, welcher ein Beitrag und eine Bereicherung für das Leben unserer Kirchen im Hinblick auf die Einheit sowie für den Aufbau des Europas der Völker und des Glaubens ist. In dieser Hinsicht ist das Werk der hll. Kyrill und Method, die ich mit dem hl. Benedikt zu Patronen Europas erklären wollte, für uns beispielhaft: Aus eurer Stadt kamen sie nach Rom, bevor sie in den Donauraum gingen, um das Evangelium zu verkünden. Mögt ihr nach dem Beispiel der heiligen Brüder aus Thessaloniki verbindende Elemente zwischen unseren beiden Traditionen und unseren Kirchen sein! Geistliche und geschichtliche Bande verbinden uns. Denn in Thessaloniki wie in Rom hat Paulus das Evangeüum verkündet. Seine Briefe an die Thessalonicher und an die Römer bleiben eine eindringliche Aufforderung, die Tiefe des Geheimnisses Gottes mit dem Verstand zu erfassen, um ihm ganz zu folgen. Eure Forschungen in der Theologie sollen euch zu einem immer tieferen Verständnis des lebendigen Wortes fuhren können, damit ihr dessen Zeugen bei den Menschen unserer Zeit seid, die darauf warten, den Retter der Welt zu kennen. Bei eurer Rückkehr in die Heimat bitte ich euch, euren Bischöfen, insbesondere Metropolit Panteleimon von Thessaloniki, sowie allen Professoren und Studenten der theologischen Fakultät meinen herzlichen Gruß zu übermitteln. Abschließend anempfehle ich euch der Barmherzigkeit der heiligsten Dreifaltigkeit und der Fürsprache der „Theotokos”, indem ich die Worte des Apostels Paulus wiederaufnehme: ,In unseren Gebeten (denken wir) an euch; unablässig erinnern wir uns ... an das 491 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werk eures Glaubens, an die Opferbereitschaft eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus unseren Herrn.” (1 Thess 1,2-3) Katholische Verbände - Förderer der Familien Ansprache an die die Delegierten der „Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände in Österreich” mit ihrem Leiter Dr. Johannes M. Martinek am 5. März Monsignore, liebe Schwestern und Brüder! Die Arbeitsgemeinschaft „Katholischer Verbände in Österreich” begeht heuer den 40. Jahrestag ihrer Gründung. Eurem Ansuchen nach einer Begegnung mit dem Nachfolger Petri aus diesem Anlaß bin ich gerne nachgekommen, und ich heiße Euch im Vatikan herzüch willkommen. Dieses Gründungsjahr ist für Euch als Verantwortliche im Präsidium, aber auch für die einzelnen Katholischen Verbände vor Ort Anlaß für eine Bilanz, ebenso aber für den Blick in die Zukunft mit den entsprechenden Akzentsetzungen für wichtige und entscheidende Aufgabenfelder, die vor uns hegen. Den Laien und ihrer Mitverantwortung in der Pfarrgemeinde und im kirchlichen Leben kommt heute eine erhöhte Bedeutung zu. Die Teilnahme der Laien an der Sendung der Kirche wurde vom II. Vatikanischen Konzil klar beschrieben: „Die Laien, die am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi teilhaben, verwirklichen in der Kirche und in der Welt ihren Anteil an der Sendung des gesamten Volkes Gottes” (Apostolicam aktuositatem, Nr. 2). Die Charismen, die allen Christen geschenkt worden sind (vgl. 1 Kor 12,11), müssen anerkannt und dankbar angenommen werden. Die Vereinten Nationen haben dieses Jahr zum Internationalen Jahr der Familie erklärt. Die Kirche hat sich dieser lobenswerten Initiative gern angeschlossen, da das Lehramt des Papstes und der Bischöfe der Familie als Ursprungsort des Menschen, Grundzelle der Gesellschaft und Wiege der Zivilisation eine vorrangige Bedeutung eingeräumt hat. Ich möchte Euch nahelegen, nicht nur in diesem Jahr einen besonderen Akzent Eurer Arbeit in den Katholischen Verbänden auf die Sorge um die Familie zu setzen. In der heutigen kulturellen Situation, die starke positivistische und utilitaristische Merkmale aufzeigt, wird es offensichtlich, daß sich „die Familie bedroh! fühlen muß, weil sie in ihren eigentlichen Grundfesten gefährdet ist. Alles, was gegen die Zivilisation der Liebe ist, ist gegen die Wahrheit über den Menschen insgesamt und wird für ihn zu einer Bedrohung” (Brief an die Familien, Nr. 13). Ebenso ermuntere ich Euch, mit allen Kräften zur Erneuerung der Kultur beizutragen, die als Ausdruck des ganzen Menschen in seinem Dienst stehen muß, verwurzelt in den besten Traditionen des Volkes. Kultur muß immer offen sein auf Trans zendenz hin. Nur diese Erneuerung wird in der Lage sein, dem menschlichen Lebei 492 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einen neuen Sinn zu verleihen, neue Pläne und neue Hoffnungen im persönlichen Bereich wie auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene wachsen zu lassen und schließlich eine menschenwürdige Zukunft zu gewährleisten. Dazu erteile ich Euch, die Ihr hier anwesend seid, Euren Familien und durch Euch allen Katholischen Verbänden Eures Landes sowie allen Laien, die die Präsenz der Kirche in der Welt gewährleisten, von Herzen meinen Apostolischen Segen. Zum Primat des Geistes Ansprache beim offiziellen Besuch des Präsidenten der Tschechischen Republik, Vaclav Havel, am 7. März Herr Präsident! 1. Mit großer Freude empfange ich Sie heute in diesem Haus, wohin Sie gewiß nicht zum ersten Mal kommen. In der Tat erinnere ich mich gerne an die Begegnungen, die wir in den vergangenen Jahren hatten und die immer von großer Herzlichkeit geprägt waren. Der heutige offizielle Besuch ist der erste, den Sie in der Eigenschaft des Präsidenten der neuen Tschechischen Republik machen nach den Schritten, die zu der historischen Trennung von Böhmen-Mähren und der Slowakei geführt haben - eine Trennung, die in beispielhaft friedlicher Weise erfolgt ist. So gilt Ihnen mein herzliches Willkommen, während ich Sie bitte, all Ihren Mitbürgern meinen Gruß und den Ausdruck meiner aufrichtigen Hochachtung zu übermitteln. 2. Am 1. Januar hat die neue Tschechische Republik ihr erstes Lebensjahr vollendet. Und am 2. Februar waren Sie in die oberste Verantwortung des Staatsoberhauptes gewählt worden. Es war unter vielen Aspekten ein für die Nation positives Jahr. Sie hat sich im zuweilen unruhigen Panorama des internationalen Lebens zunehmend behauptet mit den charakteristischen Eigenschaften, die schon immer die tschechisch-mährische Seele ausgezeichnet haben: Hartnäckigkeit, Geduld, Widerstandskraft vor der Ungunst des Schicksals, Anhänglichkeit an die eigenen Überlieferungen und zugleich unvoreingenommene Offenheit für das Neue. Die Republik hat gezeigt, daß sie ein vertrauenswürdiger und aufrechter Partner der anderen Nationen ist, so daß sie im dichten Austausch internationaler Beziehungen allgemein günstig aufgenommen wurde. In diesem Netz intelligenter Beziehungen hatte das kulturelle und moralische Ansehen nicht wenig Gewicht, das Sie in der Welt noch in den dunklen Jahren der Verfolgung erworben haben und das sich, angefangen von Ihrer Ernennung zum ersten Präsidenten der Förderation, bis heute weiter gemehrt hat. Die Tschechische Republik hat auch unleugbar innere Entwicklungen durchgemacht, selbst in den Schwierigkeiten, die man nicht verkennen kann. Die Fortschrit- 493 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN te auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge, der Wirtschaft, der Einführung des freien Marktes, der Investitionen des Auslandes und des Tourismus hegen sichtbar vor aller Augen. Gewiß haben diese Errungenschaften ihren Preis; es ist auch nicht die Gefahr zu vergessen, die zumal für die neuen Generationen die Mentalität des Permissivismus, des Hedonismus und des leichten Gewinns in das bürgerliche Zusammenleben bringen kann mit Auswirkungen, die für die Zukunft verhängnisvoll sein könnten. Doch der starke und großherzige Charakter der tschechischen Bevölkerung enthält auch die Antikörper, um sich vor solchen Gefahren zu schützen. Es fehlt nicht an ständigen Aufrufen von seiten der Kirche zur Wachsamkeit und zur Wahrnehmung der Pflicht, objektiv und entschieden zu reagieren. Gern erinnere ich hier daran, daß auch Sie, Herr Präsident, im vergangenen August in der Botschaft an die Jugendlichen, die sich in Velehrad geistig mit mir verbunden haben - der ich zum Weltjugendtag in Denver weilte - nachdrücklich den Primat des Geistes über das Vergängliche, des Seins über das Haben sowie die Brüchigkeit eines Lebenssystems herausgestellt haben, das sich einzig auf das Streben nach Geld gründet. 3. In dieser Stunde heiklen Übergangs, den Blick auf die Zukunft gerichtet, ist der ständige Bezug auf das kostbare geistige und religiöse Erbe nötig, das Böhmen und Mähren groß gemacht hat. Das gemeinsame Erbe der hll. Kyrill und Method ist ein sicherer Bezugspunkt, um die Flamme der Ideale hochzuhalten, die allein Wert besitzen und sich im Leben der Menschheit halten. Die beiden Brüder aus Thessalonich, diese unerreichbaren Missionare des christlichen Glaubens, waren auch Männer der Kultur, die dazu beigetragen haben, den slawischen Völkern ein gemeinsames sprachliches Erbe zu schenken und deshalb zugleich eine unleugbare Identität der Zivilisation, und zwar indem sie die Elemente der vorausgehenden historischen, ethnischen und sozialen Überheferungen aufgriffen. Auch unter diesem Aspekt stehen sie der tschechischen Seele nahe, die in ihnen ihre Vorliebe für die Werte der Kultur und der Religion klar ausgedrückt findet. Diese Werte wurden dann von Heiligen stark ins Licht gerückt, die eine einmalige Konstellation in der Geschichte des Landes bilden. In Ludmilla, Wenzeslaus, Adalbert, Hroznata, Agnes und Johannes Nepomuk ist das Streben nach Unverfälschtheit und Authentizität des christlichen Glaubens gerade im eigenen Land klar hervorgetreten. Und in gewisser Weise hat dieses Bestreben jenseits seiner Theorien auch das reformerische Wirken von Jan Hus bewegt - leider mit unglücklichem Ausgang für Kirche und Nation. Die derzeitigen Studien über seine Gestalt können zu einer positiven und konstruktiven Sicht des Problems beitragen, das die Geschichte des Landes so sehr getrübt hat. Dieser Reichtum an christlicher Spiritualität und Kultur bildet die Grundlage eurer Geschichte. Ich wünsche zutiefst, daß die heben Völker von Böhmen, Mähren unc Schlesien dieses Erbe immer als Kleinod in Ehren halten, denn darin hegt ihr größter Reichtum gegenüber den zersetzenden Kräften der arehgiösen und immanentisti- 494 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Mentalität, die für gewisse Strömungen des westlichen Denkens kennzeichnend ist. 4. Ich wünsche mir ferner, Herr Präsident, daß eine tiefe Weisheit und ein entschiedener Wille die Autoritäten des Staates zu einer Lösung der Probleme hinführen, die weiterhin ungelöst sind. Ich denke an die Fragen bezüglich des Religionsunterrichts an den staatlichen Schulen, bezüglich des geistlichen Beistands für Krankenhauspatienten, Häftlinge und vor allem bezüglich der Seelsorge, auf die die im Militär Dienst Tuenden ein Anrecht haben. Besonders möchte ich das Thema der Rückerstattung der Güter betonen, die der katholischen Kirche wie auch anderen christlichen Glaubensgemeinschaften und den jüdischen Brüdern und Schwestern vom atheistischen Regime böswillig entzogen wurden. Gewiß wird es nicht möglich sein, Kriterien einer totalen Gerechtigkeit anzuwenden und einfach zur vorkommunistischen Lage zurückzukehren. Doch ich wünsche mir, daß möglichst bald eine angemessene Lösung für dieses Problem gefunden wird, mit dem sich unter anderem die politischen und parlamentarischen Kräfte, der Episkopat der katholischen Kirche und auch die öffentliche Meinung beschäftigen. Wenn sie diesen Wunsch ausspricht, ist die Kirche von dem Anliegen geleitet, die tatsächliche Ausübung der Religionsfreiheit gesichert zu sehen. Sie fordert keine Privilegien, wohl aber, daß der notwendige Raum respektiert wird, in dem sie angemessen ihre Tätigkeit der Evangelisierung und der Förderung des Menschen zum Wohl der ganzen Gesellschaft ausüben kann. 5. Herr Präsident! Zum Schluß Ihres Besuches erneuere ich meine guten Wünsche für Ihre Person und die unermüdliche Tätigkeit, die Sie auf internationaler Ebene ausüben. Dabei erinnere ich an die absolute Dringlichkeit der Wahrung der geistlichen Werte, weil man sonst in ein ziviles und soziales Chaos zurückfällt und - was noch schlimmer wäre -in die für den Menschen am meisten zu fürchtende Blindheit: diejenige, in der er keinen Bezug zum Licht der Freiheit, der Würde und der Wahrheit mehr kennt. Mit Ihnen grüße ich die ehrenwerten Mitglieder Ihres Gefolges und richte auch einen ergebenen Gruß an die Autoritäten des Parlaments, der Regierang und des Gerichtswesens. In Ihnen grüße ich zugleich alle lieben Völker der Tschechischen Republik, die in dem herrlichen Land leben, das reich ist an historischen, malerischen Burgen, berühmten Abteien, herrlichen Kirchen und mit bekannten Heiligtümern: In diesem internationalen Jahr der Familie möchte ich zumal an das der seligen Zdlis-lava in Jablonne erinnern und vor allem an die, die der glorreichen Mutter Gottes geweiht sind: Svatä Hora, Starä Boleslav, Käjov, Filipov, Krtiny, Hostyn und viele andere. Möge die Tschechische Republik immer auf dem Weg gegenseitigen Verständnisses, echten Fortschritts und wahren Friedens zur Blüte kommen. Dies ist der Wunsch, den ich von Herzen an Sie, Herr Präsident, und an die ganze Nation richte. S Pänem Bohem! 495 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN UNO-Soldaten als Schadensbegrenzer in Bosnien Worte an eine Gruppe von kanadischen Soldaten, Mitglieder der FORPRONU in Bosnien, auf dem Heimweg am 10. März Herr Oberst, liebe Freunde! Ich danke euch, daß ihr auf dem Weg eurer Rückkehr nach Kanada mir einen Besuch machen wolltet. Ich schätze mich glücklich über diese Gelegenheit, euch zu begrüßen, Soldaten des hundertzwanzigsten kanadischen Panzerregiments, die gerade an dem schweren und heiklen Auftrag der FORPRONU in Bosnien teilgenommen haben. Ihr wißt, mit welcher Aufmerksamkeit und Beunruhigung die Kirche Tag für Tag die Situation in Bosnien verfolgt. Für all das, was vom Heiligen Stuhl abhängen kann, sparen wir keine Mühe, um zu Friedensbestrebungen in Achtung vor den Menschen, ihrem Familienleben, ihrem sozialen und religiösen Leben zu ermutigen. Und ich lege Wert darauf, euch die große Hochschätzung auszusprechen, die ich für die „Blauhelme” der verschiedenen Nationen hege, die in sehr schwierigen Situationen dazu beitragen, die Kriegshandlungen zu begrenzen und dieses unglückliche Land dem von all seinen Bewohnern ersehnten Frieden näherzubringen. Mit lobenswerter Beharrlichkeit seid ihr wirksame Träger der internationalen Solidarität gewesen. Eure Präsenz hat es der humanitären Hilfe gestattet, Bevölkerungskreise zu erreichen, die infolge der endlosen Drangsale und Belagerungen in psychologische und materielle Verhältnisse geraten waren, welche an der Grenze des menschlich Erträglichen liegen. Ohne das Eingreifen der „Blauhelme” wäre die Situation noch schlimmer gewesen, wie wir wissen. Im Rahmen dieser kurzen Begegnung möchte ich euch einfach im Namen all jener danken, denen ihr geholfen habt. Und es ist mein Wunsch, die Erinnerung an eure Mission möge aus euch überzeugte Bauleute des Friedens machen, die immer für Solidarität offen sind, das Herz erfüllt von Liebe zu all unseren Menschenbrüderr. und -Schwestern. Damit der Herr euch auf eurem Weg helfe, erteile ich euch gern meinen Apostolischen Segen. Streitkräfte im Dienst der Verteidigung von Freiheit und Sicherheit Ansprache an die Militärbischöfe am 11. März Verehrte Brüder im Bischofsamt! 1. Herzlich begrüße ich einen jeden von euch und spreche euch für diesen willkom menen Besuch zum Abschluß der Arbeiten des Dritten internationalen Kongresse 496 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Militärbischöfe meine Freude aus. Ich danke Bemardin Kardinal Gantin für die höflichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat, und freue mich über die glückliche Initiative der Kongregation für die Bischöfe, euch in der Ewigen Stadt zu versammeln, damit ihr eure Erfahrungen austauschen und über die pastorale Aufgabe nachdenken könnt, die ihr im Dienst an den Mitgüedem der Streitkräfte erfüllt. Die heutige Begegnung bietet mir Gelegenheit, vor allem meine Wertschätzung für diesen besonderen Dienst auszusprechen, den ihr in unermüdlicher Hochherzigkeit ausübt. Ich möchte euch ferner versichern, daß ich euch nahe bin und in der Tiefe eure Anhegen teile. Die Präsenz der Kapläne in der Welt des Militärs ist äußerst wichtig, denn durch ihren Dienst spendet die Kirche überreich die Heilsmittel den Gläubigen aus, die in diesen besonderen Lebensverhältnissen weilen, und sie hilft ihnen zugleich, sich ein richtiges Gewissen für ethische Fragen von lebenswichtigem Interesse zu bilden, vor allem was die Erziehung zum Frieden angeht. Die Militärseelsorge verdient daher große Hochachtung und Aufmerksamkeit. 2. Aus dem Arbeitsprogramm eures Kongresses, der zehn Jahre nach dem vorherigen auf der soliden Grundlage der Apostolischen Konstitution Spirituali militum curae, stattfmdet, habe ich mit Genugtuung ersehen, daß ihr das Thema der neuen Evangelisierung in der Welt des Militärs behandelt habt. Ihr habt dabei eure Überlegungen auf die Identität der Kirche konzentriert, die in diesem Bereich tätig ist, auf ihr besonderes pastorales Wirken, auf die typische Rolle des Militärkaplans und ferner auf die Sendung, die der gläubige Laie im Bereich der Streitkräfte auszuüben berufen ist. Ich wünsche von Herzen, daß auch das Studium und der Dialog dieser Tage zur Erneuerung des apostolischen Schwungs bei denen beitragen, die das Evangelium jenen verkünden, die in Ausübung ihres Dienstes für das Vaterland in den Reihen des Heeres zur Festigung des Friedens beitragen wollen. Nach dem glücklichen Ausdruck des Zweiten Vatikanischen Konzils dürfen sie sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker betrachten (vgl. Gaudium et spes, Nr. 79). 3. Die pastorale Aufmerksamkeit gilt an erster Stelle der Person des Soldaten und seiner Familie. Der Mensch und die Familie sind stets die von der Kirche bevorzugten Wege in ihrem apostolischen und missionarischen Wirken. Die christliche Bildung des Soldaten, die Wege des Glaubens zur Vorbereitung auf die Sakramente, zumal auf die Firmung und die Ehe, können günstige Gelegenheiten bieten, die Grundlagen eines reiferen geistlichen Lebens zu legen und zu festigen durch die Heiligung der einzelnen und der Familien. Sie können Gemeinschaften lebendig werden lassen, die in der Welt des Militärs die Erfahrung von „Communio” und Apostolat machen. Bei diesem Werk der Evangelisierung können die gläubigen Laien unter den Solda-:en, die einen integralen und den überwiegenden Teil eurer Einzelkirchen bilden, gemeinsam mit den Kaplänen eine sehr wirksame pastorale Arbeit leisten. Auch aeim Militär ist die Beteiligung der Laien an der Sendung der Kirche unerläßliche 497 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Voraussetzung für eine Evangelisierung, die jeden menschlichen Bereich in seiner Tiefe und Ganzheit zu erfassen versteht. 4. Die Aufmerksamkeit richtet sich an zweiter Stelle auf die militärische Tätigkeit, damit sie nicht mit einem angreiferischen Rriegsapparat gleichgesetzt, sondern als Streitmacht im ausschließlichen Dienst der Verteidigung von Sicherheit und Freiheit der Völker erkannt wird. Dies gilt zumal für die Fälle, in denen die Streitkräfte in internationaler Zusammenarbeit unter Führung der UNO zur Verteidigung der Menschenrechte eingreifen, wo immer diese verletzt werden, und humanitäre Hilfe in Gebieten ermöglichen, die von Hungersnot, Epidemien oder anderen Katastrophen befallen sind. Die Welt der Streitkräfte evangelisieren bedeutet in diesem Sinn, den Soldaten das Neue im Verständnis ihrer eigenen Rolle bewußt machen, so daß der Soldat in der öffentlichen Meinung auch als Friedensstifter dasteht. Der historische Zusammenhang, in dem wir nach dem Fall der Mauer von Berlin und der Überwindung des „kalten Krieges” leben, macht dieses Bild des Soldaten immer mehr aktuell. Zahlreich sind die humanitären und Friedensmissionen, welche die Vereinten Nationen in verschiedenen Ländern in allen Teilen der Welt tragen, je nach den spezifischen Erfordernissen der örtlichen Situationen. Das Prinzip der Nichtgleichgültigkeit - oder, positiv ausgedrückt, des humanitären Eingreifens - angesichts der Dramen der Völker weist dem Soldaten und dem Heer eine neue und wichtige Rolle zu, für die das Evangelium stärkere und entscheidendere Motive bieten kann als alle politischen und wirtschaftlichen Vemunftgründe. Die Christen, die in einem solchen Rahmen als einzelne gläubige Laien und als Angehörige kirchlicher Gemeinschaften arbeiten, können dieser neuen Auffassung vom militärischen Dienst großen Impuls geben, sei es durch Bildung der Gewissen, sei es durch eine wirksamere Verbreitung der Werte der Gerechtigkeit, Solidarität und des Friedens: Werte, die die Grundlage für eine echte internationale Ordnung bilden. Der „Dienst am Frieden unter Waffen” kann damit zur neuen Verkündigung des Evangeliums in der Welt des Militärs werden, und die christlichen Soldaten sowie ihre Gemeinschaften müssen deren erste Herolde sein. 5. Ehrwürdige Brüder, die Menschheit braucht heute mehr denn je Christus, den Fürsten des Friedens: nach seinem Frieden dürsten die Herzen der Menschen. Das Näherkommen des dritten christlichen Jahrtausends bietet allen Gläubigen einen weiteren Grund, sich apostolisch einzusetzen. Fühlt euch daher aufgerufen, meine Lieben, mutig die dem Evangelium gemäße Sendung unter den Soldaten zu fördern, damit auch sie das Evangelium vom Frieden aufnehmen und mit allen Mitteln seine Diener werden. Der Herr festige auf die Fürbitte der Jungfrau Maria dieses Bemühen, und mache euren Dienst immer fruchtbarer! Euch und allen euren Mitarbeiterr erteile ich meinen Segen. 498 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Recht und Sinn des Beichtgeheimnisses Ansprache an die Mitglieder der Apostolischen Pänitentiarie und die Beichtväter der Römischen Basiliken sowie eine Gruppe von Studenten am 12. März 1. Ich danke dem Herrn, der mir auch in diesem Jahr die Freude eurer Anwesenheit schenkt. Ich danke Ihnen, Herr Kardinal Großpönitentiar, für Ihre an mich gerichteten herzlichen Worte. Ich freue mich über eure Anwesenheit, Prälaten und Offiziale der Pönitentiarie und ordentliche sowie außerordentliche Beichtväter der Patriarchalbasiliken dieser Stadt. Gern begrüße ich auch euch, junge Priester und Weihekandidaten für das Priestertum. Dem Verlangen nach nehmt ihr bereits euren heiligen Dienst vorweg, und darum wolltet ihr euch für eine seiner erhabensten und zugleich heikelsten Aufgaben besonders vorbereiten und habt den Kurs über den Gewissensbereich mitgemacht, den die Apostolische Pönitentiarie jedes Jahr organisiert und durchführt. Diese Freude kommt an erster Stelle daher, daß ich eure aufrichtige Ergebenheit gegenüber der Kathedra des Petrus feststelle. An deren Vorrang hat Kardinal Baum erinnert, indem er sich auf das ehrwürdige Zeugnis des Irenaus (potior principalitas) bezog. Die Freude erfließt ferner aus der Gelegenheit, die unsere Begegnung mir bietet, auf Themen zum Bußsakrament einzugehen, das für die Kirche immer von lebenswichtiger Bedeutung und heute besonders aktuell ist. 2. Von Herzen dankbar bin ich den Mitgliedern der Pönitentiarie und den Beichtvätern, weil sie ihre besten Kräfte der Pastoral der Versöhnung widmen. Zugleich möchte ich betonen, daß die Existenz eines Dikasteriums mit dieser spezifischen Aufgabe und die vollzeitliche Bestimmung so vieler Priester aus bedeutenden Ordensfamilien für diesen Dienst in den Hauptbasiliken Roms ein Hinweis dafür ist, daß der Hl. Stuhl dieser sakramentalen Aufgabe eine bevorzugte Stellung gibt. Gern möchte ich ferner betonen, daß der Dank nicht nur den einzelnen Beichtvätern gilt, sondern auch ihren Ordensfamilien, weil sie dieses Bedürfnis und die einzigartige Frucht des Guten wohl verstanden haben, die sich daraus ergibt und in harmonischer Zusammenarbeit mit der Apostolischen Pönitentiarie und aufgrund von jahrhundertealten Verfügungen der Päpste hochherzig und unter Opfern die geeigneten Kräfte zur Verfügung stellen. Gewisse Einzelheiten ihrer Gewohnheiten ordnen sie dabei in höherer Absicht der besonderen, vom Hl. Stuhl zugewiesenen Aufgabe unter. 3. Ich möchte ferner eure Herkunft aus den verschiedenen Kontinenten hervorheben. Dieser Umstand entspricht der Absicht des Papstes, allen Beichtvätern der Welt seine Überlegung, Empfehlung und Hoffnung hinsichtlich des Dienstes der Versöhnung zukommen zu lassen. Dieser Dienst muß in seinem sakralen Charakter, ganz abgesehen von den theologischen, juridischen und psychologischen Motiven, geschützt werden, auf die ich bei voraufgehenden ähnlichen Ansprachen eingegangen 499 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bin, und auch wegen der liebevollen Achtung, die er als Dienst beim innersten Verhältnis des Gläubigen mit Gott verdient. Gott ist es ja, den die Sünde beleidigt, und Gott ist es, der die Sünde verzeiht, er, der durchschaut, „was im Menschen ist”, also das persönliche Gewissen, und der sich würdigt, in das heilende und heiligende Gespräch den Priester als Menschen einzubeziehen und ihn zu der unaussprechlichen Würde zu erheben, daß er „in der Person Christi” handeln kann. Da unser Herr Jesus Christus festgelegt hat, daß sich der Gläubige seiner Sünden vor dem Diener der Kirche anklagt, hat er damit zugleich die absolute Geheimhaltung der Inhalte der Beichte gegenüber allen anderen Menschen und jedweder sonstigen irdischen Autorität und unter allen Umständen verfügt. Das geltende Kirchenrecht regelt dieses Recht bzw. diese Pflicht, die auf göttlicher Verfügung beruht, in den Canones 728, Paragraph 1, n. 1, und 1456, Paragraph 1 im Codex der Canones der Orientalischen Kirchen für die Kirchen dieses Ritus, für die Kirche des lateinischen Ritus aber in den Canones 983 und 1388 des Codex des Kirchenrechtes. Es ist sehr bezeichnend, daß der neue Codex zwar in fast allen übrigen Bereichen des Strafrechts die Sanktionen für die Übertreter gemildert, in diesem Punkt aber die höchsten Strafen beibehalten hat. 4. Dem Priester, der die sakramentalen Beichten hört, ist es ausnahmslos verboten, die Identität des Beichtkindes und seine Schuld zu offenbaren; zumal was schwere Schuld angeht, darf der Priester nicht einmal in allgemeiner Form reden; was abei die läßlichen Sünden angeht, darf er absolut nicht die Art und erst recht nicht der einzelnen Akt der Sünde mitteilen. Es genügt aber nicht, was die Identität der Person und ihrer Sünden angeht, zt schweigen: Man muß die Schweigepflicht auch beachten, indem man jede Offenbarung von Tatsachen und Umständen vermeidet, deren Erinnerung, auch wenn es siel nicht um Sünden handelt, dem Beichtenden unangenehm sein könnte, zumal wenr ihm das Sprechen darüber Unannehmlichkeiten bereitet. Dazu ist das Dekret des Hl. Offiziums zu beachten (DS, 2195), das nicht nur die Verletzung des Beichtsiegels kategorisch verurteilt, sondern auch die Verwendung des in der Beichte gewonnenen Wissens, wenn dies eine Belastung des Beichtenden mit sich bringt Diese absolute Geheimhaltung der Sünden und die pflichtmäßige strenge Vorsich bei den übrigen eben erwähnten Dingen binden den Priester und verbieten ihm nich nur eine eventuelle Offenbarung an dritte Personen, sondern auch das Anspielen au Inhalte der Beichte gegenüber dem Beichtenden selbst, außerhalb des Sakramentes wenn er nicht selbst ausdrücklich zustimmt, und um so weniger, wenn es nicht ge fordert ist. 5. Direkt kommt diese gänzliche Zurückhaltung dem Beichtenden zugute. Deswegei zieht sich dieser weder eine Sünde noch eine kanonische Strafe zu, wenn er spontai und ohne Schaden für Dritte außerhalb der Beichte mitteilt, was er gebeichtet hat Es hegt aber auf der Hand, daß der Beichtende wenigstens aufgrund der in den Din gen selbst hegenden Verpflichtung wegen der Pflicht der Billigkeit, und ich möchti 500 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hinzufügen, aus einer edlen Haltung gegenüber dem Priester als Beichtvater, auch seinerseits das Schweigen über das wahren muß, was ihm der Beichtvater im Vertrauen auf seine Verschwiegenheit innerhalb der sakramentalen Beichte sagt. Hier muß ich pflichtgemäß an das erinnern und bekräftigen, was in einem Dekret der Kongregation für die Glaubenslehre (vgl. AAS 80[1988] 1367) zur Unterdrückung und Verhinderung der Angriffe auf den sakralen Charakter der Beichte durch die Medien der sozialen Kommunikation verfügt worden ist. Ich muß ferner einige unpassende und schädliche Fälle der Indiskretion bedauern, die in diesem Punkt kürzlich zum Mißfallen und Leiden der Gläubigen vorgekommen sind: „Möge sich niemand daran ein Beispiel nehmen!” 6. Die Priester mögen bedenken, daß ihr Leichtsinn und ihre Unklugheiten auf diesem Gebiet, auch wenn sie nicht die schlimmsten Fälle betreffen, die im Strafgesetz vorgesehen sind, Ärgernis erregen und die Gläubigen davon abhalten, das Bußsakrament zu empfangen. Sie schmälern den zweitausendjährigen Ruhm des Sakramentes, das auch seine Märtyrer gehabt hat: wie den hl. Johannes Nepomuk, den ich an Stelle aller erwähne. Die Gläubigen aber, die das Bußsakrament empfangen, mögen bedenken, daß, wenn sie den Priester als Beichtvater anklagen, sie einen Menschen angreifen, der sich nicht verteidigen kann: Die göttüche Einsetzung und das Gesetz der Kirche verpflichten ihn nämlich zu vollständigem Schweigen, „auch bis zum Vergießen des Blutes”. Ich vertraue darauf, daß, Gott Dank, für keinen der hier Anwesenden diese Kritik gilt. Für alle gilt aber die Mahnung, und wir alle müssen in ständigem Gebet den Heroismus einer unbefleckten Treue zum heiligen Schweigen erflehen. Um aber nicht bei diesem negativen Eindruck zu bleiben, möchte ich noch das Positive hinzufügen, das sichtbar wird, vor allem den großen Zustrom von Gläubigen, die in Rom und anderswo, besonders an Wallfahrtsorten, zum Beichten kommen. Das ist eine Wiedergeburt des Sakramentes, zumal unter den Jugendlichen, wie es bei den Weltjugendtagen deutlich wurde, insbesondere in Denver. Wenn es nicht an Beichtwilligkeit fehlt, so fehlt es aber auch nicht an Beichtvätern. Wenn man einmal gefürchtet hat, das Sakrament der Versöhnung geriete in Vergessenheit: Heute sind wir Zeugen seiner Wiederbelebung. Und das heißt, daß der Heilige Geist immer anwesend ist und durch uns und über uns wirkt, daß er seine Wege findet und wir die Früchte seines Wirkens entgegennehmen dürfen. Damm freue ich mich. Ich möchte, daß unser heutiges Treffen auch eine freudige Begegnung sei, eine vorösterliche Begegnung, mit österlichen Wünschen, die immer voll Freude über die Auferstehung sind. Immer ist die Auferstehung gegenwärtig im Bußsakrament. Viele erstehen zu neuem Leben, auch große Sünder. Es ist das Verdienst vieler religiöser Bewegungen, die Jas Bewußtsein von der Bedeutung des Sakramentes der Buße und der Vergebung reu geweckt haben, auch bei Kriminellen und Briganten. Ich habe mit solchen Men- 501 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen gesprochen. Wir müssen immer wieder der großen heiügen Beichtväter der Kirche gedenken, wie wir sie kennen im hl. Johannes Nepomuk, im hl. Pfarrer von Ars, Jean-Marie Vianney, und wie es in unserer Zeit Pater Pius war. Auch in Rom kennt man viele große Beichtväter der Vergangenheit und der Gegenwart bei den Patres der einzelnen Ordensgemeinschaften. Es gibt wirkliche Märtyrer des Beichtstuhls in verschiedenen römischen Kirchen, wie im Petersdom. Meine Ermahnungen und Wünsche vertraue ich der Barmherzigkeit Jesu, des höchsten und ewigen Priesters, an und den Bitten der heiligen Jungfrau Maria, Mutter der Kirche und Zuflucht der Sünder, während ich allen als Unterpfand ständiger Verbundenheit meinen Segen erteile. Den Geist gegenseitiger Achtung für ein aufbauendes Miteinander verbreiten Ansprache an die Pilger aus der Slowakei am 12. März Meine Herren Kardinale, verehrte Brüder im Bischofsamt, hebe Brüder und Schwestern aus der Slowakei! 1. Herzlich willkommen im Haus des Petrus! Vor ungefähr vier Jahren, als ich mich am Ende der erinnerungswürdigen eucharisti-schen Feier am Flughafen Vajnory (Bratislava) von den slowakischen Gläubiger verabschiedete, brachte ich den Wunsch zum Ausdruck, es möge sich nicht um einen endgültigen Abschied, sondern um ein „Auf Wiedersehen” handeln. Und heute also, meine Lieben, hat der Herr mich mit einem neuerlichen Besuch von eurem geliebten Volk beschenkt, das ihr auf dieser Pilgerfahrt so vorzüglich und zahlreicl vertretet. Es vergeht kaum eine Woche, in der ich nicht die Freude habe, bei meinen Audien zen eine große Zahl slowakischer Pilger zu empfangen, aber die heutige ist ein« ganz besondere Begegnung. Ganz besonders war in der Tat der Beweggrund, de euch zu mir geführt hat, ein Grund, der Anlaß zur Freude und zum Feiern gibt: dit freudigen Ereignisse des siebzigsten Geburtstags und des fünfundvierzigjährigei Priesterjubiläums des verehrten Kardinals Jozef Tomko, den ich mit brüderliche Zuneigung begrüße und beglückwünsche und dem ich meine Anerkennung für seini wertvollen Dienste ausspreche, die er getreu dem Motto seines Bischofswappen „ut Ecclesia aedificetur” der Errichtung der Kirche erweist. Ich freue mich, mit ihm auch den Kardinal Jan Chrizostom Korec SJ zu begrüße) sowie den Bischof und die Gläubigen der Diözese Kosice und der Pfarrei Udavske der Gemeinde, aus der Kardinal Tomko stammt. Ich begrüße weiterhin jeden de anwesenden Bischöfe und Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, Erstlings fruchte des Gottesreiches in eurem Land. Ein ganz besonderes Willkommen gi 502 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weiterhin allen Familien, denen dieses Jahr gewidmet ist. Ohne den Glauben der katholischen Familien kann die Kirche nicht leben, und davon seid ihr alle Zeugen, die ihr eine lang währende, harte Religionsverfolgung durchgemacht habt. 2. Die Kirche in der Slowakei hat sich erst kürzlich wieder erholt und geht nun frisch gestärkt ihren Weg. Folglich befindet sie sich momentan in einer Phase des Wiedererwachens, des Wiederauflebens, der geistigen Erneuerung - wie es auch die Fastenzeit besagt, in der wir jetzt stehen: Wir sollen „von oben her wiedergeboren werden” (Joh 3,3.7) aus der Liebe Gottes und der Treue zu seiner Gnade und seiner Wahrheit. Die Wiedergeburt bedeutet eine Rückkehr zu den geistigen Wurzeln, die das Reich Gottes in den Boden und in die Geschichte der Menschheit verankert hat. In eurem Fall sind diese Wurzeln von den Heiligen Kyrill und Method gesetzt worden. Euer heutiger Besuch ist eine Pilgerfahrt zum Petrusgrab hier in Rom, wo auch der Leib des Kyrill ruht. Es ist ein Gegenbesuch auf die Pilgerfahrt des Bischofs von Rom an die Orte, die mit dem Leben des Heiligen Method in Zusammenhang standen. An jenem denkwürdigen Tag sagte ich, was ich euch heute wiederhole: „Bleibt in der Freiheit, zu der euch Christus befreit hat” (vgl. Gal 5,1). Möge Jesus Christus immer das Licht, das lieben und der Sieg des slowakischen Volkes sein. Mögen Kyrill und Method weiterhin eure Lehrmeister sein, in jeder Zeit und in jeder kirchlichen Situation; blickt immer auf sie, um den Primat des Glaubens, des Gebets und des Wortes Gottes anzuerkennen; blickt auf sie, um unterscheiden zu können, wie das Evangelium mit dem Leben Zusammentreffen, es erleuchten, reinigen und erheben kann. 3. Aus den gleichen Wurzeln geht auch die wahre moralische Erneuerung eures Volkes hervor, beginnend mit dem Bewußtsein jedes Getauften, um im persönlichen Leben und im Familienleben fruchtbar zu werden und dann die gesamte Gesellschaft zu erreichen durch Förderung des Gemeinwohls in Eintracht und Solidarität. Ich verfolge diesen Weg der Erneuerung, der im Rahmen des Zehnjahresplans für die Pastoral eingeschlagen wurde, mit anteilnehmender Aufmerksamkeit. Ich ermuntere euch, ihn mit neuem Schwung beharrlich weiterzugehen. „So wird eurem Glauben Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil” (I Petr 1,7) - wie der Apostel Petrus „an die Auserwählten, ... die in der Zerstreuung leben”, (ebd., 1,1) in Kleinasien schrieb. Lm Hinblick auf das Anwachsen eurer Gemeinden in religiöser Hinsicht dank angemessener pastoraler Initiativen, für die ich zu weiterem Einsatz anspome, möchte :ch meine Wertschätzung aussprechen. Ich denke dabei ganz besonders an die Fa-milienpastoral, die die Basis für die Bildung der neuen Generationen bildet, wenn hr dementsprechende Bedeutung zukommt. In diesem Zusammenhang bete ich da-ür, daß die Priesterseminare und Noviziate nach schöner Tradition in eurem Land mmer von tiefem religiösen und apostolischen Eifer getragen sein mögen. 503 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Laienbewegungen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zu diesem Wachstum, indem sie die Religiosität und die Tätigkeit in den verschiedenen Lebensbereichen, worunter die Familie, die Kranken und die Behinderten zu nennen sind, fördern. Eine wertvolle und bedeutsame Frucht der Zusammenarbeit mit der göttlichen Vorsehung ist sicherlich die missionarische Kooperation, die eure Gemeinden entwickeln und die einmal mehr zeigen, daß eine Kirche, die wegen des Glaubens Leid erfahren mußte, fähig wird, dem mystischen Leib Christus Energie einzuflößen. 4. Den gläubigen Laien möchte ich ein paar ganz spezielle Worte der Ermutigung aussprechen, die auch mit dem in Übereinstimmung stehen, was ich in diesen Wochen während der gewohnten Mittwochskatechese erläutere. Liebe Brüder und Schwestern, ich möchte euch dazu auffordern, großmütig die euch in den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens zukommende Verantwortung auf euch zu nehmen: für die Kultur, die Wirtschaft, die Politik und die gesellschaftlichen Kommunikationsmittel. Keineswegs handelt es sich dabei natürlich darum, aus egoistischem Interesse bestimmte Bereiche zu besetzen, und noch weniger darum, unlautere Mittel für gute Zwecke einzusetzen: ganz im Gegenteil, das wären Versuchungen, vor denen man sich in acht zu nehmen hat. Es handelt sich vielmehr darum, der davon grundverschiedenen Logik des Sauerteigs aus dem Evangelium zu entsprechen, der aus dem Inneren heraus die gesamte Masse aufgehen läßt. Es ist die Logik des Reiches Gottes, das an die Verfügbarkeit und auch den Mut der Laien als Einzelpersonen und als Gruppe appelliert. Die gegenwärtige Situation ist, nach dem ersten Enthusiasmus der Befreiung, von einigen Schwierigkeiten - wie Arbeitslosigkeit und Geldentwertung - gekennzeichnet, die den harten Einsatz jedes einzelnen erfordert. Dabei ist es wichtig, den Mu( nicht sinken zu lassen und sich nicht von Gefühlen der Entmutigung bestimmen zu lassen, nicht mit Individualismus zu reagieren und nur im eigenen Interesse zu handeln, sondern sich gegenseitig zu helfen und die Schwierigkeiten zur Gelegenheit zi nehmen, gemeinsam und vereint zu wachsen. In diesem Zusammenhang seid ihr als Mitglieder der Kirche dazu aufgerufen, in dei Gesellschaft den Geist gegenseitiger Achtung für ein aufbauendes Miteinander zi verbreiten. Der Herr schickt euch als seine Boten aus: Jetzt, da die Religionsfreihei sich neuerlich durchgesetzt hat, ist die Zeit einer neuen Evangelisierung angebrochen, die mit dem mutigen Zeugnis der Gläubigen im Alltag beginnt. Wir danket Gott, daß die Zeit der Verfolgung vorbei ist. Aber die Zeit, „jedem Rede und Ant wort zu stehen, der euch nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt” (7 Petr 3,15), is nicht vorbei und wird es auch niemals sein. 5. Dies, meine Lieben, sind die Gedanken, die ich euch auf den Weg mitgebei wollte. Vertrauen wir sie der mütterlichen Fürsprache der heiligen Jungfrau Mari; und den Heiligen Kyrill und Method an, wie auch alle Vorsätze und Gebete in eure; Gemeinden und Familien. 504 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich möchte nochmals meine tiefe Dankbarkeit für euren Besuch, den Ihr dem Nachfolger Petri machen wolltet, zum Ausdruck bringen sowie meine herzlichsten Wünsche für Kardinal Jozef Tomko, dem ich eine noch lange währende und fruchtbare Ausübung seines wertvollen Dienstes wünsche. Ich ersuche euch alle, der Anhegen des Papstes im Gebet ständig zu gedenken und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen, den ich auf eure Angehörigen - und dabei vor ahem auf die Kranken, Alten und Kinder - und auf das gesamte slowakische Volk ausweite. Gebet für und mit Italien - ein Blick in die Geschichte Betrachtung bei der Konzelebration mit den italienischen Bischöfen am Grab des hl. Petrus am 15. März 1. „Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt...” Mit diesen Worten sagen wir Gott täglich Dank für die Gaben, die er uns ihm darzubringen gestattet, für Brot und Wein. Diese Gaben versinnbilden ahes, was der Mensch vom Schöpfer empfängt und was er seinerseits Gott darbringt als Frucht der Arbeit seiner Hände, als Frucht der Zivilisation und Kultur. In ihnen kommt der Mensch und seine Geschichte zum Ausdruck. So tragen die Nationen, Völker und Kulturen ihre Gaben herbei und fügen sie ein in die große universale Gemeinschaft, wie das Zweite Vatikanische Konzil in Erinnerung gerufen hat. Kraft dieser Gemeinsamkeit der Gaben wächst nicht nur die Kirche, sondern auch die Menschheit. Sie geben dieser Gemeinschaft verschiedener Völker eine angemessene Dimension. Kraft dessen verläuft das Leben der Menschheit trotz aller gegensätzlichen Tendenzen auf den richtigen Wegen der Gegenseitigkeit, der Solidarität und der Einheit. Heute beginnt das Große Gebet für Italien. Es ist das Gebet der Kirche, die in dieser Nation lebt, das Gebet aller Hirten, die hier vom Ständigen Rat der Bischofskonferenz vertreten werden, das Gebet einer jeden Emzelkirche, das Gebet des ganzen Volkes Gottes, das seit zweitausend Jahren auf den Wegen dieser von der Vorsehung besonders gesegneten Erde pilgernd unterwegs ist. Wir treffen uns heute am Grab des hl. Petrus, um das Große Gebet zu eröffnen, das neun Monate des laufenden Jahres hindurch weitergehen soll, um seinen Abschluß am 10. Dezember in Lo-reto zu finden. Wir danken vor allem für das Erbe der Apostel Petrus und Paulus. Der erste von ihnen, ein Fischer aus Galiläa; der zweite ein gebildeter römischer Bürger aus Kleinasien, dem Ursprung nach Hebräer und Pharisäer der Diaspora, aufgewachsen im direkten Kontakt mit der griechisch-römischen Welt. Wir werden nie genug staunen über die Fügungen der göttlichen Vorsehung, die Petrus direkt von Jerusalem Aber Antiochien hierher nach Rom führen wollte. Nicht weniger staunenswert ist aber der Plan der Vorsehung, die Paulus von Tarsus durch Griechenland führte: über fhessalonich, Philippi und Korinth nach Athen. Auf diese Weise begegneten sich 505 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die beiden Elemente unserer Kultur, die aus Jerusalem und aus Athen schöpfen, in Rom. Heute müssen wir unbedingt Gott für dieses Erbe des Glaubens und der Kultur danken, das die Grandlage der Geschichte Italiens bildet und deren Entfaltung im Verlauf von zweitausend Jahren fortschreitend geprägt hat. Wir werden uns klar der Tatsache bewußt, daß die göttliche Vorsehung durch Petrus in besonderer Weise die Geschichte Italiens mit der Geschichte der Kirche verbunden und wie sie durch Paulus die Geschichte Italiens auch mit der Geschichte der Evangelisierung der ganzen Welt verknüpft hat. 2. Wir danken ferner für das großartige Zeugnis, das hier in diesem Land für Christus gegeben wurde, gleichsam als Beispiel für das Zeugnis, das im Verlauf der Jahrhunderte von den Bekennern für Christus, und zumal von den Märtyrern, an zahlreichen weiteren Orten bis in unsere Tage hinein abgelegt werden sollte. Das Martyrium ist das umfassendste Zeugnis, das man für Christus geben kann. Es hat hier in Rom eine einzigartige Dimension angenommen. Auch an anderen Orten, zumal in bestimmten Zeiten, waren die Christen Gegenstand der Verfolgung, aber Rom wird für immer das Symbol des Martyriums aus Liebe zu Christus bleiben, und der Zirkus, die Fackeln des Nero und die Katakomben werden es ständig allen Generationen verkünden: „Das Blut der Märtyrer ist der Same für neue Christen.” Diese Worte haben gerade hier in Itahen ihre beredteste historische Bestätigung gefunden. Wenn wir heute für Itahen beten, sagen wir Dank für dieses große Erbe der Märtyrer, das zur geistlichen Saat für die gesamte menschliche Kultur geworden ist. 3. Wir danken sodann für das Erbe des hl. Benedikt, den Paul VI. nicht ohne tiefe Gründe zum Patron Europas ernannt hat. Das Erbe des monastischen Lebens, das seinen Ursprung im Osten, und zumal in Ägypten, in der Tradition der Wüstenvätei hat, fand im Westen seinen ursprünglichen und schöpferischen Ausdruck dank dieses großen Sohnes Italiens, Benedikts von Nursia, und seiner Schwester, de: hl. Scholastika. Das Verlassen der Welt um Gottes willen hatte die Umwandlung der Welt zur Folge. Darin besteht der grundlegende Sinn der menschlichen Kultur Der Mensch wandelt die Welt, indem er sich selbst umwandelt. Dies ist einer de: Werte der benediktinischen Berufung. Wir sprechen unsere Dankbarkeit aus für dir große Initiative der Benediktiner, die gleichsam ein Laboratorium des europäischei Geistes geworden ist. Wir sagen Dank für das benediktinische „ora et labora”, da: für alle Zeiten die Richtungen der Entwicklung der menschlichen Kultur aufgezeig hat. Wir sagen Dank dafür, daß dies gerade hier in Itahen geschehen ist. 4. Wir danken heute für das große missionarische Heldenlied der Kirche, das in de benediktinischen Tradition sein besonderes geistliches Zentrum hatte. Die Missio nare brachen von Rom auf, wie Augustinus, dem Papst Gregor der Große die Evan gelisierung der britannischen Inseln anvertraute, oder sie kamen von Irland - wi Bonifatius oder Willibrord, die Apostel Germaniens und der Länder am Rhein- 506 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oder wie Ansgar und die anderen, die bis nach Skandinavien kamen. Wir sagen Dank für dieses missionarische Heldenlied der Kirche, das nicht nur zur Verbreitung des Evangeliums, sondern auch der klassischen Kultur und der lateinischen Sprache beitrug. Auf diese Weise blieb Europa lange Jahre hindurch lateinisch, und das ganze Erbe der romanischen Kulturen und Sprachen ist von hier ausgegangen. Wir sagen weiter Dank für die Tatsache, daß Italien im Verlauf seiner Geschichte -und zumal seine südlichen Regionen, Süditalien - ein Ort der Begegnung und des schöpferischen gegenseitigen Sich-Durchdringens der Sprache und Kultur des alten Griechenlands und der lateinischen Welt, und das in steigendem Maße, geworden ist. Das war für die Kirche wichtig, die in jener Zeit noch mit zwei Lungen atmete; es war wichtig auch für die ganze mittelmeerische Kultur und die Aussichten, die sich ihr im Verlauf der Jahrhunderte eröffneten. Wir danken ferner für Kyrill und Method, die heiligen Brüder aus Saloniki, die für das Christentum und Europa die große slawische Welt entdeckten. Wir danken, weil diese Brüder aus Byzanz immer die Einheit mit Rom gesucht haben, und sie hinterließen dieses Suchen der Einheit gleichsam als ihr geistliches Testament nicht nur für die Kirche und das Christentum, sondern auch für ganz Europa. Wir danken dafür, daß das Grab des Kyrill sich in Rom befindet. 5. Besonders sagen wir Gott Dank, weil es den Bischöfen von Rom gelang, den hegemonistischen Ansprüchen erst der östlichen und dann der westlichen Kaiser zu widerstehen. Einige von ihnen haben deswegen auch das Martyrium erlitten. Papst Gregor VII. wußte klar das zu unterscheiden, was Gott gehörte und was dem Kaiser gehörte, und er gestattete dem Kaiser nicht, sich das, was Gott gehörte, anzueignen. Damit begann sich die richtige Gestaltung der Beziehungen abzuzeichnen, die auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ihre endgültige Formulierung gefunden hat: „Die politische Gemeinschaft und die Kirche sind auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom. Beide aber dienen, wenn auch in verschiedener Begründung, der persönlichen und gesellschaftlichen Berufung der gleichen Menschen. Diesen Dienst können beide zum Wohl aller um so wirksamer leisten, je mehr und besser sie rechtes Zusammenwirken miteinander pflegen; dabei sind jeweils die Umstände von Ort und Zeit zu berücksichtigen” (Gaudium et spes, Nr. 76). Gerade diese evangeliumsgemäße Lehre von der Unterscheidung und dem Zusammenwirken zwischen dem, was menschlich, und dem, was göttlich ist, bildet das dauerhafte Erbe Roms. Hier hat es seine erste Anwendung gefunden. Es müßte auch in unserer Zeit in Italien verstanden und angewandt werden. 6. Das zweite Jahrtausend hat Italien ein grundlegendes, dem Evangelium gemäßes Zeugnis beschert, zumal dank der außerordentlichen Berufung des hl. Franziskus von Assisi. Der Heilige (Poverello) gehört der ganzen Christenheit und der ganzen Menschheit, aber seine Wurzeln hegen im Boden Umbriens. Sein evangeliumsge-mäßes Zeugnis bildet weiterhin eine mächtige Kraft für alle jene, die der Gerechtigkeit und dem Frieden dienen wollen. Sie kehren immer wieder nach Assisi zurück 507 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und suchen dort Anregung und Stütze, auch angesichts der Herausforderungen der heutigen Zeiten. Neben der Gestalt des hl. Franziskus muß aus dem Herzen der Geschichte des 13. Jahrhunderts heraus eine weitere Gestalt genannt werden. Es geht um einen Giganten des Denkens, ein vielleicht unnachahmliches Genie. Ich spreche vom hl. Thomas von Aquin, dem Sohn des Dominikanerordens. Die von ihm erarbeitete Synthese von Philosophie und Theologie bildet ein gediegenes und dauerhaftes Gut für die Kirche und die Menschheit. Heute müssen wir also danken für dieses goldene Zeitalter der Geschichte Italiens. Es ist die Zeit, in der auch der Genius der italienischen Sprache auftritt, der Dichter Dante Alighieri mit seiner „Göttlichen Kommödie”. Auf dem Gebiet der bildenden Künste setzt sich die von Fra Angelico und zahlreichen anderen Meistern inspirierte Malerei durch, die das Jahrhundert Michelangelos, Raffaels und weiterer Größen der italienischen Renaissance ankündigen und vorbereiten. Auf den Ruinen des alten Rom wächst ein neues Rom, nicht mehr das Rom der Cäsaren, sondern das Rom, in dem sich auf verschiedene Weisen der Genius des Christentums zeigt. Dies ist mit ihrem ganzen universalen Charakter die Italien eigene Kultur; eine Kultur, von der Italien lebt, von der aber in einem gewissen Sinn auch die Nationen Europas und der Welt leben. 7. Ehrwürdige Brüder, wenn wir die Eucharistie beim Grab des Petrus feiern, müssen wir heute unbedingt auch für die hl. Katharina von Siena danken. In einer für Rom und die Kirche kritischen Stunde zeigte sich in ihr der Genius der italienischen Frau. Zusammen mit dem hl. Franz wird Katharina mit Recht als Patronin Italiens anerkannt. Ihre persönliche Erfahrung der Vereinigung mit Christus zieht weiterhin die Mystiker an. Katharina kündigt aber zugleich die große Krise an, die die Kirche und mit ihr die Gesellschaft zwischen dem 14. und dem 15. Jahrhundert erfassen sollte. Es war eine gefährliche Krise, die wahrscheinlich auch zur großen Spaltung des christlichen Europa zur Zeit der Reformation beigetragen hat. Auch in dieser Zeit gilt es, zum Genius des römischen Geistes zurückzukehren, der sich in Italien in besonderer Weise in der Person des hl. Karl Borromäus zeigt, des hauptsächlichen Förderers der Reformen des Konzils von Trient. Und wenn in dieser Zeit das in Europa gespaltene Christentum mit der Entdeckung Amerikas eine Art großer Kompensation erfährt, sc geschieht dies dank Christoph Kolumbus, eines aus Genua gebürtigen Italieners Auch hier hat sich die Vorsehung eines Sohnes Italiens bedient, um der Menschhei und der Kirche neue Wege und Aussichten zu eröffnen, die weit in die Zukunft hin ein reichen sollten. 8. In diesem Zusammenhang sei eine weitere, wenigstens von einem bestimmte! Gesichtspunkt aus für die Geschichte der Kenntnis des Universums entscheidend! Schlüsselfigur erwähnt: Galileo Galilei. Er hatte erfaßt, daß die entscheidende Ent deckung des Kopemikus im fernen Ermland richtig war, und gesellte sich zu jener 508 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die sozusagen die Erde bewegten und die Sonne feststehen ließen. Die methodischen Kriterien, die er vorlegte, öffneten der modernen Wissenschaft den Weg, den Weg der Naturwissenschaften. Im Anschluß daran begannen auf dem europäischen Kontinent die Zeiten der Entfernung vom Christentum: Und es war eine ziemlich radikale Entfernung. Diese Feststellung erfüllt die Kirche mit Schmerz, nimmt ihr aber nicht die Hoffnung. Sie weiß ja, daß es Christus und Er allein ist, der Worte des ewigen Lebens hat: nur Er ist fähig, das tiefste Sehnen der menschlichen Vernunft und des menschlichen Herzens zu befriedigen. Wenn wir an die Zeit des vielfachen Verlassens und Aufgebens denken, müssen wir dennoch die Macht des Guten betonen, das sich mitten in diesen vielfältigen Formen des Bösen gezeigt hat, die in den letzten Jahrhunderten in der Geschichte Europas, und vor allem in unserem Jahrhundert, präsent sind. Um den radikalen Gefahren entgegenzutreten, sind ebenso radikale Zeugen Christi aufgestanden. Italien ist die Heimat vieler von ihnen: Ich denke an den hl. Paul vom Kreuz, den hl. Alfons Maria de’ Liguori, den hl. Johannes Bosco. Denken wir auch an die große Zahl der Heiligen und Seligen unseres Jahrhunderts. Auch in unseren Zeiten macht sich sehr wohl das mächtige Wehen des Heiligen Geistes bemerkbar, der die Kirche durch kürzlich erst entstandene Vereinigungen und Bewegungen erneuert. Viele von ihnen haben gerade hier in Italien ihren Ursprung. Das Programm des hl. Paulus: „Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute!” (Röm 12,21) ist zum Programm unserer Zeit geworden. Als sich nach dem zweiten Weltkrieg das Programm für den Wiederaufbau Europas abzeichnete, haben dabei zwei Christen eine wichtige Rolle gespielt, tämlich Alcide de Gasperi und die charismatische Gestalt des Bürgermeisters von Lorenz, Giorgio La Pira. ). Verehrte Brüder, wir treten nun an den Altar heran, um dort die Gaben niederzuegen, die wir von Gott empfangen haben: „Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt, du schenkst uns das Brot ... Wir bringen es vor dein Angesicht .. die Frucht des Weinstocks.” Brot und Wein, die großen eucharistischen Symbole, n denen alles enthalten ist, was der Mensch von Gott empfangen hat, was er ferner ler Arbeit seiner eigenen Hände verdankt wie auch dem Erbe ganzer Generationen. )iese Symbole sind heute für uns Ausdruck alles dessen, was Italien mit seinem fürstlichen Volk von den Alpen bis nach Sizilien die Jahrhunderte hindurch für die lirche und die Welt bedeutet hat. Dieses Volk mit seiner mittelmeerischen Tradi-on sowie seinen griechisch-römischen Ursprüngen, dieses Volk, das Vorkämpfer ntscheidender Ereignisse der Menschheitsgeschichte war, steht vor uns. All seine Vechselfälle tragen und legen wir auf den Altar mit der Bitte, sie mögen für uns irot des Lebens (panis vitae), sie mögen in der Eucharistie ein neuer Trank (potus piritalis) werden. Gerade dies ist das Große Gebet für Italien und mit Italien. Wir ieten als Opfergabe alle Früchte des menschlichen Geistes dar, in denen die Arbeit 509 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Kreativität, die Kultur und das Leid der Söhne und Töchter dieses Landes zum Ausdruck gekommen sind. Wir beten zumal für die heutigen Söhne und Töchter Italiens, daß sie eines so wertvollen Erbes würdig werden und es in ihrem heutigen persönlichen, familiären und sozialen Leben, in Wirtschaft und Politik zum Ausdruck kommen lassen. Die Eucharistie bildet in diesem Jahr eine beherrschende Perspektive, da wir in Siena die Feier des nationalen Eucharistischen Kongresses erleben werden, zu dem uns der italienische Episkopat einlädt. Möge, so wünschen wir, bei diesem Kongreß das Große Gebet Italiens für Europa und die Welt, die um den Preis des Blutes Christi erlöst worden ist, Anwendung finden. Die Menschheit aber soll kraft dieses Preises ihre Würde und ihre von Gott in Christus empfangene Berufung erkennen. 10. Maria ist beim Werk Christi und in der Kirche immer anwesend. Diese Anwesenheit kommt in verschiedenen Heiligtümern zum Ausdruck, die in der ganzer Welt und zumal auf dem europäischen Kontinent zahlreich geworden sind. Übei diese Heiligtümer verläuft die geheimnisvolle Spur der Geschichte der einzelner Länder, der einzelnen Nationen und Epochen. In Italien denken wir in diesem Jahre zumal an das Heiligtum von Loreto, zu dem wir uns alle kommenden Monate hindurch in geistiger Wallfahrt auf den Weg machen wollen. So wird in diesem Jahr auch unser Gebet für Italien zu einer Pilgerfahrt, zu eine: Wallfahrt des Glaubens. Wir sind gemeinsam mit ihr, die uns auf dem Weg de: Glaubens, der Hoffnung und der Vereinigung mit Christus vorangeht, Pilger. Wem unsere Pilgerfahrt hier, am Grab des hl. Petrus beginnt, entspricht das der ganze] Logik der Geschichte und der tiefen Aussage, die diese macht. Christus, Wahrhei und Leben (vgl. Joh 14,6), ist für uns die Jahrhunderte hindurch zum Weg gewor den. Auf diesem Weg wollen wir voranschreiten, schon nahe dem Ende des zweitei Jahrtausends seiner Anwesenheit unter den Menschen. „Jesus Christus gestern und heute und in Ewigkeit derselbe” (Hebr 13,8). Amen. Wegbereiter der Neuevangelisierung Ansprache an die Jugendlichen am 16. März Liebe Jungen und Mädchen, liebe Jugend! 1. Willkommen in dieser Basilika, die sich über dem Grab des hl. Petrus erhebt. II befindet euch in diesem Augenblick im Mittelpunkt der Kirche, deren Herzschla ihr in gewisser Weise spüren könnt. Die Kirche zählt auf euch, Christus zählt ai euch. Er ruft euch, seine Apostel zu sein. Aber ihr fragt euch vielleicht: Wo kann ic mich konkret einsetzen? Hier die Antwort: Das erste Arbeitsfeld ist die Pfarrei. Die Priester brauchen eui aktive Anwesenheit für ihre Arbeit mit den jungen Generationen. Jeder von euch i gerufen, die Gemeinschaft aufzubauen. Deshalb ist es vor allem notwendig, im Ii 510 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nem vom Herrn, vom Evangelium auferbaut zu sein, das den Glauben unverfälscht bewahrt und festigt. Die Pfarrei sei eure Familie. Fühlt euch in ihr zu Hause, und öffnet euren Sinn für die anderen Pfarrgemeinden und die gesamte Diözese. Dabei können euch die Di-özesanjugendtreffen sowie die von Vereinigungen und Bewegungen angebotenen Initiativen helfen, wo ihr Freunden aus anderen Pfarreien im Geist des Dienstes und der Sendung für eure Lebensbereiche begegnet. 2. Durch die Pfarrei und die Diözese erweitert ihr euren Horizont auf die Gesamtkirche, die Christus, der Herr, in die ganze Welt gesandt hat. Bei den großen Treffen zum Weltjugendtag erleben wir intensiv diese weltumspannende Dimension der jungen Katholiken. In zehn Tagen, am Palmsonntag, feiern wir den neunten Weltjugendtag, und im Januar 1995 versammeln wir uns in Manila, auf den Philippinen. Wer weiß, vielleicht wird der eine oder andere von euch dort sein. So, hebe Jungen und Mädchen, lernt ihr, „mit der Kirche zu atmen”, euch ihre Ziele zu eigen zu machen, die in einem einzigen zusammengefaßt sind: Evangelisieren. Die Laien und unter ihnen die Jugendlichen sollen Wegbereiter der Neuevangelisierung sein. Aber um das zu tun, muß man sich vorbereiten und tiefe, starke Wurzeln schlagen. Man muß sich vorbereiten, dort mutige Missionare zu sein, wo der Herr ruft. 3. Ihr habt so viele herrliche Vorbilder junger Apostel: Wir denken zum Beispiel an Pier Giorgio Frassati, an Pierina Morosini, an Benedetta Bianchi Porro und an so viele weniger bekannte, die Christus vorbehaltlos gefolgt sind und dahin gelangten, sogar das Leben für ihre Brüder und Schwestern zu opfern. Auch zu euch, meine Lieben, sage ich: Folgt Christus, wohin er auch gehen mag, and ihr werdet die wahre Freude finden. Das ist der Wunsch des Papstes für euch. Ich verbinde ihn mit einem besonderen segen, in den auch eure Angehörigen miteinbezogen sind. Das Evangelium - Weg zu Frieden und Fortschritt Ansprache an den Präsidenten der Republik Lettland, Herrn Giuntis Ulmanis, am .7. März lerr Präsident! . Ich freue mich, daß ich Sie beim ersten offiziellen Besuch eines Staatsoberhaup-es der geliebten lettischen Nation beim Hl. Stuhl herzlich willkommen heißen darf, dit Ihnen grüße ich Ihre Frau und die Mitglieder Ihres Gefolges. Ich möchte zu-;leich meine lebhafte Dankbarkeit für die heutige Begegnung aussprechen, die in rir die Erinnerung an die Pastoraireise erneuert, die ich im vergangenen September 511 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in Lettland im Zusammenhang mit meinem Besuch der drei baltischen Republiken machen konnte. Ich erneuere heute, Herr Präsident, meinen tief empfundenen Dank gegenüber Ihnen und allen, die zum guten Gelingen dieser historischen Reise beigetragen haben. Meine Gedanken gehen in dieser Stunde zum ganzen Volk von Lettland, dessen vielfältige Zeugnisse mir bei dieser bedeutsamen und unvergeßlichen Gelegenheit gebotener herzlicher Gastfreundschaft ich immer noch im Herzen trage. Nach dem strengen Winter der Unterdrückung und der totalitären Verfolgung, der eurem Volk so viele Leiden gebracht hat, konnte ich damals persönlich die Zeichen eines an Plänen und Hoffnungen reichen Frühlings feststellen. Ich habe die berechtigte Genugtuung über die wiedergefundene Freiheit bemerkt, das einmütige Bemühen um Versöhnung der Bürger gesehen und das im Chor gezeigte Streben bewundert, das Land moralisch und materiell wieder aufzubauen. Auf die Begeisterung dei ersten Monate nach Ausrufung der Unabhängigkeit folgte dann, wie vorauszuseher war, die Zeit des realistischen und täglichen Bemühens, die zahlreichen auf politischem, sozialen und wirtschaftlichen Gebiet sich ergebenden Probleme aufzugreifer und zu lösen. Nun ist der einmütige Beitrag aller lebendigen Kräfte der Nation notwendig, damit es auf dem Weg eines echten wirtschaftlichen und sozialen Aufschwungs entschieden vorwärts geht. Bei diesem Werk der Erneuerung möchte die Kirche es nicht an ihrer aktiven Mitarbeit fehlen lassen. Hier, Herr Präsident, möchte ich heute gern im Klima unserer herzlichen Begegnung vor Ihnen wiederholen, was ich bei meinem Abschied vom geliebten Lettland gesag habe: „Die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Probleme können im von de Soziallehre der Kirche vermittelten Evangelium gewiß keine technischen Lösungei finden, wohl aber die Grundsätze klären, die sie tragen, Grundsätze, die auch voi denen geteilt werden können, die sich nicht als Christen oder Gläubige betrachten' (O.R., 11.9.1993, S. 6). 2. Der Hl. Stuhl verfolgt mit teilnahmsvoller Aufmerksamkeit den von Lettland un ternommenen Weg zu einer Entwicklung, die alle Dimensionen des Menschen be rücksichtigt sowie die tieferen Bedürfnisse der Würde einer jeden Person wahrt. E geht für euer Land darum, die bisher um einen so hohen Preis erreichten Ergebniss zu festigen und sie vor den Gefahren zu schützen, die von einer falschen Auffassun der Freiheit, den trügerischen Illusionen eines vergänglichen Erfolges und de schädlichen Anziehungskraft leicht zu machender Gewinne herkommen. Wenn in der Vergangenheit viele Prüfungen, denen die lettische Nation lange Jahr hindurch unterworfen war, vom totalitären Regime herkamen, könnten heute neu Risiken und Gefahren von der sich verbreitenden Mentalität des Konsumismus un der Vergnügungssucht entstehen, von der man sich das Erreichen von Scheinwerte erwartet, die sich am Ende aber als Schaden für die echte und integrale Entwicklun des Menschen und der Gesellschaft erweisen. 512 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf dem mutigen Weg sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Wachstums muß eure Nation unbedingt auf das ideale Erbe zurückgreifen, das ihre Ursprünge kennzeichnet; ein Erbe, dem der Beitrag der Christen nicht fehlt. Die Verkündigung des Evangeliums, das im 12. Jahrhundert diese Gegenden durch das missionarische Wirken des großen Mönchs Meinard erreichte, hat nämlich Leben und Geschichte der Letten gekennzeichnet. Der Same der Wahrheit des Evangeliums, das damals sehr weit verbreitet war, läßt heute seine Auswirkungen verspüren durch das hochherzige Zeugnis verschiedener christlicher Gemeinschaften, die sich gegenseitig geachtet haben und die alle nach dem Wunsch Christi im Suchen nach einer wirksamen und vollen Gemeinschaft engagiert waren. Wie in der dunklen Zeit der nationalen Unterdrückung und des Martyriums das Christentum als große moralische Kraft gewirkt und die Geister im Widerstand gegen die starken Einschränkungen durch die fehlende Freiheit, in den Leiden und Lasten der Verfolgung erhellt und gestützt hat, so kann das Evangelium auch jetzt, wenn es angenommen und in konkrete Gesten eines christlichen Lebens umgesetzt wird, einen unschätzbaren Beitrag zum Aufbau Lettlands in diesen Jahren leisten, da es solidarischem Fortschritt und echtem Frieden entgegengeht. Ein solches Lettland ist äußerst wichtig für das Wohl Europas. Die Kirche ist sich dessen bewußt und ist entschlossen, ihr Recht auf Existenz und Entwicklung zu verteidigen. 3. Herr Präsident, in diesem Licht möchte ich Ihnen heute gern als dem Vertreter des ganzen geliebten lettischen Volkes herzliche gute Wünsche für Ihr Wohlergehen und Ihren Erfolg aussprechen. Möge Lettland dank des loyalen Bemühens seiner verschiedenen sozialen Gruppen weiter entschlossen und mutig den Weg seines sozialen und moralischen Aufbaus beschreiten in harmonischer Absprache mit der in-:emationalen Gemeinschaft. Möge Lettland eine Zukunft in Frieden und brüderlicher Solidarität beschieden sein! Herr Präsident, während meine Gedanken noch bei den Tagen meines Aufenthalts in Ihrem edlen Land verweilen, danke ich Ihnen erneut für die herzliche, mir bei dieser Gelegenheit gewährte Gastfreundschaft und rufe über die gebebte lettische Nation len Schutz der Jungfrau herab, die besonders im Heiligtum von Aglona verehrt vird, das ich zu meiner Freude besuchen durfte. Gott segne die ganze Nation, die Sie vertreten, vor allem die Jugendlichen und die kimilien. 513 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bevölkerungspolitik kann nur Teil einer Entwicklungsstrategie sein — Die Familie ist Sitz der Kultur des Lebens Brief an die Generalsekretärin der diesjährigen Internationalen Konferenz für Bevöl-kerungs- und Entwicklungsfragen und Exekutivdirektorin des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen vom 18. März 1. Ich begrüße Sie, Frau Generalsekretärin, zu einem Zeitpunkt, an dem Sie intensiv mit der Vorbereitung der Internationalen Konferenz für Bevölkerungs- und Entwicklungsfragen beschäftigt sind, die im September dieses Jahres in Kairo stattfinden wird. Ihr Besuch gibt mir die Gelegenheit, mit Ihnen über ein Thema zu sprechen, das - darin stimmen wir alle überein - für das Wohlergehen und den Fortschritt der Menschenfamilie von grundlegender Wichtigkeit ist. Das Thema der Kairoer Konferenz erhält noch größere Bedeutung in Anbetracht der Tatsache, daß die Kluft zwischen den Armen und den Reichen der Welt stets tiefer wird, ein Zustand, der eine ständig wachsende Gefahr für jenen Frieden darstellt, nach dem sich die Menschheit sehnt. Die globale Bevölkerungssituation ist von überaus komplexer Natur; sie ist nicht nui von Kontinent zu Kontinent verschieden, sondern wechselt auch von einer Regior zur anderen. Aus den Studien der Vereinten Nationen geht hervor, daß ein rapidei Rückgang der Weltbevölkerungswachstumsrate für die neunziger Jahre und das neue Jahrhundert zu erwarten ist. Gleichzeitig verzeichnen einige der „LDC” (Leas developed countries) der Welt weiterhin starke Zuwachsraten, während der Bevöl kerungsanstieg in den hochentwickelten Industrieländern merklich abgenommen hat 2. Der Hl. Stuhl hat diese Dinge eingehend verfolgt, insbesondere durch seine Be mühungen um eine präzise und objektive Beurteilung der Bevölkerungsfragen unt sein Drängen für weltweite Solidarität im Hinblick auf Entwicklungsprogramme, vo allem wenn die Entwicklungsländer der Welt betroffen sind. In diesem Zusammen hang waren die Teilnahme an den Tagungen der UN-Bevölkerungskommission um die Studien der UN-Bevölkerungsdivision für uns von großem Nutzen. Der Hl. Stuh hat ebenso an allen regionalen Vorbereitungstreffen für die Konferenz in Kairo teil genommen, was ihm die Möglichkeit gab, einen besseren Einblick in regionale Un terschiede zu gewinnen und bei jeder Gelegenheit zur Diskussion beitragen zu kön nen. Seiner besonderen Kompetenz und Sendung entsprechend, trägt der Hl. Stuhl Sorgt daß jene ethischen Grundsätze angemessene Beachtung finden, die ausschlaggeben sind für die als Antwort auf die demographische, soziologische und rechtsorc nungsmäßige Analyse der Daten für die Entwicklungstendenz der Bevölkerung ge troffenen Maßnahmen. Daher ist der Hl. Stuhl bemüht, sich auf bestimmte grundle gende Wahrheiten zu konzentrieren: Jede Person - ungeachtet ihres Alters, ihre Geschlechts, ihrer Religionszugehörigkeit und nationaler Abstammung- verfü; 514 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN über eine Würde und einen Wert, die uneingeschränkt und unveräußerlich sind; das menschliche Leben ist von seiner Zeugung an bis hin zu seinem natürlichen Tod heilig; die Rechte des Menschen sind ihm von Natur aus gegeben und gehen über jede Rechtsordnung hinaus; die fundamentale Einheit der menschlichen Rasse verlangt von jedem, sich für den Aufbau einer Gemeinschaft einzusetzen, die frei ist von Ungerechtigkeit und sich müht, das Wohl aller zu fördern und zu schützen. Diese Wahrheiten über die menschliche Person sind maßgebend für jede Antwort auf die Erkenntnisse, die die Auswertung demographischer Daten ergeben. Alle politischen Entscheidungen müssen im Licht wahrer menschlicher Werte getroffen werden, die Völker unterschiedlicher Kulturen und religiöser und nationaler Abstammung überall in der Welt anerkennen. Kein Ziel und keine Politik werden positive Auswirkungen für den Menschen haben, wenn nicht die einzigartige Würde und die konkreten Bedürfnisse eben dieser Menschen geachtet werden. 3. Man stimmt weitgehend darin überein, daß eine Bevölkerungspolitik nur ein Teil einer umfassenden EntwicklungsStrategie ist. Demnach ist es wichtig, daß in jedem Gespräch über bevölkerungspolitische Themen die konkrete und die geplante Entwicklung von Nationen und Regionen berücksichtigt wird. Gleichzeitig ist es nicht möglich, die eigentliche Bedeutung des Begriffs „Entwicklung” außer acht zu lassen. Jede Entwicklung, die diese Bezeichnung verdient, muß vollkommen sein, d. h. sie muß auf das wahre Wohl jedes Menschen und auf die ganze Person des Menschen ausgerichtet sein. Wirkliche Entwicklung kann nicht lediglich in der Anhäufung von Reichtum und in dem größeren Angebot von Waren und Dienstleistungen bestehen, sondern sie muß vielmehr mit der entsprechenden Berücksichtigung für die sozialen, kulturellen und geistigen Dimensionen des Menschen verwirklicht werden. Entwicklungsprogramme müssen auf Gerechtigkeit und Gleichberechtigung aufgebaut sein, damit die Menschen in Würde, Eintracht und Frieden leben können. Sie müssen das kulturelle Erbe der Völker und der Nationen achten wie auch jene sozialen Eigenschaften und Tugenden, die die von Gott geschenkte Würde aller und hnes jeden und den göttlichen Plan, der alle Menschen zur Einheit ruft, widerspiegeln. Es ist wichtig, daß Männer und Frauen aktiv zu ihrer eigenen Entwicklung bei-:ragen, denn sie lediglich als Objekte eines Systems oder eines Plans zu behandeln, vürde die Erstickung dieser Fähigkeit zu Freiheit und Verantwortung bedeuten, die air das Wohl des Menschen von grundlegender Wichtigkeit ist. 1. Entwicklung war und bleibt der geeignete Kontext bei der Erörterung von Bevöl-cerungsfragen in der internationalen Gemeinschaft. Während dieser Diskussionen verden zwangsläufig Fragen über die Weitergabe und die Erziehung des menschli-:hen Lebens aufgeworfen. Aber die Formulierung von Bevölkerungsfragen in Form 'on individuellen „Sexual- und Fortpflanzungsrechten” oder sogar in Form von .Frauenrechten” bedeutet von jenem Kernpunkt abweichen, der das eigentlich Anlegen von Regierangen und internationalen Organisationen sein sollte. Damit 515 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN möchte ich jedoch in keiner Weise die Bedeutung der Tatsache schmälern, daß Gerechtigkeit und Gleichberechtigung auch für Frauen gewährleistet sein müssen. Darüber hinaus können Fragen zur Weitergabe des Lebens und seiner anschließenden Erziehung lediglich in Verbindung mit dem Wohl der Familie auf angemessene Weise behandelt werden: diese auf die Ehe von Mann und Frau gegründete Personengemeinschaft, die - wie es in der Menschenrechtsdeklaration heißt - „die natürliche und grundlegende Zelle der Gesellschaft” (Art. 16,3) ist. Die Familie ist eine auf die Natur der menschlichen Person selbst aufgebaute Institution und das geeignete Umfeld für die Zeugung, die Geburt und die Erziehung der Kinder. In unserer heutigen Zeit, in der so viele einflußreiche Kräfte gegen die Familie ins Feld ziehen, ist es wichtiger denn je, daß die Konferenz für Bevölkerungs- und Entwicklungsfragen auf die Herausforderung, die das von den Vereinten Nationen für 1994 proklamierte „Internationale Jahr der Familie” darstellt, antworten und sich nach besten Kräften einsetzen sollte, damit der Familie durch „Gesellschaft und Staat” jener Schutz zuteil werden möge, der ihr dem Wortlaut der Menschenrechtsdeklaration entsprechend „zusteht” (ebd.). Alles Geringere wäre ein Verrat an den edelsten Idealen der Vereinten Nationen. 5. Die Pflicht, für den Schutz der Familie zu sorgen, verlangt heute besondere Aufmerksamkeit für die freie und verantwortungsbewußte Entscheidung von Mann und Frau, ohne jeden gesellschaftlichen und rechtlichen Zwang über die Anzahl ihrei Kinder und die Abstände zwischen den jeweiligen Geburten bestimmen zu können Regierungsorgane oder ähnliche Einrichtungen sollten nicht beabsichtigen, diese Entscheidungen den Ehepaaren abzunehmen, sondern sie sollten vielmehr jene sozialen Voraussetzungen schaffen, die ihnen erlauben, im Licht ihrer Verantwortung Gott, sich selbst, der Gesellschaft, deren Bestandteil sie sind, und der objektiver sittlichen Ordnung gegenüber angemessene Entscheidungen zu treffen. Was die Kirche „verantwortliche Elternschaft” nennt, ist nicht eine Frage von unbe grenzter Zeugung oder von Unkenntnis dessen, was Kindererziehung bedeutet, son dem vielmehr die Ermächtigung der Ehegatten unter Berücksichtigung gesellschaft licher und demographischer Gegebenheiten wie auch ihrer eignen Situation un< rechtmäßigen Wünsche im Licht objektiver moralischer Kriterien von ihrer unveräu ßerlichen Freiheit weise und verantwortungsbewußt Gebrauch zu machen. Jedi Propaganda und falsche Information mit dem Ziel, Ehegatten zu überzeugen, ihr Familien auf ein oder zwei Kinder zu beschränken, sollte entschlossen vermiede: werden, während jene Ehepaare unterstützt werden sollten, die sich großherzig fii eine kinderreiche Familie entschieden haben. In ihrer Haltung zur Verteidigung der menschlichen Person lehnt die Kirche di Auflage der Familieneinschränkung und die Förderung von Methoden zur Gebürter regelung ab, die die vereinenden und zeugenden Dimensionen der ehelichen Bezie hungen trennen, die dem Sittengesetz widersprechen, das dem menschlichen Herze eingeschrieben ist, oder die Heiligkeit des Lebens angreifen. Daher ist Sterilisatioi 516 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die mehr und mehr als Methode zur Familienplanung gefördert wird, wegen ihrer Endgültigkeit und ihres Potentials zur Mißachtung der Menschenrechte, insbesondere jener der Frauen, eindeutig untragbar; sie ist eine äußerst ernsthafte Bedrohung für die Würde und die Freiheit des Menschen, wenn sie im Rahmen eines bevölkerungspolitischen Programms gefördert wird. Die Abtreibung, die bereits vorhandenes menschliches Leben zerstört, ist ein abscheuliches Übel und kann niemals als eine annehmbare Methode zur Familienplanung betrachtet werden, was 1984 in allgemeiner Übereinstimmung auf der Internationalen Bevölkerungskonferenz der Vereinten Nationen in Mexiko City anerkannt wurde. 6. Zusammenfassen möchte ich noch einmal das betonen, was ich bereits in meiner Enzyklika Centesimus annus geschrieben habe: „Die Familie muß wieder als das Fleiligtum des Lebens angesehen werden. Sie ist in der Tat heilig: Sie ist der Ort, an dem das Leben, Gabe Gottes, in angemessener Weise angenommen und gegen die vielfältigen Angriffe, denen es ausgesetzt ist, geschützt wird und wo es sich entsprechend den Forderungen eines echten menschlichen Wachstums entfalten kann. Gegen die sogenannte Kultur des Todes stellt die Familie den Sitz der Kultur des Lebens dar. Der Geist des Menschen scheint auf diesem Gebiet mehr darauf bedacht zu sein, die Quellen des Lebens zu beschränken, zu unterdrücken und zu vernichten, bis hin zur leider so weltweit verbreiteten Abtreibung, als die Möglichkeiten des Lebens selbst zu verteidigen und zu eröffnen” (Nr. 39). 7. So wie ich die grundlegende Rolle der Familie innerhalb der Gesellschaft unterstrichen habe, möchte ich auch ganz besonders auf die Stellung der Kinder und Frauen aufmerksam machen, die allzu häufig die verwundbarsten Mitglieder unserer Gemeinschaften sind. Kinder dürfen nicht als belastend oder lästig empfunden werden, sondern sollten als Träger der Hoffnung und vielversprechende Zeichen für die Zukunft umhegt werden. Die für ihre Entwicklung und Erziehung so wesentliche Fürsorge kommt in erster Linie von ihren Eltern, aber auch die Gesellschaft muß mithelfen, indem sie die Familien in ihren Bedürfnissen und ihren Bemühungen zur Aufrechterhaltung jener liebevollen Umgebung unterstützt, in der sich die Kinder entfalten können. Die Gesellschaft sollte „die Sozialpolitik fördern, deren Hauptziel die Familie selbst sein muß. Ihr muß durch die Gewährung entsprechender Hilfsmittel und wirksamer Formen der Unterstützung bei der Erziehung der Kinder wie bei der Sorge für die alten Menschen geholfen werden, um deren Abschiebung aus dem engeren Familienverband zu vermeiden und so die Beziehungen zwischen den Generationen neu zu stärken” (Centesimus annus, Nr. 49). Eine Gesellschaft kann nicht von sich behaupten, Kinder rechtmäßig zu behandeln oder ihre Interessen zu wahren, wenn ihre Gesetze nicht die Rechte dieser Kinder schützen und die Ver-mtwortung der Eltern für ihr Wohlergehen achten. 1. Wenn wir über die Situation der Menschheit nachdenken, kommen wir zu einer raurigen Feststellung: Heute, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, ist es noch mmer notwendig, zu bekräftigen, daß die Würde jeder Frau gleichwertig ist mit der 517 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Mannes und daß sie ein vollwertiges Mitglied der Menschenfamilie ist, in der ihr eine besondere Stellung und Berufung zukommt, die ergänzend zu der des Mannes, aber in keiner Weise weniger wertvoll als diese ist. In vielen Teilen der Welt muß noch manches getan werden, um den bildungs- und gesundheitsmäßigen Anforderungen von Mädchen und jungen Frauen nachzukommen, damit sie ihre volle Leistungsfähigkeit innerhalb der Gesellschaft entfalten können. In der Familie, die eine Frau gemeinsam mit ihrem Mann gründet, genießt sie die einzigartige Rolle und privilegierte Stellung der Mutter. Auf ganz besondere Weise steht es ihr zu, das neue Leben des Kindes vom Augenblick der Zeugung an zu hegen. Vor allem die Mutter hüllt das Neugeborene in Liebe und Geborgenheit und schafft die für sein Heranwachsen und seine Entwicklung geeignete Umgebung. Die Gesellschaft sollte die Erniedrigung der mütterlichen Rolle der Frau nicht zulassen oder sie im Vergleich zu anderen Möglichkeiten geringschätzig abwerten. Der sozialen Rolle der Mutter müßte größere Beachtung geschenkt werden, und man sollte solche Programme unterstützen, deren Zielsetzung die Reduzierung der Müttersterblichkeit ist, Programme, die pränatale und perinatale Betreuung vorsehen, die den emährungsmäßigen Anforderungen von werdenden und stillenden Müttern ent-gegenkommen und ihnen helfen, selbst für den Schutz der Gesundheit ihrer Säuglinge zu sorgen. In diesem Zusammenhang sollte auf die Vorteile des Stillens für die Ernährung der Säuglinge und zu Vorbeugung gegen Krankheiten ebenso wie für mütterliche Bindung und Geburtendistanzierung hingewiesen werden. 9. Das Studium von Bevölkerungs- und Entwicklungsproblemen stellt uns unweigerlich vor die Frage, in wie weit sich die Umwelt auf das Bevölkerungswachstum aus wirkt. Auch ökologische Angelegenheiten sind im wesentlichen eine Sache dei Moral. Obwohl die Bevölkerungszunahme häufig für Umweltprobleme verantwortlich gemacht wird, so sind wir uns dennoch darüber im klaren, daß das Probien-weit komplizierter ist. Der Hang zu Konsum und Verschwendung, insbesondere ir den Industrieländern, der Raubbau an den Naturschätzen, das Fehlen von Einschränkungen oder Schutzmaßnahmen in einigen Industrie- und Produktionsprozessen - all das gefährdet unsere natürliche Umwelt. Die Konferenz in Kairo wird sich auch mit den Themen der Morbidität, der Sterblichkeit und der notwendigen Bekämpfung lebensbedrohender Krankheiten aller Ar befassen wollen. Während Fortschritte gemacht worden sind, die zur Verlängerung der Lebenserwartung geführt haben, müssen die Staaten auch für die alten Men sehen sorgen und für jenen Beitrag, den sie in ihren Ruhestandsjahren in der Ge meinschaft leisten können. Die Gesellschaft sollte Mittel und Wege finden, um ih rem Bedürfnis nach sozialer Sicherheit, Gesundheitsfürsorge und aktiver Beteiligun; am Leben ihrer Gemeinschaft zu entsprechen. Auch das Migrationsthema ist ein wesentlicher Punkt bei der Untersuchung demo graphischer Daten, und die internationale Gemeinschaft muß für die Anerkennun und den Schutz der Rechte der Umsiedler Sorge tragen. In diesem Zusammenhan 518 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN möchte ich insbesondere die Aufmerksamkeit auf die Situation der Migrantenfamilien lenken. Es ist Aufgabe des Staates, zu garantieren, daß Einwandererfamilien nicht das fehlt, was üblicherweise für seine eigenen Bürger gewährleistet ist. Der Staat hat sie gegen alle Versuche von Diskriminierung, Intoleranz oder Rassismus zu schützen und eine authentische und tatkräftige Einstellung der Solidarität ihnen gegenüber zu fördern (vgl. Botschaft zum Weltmigrationstag 1993-94, Nr. 1). 10. Während die Vorbereitungen für die Konferenz in Kairo weitergehen, möchte ich Ihnen, Frau Generalsekretärin, versichern, daß der Hl. Stuhl sich der Vielschichtigkeit der anstehenden Themen durchaus bewußt ist. Eben diese Vielschichtigkeit verlangt von uns ein aufmerksames Abwägen der Folgen, die die vorgeschlagenen Maßnahmen und Empfehlungen für die heutigen und zukünftigen Generationen haben werden. In diesem Zusammenhang gibt mir der bereits in Umlauf gebrachte Entwurf des Abschlußdokuments der Kairoer Konferenz Grund zu großer Sorge. Viele der Prinzipien, die ich soeben erwähnte, haben auf diesen Seiten keinen Platz gefunden oder werden nur am Rande behandelt. Tatsächlich stehen die in ihm gemachten Vorschläge im Widerspruch mit gewissen fundamentalen ethischen Prinzipien. Politische oder ideologische Erwägungen als solche können nicht die Grundlage sein, von der wesentliche Entscheidungen für die Zukunft unserer Gesellschaft ausgehen. Hier steht die Zukunft der Menschheit selbst auf dem Spiel. So wesentliche Fragen wie die Weitergabe des Lebens, die Familie und die materielle und moralische Entwicklung der Gesellschaft erfordern unsere größte Aufmerksamkeit. So wird beispielsweise der 1984 auf der Internationalen Bevölkerungskonferenz in Mexiko City getroffene internationale Beschluß, demzufolge „Abtreibung keinesfalls als Methode zur Familienplanung gefördert werden sollte”, in der Dokumentsvorlage vollkommen ignoriert. Es besteht in der Tat die Tendenz zur Förderung eines international anerkannten Rechts, demgemäß Abtreibung auf Verlangen, ohne jede Einschränkung, zugänglich gemacht werden soll, ungeachtet der Rechte des Ungeborenen und auf eine Weise, die selbst über das hinausgeht, was einige Länder leider bereits gesetzmäßig anerkannt haben. Das Dokument zeichnet sich auch durch eine individualistische Einstellung zur Sexualität aus. Von der Ehe wird keine Notiz genommen, als ob sie bereits der Vergangenheit angehöre. Eine so natürliche, universale und grundlegende Institution wie die Familie kann nicht manipuliert werden, ohne dabei der Struktur und der Stabilität der Gesellschaft schweren Schaden zuzufügen. Der Emst der Herausforderung, mit der die Regierungen und vor allem die Eltern bei der Erziehung der jüngeren Generation konfrontiert werden, bedeutet, daß wir uns der Verantwortung, junge Menschen zu einem tieferen Verständnis ihrer Würde und der Potentialität ihrer Person zu führen, nicht entziehen können. Welche Zukunft bieten wir den heranwachsenden Jugendlichen, wenn wir sie in ihrer Unreife ihren Instinkten überlassen, ohne die zwischenmenschlichen und moralischen Zusammenhänge ihres Sexualverhaltens zu bedenken? Haben wir nicht die Pflicht, ih- 519 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen über den Schaden und das Leid, das durch moralisch verantwortungsloses Sexualverhalten verursacht werden kann, die Augen zu öffnen? Ist dies nicht unsere Aufgabe, sie mit einer anspruchsvollen Ethik herauszufordem, die ihre Würde voll und ganz achtet und sie zu jener Selbstbeherrschung hinführt, die für die Konfrontation mit den zahlreichen Forderungen des Lebens notwendig ist? Frau Generalsekretärin, ich bin sicher, daß Sie und Ihre Mitarbeiter ebenso wie die teilnehmenden Nationen selbst in der noch verbleibenden Vorbereitungszeit für die Kairoer Konferenz diesen tiefgreifenden Problemen die entsprechende Aufmerksamkeit widmen werden. Bei keinem der zur Diskussion stehenden Themen handelt es sich lediglich um wirtschaftliche oder demographische Belange, sondern jedes ist im Grunde eine Frage von tiefer moralischer Bedeutung mit weitreichenden Auswirkungen. Demzufolge wird der Beitrag des Hl. Stuhls darin bestehen, die anstehenden Themen aus ethischer Sicht zu betrachten, stets in der Überzeugung, daß die Bemühungen der Menschheit, den providentiellen Plan Gottes zu achten und sich ihm anzugleichen, der einzige Weg ist für den Aufbau einer Welt, in der wahre Gleichheit, Einheit und Frieden herrschen. Möge der allmächtige Gott alle Teilnehmer der Konferenz erleuchten. Aus dem Vatikan, am 18. März 1994. Joannes Paulus PP. II Die Heilsbotschaft des Evangeliums und die Pluralität der Kulturen Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur am 18. März Meine Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Voll Freude empfange ich euch heute an diesem Morgen, die Mitglieder, Konsultoren und Mitarbeiter des Päpstlichen Rates für die Kultur, die ihr unter dem Vorsitz von Paul Kardinal Poupard zu dieser ersten Generalversammlung des Dikasteriums zusammengekommen seid, so wie es nach der Zusammenlegung der früheren Päpstlichen Räte für den Dialog mit den Nichtglaubenden und für die Kultur durch das Motu proprio Inde a Pontificatus vom 25. März 1993 konstituiert worden ist. Ihr wißt, daß ich seit Beginn meines Pontifikates die große Tragweite der Beziehungen zwischen Kirche und Kultur betont habe. Im Brief zur Gründung des Päpstli chen Rates für die Kultur habe ich daran erinnert, daß „ein Glaube, der nicht Kultu 520 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wird, ein nicht voll angenommener, ein nicht voll durchdachter und treu gelebter Glaube” ist (vgl. Ansprache vom 16. Januar 1982). Es legt sich eine doppelte Feststellung nahe: Die meisten Länder christlicher Tradition erfahren den schwerwiegenden Bruch zwischen dem Evangelium und weiten Bereichen der Kultur, während sich in den jungen Kirchen nachdrücklich das Problem der Begegnung des Evangeliums mit den einheimischen Kulturen stellt. Diese Situation zeigt bereits die Richtung eurer Aufgabe an: die Kulturen zu evangelisie-ren und den Glauben zu inkulturieren. Gestattet mir, einige Punkte zu erklären, die mir besonders wichtig scheinen. 2. Das Phänomen des Unglaubens mit seinen praktischen Folgen: Säkularisierung des sozialen und privaten Lebens, religiöse Gleichgültigkeit oder sogar ausdrückliche Ablehnung jeder Religion bleibt eine der vorrangigen Aufgaben für eure Reflexion und eure pastorale Sorge. Man müßte die historischen, kulturellen, sozialen und intellektuellen Ursachen dafür untersuchen und gleichzeitig einen achtungsvollen und offenen Dialog mit jenen fördern, die nicht an Gott glauben oder sich zu keiner Religion bekennen. Die Organisation von Begegnungen und einem Gedankenaustausch mit ihnen, wie ihr es in der Vergangenheit schon getan habt, kann nur fruchtbar sein. 3. Die Inkulturation des Glaubens ist die zweite große Aufgabe eures Dikasteriums. Spezialisierte Forschungszentren können euch bei ihrer Erfüllung helfen. Doch ist nicht zu vergessen, daß sie „das ganze Volk Gottes und nicht nur einige Experten einbeziehen muß; denn es ist bekannt, daß das Volk über den ursprünglichen Glaubenssinn nachdenkt” (Redemptoris missio, Nr. 54). Die Kirche gewinnt durch einen langen Prozeß der Vertiefung allmählich das Bewußtsein vom ganzen Reichtum des anvertrauten Glaubens gutes durch das Leben des Volkes Gottes: beim Prozeß der Inkulturation geht man vom implizit Gelebten zum explizit Gekannten über. In ähnlicher Weise führt die Erfahrung die Getauften, die im Fleiligen Geist das Geheimnis Christi leben, unter der Anleitung ihrer Hirten immer mehr zur Erkenntnis jener Elemente der verschiedenen Kulturen, die mit dem katholischen Glauben vereinbar sind, und zur Ablehnung der anderen Elemente. Dieses langsame Reifen fordert viel Geduld und Weisheit, eine große Offenheit des Herzens, einen bewußten Sinn für die Überlieferung und beträchtlichen apostolischen Wagemut nach dem Beispiel der Apostel, der Väter und Lehrer der Kirche. 4. Mit der Schaffung des Päpstlichen Rates für die Kultur wollte ich „der ganzen Kirche einen gemeinsamen Impuls für die immer neue Begegnung der Heilsbotschaft des Evangeliums mit der Pluralität der Kulturen geben”. Ich gab ihm ferner den Auftrag, „Anteil zu nehmen an den kulturellen Sorgen, auf welche die Dikasterien des Hl. Stuhles bei ihrer Arbeit stoßen, um die Koordinierung ihrer Aufgaben für die Evangeüsierung der Kulturen zu erleichtern und die Zusammenarbeit der kulturellen Institutionen des Hl. Stuhles zu gewährleisten” (Schreiben zur Gründung des Päpstlichen Rats für die Kultur vom 20. Mai 1982, in: O.R.dt., Nr. 28, 1982, S. 9). In 521 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieser Perspektive habe ich euch die Sendung anvertraut, die Tätigkeit der päpstlichen Akademien zu koordinieren in Übereinstimmung mit ihren eigenen Zielen und Statuten und regelmäßige Kontakte mit der päpstlichen Kommission für die kulturellen Güter der Kirche zu pflegen, „um eine gemeinsame Zielsetzung und eine fruchtbare gegenseitige Zusammenarbeit sicherzustellen” (Motu proprio Inde a Pontifica-tus, 25. März 1993). 5. Um eure Aufgabe besser zu erfüllen, seid ihr zum Aufbau engerer Beziehungen -die innerhalb aller Konferenzen da sein sollten, wie ihr es kürzlich von ihnen erbeten habt - mit den Bischofskonferenzen und zumal mit den Kommissionen für die Kultur aufgerufen. Diese Kommissionen sollen Stätten der Förderung der christlichen Kultur in den verschiedenen Ländern und Zentren des Dialogs mit den dem Christentum fremden Kulturen sein. Die bevorzugten Organe für die Förderung der christlichen Kultur und dem nichtchristlichen kulturellen Milieus sind gewiß die katholischen Kulturzentren, die sich zahlreich in aller Welt vorfinden, deren Wirken ihr unterstützt und deren Ausstrahlung ihr fördert. Hier läßt die erste internationale Begegnung, die ihr eben in Chantilly organisiert habt, weiteren fruchtbaren Austausch erhoffen. 6. Im gleichen Bereich der Ideen arbeitet ihr mit den internationalen katholischen Organisationen zusammen - zumal mit jenen, denen Intellektuelle, Wissenschaftler und Künstler angehören -, indem ihr „entsprechende Initiativen für den Dialog zwischen dem Glauben und den Kulturen und den interkulturellen Dialog ergreift” (vgl. ebd., Art. 3). Im übrigen verfolgt ihr die Politik und das kulturelle Wirken der Regierungen und der internationalen Organisationen wie der UNESCO, des Rates für kulturelle Zusammenarbeit des Europarates und anderer Organe, die ihrer Kulturpolitik eine voll menschliche Dimension geben möchten. 7. Euer direktes oder indirektes Wirken in Kreisen, wo die großen Pfeiler des Denkens im dritten Jahrtausend aufgebaut werden, möchte der Tätigkeit der Christen -die sich im Ganzen der heutigen Welt Raum schafft - auf kulturellem Gebiet neuen Antrieb geben. Bei diesem umfangreichen Unternehmen, das ebenso dringend wie notwendig ist, müßt ihr einen Dialog mit den Vertretern agnostischer Kreise odei mit den Nichtglaubenden führen, die sich von antiken Zivilisationen oder von neueren intellektuellen Entwürfen anregen lassen, und dieser Dialog scheint verheißungsvoll zu sein. 8. „Das Christentum ist in seiner Grundlage kulturschöpferisch” (Ansprache an dit UNESCO, 2. Juni 1980, in: O.R.dt., Nr. 25, 1980, S. 13). In der christlichen Wel hat sich eine wirklich wunderbare Kultur durch alle Jahrhunderte hindurch ausgebreitet, sowohl im Bereich der Literatur und der Philosophie wie in dem der Wis senschaften und Künste. Selbst der Sinn für das Schöne im alten Europa ist weithii der christlichen Kultur seiner Völker zu verdanken, und seine Landschaft wurds 522 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nach ihrem Bild gestaltet. Das Zentrum aber, um das sich diese Kultur gruppierte, ist das Herz unseres Glaubens, das Geheimnis der Eucharistie. Die Kathedralen ebenso wie die bescheidenen Kirchen auf dem Land, die religiöse Musik wie die Architektur, Kultur und Malerei strahlen das Geheimnis des „verum Corpus, natum de Maria Virgine” aus (des wahren Leibes, der aus der Jungfrau Maria geboren wurde), zu dem alles in einer Bewegung des Staunens hinströmt. Für die Musik erinnere ich in diesem Jahr an Giovanni Pierluigi aus Palestrina anläßlich seines 400. Todesjahres. Es möchte scheinen, daß die Kirche in seiner Kunst nach einer Zeit der Wirren eine Stimme zurückgewonnen hat, die durch die Kontemplation des eucharistischen Geheimnisses ihren Frieden fand, wie das ruhige Atmen der Seele, die sich von Gott geliebt weiß. Die christliche Kultur spiegelt wunderbar das Verhältnis des Menschen zu Gott wider, das in der Erlösung erneuert wurde. Sie öffnet sich für die Kontemplation des Herrn, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Diese Kultur ist von der Liebe belebt, die Christus in die Herzen ausgießt (vgl. Rom 5,5), sowie durch die Erfahrung der Jünger, die zur Nachfolge ihres Meisters berufen sind. Aus diesen Quellen heß sie ein intensives Bewußtsein vom Sinn des Daseins entstehen, eine Charakterstärke, die sich im Herzen der christlichen Familie ausbreitete, und eine vorher unbekannte Feinheit des Empfindens. Die Gnade weckt, befreit, reinigt, ordnet und erweitert die schöpferischen Kräfte des Menschen. Und wenn sie zur Aszese und zum Entsagen auffordert, dann um das Herz frei zu machen für eine Freiheit, die in hohem Maße das künstlerische Schaffen wie auch das Denken und Wirken auf der Grundlage der Wahrheit begünstigt. 9. In dieser Kultur ist auch der Einfluß der heiligen Frauen und Männer entscheidend: durch das Licht, das sie verbreiten, durch ihre innere Freiheit, durch die Macht ihrer Persönlichkeit prägen sie das Denken und den künstlerischen Ausdruck ganzer Perioden unserer Geschichte. Es mag genügen, an den hl. Franziskus von Assisi zu erinnern: Er hatte das Temperament eines Poeten, was seine Worte ausführlich bezeugen, aber auch seine Einstellung und sein angeborener Sinn für symbolische Gesten. Weit entfernt von jedem literarischen Anspruch, hat aber dennoch eine neue Kultur auf den Gebieten des Denkens und des künstlerischen Ausdrucks geschaffen. Ohne ihn hätten ein hl. Bonaventura und ein Giotto sich nicht entfalten können. Damit wissen wir, liebe Freunde, wo der wirkliche Anspruch der christlichen Kultur hegt. Diese wunderbare Schöpfung des Menschen kann nur der Betrachtung des Geheimnisses Christi entspringen und dem Hören seines Wortes, das wir in aller Aufrichtigkeit und bedingungslosem Einsatz in die Praxis umsetzen, wie es die Jungfrau Maria beispielhaft vorgelebt hat. Der Glaube befreit das Denken und öffnet reue Horizonte für die Sprache der dichterischen und literarischen Kunst, für Philosophie und Theologie sowie für andere Schaffensformen, die dem menschlichen Tenius eigen sind. 523 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ausbreitung und Förderung dieser Kultur sind eure Aufgabe: die einen tun es durch Dialog mit den Nichtglaubenden, die anderen durch Suchen nach neuen Ausdrucksformen des Christseins - alle aber wollen eine kräftigere kulturelle Ausstrahlung der Kirche in diese Welt hinein, die nach dem Schönen und Wahren, nach Einheit und Liebe sucht. Zur Erfüllung eurer so schönen und vornehmen und zugleich so notwendigen Aufgaben begleiten euch mein Apostolischer Segen und meine herzliche Dankbarkeit. Menschen werden Opfer moralischer Verirrungen Schreiben an alle Staatsoberhäupter vom 19. März Herr Präsident! Die Gemeinschaft der Nationen ist kürzlich in die Feier des Internationalen Jahres der Familie eingetreten, das angemessenerweise von der Organisation der Vereinten Nationen ausgerichtet wird. Die Internationale Konferenz über die Bevölkerung und die Entwicklung, die ebenfalls von der UNO einberufen wurde und im September 1994 in Kairo stattfinden wird, stellt in gleicher Weise ein bedeutendes Treffen dieses Jahres dar. Die Verantwortlichen der Nationen werden auf diese Weise die Gelegenheit haben, die Überlegungen und Verpflichtungen aus den vorausgehenden Konferenzen in Bukarest (1974) und Mexiko (1984) zu ähnlichen Themen auf den Punkt zu bringen. Aber die öffentliche Meinung erwartet von der Begegnung in Kairo vor allem Orientierungen für die Zukunft, im Bewußtsein dessen, was alles auf dem Spiel steht und dem sich alle gegenübergestellt sehen, wie etwa der Wohlstand und die Entwicklung der Völker, das demographische Wachstum der Bevölkerung in der Welt, die Überalterung in einigen Industrieländern, der Kampf gegen Krankheiten oder auch die gewaltsame Umsiedlung ganzer Völker. Der Hl. Stuhl, getreu seinem Auftrag und mit den ihm eigenen Mitteln, schließt sich gern allen Anstrengungen an, die im Dienst der großen Menschheitsfamilie unternommen werden. Für die katholische Kirche hat am vergangenen 26. Dezember ebenfalls ein „Jahr der Familie” begonnen, das alle Gläubigen zu einer geistigen und moralischen Reflexion über diese menschliche Wirklichkeit als Grundlage des Menschen und der Gesellschaft einlädt. Ich selbst wollte mich mit einem Brief persönlich an alle Familien wenden. Er erinnert jede Familie daran, daß jedes menschliche Wesen „berufen ist, in der Wahrheil und in der Liebe zu leben” (Nr. 16) und daß das familiäre Heim jene Schule des Lebens bleibt, wo die Spannungen zwischen Unabhängigkeit und Gemeinschaft, zwischen Einheit und Vielfalt auf privilegierter und ursprünglicher Ebene gelebt werden. Dort, glaube ich, gibt es eine Quelle an Menschlichkeit, die die besten schöpferischen Kräfte des sozialen Gefüges hervorbringt, die jeder Staat als wertvolle; 524 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gut bewahren sollte. Ohne in die Unabhängigkeit einer Realität einzugreifen, die die zivilen Autoritäten weder schaffen noch ersetzen können, haben diese in der Tat die Pflicht zu versuchen, die Entfaltung der Familie zu begünstigen, nicht nur vom Gesichtspunkt ihrer sozialen Lebenskraft her, sondern auch von ihrer moralischen und spirituellen Gesundheit her. Deswegen hat das Projekt des Schlußdokumentes der kommenden Konferenz in Kairo meine ganze Aufmerksamkeit gefunden. Es war für mich eine schmerzvolle Überraschung. Die Neuerungen, die es enthält, sowohl auf konzeptioneller wie auch auf terminologischer Ebene, lassen einen Text zustande kommen, der sich stark von den Dokumenten der Konferenzen von Bukarest und Mexiko unterscheidet. Man kann nur vor den moralischen Verirrungen Angst haben, die die Menschheit leicht in ihren Bann ziehen können in Richtung einer Niederlage, deren erstes Opfer der Mensch selbst wäre. Man wird beispielsweise feststellen, daß das Thema Entwicklung, das auf der Tagesordnung des Treffens von Kairo steht, mit der sehr komplexen Problematik der Beziehung zwischen Bevölkerung und Entwicklung, die an sich im Mittelpunkt der Debatte stehen sollte, gleichsam unbemerkt untergeht, so sehr, daß die Seiten, die ihm gewidmet sind, noch reduziert wurden. Die einzige Antwort auf die demographische Frage und auf die Forderungen, die für die ganzheitliche Entwicklung der Person und der Gesellschaft aufgestellt werden, scheint sich auf die Förderung eines Lebenstils zu reduzieren, dessen Konsequenzen für den Fall, daß er als Modell und Aktionsplan für die Zukunft angenommen würde, sich als besonders negativ heraus-stellen könnten. Die Verantwortlichen der Nationen haben die Pflicht, über diesen Aspekt der Wirklichkeit noch genau und gewissenhaft nachzudenken. Unter anderem ist das Konzept von Sexualität, wie sie jener Text versteht, völlig individualistisch, da die Ehe nunmehr überwunden zu sein scheint. Nun, eine natürliche und ebenso grundlegende wie universelle Einrichtung, wie es die Familie ist, darf von niemandem so behandelt werden. Wer könnte Individuen oder Institutionen einen solchen Auftrag erteilen? Die Familie gehört zum Besitzstand der Menschheit! Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte bekräftigt zuallererst und eindeutig, daß die Familie „das natürliche und grundlegende Element der Gesellschaft” (Art. 16,3) ist. Das Internationale Jahr der Familie sollte also die bevorzugte Gelegenheit darstellen, damit die Familie von seiten der Gesellschaft und des Staates den Schutz erfährt, der ihr nach Auffassung der allgemeinen Erklärung garantiert werden muß. Dies nicht zu tun hieße die edelsten Ideale der UNO zu verraten. Als noch schwerwiegender erscheinen die zahlreichen Vorschläge für eine allgemeine Anerkennung des Rechtes auf Abtreibung ohne jede Einschränkung auf Welt-drene: Dies geht weit über das hinaus, wozu gewisse nationale Gesetzgebungen be-iauerlicheweise bereits ihre Zustimmung erteilt haben. 525 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In Wirklichkeit hinterläßt die Lektüre dieses Dokumentes, auch wenn es sich richtigerweise nur um eine Projekt handelt, den bitteren Eindruck eines Diktates: jenes eines Lebenstils, wie er typisch ist für gewisse Schichten einer entwickelten, materiell reichen und säkularisierten Gesellschaft. Werden die Länder, die sensibler für die Werte der Natur, der Moral und der Religion sind, ohne Reaktion eine solche Sichtweise des Menschen und der Gesellschaft akzeptieren? Wie kann man im Blick auf das Jahr 2000 nicht an die jungen Menschen denken? Welchen Vorschlag macht man ihnen? Eine Gesellschaft von „Dingen” und nicht von „Personen”. Das Recht, von ihrer frühesten Jugend an alles grenzenlos zu tun, aber mit der größtmöglichen „Absicherung”. Die Gabe der Selbstlosigkeit, der Beherrschung der Triebe, der Sinn für Verantwortung sind Vorstellungen, die man als einer anderen Zeit zugehörig betrachtet. Man würde auf diesen Seiten z. B. gern die eine oder andere Überlegung über das Gewissen und über die Achtung kultureller und ethischer Werte vorfinden, die andere Betrachtungsweisen inspirieren, um die Existenz zu begreifen. Es steht zu befürchten, daß morgen die gleichen jungen Menschen, wenn sie erwachsen sind, von den heute Verantwortlichen die Rechnung dafür verlangen, daß man ihnen den Sinn des Lebens vorenthalten hat, ihnen die Pflichten aufzuzeigen, die einem Sein obliegen, das mit Herz und Intelligenz ausgestattet ist. Wenn ich mich an Eure Exzellenz gewandt habe, wollte ich Ihnen nicht nur mein Unbehagen angesichts eines Entwurfes für ein Dokument mitteilen. Vor allem wollte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die schweren Herausforderungen lenken, denen sich die Teilnehmer an der Konferenz von Kairo zu stellen haben. Die so wichtigen Fragen wie die Weitergabe des Lebens, die Familie, die materielle und moralische Entwicklung der Gesellschaft erfordern zweifellos eine tiefergehende Überlegung. Deswegen wende ich mich an Sie, Herr Präsident, dem das Wohl Ihrer Mitbürger und der ganzen Menschheit am Herzen hegt. Es ist von Wichtigkeit, den Menschen, seinen Sinn für die Heiligkeit des Lebens, seine Fähigkeit zu heben und sich zu opfern, nicht zu schwächen. Es werden hier sensible Bereiche berührt, durch die unsere Gesellschaft zustandekommt oder zerbricht. Ich bete zu Gott, daß er Ihnen die Unterscheidungsgabe und den Mut verleihe, aul daß es Ihnen gegeben sei, unter der Mitarbeit so vieler Menschen guten Willens in Ihrem Land und in der Welt neue Wege einzuschlagen, auf denen ahe Hand in Hand gehen und zusammen jene erneuerte Welt aufbauen können, die wahrhaft eine Familie, die Völkerfamilie sein möge. Aus dem Vatikan, am 19. März 1994 Joannes Paulus PP. II 526 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Humanisierung der Arbeitswelt - ein Erfordernis sozialer Gerechtigkeit Ansprache an die Arbeiter des Staatlichen Instituts für Polygraphie und Münzprägung am Festtag des hl. Josef, 19. März 1. „Mit Menschenhänden hat er gearbeitet...” (Gaudium et spes, Nr. 22). Dieser Satz des Zweiten Vatikanischen Konzils bezieht sich auf Christus, der dem Menschen den Menschen voll offenbart (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22), da er mit einem menschlichen Herzen gebebt, wie wir Menschen gelitten und mit Menschenhänden gearbeitet hat. An diese Worte erinnern wir uns ganz besonders heute, am Festtag des hl. Josef, an dessen Seite Jesus gearbeitet hat. Von Josef hat Jesus das harte Handwerk des Zimmermanns erlernt, und die Mühe und Anstrengung der Arbeit ist eine grundlegende Dimension des Geheimnisses der Erlösung geworden. Der, der mit Menschenhänden gearbeitet hat, ist der Erlöser der Welt, der Sohn Gottes, der wesensgleich ist mit dem Vater, der Mensch geworden ist durch das Wirken des Heiligen Geistes und der geboren ist aus der Jungfrau Maria. Josef war für ihn der himmhsche Vater, der ihn das Handwerk lehrte, das er selbst ausübte. Daher wurde Jesus der Sohn des Zimmermanns genannt (vgl. Mt 13,55). Wb möchten uns heute wieder auf das Große Gebet für Italien besinnen, das letzten Dienstag eingesetzt hat. Wb möchten dieses Gebet gemeinsam mit den Arbeitern dieses Landes weiterführen, deren Mühe und Anstrengung seit Jahrhunderten und auch weiterhin Italien gestaltet. Seit Jahren ist nunmehr der 19. März, der Tag des hl. Josef, der Tag der Begegnung des Papstes mit den verschiedenen italienischen Arbeitsbereichen geworden. Diese Begegnungen haben in zahbeichen Städten in vielen kleinen und großen Betrieben stattgefunden. Heute aber treffen wb uns hier im Vatikan, im Saal von Paul VI. Ich begrüße die große Familie des Staatlichen Instituts für Polygraphie und Münzprägung und freue mich, daß diese Begegnung zu einem für die Geschichte Italiens bedeutenden Zeitpunkt stattfindet. Ich begrüße alle Anwesenden und beginne mit dem Präsidenten der Banca d’Italia, den Dbektoren der Industrie- und Gewerkschaftsverbände und den Bischöfen der Kommission für die Arbeit der CEI. Insbesondere begrüße ich den Vorsitzenden des Staatlichen Instituts für Polygraphie und Münzprägung, Dr. Giovanni Ruggeri, dem ich für die Worte danke, die er soeben im Namen jener großen Arbeitsgemeinschaft, mit der der Vatikan ein aktives Verhältnis der Zusammenarbeit pflegt, an mich gerichtet hat. Ebenso danke ich der Dame, die im Namen der gesamten Arbeiterschaft gesprochen hat. Ich danke außerdem für das Geschenk des mit außerordentlichem Geschick verfertigten Faksimiles der Bibel von Karl dem Kahlen, ein wertvolles Beispiel der karolingischen Renaissance und oeredtes Zeugnis der damaligen Verehrung des göttlichen Wortes, die der Nachwelt ruf Pergamenten mit kostbaren Miniaturen von einzigartiger Schönheit hinterlassen worden ist. 527 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Meine Gedanken wenden sich dann an die Arbeiter der römischen Betriebe, der Papierfabrik von Foggia, der Papierfabriken von Miliani di Fabriano und von allen Einrichtungen, die Bestandteile eures verdienstvollen Instituts sind. Euch allen, liebe Freunde, danke ich für eure Anwesenheit. In eurer Person möchte ich die ganze Welt der Arbeiter und der Arbeiterinnen in Italien und in jeder anderen Nation der Welt begrüßen. 2. Überall in Italien werden enorme Erfolge im Bereich der Arbeit verzeichnet, Erfolge, die Italien zu einem der bedeutendsten Länder der Welt machen. Wir werden zu einem anderen Zeitpunkt auch die Gelegenheit haben, gemeinsam mit den Landarbeitern und denen, die im wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich tätig sind, das Große Gebet wiederaufzunehmen. Heute aber möchten wir, wie in den letzten Jahren, unsere Aufmerksamkeit und unser Gebet der Welt der Industrie zuwenden. Wir sprechen von der Arbeit und blicken auf ihre Früchte. Die wichtigste Frucht der Arbeit ist der Mensch selbst. Durch seine eigene Tätigkeit formt sich der Mensch selbst, da er seine eigenen Möglichkeiten entdeckt und sie in die Tat umsetzt. Zugleich schenkt er sie den anderen und der ganzen Gesellschaft. Er bestätigt auf diese Weise durch die Arbeit seine eigene Menschlichkeit und wird, indem ei sich selbst in aller Fülle verwirklicht, in gewissem Sinne ein Geschenk an die anderen. Diese personale Bedeutung der menschlichen Arbeit, die ich in der Enzyklika Labo-rem exercens hervorgehoben habe, ist groß. Niemals darf ihre Vorrangstellung aus den Augen verloren werden. Niemals darf die Arbeit dem Kapital untergeordnet werden, denn dies wiederspricht der vom Schöpfer festgelegten Ordnung. Die Arbeit wird vom Menschen für den Menschen ausgefübrt. Nur auf diese Weise entspricht sie der rechten Ordnung. Sonst wird der Plan Gottes erschüttert und zerstört. Wir beten heute gemeinsam mit den Arbeitern. In dieses Gebet möchten wir die ganze Welt der italienischen Arbeit einbeziehen und vor allem für das Wachstun danken, das die Söhne und Töchter dieses Landes durch ihre Mühe und Anstrengung verwirklicht haben. Wir bitten, daß die Arbeit auch in Zukunft die Hauptquellt der vollen Entwicklung des Menschen in Italien bleiben möge. Möge die Arbeit ii diesem Lande ein Anlaß für den Fortschritt der Gerechtigkeit und eine Quelle wach sender sozialer Liebe sein. 3. Wir möchten heute vor allem die Arbeit in ihrem Bezug zur Familie betrachten Der Handwerker Josef von Nazaret hat gearbeitet, um die Heilige Familie zu emäh ren. Die Arbeit für den Lebensunterhalt der Familie ist das erste Recht eines jedei Arbeiters und einer jeden Arbeiterin. Wenn die soziale Ordnung der Arbeit auf di< Person ausgerichtet ist, die arbeitet, und wenn sie dieser Person dienen soll, so heiß dies, daß sie auch dem Wohl der Familie dienen und ihr den Lebensunterhalt um die Erziehung ermöglichen muß. In diesem Jahr, das der Familie geweiht ist, kam nicht genug hervorgehoben werden, wie wichtig die Arbeit für die Gesellschaft ist. 528 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir müssen unsere Aufmerksamkeit auch auf die außerordentlich wichtige Arbeit lenken, die von den Frauen, den Müttern in der Familie geleistet wird. Sie sind in der ihnen vom Schöpfer selbst zugeteilten Aufgabe unersetzlich. Niemand kann Leben schenken, niemand kann ein Neugeborenes so erziehen wie eine Mutter. Gott selbst, so könnten wir sagen, hat sich an diese Regel angepaßt, indem er Maria seinen einzigen Sohn anvertraut hat. Der berechtigte Wunsch, mit den eigenen Fähigkeiten zum Gemeinwohl beizutragen, und der sozio-ökonomische Kontext selbst, leiten die Frau sehr oft dazu an, berufstätig zu werden. Dabei muß jedoch vermieden werden, daß die Familie und die Menschheit einen Verlust erleidet, der sie verarmen läßt, da die Frau bei der Zeugung und Erziehung der Kinder unersetzbar ist. Die Autoritäten werden daher mit angemessenen Gesetzen für die berufliche Förderung der Frau und zugleich für den Schutz ihrer Berufung als Frau und Erzieherin sorgen müssen. Möge der heutige Tag durch die Fürsprache der Muttergottes und ihres Bräutigams, des hl. Josef, ein Anlaß sein, für all das dankzusagen, was die Familie, die Kultur und das italienische Sozialleben im Laufe der Jahrhunderte den Frauen und Müttern schulden. Während wir Gott hierfür danken, bitten wir ihn, daß die Frau, Braut und Mutter, weiterhin eine führende Kraft bleiben möge. Möge der Herr, der ihr von der Empfängnis an den Menschen anvertraut, dies auch in Zukunft tun. Möge die Opferbereitschaft der Frau nicht abnehmen, die sich in Italien so oft schon in den hervorragenden Gestalten heiliger Mütter offenbart hat, von denen einige, um das Leben des Kindes in ihrem Schoß zu retten, ihr eigenes Leben hingegeben haben. 4. Unser Bück wendet sich heute auch den Jugendüchen zu, die Schulen und Universitäten besuchen, um sich auf die Ausübung eines Berufs oder eines Handwerks vorzubereiten, um ihren Beitrag zu dem großen Unternehmen zu leisten, als das die Arbeit bezeichnet werden kann, die die Quelle des Wohls der Gesellschaft ist. Voller Hoffnung denken wir an sie, aber auch voüer Sorge, denn leider sind die Beschäftigungsmöglichkeiten seit einiger Zeit drastisch zurückgegangen. Die Jugendlichen sehen sich einer Zeit mühseüger Arbeitssuche und Arbeitslosigkeit gegenüber, anstatt, wie es wünschenswert wäre, von der Schule direkt zur Arbeit überzugehen. All dies bringt für sie eine große Enttäuschung, sie fühlen sich gesellschaftüch überflüssig. Hinter aü dem lauert eine ernste Gefahr. Die Jugendlichen wollen eine eigene Familie gründen und haben ein Recht dazu. Aber wie ist es ihnen mögüch, wenn die grundlegende Voraussetzung nicht erfüllt ist? Wie können sie heiraten, wenn ihnen nicht die Möglichkeit eines Einkommens zugesichert wird, das für eine Wohnung, für die Famiüe und die Erziehung der Kinder ausreicht? Wie wichtig ist es doch, erneut über das Problem der Organisation der Arbeit und ler Beschäftigung nachzudenken! Es darf den Jugendüchen, die verantwortungsvoU hren Teil zur Gesellschaft beitragen woüen, im Lande nicht an Perspektiven der Toffnung fehlen. Sie müssen spüren, daß die Geseüschaft sie braucht, daß sie sich /on ihnen gemäß der ganz spezifischen Vorbereitung der einzelnen einen Beitrag 529 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zum Gemeinwohl erwartet. Die jungen Energien dürfen nicht enttäuscht werden, ihr Geist darf nicht erlöschen. Wenn das aktuelle Wirtschaftssystem dies nicht gewährleistet, so muß es mutig überprüft und nötigenfalls verbessert werden. Dies ist das große Thema unseres heutigen Gebets. 5. Liebe Brüder und Schwestern, wir beten für Italien. Doch liegt Italien in Europa und in der Welt, wo es immer mehr Länder gibt, die im Kontext der herrschenden internationalen Wirtschaftssysteme Opfer der Ausbeutung sind. Die Produkte der harten Landarbeit werden immer schlechter bezahlt, während für Produkte aus der Industrie immer mehr verlangt wird und auf diese Weise statt der Entwicklung, auf die sie ein Recht haben, viele Nationen zu einer Art Stillstand verdammt sind, zur Arbeitslosigkeit, zur Auswanderung. Dies ist ein ungerechtes System, das in der heutigen Zeit zu einem weltweiten Problem geworden ist: Es ist eine Ungerechtigkeit, die die sogenannte Erste Welt angesichts der Verschlimmerung der Lebensbedingungen der Völker der Dritten Welt zur Verantwortung zieht. Denn wird so nicht auf großer Ebene die fundamentale Ordnung gestört, die den Vorrang der Arbeit über das Kapital gewährleistet? Wird auf diese Weise das Kapital nicht immer mächtiger und unmenschlicher? Und die Opfer ähnlicher Situationen werden immer mehr und mehr der Mensch und die Familie. Ihr Menschen, die ihr für die Gerechtigkeit und die Zustände verantwortlich seid, ir denen die Arbeiter, wo auch immer, sich befinden, ihr Vertreter der Gewerkschaften, müßt eure Stimmen verlauten lassen, ihr müßt die Änderung dieser Ordnung fordern. Welcher Art sind die Lösungen des Problems der Armut, die die allmächtigen Besitzer des Kapitals den armen Nationen aufzwingen wollen? Als hauptsächliches Mittel schlagen sie vor, das Recht auf Leben zu zerstören. Ist dies nicht ganz offensichtlich ein Widerspruch? Alle Reichtümer der Schöpfung sind für den Menscher bestimmt, und es gibt keinen Reichtum ohne den Menschen. Wenn die Menscher diesbezüglich nicht klagen, so wird Gott klagen. Und heute klagt der Sohn de; Zimmermanns, Jesus von Nazaret, der mit seinen eigenen Händen gearbeitet hat. E: ruft laut vom Kreuz: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun” (Lk 23,34) Doch er ruft auch: „Du sollst nicht sündigen, du sollst keine Ungerechtigkeit bege hen, du sollst nicht töten.” 6. Dies ist der Tag des Großen Gebets mit den Arbeitern: es ist das Gebet für dis Arbeit. Es hat eines Tages hier in eurem Land begonnen. Hier in Italien nämlich ha der hl. Benedikt gelehrt, bei der Verrichtung der Arbeit zu beten, und die Mönche die ihm getreu dem Grundsatz „Ora et labora” gefolgt sind, haben eine große Revo lution herbeigeführt, die sicherlich der modernen industriellen Revolution in nicht nachsteht. Frucht jener Revolution war die Heiligkeit des Menschen. Die Arbei machte die Menschen zu Menschen, heiligte den Menschen, veredelte das Familien leben und schuf soziale Bande. Wir danken für die außerordentlichen Früchte, dl die menschliche Tätigkeit in vielen Jahrhunderten in Italien, in Europa und der gan 530 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zen Welt hervorgebracht hat. Und zugleich verlangen wir, daß dem Gebet innerhalb der menschlichen Arbeit auch zur heutigen Zeit Platz eingeräumt werde. Das Aufgeben eines humanen und religiösen Sinnes der Arbeit trägt nur dazu bei, daß der Mensch die Arbeit geradezu haßt und sie ausschließlich als Quelle des Profits betrachtet. Wenn so gearbeitet wird, kann er den Menschen als solchen nicht mehr sehen und auch nicht den anderen, der an seiner Seite arbeitet. Es muß daher „über die Arbeit gearbeitet werden”! Über die Arbeit zu arbeiten, heißt, über den Menschen zu arbeiten, der arbeitet, damit er, wie der polnische Dichter Cyprian Nordwid sagt, durch die Arbeit aufersteht, und die Fülle der Menschheit findet. Wir bitten dämm, daß die Arbeit in Itahen und in der ganzen Welt zu dieser ihrer ursprünglichen Dimension zurückkehrt. Es fehlt nicht an Menschen, Bewegungen und Organisationen, die sich für diese Sache einsetzen. Mögen sie immer mehr werden und dazu beitragen, den Menschen durch die Arbeit menschlicher zu machen! Dies ist der einzige Weg in die Zukunft! Ich wünsche Itahen, diesen Weg gehen zu können, und in diesem Sinne lade ich euch ein, durch die Fürsprache des hl. Josef, des Schutzpatrons der Arbeit, zum Herrn zu beten. Danke. Die Welt ist durch das Kreuz Christi erlöst Predigt beim Pastoralbesuch in der römischen Pfarrgemeinde San Cirillo Alessandrino am 20. März Gelobt sei Jesus Christus! Noch einmal möchte ich die ganze Pfarrgemeinde von San Cirillo Alessandrino begrüßen. Ich habe dies zwar bereits zu Beginn der Messe getan, doch möchte ich gemeinsam mit dem Vikar von Rom, Kardinal Ruini, mit dem Regionalbischof Msgr. Mani und zusammen mit euch allen noch einmal unsere Gäste aus Frankreich begrüßen. Es besteht eine ganz besondere Verbindung zwischen dieser Gemeinde und Marseille. Marseille war ein Weg für das Christentum nach Gallien, nach Frankreich, und es ist nun hier in Rom in diesem Kollegium der Bischöfe anwesend. Wir begrüßen vor allem euren ehemaligen Bischof, der nun Bischof in Monaco ist. Mit ihm begrüßen wir alle Mitglieder dieser priesterlichen, apostolischen Gemeinschaft. 1. Wir nähern uns heute bereits der Karwoche. Um sie wirklich zu erleben, müßte man nach Jerusalem gehen, denn dort hat sich all das zugetragen, was ihren heiligen Inhalt ausmacht. In Jerusalem müßten wir Schritt für Schritt, Augenbück für Augenblick all das, was Jesus gelebt, gesagt und gelitten hat, miterleben. Wir tun dies, indem wir uns mit Geist und Herz nach Jerusalem begeben. Und dies tun alle Gläubigen auf der Welt, auch wenn sie sehr weit weg sind wie in Neuseeland, in Japan oder Argentinien: Alle stellen sich vor, an diesen heiligen Tagen, an diesem heiligen Triduum in Jerusalem zu sein. Sie gehen zum Abendmahlssaal, zum Garten Getse- 531 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mani, zu den Gerichten und durchleben die schreckliche Nacht der Gefangennahme Jesu; sie gehen von Pontius Pilatus zu Herodes, zur Geißelung und Dornenkrönung und folgen dann dem Kreuzweg bis hin zur Kreuzigung. Und sie hören wieder die letzten Worte Christi: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun” (Lk 23,34). 2. Hier in Rom erleben wir diese Tage, diese Heilige Woche, wie es überall üblich ist: Wir erleben sie durch die Liturgie. Die römische Liturgie ist von wunderbaren, bewegenden Inhalten erfüllt. Am Beginn steht die Feier in St. Johannes im Lateran zum Gedächtnis des Letzten Abendmahles mit der Fußwaschung. Dann folgt die Nachtwache im Gefängnis an der Seite des so sehr gedemütigten Christus. Es geht weiter mit der großen Karlfeitagsfeier; an diesem Tag begehen wir nicht nur die Eucharistie, sondern erinnern uns an die Quelle der Eucharistie, an das wahre Opfer. Und wir erheben das Kreuz: Es ist ein sehr ergreifender Augenblick, wenn der Zelebrant - sei es der Papst, der Bischof oder ein Priester - singt: „Ecce lignum crucis in quem salus mundi pependit. Venite adoremus”. Und die ganze Versammlung kniet anbetend nieder. Wir müssen das Kreuz anbeten, denn wir wissen sehr wohl, daß der erniedrigte Christus, der gekreuzigte Christus der Sohn Gottes ist, gekreuzigt wegen unserer Sünden, die er auf sich genommen hat. Er hat diese unglaubliche, unbegreifliche und unermeßliche Last aller Sünden der Menschheit auf sich genommen. So ist er auf dem Kreuzweg bis außerhalb der Tore von Jerusalem gegangen. Wir gehen zum Kolosseum, denn das Kolosseum erinnert an den Kreuzweg sc vieler Christen. Es ist ein Zeugnis. Am Kolosseum sprechen wir zu Christus: „De bist nicht allein. Du bist nicht allein. Es waren so viele bei dir, die hier in deinen Namen gekreuzigt und gefoltert wurden. Und heute sind wir Gläubigen, Zeugen des Glaubens bei dir, wir sind mit dir”. Der Kreuzweg am Kolosseum ist ein sehr beredtes Zeichen unserer Ähnlichkeit mit Jesus, der das Kreuz trägt. Es ist ein Streber nach unserer Einheit um Ihn, Einheit um den gekreuzigten Christus. Dieses Jahr haben wir die Freude, daß die Meditation zum Kreuzweg vom Patriarchen von Konstantinopel vorbereitet worden ist. Dies ist ein bedeutendes ökumenisches Zeichen Dann wissen wir sehr wohl, daß der Karfreitag der Tag ist, an dem für die ganze Welt, für alle Völker, für alle Christen und Nicht-Christen gebetet wird, daß in verschiedenen Sprachen der Welt, in asiatischen, europäischen und afrikanischen Sprachen gebetet wird. Denn Christus hat alle erlöst: Die ganze Welt ist von diesen Kreuz Jesu erlöst worden. Dann bringen wir Ihn zum Grab. An diesem Grab beginnt für uns die Ostervigil Karsamstag, die Messe ...Wir warten die ganze Nacht hindurch auf den Morgen wenn sich diese Grabstätte öffnen wird und die Frauen von Jerusalem das Wort hö ren werden: „Er ist nicht hier. Er ist auferstanden” (vgl. Lk 24,6). 3. Ich wollte euch, meine Lieben, auf diese große Feier der nahenden Karwoch* vorbereiten. In dieser Heiligen Woche vernehmen wir einen lauten Schrei. Die Li turgie des heutigen Sonntags spricht von diesem Schrei. Johannes berichtet darübe 532 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in seinem Evangelium und auch Paulus: Es ist der Schrei Christi. Doch vor Herodes schwieg Christus, er sagte nichts. Vor Pilatus hat er Dinge gesagt, die geradezu der Schlüssel zu seiner Sendung sind. Als er das Kreuz trug, schwieg er, als er gegeißelt wurde, schwieg er, als er mit Dornen gekrönt wurde, schwieg er, und als er gekreuzigt wurde, schwieg er. Er schwieg. Er schrie nur zum Vater: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun” (Lk 23,34). Und dieser große Schrei Christi ist ein Schrei für die ganze Menschheit. Er schreit: Haltet ein! Haltet ein! Macht nicht so weiter! Zerstört euch nicht selbst durch Krieg und Haß! Zerstört euch nicht selbst durch die Sünde! Haltet ein! Ich bin der Stein auf den ihr bauen, aufbauen könnt. Meine Lieben, das nahe rückende Osterfest macht uns bewußt, daß wir im Glauben ein großes Geheimnis feiern... Ja, treten wir ein in die Ereignisse, die sich in Jerusalem, die sich in Rom und in der ganzen Welt abspielen, wo es Christen gibt. Doch treten wir vor allem ein in das große Geheimnis zwischen Gott und dem Menschen, in das große Geheimnis der Liebe. Die Liebe ist stärker als der Tod. Das Geheimnis der Liebe ist stärker als unsere Schwächen, ihm müssen wir uns anvertrauen, uns zu ihm bekehren, ihm vertrauen. Wahres Menschsein ist ein Geschenk für andere Ansprache beim Treffen mit den Jugendlichen in der Aula Paul VI. am 24. März Mit unseren Gedanken sind wir noch immer in Denver. Man spürt dieses Klima Amerikas, der vorigen Station des Weltjugendtags. Aber auch die vorhergehenden Stationen spürt man: Jasna Göra, Santiago de Compostela, Buenos Aires und schließlich Rom - vor zehn Jahren. Ein zehnjähriger Weg. Man spürt all diese Stationen, aber vor allem fühlen wir die Bedeutung dieses Jahres, 1994: das Große Gebet für Italien und mit Italien. Gemeinsam mit den Jugendlichen hier frage ich mich nun: Wofür sollen wir beten? Ich glaube, wir sollten vielleicht um Geld beten. Ja, um Geld, um die finanziellen Mittel, die nächste Station, Manila auf den Philippinen, zu erreichen. Die Reise dorthin ist kostspielig. Junge Menschen brauchen Geld sicherlich aus vielen verschiedenen Gründen: zum Leben, für ihre Entwicklung und Bildung, zur Vorbereitung auf das Leben als Erwachsene, für ein rechtschaffenes Dasein - denn wir wollen kein unehrliches Geld. Unter keinen Umständen. Wir wollen unser Geld auf redliche Weise verdienen und es ebenso auf redliche Weise ausgeben. Das haben wir bereits in Denver bewiesen, denn man hatte von uns so manches erwartet und gedacht: Man befürchtete und glaubte, die Jugendlichen seien Diebe und Unruhestifter. Aber wir haben unsere amerikanischen Freunde überrascht. Sie hatten sich mit erheblichem Einsatz und großen finanziellen Mitteln vorbereitet. Aber die Jugendlichen haben nichts von all- 533 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem getan, was man befürchtet hatte: Sie haben nichts gestohlen, sie waren nicht gewalttätig; nichts von alledem; sie haben durch ihre Rechtschaffenheit gewonnen. Wie wir sehen, müssen wir von den wirtschaftlichen Dingen zu denen der Ethik übergehen, aber das geht nicht ohne Anthropologie, ohne eine Anschauung vom Menschen. Hier möchte ich nun ein wenig philosophisch werden. Ihr alle seid bereits Philosophen, auch die Jungen und Mädchen der zweiten Mittelstufenklasse wissen schon, wer Aristoteles war, hoffe ich. Aristoteles war jenes Genie des menschlichen Geistes, dem wir einen großen Teil unseres intellektuellen und philosophischen Erbes verdanken. Was war der Mensch für ihn? Er war ein vernunftbegabtes Wesen mit einer eigenen Zweckbestimmung. Diese Zweckbestimmung des Menschen ist seine Vollkommenheit, er muß dieses Ziel, als Mensch vollkommen zu sein, erreichen. Nichts ist gegen diese von Aristoteles vertretene Anschauung einzuwenden, denn auch Jesus sagt in der Bergpredigt, daß der himmlische Vater vollkommen ist und daß „ihr vollkommen sein müßt wie er”. Aber wenn wir einerseits mit Aristoteles übereinstimmen, so müssen wir andererseits seine Sicht korrigieren. Die Berichtigung dieser Anschauung kommt mit Jesus, denn er hat uns den Vater offenbart, der seinen Sohn sendet. Wenn er ihn schickt, wenn der Vater seinen Sohn, Jesus, geschickt hat, bedeutet es, daß er nicht nur ein absolutes, ein in sich vollkommenes Wesen, ein Vorbild für den Menschen und alle Geschöpfe, sondern ein Mysterium, eine Beziehung, ein Sichhingeben, ein Geschenk ist; und genau so offenbart sich in Jesus diese neue anthropologische Sicht: Der Mensch ist wirklich das vollkommenste unter allen von Gott geschaffenen Wesen; aber dieses so perfekte Geschöpf kann sich erst dann verwirklichen, wenn es selbst zum wirklichen Geschenk wird. Das ist die Weisheit des Evangeliums. Sie kommt in den gleichen Worten, die ich angeführt habe im Zweiten Vatikanischen Konzil, zum Ausdmck, insbesondere in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes, über die Kirche in der Welt. Es ist eine klassische Ausführung, die uns wirklich eine Synthese der christlichen Anthropologie gibt. Diese christliche Anthropologie ist nicht nur im aristotelischen Sinn per-fektionistisch, sondern sie ist relationaler Natur, was bedeutet, daß der Mensch durch das Schenken, durch seine Hingabe an andere sich selbst verwirklicht. Das ist natürlich die tiefgreifendste, die göttlichste Antwort auf die menschliche Frage: Wer ist der Mensch, was ist der Mensch? Die Antwort Gottes kann durch die Einstellung des Menschen verfälscht werden, denn wenn man sagt: Der Mensch muß leben, um ein Geschenk zu werden, dann kann man diese Formulierung im utilitaristischen Sinn interpretieren und glauben, daß der Mensch um so menschliche! wird, je mehr er verdient, nicht, wenn er selbst zum Geschenk wird, sondern wenr er nach anderen Gütern als Geschenk für sich sucht. Diese utilitaristische Auffassung stützt sich auf eine immanentistische Philosophie, die bei Descartes begönnet hat und in unserem modernen Zeitalter stark entwickelt ist. Jetzt möchte ich aber mi 534 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Philosophieren Schluß machen, denn ich bin überzeugt, daß ich zu Kollegen, zu Philosophen spreche, die alle bereits wissen, was ich meine. Damit gehen wir also zum zweiten Punkt dieser Betrachtung über: Wer ist der Mensch und was ist der Mensch? Diese anthropologischen Gedanken werden zum Gebet für Italien: damit die Italiener lernen, sich anderen zu schenken; nicht egozentrisch oder egoistisch, sondern ein Geschenk für andere zu sein. Mit solchen Menschen, einem solchen Volk besteht Hoffnung für Italien, hat es eine Zukunft, die zweifellos in euren Händen liegt, und ich bete heute mit euch jungen Italienern, euch jungen Römern, damit ihr lernt und auch andere lehren könnt, sich dem Nächsten zu schenken, nicht egozentrisch, nicht eigennützig, sondern ein Geschenk zu sein. Sich selbst zu schenken wissen ist der zweite Punkt meiner Überlegungen. Der erste Gedanke war wirtschaftlicher Natur, der zweite ethischer Art und der dritte muß theologisch geprägt sein. Damit kommen wir unmittelbar zu den Worten Jesu: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 20,21). Natürlich kann das Gesandtsein auch Protest hervorrufen. „Gesandt sein” bedeutet abhängig sein, bedeutet fast ein Gebrauchsgegenstand sein: Du bist mein Diener, ich schicke dich, und du mußt gehorchen. All das ist wahr. Christus ist gekommen und uns als Diener begegnet: Ich bin unter euch wie derjenige, der euch dient, denn ohne dienen kann man nicht weiterkommen. Dienen bedeutet herrschen. Aber diese Worte: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” {Joh 20,21), enthalten auch noch eine andere Bedeutung: „Gesandt sein” bedeutet eine Botschaft haben, so, wie Christus. Eine Botschaft erhalten und überbringen und mit dieser Botschaft zu den anderen gelangen, um sie zu erleuchten, sie zu dem wahrhaft Guten, zu den wirklichen Werten zu führen, um ein neues Leben mit ihnen aufzubauen - all das bedeutet „gesandt sein”. Heute beten wir für Italien, insbesondere mit den jungen Italienern und den jungen Römern. Wir wollen beten, damit die Italiener, vor allem die neue Generation, die Jugendlichen, sich dieser Sendung bewußt werden, damit sie wissen, gesandt zu sein, eine Botschaft, einen Auftrag zu haben. Ohne dieses Bewußtsein kann das menschliche Dasein nicht in vollem Maße gelebt werden. Man muß den anderen etwas bieten können, man muß diesen anderen eine Botschaft der Wahrheit, des Guten, des Schönen bringen, um sie glücklich zu machen. Das also ist das dritte Gebet für die Italiener, insbesondere für die Jugendlichen und mit den Jugendüchen, damit die Italiener - in erster Linie die junge Generation -dieses Sendungsbewußtsein haben, damit sie nicht ohne es leben. Missionstätigkeiten können von verschiedener Art sein. Es gibt Missionare, die in ferne Länder reisen, aber es gibt auch Missionsaufgaben und Missionare in der eigenen Pfarrgemeinschaft, in der eigenen Familie. Es ist eine Sendung, kontemplative Karmelitin zu sein, es ist eine Sendung, aktive apostolische Schwester zu sein, es ist eine Sendung, Braut und Bräutigam, Arbeiter und Intellektueller zu sein. Alles ist Sendung, in den Christus eigenen Kategorien ist alles Sendung. Wir alle sind Missionare, denn die Welt ist uns als Aufgabe anvertraut worden. Wir müssen diese 535 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Welt aufbauen, uns für das Wohl dieser Welt einsetzen und aus ihr das Reich Gottes machen. Das sind die drei Fürbitten für Italien, insbesondere für die Jugend Italiens, die ich heute hier - auch für alle Italiener - vorbringe: Sie bilden einen Zyklus, der bei den Bischöfen begonnen hat, die Welt der Arbeit durchquerte und nun bei der Jugend angelangt ist. Die Jugend von Rom, ja hauptsächlich Rom muß sich einsetzen bei diesem Gebet für Italien. Vielleicht sollte noch ein Wort über Thomas gesagt werden. Der heute verlesene Abschnitt des Johannesevangeliums beschreibt uns den Jünger als eine etwas rätselhafte Figur, denn als alle außer ihm den auferstandenen Jesus gesehen hatten, sagte er: Ich kann nicht glauben, wenn ich ihn nicht sehe, ich kann nicht glauben, wenn ich ihn nicht berühre. Diese Kategorie, diese Art von Personen, auch unter den Jugendlichen, ist uns gut bekannt - diese von der Wissenschaft im engeren Sinn des Wortes, von den Natur-und Experimentalwissenschaften faszinierten Empiriker. Wir kennen sie, es sind viele, und sie sind sehr wertvoll, denn dieser Wille, zu berühren und zu sehen, zeugt von der Ernsthaftigkeit, mit der die Wirklichkeit, das Erkennen der Wirklichkeit behandelt wird. Und sie sind bereit, wenn Jesus eines Tages kommt und ihnen gegenübertritt, wenn er ihnen seine Wunden, seine Hände, seine Seite zeigt, ja, dann sind sie bereit zu sagen: „Mein Herr und mein Gott!” (Joh 20,28). Ich glaube, daß viele unter euren Freunden und Altersgenossen diese empirische, diese wissenschaftliche Mentalität haben; aber wenn sie Jesus einmal berühren könnten, sein Gesicht sehen, das Antlitz Christi berühren könnten - wenn sie einmal Jesus in euch werden berühren, in euch werden sehen können, dann werden sie sagen: „Mein Herr und mein Gott!” (Joh 20,28). Ich möchte noch ein letztes Element hinzufügen, das letzte Element dieses Gebets für Italien, insbesondere für die Klasse der Intellektuellen, die ausgesprochen skeptisch ist, sie, die an der Religion zweifelt, die ihre aufklärerischen Traditionen hat, sie braucht dieses Erlebnis des hl. Thomas. Wir wollen beten, daß die Erfahrung des Thomas, wenn er schließlich sagt: „Mein Herr und mein Gott\”(Joh 20,28), auch ihre eigene wird. Mit eigenen Fähigkeiten zum Gemeinwohl beitragen Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 24. März Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Diese Begegnung mit euch, dem Präsidium sowie den Konsultoren und Mitgliedern des Päpstlichen Rates für die Familie, ist für mich ein Anlaß zur Freude, wei 536 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihr die 11. Vollversammlung eures Dikasteriums gerade im Jahr der Familie abhaltet, mit dem die Kirche alle Gläubigen zu einem geistlichen und moralischen Nachdenken über diese im Leben der Menschen und der Gesellschaft grundlegende Wirklichkeit auffordert. Lebhaft danke ich für die hebenswürdigen Worte, die Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, Präsident des Dikasteriums, auch im Namen der übrigen Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Konsultoren und Mitglieder dieses Päpstlichen Rates an mich gerichtet hat. Besonders herzlich heiße ich die Familienväter und -mütter willkommen, die an dieser Versammlung teilnehmen, und verbinde damit zugleich meinen herzlichen Dank für die Bemühungen, die ihr in euren jeweiligen Nationen für die „Institution Familie” hochherzig unternehmt. 2. Das Thema, das ihr für diese Vollversammlung gewählt habt, lautet: „Die Frau als Gattin und Mutter in Familie und Gesellschaft am Vorabend des dritten Jahrtausends.” Damit wollt ihr die Gestalt der Frau in diesem besonders der Familie gewidmeten Jahr hervorheben, auch im Hinblick auf die Vorbereitung der 4. Weltkonferenz über die Frau, die im nächsten Jahr stattfindet. Ohne die wichtige Aufgabe der Frau im Schoß der Gesellschaft und auf beruflichem Gebiet zu vergessen, habt ihr euch in euren Arbeiten als Ziel der Reflexion zwei grundlegende und zugleich sich ergänzende Aspekte ihrer Berufung gestellt: die der Gattin und die der Mutter. Gern stelle ich fest, daß ihr euch in diesem Punkt auf das Apostolische Schreiben Mulieris dignitatem bezogen habt, mit dem ich der Frau Ehre erweisen wollte und zugleich hervorgehoben habe, was zur Festigung ihrer Würde und Sendung im Leben von Kirche und Gesellschaft beiträgt. 3. An die hauptsächliche Aufgabe der Frau als Gattin und Mutter denken heißt, sie ins Herz der Familie stellen; sie übt dort eine unersetzliche Aufgabe aus, die als solche gewürdigt und anerkannt werden soll und die mit ihrer spezifischen Besonderheit des Frauseins zusammenhängt (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 18). Gattin und Mutter sein sind zwei sich ergänzende Wirklichkeiten innerhalb dieser ursprünglichen Gemeinschaft des Lebens und der Liebe, die die Ehe als Fundament der Familie ist. Über die tiefe Bedeutung dieser Wirklichkeiten wollte ich gemeinsam mit den Familien der Welt in meinem kürzlich an sie gerichteten Schreiben nachdenken. Es fehlt nicht an Menschen, die die Sendung der Frau in der Grundzelle der Gesellschaft, nämlich der Familie, in Abrede stellen. Die Kirche verteidigt daher die Frau und ihre hervorragende Würde mit besonderem Nachdruck. Es sei hier erneut an jene vielsagenden Worte von Papst Paul VI. erinnert: „Mehr als jede andere Religion weist das Christentum von seinen Anfängen an der Frau eine besondere Würde zu, die in ihren wichtigen Aspekten vom Neuen Testament bezeugt wird” (Ansprache an die Teilnehmer des Nationalkongresses des italienischen Zentrums für die Frau am 6. Dezember 1976). Gern hebe ich auch hervor: „Indem Gott den Menschen ,als Mann und Frau’ erschuf, schenkte er dem Mann und der Frau in gleicher Weise personale Würde” (Familiaris consortio, Nr. 22). Denn „der 537 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mensch ist eine Person, und das gilt in gleichem Maße für den Mann und für die Frau; denn beide sind nach dem Bild und Gleichnis des personhaften Gottes geschaffen” (Mulieris dignitatem, Nr. 6). 4. Es finden sich ferner in verschiedenen Kreisen Haltungen und Interessen, die sich in einer geringeren Wertschätzung der Mutterschaft auswirken - wenn sie diese nicht sogar ganz ablehnen -, weil sie die Erfordernisse der Produktion oder den einträglichen Wettbewerb innerhalb der Industriegesellschaft beeinträchtigt. Anderseits kann man die Schwierigkeiten nicht leugnen, welche die Arbeit der Frau außerhalb des Hauses für das Familienleben mit sich bringt, besonders was die Betreuung und Erziehung der Kinder, zumal in den ersten Jahren, angeht. Kürzlich habe ich am Fest des hl. Josef betont: „Besondere Aufmerksamkeit wollen wir der äußerst wichtigen Arbeit schenken, welche von den Frauen und Müttern innerhalb der Familien geleistet wird ... Der berechtigte Wunsch, mit den eigenen Fähigkeiten zum Gemeinwohl im sozio-ökonomischen Kontext beizutragen, läßt die Frau häufig eine Berufsarbeit ausüben. Doch ist natürlich zu vermeiden, daß die Familie und die Menschheit Gefahr laufen, einen Verlust zu erleiden, der sie verarmen ließe; denn man kann die Frau beim Gebären und Erziehen der Kinder nicht ersetzen. Daher sollen die Autoritäten mit angemessenen Gesetzen die berufliche Fördemng der Frau absichem und zugleich ihre Berufung als Mutter und Erzieherin schützen” (Ansprache am 19. März 1994, Nr. 3). Anderseits muß die Arbeit der Frau im häuslichen Rahmen auch in ihrem unleugbaren sozialen Wert gerecht bewertet werden: „Diese Tätigkeit ... müßte in höchstem Maße anerkannt und aufgewertet werden” (Brief an die Familien, Nr. 17). Es ist das ein Gebiet, wo die Verantwortlichen für die Politik, Gesetzgeber und Unternehmer Initiativen entwickeln sollten, um angemessen auf diese Erfordernisse zu antworten, die die Kirche in ihrer Soziallehre betont. In der Enzyklika Laborem exercens habe ich unter den sozialen Leistungen den Familienlohn genannt und von einem „dem Familienvorstand für seine Arbeit ausbezahlten Gesamtlohn (gesprochen), der für die Erfordernisse der Familie ausreicht, ohne daß die Gattin einem außerhäuslichen Erwerb nachgehen muß ... Die wahre Aufwertung der Frau erfordert eine Arbeitsordnung, die so strukturiert ist, daß sie diese Aufwertung nichi mit den Aufgaben ihrer Eigenheit bezahlen muß und zum Schaden der Familie, wc ihr als Mutter eine unersetzliche Rolle zukommf ’ (Laborem exercens, Nr. 19). 5. Im übrigen besitzt die Frau das Recht auf die Ehre und auf die Freude der Mutterschaft als Geschenk Gottes; die Kinder aber besitzen ebenfalls das Recht auf die Anleitung und Sorge ihrer Eltern, zumal ihrer Mütter. Daher muß die Familienpolitil die wirtschaftliche Lage vieler Familien berücksichtigen, die in der Erfüllung ihre: Sendung beeinträchtigt und schwer behindert sind. Im Apostolischen Schreiben Fa-miliaris consortio habe ich betont: „In der Überzeugung, daß das Wohl der Familie einen unersetzlichen und unverzichtbaren Wert für das Zusammenleben der Bürge: darstellt, müssen die staatlichen Autoritäten ihr Möglichstes tun, um den Familiei 538 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN all jene Hilfen auf wirtschaftlichem, sozialem, erzieherischem, politischem und kulturellem Gebiet zu sichern, die sie brauchen, um in menschenwürdiger Weise ihrer vollen Verantwortung nachkommen zu können” (Nr. 45). Das von eurer Vollversammlung gewählte Thema hat gewiß wichtige pastorale Auswirkungen. Daher ist es mein dringender Wunsch, daß eure Arbeiten zur Aufwertung und Verteidigung der Frau als Gattin und Mutter sowie zur Erneuerung und Entfaltung der Werte der Familie beitragen, die „das Zentrum und das Herz der Zivilisation der Liebe” ist {Brief an die Familien, Nr. 13), wie ihr auf dem unserer Begegnung vorausgehenden Kongreß verkündet habt. 6. Gern nehme ich zur Kenntnis, daß euer Dikasterium die Beiträge der Bischofskonferenzen der Welt zusammenstellen und am Ende ein Direktorium oder eine Anleitung zur Vorbereitung auf die Ehe erarbeiten will. Für diese eure intensiven Arbeiten im Verlauf dieses Jahres möchte ich euch, bevor ich schließe, meine Freude aussprechen und für die weltweite Begegnung mit den Familien alles Gute wünschen, die, so Gott will, am Sonntag, dem 9. Oktober, während der Generalversammlung der Bischöfe über das gottgeweihte Leben stattfinden wird. Da das Osterfest schon nahe ist, empfehle ich dem Allmächtigen euch und eure Aufgaben zum Wohl der Institution Familie. Möge die Jungfrau von Nazaret, die den Herrn des Lebens in ihrem Schoße getragen hat, euch die Fülle des Geistes vermitteln, damit eure Dienste für die heutige Kirche und Gesellschaft recht fruchtbar werden. Mit diesen herzlichen Wünschen begleiten euch mein Gebet und mein Apostolischer Segen. Maria - Stern der Evangelisierung Ansprache an die Päpstliche Akademie der Immakulata am 25. März Herr Kardinal, hebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich, euch an dem Tag zu empfangen, an dem die Kirche in der Liturgiefeier des Hochfestes der Verkündigung meditierend bei den Worten des Engels verweilt, die offenbar machen, was Maria in ihrem innersten Sein war: die Begnadete (Lk 1,28). Herzlich begrüße ich jeden der Anwesenden und danke insbesondere Andrzej Maria Kardinal Deskur, dem Präsidenten eurer verdienstvollen Päpstlichen Akademie, für die freundlichen Worte, die er soeben im Namen aller an mich gerichtet hat. Ich möchte euch sagen, daß ich mich über die wohlgelungene Initiative des Ausbildungskurses freue, an dem ihr aktiv teilgenommen habt. Möge er, das ist mein Wunsch, reiche geistliche Früchte tragen, nicht nur zu eurem eigenen Wohl, sondern zu dem der ganzen Gemeinschaft der Glaubenden. 539 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Liebe Brüder und Schwestern, ich bin erfreut über euren Eifer zur marianischen Bewegung, für den ihr in euren Statuten, die vor fünf Jahren im Licht der in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils gegebenen Leitlinien erneuert und approbiert wurden, eine Stütze findet. In diesem Zusammenhang möchte ich in Erinnerung rufen, daß die Lehre über Maria auf ausdrücklichen Wunsch der Konzilsväter in die dogmatische Konstitution über die Kirche eingefügt wurde und auf diese Weise deutlich das tiefe Band in Erscheinung trat, das Maria mit der Kirche und die Kirche mit Maria verbindet. In Lumen Gentium wurde das Dogma der Unbefleckten Empfängnis wiederum mit bedeutungsvollen Ausdrücken vorgelegt: „Vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an im Glanz einer einzigartigen Heiligkeit, wird die Jungfrau von Nazaret vom Engel bei der Botschaft auf Gottes Geheiß als ,voll der Gnade’ begrüßt” (vgl. Lk 1,28; Lumen Gentium, Nr. 56). Unsere heutige Welt, in der immer häufiger Zeichen der Auflösung der moralischen Ordnung sichtbar werden, läßt ein wachsendes Bedürfnis nach echter Menschlichkeit erkennen, die zur wahren Heiligkeit führt. Dies sind die grundlegenden Werte, die in hervorragender Weise in der Unbefleckten Empfängnis Mariens aufleuchten. In der Reinheit jener, die vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an in Voraussicht der Verdienste Christi vor jedem Schatten der Sünde bewahrt blieb, tritt jener Glanz und jenes volle Menschsein hervor, zu dem Gott den Menschen im ursprünglichen Schöpfungsplan bestimmt hatte. 3. Das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis, in der Geschichte der Kirche durch eine lange Tradition bezeugt und vom Lehramt meines Vorgängers Papst Pius IX. am 8. Dezember 1854 feierlich definiert, stellt dem Menschen unserer Zeit aufs neue das Ideal des Menschseins vor, wie es nach dem Plan Gottes vorgesehen war. Darum ist es notwendig, dieses Dogma in seinen biblischen, geistlichen und kulturellen Aspekten immer mehr zu vertiefen, damit es dann dem heutigen Menschen durch geeignete pastorale Initiativen verkündigt werden kann. In dieser Hinsicht gebe ich gern meiner großen Wertschätzung für das apostolische Bemühen eurer Akademie Ausdruck und ebenso für den Eifer zu ihrer Erneuerung. Das wird euch gewiß zu einem noch ausgeprägteren Beitrag im Bereich der kulturellen Forschung und ebenso bei den Pastoraltätigkeiten helfen, die sich besonders mi( den Jugendlichen, aber auch mit der Belebung der Wallfahrtsstätten in Europa und dem karitativen Einsatz befassen. In diesem Augenblick erinnere ich mich des Gebets der Immakulata, das ich air vergangenen 8. Dezember bei der traditionellen Verehrung der heiligen Jungfrau aul dem Spanischen Platz gesprochen habe und wobei ihr mit Liedern und Gebeten der Akt der Huldigung würdig gestaltet habt. „Du bist der Morgenstern - so sagte icl damals, und heute wiederhole ich es -, der Stern der ,alten’ und der ,neuen’ Evangelisierung, der zuerst hierher nach Rom gelangte und dann nach Norden, nacl Osten und nach Westen zog” (O.R.dt. 1993, Nr. 50, S. 2). In die Hände Mariens legt die Kirche ihr Mühen um die Verkündigung des Glaubens, vor allem im Hin 540 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN blick auf das dritte Jahrtausend. Auf Maria vertraut jeder Gläubige in den Wechselfällen des täglichen Lebens. Liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch für die Herzlichkeit eures Besuches. Vor allem danke ich euch für den kräftigen Beitrag, den ihr bisher geleistet habt und gewiß auch weiterhin leisten werdet zur Vertiefung und Verbreitung der echten Marienverehrung. Geht mit Maria weiter auf diesem geistlichen und apostolischen Weg. Auf euch alle rufe ich den mütterlichen Schutz der himmlischen Mutter herab und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen, den ich gerne ausweite auf jedes Mitglied der Päpstlichen Akademie der Immakulata und ihre zahlreichen Tätigkeiten. Die Steine werden schreien ... (Lk 19,40) Predigt am Palmsonntag, 27. März 1. Ihr Jugendlichen wißt, daß die Steine schreien. Sie sind zwar stumm, haben aber doch eine besondere Beredsamkeit; sie können schreien. Das erfaßt ein jeder, der sich auf den Gipfeln der Berge, zum Beispiel der Alpen oder des Himalaya, auf Du und Du mit ihnen befindet. Die Beredsamkeit, der Schrei dieser eindrucksvollen Felsmassen ist ergreifend und zwingt den Menschen auf die Knie, drängt ihn zur Einkehr in sich selbst, drängt ihn, sich dem unsichtbaren Schöpfer zuzuwenden. Diese stummen Felsen sprechen. Ihr Jugendlichen wißt das besser als andere, weil ihr ihre geheimnisvolle Beredsamkeit bei den Ausflügen ins Hochgebirge erforscht, wobei ihr euch gleichzeitig eine Mühe auferlegt, um darin eure jungen Kräfte zu erproben. Ihr wißt das, und deshalb sagt Christus von euch: „Wenn diese schweigen, werden die Steine reden” {Lk 19,40). Er sagt es bei seinem messianischen Einzug in Jerusalem, als einige Pharisäer ihn zu veranlassen suchen, jene Jugendlichen schweigen zu lassen, die riefen: „Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn” [Mk 11,9). Christus antwortet: „Wenn diese schweigen, werden die Steine schreien ..” Mit diesen Worten, meine Lieben, hat Christus euch herausgefordert. Ihr aber labt die Herausforderung angenommen: eine Herausforderung, die sich seit nun nehr als zehn Jahren am Palmsonntag erneuert, wenn ihr Jugendlichen auf dem Peersplatz versammelt seid, um zu wiederholen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt m Namen des Herrn! Jnsere Begegnung damals, 1984, auf diesem gleichen Platz ließ den Gedanken des Veitjugendtages entstehen. Heute ist dieser Gedanke zum zehnten Mal Wirklichkeit geworden. In diesem Jahr seid auch ihr, amerikanische Freunde, aus Denver herge-:ommen, um das pilgernde Kreuz zu tragen und es euren Altersgenossen von den 541 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Philippinen zu übergeben, wo, so Gott will, im Januar des kommenden Jahres das neue Welttreffen der Jugend stattfinden wird: in Manila 1995. „Die Steine werden schreien ...” 2. Der Stein enthält eine große Energie. Darin kommen die Kräfte der Natur zum Ausdruck, welche die Erdkruste anheben und ganze Ketten von hohen Gebirgen bilden. Der Stein kann auch eine bedrohliche Kraft werden. Doch über die Felsen der Gebirge hinaus, worin das Geheimnis der Schöpfung zum Ausdruck kommt, gibt es auch Steine, die dem Menschen für die Werke seines Geistes dienen. Es genügt, an alle Kirchen der Welt zu denken, an die gotischen Kathedralen, an die Werke der Renaissance, wie an diese Petersbasilika oder auch an bestimmte heilige Gebäude im Femen Osten. Heute aber lade ich euch ein, im Geiste vor einem besonderen Tempel zu verweilen: dem Tempel des Bundesgottes in Jerusalem. Von ihm ist nur ein bescheidenes Fragment geblieben, die sogenannte „Klagemauer”, weil sich dort die Kinder Israels versammeln, um sich an die Herrlichkeit des alten Heiligtums zu erinnern, in dem Gott Wohnung nahm und auf das ganz Israel mit Recht stolz war. Es wurde im Jahre 70 nach Christus dem Erdboden gleichgemacht. Daher ist heute diese Klagemauer so beredt. Beredt für die Kinder Israels; beredt auch für uns, denn wir wissen, daß Gott in diesem Tempel wirklich seine Wohnung genommen hat, und der leere Raum des Allerheiligsten barg in sich die Tafeln der Zehn Gebote, die der Herr dem Moses auf dem Sinai anvertraut hatte. Dieser allerheiligste Ort war vom übrigen Tempel durch einen Vorhang getrennt, der im Augenblick des Todes Christi von oben bis unten zerriß, zum überwältigenden Zeichen der Gegenwart des Bundesgottes mitten unter seinem Volk. Wir steigen also nach Jerusalem hinauf, wo der Menschensohn dem Tod überliefert und gekreuzigt werden wird, um am dritten Tag aufzuerstehen. Das heutige Fest, der Palmsonntag, erinnert uns an den Einzug Jesu in Jerusalem und macht ihn gegenwärtig, als die Söhne und Töchter Israels den Ruhm Gottes verkündeten und den grüßten, „der im Namen des Herrn kommt”: „Hosanna dem Sohne Davids!” „Wenn diese schweigen, werden die Steine reden ...” 3. Tatsächlich schweigen sie nicht! Wir sehen mit Staunen, wie die Jugendlichen ihre Stimme erheben. Sie lassen nicht nur die Steine reden. Sie lassen es nicht zu, daß die Tempel des lebendigen Gottes zu kalten Museumsstücken werden. Sie reden mit lauter Stimme. Sie reden an verschiedenen Orten der Erde, und ihre Stimme soll gehört werden. So geschieht es, daß dank ihres Zeugnisses die jungen Jünger Jesu für viele zur Überraschung werden. Eben dies ist im vergangenen Jahr in Denver, in Colorado, geschehen, wo man bei einer so großen Versammlung von Jugendlichen aus aller Welt Krawalle von Jugendlichen oder sogar Fälle von Gewaltanwendung und Übergriffe voraussah, was 542 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN alles ein Gegenzeugnis gebildet hätte. Man rechnete damit, daß so etwas geschehen könnte und hatte entsprechende Vorkehrungen getroffen. Für euch, hebe Freunde, war das eine Herausforderung. Ihr habt sie angenommen und mit eurem Zeugnis geantwortet. Mit einem lebendigen Zeugnis habt ihr die Schablonen beseitigt, nach denen man euch sehen und beurteilen wollte. Ihr habt gezeigt, wer ihr wirklich seid und was ihr wollt. Und eure Stimme hallte in der amerikanischen Großstadt zu Füßen der Rocky Mountains wider, so daß die Berggipfel ebenso wie die gigantischen modernen Bauten staunen mußten, als sie hörten und sahen, wer ihr wirklich seid. 4. Deshalb, meine Lieben, wundert euch nicht, wenn ich nach den Erlebnissen von Buenos Aires, Santiago de Compostela, Jasna Göra und Denver heute zu euch sprechen will mit der Botschaft, die Christus den Aposteln in seinem Paschamysterium hinterlassen hat. Wir beginnen nun die Karwoche. Wir werden uns nach lerusalem begeben, in den Abendmahlssaal des Gründonnerstags; wir werden nach Golgota hinaufsteigen; wir werden im Schweigen der Ostervigil beim Grab verweilen; dann werden wir erneut zum Abendmahlssaal zurückkehren, um dem Auferstandenen zu begegnen, der für uns wiederholen wird, was er den Aposteln sagte, die über seine Anwesenheit voll Freude waren: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 20,21). „Die Zukunft gehört euch” „Die Jünger freuten sich, als sie den Herrn sahen” (Joh 20,20), schreibt der Evangelist Johannes. Auch ihr werdet euch freuen, wenn ihr ihn lebendig unter euch seht als Sieger über den Tod, der nicht über ihn triumphieren konnte. Ihr werdet euch freuen, wenn ihr die Worte hört, die er an euch richtet. Ihr werdet euch freuen, weil er sich auf euch verläßt und so großes Vertrauen zu euch hat, daß er euch durch eure Hirten sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.” Ihr wartet darauf, daß er euch sendet, daß er euch sein Evangelium anvertraut, daß er euch das Heil der Welt anvertraut. Eure jungen Herzen erwarten gerade dieses Wort des Erlösers. Der Mensch darf das Bewußtsein haben, gesandt zu sein. So habe ich am vergangenen Donnerstag den Jugendlichen von Rom gesagt. Ohne dieses Bewußtsein wird das menschliche Leben flach und verstaubt. Gesandt sein heißt, eine Aufgabe zu erfüllen haben, eine anspruchsvolle Aufgabe. Gesandt sein heißt, den Weg für ein großes Gut öffnen, das alle erwarten. Gesandt sein heißt, einer höchsten, ganz großen Sache dienen. Ihr Jugendlichen erwartet gerade dies. Christus möchte euch begegnen und euch an der großen Sendung beteiligen, die ihm vom Vater anvertraut wurde. Am einer Sendung, die in der Welt fortdauert, immer lebendig und aktuell, immer noch unvollendet, immer noch und bis zum letzten Tag zu erfüllen. „Komm mit mir, um die Welt zu retten - es ist bereits das zwanzigste Jahrhundert” - so sangen die Jugendlichen in Polen in den sehr schwierigen Zeiten des 543 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kampfes für die Wahrheit und das Leben, das Christus ist, und für den Weg, den er aufgezeigt hat (vgl. Joh 14,6). Heute, da sich dieses zwanzigste Jahrhundert seinem Ende nähert, wollen wir an die Zukunft denken, an das einundzwanzigste Jahrhundert, an das dritte Jahrtausend. Diese Zukunft gehört euch. Euch gehört das Morgen. Ihr seid die Männer und Frauen von morgen. Christus aber ist „derselbe gestern, heute und immer” (Hebr 13,8). Sagt euren Altersgenossen, daß er sie erwartet und daß Er allein die Worte des ewigen Lebens hat (vgl. Joh 6,68). Sagt es allen euren Altersgenossen. Amen. Familie ist Herz der Neuevangelisierung Ansprache an die UNIV-Jugend am 29. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, daß Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt” (Röm 6,8-9). Wir sind fast im Herzen der Karwoche angelangt, und diese Worte des Apostels bieten unserem Nachdenken einen Wegweiser zu einer reichhaltigen Fülle von Anwendungen. Liebe Dozenten und Studenten so vieler Universitäten aus der ganzen Welt: Euer alljährlich in Rom stattfindender UNIV-Kongreß wird in diesem Jahr durch das kürzliche Hinscheiden eures überaus geschätzten Prälaten, Msgr. Alvaro del Por-tillo, den der Herr am Ende eines langen und erfüllten Lebens zu sich gerufen hat, mitgeprägt. Während ich euch erneut meines Gebetes für seine Seele versichere, spreche ich Generalvikar Msgr. Javier Echevarria, dem ich für seine zuvor an mich gerichteten Worte danke, und der ganzen Prälatur des Opus Dei abermals meine Gefühle anteilnehmenden Beileids und von Herzen kommender Solidarität aus. Die Wege dei göttlichen Vorsehung sind unerforschlich, aber doch immer voller Barmherzigkeil für die, die auf Gott vertrauen. Die liturgische Zeit, die wir gerade erleben, hilft uns. das Mysterium der barmherzigen Liebe Christi besser zu verstehen, das Mysteriurr der Erlösung und des Ixbens für die Gläubigen. Euch, die ihr gekommen seid, urr im Herzen der Christenheit bei Petrus den Tod und die Auferstehung des Erlösen neu zu erleben, möchte ich sagen: Laßt euch in innerer Sammlung von Christus „nehmen” und euch in seinen Schmerz, seinen Tod und seine unendliche Liebe ver senken. Lebt das beredte Mysterium seines Leidens und seines Todes in der sakra mentalen Begegnung mit Christus, in verstärktem Gebet und vermehrter Buße. E wird eins mit euch in seiner Auferstehung. 2. Unsere Gedanken eilen nach Jerusalem, zu den Stätten des Heiligen Landes, w< der Herr in erhabener Leidenschaft sein Kreuz umarmte. Im kürzlich erschienenei Brief an die Familien habe ich an die Äußerung von Pascal erinnert, der sagte 544 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Jesus wird im Todeskampf stehen bis zum Ende der Welt” (Nr. 22). Aber nicht nur in jenem Land, das von Spannungen aufgerieben und immer noch mit Blut besudelt ist, sondern in vielen Gebieten der Erde, in vielen Personen und vielen Famüien steht Jesus heute im Todeskampf. Und ich wünsche euch, meine Lieben, daß Jesus in eurem Leben und durch euch in eurer Familie und in euren Freunden auferstehe und den wahren Frieden bringe. In diesen Tagen ist bei euch die Erinnerung an das Heilige Land auch mit Msgr. Al-varo del Portillo verbunden. Denn bevor er ihn zu sich rief, hatte Gott ihm zugestanden, eine Pilgerfahrt an die Orte zu unternehmen, wo Jesus sein Erdenleben verbrachte. Es waren von intensivem Gebet erfüllte Tage, die ihn eng mit Christus verbunden und ihn gleichermaßen auf sein letztes Treffen mit der Heiligen Dreifaltigkeit vorbereitet haben. Zum Andenken an diesen „guten und treuen Diener” und im Geist der Karwoche möge jeder von euch seinen Einsatz im Dienst für das Evangelium verstärken und die Verkündigung der Erlösung durch das tägliche christliche Zeugnis jedes einzelnen verbreiten. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Das Thema eures Kongresses lautet „Familie und Entwicklung”. Wie der seüge Josemarfa Escrivä de Balaguer ganz richtig hervorhebt, ist die persönliche Heiligung von der der Familie untrennbar. Denn die Familie ist der Weg der Kirche, wie ich auch kürzlich in meinem Brief cm die Famüien geschrieben habe, über den gründlich zu meditieren ich euch auffordem möchte. An der Schwelle zum 3. Jahrtausend muß die Familie zum Herzstück der neuen Evangelisierung werden. Der Christ übersieht nicht die Hindernisse, die sich der Evangelisierung der Familie in den Weg stellen. Aber die Auferstehung Christi ist für ihn die Basis einer so lebendigen Hoffnung (vgl. 1 Kor 15,19-20), daß er die Schlingen, die ihm die Erfahrung der menschlichen Schwäche ihm legt, für immer zerreißen kann. Der Glaube versichert uns, daß Jesus in jedem von uns aufersteht. „Die Liebe ... besitzt die Fähigkeit, solche Wunden zu behandeln ... Diese Fähigkeit hängt von der göttlichen Gnade der Vergebung und der Wiederversöhnung ab, die die geistige Kraft gewährleistet, immer aufs neue zu beginnen” (Brief an die Familien, Nr. 14). Und euch wiederhole ich: „Habt keine Angst vor Gefahren! Die göttlichen Kräfte sind weitaus mächtiger als eure Schwierigkeiten! Unermeßlich größer als das Böse, das in der Welt Fuß faßt, ist die Wirksamkeit des Sakraments der Wiederversöhnung ... Viel ausgeprägter als die Verderbtheit, die in der Welt gegenwärtig ist, ist die göttliche Kraft des Sakraments der Firmung ... Unvergleichlich größer ist vor allem die Macht der Eucharistie” (ebd., Nr. 18). 4. Meine Lieben, ich wünsche mir, daß im Laufe dieser Karwoche in euch - mit Hilfe der Gnade - die notwendigen Haltungen heranreifen, die euer Leben in ein greifbares Zeugnis der Auferstehung verwandeln. Seid im Vertrauen darauf, daß der ruferstandene Christus unter euch ist, glaubhafte Zeugen für sein Evangelium in der 545 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heutigen Welt. Dabei wird euch der selige Josemarfa Escrivä de Balaguer führen, der zeitlebens versucht hat, ein treuer Diener der Sendung zu sein, die der Herr seiner Kirche anvertraut hat. Im Rahmen dieser Sendung ist die Christianisierung des Familienlebens - vergebt dies nicht - einer der aktuellsten und wichtigsten Aspekte. Denn tatsächlich befindet sich die Familie „im Zentrum des großen Kampfes zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod, zwischen der Liebe und allem, was sich der Liebe widersetzt. Der Familie ist die Aufgabe anvertraut, vor allem für die Befreiung der Kräfte des Guten zu kämpfen” {Brief an die Familien, Nr. 23). Daher vertraue ich euch von ganzem Herzen dem Schutz Marias, der Mutter der schönen Liebe, an, damit sie euch von Gott die echte, die schöne Liebe erlange, die, da sie „Hingabe der Person an die Person ist, ... von dem kommen muß, der selbst Hingabe und Quelle aller Hingabe ist” {ebd., Nr. 20). Auf deutsch sagte der Papst: 5. Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich grüße ich euch alle, die ihr zum jährlichen UNIV-Kongreß nach Rom gekommen seid. Ihr habt dankenswerterweise den diesjährigen Kongreß dem Thema der Familie gewidmet. Die Familie ist der Weg der Kirche, und ich fordere euch auf, in eurem alltäglichen Leben alles zu tun, um der Erhaltung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft gerecht zu werden. Für euer tägliches Bemühen um die Heiligung des Alltags erteile ich euch von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen und wünsche euch ein gesegnetes Osterfest. Auf französisch sagte der Papst: 6. Liebe Freunde, in dieser Karwoche werden eure Gedanken über „die Familie und ihre Entwicklung” zum Herzen unseres Glaubens selbst gelangen: Das Hinaufsteigen Christi nach Kalvaria und seine Auferstehung in Herrlichkeit zeigen uns, wo sich die tiefe Quelle der gegenseitigen Hingabe der Familienmitglieder befindet, die Quelle ihrer Fähigkeit, Prüfungen zu überwinden, die Quelle ihrer Gemeinschaft der Liebe, jener menschlichen Liebe, die die schöpferische und erlösende Liebe Gottes widerspiegelt. Möge die Osterfeier für euch eine Zeit sein, das Mysterium der Erlösung in euer persönliches Leben aufzunehmen und euer ganzes Leben als Christen zu erhellen - in euren Familien, in Studium und Berufen - wie auch in der Kirche! Der Herr, gestorben und auferstanden, erfülle euch mit seiner Gnade! Auf englisch sagte der Papst: 7. Ich möchte meine große Hoffnung zum Ausdruck bringen, daß diese Karwoche, in innerer Einheit mit dem leidenden und siegreichen Christus erlebt, für euch alle eine Zeit intensiver Erneuerung und eine Bestärkung in eurem Einsatz wird, die erlösende Botschaft des Evangeliums in die Alltagswelt hineinzutragen. Erinnert eucl an das Motto des nächsten Weltjugendtages in Manila: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.”{Joh 20,21) Euch alle lade ich ein, die Herausforde 546 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rung anzunehmen und jetzt bis ins nächste Jahrtausend hinein echte Apostel Christi zu sein. Die Welt braucht das Zeugnis euren Glaubens und eurer Heiligkeit, eurer jugendlichen Begeisterung und eurer Großmut. Möge der Heilige Geist dies in euch vollbringen! Euch allen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1994 am 31. März 1994 (vom 13. März) Liebe Brüder im Priesteramt! I. Am heutigen Tag versammeln wir uns um die Eucharistie, die, wie das II. Vatikanische Konzil in Erinnerung ruft, „das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle enthält” (Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Wenn wir in der Liturgie vom Gründonnerstag das Gedächtnis der Einsetzung der Eucharistie begehen, ist uns wohl klar, was Christus uns in diesem so erhabenen Sakrament hinterlassen hat: „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung” (Joh 13,1). Dieses Wort des hl. Johannes enthält in gewissem Sinn die ganze Wahrheit über die Eucharistie: eine Wahrheit, die zugleich den Kern der Wahrheit über die Kirche darstellt. Es ist tatsächlich so, als ob die Kirche täglich von der Eucharistie geboren würde, die an vielen Orten der Erde unter so unterschiedlichen Bedingungen und so verschiedenen Kulturen gefeiert wird, daß die Erneuerung des eucharistischen Geheimnisses gleichsam zu einer täglichen „Schöpfung” wird. Dank der Feier der Eucharistie reift zunehmend das evangelische Bewußtsein des Volkes Gottes, sowohl in den Nationen mit jahrhundertealter christlicher Tradition als auch bei den Völkern, welche erst vor kurzem in die neue Dimension eingetreten sind, die der Kultur der Menschen vom Mysterium der Fleischwerdung des Wortes und der Erlösung durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung immer und überall verliehen wird. Das Heilige Triduum führt uns in einer für das ganze Kirchenjahr einmaligen Weise in dieses Mysterium ein. Die Liturgie der Einsetzung der Eucharistie stellt eine einzigartige Vorwegnahme des Osterfestes dar, das sich über den Karfreitag und über die Osternacht bis zum Sonntag und der Oktav der Auferstehung entfaltet. An der Schwelle der Feier dieses großen Geheimnisses des Glaubens, liebe Brüder im Priesteramt, begegnet ihr euch heute rund um eure Bischöfe in den Domkirchen der Diözesen, um zusammen mit der Einsetzung des Sakramentes der Eucharistie jene des Sakramentes der Priesterweihe wieder lebendig werden zu lassen. Der Bischof von Rom feiert diese Liturgie, umgeben von der Priesterschaft seiner Kirche, so wie es meine Brüder im Bischofsamt zusammen mit den Priestern ihrer di-özesanen Gemeinschaft tun. 547 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und dies ist der Grund für die heutige Begegnung. Ich möchte, daß euch bei dieser Gelegenheit ein besonderes Wort von mir erreicht, damit wir alle zusammen das große Geschenk, das Christus uns gegeben hat, voll erleben können. Denn für uns Priester stellt das Priestertum das höchste Geschenk dar, eine besondere Berufung zur Teilhabe am Geheimnis Christi, der uns die erhabene Möglichkeit verleiht, in seinem Namen zu sprechen und zu handeln. Jedesmal, wenn wir die Eucharistie feiern, wird diese Möglichkeit zur Wirklichkeit. Wir handeln „in persona Christi”, wenn wir bei der Wandlung die Worte sprechen: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird ... Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.” Genau das tun wir: in großer Demut und tiefer Dankbarkeit. Diese erhabenste und zugleich schlichte Handlung unseres täglichen Auftrages als Priester erweitert, so könnte man sagen, unser Menschsein bis an die äußersten Grenzen. Wir haben teil am Geheimnis der Menschwerdung des Wortes, des „Erstgeborenen der ganzen Schöpfung” (Kol 1,15), der in der Eucharistie dem Vater die ganze Schöpfung zurückgibt, die Welt der Vergangenheit und die der Zukunft und vor allem die heutige Welt, in der er mit uns zusammen lebt, durch uns gegenwärtig ist und eben durch uns dem Vater das Erlösungsopfer darbringt. Wir haben teil am Geheimnis Christi, des „Erstgeborenen der Toten” (Kol 1,18), der in seinem Ostern unablässig die Welt umgestaltet, indem er sie auf „das Offenbarwerden der Söhne Gottes” (Röm 8,19) zugehen läßt. So wird also die gesamte Wirklichkeit in ihrer ganzen Dimension in unserem eucharistischen Dienst gegenwärtig, der sich, je nach den Gebetsmeinungen, die die Gläubigen für die hl. Messe angeben, zugleich jedem konkreten persönlichen Anhegen, jedem Leiden, jeder Erwartung, Freude oder Traurigkeit öffnet. Wir nehmen diese Gebetsmeinungen im Geist der Liebe an und lassen so jedes menschliche Problem in die Dimension der universalen Erlösung eintreten. Liebe Brüder im Priesteramt! Dieser Dienst gestaltet in uns und um uns ein neues Leben. Die Eucharistie evangelisiert die menschlichen Lebensbereiche und bestärk! uns in der Hoffnung, daß die Worte Christi nicht vergehen (vgl. Lk 21,33). Seine Worte vergehen nicht, da sie im Kreuzesopfer wurzeln: Wir sind besondere Zeuger und bevorzugte Diener der Beständigkeit dieser Wahrheit und der göttlichen Liebe Wir können uns dann miteinander freuen, wenn die Menschen das Bedürfnis nacl dem neuen Katechismus spüren, wenn sie die Enzyklika Veritatis splendor in die Hand nehmen. Das alles bestätigt uns in der Überzeugung, daß unser Dienst an Evangelium kraft der Eucharistie fruchtbar wird. Während des Letzten Abendmah les sagte Christus übrigens zu den Aposteln: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte .. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt... Nicht ihr habt mich erwählt, sondern icl habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt unc daß eure Frucht bleibt” (Joh 15,15-16). Welchen unendlichen Reichtum an Inhalten bietet uns die Kirche während des Hei ligen Triduums und besonders heute, am Gründonnerstag, in der Chrisam-Messe 548 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Meine Worte sind nur ein teilweiser Widerschein der Gefühle, den sicher jeder von euch im Herzen trägt. Und vielleicht wird dieser Gründonnerstagsbrief mithelfen, daß die vielfältigen, vielen ins Herz gegossenen Offenbarungen der Hingabe Christi vor der Majestät des großen „Mysteriums des Glaubens” zusammenfließen zu einer bedeutsamen Zustimmung zu dem, was das Priestertum ist und in der Kirche immer bleiben wird. Möge unser Vereintsein um den Altar alle umfassen, die in sich das unauslöschliche Zeichen dieses Sakramentes tragen, wobei wir auch jener Brüder gedenken, die sich in irgendeiner Weise vom heiligen Dienst entfernt haben. Ich vertraue darauf, daß dieses Geschenk jeden von uns dazu veranlaßt, die Erhabenheit des vom Priestertum Christi eingesetzten Geschenkes noch tiefer zu erleben. 2. Heute möchte ich euch, liebe Brüder, gedanklich den Brief überreichen, den ich in dem ihnen gewidmeten Jahr an die Familien gerichtet habe. Ich halte es für eine willkommene Gelegenheit, daß die Organisation der Vereinten Nationen 1994 zum Internationalen Jahr der Familie erklärt hat. Die Kirche nimmt, während sie auf das Geheimnis der Heiligen Familie von Nazaret blickt, an dieser Initiative teil, in der sie einen besonderen Anlaß für die Verkündigung des „Evangeliums von der Familie” findet. Christus hat es durch sein verborgenes Leben in Nazaret im Schoß der Heiligen Familie verkündet. Dieses Evangelium ist dann, wie aus dem Neuen Testament klar hervorgeht, von der apostolischen Kirche verkündet und später von der nachapostolischen Kirche bezeugt worden, von der wir die Gepflogenheit ererbt haben, die Familie als Hauskirche zu betrachten. In unserem Jahrhundert wird das „Evangelium von der Familie” von der Kirche durch die Stimme vieler Priester, Pfarrer, Beichtväter und Bischöfe vorgestellt; insbesondere durch die Stimme des Nachfolgers des hl. Petrus. Nahezu alle meine Vorgänger haben einen bedeutenden Teil ihres „Petrusamtes” der Familie gewidmet. Überdies hat das II. Vatikanische Konzil seine Liebe für die Institution der Familie durch die Pastoralkonstitution Gaudium et spes zum Ausdruck gebracht und die Notwendigkeit bekräftigt, die Würde von Ehe und Familie in der heutigen Welt hochzuhalten. Die Bischofssynode von 1980 bildet den Ausgangspunkt des Apostolischen Schreibens Familiaris consortio, das als Magna Charta der Familienpastoral angesehen werden kann. Die Schwierigkeiten der modernen Welt und besonders der Familie, mit denen sich Paul VI. in der Enzyklika Humanae vitae mutig auseinandersetzte, erforderten einen globalen Überblick über die menschliche Familie und die Hausarche in der gegenwärtigen Gesellschaft. Genau das hat sich das Apostolische schreiben vorgenommen. Es war nötig, neue Methoden des pastoralen Wirkens zu ;rarbeiten, die den Bedürfnissen der modernen Familie entsprachen. Zusammenfas-;end könnte man sagen, daß die Sorge um die Familie und im einzelnen um die iheleute, um die Kinder und Jugendlichen, um die Erwachsenen von uns, Priestern ind Beichtvätern, vor allem die offene und ständige Förderung des Laienapostolats n diesem Bereich verlangt. Die Familienpastoral - das weiß ich aus meiner persön- 549 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen Erfahrung - bildet in gewissem Sinne die Quintessenz des priesterlichen Wirkens auf allen Ebenen. Von all dem spricht Familiaris consortio. Der Brief an die Familien unternimmt nichts anderes, als dieses Erbe der nachkonziliaren Kirche wiederaufzunehmen und zu aktualisieren. Ich möchte, daß dieser Brief für die Familien in der Kirche und außerhalb der Kirche nutzbringend sei; daß er euch, liebe Priester, bei eurem pastoralen Dienst an den Familien dient. Es ist ein wenig wie mit dem Schreiben an die Jugend im Jahr 1985, das eine große apostolische und pastorale Belebung der Jugendlichen in allen Teilen der Welt auslöste. Ausdruck dieser Bewegung sind die in den Pfarreien, in den Diözesen und auf der Ebene der Gesamtkirche abgehaltenen Weltjugendtage - wie jener, der vor kurzem in Denver in den Vereinigten Staaten stattgefunden hat. Der Brief an die Familien ist umfassender. Denn die Problematik der Familie ist komplexer und universal. Bei der Vorbereitung des Textes konnte ich mich wieder einmal davon überzeugen, daß das Lehramt des II. Vatikanischen Konzils und die Pastoralkonstitution Gaudium et spes im besonderen wirklich eine reiche Quelle christlichen Denkens und Lebens darstellen. Ich hoffe, daß dieser von der Lehre des Konzils inspirierte Brief für euch eine nicht geringere Hilfe darzustellen vermag als für alle Familien guten Willens, an die er gerichtet ist. Um sich diesem Text in der richtigen Weise anzunähem, wird man auf jene Stelle der Apostelgeschichte zurückgreifen müssen, wo es von den Urgemeinden heißt „sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft und am Brecher des Brotes und an den Gebeten” (2,42). Der Brief an die Familien ist nicht so sehi ein Lehrtraktat als vielmehr eine Vorbereitung und Aufforderung zum Gebet mi den Familien und für die Familien. Das ist die erste Aufgabe, durch die ihr, liebt Brüder, die Pastoral und das Apostolat der Familien in euren Pfarrgemeinden einlei ten bzw. entfalten könnt. Wenn ihr vor der Frage steht: Wie soll ich die Aufgabe! des Jahres der Familie verwirklichen?, so zeigt euch die in dem Brief enthalten! Aufforderung zum Gebet in gewissem Sinne die einfachste Richtung an, die einzu schlagen ist. Jesus hat zu den Aposteln gesagt: „Getrennt von mir könnt ihr nicht vollbringen” (Joh 15,5). Es ist daher klar, daß wir es „mit Ihm vollbringen” müssen das heißt auf den Knien und im Gebet. „Denn wo zwei oder drei in meinem Name: versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen” {Mt 18,20). Diese Worte Chrisi werden in jeder Gemeinde in konkrete Initiativen umgesetzt. Aus ihnen kann ma ein vortreffliches Pastoralprogramm, ein trotz Knappheit der Mittel reiches Prc gramm gewinnen. Wie viele Familien beten auf der Welt! Es beten die Kinder, denen an erster Stell das Himmelreich gehört (vgl. Mt 18,2-5); dank ihnen beten nicht nur die Mütte: sondern auch die Väter und finden manchmal zur praktizierten Religiosität zurücl die sie aufgegeben hatten. Erlebt man das etwa nicht anläßlich der Erstkommunion Und wird man etwa nicht gewahr, wie anläßlich von Wallfahrten zu den Heiligti mem bei den Jugendlichen, aber nicht nur bei den Jugendlichen, die „geistlich Temperatur” steigt? Die ältesten Pilgerfahrten im Orient und im Abendland, ange 550 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fangen von jenen nach Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela, bis hin zu jenen zu den Marienheihgtümem von Lourdes, Fatima, Jasna Göra und vielen anderen, sind im Laufe der Jahrhunderte für Massen von Gläubigen und sicher auch unzählige Familien zu einer Gelegenheit geworden, die Kirche zu entdecken. Das Jahr der Familie soll diese Erfahrung bestätigen, ausweiten und bereichern. Darüber mögen alle Hirten und alle für die Familienpastoral verantwortlichen Stellen wachen im Einverständnis mit dem Päpstlichen Rat für die Familie, dem dieser Bereich in weltkirchlicher Dimension anvertraut ist. Der Präsident dieses Rates hat, wie allgemein bekannt, am 26. Dezember 1993, dem Fest der Heiligen Familie, in Nazaret das Jahr der Familie eröffnet. 3. „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft und am Brechen des Brotes und an den Gebeten” (Apg 2,42). Nach der Konstitution Lumen Gentium ist die Kirche „das Haus Gottes (vgl. 1 Tan 3,15), in dem nämlich die Familie Gottes wohnt, Wohnstatt Gottes im Geiste (vgl. Eph 2,19-22), „Wohnung Gottes unter den Menschen” (Offb 21,3)” (Nr. 6). So wird unter den vielen anderen biblischen Bildern das Bild vom „Haus Gottes” vom Konzil aufgegriffen, um die Kirche zu beschreiben. Dieses Bild ist übrigens in gewisser Weise in jedem anderen enthalten; es tritt auch in die paulinische Leib-Christi-Analogie ein (vgl. 1 Kor 12,13.27; Röm 12,5), auf die sich Pius XII. in seiner historischen Enzyklika Mystici Corporis bezog; es tritt, den Bezugnahmen des Konzils entsprechend, in die Dimensionen des Volkes Gottes ein. Das Jahr der Familie ist für uns alle ein Aufruf, die Kirche noch mehr zu dem „Haus” zu machen, „in dem die Familie Gottes wohnt”. Das ist der Aufruf, eine Einladung, die sich als außerordentlich fruchtbar für die Evangelisierung der heutigen Welt heraussteilen kann. Wie ich in dem Brief an die Familien geschrieben habe, wird die Grunddimension der menschlichen Existenz, die die Familie darstellt, in der modernen Zivilisation von verschiedenen Seiten ernsthaft bedroht (vgl. Nr. 13). Dennoch stellt dieses „Familie-Sein” des menschlichen Lebens ein großes Gut des Menschen dar. Die Kirche will ihm dienen. Das fahr der Familie bildet da eine bedeutsame Gelegenheit, um das „Familie-Sein” der Kirche in ihren verschiedenen Bereichen zu erneuern. Liebe Brüder im Priesteramt! Jeder von euch wird gewiß im Gebet das nötige Licht linden, um zu wissen, wie sich das alles durchführen läßt: Ihr in euren Pfarreien und n den verschiedenen Arbeitsbereichen für das Evangelium; die Bischöfe in ihren Diözesen; der Apostolische Stuhl gegenüber der Römischen Kurie gemäß der Apo-itolischen Konstitution Pastor bonus. Die Kirche bemüht sich, dem Willen Christi entsprechend, immer mehr zur ,Familie” zu werden, und das Bemühen des Apostolischen Stuhls geht dahin, ein ■olches Wachstum zu fördern. Das wissen die Bischöfe sehr wohl, die zu ihrem Ad-imina-Besuch hierherkommen. Ihre Besuche sowohl beim Papst wie bei den einzel-len Dikasterien verlieren trotz Wahrung all dessen, was vom Kanonischen Recht 551 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vorgeschrieben ist, immer mehr den alten juristisch-administrativen Beigeschmack. Man erlebt ein Klima des „Gabenaustausches”, entsprechend der Lehre der Konstitution Lumen Gentium (vgl. Nr. 13). Die Brüder im Bischofsamt bezeugen das häufig während unserer Begegnungen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf das von der Kleruskongregation vorbereitete Direktorium hinweisen, das den Bischöfen, den Priesterräten und allen Priestern übergeben wird. Es wird zweifellos einen nützlichen Beitrag zur Erneuerung ihres Lebens und ihres Amtes leisten. 4. Der Aufruf zum Gebet mit den Familien und für die Familien, liebe Brüder, betrifft jeden von euch ganz persönlich. Wir verdanken das Leben unseren Eltern und haben ihnen gegenüber eine ständige Dankesschuld. Mit ihnen, ob sie noch leben oder bereits in die Ewigkeit eingegangen sind, sind wir durch ein enges Band verbunden, das die Zeit nicht zerstört. Auch wenn wir Gott unsere Berufung verdanken, so ist ein bedeutender Anteil daran auch ihnen zuzuerkennen. Der Entschluß eines Sohnes, sich besonders in einem Missionsland dem priesterlichen Dienst zu widmen, stellt für die Eltern ein nicht geringes Opfer dar. So ist es auch für unsere Lieben gewesen, die sich dennoch von tiefem Glauben führen ließen und Gott die Opfergabe ihrer Gesinnung dargebracht und uns dann im Gebet begleitet haben, wie es Maria Jesus gegenüber getan hat, als er das Haus in Nazaret verließ, um zur Erfüllung seiner messianischen Sendung aufzubrechen. Was für eine Erfahrung war für jeden von uns und zugleich für unsere Eltern, für unsere Geschwister und für die uns teuren Menschen der Tag unserer Primiz! Zu welchen Festen sind jene Primizen für unsere Pfarreien und für die Kreise geworden, in denen wir aufgewachsen waren! Jede neue Berufung macht der Pfarrei die Fruchtbarkeit ihrer geistlichen Mutterschaft bewußt: je öfter das geschieht, um so größer ist die Ermutigung, die daraus für die anderen erwächst! Jeder Priester kann von sich sagen: „Ich bin zum Schuldner gegenüber Gott und den Menschen geworden.” Zahlreich sind die Personen, die uns in Gedanken und im Gebet begleitet haben, und ebenso zahlreich sind jene, die meinen Dienst auf dem Stuhl Petri in Gedanken und im Gebet begleiten. Diese große Solidarität des Gebets ist für mich eine Kraftquelle. Ja, die Menschen setzen ihr Vertrauen in unsere Berufung zum Diensi an Gott. Die Kirche betet beständig für neue Priesterberufe, sie freut sich über die Zunahme an Priestern, sie ist über deren Mangel dort, wo er auftritt, betrübt, so wie sie betrübt ist über den Mangel an Großherzigkeit bei vielen Menschen. An diesem Tag erneuern wir jedes Jahr unsere Versprechen, die an das Sakramen der Priesterweihe gebunden sind. Diesen Versprechen kommt große Bedeutung zu Es handelt sich um das Christus selbst gegebene Wort. Die Treue zur Berufung baut die Kirche auf, jede Untreue dagegen wird zu einer schmerzhaften Wunde an mystischen Leib Christi. Während wir also hier versammelt das Geheimnis de Eucharistie und des Priestertums betrachten, flehen wir zum Hohenpriester - de sich, wie die Heilige Schrift sagt, als treu erwiesen hat (vgl. Hebr2,\l)~ darum 552 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß es auch uns gegeben sein möge, treu zu bleiben. Beten wir im Geist dieser „sakramentalen Brüderlichkeit” gegenseitig füreinander - die Priester für die Priester! Auf daß der Gründonnerstag für uns zu einer erneuerten Berufung werde, mitzuwirken an der Gnade des Sakraments der Priesterweihe. Beten wir für unsere geistlichen Familien, für die unserem Dienst anvertrauten Menschen; beten wir insbesondere für jene, die unser Gebet in besonderer Weise erwarten und seiner bedürfen: Die Treue zum Gebet möge bewirken, daß Christus immer mehr zum Leben unserer Seele werde. O großes Sakrament des Glaubens, o heiliges Priestertum des Erlösers der Welt! Wie dankbar sind wir Dir, Christus, daß Du uns in die Gemeinschaft mit Dir aufgenommen hast, daß Du uns zu einer einzigen Gemeinschaft um Dich herum gemacht hast, daß Du uns erlaubst, Dein unblutiges Opfer zu feiern und überall Diener der göttlichen Geheimnisse zu sein: am Altar, im Beichtstuhl, auf der Kanzel, bei Kranken und Gefangenenbesuchen, in den Klassenzimmern der Schulen, auf den Lehrstühlen der Universitäten, in den Büros, in denen wir arbeiten. Sei gepriesen, allerheiligste Eucharistie! Ich grüße dich, Kirche Gottes, die du das priesterliche Volk (vgl. 1 Petr 2,9) bist, erlöst durch das kostbare Blut Christi! Aus dem Vatikan, am 13. März - dem vierten Fastensonntag - des Jahres 1994, im sechszehnten Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Priester sind Freunde Christi Predigt bei der Chrisammesse am Gründonnerstag, 31. März „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben - Videbunt in quem trans-fixerunt” (Joh 19,37; vgl. Apg 1,7; Sach 12,10). Liebe Mitbrüder im Priesteramt! 1. Mit dieser Eucharistiefeier treten wir vollends in das heilige Ostertriduum ein. Welche Ausdruckskraft haben doch die Worte des Evangelisten Johannes! Sie schließen das ganze Mysterium dieser drei Tage in sich. Jener, der mit der Fülle des Hl. Geistes gesalbt in unsere Mitte gekommen ist, wird vor den Augen der Menschheit zum Holocaust für die Erlösung der Welt; er wird bis in den Tod, den Tod am Kreuz, erniedrigt werden. Seine Seite wird von der Lanze durchbohrt werden, um seinen wirklichen Tod zu bestätigen (vgl. Joh 19,33-34). Aber am dritten Tag wird er das Grab verlassen, damit die Menschen sehen und glauben können, daß „der Tod keine Macht mehr über ihn hat” (vgl. Röm 6,9). Die Apostel haben es mit eigenen Augen gesehen und können so voll und ganz Zeugen jenes neuen Lebens sein, das in ihm ist für das Heil der Welt. Er ist das Alpha 553 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und das Omega, derjenige, „der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung” (Offb 1,8). 2. Er hat uns an seinem Priesteramt teilhaben lassen. Durch die heutige Feier erhält diese Gabe eine ganz besonders aktuelle Bedeutung. Nie empfinden wir diese Gnade so stark wie jetzt. Nie danken wir dem Herrn für diese Anteilhabe auf so intensive Weise wie heute. Nie ist der Wunsch, bei ihm zu sein, so stark wie jetzt. Als Priester der Kirche wollen wir vereint sein. Das ist unser wirkliches Fest, der Augenblick, in dem jeder Priester mit seinem Bischof eine Einheit bildet. Eine Gemeinschaft, die wir durch das gemeinsame Feierr der Eucharistie zum Ausdruck bringen. Diese Einheit wird weiter noch durch jenes Schreiben hervorgehoben, das der Papst zum Gründonnerstag an die Mitbrüder in Priesterdienst in aller Welt richtet. Hier wollen wir nun auch der Kongregation für den Klerus danken für alles Gute das sie zugunsten der Priesterschaft leistet, für die Sorge und die Liebe, mit der sie alle umgibt. 3. Außer dem Schreiben, das alljährlich am Gründonnerstag überreicht wird, erhalten die Priester dieses Jahr den Brief an die Familien. Mögen sie sich auf aktive Weise mitverantwortlich fühlen für dieses wichtige Anliegen, das die Familie in de: Kirche und in der Welt darstellt. Wenn wir unsere priesterlichen Versprechen erneuern, gehen unsere Gedanken vol ler Dankbarkeit zurück an unsere Familien, in denen wir geboren wurden und in de ren Mitte unsere Berufung zum priesterlichen Dienst entstehen konnte. Wir denke) an die Eltern, die Brüder, die Schwestern, an all diejenigen, die uns von den erste) Lebensjahren an auf dem Weg unserer Berufung begleitet haben, und auch an alle in deren Schuld wir stehen, an alle Lebenden, an alle, die schon im Hause des Hem sind. Möge jede Familie spüren, daß wir sie mit der gleichen Liebe umfangen wie Chri stus bei der Einsetzung des Sakraments der Liebe. Möge jede Familie dieses Her Christi erkennen, das so voller Liebe war, ein Herz, das nun am Karfreitag kommt. Möge so das Jahr der Familie in der Kirche das „Gnadenjahr des Herrn” (vg: Jes 61,2) werden. 4. Liebe Mitbrüder! Von diesem Altar aus möchte der Bischof von Rom heute je dem von euch für all das danken, was ihr seid und was ihr tut. Seid gewiß: Christu selbst wird euer Lohn sein. Derjenige, der zu den Aposteln gesagt hat: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte (... vielmehr habe ich euch Freunde genannt” (Joh 15,15), richtet die gleichen Wort auch an euch. Kann es ein größeres Geschenk als die Freundschaft unseres Erlöser geben? Ihm „sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen” (Hebr 13,21) 554 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heilsdienst für die Erlösung des Menschen Predigt bei der Messe in „Coena Domini” am Gründonnerstag, 31. März 1. „Er begann, den Jüngern die Füße zu waschen ...” (Joh 13,5) Heute ist der Abend, an dem die Kirche die Geste und Bedeutung der Fußwaschung Wiederaufleben läßt, welche die im Abendmahlssaal versammelten Apostel in die Einsetzung der Eucharistie einführen sollte. Warum wollte Christus mit der Fußwaschung beginnen? Er tat es, um sich vor ihnen in seiner Knechtsgestalt zu zeigen. Er erklärt es selbst, wenn er sagt: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen” (Joh 13,14). Die Fußwaschung soll den Dienst demütiger Liebe ausdrücken. Beim Letzten Abendmahl möchte sich Jesus als der offenbaren, der dient: „Ich bin unter euch wie der, der bedient” (Lk 22,27). Ein wahrer Jünger Christi ist nur der, der am Meister „teil” hat und bereit ist, wie er zu dienen. Der Dienst nämlich, das heißt die Sorge für die Bedürfnisse der anderen, bildet das Wesen einer jeglichen Macht. Dienen heißt herrschen. 2. In der Stunde, da er sich anschickt, das Paschamysterium zu erfüllen, offenbart sich Christus in unserer Mitte als der, der dient. Vor den Augen der Jünger wird nämlich der eigentliche letzte Grund seines Kommens in die Welt deutlich: der Dienst der Erlösung des Menschen und des Heils der Welt. ln diesem Dienst bietet er sich selbst dar: Er überliefert sich dem Tod am Kreuz, um sich selbst hinzuschenken. Dies ist der Grund, warum er die Kreuzigung durch die Einsetzung der Eucharistie vorwegnimmt. In ihr bietet Christus sich selbst den Aposteln im Abendmahlssaal dar; dann aber trägt er ihnen mit den Worten: „Tut dies zu neinem Gedächtnis” (Lk 22,19) auf, ihn auch den anderen zu schenken, bis ans Ende der Welt. Ehristus, der gänzlich durch den Vater lebt, möchte, daß auch wir durch ihn leben; tus diesem Grund bietet er sich uns unter den Gestalten von Brot und Wein dar. Das 3rot ist tägliche Nahrung des Menschen, ohne das er schwerlich leben könnte; der Vein ist der für die Gesundheit des Organismus wohltuende Trank. Er bietet sich selbst als Geschenk an - seinen Leib und sein Blut - bis ans Ende der Veit, denn das ist die Logik seiner Liebe: „Er hat uns bis ans Ende geliebt” (vgl. roh 13,1). ’>. Das Wesen seines Dienstes hegt genau hier: Es ist ein Dienst des Heiles, den er loch heute erfüllt und den er bis ans Ende der Zeiten durch die Kirche erfüllen wird. Ws diesem Grund ist es notwendig, daß die Kirche als Braut Christi getreu den ihr .nvertrauten Dienst erfüllt, indem sie das Geheimnis der Erlösung und der Eucha-istie gegenwärtig setzt. 555 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beim Vollzug dieses „Dienstes” hat sich Christus unter den Zeichen von Brot und Wein verborgen, und in diesen geheimnisvollen Gestalten nährt er sein Volk und führt es die Jahrhunderte hindurch. Er ist dessen einziger Priester, König und Prophet, wir aber werden seiner durch die Sakramente teilhaftig. 4. Die Liturgie des Letzten Abendmahls hebt das geheimnisvolle Band zwischen der Befreiung Israels aus der Sklaverei in Ägypten und der Einsetzung der Eucharistie hervor. Dieses zweite Thema kommt voll in der Ostervigil zum Ausdruck, wenn des Sakramentes der Taufe gedacht wird. Heute findet es seinen Ausdruck im Bezug zur Eucharistie. Daher die Verkündigung: Christus ist das Osterlamm; er befreit sein Volk aus der Sklaverei durch sein am Kreuz vergossenes Blut. In der Nacht des Auszugs aus Ägypten war das Blut des Lammes an den Türpfosten der Häuser, wo die Kinder Israels wohnten, das Zeichen ihres Heiles. Man kann sagen, daß gerade dieses Blut die Israeliten aus der Sklaverei herausgeführt und ihnen den Weg zum verheißenen Land gezeigt hat. Beim Letzten Abendmahl sagt Jesus: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis” (I Kor 11,25). Der Psalmist fragt sich: „Was soll ich dem Herrn vergelten für alles, was er mir getan hat?” (Ps 116,12). Wir aber stellen uns mit der ganzen Kirche heute am Abend des Gründonnerstags die gleiche Frage: „Was soll ich dem Herrn vergelten?” Nur im Kreuz ist Heil Schlußwort nach dem Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag, 1. April 1. Brüder und Schwestern, heute sind wir hier, um das Geheimnis des Kreuzes zu betrachten, das wir in der Karfreitagsliturgie mit den Worten verehren: „Seht das Holz des Kreuzes, kommt, laßt uns anbeten!” Jetzt verehren wir es hier im Kolosseum. Hier, wo die, die uns im Glauben vorangingen, Zeugnis gegeben haben bis zum Martertod, Zeugnis für die Liebe, mit der Christus uns geliebt hat. Hier, an diesem Punkt des Erdballs, im alten Rom, denke ich besonders an den „Berg der Kreuze” in Litauen, zu dem ich im vorigen September bei meinem Pastoralbesuch gegangen bin. Ich war tief bewegt über dieses andere „Kolosseum”, das nicht aus fernen, altrömischen Zeiten stammt, sondern eir Kolosseum unserer Zeit, unseres Jahrhunderts ist. Ehe ich nach Litauen, in die Baltischen Länder ging, habe ich für die beiden Wege der Evangelisierung gebetet: fü: den einen, der von Rom aus nach Norden, Osten und Westen führte, und für der anderen, der von Konstantinopel, von der Ostkirche ausging. Diese beiden Weg< treffen sich genau dort im Baltikum, zwischen Litauen und Rußland. 556 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Heute hat uns bei dieser Kreuzwegmeditation die Weisheit „der östlichen Tradition geführt, nämlich durch die Worte unseres geliebten Bruders, des Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus von Konstantinopel. Wir danken ihm von Herzen. Ich habe an diese anderen sehr zahlreichen Kolosseen gedacht, an diese „Berge der Kreuze” in anderen Gegenden, quer durch das europäische Rußland, durch Sibirien, so viele „Berge der Kreuze”, so viele Kolosseen der neuen Zeiten. Heute möchte ich zu diesem meinem Bruder aus Konstantinopel und zu allen unseren Brüdern und Schwestern im Osten sagen: Meine Lieben, wir sind verbunden in diesen Märtyrern zwischen Rom, dem „Berg der Kreuze”, den Solovieskj-Inseln und vielen anderen Vernichtungslagern. Wir sind verbunden vor diesem Hintergrund der Märtyrer, wir können nicht anders als eins sein. Wir können nur die gleiche Wahrheit über das Kreuz sagen, und warum können wir nicht anders, als sie sagen? Weil die Welt von heute das Kreuz zu entleeren sucht. Diese gegen-christliche Tradition breitet sich schon seit einigen Jahrhunderten aus und will das Kreuz abschaffen und will uns sagen, daß der Mensch nicht seine Wurzeln im Kreuz hat und daß er im Kreuz weder Aussicht noch Hoffnung hat. Der Mensch ist bloßer Mensch und muß existieren, als ob es Gott nicht gäbe. 3. Meine Lieben, wir haben gemeinsam diese Aufgabe, wir müssen zusammen, im Osten wie im Westen, sagen: „Das Kreuz darf nicht entleert werden!” Das Kreuz Christi darf nicht entleert werden, denn wenn das Kreuz Christi entleert wird, hat der Mensch keine Wurzeln und keine Aussicht mehr: Er ist zugrunde gerichtet! Das ist der Aufschrei am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. Es ist der Schrei von Rom, der Schrei von Moskau, der Schrei von Konstantinopel. Es ist der Schrei der ganzen Christenheit: von Nord- und Südamerika, von Afrika, von Asien, von allen. Es ist der Ruf nach der neuen Evangelisierung. Jesus sagt zu uns: Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen. Haben sie auf mich gehört, haben sie mein Wort aufgenommen, so werden sie auch das eure aufnehmen. Sie werden es aufnehmen, es gibt keine andere Lösung. Niemand hat Worte des ewigen Lebens, nur Er, nur Jesus, nur sein Kreuz. Und so denken wir am Ende dieses Kreuzwegs in unserem alten römischen Kolosseum an alle die anderen Kolosseen, und wir grüßen sie in der Liebe, im Glauben, in der gemeinsamen Hoffnung. 4. Wir wollen uns selbst, die ganze Kirche und die ganze Menschheit der Mutter anvertrauen, die unter dem Kreuz steht und die uns alle als ihre Kinder umarmt. In ihrer Liebe spüren wir, wie Johannes, die Kraft dieser Einheit, dieser Gemeinschaft, der Kirche und der Christenheit und danken dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist für das Kreuz Christi. Gelobt sei Jesus Christus! Gesegnete Ostern! 557 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ostern bedeutet neues Leben und ansteckende Freude Predigt bei der Feier der Ostemacht am 2. April 1. „Erschreckt nicht!” (Mk 16,6). Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome hören diese Worte am Eingang zum Grab, in das der Leichnam Jesu gelegt worden ist. Bei der Ankunft bemerken sie, daß der Stein am Grab schon weggewälzt und das Grab selbst leer war. Sie sind von Schrecken und Staunen erfaßt. Das Staunen wächst noch, als sie aus der Tiefe des Grabes die Worte hören: „Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte. Nun aber geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat” {Mk 16,6-7). Die Frauen sind erschrocken und fliehen vom Grab aus Furcht, jemandem zu berichten, was sie gesehen haben. 2. Gerade dies ist der Augenblick des Ostergeheimnisses, dem wir uns durch die Teilnahme an der feierlichen Vigil der Ostemacht nähern. Das vom Evangelisten Markus beschriebene Ereignis ist gleichzeitig einfach und erschreckend. Aus diesem Grand nimmt die Liturgie der Ostemacht Bezug auf die Kräfte der Natur. In dieser Nacht muß man sie in Erinnerung rufen, denn gerade sie wirkten damals. Die Erde bewegte sich und wurde erschüttert, als Christus das Grab verließ. Ein Erdbeben bewegte den Stein, der vor dem Grab lag (vgl. Mk 28,2). In dieser Nacht wendet sich die Liturgie an das Feuer, das eine geheimnisvolle Kraft besitzt, eine Kraft, die segensreich ist, die aber auch zerstören kann. Das Feuer verbraucht und zerstört, was ihm auf seinem Weg begegnet, aber es kann für die Menschen auch eine wohltuende Kraft haben. Die Glieder des menschlichen Körpers brauchen das Feuer, um sich zu erwärmen. Das Feuer erleuchtet und vertreibt die Finsternis dieser Nacht, die Kirche entzündet es, um von ihm das Licht zu entnehmen, das dann die liturgische Versammlung mit dem Gesang „Lumen Christi” in die Kirche begleitet. Das Licht der Flamme wird zum Symbol der Auferstehung. Die Liturgie dieser Nacht räumt der Kraft des Wassers den größten Raum ein. Das Wasser kann auch Zeichen des Todes sein. Nach dem heiligen Paulus ist es Symbol des Todes Christi (vgl. Rom 6,3-4) und, um durch diesen Tod hindurchzugehen, ist es notwendig, in das Wasser eingetaucht zu werden. Eintauchen in den Tod Christi dient nicht nur dem Reinwaschen, sondern noch mehr der Verlebendigung. Das aus der Quelle hervorspradelnde Wasser wirkt erfrischend auf den erschlafften Körper, dessen Kräfte es wiederbelebt; deshalb ist das Wasser zum sakramentalen Zeichen der Wiedergeburt durch die Taufe geworden. Mit diesem Sakrament nimmt die Kirche heute an der Auferstehung Christi teil. Durch die Taufe nehmt ihr, Brüder und Schwestern, die ihr in dieser Nacht dieses Sakrament empfangen werdet, an der Auferstehung Christi teil. Der Bischof von Rom grüßt euch herzlich bei Eurem Eintritt in das neue Leben. Er grüßt die Natio- 558 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen, aus denen ihr kommt: Korea, Philippinen, Japan, Guatemala, Hongkong, Italien, Peru, Portugal, Slowakei, Spanien und der Schweiz. 3. Das neue Leben ist immer Quelle der Freude. Wir haben die Freude der Kirche den Worten entnommen, die kurz vorher vom Diakon gesungen wurden. Das erste Wort der Ankündigung von Ostern lautet: „Exultet”: ein Aufruf zur Freude. Die Freude dieser Nacht ist größer als die Angst der Frauen von Jerusalem: Es ist die Freude des Sieges über den Tod und die Sünde. Die Kirche scheut sich nicht zu singen: „Glückliche Schuld”, glücklich, weil du in dieser Nacht den Erlöser gefunden hast; weil du in seinem Tod besiegt worden bist. Christus ist auferstanden und hat allen Nachkommen Adams das Leben wiedergegeben. 4. Auf diese Weise lädt die Kirche bereits jetzt, während dieser wunderbaren Osternacht, alle zur Freude ein. Freuen wir uns, denn in Christus ist das Leben stärker als der Tod und das Heil stärker als die Sünde. „Annuntio vobis gaudium magnum, quod est - Alleluja!” Familie - Ursprung und Quelle der Menschlichkeit Osterbotschaft vor dem Segen Urbi et Orbi am 3. April 1. Petrus kam gemeinsam mit Johannes zum Grab, er ging hinein, beugte sich vor und sah die Leinenbinden dort liegen. „Er sah und glaubte” (Joh 20,8). Gemeinsam mit Johannes kehrte er sodann zum Abendmahlssaal zurück, wo die Apostel aus Furcht vor den Juden versammelt waren. Am Abend desselben Tages nach dem Sabbat kam Jesus bei verschlossenen Türen in den Saal. Er wird die Apostel grüßen und sagen: „Friede sei mit euch!” und sodann hinzufügen: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich Euch (...). Empfangt den Heiligen Geist” (Joh 20,21-22). So grüßt der auferstandene Christus diese besondere Familie, diese apostolische Versammlung der Kirche, der das österliche Geheimnis anvertraut ist, das Geheimnis von Tod und Auferstehung. 2. Vorankündigung dieses Ereignisses war das erste Paschafest des Alten Bundes, in der Nacht des Auszugs aus Ägypten. Gemäß der Anordnung des Mose kamen die Söhne und Töchter Israels mit ihren Familien in den Häusern zusammen und erfuhren dort Heil durch das Blut des Lammes, mit dem die Türpfosten der Häuser bestrichen waren. Mose führte das Volk aus Ägypten heraus, die Familien, die zu einer einzigen vereint wurden; er ließ sie das Rote Meer durchqueren, um das Paschafest in der Wüste zu feiern und die aus Ägypten mitgebrachte heilige Speise zu verzehren. So begann der Weg dem verheißenen Land entgegen, ein Weg, während dessen Gott ihre Herzen wandelte und den neuen Geist in sie legte (vgl. Ez 11,19). In der Wüste erfüllte sich das große Pascha des auserwählten Volkes, das dann von Generation zu Generation gefeiert werden sollte. 559 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.” Im österlichen Abendmahlssaal im Jahre des Herrn 1994 entdeckt die menschliche Familie ihre Sendung wieder: die von Gott dem als Mann und Frau geschaffenen Menschen anvertraute ewige Berufung. Gott sprach: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch” (Gen 2,24). Christus selbst kommt in den Abendmahlssaal und bittet hier den Vater, daß alle eins sein sollten: „Wie du Vater in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein” (Joh 17,21). Mit diesem Gebet erschloß er der menschlichen Einsichtsfähigkeit ungeahnte Perspektiven, er enthüllte, daß es eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes gibt, die in Wahrheit und Liebe verbunden sind. „Dieser Vergleich macht offenbar, daß der Mensch, der auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist, sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann” (Gaudium et spes, Nr. 24). 4. Diese Wahrheit über den Menschen wiederzuentdecken ist, gemeinsam mit Christus, Berufung der Familie. Berufung der Familie ist es, diese Wahrheit in der lebendigen Wirklichkeit der einzigartigen und unwiederholbaren menschlichen Gemeinschaft Gestalt werden zu lassen, die gebildet ist aus Eltern und Kindern, Gemeinschaft der Liebe und des Lebens, Gemeinschaft der Generationen. Schlußstein dieser Gemeinschaft ist der auferstandene Christus. Es ist notwendig, daß das Leben einer jeden Familie mit Christus in Gott verborgen ist (vgl. Kol 3,3). Vermittels dieses Verborgenseins muß sie in der Herrlichkeit der Auferstehung reifen. Für die Familien ist diese Kraft, die von Gott kommt, unverzichtbar. Sonst werden sie nicht in der Lage sein, ihrer Berufung zu entsprechen. Diese göttliche Kraft ist besonders wichtig für unsere Zeit, wo vielfältige Bedrohungen die Familie an den Wurzeln ihrer eigenen Existenz gefährden. 5. Für die menschlichen Familien ist daher das Wort des auferstandenen Christus unverzichtbar: „Habt Mut: ich habe die Welt besiegt” (Joh 16,33). Die große Familie der Völker möge heute diese Kunde von der Auferstehung erreichen, der Anbruch von Licht und Leben für jeden Bewohner der Erde. Brüder und Schwestern, vernehmt diese Kunde! Nehmt sie in eure Herzen auf! Wenn Gott in dem gestorbenen und auferstandenen Christus in der Welt triumphiert, kann auch der Mensch die Sünde besiegen und ihre Folgen überwinden. Die Menschheit bedarf Christi: Er ist die Quelle des Friedens, des Lebens, das nicht stirbt. 6. Möge diese frohe Nachricht zuallererst in Jerusalem wiederklingen, wie es beirr ersten Mal war. Möge sie auf dem Balkan, im Kaukasus, in Afrika und Asien und ir allen Nationen wiederklingen, wo die Waffen fortfahren zu dröhnen, wo Nationalismen gefährliche Formen unglückseliger Extremismen hervorrufen, wo Völker unc soziale Klassen unaufhörlich aufeinanderstoßen! Möge diese Kunde vom Frieder die Menschen, die sich in den Wohlstandsgesellschaften bemühen, dem Leben Sinr zu geben und das gesellschaftliche Zusammenleben auf der Grundlage der entspre- 560 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chenden Werte auszurichten, auf die Würde des Menschen und seine transzendente Berufung hin orientieren! Möge die Liebe den Haß besiegen! Die Völker, die durch materielles und moralisches Elend gedemütigt sind, dürsten nach Sicherheit und Frieden. Wann endlich werden die Menschen wie Geschwister leben, die untereinander solidarisch sind? 7. An diesem Tag der Freude und des Lichtes, angesichts des Lebens, das in die Geschichte eintritt, weiche die Kultur des Todes zurück, die den Menschen erniedrigt, weil sie die schwächsten und gebrechlichsten Geschöpfe nicht respektiert und regelrecht versucht, die heilige Würde der Familie, das Herz der Gesellschaft und der Kirche, außer Kraft zu setzen. Besorgt wegen dieser Bedrohungen sende ich in diesen Tagen an alle Staatsoberhäupter der Welt einen Brief aus Anlaß des von den Vereinten Nationen proklamierten Internationalen Jahres der Familie; die katholische Kirche ist dieser Initiative herzlich gerne beigetreten. In dem Brief bitte ich, jede Anstrengung zu unternehmen, damit der Wert der menschlichen Person nicht gemindert werde, weder der Charakter der Heiligkeit des Lebens noch die Fähigkeit des Menschen, zu lieben und sich zu verschenken. Die Familie bleibt die vornehmste Quelle der Menschlichkeit; Jeder Staat muß sie als einen wertvollen Schatz beschützen. 8. Wie sehr wünschen wir an diesem Ostermorgen, daß jeder Mann und jede Frau das Licht Christi aufnähme, das die Dunkelheit zerreißt und den Sieg des Lebens über den Tod eröffnet. Brüder und Schwestern der ganzen Erde, preist mit uns „diesen Tag, den der Herr gemacht hat”. Christus ist auferstanden, alleluja! Vorbildlicher Christ des 20. Jahrhunderts - Verteidiger und Apostel des Lebens Botschaft an Kardinal Lustiger zum Tod von Prof. Jeröme Lejeune vom 4. April An Herrn Kardinal Jean-Marie Lustiger, Erzbischof von Paris „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt” (Joh 11,25). Diese Worte Christi kommen uns jetzt in den Sinn, wo wir vom Tod von Prof. Jeröme Lejeune betroffen sind. Wenn der himmlische Vater ihn gerade am Tage der Auferstehung Christi heimgerufen hat, dann ist es schwer, in diesem Zusammentreffen kein Zeichen zu erkennen. Die Auferstehung Christi stellt ein großartiges Zeugnis für das Leben dar, das stärker ist als der Tod. Von diesen Worten des Herrn erleuchtet, sehen wir im Tod eines jeden Menschen sozusagen eine Teilhabe am Tod Christi und an seiner Auferstehung, besonders wenn jemand am Auferstehungstag stirbt. Ein solcher Tod legt für das Leben, zu dem der Mensch in Jesus Christus be- 561 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rufen ist, ein noch stärkeres Zeugnis ab. Dieser Aufruf war im Laufe des ganzen Lebens unseres Bruders Jerome eine wichtige Richtschnur. Als Biologie und Wissenschaftler war er vom Leben begeistert. Auf seinem Gebiet war er eine der anerkanntesten Autoritäten auf der ganzen Welt. Zahlreiche Einrichtungen luden ihn ein, Vorträge zu halten, und baten ihn um seinen Rat. Er wurde sogar von denen geachtet, die seine tiefsten Überzeugungen nicht teilten. Wir möchten heute dem Schöpfer, „nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird” (Eph 3,15), für das besondere Charisma des Verstorbenen danken. Man muß hier in der Tat von Charisma sprechen, denn Prof. Lejeune hat seine ausgedehnten Kenntnisse über das Leben und seine Geheimnisse immer für das wahre Wohl des Menschen und der Menschheit - und nur dafür -einzusetzen vermocht. Er ist ein unermüdlicher Verteidiger des Lebens geworden, vor allem des Lebens ungeborener Kinder, das in unserer zeitgenössischen Gesellschaft so großen Gefahren ausgesetzt ist, daß man an eine geplante Bedrohung denken könnte. Heutzutage sind davon auch die älteren und kranken Menschen gefährdet. Die vom Menschen eingesetzten Instanzen, die demokratisch gewählten Parlamente maßen sich das Recht an, zu entscheiden, wer ein Recht auf Leben hat und wem wiederum dieses Recht auf Leben ohne jegliches Verschulden abgesprochen werden kann. Unser Jahrhundert hat schon verschiedene Erfahrungen mit einer solchen Geisteshaltung gemacht, vor allem während des Zweiten Weltkriegs und auch nach Kriegsende. Professor Jeröme Lejeune hat die besondere Verantwortung des Wissenschaftlers in vollem Umfang auf sich genommen: Er war bereit, zum „Zeichen des Widerspruchs” zu werden, ohne sich um den Druck seitens der freizügigen Gesellschaft zu kümmern oder um die Verfemung, der er ausgesetzt war. Heute trifft uns der Tod eines großen Christen des 20. Jahrhunderts, eines Menschen, für den die Verteidigung des Lebens zum Apostolat wurde. Es ist offensichtlich, daß diese Form des Laienapostolats in der gegenwärtigen Lage der Welt besonders nötig ist. Wir möchten heute Gott, dem Urheber des Lebens, für alles danken, was Prof. Lejeune für uns gewesen ist und was er für den Schutz und die Förderung der Würde des menschlichen Lebens getan hat. Ich möchte ihm insbesondere dafür danken, daß er damals die Initiative zur Einrichtung der Päpstlichen Akademie für das Leben ergriff. Prof. Lejeune war lange Jahre Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften; er bereitete alles Notwendige zu dieser Neugründung vor, deren erster Präsident er wurde. Wir sind sicher, daß er nunmehr bei der göttlichen Weisheit für diese so wichtige Institution betet, die ihr Dasein größtenteils ihm verdankt. Christus sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt”. Wir glauben, daß sich diese Worte im Leben und im Tod unseres Bruders Jeröme erfüllt haben. Möge die Wahrheit über das Leben auch eine Quelle geistiger Kraft für die Familie des Verstorbenen, für die Kirche von Paris, für die Kirche in Frankreich und für uns alle sein, denen Prof. Lejeune das wahrhaft leuchtende Zeugnis seines Lebens als Mensch und Christ hinterlassen hat. 562 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich schließe mich im Gebet allen an, die an den Begräbnisfeierlichkeiten teilnehmen, und sende allen durch den Kardinal-Erzbischof von Paris meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 4. April 1994 Saat unaussprechlicher Verbrechen: Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassenhaß Ansprache an die Vertreter der jüdischen Gemeinden, die anläßlich des Gedenkkonzertes an die „Shoah” nach Rom gekommen waren, in Privataudienz am 7. April Meine Damen und Herren! Dies ist wirklich ein bedeutendes Treffen, und ich bin besonders erfreut, diese erlesene Gruppe von führenden jüdischen Persönlichkeiten und Verantwortlichen für die Veranstaltung des Konzertes zum Gedächtnis an die „Shoah” zu begrüßen, das heute abend in der Aula Paul VI. im Vatikan stattfinden soll. Ganz besonders begrüße ich die Überlebenden aus der furchtbaren Erfahrung in den Konzentrationslagern, die uns heute die Ehre ihrer Anwesenheit geben. Ein Wort des Grußes gilt auch dem Maestro Gilbert Levine, der so viel getan hat, um dieses Ereignis möglich zu machen. Ihr Besuch bringt mir spontan meine Pilgerwege nach Auschwitz und Dachau in Erinnerung. Im ersten Jahr meines Pontifikats ging ich wiederum nach Auschwitz, und vor dem Gedenkstein mit seiner hebräischen Inschrift versuchte ich die tiefe Bewegung zum Ausdruck zu bringen, die ich empfand, als ich las: „Zum Gedächtnis des Volkes, dessen Söhne und Töchter zur totalen Vernichtung bestimmt waren.” Bei dieser Gelegenheit sagte ich: „Dieses Volk hat seinen Ursprung in Abraham, der unser Vater im Glauben ist (vgl. Röm 4,12), wie Paulus von Tarsus es ausdrückte. Gerade dieses Volk, das von Gott das Gebot empfangen hatte ,Du sollst nicht töten’ , hat an sich selbst zu einem ganz besonderen Grad erfahren, was Töten bedeutet. Niemand darf an dieser Inschrift gleichgültig vorübergehen” {Ansprache in Brzezinka, 7. Juni 1979, Nr. 2). Die gleichen Worte gebrauchte ich, als ich 1986 die römische Synagoge besuchte. Auch in dieser Stadt bezahlte die jüdische Gemeinde einen hohen Blutpreis aus dem bloßen Grund, daß sie aus Juden bestand. Wie bei jener Gelegenheit, so sage ich auch heute wieder „ein Wort tiefer Verabscheuung für den während des letzten Krieges gegen das jüdische Volk beschlossenen Genozid, der zum Holocaust von Millionen unschuldiger Opfer geführt hat” {Ansprache in der römischen Synagoge am 13.4.1986, O.R.dt., 18.4.86, S. 9). Das Konzert heute abend ist ein Gedächtnis an diese entsetzlichen Ereignisse. Die Kerzen, die leuchten, während wir der Musik lauschen, werden uns die lange Geschichte des Antisemitismus vor Augen halten, die in der „Shoah” gipfelte. Aber es 563 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN genügt nicht, daß wir Erinnerungen wachwerden lassen, denn in unseren eigenen Tagen gibt es bedauernswerte neue Erscheinungen des Antisemitismus, der Fremdenfeindlichkeit und des Rassenhasses, welche die Saat dieser unaussprechlichen Verbrechen waren. Die Menschheit darf nicht zulassen, daß das alles wieder geschieht. Wir teilen miteinander die Hoffnung, daß die Musik, die wir zusammen hören werden, unseren Entschluß bestärken wird, die guten Beziehungen zwischen unseren beiden Gemeinschaften zu festigen, so daß wir mit der Hilfe des allmächtigen Gottes Zusammenarbeiten können, um die Wiederholung solch eines verabscheuungswürdigen Übels zu verhindern. Wir müssen allen zutiefst dankbar sein, die daran arbeiten, daß das „Band” und das „gemeinsame geistliche Erbe”, das zwischen Juden und Christen besteht, immer weitere und vollere Anerkennung findet (Dignitatis humanae, Nr. 4). In der Vergangenheit haben diese Bande Taten mutiger Solidarität inspiriert. In dieser Hinsicht darf als historische Tatsache nicht vergessen werden, daß in meiner eigenen Heimat wie auch in anderen Ländern und ebenso hier in Rom in den furchtbaren Tagen der „Shoah” viele Christen zusammen mit ihren Hirten sich bemüht haben, ihren Brüdern und Schwestern der jüdischen Gemeinschaft zu Hilfe zu kommen, selbst auf Kosten ihres eigenen Lebens. Angesichts der Gefahren, welche die Söhne und Töchter dieser Generation bedrohen, haben Christen und Juden zusammen einer Welt, die darum kämpft, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, viel anzubieten, einer Welt, die vom Schöpfer berufen ist, das Leben zu verteidigen und zu schützen, die aber Stimmen gegenüber, die nur tod- und verderbenbringend sind, so verletzlich ist. Wenn wir heute abend miteinander auf die Musik hören, die uns dargeboten wird, möge sie uns alle anrühren, so daß wir in unseren Herzen Davids Wallfahrtslied wiederholen: „Seht doch, wie gut und schön es ist, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen!” (Ps 133,1). Dies ist die Hoffnung, die ich für Juden und Christen überall ausspreche. Diese Hoffnung durchdringt mein Gebet um den Frieden im Heiligen Land, das unser aller Herzen so nah ist. Schlußwort nach dem Konzert zum Gedächtnis der SHOAH am 7. April 1. Die in dieser Aula erklungenen Melodien und Gesänge waren Ausdruck einer gemeinsamen Meditation und eines Gebetes, an dem wir alle Anteil hatten. Verschiedenartige Stimmen haben sich vereint zu einem Konzert von Klängen unc Harmonien, die uns innerlich berührt und miteinbezogen haben. Wir haben gebetet in dem Wissen, daß der Herr, wenn er angerufen wird, Antwort gibt, um das Haupt der Verzweifelnden wieder zu erheben, die Ketten des „Unterdrückten zu zerreißer 564 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und die Schatten, die sich in den finsteren Tälern des Lebens anhäufen, zu zerstreuen. Unter denen, die heute abend hier bei uns sind, befinden sich Menschen, die am eigenen Leib Entsetzliches erlebt haben, die eine dunkle Wüste durchschritten haben, in der selbst die Quelle der Liebe ausgedörrt schien. Viele haben damals geweint, und ihre Klage klingt noch fort. Wir hören sie auch hier. Sie ist nicht mit ihnen gestorben, sondern erhebt sich laut, qualvoll, traurig und sagt: „Vergebt uns nicht!” Sie wendet sich an alle und an jeden. 2. Wir sind also an diesem Abend vereint, um des Holocaust von Millionen Juden zu gedenken. Die Kerzen, die von einigen Überlebenden entzündet wurden, wollen symbolisch zeigen, daß dieser Saal keine engen Grenzen hat. Er umschließt alle Opfer: Väter, Mütter, Söhne und Töchter, Brüder und Schwestern und Freunde. In der Erinnerung sind alle hier anwesend, sind bei euch, sind bei uns. Wir haben eine Verpflichtung, die einzige vielleicht, die jeder Träne, die der Mensch des Menschen wegen vergossen hat, Sinn zu geben und sie zu rechtfertigen vermag. Wir haben mit eigenen Augen gesehen, wir waren und sind Zeugen der Gewalttaten und des Hasses, die sich nur zu oft in der Welt entzünden und sie in Hammen setzen. Wir haben gesehen und sehen noch, wie der Friede verhöhnt und die Brüderlichkeit verspottet wird, wie Eintracht geringgeschätzt und Barmherzigkeit verächtlich gemacht wird. 3. Und doch trachtet der Mensch nach der Gerechtigkeit. Er ist das einzige der geschaffenen Wesen, der sie begreifen kann. Den Menschen retten heißt nicht nur, ihn nicht töten, ihn nicht verstümmeln, ihn nicht foltern. Es heißt auch, dem Hunger und Durst nach Gerechtigkeit, die in ihm sind, die Möglichkeit geben, gesättigt zu werden. Das nun ist unsere Verpflichtung. Wir würden Gefahr laufen, aufs neue Opfer grausamster Tode sterben zu lassen, wenn wir nicht leidenschaftlich nach der Gerechtigkeit verlangen und wenn wir uns nicht dafür einsetzen würden, jeder nach seinen eigenen Fähigkeiten, daß nicht das Böse die Vorherrschaft gewinne über das Gute, wie es Millionen von Söhnen und Töchtern des jüdischen Volkes gegenüber geschehen ist. Daher ist es notwendig, die Anstrengungen zu verstärken, um den Menschen von Jen Schreckgespenstern des Rassismus, der Ausschließung und Ausgrenzung, der Versklavung und der Fremdenfeindlichkeit zu befreien und auch die Wurzeln dieser Übel auszurotten, die in die Gesellschaft eindringen und die Fundamente des fried-ichen und menschlichen Zusammenlebens bedrohen. Das Böse stellt sich unter im-ner neuen Formen dar, es hat viele Gesichter, und seine Schmeicheleien sind vielfältig. An uns ist es, ihre gefährliche Macht zu entlarven und sie mit Gottes Hilfe zu leutralisieren. 565 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In englischer Sprache sagte der Papst: 4. Gern hätte ich, soweit wie möglich, alle mit Namen genannt, die diese Initiative gefördert und dazu ermutigt haben: diejenigen, die sie unterstützt haben und jetz1 hier bei uns sind; die zahlreichen Vertreter jüdischer Gemeinschaften und Organisationen in der ganzen Welt; die Überlebenden der „Shoah”, erlesene Persönlichkeiter und Vertreter aus dem religiösen und dem zivilen Bereich; alle, welche die Einladung zu diesem Konzert angenommen haben, und alle, die es unter der tüchtiger Leitung von Maestro Gilbert Levine ausgeführt haben. Ich danke ihnen recht herzlich, denn sie haben dazu beigetragen, dieser Gedenkfeie: Gewicht und Rang zu verleihen. Ihre Anwesenheit stärkt uns in unserer gemeinsamen Verpflichtung. 5. Die Erinnerungen wachrufenden Melodien, denen wir zugehört haben, sind eii Echo der leiderfüllten Bitte an den Herrn, sind Ausdruck der Hoffnung auf ihn, de: auf die hört, die ihn suchen, und sie aufnimmt und tröstet. Dieser tiefe Eindrucl bleibt in unseren Herzen, er weckt Erinnerungen und lädt uns zum Gebt ein. Bevor wir diese Begegnung beenden, möchte ich Sie alle einladen, mit einem Au genblick der Stille zu schließen, um den Herrn zu preisen mit Worten, die er unse rem Herzen eingibt, und noch einmal den flehentlichen Ruf zu hören: „Vergeßt un; nicht!” Hohe Päpstliche Orden für die Leitung der Nippon-Fernsehgesellschaft Grußwort an Vertreter des japanischen Fernsehens am 7. April Ihnen allen mein herzliches Willkommen! Es ist für mich eine große Freude, Sie hier im Vatikan empfangen zu dürfen, Vertre ter der Nippon-Fernsehgesellschaft (NTVj und anderer japanischer Gesellschafter die Sie sich zum feierlichen Abschluß der Restaurierungsarbeiten der Sixtinische: Kapelle eingefunden haben. Vor allem möchte ich den leitenden Persönlichkeiten der NTV für die großzügig Hilfe und die aufrichtige und enge Zusammenarbeit bei der Restaurierung der Sixti nischen Kapelle und die genaue Dokumentation aller Arbeiten sowie auch für di Ausstellungen über die Kunstschätze der Vatikanischen Museen danken. Die Zusammenarbeit zwischen dem Vatikan und der NTV zur Bewahrung und zur Bekanntmachen der Kulturgüter des Hl. Stuhls war in diesen 13 Jahren wirklic fruchtbar. Ich hoffe, daß sie auch in Zukunft auf verschiedene Weisen fortgeseti werden kann. 566 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als Zeichen meiner Dankbarkeit überreiche ich jetzt dem Vorsitzenden Kobayashi das Großkreuz des Silvesterordens und dem Präsidenten Ujiie das Komturkreuz mit Stern des Gregoriusordens. Vielen Dank. Der Herr möge Sie immer segnen. Deo gratis. Kunst als menschlicher Ausdruck göttlicher Geheimnisse Predigt in der Sixtinischen Kapelle zum Abschluß der Restaurierungsarbeiten am 8. April 1. „Ich glaube an den einen Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge.” Wir betreten heute die Sixtinische Kapelle, um ihre herrlich restaurierten Fresken zu bewundern. Es sind Werke der größten Meister der Renaissance: vor allem Michelangelos, aber auch von Perugino, Botticelli, Ghirlandaio, Pinturicchio und anderen. Zum Abschluß dieser delikaten Restaurationsarbeiten möchte ich euch allen danken, iie ihr hier anwesend seid, und zumal jenen, die in verschiedener Weise ihren Beirag für eine so edle Aufgabe geleistet haben. Es geht um ein Kulturgut von unschätzbarem Wert, um ein Gut von universalem Charakter. Das bezeugen die unzähligen Pilger aus allen Nationen der Welt, die diesen Ort aufsuchen, um das Werk größter Meister zu bewundern und in dieser Kapelle eine Art wunderbarer Zusam-nenfassung der Malkunst zu erkennen. 'leidenschaftliche Liebhaber des Schönen haben sodann einen Beweis ihrer Aufgeschlossenheit geboten mit dem konkreten und erheblichen Beitrag, den sie zur Verlegung gestellt haben, um dieser Kapelle ihre ursprüngliche Farbenfrische zurückzu-|eben. Wir konnten uns ferner auf die Arbeit von Fachleuten verlassen, die in der iestaurationstechnik besonders erfahren sind. Sie haben sich bei ihrer Arbeit der brtgeschrittensten und sichersten Techniken bedient. Der Hl. Stuhl spricht allen seinen herzüchen Dank für das erreichte glänzende Ergebnis aus. I. Die Fresken, die wir hier betrachten, führen uns in die Welt der Offenbarungs-nhalte ein. Die Wahrheiten unseres Glaubens sprechen uns hier von überallher an. ^n ihnen hat sich der menschliche Genius inspiriert und sich bemüht, sie in unvergleichliche Schönheit zu kleiden. Deshalb weckt zumal das Jüngste Gericht in uns las lebhafte Verlangen, unseren Glauben an Gott, den Schöpfer aller sichtbaren und insichtbaren Dinge, zu bekennen. Zugleich regt es uns an, unsere Treue zum aufer-tandenen Christus zu bekräftigen, der am Jüngsten Tag wiederkommen wird als iberster Richter der Lebenden und der Toten. Vor diesem Meisterwerk bekennen vir Christus, den König aller Zeiten, dessen Reich kein Ende haben wird. Jerade dieser ewige Sohn, dem der Vater das Werk der Erlösung des Menschen nvertraut hat, spricht in der dramatischen Szene des Jüngsten Gerichtes zu uns. Wir tehen vor einem ungewöhnlichen Christus. Er trägt in sich eine uralte Schönheit, 567 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die in einem gewissen Sinn von den üblichen malerischen Darstellungen der Malerei abweicht. Auf diesem gewaltigen Fresko offenbart er uns vor allem das Geheimnis seiner mit der Auferstehung verbundenen Herrlichkeit. Daß wir hier in der Osteroktav versammelt sind, müssen wir als äußerst glücklichen Umstand betrachten. Wir stehen vor allem vor der Herrlichkeit der Menschheit Christi. Er wird ja in seiner Menschheit kommen, um die Lebenden und die Toten zu richten. Er wird die Tiefen des menschlichen Gewissens durchdringen und die Macht seiner Erlösung offenbaren. Aus diesem Grund finden wir an seiner Seite die Mutter, die „Erhabene Gefährtin des Erlösers”. Christus ist innerhalb der Geschichte der Menschheit der wahre Eckstein, von dem der Psalmist sagt: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden” (Ps 118,22). Dieser Stein kann daher nicht verworfen werden. Als einziger Mittler zwischen Gott und den Menschen drückt dei Christus der Sixtinischen Kapelle in sich das ganze Geheimnis der Sichtbarkeit des Unsichtbaren aus. 3. Damit befinden wir uns im Mittelpunkt der theologischen Frage. Das Alte Testament schloß jedes Bild, jede Darstellung des unsichtbaren Schöpfers aus. Denn dieses Gebot hatte Mose von Gott auf dem Berg Sinai erhalten (vgl. Ex 20,4), weil die Gefahr bestand, daß das zum Götzendienst neigende Volk in seinem Gottesdiens bei einem Bild Gottes stehenbliebe, der doch undarstellbar ist, weil er über jede Vorstellungskraft und jede Auffassung des Menschen erhaben ist. Das Alte Testament ist dieser Überlieferung treu gebheben und hat keine Darsteüung des lebendigen Gottes zugelassen, weder in den Häusern des Gebetes noch im Tempel von Je rusalem. Einer ähnlichen Überlieferung hängen die Mitglieder der muslimischen Re ligion an, die an einen unsichtbaren, allmächtigen und barmherzigen Gott glauben den Schöpfer und Richter eines jeden Geschöpfes. Doch Gott selbst ist den Bedürfnissen des Menschen entgegengekommen, der ii seinem Herzen den brennenden Wunsch hegt, ihn sehen zu können. Hat denn nich Abraham den unsichtbaren Gott in dem wunderbaren Besuch dreier geheimnisvolle Persönlichkeiten aufgenommen? „Er sah drei und betete Einen an” (vgl Gen 18,1-14). Angesichts dieser drei Personen erfuhr Abraham, der Vater unsere; Glaubens, in tiefer Weise die Anwesenheit des Einen und Einzigen. Diese Begeg nung sollte dann zum Thema der unvergleichlichen Ikone von Andrei Rublev, de Gipfels der russischen Malerei, werden. Rublev war einer von jenen heilige: Künstlern, deren Kreativität die Frucht tiefer Kontemplation, des Gebets und de Fastens war. Durch ihr Werk drückte sich die Dankbarkeit der Seele dem unsichtba ren Gott gegenüber aus, der dem Menschen gestattet, ihn in sichtbarer Gestalt dar zustellen. 4. Dies alles wurde vom Zweiten Konzil von Nizäa, dem letzten der ungeteilten Kii che, aufgenommen, das endgültig die Auffassung der Ikonoklasten ablehnte und di Berechtigung der Gewohnheit bestätigte, den Glauben in künstlerischen Darstellun gen auszudrücken. Die Ikone ist also nicht nur ein Werk der Malerei. Sie ist in ei 568 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nem bestimmten Sinn gleichsam ein Sakrament des christlichen Lebens, denn in ihr wird das Geheimnis der Menschwerdung präsent. In ihr spiegelt sich in immer neuer Weise das Geheimnis des menschgewordenen Wortes wider und der Mensch -Urheber des Kunstwerks und zugleich Teilhaber an seinem Geheimnis - freut sich über die Sichtbarkeit des Unsichtbaren. Hat nicht Christus selbst den Grund zu dieser geistlichen Freude gelegt? „Herr, zeige uns den Vater; das genügt uns” - so bittet Philippus im Abendmahlssaal am Vorabend des Leidens Christi. Jesus antwortet: „Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen ... Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist?” (,Joh 14,8-10). Christus ist die Sichtbarkeit des unsichtbaren Gottes. Durch ihn durchdringt der Vater die gesamte Schöpfung, und der unsichtbare Gott wird unter uns gegenwärtig und tauscht sich mit uns aus, so wie die drei Persönlichkeiten, von denen die Bibel spricht, sich mit Abraham an den Tisch setzten und mit ihm speisten. 5. Hat nicht auch Michelangelo aus den Worten Christi „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen” klare Schlüsse gezogen? Er hatte den Mut, mit eigenen Augen diesen Vater zu bewundern in dem Augenblick, da er das „Es werde” des Schöpfers spricht und den ersten Menschen ins Dasein ruft. Adam wurde nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen (vgl. Gen 1,26). Während das ewige Wort die unsichtbare Ikone des Vaters ist, ist der Mensch-Adam seine sichtbare Ikone. Michelangelo bemüht sich in jeder Weise, dieser Sichtbarkeit Adams, seiner Körperlichkeit die Züge der alten Schönheit zurückzugeben. Ja er überträgt mit unerhörter Kühnheit diese sichtbare und körperliche Schönheit auf den unsichtbaren Schöpfer. Wir Steren hier vielleicht vor einem ungewöhnlichen Wagnis der Kunst, weil man dem unsichtbaren Gott nicht die dem Menschen eigene Sichtbarkeit auferlegen kann. Wäre das nicht eine Gotteslästerung? Es bleibt aber schwierig, im sichtbaren und vermenschlichten Schöpfer nicht den mit unendlicher Majestät bekleideten Gott zu er-sennen. Ja in der Form des Bildes mit seinen ihm eigenen Grenzen wurde hier alles jesagt, was sagbar war. Die Majestät des Schöpfers wie die des Richters spricht /on der göttlichen Größe: ein ergreifendes und eindeutiges Wort, wie auf andere Weise auch die Pieta in der Vatikanischen Basilika und der Mose in der Basilika st. Peter in Ketten (S. Pietro in Vincoli) ergreifend und eindeutig sind. 5. Ist im menschlichen Ausdruck der göttlichen Geheimnisse nicht die „kenosis” lotwendig als Entäußerung von dem, was körperlich und sichtbar ist? Eine solche Entäußerung ist gut erkennbar in die Tradition der christlichen Ikonen des Ostens angegangen. Der Leib ist gewiß die „kenosis” Gottes. Lesen wir doch beim ll. Paulus, daß Christus „sich selbst entäußerte, indem er Knechtsgestalt annahm” Phil 2,7). Wenn es aber wahr ist, daß der Leib die „kenosis” Gottes darstellt und laß in der künstlerischen Darstellung der göttlichen Geheimnisse die große irdische 4iedrigkeit des Körpers zum Ausdruck kommen muß, damit das, was göttlich ist, 569 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sichtbar werden kann, so ist zugleich wahr, daß Gott die Quelle der integralei Schönheit des Leibes ist. Es scheint, daß Michelangelo sich auf seine Weise vom eindrucksvollen Wort de Buches Genesis hat leiten lassen, das zur Erschaffung des Menschen als Mann um Frau hinzufügt'. „Sie waren nackt, aber sie schämten sich nicht” (Gen 2,25). Di Sixtinische Kapelle ist geradezu - wenn man so sagen kann - das Heiligtum de Theologie des menschlichen Leibes. Wenn sie von der Schönheit des Mensche: Zeugnis gibt, der von Gott als Mann und Frau geschaffen wurde, so spricht sie zu gleich in gewisser Weise die Hoffnung auf eine verklärte Welt aus, die Welt, di vom auferstandenen Christus eröffnet wurde und vorher noch vom Christus auf der Berg Tabor. Wir wissen, daß die Verklärung eine der hauptsächlichsten Quellen de orientalischen Frömmigkeit ist; sie ist ein beredtes Buch für die Mystiker - wie fü den hl. Franziskus der auf dem Monte La Verna betrachtete gekreuzigte Christu gleichsam ein offenes Buch war. Wenn wir vor dem Jüngsten Gericht vom Glanz und Staunen geblendet werden, w wir auf der einen Seite die verklärten Leiber bewundern und auf der anderen jene die zur ewigen Verdammung bestimmt sind, verstehen wir auch, daß das gesamt Bild von einem einzigen Licht und einer einzigen künstlerischen Logik durchdrur gen ist: vom Licht und der Logik des Glaubens, den die Kirche verkündet, wenn si bekennt: „Ich glaube an den einen Gott... Schöpfer des Himmels und der Erde, alle sichtbaren und unsichtbaren Dinge.” Aufgrund dieser Logik bewahrt im Licht, da von Gott kommt, auch der menschliche Leib seinen Glanz und seine Würde. Löst man ihn dagegen aus dieser Dimension heraus, so wird er gewissermaßen zur Objekt, das man sehr leicht erniedrigen kann, weil nur in den Augen Gottes de menschliche Leib nackt und unbedeckt bleiben und zugleich seinen Glanz und sein Schönheit unversehrt bewahren kann. 7. Die Sixtinische Kapelle ist der Ort, der für jeden Papst auch die Erinnerung a einen besonderen Tag in seinem Leben bewahrt. Für mich geht es um de 16. Oktober 1978. Gerade hier, in diesem heiligen Raum, versammeln sich di Kardinäle und warten auf die Äußerung des Willens Christi für die Person de Nachfolgers des hl. Petrus. Hier habe ich aus dem Mund meines ehemaligen Rel tors, Maximilien de Fürstenberg, die bezeichnenden Worte gehört: „Der Meister i: da und ruft dich.” Hier hat mir der Kardinal Primas von Polen, Stefan Wyszynsk gesagt: „Wenn sie dich wählen, lehne bitte nicht ab.” Hier habe ich im Geist de Gehorsams gegen Christus und indem ich mich seiner Mutter anvertraute die voi Konklave vollzogene Wahl angenommen und dem Kardinal Camerlengo, Jean Vi lot, meine Bereitschaft erklärt, der Kirche zu dienen. So ist also die Sixtinische K; pelle einmal mehr vor der gesamten Gemeinschaft der Katholiken der Ort des Wi kens des Heiligen Geistes gewesen, der in der Kirche die Bischöfe bestellt, in bf sonderer Weise aber den, der Bischof von Rom und Nachfolger des Petrus sein sol 570 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn ich heute das heilige Meßopfer in dieser Kapelle im sechzehnten Jahr meines Dienstes für den Apostolischen Stuhl feiere, bitte ich den Geist des Herrn, er möge licht aufhören, in der Kirche anwesend und tätig zu sein. Ich bitte ihn, daß er sie glücklich ins dritte Jahrtausend führe. ch rufe Christus an, den Herrn der Geschichte, er möge bei uns allen bleiben bis ;um Ende der Welt, wie er selbst verheißen hat: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum 3nde der Welt” (Mt 28,20). Aufruf zur Liebe - Forderung der Gerechtigkeit - Pflicht zur Hilfe Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates Cor Unum am 8. April lerr Kardinal, iebe Freunde! .In dieser Osterwoche bildet die Vollversammlung des Päpstlichen Rates „Cor Jnum” gewissermaßen die natürliche Fortsetzung dessen, worum sich die ganze Cirche während der Fastenzeit bemüht hat, nämlich: die Liebe ins Werk zu setzen, ihne die der Jünger Christi „nichts” ist, wie der hl. Paulus sagt (1 Kor 13,2). Ich lanke dem Kardinal Roger Etchegaray, eurem Präsidenten, für die Worte, die er zur /orstellung eurer Arbeiten eben an mich gerichtet hat, und ich vereinige mich mit uch im Danksagen für die in der Kirche gelebte Liebe: Ihr seid dafür Zeugen und ■ft ihre Anreger und Förderer. )a euer Rat im Herzen der Kirche seinen Platz hat, besitzt er tatsächlich die Aufga-e, alles das zu koordinieren, was die brüderliche Liebe an konkreten Hilfsaktionen ür die verschiedenen Gemeinschaften anregt. Ich möchte mit einigen Gedanken ein-ach die drei Hauptaspekte der Arbeit von „Cor Unum” betonen. . An erster Stelle bemüht ihr euch, die Katechese der Liebe zu entfalten. Ihr müßt i unablässig auf die eigentliche Quelle der Liebestätigkeiten hinweisen, auf die Liebe, die von Gott kommt”, die Liebe, mit der wir geliebt sind und in deren Na-ten „auch wir einander heben müssen” (7 Joh 4,7.11). Man darf diese Worte nicht tisch auslegen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat seinerseits daran erinnert, daß nter den Wegen der Heiligkeit „die tatkräftige Bruderhebe” einen wichtigen Platz innimmt (Lumen Gentium, Nr. 42). Ohne dieses euch vertraute Thema weiter zu ntwickeln, betone ich nur die Notwendigkeit, niemals aus den Augen zu verheren, aß es nach dem hl. Paulus „in Christus” darauf ankommt, „den Glauben zu haben, er in der Liebe wirksam ist” (Gal 5,6), ebenso wie nach dem hl. Jakobus die 7erke zur Fülle eines Lebens aus dem Glauben notwendig sind (vgl. Jak 2,14-26). ■ei der Verschiedenartigkeit der Organisationen und Programme, die ihr koordinie-m sollt, muß eine solche Grundhaltung immer präsent sein. Die modernen techni- 571 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Anforderungen und das Suchen nach der größtmöglichen Wirksamkeit innerhalb einer guten Organisation dürfen nicht vergessen lassen, daß die Strukturen kein anderes Ziel haben als gleichsam Kanäle für die Liebe des Volkes Gottes zu sein. Wie die einfachen Gläubigen nicht an dem Wirken uninteressiert sein dürfen, das sie spezialisierten Organen anvertrauen, so dürfen die Verantwortlichen dieser Grupper. sich auch nicht als unabhängige Herren ihrer Projekte aufspielen oder als autonome Besitzer ihrer Mittel. Sie selbst sind vielmehr, getragen von einer Hochherzigkeit, die ich anerkenne, die Diener der Liebe, welche die brüderliche Einheit der Mitglieder des Volkes Gottes widerspiegeln soll. 3. In jedem Augenblick könnt ihr aufgefordert werden, dringenden Aufrufen infolge von Naturkatastrophen oder anderer Krisensituationen Gehör zu schenken. Dies isi der zweite wichtige Aspekt eurer Sendung. Dies verlangt von „Cor Unum” eine beständige Wachsamkeit, um unverzüglich die größten Notfälle kennenzulemen unc die besten dringenden Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Auf diesen Gebieten ist neben Organisationen, die ihre Anregung von anderswohei beziehen, die Präsenz der Kirche oft wegen ihrer realen Wirksamkeit anerkann worden, die auf den ständigen Verbindungen zwischen den in den verschiedener Gebieten arbeitenden karitativen Institutionen beruht. In diesem Rahmen geben daher die Christen ein wichtiges Zeugnis und setzen ein Zeichen der Solidarität, wie sie für die ganze Menschenfamilie natürlich sein sollte. Über den Aufsehen erregenden Charakter bestimmter Aktionen hinaus, die auf ihr Echo in den Medien zurück gehen, müßt ihr aufmerksam die Abwicklung eurer Hilfsmaßnahmen verfolgen damit sie dauerhaften Nutzen stiften und in voller Übereinstimmung mit den betrof fenen Bevölkerungskreisen und ihren eigenen örtlichen Hilfsorganisationen erfolgen 4. Zur Anregung der Liebe gehört es, dafür zu sorgen, daß dem ganzen christliche! Volk die wirklichen Ausmaße der zu lindernden Leiden und der zu behebenden Ar mutsituationen bekanntgemacht werden. Dieser dritte Aspekt eurer Sendung gestat tet euch, durch die eingeholten Informationen und eure weltweiten Kontakte dei Mitgliedern der Kirche zu helfen, die Nöte ihrer nahen oder fernen Mitmenschei besser zu begreifen. So haben die Christen sich in den letzten Jahrzehnten bemüht die Bedürfnisse der Entwicklung, wie es Paul VI. in der Enzyklika Populorum pro gressio gefordert hatte, aufzugreifen. Jedes Jahr vertraue ich euch die Aufgabe an, eine Botschaft zur Fastenzeit zu ver breiten, die den Akzent jedesmal auf einen bestimmten Bereich legt, wo sich di< aktive Solidarität der Menschheitsfamilie bewähren muß. So haben wir kürzlich dii Situation der Flüchtlinge betont, das Teilen der Naturschätze, die Probleme de Wassers und des Fortschreitens der Wüsten und zuletzt die Rolle der Familie bei de Übung der Liebe, und wir haben besonders die helfende Liebe für hilflose Familiei unterstrichen. In ihrer Unterschiedlichkeit genügen diese wenigen Beispiele, um dei Umfang der heute vorliegenden Aktionsgebiete in Erinnerung zu rufen. Man mul natürlich die Aufrufe zur Liebe eng mit den Forderungen der Gerechtigkeit verknüp 572 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fen und mit der Pflicht zur Hilfe, verbunden mit der Definition und Verteidigung der Menschenrechte. Erinnern wir uns an die Worte des Herrn nach dem Propheten Je-remia, als er den König aufforderte, dem Beispiel seines Vaters zu folgen, „der für Recht und Gerechtigkeit gesorgt hat ... Dem Schwachen und Armen verhalf er zum Recht. Heißt das nicht, mich wirklich erkennen?” (Jer 22,15-16). Das Hauptthema der Arbeiten eurer Versammlung ist angesichts der heutigen Weltlage besonders wichtig: „Das Zeugnis der Liebe Christi beim humanitären Wirken in Kriegszeiten.” Wir wissen, daß heute zahlreiche Völker die Folgen von Konflikten erleiden, welche dramatische Leiden hervorrufen. Ihr habt das von der Kirche getragene humanitäte Wirken zu leiten oder zu beraten, oft in Verbindung mit anderen Organisationen. Es gibt eine Verpflichtung zur Solidarität, die dazu führt, das Recht der Völker auf ein würdiges Leben in Frieden zu verteidigen. Das humanitäre Wirken muß frei von politischen Bedingungen erfolgen; es ist gegebenenfalls daran zu erinnern, daß die Notwendigkeit einer Hilfe sogar vor der Zuständigkeit der Staaten den Vorrang hat, wenn das menschliche Leben und seine Würde auf dem Spiel stehen. In die Überlegungen sollte auch nicht nur der Gesichtspunkt der materiellen Bedürfnisse des Überlebens einbezogen sein, sondern ebenso der geistige Gesichtspunkt der Menschenrechte, denn es geht um die Verteidigung der Völker mit ihrer Kultur, ihrer Religion und ihren berechtigten familiären und sozialen Strukturen. Ich danke euch dafür, daß ihr auf diese Punkte bei eurer Reflexion zurückgekommen seid, die ich bereits vor den Vertretern der internationalen Gemeinschaft betont habe (vgl. Ansprache vom 5. Dezember 1992 und 16. Januar 1993). Ihr sollt zumal dazu mithelfen, daß die immer notwendige Unterscheidung klar bleibt, damit das humanitäre Wirken der Gläubigen ein Zeugnis der Liebe Christi sei durch die echte Motivierung und die Selbstlosigkeit ihrer Hilfe, die jedem Menschenbruder und jeder Schwester gewährt wird, ohne irgend jemanden auszuschließen. 5. Zum Ende dieser Begegnung möchte ich euch erneut dafür danken, daß ihr unermüdlich das karitative Leben in der Kirche anregt und dabei die verschiedenen Aspekte eurer Sendung erfüllt. Ihr helft zumal dem Nachfolger des Petrus, auf zahlreiche Aufrufe zu antworten. Ich bin euch ebenfalls für den Vorsitz bei zwei Stiftungen, die ich euch anvertraut habe, dankbar: Ich denke an die Stiftung für die Sahel-zone, die den Völkern beim Kampf gegen die Ausbreitung der Wüsten hilft, ferner an die Stiftung Populorum progressio zur Unterstützung der am meisten benachteiligten Gruppen von Eingeborenen in Lateinamerika. Diese beiden Stiftungen, die hochherzige Beiträge zur Verfügung haben, geben der Welt durch substantielle konkrete und mit den betroffenen Personen abgestimmte Aktionen ein Signal, damit die oft tragische Schutzlosigkeit von wichtigen Gruppen unserer Menschenbrüder nicht vergessen wird. Über das Wirken eures Rates und aller bei eurer Versammlung vertretenen Organe linaus möchte ich die Dankbarkeit der Kirche auch jenen Männern und Frauen aus-;prechen, die konkret und ebenso bescheiden wie hochherzig auf das Gebot der 573 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bruderliebe zu antworten wissen. Ich denke zumal an die Armen, die nicht zögern, ihr Scherflein für die noch Ärmeren beizutragen: durch das Öffnen ihrer Herzen und das Teilen ihrer Güter bezeugen sie die Liebe Christi, die alle inspirieren müßte, die noch mehr tun könnten, damit die Solidarität alle Grenzen überschreite. Möge das Licht des Osterfestes euren Glauben erhellen, möge der auferstandene Christus eure Hoffnung stärken und eure Liebe ausweiten und der Segen Gottes euch auf den Wegen der Welt begleiten! Eine ganz afrikanische Synode — Bereicherung der Universalität der Kirche Predigt zur Eröffnung der Synode für Afrika, am Weißen Sonntag, 10. April 1. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen” (Ps 118,24). So singt die Kirche während der ganzen Osteroktav und freut sich in Christus, der der „Eckstein” seines ewigen Bauwerkes ist (vgl. Eph 2,20). „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat.” So singt heute in besonderer Weise die Kirche auf dem afrikanischen Kontinent, die Kirche, welche die Schicksale der Völker und Nationen dieses alten Kontinents teilt. Sie hat dort so alte Wurzeln wie in wenigen anderen Teilen der Welt. Schauen wir zurück ins Alte Testament, so finden wir, daß hier, durch Ägypten, schon der Weg Abrahams verlief, der der Vater unseres Glaubens ist, und dann auch der Weg Israels dorthin führte. Dort hat das Pascha des Alten Bundes seinen Ursprung, die Befreiung aus der Knechtschaft, dort steht der Berg Sinai, wo Mose die Zehn Gebote empfing, dort verbrachte das auserwählte Volk die vierzig Jahre in der Wüste. Alles ist dort verankert. Afrika ist auch in einem gewissen Sinn die zweite Heimat Jesu von Nazaret. Als kleines Kind suchte er hier Zuflucht vor der Grausamkeit des Herodes. Es kommen dann die apostolischen Zeiten. Die Kirche kehrt nun erneut nach Afrika zurück durch den Diakon Philippus, der einen Beamten der Königin von Äthiopien taufte. Auf solche Weise wird die Kirche in diesem alten und ehrwürdigen Teil des afrikanischen Kontinents geboren. Es folgen die Zeiten der Märtyrer. Die Zeit des ersten Konzils, das unvergeßliche Wirken der Kirche von Alexandrien, der hl. Athanasius, etwas später der hl. Augustinus, der hl. Einsiedler Antonius und die große aszetische Tradition der Wüstenväter. All das ist Afrika! Wie wir sehen, dauert der Tag Afrikas in der Kirche bereits fast 2000 Jahre. Der Papst fuhr in Englisch fort: 2. Daran müssen wir heute denken, wenn wir die Synode der Kirche für den afrikanischen Kontinent beginnen, die erste in der Geschichte. 574 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Natürlich denken wir auch an die Synoden der ersten Jahrhunderte, an das Wirken des Origenes und des hl. Cyprian, an die ekklesiologischen Kontroversen, die dann die Christenheit gespalten haben. Doch waren diese Ereignisse vor allem an der Nordküste des Kontinents konzentriert. Heute findet zum erstenmal eine Synode der afrikanischen Kirche statt, die den ganzen Kontinent umfaßt: von Alexandrien bis zum Kap der Guten Hoffnung, vom Persischen Golf bis Goree und zu den Kapverdischen Inseln im Atlantik. Ganz Afrika ist heute in der St. Petersbasilika anwesend. Mit großer Herzlichkeit grüßt der Bischof von Rom Afrika. Er grüßt es in den Personen der Bischöfe, die zur Synode versammelt sind und deren große Mehrheit nun Söhne afrikanischer Völker sind: erwählt aus jenen Völkern und für sie bestimmt (vgl. Hebr 5,1). Der Heilige Geist hat euch als Bischöfe in den Kirchen Afrikas bestellt. Der Bischof von Rom grüßt sämthche Völker eures Kontinents, hebe Brüder, die ihr alle Rassen und Kulturen, Sprachen, Überlieferungen und Bräuche vertretet, in denen sich diese Kulturen seit Jahrhunderten ausgeprägt haben. Schon seit Beginn der christlichen Ära und sogar noch davor hat Rom sich mit Afrika verbunden gefühlt. Söhne und Töchter Afrikas kamen schon zur Zeit des alten Römischen Reiches nach Italien, so wie sie heute kommen. Es ist nicht möghch, ah die historischen Einzelheiten seit den Zeiten vor Christus in Erinnerung zu rufen, doch es muß erwähnt werden, daß vom Beginn der neuen Ära an die Kinder Afrikas in der Kirche präsent waren und verschiedene Dienste innerhalb der Kirche ausgeübt haben. Afrikaner hat es auch unter den Päpsten gegeben. 3. Heute begrüßt der Bischof von Rom die Kirche in Afrika, in jedem Teil dieses großen Kontinents: in der unermeßlichen Sahara wie in den Tiefen der afrikanischen Savannen und in den üppigen Tropenwäldem, in denen sehr alte Volksstämme leben. Die Kirche von Rom begrüßt diese Völker und vor allem ihre religiösen Traditionen, in denen der brennende Wunsch nach dem einen Gott durch die Verehrung ihrer Ahnen zum Ausdruck kommt. Diese Traditionen bilden noch heute das Erbe der Mehrheit der Einwohner Afrikas. Es sind für das Evangelium offene Traditionen, offen für die Wahrheit, die uns heute vom hl. Johannes verkündet wird, der sagt, daß Jesus der Messias ist: „Jeder, der glaubt, daß Jesus der Christus ist, stammt von Gott, und jeder, der den Vater liebt, hebt auch den, der von ihm stammt” (1 Joh 5,1). Die Söhne und Töchter Afrikas heben das Leben. Gerade diese Liebe zum Leben führt sie dazu, der Verehrung ihrer Ahnen so große Bedeutung beizumessen. Sie glauben instinktiv, daß die Toten weiterleben und in Gemeinschaft mit ihnen bleiben. Ist das nicht irgendwie eine Vorbereitung für den Glauben an die Gemeinschaft der Heiligen? Die Völker Afrikas achten das Leben, das empfangen und geboren ist. Sie freuen sich über dieses Leben. Sie lehnen den Gedanken ab, es dürfe zerstört werden, auch wenn die sogenannten „fortschrittlichen Zivilisationen” sie in diese 575 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Richtung drängen möchten. Lebensfeindliche Praktiken aber werden ihnen durch wirtschaftliche Systeme auferlegt, die der Selbstsucht der Reichen dienen. Die Kirche, die in dieser Stunde durch meine Worte spricht, freut sich über die Tatsache, daß die Völker Afrikas mit ihren Kulturen und Überheferungen heute in ihren eigenen Staaten und Systemen leben und auf ihrem eigenen Kontinent souverän sind. Diese Selbstbestimmung befähigt sie, all das auszuwerten, was bei dem, was Europäer für die Entwicklung ihres Kontinents gebracht haben, positiv ist; sie befähigt sie ferner zu kritischem Urteil über all die Ungerechtigkeiten, die sie während der Kolonialzeit und auch früher schon infolge der grausamen Praxis dulden mußten, die so lange angedauert hat: daß nämlich zahlreiche Söhne und Töchter Afrikas zu Sklaven gemacht wurden, um in die Neue Welt deportiert werden zu können. Der Papst fuhr in Französisch fort: 4. Doch wenn wir auf der einen Seite mit Genugtuung feststellen, daß das Offensein für das Leben eines der schönsten und am typischsten Kennzeichen des afrikanischen Kontinents ist, sehen wir auf der anderen Seite mit großem Schmerz und tiefer Beunruhigung, daß dieser Kontinent durch alte Spannungen und blutige Kämpfe zerrissen ist. Wir können nicht anders als von diesem dramatischen Kontrast zwischen Liebe und Haß, Freude am Leben und Terror, Solidarität und Brudermord, Leben und Tod tief betroffen und erschüttert zu sein. In diesem Zusammenhang, der leider zahlreiche Länder betrifft, möchte ich besonders das Volk und die Kirche von Ruanda nennen, die in diesen Tagen durch eine überwältigende Tragödie geprüft werden - vor allem in Verbindung mit der dramatischen Ermordung der Präsidenten von Rwanda und Burundi. Ich teile eure Leider mit euch, den Bischöfen, angesichts dieser neuen Welle der Gewalt und des Todes, die euer heißgeliebtes Land erfaßt und in einem seit langem nicht mehr gekannter Ausmaß das Blut von Priestern, Ordensleuten, Katecheten und unschuldigen Opferr eines absurden Hasses hat fließen lassen. Mit euch, die ihr zu dieser Synode für Afrika versammelt seid, und in geistliche! Gemeinschaft mit den Bischöfen Ruandas, die heute nicht unter uns weilen können sehe ich es als meine Pflicht an, einen Aufruf zu erlassen, um der menschenmorden den Hand der Gewalttäter Einhalt zu gebieten. Mit euch erhebe ich meine Stimme um allen zuzurufen: Laßt diese Gewalttaten aufhören! Laßt diese Tragödien aufhö ren! Gebietet diesen brudermörderischen Massakern Einhalt! Ruanda und Burundi, die in den letzten Zeiten hart geprüft worden sind, muß di< Kirche ebenso wie ganz Afrika ihren kostbaren und unersetzlichen Beitrag zur För derung eines dringenden und radikalen Wirkens für die Versöhnung anbieten, dami der afrikanische Kontinent ein Land wird, wo der Friede und die Liebe zum Lebei herrschen. 5. Das Zweite Vatikanische Konzil, das die hauptsächliche Quelle der Anregung fü die Synode für Afrika ist, hat einen fruchtbaren Dialog nicht nur mit den Christer 576 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sondern auch mit den nichtchristlichen Religionen eröffnet. In Afrika nimmt dieser Dialog an Ausmaß zu. Dies betrifft zumal jene, die sich als geistige Nachkommenschaft Abrahams betrachten - die Muslime. Die Kirche von Rom grüßt alle Jünger des Islam, die auf dem afrikanischen Kontinent leben, zumal in seinem nördlichen Teil. Sie wünscht ihnen den Segen des allmächtigen und barmherzigen Gottes. Zugleich glaubt unsere Kirche, die in der ganzen Welt verbreitet und heute in besonderer Weise durch die afrikanischen Bischöfe vertreten ist, fest daran, daß die Allmacht und Barmherzigkeit des einen Gottes sich vor allem in der Menschwerdung des Sohnes Gottes geoffenbart hat, des Sohnes, der eines Wesens mit dem Vater ist und mit dem Vater im Heiligen Geist handelt und der in dieser trinitarischen Einheit Herrlichkeit und Ehre in Fülle empfängt. Der Mensch und die ganze Menschheit sind aufgerufen, diesen Gott im Geist und in der Wahrheit zu ehren. Jesus Christus ist derjenige, der gekommen ist, wie es der hl. Johannes sagt, „durch Wasser und Blut. Er ist nicht nur im Wasser gekommen, sondern im Wasser und im Blut. Und der Geist ist es, der Zeugnis ablegt; denn der Geist ist die Wahrheit” (7 Joh 5,6). Das ist unser Glaube, das ist der Glaube der Kirche, das ist der Glaube sämtlicher Einzelkirchen, die auf dem afrikanischen Kontinent pilgernd zum Haus des Vaters hin unterwegs sind. Dies ist der Glaube, der den Sieg über die Welt davonträgt. Jeder, der glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist, besiegt die Welt. Wer aus Gott geboren ist, besiegt die Welt (vgl. 1 Joh 5,4-5). 6. Vor euch Gläubigen, die ihr einen einzigen Gott bekennt, geben wir Zeugnis von diesem unaussprechlichen Geheimnis, das Gott dem Menschen in Jesus Christus offenbaren wollte, indem er ihm die Rechtfertigung durch den Glauben und die Vergebung der Sünden brachte. Jesus ist der Sohn Mariens, der Jungfrau von Nazaret, wie auch ihr anerkennt. Dieser Jesus, der Gottmensch, gekreuzigt und auferstanden, ist die Hoffnung der ganzen Menschheit. Er ist auch die Hoffnung für Afrika! Während wir diese Bischofssynode für Afrika eröffnen, bitten wir euch zu dem einen Gott zu beten durch Abraham, den Vater unseres Glaubens, damit wir in vollem Maße der Berufung würdig sind, die die Völker Afrikas von Gott vor 2000 Jahren durch Christus in seiner heiligen Kirche empfangen haben. Die Liturgie des heutigen Tages, des zweiten Ostersonntags, verweist uns auf die ältesten Zeiten der Kirche, als „die Gemeinde der Gläubigen ein Herz und eine Seele war ... die Apostel Zeugnis von der Auferstehung Jesu, des Herrn, ablegten und reiche Gnade auf ihnen allen ruhte” (Apg 4,32-33). Wir bitten den Heiligen Geist, daß diese „reiche Gnade” unsere Synodenversammlung präge. Diese Versammlung ist die Fracht einer langen Arbeit. Die Kirche in ganz Afrika hat vor allem eine angemessene Form für diese Begegnung gesucht. Man hat sich nämlich Rechenschaft gegeben, daß es diese Form bereits seit langer Zeit bei zahlreichen ifrikanischen Synoden gab. Heute wird diese Form in der Bischofssynode der Kir-;he Wirklichkeit, die sich auf dem afrikanischen Kontinent in Gemeinschaft mit dem 3ischof von Rom befindet. Auf diese Weise bekommt die jetzige Synode einen 577 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gänzlich afrikanischen Charakter und nimmt zugleich an der vollen Universalität der Kirche teil, wie sie im Dienst des Nachfolgers Petri zum Ausdruck kommt. Der Papst fuhr in Portugiesisch fort: 7. Wir wünschen also, daß dies eine Synode für Afrika ist, die auf ihre Wurzeln zurückgreift, so daß die Kirche in Afrika gleichzeitig afrikanisch und universal ist. Wir wünschen, daß sie das Leben sämthcher Kirchen Afrikas aufgreift, mit dem Gebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten, mit dem ganzen Reichtum echter Moral, der christlichen Botschaft, die sowohl die persönliche als auch die familiäre, soziale, nationale und internationale Dimension entschließt. Wir wünschen, daß diese Synode die Anwendung der Grundsätze der katholischen Soziallehre auf die Bedürfnisse Afrikas studiert und zugleich die Forderung nach Gerechtigkeit und Frieden auf internationaler und kontinentaler Ebene verdeuthcht. Wenn Afrika im Verlauf der Geschichte von seiten anderer so viele Angriffe erfahren hat, müssen wir uns die Frage stellen: Was müssen wir tun, um diesen Stand der Dinge zu ändern? Wem kommt es zu, sich an andere zu wenden, und mit welcher Botschaft, um im Namen Gottes zu überzeugen, zu fordern und zu ermahnen, zugleich im Namen der Menschenrechte und des Gemeinwohls der gesamten Menschheitsfamilie, von der die Söhne und Töchter Afrikas ein wichtiger Teil sind? Deshalb muß sich die Synode für Afrika des ganzen Erbes des Lehramtes der Kirche bedienen. Sie muß ferner tiefgründig und von ihrer eigenen Sicht aus alle Wahrheiten nachlesen, die sich im Katechismus der Katholischen Kirche befinden. Nach dem römischen Abschnitt der Arbeiten wird die Synode mit ihrem eigenen Erbe nach Afrika gehen und dort an geeigneten Orten davon Zeugnis geben, eine in Afrika entstandene und für Afrika bestimmte Synode zu sein. Der Papst schloß in Italienisch: 8. Das heutige Evangelium berichtet, daß Jesus acht Tage nach der Auferstehung zum zweiten Mal in den Abendmahlssaal kam und sich an Thomas wandte, der beim ersten Mal abwesend war. Jesus sagte ihm: „Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!” (Joh 20,27). Thomas antwortete ihm: „Mein Herr und mein Gott” (Joh 20,28). Das Glaubensbekenntnis, mit dem sich Thomas an Jesus Christus, den Gottmenschen, wendet, vereint uns alle, die wir heute mit den Arbeiten der Synode für Afrika beginnen. Dieses Bekenntnis vereint uns auch mit unseren christlichen Brüdern, die sich nicht mit uns in der vollen Einheit der universalen Kirche befinden. Heute heißen wir in besonderer Weise auch sie willkommen. Wir begrüßen sowohl die Vertreter der orthodoxen Kirchen, vor allem die der uralten koptischen Kirche ii Ägypten und Abessinien, als auch die Vertreter der Kirchen und Gemeinschaften die nach der Reformation entstanden sind: Anglikaner, Lutheraner und Reformierte Wir begrüßen alle, die bekennen, daß Jesus der Christus, der Sohn Gottes, wahre 578 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott und wahrer Mensch, ist, sei es daß sie zur einheimischen Bevölkerung gehören oder als Missionare aus anderen Ländern gekommen sind. Gerade ihnen verdanken wir besonders den erhöhten Einsatz für die Einheit der Christen in der modernen Zeit. Bei der Verkündigung Christi und des Evangeliums haben sie bald erfahren, wie sehr die konfessionellen Spaltungen ihre Sendung zur Evangelisierung auf dem afrikanischen Kontinent behinderten. Sie wurden daher zu Vorkämpfern der ökumenischen Tätigkeit zur Überwindung dieser Spaltungen und zur Wiederherstellung der Einheit der Christen. Man kann daher sagen, daß die ökumenische Bewegung unserer Zeit ihren Anfang in den afrikanischen Missionen genommen hat. Wir grüßen alle unsere Brüder und Schwestern im Glauben an den auferstandenen Christus und fordern sie auf, an der Synode für Afrika, die in der Osterzeit stattfin-det, teilzunehmen. In dieser Zeit bekennen wir alle mit Thomas: „Mein Herr und mein Gott!”, und wir alle hören aus dem Munde Jesu die Mahnung: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben” (Joh 20,29). Wahrhaftig selig sind all diejenigen auf dem afrikanischen Kontinent, die, ohne Christus mit eigenen Augen gesehen zu haben, an ihn geglaubt haben. Wahrlich selig die heiligen Märtyrer von Uganda, die selige Sr. Giuseppina Bakita aus dem Sudan, die selige Sr. Anuarite aus Zaire, der selige Joseph Gerald OMI, Missionar in Lesotho - selig alle Diener Gottes wie Isidoro Bakanja und andere, auf deren Erhebung zur Ehre der Altäre wir warten. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat!” Freue dich, Afrika, über alle deine Söhne und Töchter, die, auch wenn sie nicht gesehen, doch geglaubt haben. Freue dich über deine Staatsmänner und die Vertreter deiner Kultur. Freue dich über alle, welche die Reichtümer des afrikanischen Lebens und Denkens entfalten, über jene, die gleichzeitig den echten Werten des Schwarzen Kontinents und Christus treu sind - jenem Christus, der dem Menschen den Menschen und seine überaus erhabene Berufung geoffenbart hat. Afrika, freue dich im Herrn! Amen, Alleluja! Ausweitung des Laienapostolates — Teilhabe am allgemeinen Priestertum Ansprache an das Symposium über „Teilnahme der gläubigen Laien am priesterli-chen Dienst” am 22. April Verehrte Herren Kardinäle und Brüder im Bischofsamt! Liebe Brüder alle! 1. Ich freue mich sehr über die Begegnung mit euch, die ihr am Symposium über „Die Beteiligung der gläubigen Laien am priesterlichen Dienst” teilnehmt, das die Kongregation für den Klerus veranstaltet hat. 579 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich begrüße den Kardinal-Präfekten, den Sekretär und die Beamten dieser Kongregation wie auch die Vertreter der beteiligten Dikasterien und der Bischofskonferenzen, die besonders Eingeladenen und die anwesenden Fachleute. Ich spreche vor allem meine lebhafte Wertschätzung für die geleistete Arbeit aus, an der zahlreiche Bischofskonferenzen beteiligt waren. Danken wir gemeinsam dem Herrn, auch für das glückliche Zusammentreffen eurer Begegnung mit der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, bei der das Nachdenken über das Verhältnis von Laien und geweihten Dienern einen bedeutenden Platz einnimmt. Das Thema einer eventuellen Beteiligung von gläubigen Laien an gewissen konkreten Aspekten des spezifischen pastoralen Dienstes der Priester gehört mit Recht in den viel größeren Zusammenhang ihrer Beteiligung an der einen Sendung der Kirche, die von Christus auf dem Fundament der Apostel erbaut wurde. Die ganze Kirche lebt in jedem ihrer Teile im Geheimnis einer „missionarischen Gemeinschaft”. Es geht um eine „organische ,communio’ ähnlich der eines lebendigen und wirkenden Leibes: Sie ist gekennzeichnet von der Koexistenz der Verschiedenheit und der Komplementarität der Berufungen, Lebenssituationen, Dienste, Charismen und Verantwortungen” (Christifideles laici, Nr. 20); um eine „einheitliche Sendung” (vgl. Apostolicam aktuositatem, Nr. 2; Christifideles laici, Nr. 55), die dynamisch alle Getauften in das Werk einbezieht, den mystischen Leib Christi aufzubauen und das Evangelium mutig der Welt zu verkünden. 2. Innerhalb der organischen und dynamischen Betrachtung des Leibes der Kirche, vom Heiligen Geist durch seine verschiedenen sakramentalen Gaben hierarchisch strukturiert, müssen wir in dankbarer Anerkennung auch die in unserem Jahrhunderl erfolgte Entwicklung des Laienapostolates sehen, sei es unter seinem organisatorischen Aspekt, sei es auch unter dem Aspekt der begrifflichen und lehrmäßigen Vertiefung (vgl. Lumen Gentium, Nr. 33; Apostolicam aktuositatem, Nr. 1). Es fügt siel passend in die komplexen Verhältnisse der heutigen Zeit ein, die ein neues, weltweites missionarisches Wirken nach innen und nach außen erfordern und dazu anregen alle Kräfte anzuerkennen, die die verschiedenen Glieder des mystischen Leibe; Christi aufzubieten haben, und sie aufs beste zum Einsatz zu bringen (vgl. General audienz vom 2. März 1994). Diese unsere Zeit nimmt mehr und mehr priesterliche Kräfte ganz in Anspruch, unc sie erfordert deren immer mehr. Während wir aber in vielen Teilen der Erde ein rei ches Aufblühen von Berufungen beobachten, stellen wir in anderen Teilen einen an dauernden Mangel fest und zugleich das Phänomen der sehr großen Zahl von Die nem des Heiligtums in sehr fortgeschrittenem Alter, krank oder geschwächt durcl die immer beängstigenderen Rhythmen der apostolischen Tätigkeit. So kommt es daß selbst dort, wo die Zahl der Weihen und der Eintritte ins Seminar hoch ist, di verfügbaren Priester dennoch nicht ausreichen, um allen Bedürfnissen gerecht z-werden. Wir spüren daher die Notwendigkeit einer angemessenen Mitarbeit de gläubigen Laien beim pastoralen Dienst der Priester, logischerweise immer in Ach 580 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tung vor den sakramentalen Grenzen und der Verschiedenheit der Charismen und Funktionen in der Kirche. In einigen örtlichen Situationen hat man großherzige und intelligente Lösungen versucht. Die Normen des Codex des Kirchenrechtes selbst haben neue Möglichkeiten angeboten, die freilich richtig angewandt werden müssen, um nicht dem Mißverständnis zu erliegen, normative Lösungen als ordentlich und normal zu betrachten, die nur für außergewöhnliche Situationen des Fehlens und der geringen Zahl geweihter Diener vorgesehen sind. Zusammen mit dem guten Korn ist freilich gelegentlich das Unkraut einer gewissen Ideologie gewachsen, die von dem Gedanken einer ständigen Synodalität der Kirche und einer funktionalistischen Auffassung der heiligen Weihe ausgeht - zum großen Schaden für die theologische Identität sowohl der Laien wie der Kleriker und infolgedessen des ganzen Werkes der Evangelisierung. 3. Wir dürfen zweifellos nicht vergessen, daß das Wohlbefinden und das Wachsen des gesamten Leibes der Kirche nicht von einem ungeordneten Aufgebot von Kräften abhängen, auch wenn sich dabei viel Hochherzigkeit zeigt, sondern von der Tatsache, daß dieser Leib „je nach der Kraft wächst, die jedem einzelnen Teil zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut” (Eph 4,16). Die besondere Gabe eines jeden Gliedes der Kirche ist anzuerkennen, zu verteidigen, zu fördern, zu prüfen und weise und entschieden zu koordinieren, ohne dabei die Rollen, Funktionen oder die theologischen und kanonischen Bedingungen zu verwischen. Ohne das wird der Leib Christi nicht auferbaut und auch seine Heilssendung nicht richtig entfaltet. Einerseits muß jedes Amt, jede Gabe und jede Aufgabe geachtet und hochgeschätzt werden - in Anerkennung der gleichen Würde als Christen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 32; CIC, can. 208) und der an und für sich missionarischen Berufung aller Getauften (vgl. Lumen Gentium, Nr. 17; CIC, can. 211; Christifideles laici, Nr. 55; Redemptoris missio, Nr. 71); andererseits muß man immer bedenken, daß die Kirche „ihrer Natur nach eine von den bloß menschlichen Gesellschaften verschiedene Wirklichkeit ist und es daher notwendig bleibt, zu betonen, daß nicht automatisch auf die Kirche Mentalität und Praxis, wie sie in einigen kulturellen, sozio-politischen Strömungen unserer Zeit vorhanden sind, angewandt werden können” (vgl. Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 17). 4. Wir dürfen die hierarchische Struktur der Kirche nicht angreifen, weder um die Hirten aufzurufen, demütig und in Liebe sich ihres Dienstes bewußt zu sein, noch aus dem Wunsch heraus, die gläubigen Laien zum vollen Bewußtsein ihrer Würde and Verantwortung zu erwecken. Wir können die Gemeinschaft und Einheit der Kirche weder durch eine „Klerikalisierung” der gläubigen Laien noch durch eine ,Laisierung” der Priester zum Wachsen bringen. vVir dürfen daher den gläubigen Laien auch nicht Experimente und Mittel zur Betei-igung am pastoralen Dienst der Priester anbieten, die irgendwie ein theoretisches )der praktisches Unverständnis für die unausweichlichen, von Christus selbst und 581 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vom Heiligen Geist zum Wohl der Kirche gewollten Verschiedenheiten mit sich bringen würden: für die Verschiedenheit der Berufungen und Lebensstände, für die Verschiedenheit der Dienste, Charismen und Verantwortungen. Es gibt auch kein „ursprüngliches oder vorrangiges Recht” der Beteiligung an Leben und Sendung der Kirche, das diese Unterschiede aufheben könnte, weil jedes Recht sich aus der Pflicht ergibt, die Kirche als Geschenk anzunehmen, das Gott selbst im voraus entworfen hat. Will man daher von der „Beteiligung der gläubigen Laien am pastoralen Dienst dei Priester” sprechen, muß man notwendig vor allem genau über den Ausdruck „Dienst” und über die verschiedenen Bedeutungen nachdenken, die er in der Sprache der Theologie und des Kirchenrechts annehmen kann. Seit einiger Zeit hat sich der Brauch durchgesetzt, „Dienste” nicht nur die „Ämter’ und „Aufgaben” zu nennen, welche die Hirten kraft des Weihesakramentes ausüben, sondern auch jene von den gläubigen Laien kraft des in der Taufe verliehenen Priestertums wahrgenommenen Aufgaben. Die Frage nach der Bedeutung des Ausdrucks wird noch komplexer und heikler, wenn man allen Gläubigen die Möglichkeit einräumt, ergänzend auf Grund amtlicher Bestellung durch die Hirten gewiss« Funktionen auszuüben, die eigentlich den Klerikern zustehen, jedoch nicht den Wei hecharakter erfordern (vgl. CIC, can. 230). Man muß zugeben, daß die Ausdrucksweise unbestimmt und verwirrend wird une daher in allen Fällen, in denen irgendwie der „wesentliche und nicht nur graduellt Unterschied” zwischen dem Taufpriestertum und dem Weihepriestertum verdunkel wird (vgl. Lumen Gentium, Nr. 10), ungeeignet, die Lehre des Glaubens auszudrüc ken. Wenn man parallel dazu nicht deutlich genug, auch in der pastoralen Praxis, da Taufpriestertum vom hierarchischen unterscheidet, läuft man ebenfalls Gefahr, dl „theologische Eigenheit” der Laien zu entwerten und „die spezifische ontologisch Verbundenheit des Priesters mit Christus, dem Hohenpriester und Guten Hirten”, z vergessen (Pastores dabo vobis, Nr. 11). „Die Priester sind in der Kirche und für die Kirche eine sakramentale Vergegenwäi tigung Jesu Christi, des Hauptes und Hirten” {ebd., Nr. 15). Hirte kann also nu sein, wer zugleich als Priester Haupt ist, weil er in der „Person Christi” handelt. Di „Gestalt des Hirten” ist eine und unteilbar und kann nie durch andere Mitglieder de Herde ersetzt werden: Die von den gläubigen Laien wahrgenommenen Dienste un Aufgaben sind also nie eigentlich pastoraler Art, auch dann nicht, wenn sie gewiss Handlungen und Aufgaben des Hirten ergänzend vollziehen (vgl. Direktorium ß Dienst und Leben der Priester, Nr. 19). Was in einigen Fällen die Ausweitung des Ausdrucks „Dienst” auf die den gläub gen Laien eigenen „Aufgaben” gestattet hat, ist die Tatsache, daß auch diese im je weiligen Ausmaß eine Teilnahme am einen Priestertum Christi sind. Die ihnen zei weise anvertrauten „Ämter” sind dagegen ausschließlich Folge einer Beauftragur von seiten der Kirche. 582 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nur der ständige Bezug zum einen und grundlegenden „Dienst Christi”, auf die von ihm zum Wohl seines Leibes, der Kirche, gelebte „heilige Diakonie”, die sich durch die Kirche auf die ganze Welt ausweitet, gestattet in einem gewissen Maß die unzweideutige Anwendung des Ausdrucks „Dienst” auch auf die gläubigen Laien: ohne daß dieser also mit ungebührlichem Streben nach dem „geweihten Dienst” verstanden und gelebt wird oder als fortschreitende Aushöhlung von dessen Besonderheit (vgl. Christifideles laici, Nr. 21). In diesem ursprünglichen Sinn drückt der Ausdruck „Dienst” (servitium) lediglich die Tätigkeit aus, in der die Mitglieder der Kirche innerhalb der Kirche und für die Welt „Sendung und Dienst Christi” weiterführen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 34). Wenn der Ausdmck dagegen in Beziehung und Gegenüberstellung von den verschiedenen „Ämtern” und „Aufgaben” unterschieden wird, muß klar herausgestellt werden, daß er nur kraft der heiligen Weihe jene Fülle und Eindeutigkeit erhält, welche die Überheferung ihm immer zugeschrieben hat. Die Sprache zu präzisieren und zu klären wird damit zur pastoralen Dringlichkeit, weil sich dahinter sehr viel gefährlichere Bedrohungen verbergen können, als man meint. Von der Umgangssprache bis zur Begriffsbildung ist nur ein kleiner Schritt. 5. Den Hirten obhegt die Pflicht, die gläubigen Laien zum Verständnis dafür hinzuführen, wie sie jene Teilhabe am dreifachen Amt Christi - als Priester, Prophet und König - verwirklichen können, deren sie sich kraft des Taufsakramentes, der Firmung und für die Eheleute des Ehesakramentes erfreuen (vgl. Christifideles laici, Nr. 23). lede kirchliche Aufgabe und Funktion der Laien - auch die, bei denen die Hirten im Rahmen des Möghchen einen ergänzenden Dienst erbitten - wurzelt ontologisch in ihrer „gemeinsamen” Teilhabe am Priestertum Christi, nicht aber in einer ontologischen” Teilhabe am geweihten Dienst (wäre sie auch nur vorübergehend oder eingeschränkt), der den Hirten eigen ist. Es bleibt also klar: Wenn ihnen die Hirten in außergewöhnlicher Form Aufgaben übertragen, die gewöhnlich und im ugcntlichen Sinn mit dem pastoralen Dienst verbunden sind, aber nicht den der Veihe eigenen Charakter erfordern, so müssen die Laien diese existentiell in ihrem laufpriestertum zu verwurzeln wissen, aber nicht anderswo. Wir müssen immer laran denken: „Die Erfüllung einer solchen Aufgabe macht den Laien nicht zum Hirten: Nicht eine Aufgabe konstituiert das Amt, sondern das Sakrament des Ordo” Christifideles laici, Nr. 23). 3s muß ferner verständlich gemacht werden, daß solche Verdeutlichungen und Un-erscheidungen nicht von der Sorge herrühren, klerikale Privilegien zu verteidigen, ondem von der Notwendigkeit, dem Willen Christi gehorsam zu bleiben und die :onstitutive Form zu beachten, die er unzerstörbar seiner Kirche eingeprägt hat. Jewiß ist das „ursprüngliche Subjekt” der Sendung der Kirche in der Welt die ge-amte Gemeinschaft der Kirche, doch so, wie Jesus sie gewollt und gebildet hat: Die ;emeinsame apostolische Verantwortung der Getauften erfährt keinen Widerspruch 583 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und keine Einschränkung durch den, der in ihr „in der Person Christi” handelt, vielmehr wird sie dadurch nur bestätigt und geordnet. 6. Aus diesen Überlegungen ergeben sich vielfältige Folgerungen, die in der Überarbeitung des Motu proprio Ministeria quaedam ihren Ausdruck finden müssen, wie es ausdrücklich die an der Synode von 1987 beteiligten Synodenväter gefordert haben (vgl. Christifideles laici, Nr. 23). Das Symposium dieser Tage war daher mit seinen Weisen der Vorbereitung und Durchführung geradezu providentiell, und die Hinweise, die zu gegebener Zeit folgen und in der normalen Leitung der Kirche verwirklicht werden, können ihrem ganzen Leib erhebliche Vorteile bringen. Ich fordere daher die Kongregation für den Klerus im Verein mit den Bischofskonferenzen und den betreffenden Dikasterien der Römischen Kurie auf, die begonnene Arbeit fortzusetzen. Gewiß ist das Apostolat der Laien in jeder möglichen Form auszuweiten, sei es, weil dies „eines ihrer Rechte und Pflichten ist, die in ihrer Taufwürde gründen” (.Redemptoris missio, Nr. 71), sei es, weil die Kirche sich so sehr gedrängt fühlt, jene Welt, die von ihr eine neue Evangelisierung in jedem ihrer Bereiche erwartet, so weit wie möglich in all ihren Verzweigungen zu erreichen. Es muß freilich auch garantiert bleiben, daß auf allen Ebenen - in der Sprache, in der Lehre, der pastora-len Praxis und in den Entscheidungen der Leitung - der heilige Dienst in seiner ontologischen Besonderheit vorgestellt wird, die keine Aufspaltung oder ungebührliche Aneignung gestattet. Vor allem darf man nie vergessen, daß die durch die zahlenmäßig geringe Verfügbarkeit von geweihten Dienern aufgeworfenen Probleme nur zweitrangig und vorübergehend durch ein gewisses ergänzendes Eintreten der gläubigen Laien gemildert werden können. Dem Mangel an geweihten Hirten kann man nur begegnen, „indem man den Herrn der Ernte bittet, er möge Arbeiter in seine Ernte senden” (Mt 9,38). indem man also Gott den Primat überläßt und für die Identität und Heiügkeit dei vorhandenen Priester sorgt. Dies gehört einfach zur Logik des Glaubens! Jede christliche Gemeinschaft, die ihre gänzliche Ausrichtung auf Christus lebt unc für seine Gnade verfügbar bleibt, wird von Ihm gerade jene Berufungen zu erlanger wissen, die dazu dienen, Ihn als Hirten seines Volkes darzustellen. Wo es an solchen Berufungen mangelt, besteht das wesentliche Problem nicht darin, nach Alternativen zu suchen - und es liegt gewiß nicht im Willen Gottes, daß sie jemand unte: Beseitigung seines weisen Planes sucht -, sondern vielmehr alle Energien des Christ liehen Volkes daraufhinzurichten, daß erneut in den Familien, Pfarreien, den Christ liehen Schulen und Gemeinschaften das Hören auf die Stimme Christi möglich wird der nicht aufhört, zu rufen. Wir wissen ferner alle, auch aus persönlicher Erfahrung, daß eine wichtige Form de Beteiligung der gläubigen Laien am pastoralen Dienst der Priester dort erfolgt, w< junge gläubige Laien den göttlichen Ruf verspüren, wenn sie den Priestern nähe kommen. 584 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Indem ich jeden guten Vorsatz im unbefleckten Herzen der Mutter der Kirche niederlege, segne ich euch alle von Herzen. 650 Jahre Erzbistum Prag Brief an Erzbischof Miloslav Vlk von Prag vom 23. April Ehrwürdiger Bruder, Gruß und Apostolischen Segen! Mein Vorgänger Klemens VI. hat es nicht nur für „nützlich”, sondern auch für „äußerst notwendig und angemessen” befunden, das Bistum Prag am 30. April 1344 mit der Bulle „Ex supernae providentia maiestatis” (vgl. „Monumenta Vaticana res gestas bohemicas illustrantia”, I, S. 209, Nr. 363) zur Würde einer Erzdiözese zu erheben. Er hatte im Sinne, „den Gottesdienst und den geistigen Nutzen, der den Seelen dabei zukäme, zu fördern”. Dies geschah auf Wunsch des Königs von Böhmen, Johannes v. Luxemburg, und seines Sohnes Karl. Auf diese Weise entzog Klemens VI. die 973 errichtete Kirche von Prag der Rechtsprechung des Mainzer Erzbischofs und machte sie zur Metropolitankirche, indem er ihr die Kirche von Olomouc (Olmütz) und die gerade im Entstehen begriffene Kirche von Litomysl (Leitomischl) anschloß sowie auch andere Diözesen, die in der Nachfolge im Hoh-heitsgebiet errichtet werden sollten. Dies war ein wirklich bedeutsames Ereignis. Die Gläubigen der Erzdiözese Prag und der mit ihr verbundenen Diözesen haben daher einen Anlaß, der hundertjährigen Wiederkehr dieses Ereignisses in aller Würde zu gedenken. Vor 50 Jahren, als die Sechshundertjahrfeier anstand, war dies unmöglich. Man befand sich mitten in den Kriegswirren, und nach dem Tod des Bischofs, Karel Kardinal Kaspar ehrwürdigen Andenkens, konnte der verwaiste Bischofssitz von Prag aufgrund der ungünstigen Verhältnisse keinen neuen Bischof erhalten. Daher scheint es nun angemessen, den 650sten Jahrestag dieses freudigen Ereignisses zu feiern. Seitdem ist eine lange Zeit vergangen, während der die Erzdiözese Prag Mutter neuer Tochterdiözesen geworden ist: Hradec Krälove (Königgrätz), Litomerice (Leitmeritz), Ceske Budejovice (Böhmisch Budweis) und erst kürzlich Plzen (Pilsen). Die Prager Kirche ist all ihren Gläubigen, mit denen sie ihre Freuden und Hoffnungen, aber auch Momente des Leids geteilt hat, stets sehr nahe gewesen. Nachdem nun endlich die Schwierigkeiten der jüngsten Zeit überwunden sind, möchte sie wieder neue Schwungkraft zum Leben finden und auch zum bürgerlichen Wiederaufbau des Volkes beitragen mit dem Wunsch, die Wunden der Vergangenleit zu heilen. Einen günstigen Einfluß wird in diesem Sinne gewiß das siebte Jahr ies Jahrzehntes haben, das der damalige Erzbischof, der verstorbene Frantisek Kardinal Tomäsek, zur geistigen Erneuerung der Nation einberief. Dieses Jahr, das inter dem Schutz des hl. Wenzel, Herzogs eures Landes, steht, soll alle Gläubigen 585 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN an ihre Verantwortlichkeiten der Gesellschaft gegenüber erinnern. Die Vergangenheit der Erzdiözese besitzt einzigartige kulturelle und religiöse Reichtümer, deren Wiederentdeckung der Kirche und der Gesellschaft gewiß von Nutzen sein wird. Die Gesellschaft darf nämlich keinesfalls der Auffassung sein, daß sich der Sinn ihres Dienstes an den Bürgern auf einen ausschließlich wirtschaftlichen und zeitlichen Aspekt beschränkt (vgl. Brief von Johannes Paul II. an die italienischen Bischöfe vom 6. Januar 1994, O.R.dt., Nr. 3 vom 21.1.1994, S. 11), denn dies würde der Menschen in seinen tiefsten Bedürfnissen demütigen und leicht zu privatem Egoismus führen, der das Gemeinwohl außer acht läßt. Die Christen, die ihr Glaube dazr aufruft, das Salz der Erde, das Licht der Welt und die auf dem Berg erbaute Stadt zi sein, dürfen angesichts solcher Ungerechtigkeiten und Pflichtverletzungen nich gleichgültig bleiben, ohne in gewissem Maße selbst mitverantwortlich zu werder (vgl. Brief an Diognet, VII, 10). Die Feiern dieses Jahres fallen in eine Zeit, da das um Einheit bemühte Europa jenen Elementen Wert beimessen möchte, die seine verschiedenen Teile gemeinsan haben. Die Stadt Prag, die auch „Herz Europas” genannt wird, und gemeinsam mi ihr auch ihre Erzdiözese, nehmen in diesem Einigungsprozeß eine ganz besonders Stellung ein. Sie haben ihre ursprünglichen Wurzeln in der kyrillisch-methodiani sehen christlichen, d. h. morgenländischen Tradition, doch schöpfen sie auch aus de lateinischen Tradition des europäischen Abendlandes. Auf diese Weise ist Prag zun Ort der Begegnung zweier religiös-kultureller Strömungen geworden. Und kann die: nicht als gutes Vorzeichen für die Zukunft gelten? Gemeinsam mit der Erzdiözese feiert auch die Kathedrale - ihr heiligster Ort - da; Jubiläum. König Johann und sein Sohn Karl, der den Böhmen als „Vater des Vater landes” bekannt war, legten am 21. November 1344 gemeinsam mit Amost voi Pardubice, dem ersten Erzbischof von Prag, dort, wo die vom hl. Wenzel zu Ehre: der Reliquien des hl. Veit errichtete Kirche stand, den Grundstein zu der Kirche, di die erste Kathedrale werden sollte. Sechs Jahrhunderte lang wurde an dieser neue: Arche Gottes gebaut. Als sie endlich dank der frommen Opfergaben der Gläubige: fertiggestellt war, wurde sie am 12. Mai 1929, im tausendsten Jahr nach dem Mai tyrium des hl. Wenzel, feierlich eingeweiht. Gewiß, kein Ort auf der Erde ist ungeeignet zur Anbetung des Schöpfers. Doch ein Kirche aus Stein ist auf ganz besondere Weise ein Bild des Volkes, das „von de Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes versammelt wird (hl. Cyprian, De Orat. Dom., 23). Inmitten der irdischen Stadt ist sie ein sichtbare Zeichen der Himmlischen Stadt; sie ist ein Ort, wo sich das heilige Volk, ein Te des mystischen Leibes Christi, versammelt, betet und Gott lobpreist, ihn anbetet un von ihm durch die Sakramente gereinigt und geheiligt wird. Von der Kathedrale au fließen die göttlichen Gnaden und Segnungen in die ganze Ortskirche. Von der Me tropolitankathedrale aus fließt das Wirken der Gnade sodann auch zu den mit il verbundenen Teilkirchen. In der Kathedrale von Prag sind die Gebeine der heilige Schutzpatrone der Erzdiözese und von Böhmen, der heiligen Veit, Wenzeslaus un 586 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Adalbert, aufbewahrt. Außerdem bewahrt sie auch die Königskrone, die Kaiser Karl IV. dem hl. Wenzeslaus, dem „Erben von Böhmen”, widmete. Früher waren es die Erzbischöfe von Prag gewesen, die die böhmischen Herrscher krönten. Die Türme der Kathedrale, die die Stadt von hoch oben beherrschen, scheinen den Himmel und die Erde zu verbinden. Durch die Jahrhunderte hin - und vor allem zu den Zeiten, da die Stimme der Bischöfe schwieg - haben sie verkündet, daß es besser ist, beim Herrn Zuflucht zu suchen, als auf den Menschen zu vertrauen, da nämlich die, die Gott suchen, kein Gut zu entbehren brauchen (vgl. Ps 33/34,11). Mögen auch heute die Heiligen, die in der Kathedrale begraben sind, die Gebete erhören, die von der Bevölkerung zum himmlischen Thron emporsteigen. Mögen sie mit ihrer liebevollen Fürsprache die Bürger beschützen, damit ihr Leben stets vom Heiligen Geist erleuchtet werde, und mögen sie an der Liebe festhalten, die Wahr-aeit suchen, nach Einheit streben und auf diese Weise gemeinsam den Weg in die Ewigkeit gehen (vgl. hl. Augustinus, Predigt CCLXVII, IV, 4). 3uch allen, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt von Böhmen und Mähren, den Priestern und denen, die sich in euren Diözesen auf den Dienst an der Kirche vorberei-en, den Ordensleuten und allen, die eurer Pastoralsorge anvertraut sind, erteile ich ils Unterpfand der himmlischen Gnade meinen Apostolischen Segen. lom, bei St. Peter, am 23. April, dem Fest des hl. Adalbert, Schutzherm der Erzdiözese Prag, im XVI. Jahr meines Pontifikates. foannes Paulus PP. II hindern eine aufrichtige Gottesbeziehung vermitteln iotschaft zum 31. Weltgebetstag um Geistliche Berufe am Vierten Sonntag der )sterzeit, 24. April (vom 26. Dezember 1993) m die verehrten Mitbrüder im Bischofsamt nd alle geliebten Gläubigen in der ganzen Welt! >ie Feier des Weltgebetstages um Geistliche Berufe fällt in diesem Jahr mit einem edeutenden kirchlichen Ereignis zusammen, nämlich mit dem „Ersten Kongreß des tteinamerikanischen Kontinents über die Seelsorge zugunsten von Berufungen zur esonderen Weihe auf dem Kontinent der Hoffnung”. üese Versammlung hat sich zum Ziel gesetzt, in vertiefter Arbeit eine Bestandsauf-ahme, die Werbung für geistliche Berufe und deren Förderung zu leisten. Indem ich teine lebhafte Wertschätzung für diese pastorale Initiative zum Ausdruck bringe, ie nicht nur auf das geistliche Wohl Lateinamerikas, sondern das der gesamten irche gerichtet ist, möchte ich gleichzeitig alle einladen, sie mit ihrem einmütigen ld vertrauensvollen Gebet zu unterstützen. 587 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Weltgebetstag findet darüber hinaus im Internationalen Jahr der Familie statt. Dies gibt uns die Gelegenheit, erneut die Aufmerksamkeit auf die enge Beziehung zwischen Familie, Erziehung und Berufung und insbesondere zwischen Familie und Priester- und Ordensberufen zu lenken. Deshalb ist es mein Wunsch, indem ich mich an die christlichen Familien wende, diese in ihrem Sendungsauftrag zu bestärken, die junge Generation zu erziehen, welche die Hoffnung und Zukunft von Gesellschaft und Kirche ist. 1. „Dies ist ein tiefes Geheimnis” (Eph 5,32). Trotz vieler Veränderungen im Laufe der Geschichte bleibt die Familie die umfassendste und reichste Schule der Menschlichkeit, in der am deutlichsten die Erfahrung freiwillig geschenkter Liebe, Treue, gegenseitigen Respekts und der Verteidigung des Lebens gemacht werden kann. Ihre spezielle Aufgabe ist die Bewahrung und Weitergabe von Tugenden und Wertvorstellungen mittels der Erziehung der Kinder, um so das Wohl des einzelnen und der Gemeinschaft aufzuerbauen und zu fördern. Dieselbe Verantwortung betrifft um so mehr die christliche Familie, und zwar aufgrund der Tatsache, daß an ihre Mitglieder, die schon kraft der Taufe geweiht und geheiligt sind, vom Sakrament der Ehe her eine besondere apostolische Berufung ergangen ist (vgl. Familiaris consortio, Nm. 52,54). In dem Maße, in dem die Familie sich dieser ihrer einzigartigen Berufung bewußt is und darauf antwortet, wird sie zu einer Gemeinschaft der Heiligung, in der mar Milde, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Keuschheit, Friedfertigkeit und die Reinhei des Herzens zu leben erlernt (vgl. Eph 4,1-4; Familiaris consortio, Nr. 21); sit wird, in anderen Worten, zu dem, was Johannes Chrysostomus die „Hauskirche’ nennt, das heißt zu einem Ort, an dem Jesus Christus lebt und zum Heil der Men sehen und für das Wachsen des Reiches Gottes wirkt. Ihre Mitglieder, die zun Glauben und zum ewigen Leben berufen sind, haben „an der göttlichen Natur An teil” (2 Petr 1,4), sie nähren sich am Tisch des Wortes Gottes und der Sakrament! und leben und handeln in jener dem Evangelium entsprechenden Weise, die sie fü ein Leben der Heiligkeit auf Erden und für die ewige Glückseligkeit im Himmel auf geschlossen macht (vgl. Eph 1,4-5). Wenn christliche Eltern von den ersten Lebenstagen an ihren Kindern eine liebevoll Sorge widmen, vermitteln sie ihnen in Wort und Beispiel eine aufrichtige und prak tizierte Gottesbeziehung, die geprägt ist von Liebe, Treue, Gebet und Gehorsar (vgl. Lumen Gentium, Nr. 35; Apostolicam actuositatem, Nr. 11). Sie fördern so di Heftigkeit ihrer Kinder und schließen deren Herzen auf für die Stimme des Gute Hirten, der jeden Menschen ruft, ihm nachzufolgen und vor allem anderen das Reic Gottes zu suchen. In diesem Horizont der göttlichen Gnade und der menschlichen Verantwortung läf sich die Familie als ein „Garten” oder als eine „erste Pflanzstätte” betrachten, in de die Samenkörner der Berufung, die Gott mit vollen Händen aussät, keimen und zi vollen Reife heranwachsen können (vgl. Optatam totius, Nr. 2). 588 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. „Gleicht euch nicht dieser Welt an” (Röm 12,2). Die Aufgabe christlicher Eltern ist bedeutsamer und schwieriger denn je, sind sie doch bestellt, Berufungen vorzubereiten, zu pflegen und zu verteidigen, die Gott in ihrer Familie erweckt. Sie müssen darum sich selbst und ihre Familie um geistliche und moralische Werte bereichern, d. h. mit einer überzeugten und tiefen Religiosität, durch ein apostolisches und kirchliches Bewußtsein und eine klare Vorstellung, was Berufung bedeutet. In der Tat besteht der entscheidende Schritt, den jede Familie vollziehen muß, darin, den Herrn Jesus Christus als Lebensmitte und Modell für das Leben aufzunehmen und sich in Ihm und mit Ihm bewußt zu werden, daß sie der privilegierte Ort für das unverfälschte Wachstum geistlicher Berufe ist. Die Familie wird diese Aufgabe verwirklichen können, wenn sie sich beständig diesem Bemühen unterzieht und dabei auch mit der Gnade Gottes rechnet; der hl. Paulus betont ja, daß „Gott es ist, der ... das Wollen und das Vollbringen bewirkt” (Phil 2,13) gemäß seinen gütigen Plänen, und daß „er, der ... das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu” (ebd., 1,6). Doch was geschieht, wenn die Familie sich vom Konsumdenken, von der Genußsucht und vom säkularisierten Denken vereinnahmen läßt, welche die Verwirklichung des Planes Gottes stören und behindern? Wie schmerzlich ist es, von Lebensverhältnissen leider zahlreicher Familien zu erfahren, die von solchen Phänomenen und ihren zerstörerischen Auswirkungen hin-und hergerissen sind! Dies ist zweifellos auch eine der lebhaftesten Sorgen der christlichen Gemeinschaft. Wer die Konsequenzen für die weitverbreitete Unordnung in den Wertvorstellungen und in der Moral zu tragen hat, das sind vor allem die Familien selbst; aber auch die Kirche leidet darunter, genauso wie die ganze Gesellschaft sie zu spüren bekommt. Wie können Kinder, die in moralischer Hinsicht Waisen geworden sind, weil ihnen Erzieher und Vorbilder fehlen, in der Liebe zu menschlichen und christlichen Werten heranwachsen? Wie können sich in einem solchen Klima jene Keime der Berufungen entwickeln, die der Heilige Geist immer wieder in die Herzen der jungen Generation senkt? Die Kraft und die Stabilität des Netzwerks der christlichen Familie bilden die grundlegenden Bedingungen für das Wachstum und das Heranreifen geistlicher Berufe und stellen die trefflichste Antwort auf die Krise der Berufungen dar: „Jede Ortskirche und im besonderen jede Pfarrgemeinde” - so habe ich im Mahnschreiben Familiaris consortio bemerkt - muß sich „der Gnade und der Verantwortung noch mehr bewußt werden, die sie vom Herrn empfängt, um die Familienpastoral zu fördern. Jeder Plan einer Gesamtpastoral muß auf allen Ebenen unbedingt auch die Familienpastoral einbeziehen” (Nr. 70). 589 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. „Bittet also den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende” (Mt 9,38). Die Berufungspastoral findet ihr erstes und natürliches Betätigungsfeld in der Familie. Die Eltern müssen es als ein Geschenk der Gnade anzunehmen wissen, wenn Gott eines ihrer Kinder zum Priestertum oder Ordensleben beruft. Diese Gnade muß im Gebet erfleht und auch in tätiger Weise angenommen werden mittels einer Erziehung, welche die Kinder den Reichtum und die Freude verstehen läßt, die es bedeutet, sich Gott zu weihen. Die Eltern, die mit einem Gefühl der Dankbarkeit und der Freude die Berufung eines ihrer Söhne oder Töchter zur besonderen Weihe für das Himmelreich annehmen, erhalten so ein ausdrückliches Zeichen der geistlichen Fruchtbarkeit ihrer Verbindung, indem sie diese um die Erfahrung einer in Zölibat und Jungfräulichkeit gelebten Liebe bereichert sehen. Solche Eltern stellen mit Erstaunen fest, daß das Geschenk ihrer Liebe sich dank der geistlichen Berufung ihrer Kinder noch vermehrt hat, und zwar weit über die begrenzten menschlichen Dimensionen hinaus. Um die Familien im Bewußtsein dieses bedeutenden Aspekts ihrer Sendung zu bilden, ist ein pastorales Handeln mit dem Ziel notwendig, Eheleute und Eltern dazu zu führen, daß sie „Zeugen und Mitarbeiter der fruchtbaren Mutter Kirche (sind) zum Zeichen und in Teilnahme jener Liebe, in der Christus seine Braut geliebt und sich für sie hingegeben hat” (Lumen Gentium, Nr. 41). Die Familie ist der natürliche „Pflanzgarten” der Berufungen. Deshalb muß die Familienpastoral eine ganz besondere Aufmerksamkeit dem Aspekt der Förderung von Berufungen bei ihrem Bemühen widmen. 4. „Wer Vorsteher ist, setze sich eifrig ein” (Rom 12,8). Hinter Christus her gemeinsam auf den Vater zugehen ist das geeignetste Programm für eine Berufungspastoral. Wenn die Priester, die Ordensmänner und -frauen, die Mitglieder des geweihten Lebens, die Missionare und die engagierten Laien sich um die Familie kümmern und intensivere Formen des Dialogs und des gemeinsamen Suchens im Geiste des Evangeliums entwickeln, dann wird die Familie um jene Werte reicher werden, die ihr helfen, die erste „Pflanzstätte” für Berufungen zur besonderen Weihe zu sein. Den Priestern, seien es Welt- oder Ordenspriester, sollen die Probleme des Familienlebens am Herzen hegen, damit sie es verstehen, bei der Verkündigung des Wortes Gottes die christlichen Ehegatten über ihre spezifische Verantwortung aufzuklären, damit diese selbst gut im Glauben gebildet und so fähig sind, ihre Kinder, falls diese eine Berufung erhalten, zu begleiten zu einer vorbehaltlosen Hingabe an Gott. Alle Geweihten, die den Familien besonders nahe und willkommen sind aufgrund ihres apostolischen Dienstes in Schulen, Krankenhäusern, Flilfswerken und Pfarreien, mögen ein freudiges Zeugnis ihrer Ganzhingabe an Christus ablegen und mit ihrem Leben gemäß den Gelübden der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams für die christlichen Eheleute ein Zeichen der Erinnerung an die ewigen Werte sein. 590 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Pfarrgemeinde muß sich verantwortlich fühlen für diese Sendung der Familie und sie durch Seelsorgspläne unterstützen, die auf längere Zeit angelegt sind, und sie darf sich nicht zu sehr um den unmittelbaren Erfolg sorgen. Den engagierten Christen, den Katecheten und den jungen Paaren vertraue ich die Katechese in der Familien an. Durch ihren hochherzigen und treuen Dienst lassen sie schon die kleinen Kinder eine erste Erfahrung von Religion und Kirche verkosten. Mein Gedanke wendet sich in besonderer Weise an die verehrten Mitbrüder im Bischofsamt, die ja die Erstverantwortlichen für die Förderung geistlicher Berufe sind, um ihnen zu empfehlen, alle Mittel einzusetzen, damit die Sorge um die Berufungen in organischer Weise mit der Familienpastoral verbunden wird. So laßt uns beten: Heilige Familie von Nazaret, Gemeinschaft der Liebe von Jesus, Maria und Josef, du Vorbild und Ideal jeder christlichen Familie, dir vertrauen wir unsere Familien an. Öffne die Herzen aller Heimstätten für den Glauben, für die Aufnahme des Wortes Gottes und für ein christliches Zeugnis, damit sie zu Quellen neuer und heiligmäßiger Berufungen werden. Schließe die Gesinnung der Eltern auf, damit sie in wachsamer Liebe, weiser Sorge und liebevoller Hingabe sichere Wegbegleiter für ihre Kinder zu den geistlichen und ewigen Gütern seien. Wecke in den Herzen der jungen Menschen das rechte Gewissen und den freien Willen, damit sie wachsen an Weisheit, Alter und Gnade und großherzig das Geschenk der göttlichen Berufung annehmen. Heilige Familie von Nazaret, gib, daß wir alle durch die Betrachtung und das Nachahmen des ständigen Gebets, des hochherzigen Gehorsams, der würdevollen Armut und der in dir gelebten jungfräulichen Reinheit fähig werden, den Willen Gottes zu erfüllen und mit vorausschauender, doch kluger Zurückhaltung jene unter uns zu begleiten, die in die engere Nachfolge unseres Herrn Jesus Christus berufen sind, der „sich hingegeben hat” für uns (vgl. Gal 2,20). Amen! Aus dem Vatikan, am 26. Dezember 1993, dem Fest der Heiligen Familie, im sechzehnten Jahr des Pontifikates Joannes Paulus PP. II 591 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neue Selige - Vorbilder christlicher Vollkommenheit Predigt bei der Seligsprechung von Isidor Bakanja, Gianna Beretta Molla und Elisabeth Canori Mora am 24. April 1. „Ich bin der Gute Hirt. Der Gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe” (Joh 10,11). Wir hören diese Worte jedes Jahr am vierten Ostersonntag. In ihnen spricht Jesus von sich selbst, seinem Tod und seiner Auferstehung: „Ich gebe mein Leben hin, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen” (Joh 10,17-18). Das Paschamysterium Christi ist ein Werk unermeßlicher Liebe. Christus opfert sein Leben am Kreuz aus Liebe zum Menschen, und auch wenn er stirbt, bleibt er Herr seines eigenen Lebens und seines eigenen Todes. Die Auferstehung am dritten Tage aber offenbart das Leben, das aus dem Tod geboren wurde, und nach der Auferstehung tritt er in den Abendmahlssaal, um den Aposteln die Vollmacht zu verleihen, den Tod zu besiegen und das Leben zurückzugeben. So werden auch wir seines Paschamysteriums teilhaftig. 2. Heute möchten wir vor allem jene verehren, die am Tod Christi und an seiner Auferstehung Anteil gehabt haben. Sie haben ihr Leben hingegeben, das gleiche Leben, das ihnen von Christus durch seine Auferstehung zurückgegeben wurde. Die heutige Feier findet statt, während die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika sich voll entfaltet. So wird auch der feierliche Ritus der Seligsprechung von Isidor Bakanja, Gianna Beretta Molla und Elisabeth Canori Mora besonders aussagekräftig: Es ist die Beredtsamkeit eines heroischen Glaubens und einer heroischen Sorge. Der heroische Glaube gibt Zeugnis von der Wahrheit, die Christus ist. Die heroische Sorge aber gibt Zeugnis für die Liebe, die vor keinem Opfer zurückweicht. Dies ist aber die Liebe, mit der Christus uns geliebt hat. Der Papst fuhr in Französisch fort: 3. Du, Isidor Bakanja, ein junger Laie aus dem Zaire, warst ein Mann des heroischen Glaubens. Du warst als Getaufter aufgerufen, die Frohbotschaft zu verbreiten. Du hast es verstanden, deinen Glauben mitzuteilen und Christus mit solcher Überzeugung zu bekennen, daß du für deine Gefährten als einer von jenen hervorragenden gläubigen Laien dastandest, wie es die Katecheten sind. Ja, seliger Isidor, du bist deinem Taufversprechen im Vollmaß treu geblieben, du warst wirklich ein Katechet, du hast hochherzig gearbeitet für „die Kirche in Afrika und ihre Sendung zui Evangelisierung”. Im Verlauf der Sonderversammlung der Bischofssynode wollen wir an dem Tag, de wir deine Verdienste verkünden, zugleich allen Katecheten Ehre erweisen, dieser unerläßlichen Mitarbeitern am Aufbau der Kirche auf dem afrikanischen Kontinent Die Katecheten gehen ja dem Wirken der Priester in ihrem Volke voraus, begleitei 592 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und ergänzen es. In vielen Epochen der Geschichte haben sie dem Glauben gestattet, die Verfolgungen zu überleben. Sie haben es verstanden, wahre Hirten zu sein, die die Schafe kennen, und die Schafe kennen sie; und wenn es nötig ist, verteidigen sie die Herde auch um den Preis ihres Lebens. Die Katecheten sind sich wohlbewußt, daß eine große Zahl ihrer Brüder und Schwestern noch nicht zur Herde gehören und von ihrem brüderlichen Eifer die Verkündigung der Frohbotschaft erwarten. Durch ihr ganzes Wirken geben die Katecheten ein echtes Zeugnis für Christus, den alleinigen Hirten. Für dich, Isidor, war deine Anteilnahme am Paschamysterium Christi, dem höchsten Erweis seiner Liebe, total. Weil du dem in der Taufe empfangenen Glauben treu bleiben wolltest, koste es, was es wolle, hast du wie dein Meister auch die Geißelung erduldet. Du hast deinen Verfolgern verziehen wie dein Meister am Kreuz, und du hast dich damit als Erbauer des Friedens und der Versöhnung erwiesen. In einem durch die Kämpfe zwischen Stammesgruppen schmerzhaft geprüften Afrika ermuntert dein leuchtendes Beispiel zur Eintracht und zum Zugehen aufeinander, wie es Kindern des gleichen himmlischen Vaters ziemt. Du hast die Bruderliebe allen gegenüber, ohne Unterschiede der Rasse oder der sozialen Stellung zu machen, geübt. Du hast die Hochschätzung und Achtung deiner Gefährten gewonnen, von denen viele keine Christen waren. Du zeigst uns damit den Weg des notwendigen Dialogs unter den Menschen. In diesem auf das dritte Jahrtausend vorbereitenden Advent lädst du uns ein, nach deinem Beispiel das Geschenk anzunehmen, das Jesus uns am Kreuz in seiner eigenen Mutter gemacht hat (vgl. Joh 19,27). Bekleidet mit „der Haltung Mariens”, bist du wie sie und mit ihr auf deinem Pilgerweg des Glaubens vorangeschritten; wie Jesus, der Gute Hirt, bist du bis zur Hingabe deines Lebens für deine Schafe gegangen. Hilf uns, die wir den gleichen Weg gehen müssen, die Augen zu Maria zu erheben und sie zu unserer Führerin zu machen. Der Papst fuhr in Italienisch fort: 4. Wir erheben heute zur Ehre der Altäre auch zwei italienische Frauen: Gianna Be-retta Molla und Elisabeth Canori Mora. Es waren Frauen heroischer Liebe - beide beispielhafte Gattinnen und Mütter, die im täglichen Leben die anspruchsvollen Werte des Evangeliums bezeugen wollten. Gianna Beretta Molla hat es verstanden, als Krönung ihres beispielhaften Lebens als Studentin, in der Gemeinschaft der Kirche engagiertes Mädchen und glückliche Mutter ihr Leben zu opfern, damit das Kind, das sie in ihrem Schoße trug und das heute unter uns weilt, leben konnte. Sie war sich als Ärztin und Chirurgin sehr wohl dessen bewußt, dem sie entgegenging, doch sie ist vor dem Opfer nicht zurückgewichen und hat damit den heroischen Grad ihrer Tugenden bekräftigt. Elisabeth Canori Mora hat ihrerseits inmitten nicht geringer ehelicher Schwierigkeiten gänzliche Treue zur mit dem Ehesakrament übernommenen Verpflichtung und zu der sich daraus ergebenden Verantwortung bewiesen. Sie war beständig im Ge- 593 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bet und in der heroischen Hingabe an die Familie, wußte ihre Töchter christlich zu erziehen und erreichte die Bekehrung ihres Mannes. Wenn wir diese Frauen als Vorbilder christlicher Vollkommenheit hinstellen, wollen wir alle mutigen Mütter ehren, die sich ohne Vorbehalt der eigenen Familie widmen, die leiden, um ihre eigenen Kinder zur Welt zu bringen, und dann bereit sind, jede Mühe auf sich zu nehmen und jedes Opfer zu bringen, um ihnen das Beste weiterzugeben, was sie in sich tragen. Die Mutterschaft kann zur Quelle der Freude werden, doch sie kann auch Quelle des Leidens sein, zuweilen auch großer Enttäuschungen. In diesem Fall wird die Liebe zum nicht selten heroischen Beweis, der dem Herzen einer Mutter sehr viel abverlangt. Heute wollen wir nicht nur diese beiden außergewöhnlichen Frauen verehren, sondern ebenfalls jene, die keine Mühe scheuen, um ihre Kinder gut zu erziehen. 5. Wie ungewöhnlich ist doch zuweilen ihre Beteiligung an der Sorge des Guten Hirten! Wie sehr müssen sie gegen Schwierigkeiten und Gefahren ankämpfen! Wie oft sind sie aufgefordert, mit echten „Wölfen” fertig zu werden, die entschlossen sind, die Herde wegzujagen und zu zerstreuen! Und keineswegs immer finden diese heroischen Mütter in ihrer Umwelt Unterstützung. Ja, die Vorbilder der Zivilisation, wie sie oft von den Medien vorgestellt und verbreitet werden, fördern nicht die Mutterschaft. Im Namen des Fortschritts und der Moderne werden die Werte der Treue, der Keuschheit und des Opfers heute als überholt hingestellt, und doch haben sich in diesen Werten ganze Scharen von christlichen Gattinnen und Müttern ausgezeichnet und tun es weiter. So geschieht es, daß eine Frau, die entschieden ihren Grundsätzen treu sein will, sich oft tief vereinsamt fühlt. Sie steht allein mit ihrer Liebe, die sie nicht verraten darf, der sie vielmehr treu bleiben muß. Ihre Richtschnur ist Christus, der uns ge-offenbart hat, welche Liebe uns vom Vater geschenkt wird. Eine Frau, die an Christus glaubt, findet gerade in dieser Liebe, die alles erträgt, eine mächtige Stütze. Diese Liebe läßt sie überzeugt sein, daß sie alles, was sie für ein empfangenes, geborenes, heranwachsendes oder erwachsenes Kind tut, zugleich für ein Kind Gottes tut. So sagt es der hl. Johannes in der heutigen Lesung: „Wir heißen Kinder Gottes und sind es” (vgl. 1 Joh 3,2). Wir sind Kinder Gottes. Wenn sich diese Wirklichkeit einmal voll offenbaren wird, werden wir Gott ähnlich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist (vgl. 1 Joh 3,2). Wir danken euch, heroische Mütter, für eure unüberwindliche Liebe! Wir danken euch für euer unerschrockenes Vertrauen auf Gott und seine Liebe. Wir danken euch für das Opfer eures Lebens. Heute erstattet euch Christus im Paschamysterium das Geschenk zurück, das ihr ihm gemacht habt. Er hat ja die Macht, euch das Leben zurückzuschenken, das ihr ihm als Opfer dargebracht hab. 6. Christus sagt: „Der Vater liebt mich, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen” (Joh 10,17). Der Vater liebt dich, Afrika! Er liebt euch, Bischöfe und 594 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hirten des schwarzen Kontinents! Er liebt euch, Priester, gottgeweihte Menschen, Söhne und Töchter des schwarzen Afrikas! Er hebt euch Katecheten! Er hebt euch, Väter und Mütter! Er hebt euch, afrikanische Jugend, afrikanische Familien, Eltern und Kinder. Habt Vertrauen zu Christus! Er allein ist der Eckstein, auf den sich die Würde des Menschen und seine Zukunft gründet. Und in keinem anderen ist Heil. „Es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen” (Apg 4,12). Auf deinen Namen, Christus Jesus, bauen wir. Sei du unser Heil! Amen! Zeitloses Charisma der Gründerin Vorbereitete Ansprache an die Missionsschwestem vom hl. Petrus Claver und ihre Wohltäter anläßlich des hundertjährigen Jubiläums der Gründung am 29. April (wegen Krankheit nicht gehalten) Liebe Schwestern, hebe Freunde! Liebe Missionsschwestem vom hl. Petras Claver, seid herzlich willkommen zu diesem freudigen Ereignis des hundertjährigen Jubiläums eures Instituts; meine aufrichtigen Glückwünsche gelten auch allen Mitghedem eurer Gemeinschaft, die heute nicht hier anwesend sind. Ebenso herzlich begrüße ich die Freunde und Wohltäter der Schwestern, die nach Rom gekommen sind, um gemeinsam mit ihnen Gott für die reichen Gnaden zu danken, die er in den hundert Jahren ihres Dienstes seiner Kirche geschenkt hat. Diese Feier erinnert uns selbstverständlich an die verehrungswürdige Gestalt der seligen Maria Theresia Ledochowska, eurer geliebten Gründerin. Außergewöhnliche Missionare wie Kardinal Lavigerie haben ihrem Herzen und ihrem Geist das Feuer für die Sache der Evangelisierung mitgeteilt und sie in der Überzeugung bestärkt, daß „nichts erhabener ist und nichts Gott mehr verherrlicht als wenn man mit ihm an der Rettung der Seelen mitwirkt”; so drängte sie also während ihres ganzen weiteren Lebens der Heilige Geist, damit sie auch in anderen den eindringlichen Wunsch entzünde, die Botschaft Christi und seines Evangeliums allen Völkern der Erde und insbesondere den Söhnen und Töchtern Afrikas zu verkünden. Wie die selige Maria Theresia seid auch ihr dazu berufen, für die Wahrheit Zeugnis abzulegen, daß kein Gläubiger dem Werk der Evangelisierung fembleiben kann. Alle Glaubenden müssen hier auf irgendeine Art mitwirken. So schrieb ich in der Enzyklika Redemptoris missio: „Sowohl für den einzelnen Gläubigen wie für die ganze Kirche muß des missionarische Anliegen das erste sein, weil es die ewige Bestimmung der Menschen betrifft und auf den geheimnisvollen und barmherzigen Plan Gottes antwortet... Wir können nicht ruhig vor uns hinleben, wenn wir an die Milhonen von Brüdern und Schwestern denken, die, wenn auch durch das Blut Christi erlöst, doch leben, ohne von der Liebe Gottes zu wissen” (Nr. 86). 595 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eure Gründerin hatte zunächst den Plan gefaßt, eine Laienvereinigung zu gründen, die die direkt mit der Evangelisierung des großen Kontinents Afrika beschäftigten Missionare durch ihr Gebet, ihre Arbeit und ihre Mitwirkung unterstützen sollten. Ohne ihre Bemühungen um die Schaffung eines Netzes von Mitarbeitern zu vernachlässigen, wurde es ihr bald bewußt, daß Gottes Wille die Gründung einer Kongregation gottgeweihter Frauen war, die weiterhin den ihr geisthches Leben beseelenden, missionarischen Eifer verbreiten sollten. Ihr seid die Erben dieses missionarischen Planes und der Ideale, die ihm entsprungen sind. Indem die derzeit tagende Sondersitzung der Bischofssynode für Afrika die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeiten der Kirche in diesem Kontinent lenkt, bezeugt sie die zeitlose Gültigkeit des Charismas der seligen Maria Theresia. Seid ihm treu; möge es immer besser bekannt werden und Früchte tragen! Mit Freuden rufe ich die Fürbitte eurer Gründerin auf alle Missionsschwestem vom hl. Petrus Claver und auf ihre Freunde, Mitarbeiter und Wohltäter herab. Somit erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. Zur Ausbildung der Priestererzieher Vorbereitete Ansprache aus Anlaß des 60jährigen Bestehens des Brasilianischen Kollegs am 29. April (Wegen Krankheit nicht gehalten) Herr Kardinal, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, hebe Seminaristen! 1. Mit großer Freude heiße ich hier den Pater Rektor und die ganze Familie des Brasilianischen Kollegs willkommen, die gemeinsam mit dem Leitungsgremium dei Nationalkonferenz der Bischöfe Brasiliens an den Feierlichkeiten anläßlich seines sechzigjährigen Gründungsjubiläums teilnehmen. Auch danke ich dem Erzbischoi von Salvador da Bahia, Lucas Kardinal Moreira Neves, sowie der beachtlicher Gruppe von Bischöfen, die mit ihrer Anwesenheit diesem Ereignis besondere Bedeutung verleihen wollten. 2. Es war mein verehrter Vorgänger Pius XI„ der die Errichtung eines brasilianischen Seminars wünschte, nachdem die Kirche in Brasilien ihm die Notwendigkei eines solchen Seminars kundgetan hatte. Euer Episkopat, von Kardinal Sebastiac Lerne da Silveira Cintra dazu aufgefordert, legte den Katholiken wiederholt nahe mit ihrer Unterstützung den Bau und die Erhaltung dieses Seminars zu ermöglichen das am 3. April 1934 feierlich eröffnet und bei dieser Gelegenheit dem heiligster Herzen Jesu geweiht wurde. 3. Der Inspiration seiner Gründer treu, war das Kolleg in diesen sechzig Jahren un die Ausbildung der Seminaristen und die Weiterbildung der Priester in den theologi sehen Wissenschaften bemüht, immer im Hinblick auf die spätere Arbeit im Bereicl 596 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Ausbildung des Klerus in den verschiedenen Sektoren der kirchlichen Pastoral. Unter der weisen Führung der Patres der Gesellschaft Jesu arbeitet also die Leitung des Kollegs verdienstvoll an der Schulung des brasilianischen Klerus mit. 4. Im Jahr 1982 hatte ich Gelegenheit anläßlich eines Besuches der Unterstützung und der Ermutigung, euer großes Kolleg in der Via Aurelia kennenzulemen; heute erneuere ich die damals ausgesprochenen Gefühle, um euch aufzufordem, den Richtlinien eurer Vorgänger treu zu bleiben und in euch die Überzeugung zu festigen, daß die neue Evangelisierung neuer Träger bedarf: Sie bedarf der Priester, die bestrebt sind, ihr Priestertum als besonderen Weg zur Heiligkeit zu leben (vgl. Pa-stores dabo vobis, Nr. 82). Der Priester wird nur dann heilig sein, wenn er - mit der Gnade Gottes - in seinem Leben und seiner Lehrtätigkeit dem Papst und dem kirchlichen Lehramt die Treue hält. 5. Während ich den Wunsch ausspreche, daß ihr nach Verlassen des Kollegs in harmonischer und brüderlicher Zusammenarbeit mit allen treu eure Aufgabe der Weiterbildung des brasilianischen Klerus erfüllt, rufe ich die Fülle der göttlichen Gnade auf die Familie des Brasilianischen Kollegs herab: auf seine Direktion, die Studenten, die Ordensschwestern „Töchter der göttlichen Liebe”, die Mitarbeiter, Wohltäter und Altstudenten, und erteile euch gerne meinen Apostolischen Segen. Die Kirchen Afrikas - ihre Wurzeln, ihr Werden, ihre Initiativen Abschluß wort zur Bischofssynode für Afrika in der Eucharistiefeier am 8. Mai (verlesen von Francis Kardinal Arinze) 1. „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe” (Joh 15,9). Christus richtete diese Worte an die Apostel im Abendmahlssaal am Tag vor seinem Tod am Kreuze. Sie zeigten dann ihre volle Macht in der Auferstehung, die zum Anfang der neuen Sendung wurde: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (.Joh 20,21). Heute müssen wir zu diesem Anfang zurückkehren. Wir müssen uns im Glauben vor dem Vater einfinden, der „uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat” (7 Joh 4,10). Die Liebe stammt von Gott. Nicht wir haben Gott als Erste gebebt, vielmehr hat er uns gebebt (vgl. ebd.). Er hat uns mit ewiger Liebe in seinem Sohn gebebt, und in der Fübe der Zeit hat er diesen Sohn in die Welt gesandt, damit wir durch ihn das Leben hätten. Die Liebe schenkt Leben. Wer bebt, ist aus Gott geboren und Gott weilt in ihm (vgl. 1 Joh 4,7). Wer auch immer also bebt, kennt Gott, weil er ihn in sich trägt. Er kennt 597 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den, der die Liebe ist. Er kennt den Sohn und erkennt durch den Sohn den Vater und bleibt in seiner Liebe. 2. Dies ist das immerwährende Prinzip des Evangeliums und der Evangelisierung. Während der Synode waren wir durch das Gebet Tag für Tag in Kontakt mit diesen; „immerwährenden Prinzip”. Heute möchten wir Gott in besonderer Weise dafüi danken. Wir möchten danken, weil dieses „immerwährende Prinzip” seiner Zeii zum historischen Beginn der Evangelisierung Afrikas, eurer Länder und eurer Völker geworden ist. Zum ersten Mal geschah dies schon zur Zeit der Apostel, als der Diakon Philippus einen Beamten der Königin von Äthiopien taufte. Das Christentum verbreitete siel recht schnell die Küsten des Mittelmeeres entlang in ganz Nordafrika, das damals einen Teil des Römischen Reiches bildete. Im Rest des ausgedehnten Kontinents kam das Evangelium später an, im 15. Jahrhundert in einigen Gebieten und endgültig im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts. Schaut man auf die Chronologie der Geschichte, so sind die afrikanischen Kirchei jung. Jugend bedeutet zugleich Frische und Lebenskraft, sie bedeutet große Kraftreserven und die Bereitschaft, Prüfungen und Kämpfe zu bestehen. Jugend bedeute Wachsen und Reifen. Und wenn mit diesem Vorgang gleichzeitig Krisen auftau chen, handelt es sich gewöhnlich um Wachstumskrisen, aus denen der Mensch nor malerweise reifer hervorgeht. All dies war das eigentliche Thema unserer Arbeit während der Synode. In ihren Abschnitt der Reflexion und der Ausarbeitung der Vorschläge fand sie hier in Ron am Grab des heiligen Petrus statt. Nun warten wir auf die passende Stunde, um ihn Früchte auf euren Kontinent zu übertragen. Wir haben ja beschlossen, daß der ab schließende Teil der Synode an ausgewählten Punkten Afrikas stattfinden soll, un das Volk Gottes eurer Kirchen über die Entschließungen zu unterrichten, zu denei die Synodenversammlung gelangt ist, und um die getroffenen Entscheidungen all mählich ins Leben der afrikanischen Kirchen einzuführen. 3. Die Liturgie erinnert heute an ein Ereignis aus der Apostelgeschichte, das als er ster Schritt in der Sendung der Kirche „ad gentes” gelten kann. Gerade Petrus, de Apostel, an dessen Grab diese Abschlußfeier des römischen Teils der Synodenver Sammlung stattfindet, wird vom Heiligen Geist zum römischen Hauptmann Come üus gesandt. Der Hauptmann war ein Heide. Die erste Christengemeinde in Jerusa lern bestand vor allem aus Menschen, die aus dem Judentum kamen. Das Gebe Christi, bis an die äußersten Grenzen der Erde zu gehen, um allen Nationen da Evangelium zu verkünden, hatte man noch nicht in die Tat umsetzen können: Di Zeit war zu kurz. Petrus hatte mit einem gewissen Zögern die Aufforderung de Geistes angenommen, sich in das Haus eines Heiden zu begeben. Als er aber dorthi kam, stellte er doch mit freudiger Überraschung fest, daß dieser Heide auf Christu und die Taufe wartete. In der Apostelgeschichte lesen wir: „Die gläubig geworde nen Juden, die mit Petrus gekommen waren, konnten es nicht fassen, daß auch au 598 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde. Denn sie hörten sie in Zungen reden und Gott preisen” (Apg 10,45-46). So wiederholte sich im Haus des Cornelius gewissermaßen das Pfingstwunder. Petrus sagte damals: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, daß Gott nicht auf die Person sieht, sondern ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist ... Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben?” (Apg 10,34-35.47). So begann also jene Mission der Kirche „ad gentes”, deren Hauptführer Paulus aus Tarsus werden sollte. 4. Vielleicht begleitete ein ähnliches Staunen wie jenes der ersten Christen angesichts der Ausgießung des Geistes auf die Heiden auch die Missionare, die als erste ins Herz Afrikas kamen. Wir erinnern uns gut an die Zeitpunkte jenes Anfangs. Mit großer Ergriffenheit habe ich während meines Aufenthalts in Angola die Ruinen des ersten Gotteshauses besucht, das dort errichtet wurde, als vor fünfhundert Jahren die Missionare zum ersten Mal jene Gestade betraten. Man weiß, daß die ersten Missionare in Afrika eine herzliche Aufnahme fanden, und der damalige Landesherr, Dom Alfonso I. Mvemba-Nzinga suchte den Kontakt mit dem Sitz des Petrus. Sein Sohn Dom Henrique wurde der erste Bischof der eben erst bekehrten Bevölkerungsgruppen. Heute möchten wir zum Abschluß der römischen Phase der Bischofssynode für Afrika Gott herzlich danken für alle Missionare, die sich auf afrikanischen Boden Degeben haben, um dort das Kreuz Christi einzupflanzen. 5. Das große Epos der missionarischen Verkündigung im Afrika unserer Zeit, das nit so vielversprechenden Ergebnissen begonnen wurde, mußte freilich recht bald ichwierige Prüfungen durchmachen: Herolde des Evangeliums wurden getötet oder /ertrieben, religiöse Orden und Kongregationen unterdrückt, ganz abgesehen von len Prüfungen durch Krankheiten, beschwerliche Reisen und schwieriges Klima. Doch das hielt das Vordringen des Evangeliums nicht auf. Im vergangenen Jahrhun-iert beobachten wir sogar so etwas wie einen hochherzigen Wetteifer vieler neuer nstitute, die mit dem spezifischen Ziel entstanden waren, die Frohbotschaft auf den ifrikanischen Kontinent zu bringen. Wie sollten wir hier nicht unter anderen an Cardinal Massaia denken, den Apostolischen Vikar der Gallas, an die Väter vom Jeiligen Geist, die Gesellschaft der Afrikanischen Missionare, die Weißen Väter, lie von Kardinal Lavigerie nach Algerien gerufen wurden? Dann die Priester von Jemache do Bonjardim, die Patres von Verona, die als Combonianer bekannt sind, lie Patres der Consolata sowie die Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria und lie Monfortaner. Veiter die Missionare vom Göttlichen Wort, die Patres von Scheut, die Missionare 'on Mariannhill und die Gesellschaft vom heiligen Patrizius. Jankbar gedenken wir ferner des großen in Afrika entfalteten Eifers der Franziska-ler und der Dominikaner, der Benediktiner und der Jesuiten; ihnen traten später die 599 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lazaristen an die Seite, die Redemptoristen, die Salesianer und Pallottiner. Auch die Brüder der Christlichen Schulen ließen es nicht an ihrem tatkräftigen Beitrag für die Heranbildung von ganzen Generationen von Afrikanern fehlen. Doch das hauptsächlich Neue bei der Evangelisierung des afrikanischen Kontinents war gewiß der sehr bedeutsame Beitrag der weiblichen Ordensgemeinschaften. Hier sei vor allem die Kongregation der Schwestern vom hl. Josef von Cluny erwähnt, die seit Anfang des 19. Jahrhunderts im Senegal unter der Leitung der seligen Anna Maria Javouhey präsent waren. Später zeichneten sich die Weißen Schwestern aus, die Combonianerinnen, die Schwestern von Mariannhill, die Missionsbenediktine-rinnen, die Schwestern vom Kostbaren Blut und die der Consolata, um nur wenige zu erwähnen. Sie verbreiteten auf dem Kontinent beredte Zeugnisse der Heiligkeit, der Hochherzigkeit und der Fruchtbarkeit im Sinn des Evangeliums. Die Kirche in Afrika bleibt vor allem dem außerordentlichen Eifer der Ordensinstitute verpflichtet. Doch darf das von den Kongregationen organisierte und einmütig durchgeführte Werk nicht die einzelnen missionarischen Persönlichkeiten vergesser lassen, die sich in der Verkündigung des Evangeliums ausgezeichnet haben: So Pater Goncalo da Silveira, bereits im 16. Jahrhundert ein Märtyrer des Glaubens; dei Katechet aus Tansania, Kassian Gama von Lituhi; der Arzt Adrian Altman; der selige Josef Gerard aus Lesotho; Bischof Hirth und sein Nachfolger Heinrich Streicher; der hl. Justinus de Jacobis; Charles de Foucauld; die Dienerin Gottes Ede Quinn und die seligen Clementina Anuarite, Vittoria Rasoamanarivo von Madagaskar und die Sudanesin Josefine Bakhita und schließlich auch Isidor Bakanja, den icl zu meiner Freude im Verlauf dieser Synodenversammlung seligsprechen durfte. Unter diesen großen eben genannten Gestalten ragen neben den Missionaren unc Missionarinnen aus dem Ausland hochherzige Söhne und Töchter Afrikas selbs hervor, in denen man die Fruchtbarkeit eurer jungen Kirchen nur bewundern kann Dafür zeugen auch die neuen Ordensinstitute, die auf dem afrikanischen Kontinen entstehen. 6. Wenn wir, hebe Brüder, uns in Rom während des gerade abgelaufenen Monat: begegnen durften, um die afrikanische Synode zu begehen, so verdanken wir da: diesem großen missionarischen Epos, dessen Bühne euer Kontinent zumal im Ver lauf der letzten zwei Jahrhunderte war. Heute sind wir der göttlichen Vorsehung dankbar und wollen uns im Geiste an alle jene erinnern, die durch den Dienst de: Wortes, die Spendung der Sakramente und die Mühe ihres ganzen Lebens, zuweilei sogar mit dem Blut des Martyriums, zur Einpflanzung und Entwicklung der Kirchi in Afrika beigetragen haben. Der von ihnen ausgestreute Same hat überreich Früchte gebracht: dafür seid ihr selbst ein beredtes Zeugnis, ihr meine Brüder in Bischofsamt, Söhne der afrikanischen Völker, mit euren Priestern. Ihr tragt nun au euren Schultern einen Großteil der Mühen für die Evangelisierung. Dafür sim Zeugnis ferner die zahlreichen Ordensberufungen, die den missionarischen Kongre gationen neue Kräfte zuführen oder sich neuen Instituten anschließen, die auf afri 600 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kanischem Boden entstanden sind. Sie nehmen gleichsam die Fackel der gänzlichen Hingabe an den Dienst für Gott und das Evangelium in die eigene Hand. Wie ergriffen hat Papst Paul VI. während des Konzils die Märtyrer von Uganda zur Ehre der Altäre erhoben. Alle waren Afrikaner; und wir wollen hinzufügen, daß sich in ihrer Gruppe nicht nur Söhne der katholischen Kirche, sondern auch der Anglikanischen Gemeinschaft befanden. Weitere Verfahren der Selig- und Heilgspre-chung sind im Gange. Die Kirche in Afrika muß daran gehen, ihr eigenes Martyro-logium zusammenzustellen und den herrlichen Gestalten der ersten Jahrhunderte wie Cyprian, Athanasius und Augustinus die Märtyrer und Heiligen der letzten Zeit hinzufügen. In der Kirche bleibt nämlich die Berufung zur Heiügkeit lebendig; die Heiligkeit der Söhne und Töchter der Kirche aber bestätigt die Heiligkeit der Kirche selbst: Dies hat so nachdrücklich das n. Vatikanische Konzil in der Konstitution Lumen Gentium hervorgehoben. Wir glauben an eine Kirche, die heilig ist. Gerade dies ist die Kirche Christi, die katholische und apostolische Kirche. In dieser Kirche leben wir das Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen und erwarten die Auferstehung der Toten und das ewige Leben in Gott. 7. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt” (Joh 15,16). Bei den Reliquien des hl. Petrus erhebt sich heute das inständige Gebet, daß die Früchte der Synode der Kirche, die in Afrika ist, bleiben und sich vervielfältigen mögen. Wir werden Gott auch an den verschiedenen Orten des afrikanischen Kontinents an denen die Abschlußfeierlichkeiten dieser Synode stattfinden, dämm bitten. Wir werden glücklich sein über die Freude des Volkes Gottes, das bei jeder liturgischen Feier so viel frische Lebendigkeit zeigt. Dieses Volk Gottes, das zugleich einzigartige Initiativen und so viel Kreativität bei den verschiedenen Abschnitten der Vorbereitung der Synode gezeigt hat, soll sich nun an seinen Früchten freuen und gemeinsam mit seinen Hirten die Aufgabe übernehmen, die Beschlüsse der Synode im Leben zu inkamieren. Afrika, der ewige Vater liebt dich, Christus hebt dich! Bleibe in dieser Liebe! 601 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Afrikasynode ist ein Geschenk Gottes an seine Kirche Gruß wort an die Teilnehmer des Schlußgottesdienstes der Sondersynode für Afrika am 8. Mai „Bleibt in meiner Liebe! ... Liebt einander!” (Joh 15,6.19). Ehrwürdige Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Schwestern und Brüder! Der Ruf Christi, gemeinsam in seinem Namen den Weg zu gehen, erklang sozusa gen unaufhörlich während der Synodenarbeiten. Die Früchte dieser von der Vorse hung gewollten Tage des Nachdenkens und des Dialogs wurden jetzt dem Hem während der zu Ende gehenden Eucharistiefeier dargebracht. Diese Phase der Synodenversammlung für Afrika, seit langem erwartet und vorbe reitet, schien immer ein Geschenk zu sein. Jetzt, wo sie beendet ist, erweist sie sic] noch mehr als ein Geschenk Gottes an seine Kirche. Ich befrachte es als eine beson dere Gnade, daß ich persönlich daran teilnehmen konnte, zunächst unmittelbar um dann von diesem Krankenzimmer aus, von wo aus ich ihre Arbeiten Tag für Ta; weiter verfolgte. So nahm ich Einsicht in die wichtigen Vorschläge, die in bezug au den Evangelisierungsauftrag der Kirche in Afrika an der Schwelle des dritten Christ liehen Jahrtausends entstanden sind. In diesem Augenblick möchte ich mich geistig vereinen mit euch, die ihr in der Va tikanischen Basilika im Gebet versammelt seid. Ich grüße die drei delegierten Präsi denten der Synodenversammlungen, die Herren Kardinäle Arinze, Tumi und Tza dua; den Generalrelator, Kardinal Thiandoum, und den Generalsekretär, Erzbischo Schotte. Ich grüße alle, die in Vertretung der geliebten afrikanischen Kirchen an de: Arbeiten teilgenommen haben, ebenso die Beauftragten der anderen Kirchen um christlichen Bekenntnisse. An alle richte ich meinen Dank und meine Anerkennun für das Engagement, mit dem sie diese wirklich von der Vorsehung gewollten Tag gelebt haben. Ich spreche zu euch von diesem Krankenzimmer aus, und ich muß sagen, daß dies Leidenszeit wirklich notwendig war. Sie war notwendig im Hinblick auf den Besuc in Sizilien, in Catania und in Syrakus, wo Maria geweint hat. Hat sie nicht schon vc einem Jahrhundert geweint? Diese Tränen Marias erinnern uns an das Heiligtum vo La Salette in den französischen Bergen. Und sie mußte erneut in unserem Jahrhur dert weinen, nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie hat geweint. Zum Wesen der Frau gehört auch das Weinen. Wir wissen, wievie solche Tränen im Leben des heiligen Augustinus und so vieler anderer Mensche bewirkt haben. Die Tränen der Frau und die Tränen der Muttergottes sind ein Ze: chen der Hoffnung. Dieses Zeichen am Ende der Afrika-Synode war so notwendig. Dieses Weinei diese Tränen der Muttergottes in der Zeit, die wir für das große Gebet für Italie bestimmt haben, sind so notwendig. Dieses Weinen der Muttergottes für Europa, ft 602 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unsere Vorbereitung an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends, diese Tränen, die von der Vorsehung gewollte Früchte tragen. Von diesem Krankenzimmer aus ist es mir in gewisser Weise leichter, alles dem Herrn zu übergeben, jede Problematik, jede Pastoralinitiative, die Freuden, Ängste and Sorgen des großen afrikanischen Erdteils in seine Hände zu legen. Und für mich st es leichter, all das mit den Tränen der seligsten Jungfrau zu tun. Sie sind so notwendig, so heilsam, und sie geben uns soviel Hoffnung. Die seligste lungfrau Maria erlange uns durch diese Tränen, daß der gute Samen, der in der Vorbereitungsphase der Synode so reichlich ausgestreut und in diesem Monat der äglichen Begegnungen sorgfältig gepflegt wurde, reiche Früchte, Früchte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe für den afrikanischen Kontinent und für die ganze Menschheit, bringen möge. Denkt daran: Geht und bringt Afrika den Frieden und die Freude des auferstandenen Dhristus. Bringt allen, denen ihr nach eurer Rückkehr zu Hause begegnet, den Apo-tolischen Segen des Papstes, aber vor allem den Segen Gottes, unseres Schöpfers md Vaters, und des auferstandenen Christus, der sich als Herr der Geschichte, als Jerr der kommenden Jahrhunderte offenbart. Bringt allen, die ihr trefft, diesen Se-;en, diese Verheißung, diese Hoffnung durch das geheimnisvolle Zeichen der Trä-len der weinenden Jungfrau, durch dieses Weinen, diese Tränen, die der höchste Vasdruck der Osterfreude sind. Amen. 7ernsehen und Familie: Kriterien für gesunde lehgewohnheiten iotschaft zum 28. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel am 15. Mai 1994, om 24. Januar iebe Brüder und Schwestern! i den letzten Jahrzehnten war das Fernsehen Vorreiter einer Revolution in den iommunikationsmedien, die tiefgreifende Auswirkungen auf das Familienleben atte. Heute ist das Fernsehen eine Hauptquelle von Nachrichten, Information und Interhaltung für unzählige Familien, deren Einstellungen und Meinungen, Werte nd Verhaltensmuster es formt. >as Fernsehen kann das Familienleben bereichern. Es kann Familienmitglieder en-sr zusammenführen und ihre Solidarität mit anderen Familien und mit der Gemein-±aft insgesamt stärken. Es kann nicht nur ihr allgemeines, sondern auch ihr reli-iöses Wissen dadurch erweitern, daß es ihnen ermöglicht, Gottes Wort zu hören, ire religiöse Identität zu stärken sowie ihr sittliches und geistliches Leben zu näh-:n. 'as Fernsehen kann dem Familienleben auch schaden: durch Verbreitung emiedri-jnder Werte und Verhaltensmodelle; durch Ausstrahlung von Pornographie und 603 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN drastischen Darstellungen brutaler Gewalt; durch Einprägen von sittlichem Relativismus und religiösem Skeptizismus; durch die Verbreitung verzerrter, manipulierter Darstellungen von aktuellen Ereignissen und Fragen; durch ausbeuterische Werbesendungen, die niedrige Instinkte ansprechen, und Verherrlichung falscher Lebensauffassungen, die ein Hindernis darstellen für die Verwirklichung von gegenseitiger Achtung, von Gerechtigkeit und Frieden. Selbst dann, wenn Fernsehprogramme an sich nicht moralisch anstößig sind, kanr das Fernsehen trotzdem negative Auswirkungen auf die Familie haben. Es kann die Familienmitglieder in deren privater Welt isolieren, indem es sie von echten zwischenmenschlichen Beziehungen abhält; es kann auch die Familie entzweien, inden es die Eltern den Kindern und die Kinder den Eltern entfremdet. Da die moralische und geistig-geistliche Erneuerung der Menschheitsfamihe als ganzer in der echten Erneuerung der einzelnen Familien verwurzelt sein muß kommt das Thema für den Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1994 -„Fernsehen und Familie: Kriterien für gesunde Sehgewohnheiten” - gerade zu rechten Zeit, besonders während dieses Jahres der Familie, wo die Gemeinschaf der ganzen Welt nach Wegen zur Stärkung des Familienlebens sucht. Besonders herausstellen will ich in dieser Botschaft die Verantwortlichkeiten de: Eltern, der in der Femsehindustrie Tätigen, der staatlichen Stellen und derjenigen die in der Kirche pastorale und erzieherische Aufgaben haben. In ihren Händen lieg die Macht, das Fernsehen zu einem immer wirksameren Medium zu machen, da: den Familien hilft, ihrer Rolle als einer Kraft der moralischen und sozialen Erneue rung gerecht zu werden. Gott hat den Eltern die große Verantwortung übertragen, „ihren Kindern vom frü hesten Alter an zu helfen, die Wahrheit zu suchen und nach ihr zu leben, das Gut zu suchen und es zu fördern” (Botschaft zum Weltfriedenstag 1991, Nr. 3). Es is daher ihre Pflicht, ihre Kinder dazu anzuhalten, Gefallen an dem zu finden, „wa immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, hebenswert, ansprechend ist” (Phil 4,8). So sollten Eltern - außer selbst kritische Fernsehzuschauer zu sein - aktiv mithelfer bei ihren Kindern Fernsehgewohnheiten auszubilden, die der gesunden menschli chen, sittlichen und religiösen Entwicklung förderlich sind. Eltern sollten sich selbe vorher über den Programminhalt informieren und auf dieser Grundlage bewußt zur Besten der Familie entscheiden - anschauen oder nicht anschauen. Von religiöse Stehen und anderen verantwortlichen Vereinigungen erstellte Rezensionen und Be Wertungen können - zusammen mit Programmen für eine gesunde Medienerzie hung - in dieser Hinsicht hilfreich sein. Eltern sollten auch mit ihren Kindern übe das Fernsehen sprechen, sie dabei anleiten, Quantität und Qualität ihres Femsef konsums zu reguheren und die einzelnen Programmen zugrundehegenden ethische Werte wahrzunehmen und zu beurteilen, denn „die Familie ist der bevorzugte Tri ger für die Weitergabe jener rehgiösen und kulturehen Werte, die der Person helfei zu ihrer Identität zu gelangen” (Botschaft zum Weltfriedenstag 1994, Nr. 2). 604 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Femsehgewohnheiten von Kindern zu formen, wird manchmal bedeuten, einfach das Fernsehgerät abzuschalten: weil es Besseres zu tun gibt, weil die Rücksicht auf andere Familienmitglieder es verlangt oder weil unkritischer Femsehkonsum schädlich sein kann. Eltern, die das Fernsehen regelmäßig und lange als eine Art elektronischen Babysitter einsetzen, geben ihre Rolle als die Haupterzieher ihrer Kinder preis. Eine solche Abhängigkeit vom Fernsehen kann Familienmitglieder der Gelegenheiten berauben, durch Gespräche, gemeinsames Tun und gemeinsames Gebet aufeinander Einfluß zu nehmen. Vernünftige Eltern sind sich auch bewußt, daß selbst gute Programme durch andere Quellen von Nachrichten, Unterhaltung, Erziehung und Kultur ergänzt werden sollten. Um zu garantieren, daß die Femsehindustrie die Rechte der Familie wahren wird, sollten Eltern gegenüber Medienmanagem und Produzenten ihre berechtigten Sorgen zum Ausdruck bringen. Mitunter werden sie es nützlich finden, sich mit anderen in Vereinigungen zusammenzuschließen, die ihre Interessen in bezug auf die Massenmedien, auf Sponsoren und Inserenten sowie auf staatliche Stellen vertreten. Die für das Fernsehen Tätigen - Direktoren und Manager, Produzenten und Regisseure, Schriftsteller und Forscher, Journalisten, Darsteller und Techniker - sie alle haben ernste moralische Verantwortung gegenüber den Familien, die einen so großen Teil ihres Publikums ausmachen. Alle, die für das Fernsehen tätig sind, sollten in ihrem Berafs- und Privatleben der Familie als grundlegender Lebens-, Liebes- und Solidaritätsgemeinschaft der Gesellschaft verpflichtet sein. Sie sollten den Einfluß des Mediums, in dem sie arbeiten, erkennen sowie gesunde Moral und geistige Werte fördern und alles vermeiden, „was der Familie in ihrer Existenz, ihrer Stabilität, ihrem Gleichgewicht und ihrem Glück Schaden zufügen könnte”, einschließlich „Erotik oder Gewalt, Eintreten für die Ehescheidung oder antisoziale Haltungen Jugendlicher” (Paul VI., Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 1969, Nr. 2). Vom Fernsehen wird oft die Behandlung ernster Themen verlangt: menschliche Schwachheit und Sünde sowie ihre Folgen für einzelne und für die Gesellschaft; Mängel gesellschaftlicher Einrichtungen, einschließlich Regierung und Religion; gewichtige Fragen über den Sinn des Lebens. Diese Themen sollten verantwortungsvoll behandelt werden - ohne Sensationsgier und mit aufrichtiger Sorge um das Wohl der Gesellschaft sowie mit gewissenhafter Beachtung der Wahrheit. „Die Wahrheit wird euch befreien {Joh 8,32), sagte Jesus, und letztlich hat alle Wahrheit ihren Grund in Gott, der auch die Quelle unserer Freiheit und Kreativität ist. Bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Verantwortlichkeiten sollte die Femsehindustrie einen Moralkodex entwickeln und befolgen, der die Verpflichtung einschließt, den Bedürfnissen der Familien zu dienen und sich für Werte einzusetzen, die dem Familienleben förderlich sind. Medienräte, deren Mitglieder sowohl aus der Industrie wie aus der Öffentlichkeit kommen, sind ebenfalls ein sehr wünschenswerter Weg, um das Fernsehen aufgeschlossener zu machen für die Bedürfnisse und Werte seines Publikums. 605 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ob Femsehkanäle öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich betrieben werden - sie haben eine öffentliche Verpflichtung zum Dienst am Gemeinwohl; sie sind nicht das rein private Reservat kommerzieller Interessen oder ein Macht- oder Propagandainstrument für Ehten aus Gesellschaft, Wirtschaft oder Politik; sie sind dazu da, dem Wohl der Gesellschaft als ganzer zu dienen. Als „Keimzelle” der Gesellschaft hat die Familie Anspruch darauf, durch geeignete Maßnahmen des Staates und anderer Institutionen unterstützt und verteidigt zu werden (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 1994, Nr. 5). Das weist auf bestimmte Verantwortlichkeiten seitens staatlicher Stellen hin, wenn es um das Fernsehen geht. In Anerkennung der Bedeutung eines freien Gedanken- und Informationsaustausches unterstützt die Kirche die freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit (vgl. Gaudium et spes, Nr. 59). Zugleich besteht sie darauf, daß „die Rechte von einzelnen, von Familien und der Gesellschaft selber auf eine Privatsphäre, auf öffentlichen Anstand und den Schutz der Grundwerte” unbedingt geachtet werden müssen (Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel, Pornographie und Gewalt in den Medien: Eine pastorale Antwort, Nr. 21). Staatliche Stellen sind aufgefordert, vernünftige ethische Maßstäbe für die Programmgestaltung aufzustellen und durchzusetzen, die die menschlichen und religiösen Werte, auf denen das Familienleben aufgebaut ist, stärken und alles Schädliche femhalten. Sie sollten auch den Dialog zwischen der Femsehindustrie und der Öffentlichkeit fördern, indem sie dafür Strukturen und Foren bereitstellen, um das zu ermöglichen. Der Kirche nahestehende Stellen leisten ihrerseits den Familien einen hervorragenden Dienst, wenn sie ihnen Medienerziehung sowie Film- und Programmauswertung anbieten. Wo es die finanziellen Mittel erlauben, können kirchliche Medienstellen den Familien auch durch die Herstellung und Verbreitung familienorientierter Programme oder durch die Förderung einer solchen Programmgestaltung helfen. Bischofskonferenzen und Diözesen sollten die „Familiendimension” des Fernsehens konsequent zum Bestandteil ihres Pastoralplanes für soziale Kommunikation machen (vgl. Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel, Aetatis novae, Nr. 21-23). Da die beruflich im Fernsehen tätigen Personen damit beschäftigt sind, einem großen Publikum, das Kinder und Jugendliche einschließt, eine Lebensauffassung zu präsentieren, können sie sich den Pastoraldienst der Kirche zu Nutzen machen, der ihnen helfen kann, jene sittlichen und religiösen Prinzipien zu verstehen, die dem menschlichen und familiären Leben seine volle Bedeutung geben. „Diese Pastoral-programme sollten eine ständige Weiterbildung einschließen, die für diese Männer und Frauen - von denen viele aufrichtig wissen und tun wollen, was ethisch und moralisch richtig ist - hilfreich sein wird, ihre Berufsarbeit wie auch ihr Privatleben immer mehr von sittlichen Normen durchdringen zu lassen” (ebd., Nr. 19). Die auf die Ehe gegründete Familie ist eine einzigartige Gemeinschaft von Personen, die Gott zur „natürlichen und grundlegenden Einheit der Gesellschaft” gemacht ha1 (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Art. 16,3). Das Fernsehen und die an- 606 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN deren Kommunikationsmittel haben eine immense Macht, diese Gemeinschaft innerhalb der Familie ebenso wie die Solidarität mit anderen Familien und einen Geist des Dienstes an der Gesellschaft zu bewahren und zu stärken. Dankbar für den Beitrag zu solcher Gemeinschaft innerhalb der Familie und der Familien untereinander, den das Fernsehen als ein Kommunikationsmittel geleistet hat und leisten kann, ergreift die Kirche - selbst eine Gemeinschaft in der Wahrheit und Liebe Jesu Christi, des Wortes Gottes - die Gelegenheit des Welttages der sozialen Kommunikationsmittel 1994, um die Familien selbst, die in den Medien Tätigen und die staatlichen Stellen zu ermutigen, ihre hohe Berufung voll zu verwirklichen und die erste und lebendigste Gemeinschaft der Gesellschaft, die Familie, zu stärken und zu fördern. Aus dem Vatikan, 24. Januar 1994 Joannes Paulus PP. II Friedensarbeit im Heiligen Land Brief an Giuseppe Kardinal Caprio, Großmeister des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, vom 17. Mai Herr Kardinal! Das Frühjahrstreffen, zu dem der Rat des Ritterordens sich versammelt hat, dessen Großmeister Sie sind, bietet mir die willkommene Gelegenheit, Ihnen sowie Seiner Seligkeit Michel Sabbah, Patriarch der Lateiner in Jerusalem, den Mitgliedern des Amtes des Großmeisters und den Statthaltern, die nach Rom gekommen sind, meinen herzlichsten Willkommensgruß zu entbieten. Die jahrhundertealte Sendung der Ritter und Damen vom Heiligen Grab in Jerusalem ist wohl bekannt: In vielen Nationen präsent, arbeiten sie aktiv zugunsten der christlichen Gemeinschaften in Palästina, fördern sie die stets aktuellen Werte dieser sehr verdienten Institution. Ihre aufmerksame Sorge für die Kirche an jenen geheiligten Orten, an denen der Erlöser weilte, gereicht nicht nur dem Orden vom Heiligen Grab, sondern der ganzen christlichen Gemeinschaft zur Ehre. Ihre vielgestaltige Tätigkeit war und ist ein nicht geringer Beitrag zum Schutz und zur Förderung des Friedens und des bürgerlichen Zusammenlebens unter verschiedenen Völkern, die berufen sind, gerade dort Seite an Seite zu leben, wo das menschgewordene Göttliche Wort gelebt hat, gestorben und auferstanden ist zum Heil der ganzen Menschheit. Die wahre und tiefste Inspiration zu einem solchen Einsatz geht aus der Spiritualität hervor, die jeden einzelnen beseelt und deren lauteres Vorbild und einziger Lehrmeister Jesus, der Herr, ist, der „umherzog, Gutes tat und alle heilte” (Apg 10,38). 607 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich ermuntere jeden einzelnen, diesen Weg des Guten weiterzugehen mit dem Edelmut und dem Elan, die die Tätigkeit der Ritter vom Heiligen Grab auszeichnen, vor allem in diesen Jahren der Vorbereitung auf das große Jubiläum des Jahres 2000. Maria, die Jungfrau von Nazaret, unterstütze alles aufrichtige Bemühen zugunsten der Bewohner des Landes, das sie als Mutter des Erlösers gesehen hat. Im Vertrauen darauf, daß mit Gottes Hilfe der tatkräftige ritterliche Dienst eines jeden diesen Wünschen entsprechen wird, erteile ich allen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Aus der Poliklinik Gemelli am 17. Mai 1994 Joannes Paulus PP. II Montecassino - Symbol für den Neuaufbau Europas Botschaft zum 50. Jahrestages der Zerstörung der Benediktinerabtei Montecassino vom 18. Mai 1. Montecassino ... Was sagt das Wort euch allen, die ihr heute auf diesem Friedhof versammelt seid? Es sagt sehr viel: Es spricht von dem Sieg, der hier errungen wurde, und es spricht auch von dem Preis, mit dem die Polen ihn bezahlt haben, die als Alliierte anderer Nationen kämpften. Dieses Bündnis war die Folge der Ereignisse, die am 1. September 1939 ihren Anfang genommen hatten. Die polnische Republik suchte damals Verbündete im Westen, da sie sich bewußt war, auf sich allein gestellt gegen die Invasion des Hitler-Deutschlands keinen Widerstand leisten zu können. Doch vielleicht nicht nur deshalb. Die Polen waren sich klar darüber, daß der Kampf, den auf sich zu nehmen sie gezwungen waren, nicht nur ein patriotischer Imperativ war, um die soeben erst wiedergewonnene Unabhängigkeit des Staates zu verteidigen, sondern daß er auch eine umfassendere Bedeutung für ganz Europa hatte. Europa mußte sich gegen die gleiche Bedrohung zur Wehr setzen, gegen die Polen sich verteidigte. Das nationalsozialistische System war - wenn man so sagen kann - dem „europäischen Geist” entgegengesetzt. Und gegen dieses Problem konnte man nicht endlose Versuche von Scheinlösungen unternehmen. Derartige Versuche hatten weitere Opfer zur Folge bei der Invasion der Tschechoslowakei. Und es war klar, daß sich noch mehr ähnliche Folgen ergeben hätten, wenn Europa sich nicht entschlossen hätte, einen entschiedenen Schritt zu tun, auch in militärischem Sinn. Die von der polnischen Republik 1939 getroffene Entscheidung war also richtig. Es ergab sich ja ganz klar, daß es nicht möglich war, Europa zu verteidigen, ohne sich zu einem Defensivkrieg zu entschließen, und das erste Glied der Kette war eben Polen im Jahre 1939. 608 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Der Sieg von Montecassino fand fast fünf Jahr danach statt, am 18. Mai 1944. Es war gegen Ende des schrecklichen Weltkrieges, der nicht nur in fast ganz Europa gewütet, sondern auch außereuropäische Staaten in seinen Strudel gezogen hatte, vor allem die Vereinigten Staaten an der Front der Verbündeten und Japan an jener der sogenannten Achse. Um das in Montecassino Geschehene zu verstehen, muß noch ein anderes Datum der Vergangenheit in unsere Überlegungen einbezogen werden: der 17. September 1939, als Polen, das sich verzweifelt gegen die Invasion vom Westen her wehrte, vom Osten angegriffen wurde. Und dies war das Verhängnis für den Lauf der Dinge in jenem polnischen September: Es begann eine zweifache Besatzung, mit Hitlers Konzentrationslagern im Westen und sowjetischen im Osten. Im Osten spielte sich das Drama von Katyn ab, das bis heute ein einzigartiges Zeugnis des damals unternommenen Kampfes bildet. Um zu begreifen, was in Montecassino geschah, muß man auch dieses östliche Kapitel unserer Geschichte vor Augen haben, denn die unter dem Kommando von General Wladyslaw Anders stehende Truppe, die eine so große Rolle in der Schlacht von Montecassino spielte, bestand zum großen Teil aus Polen, die aus der Sowjetunion deportiert waren. Außer diesen waren auch Soldaten und Offiziere dabei, die heimlich aus dem besetzten Polen über Ungarn in den Westen gelangt waren in der Absicht, dort den Kampf um die Unabhängigkeit ihres Vaterlandes fortzusetzen. Die an dieser Schlacht beteiligten Soldaten waren überzeugt, daß sie, wenn sie zur Lösung der ganz Europa betreffenden Probleme beitrügen, auf dem Wege seien, der sie zu einem unabhängigen Polen führen würde. 3. Ihr, die ihr gekämpft habt, tragt in eurem Herzen die Erinnerung an alle eure Waffengefährten. Ihr seid hierhergekommen, um den polnischen Militärfriedhof in Montecassino zu besuchen, wo auch General Wladyslaw Anders und Erzbischof Jözef Gwlina, der treue Hirte des polnischen Heeres auf den Schlachtfeldern, ruhen. Viele eurer Kameraden ruhen hier: Soldaten und Offiziere nicht nur mit polnischen, sondern auch mit ukrainischen, weißrussischen und jüdischen Namen. Sie alle nahmen an dem Kampf um dieselbe große Sache teil. Die Friedhöfe bezeugen es: der von Montecassino wie jene von Loreto, Bologna und Casamassima. Wir gedenken der Gefallenen und beten für sie, die ihr Leben gelassen haben im Gedanken an ihre Lieben in Polen. Ihr Tod wurde zum Zeugnis für die Bereitschaft, die damals die ganze Volksgemeinschaft kennzeichnete: das Leben hinzugeben für die heilige Sache des Vaterlandes. Wir dürfen nicht vergessen, daß im gleichen Jahr 1944, einige Monate später, sich der Aufstand von Warschau erhob, ein Ereignis, das dem der Schlacht von Montecassino entspricht. Die Polen in der Heimat hielten es für ihre Pflicht, diese Schlacht zu führen, um die Tatsache hervorzuheben, daß Polen vom ersten bis zum letzten Tag nicht nur zur Verteidigung der eigenen Freiheit kämpfte, sondern für die Zukunft Europas und der Welt. 609 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sie waren überzeugt, daß das sowjetische Heer, das schon nahe bei Warschau stand, und mit ihm zusammen die polnischen Formationen im Gebiet der Sowjetunion entscheidend zum Ausgang des Aufstands von Warschau beitragen würden. Leider aber geschah das nicht. Wie wissen, daß Polen für den Aufstand von Warschau einen überaus hohen Preis zu zahlen hatte: nicht nur den Tod von soviel Tausenden von Polen und Polinnen aus der Generation meiner Altersgenossen, sondern auch die fast vollständige Zerstörung der Hauptstadt. 4. Dieses Bild des Geschehens vor fünfzig Jahren vor Augen, müssen wir noch einmal auf das Wort „Montecassino” zurückkommen. Dieser Name hat ja eine viel ältere Bedeutung als jene, die durch das Jahr 1944 mit ihm verbunden ist. Wir müssen fünfzehn Jahrhunderte zurückgehen, in die Zeit des hl. Benedikt. Gerade auf dem Monte Cassino erhob sich eine jener benediktinischen Abteien, die zur Gestaltung Europas den Anfang machten. Die Historiker weisen darauf hin, wie auf der Grundlage des benediktinischen Prinzips „Ora et labora” nach dem Fall des Weströmischen Imperiums und nach der Völkerwanderung dieses Europa sich zu bilden begann, dessen staatliche und kulturelle Basis sich bis heute erhalten hat. Das ist das christliche Europa. Im Westen war es der hl. Benedikt, wie es im Osten die hll. Kyrill und Method waren, die im ersten Jahrtausend zu Christianisierung Europas beitrugen. Mehr noch: Ihnen schulden die Länder Europas die Anfänge ihrer Kultur, jener abendländischen Kultur, die sich im Lauf der Jahrhunderte entwickelt und sich auch auf andere Kontinente ausgebreitet hat. Was stellt von diesem Gesichtspunkt aus die Schlacht von Montecassino dar? Sie war der Zusammenstoß von zwei „Projektionen”: Das eine hatte, im Osten wie im Westen, das Bestreben, Europa von den Wurzeln seiner christlichen Vergangenheit, die mit seinen Patronen, besonders dem hl. Benedikt, in Zusammenhang steht, zu trennen; das andere aber war bestrebt, die christliche Tradition Europas und „den europäischen Geist” zu schützen. Die Tatsache, daß Montecassino zerstört wurde, hat eine symbolische Bedeutung. Christus sagt: „Wenn das Weizenkom nicht in die Ecke fällt und stirbt, bleibt es allen; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht” (Joh 12,24). Offenbar hat die alte Abtei Montecassino zerstört werden müssen, damit auf ihren Ruinen eine neues Leben für ganz Europa beginnen könne. In gewissem Sinn ist das ja eingetroffen. Auf den Ruinen des Zweiten Weltkriegs hat der Aufbau des vereinten Europas seinen Anfang genommen, und diejenigen, die seine ersten Baumeister waren, haben mit Entschiedenheit wieder an die christliche Wurzeln der europäischen Kultur angeknüpft. 5. Wir Polen haben nicht unmittelbar am christlichen Wiederaufbau Europas teilnehmen können, wie er im Westen unternommen wurde. Wir blieben mit den Ruinen unserer Hauptstadt zurück. Wie befanden uns, obschon wir Verbündete der Siegerkoalition waren, in der Lage der Besiegten denen für mehr als vierzig Jahre die Herrschaft des Ostens im sowjetischen Block auferlegt war. Und so war für uns 1945 der Kampf nicht zu Ende; es war notwendig, ihn von neuem aufzunehmen. 610 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das war im übrigen auch für unsere Nachbarn der Fall. Beim Gedenken an den Sieg von Montecassino muß also heute die Wahrheit über alle Polen und Polinnen hinzugefügt werden, die in einem anscheinend unabhängigen Staat Opfer eines totalitären Systems wurden. Sie gaben in ihrer Heimat das Leben für das gleiche Anliegen hin, für das die Polen 1939, dann während der Besatzungszeit und schließlich in Montecassino und im Warschauer Aufstand starben. Es muß daran erinnert werden, wie viele auch durch die polnischen Institutionen und die Sicherheitsdienste getötet wurden, die im Dienst des vom Osten auferlegten Systems standen. Wenigstens vor Gott und vor der Geschichte müssen wir uns ihrer erinnern, um in dieser entscheidenden geschichtlichen Stunde nicht die Wahrheit über unsere Vergangenheit zu verdunkeln. Die Kirche hält ihre Märtyrer in ihren Martyrologien in Erinnerung. Wir dürfen nicht erlauben, daß in Polen, vor allem im zeitgenössischen Polen, das Mar-tyrologium der polnischen Nation rekonstruiert wird. 6. So groß ist der Preis, den wir für unsere jetzige Unabhängigkeit haben bezahlen müssen. Wenn nach dem Ersten Weltkrieg darum gekämpft werden mußte, daß Polen wieder auf der Karte Europas erschien, so konnte nach dem Zweiten Weltkrieg niemand mehr darüber im Zweifel sein. Die polnische Nation hatte einen so hohen Preis bezahlt, mit so großen Anstrengungen und Leiden hatte sie ihr Recht wiedererkauft, als Staat zu existieren, das selbst unsere Feinde - sagen wir, die zweifelhaften „Freunde” des Ostens und des Westens - dieses Recht nicht in Frage stellen konnten. Auch das muß heute beim großen Jahrgedächtnis der Schlacht von Montecassino gesagt sein, denn es ist von grundlegender Bedeutung für unsere polnische und europäische Gegenwart. Und wenn man das „Heute” nicht von der Vergangenheit loslösen kann, von der ganzen Geschichte und besonders von den gerade vergangenen fünfzig Jahren, so darf man auch nicht vergessen, daß jedes menschliche „Heute” die Einführung zu einer menschlichen Zukunft ist. Wie wird das „Morgen” von Polen und von Europa sein? Viele Faktoren versprechen Gutes für dieses Morgen. Es scheint, daß Europa sich losgesagt hat von den gefährlichen Systemen, die es im 20. Jahrhundert beherrscht haben, und daß ziemlich allgemein der Wille zu friedlicher Koexistenz unter den Völkern vorherrscht. Ist das nun auch der Wille, die eigene Zukunft im Geist von Montecassino aufzubauen? Montecassino stellt ein durch die Erfahrung der Geschichte geprüftes Symbol dar. Aber ist nicht zu fürchten, daß wir nicht fähig sind, aus einer solchen Erfahrung die richtigen Schlüsse zu ziehen, wenn wir uns von anderen „Geistern” täuschen lassen, die wenig mit dem Geist von Montecassino gemein haben oder ihm sogar direkt entgegengesetzt sind, so sehr, daß sie vielleicht verantwortlich sind für seine systematische Zerstörung? Wir dürfen darum diese unsere Meditation zum 50. Jahrestag, des Sieges von Mon-tecassino nicht anders abschließen als mit einer solchen Ermahnung für die Zukunft und der gemeinsamen Bitte an Gott, daß er bei uns und wir bei ihm bleiben. Wir müssen beten, daß wir guten Gebrauch von der Freiheit machen, die um einen so hohen Preis wiedergewonnen wurde, und daß wir zum Erbe des hl. Benedikt und 611 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der hll. Kyrill und Method, der Mitpatrone Europas, im Westen und im Osten zu-rtickkehren. Ihnen und allen Patronen unserer Heimat, besonders dem, der das Symbol unseres Jahrhunderts ist, dem hl. Märtyrer von Auschwitz, Maximilian Kolbe, wie auch der Mutter von Jasna Göra, der Königin Polens, empfehle ich alle Anwesenden und unser ganzes Vaterland am Abschluß des zweiten Jahrtausends und der dem dritten vorausgehenden Vigil. Es segne euch der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Aus dem Vatikan, 18. Mai 1994 Joannes Paulus PP. II Eine Mutterhand lenkte die tödliche Kugel Meditation zum Rosenkranzgebet der italienischen Bischöfe in Santa Maria Maggiore, verlesen von Camillo Kardinal Ruini, Kardinalvikar von Rom und Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz, am 19. Mai Liebe, ehrwürdige Bischöfe Italiens! 1. Im Geist betrete auch ich die Basilika Santa Maria Maggiore, wo ihr zum Rosenkranzgebet versammelt seid. Wir befinden uns heute wie die Apostel im Abendmahlssaal. Nach der Heimkehr Christi zum Vater verharrten sie im Gebet mit Maria, der Mutter Jesu. Das Gebet sollte sie auf Pfingsten vorbereiten, den Tag, an dem Christus sie durch den Heiligen Geist zu Zeugen machen sollte. „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem ... und bis an die Grenzen der Erde” (Apg 1,8)- Und so geschah es: Nachdem sich die Türen des Abendmahlssaals geöffnet hatten, traten die Apostel heraus, um Christus in Jerusalem zu verkünden, und die Juden der Heiligen Stadt wie auch alle Pilger aus den anderen Ländern hörten sie in verschiedenen Sprachen sprechen. Damals erklang erstmals die eigene Sprache der Kirche, die von jenem Tag an in allen Sprachen der Menschheit zu hören sein sollte. Die Sprache der Kirche sollte gerade am Pfingsttag erstmals erklingen, als die Apostel die Kraft des Heiligen Geistes bekundeten, indem sie für den gekreuzigten und auferstandenen Christus Zeugnis ablegten. Damals begannen sie mit der Kraft des Geistes die Vergebung der Sünden im Namen Christi zu verkünden. Als sie von denen sprachen, die an seinem Tod schuld waren, wiederholten sie die Worte ihres Herrn: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun” (Lk 23,34). Sie bekräftigten, daß diejenigen, die ihn zum Tod verurteilt hatten, nicht wußten, was sie taten. 2. Am Pfingsttag wurden die Worte des Propheten Joel Wirklichkeit: „Danach aber wird es geschehen, daß ich meinen Geist ausgieße über alles Heisch” (Joel 3,1). So 612 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN begann sich aus denen, die bei dieser Gelegenheit die Taufe empfingen, die Kirche zu entwickeln. Seit dem ersten Tag ist diese Kirche apostolisch, auf Petrus gebaut, dem zusammen mit den Brüdern im apostolischen Amt die Vollmacht zu binden und zu lösen übertragen ist (vgl. Mt 16,19). Ja, angesichts des großen Augenblicks der Herabkunft des Heiligen Geistes bereiten die Apostel sich vor und verharren zusammen mit Maria im Gebet. Wir tun heute dasselbe; auch uns ist die Vollmacht, zu binden und zu lösen, im Hinblick auf unsere Zeitgenossen gegeben. Sie ist auch uns gegeben, und wir sind tief ergriffen von unserer persönlichen Schwachheit, sind uns aber auch wohl bewußt der Vollmacht, die uns Christus durch den Heiligen Geist verliehen hat. Die Mutter Christi und Mutter der Kirche ist in besonderer Weise hier unter uns. 3. Santa Maria Maggiore ist die älteste Marienkirche des Westens. Gleich nach dem Konzil von Ephesus erlebte Rom dort, wo die Basilika Santa Maria Maggiore steht, dieselbe Freude der Konzilsteilnehmer: die Freude über die „Theotokos”, die Mutterschaft der Mutter Gottes; die Freude des christlichen Volkes, dem in ihr das erhabene Geheimnis der Menschwerdung des ewigen Wortes offenbart wurde. Es ist die Freude über den Glauben, der durch die Jahrhunderte hindurch nicht geringer wird. Die Basilika Santa Maria Maggiore blieb bis heute der Ort, wo der Weg der Kirche in besonderer Weise der Mutter des Herrn begegnet. Hierher kamen wir während des II. Vatikanischen Konzils, als Paul VI. der Mutter Gottes feierlich den Titel „Mutter der Kirche” zuerkannte. Es war am selben Tag, an dem die dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium approbiert wurde mit dem letzten Kapitel, dessen Überschrift lautet: „Die selige jungfräuliche Gottesmutter Maria im Geheimnis Christi und der Kirche.” Es wäre angebracht, erneut das zu lesen, was das Konzil über die Aufgabe der Gottesmutter in der Heilsökonomie, über ihre besondere Beziehung zur Kirche und über die Verehrung bekräftigt hat, die ihr von Anfang an in der Kirche zuteil wurde, um Maria als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes für das Volk Gottes auf dem Pilgerweg zu betrachten. 4. Was bedeutet Maria für uns? Sie ist diejenige, die unaufhörlich auf dem Pilgerweg des Glaubens voranschreitet, wie sie es während ihres Erdendaseins tat, indem sie mit ihrem Sohn bis zum Kreuz treu vereint blieb, wo sie nicht ohne göttliche Absicht stand. Sie litt tief mit ihrem Eingeborenen, durch mütterlichen Geist mit dem Kreuzestod des Sohnes verbunden, während sie der Darbringung des Schlacht-opfers, das sie geboren hatte, Hebevoll zustimmte. Und schüeßhch wurde sie von Christus selbst, als er am Kreuz starb, Johannes mit den Worten gegeben: „Frau, siehe da dein Sohn” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 58). Dank dem Geschenk der Gottesmutterschaft ist die sehgste Jungfrau, wie der heiHge Ambrosius und die anderen Väter lehren, der Typus der Kirche im HinbHck auf den Glauben, die Liebe und die vollkommene Einheit mit Christus. Deshalb wird die 613 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche selbst Mutter und zugleich Jungfrau genannt (vgl. ebd., Nr. 63). Während sie die einzigartige Heiligkeit Marias betrachtet, ihre Liebe nachahmt und treu den Willen des Vaters erfüllt, wird auch die Kirche Mutter, wenn sie durch die Verkündigung des Evangeliums und die Spendung der Taufe den Söhnen und Töchtern neues Leben schenkt, die durch den Heiligen Geist empfangen und aus Gott geboren sind. Die Kirche ist gleichzeitig Jungfrau, denn sie bewahrt die dem Bräutigam versprochene Treue, und während sie Maria nachahmt, bewahrt sie durch die Kraft des Heiligen Geistes einen unversehrten Glauben, eine feste Hoffnung und eine aufrichtige Liebe (vgl. ebd., Nr. 64). 5. Ich schreibe euch diese Worte heute, am 13. Mai, aus der Poliklinik „Agostino Gemelli”. Liebe Mitbrüder, erlaubt, daß ich an das erinnere, was vor dreizehn Jahren auf dem Petersplatz geschah. Wir alle erinnern uns an jene Stunde am Nachmittag, als auf den Papst Pistolenschüsse gerichtet wurden in der Absicht, ihn zu töten. Die Kugel, die seinen Unterleib durchbohrte, befindet sich heute in der Wallfahrtskirche von Fatima. Die von diesem Geschoß durchbohrte Schärpe hingegen hegt im Heiligtum von Jasna Göra. Eine Mutterhand lenkte die Geschoßbahn, und der mit dem Tod ringende Papst, der in die „Gemelli”-Poliklinik gebracht wurde, machte Halt an der SchweUe des Todes. Im September des vergangenen Jahres, als ich das Bild der Gottesmutter im Heiligtum des Tors der Morgenröte in Vilnius betrachten konnte, richtete ich an sie die Worte des großen polnischen Dichters Adam Mickiewicz: „O heiligste Jungfrau, die du in Ostra Brama erstrahlst und in Tschenstochau das funkelnde Heiligtum schützt ... Wie hast du mich vom Tod errettet!” Das sagte ich zum Abschluß des Rosenkranzgebetes in der Wallfahrtskirche am Tor der Morgenröte. Und meine Stimme versagte. Ich wußte, daß jenes Heiligtum dieses Zeugnis des Papstes erwartet hatte. Mit dem Tor der Morgenröte warteten auch andere einzigartige Heiligtümer: zunächst das Kolosseum in Rom, dann der Berg der Kreuze in Litauen und noch sc viele andere „Kolossen unseres Jahrhunderts” auf dem einen oder anderen Wegranc der Evangelisierung, die von Rom und von Konstantinopel aus den Namen Christi, des Herrn, nach Norden gebracht hat. Am Ende des Kreuzweges am Karfreitag dieses Jahres sagte ich, als ich dem Patriarchen von Konstantinopel für seinen eindrucksvollen Text dankte: „Liebe Brüder wir müssen uns an den Orten treffen, die von den ersten Jahrhunderten an bis in unsere Tage durch das Martyrium geheiligt wurden. Wir können nicht umhin, eins zi sein! Wir können nicht umhin, dieselbe Wahrheit vom Kreuz zu sagen! Die Menschheitsgeschichte wartet auf unsere volle Einheit.” So sprach ich, und icl weiß, daß ich gehört und verstanden wurde. Das alles war gleichsam der Widerhall jenes Schusses auf dem Petersplatz, der den Papst vor dreizehn Jahren das Leben kosten sollte. Aber das tödliche Geschol machte Halt, und der Papst lebt - lebt, um zu dienen! 614 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das bekenne ich heute erneut vor euch, hebe Mitbrüder im Bischofsamt. Denn wir dienen gemeinsam! Nie werde ich die Worte von Primas Wyszynski vergessen, der bei der Tausendjahrfeier der Taufe Polens, in einer Zeit großer Spannungen mit der kommunistischen Regierung, in Lublin sagte: „Ich diene hier! Ich befehle nicht, sondern ich diene!” Liebe italienische Bischöfe, wir sind berufen zu dienen! Wir wollen auch unseren Brüdern im Priesteramt, den Ordensfrauen und -männern dienen. Wir wollen allen dienen. So geschieht es an jedem Ort der Erde. Das gilt für unsere Brüder des afrikanischen Erdteils, die während der Sonder Versammlung der Bischofssynode für Afrika eine große Reife im Dienst an ihren Völkern bewiesen haben. So ist es bei unseren Brüdern im Nahen Osten, im Libanon, im Heiligen Land, in Nord- und Südamerika, im Femen Osten und auf den Inseln in Ozeanien. Wenn der Herr mir Gelegenheit gibt, auf den Philippinen mit der Jugend aus aller Welt zusammenzutreffen, werde ich in diesem Geist des Dienstes dort sein. Die Welt erwartet unsem Dienst! Ihn erwarten besonders die jungen Menschen, die bereit sind, uns nachzufolgen - besser, Jesus Christus nachzufolgen —, wenn das, was wir tun, predigen und erleiden, authentischer Dienst ist. 6. Liebe Mitbrüder, im Verlauf dieser Versammlung denkt ihr gemeinsam darüber nach, wie ihr am besten der Kirche in Italien im derzeitigen Abschnitt ihrer Geschichte dienen könnt. Wie können wir die verworrenen Probleme des zeitgenössischen Menschen „binden und lösen”? Wie können wir diesen Menschen von der Macht und dem Glanz der Wahrheit, die allein frei macht (vgl. Veritatis splendor), überzeugen? Wie können wir ihn zur Liebe bewegen, die stärker als der Tod ist (vgl. Hld 8,6) und das Fundament der menschlichen Familie bildet? Wie können wir die Gnade dieses Jahres anwenden, in dem die Familie paradoxerweise nicht nur Gegenstand besonderen Interesses, sondern auch drohender Gefahr ist? Wie können wir im Blick auf das dritte Jahrtausend das Fundament festigen, auf dem die Kirche des Volkes Gottes gebaut ist? Das, hebe Mitbrüder, sind einige Fragen, die ihr euch während der Arbeiten eurer Versammlung gestellt habt und die ihr jetzt auf dem Pilgerweg des Glaubens Maria zu Füßen legt. Es sind viele Fragen. Jeder von uns wird alltäglich vor sie gestellt. Aber hierher bringen wir auch den Glaubenseifer des Volkes Gottes, das Zeugnis der unserer Hirtensorge anvertrauten Kirchen. Wir bringen die Hoffnungen und Erwartungen des Volkes, das in uns sein Vertrauen setzt. Mit dieser Last kommen wir hierher. Die Kirche in Italien und in der ganzen Welt ist die Kirche auf dem Weg. Zusammen mit Maria und insbesondere mit den Jugendlichen ziehen wir als Pilger zu so vielen Marienheiligtümem, die auf italienischem Boden stehen. Am Ende dieses Jahres, dem Jahr des „Großen Gebets für Italien”, werden wir in Loreto sein. Dort werden wir der pilgernden Gottesmutter begegnen, und bei ihr 615 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden wir Kraft schöpfen für den weiteren Weg, der uns in den letzten Jahren dieses zu Ende gehenden Jahrtausends erwartet. Die mit Maria pilgernde Kirche wurde in unserer Zeit vor allem Kirche der Jugendlichen. In sie setzen wir unsere Hoffnung. Wir wollen Zeugen und Boten dieser Hoffnung für Italien und die ganze Welt sein. Wir wollen den Erwartungen der Menschheit auf die beste Weise dienen, wie sie, die Mutter Gottes, es getan hat und noch tut. Deshalb wiederholen wir zusammen das älteste Mariengebet: „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin. Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse uns von allen Gefahren, o glorwürdige und gebe-nedeite Jungfrau Maria, unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin, unsere Trösterin. Versöhne uns mit deinem Sohn, empfiehl uns deinem Sohn, stelle uns deinem Sohn vor.” Der letzte Teil der Meditation wurde vom Papst gesprochen und in die Basilika übertragen: 7. Liebe Mitbrüder! Weil ich nicht persönlich unter euch weilen kann, möchte ich am Schluß der Botschaft, die ich euch schriftlich übersende, wenigstens meine Stimme hören lassen. Ich grüße euch alle voll Hochschätzung und Liebe, euch und eure Diözesangemeinschaften, während ich die Worte des auferstandenen Christus wiederhole:„Friede sei mit euch!” (Joh 20,19). Mit euch knie ich im Geist vor dem Gnadenbild der Madonna „Salus Populi Romani”, die mein ehrwürdiger Vorgänger Pius XII. vor genau fünfzig Jahren als besondere Schutzherrin der vom Krieg bedrohten Stadt anrief (vgl. Ansprachen und Rundfunkbotschaften von Pius XII., Bd. VI, 1944, S. 29). Dieses Gotteshaus, die älteste Marienkirche des Westens, hat von Anfang an Pilgerscharen aufgenommen, die die „Theotokos” lobpriesen, Pilgerscharen voller Freude über die Mutterschaft der Gottesmutter. Nie fehlte es im Laufe der Jahrhunderte und Generationen an der Glaubensfreude. Die Basilika Santa Maria Maggiore ist bis heute der Ort gebheben, wo der Pilgerweg der Kirche insbesondere der Mutter des Herrn begegnet. Liebe Mitbrüder, Ich kann diese gemeinsame Meditation in der Basilika Santa Maria Maggiore nicht beenden, ohne euch meinen tiefempfundenen Dank und meine innere Bewegung zum Ausdruck zu bringen. Ich bin bewegt über all das, was ich von seiten der Kirche Roms und ganz Italiens erfahren durfte; von euch, liebe Mitbrüder, wie auch von seiten so vieler Menschen und Gemeinschaften: soviel Güte, Sorge und so viele Zeichen geistlicher Solidarität. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als im Gebet die heiligste Mutter anzuflehen, daß sie meine derzeitige Prüfung ir das „Große Gebet der Kirche” in Italien und für Italien als meinen bescheidener Beitrag für die Sache einreiht, der wir gemeinsam dienen. 616 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Von Herzen segne ich euch alle im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Poliklinik „Gemelli”, 13. Mai 1994 Belebt die Welt mit eurer Liebe zu Jesus! Botschaft an die Kinder anläßlich der 150-Jahr-Feier des Kindermissionswerks vom 20. Mai Liebe Jungen und Mädchen! Mit Freude schließe ich mich eurer Initiative zur Feier des 150jährigen Bestehens des Kindermissionswerkes an. Da ich nicht persönlich anwesend sein kann, grüße ich euch durch den lieben Kardinal Bemardin Gantin sehr herzlich. Die große Familie der Kirche in aller Welt dankt dem Herrn für die vielen kleinen Missionare, die es in allen fünf Erdteilen gibt, und ihr gehört zu dieser Schar. Euer Glaube an Jesus und eure Liebe zu ihm, zusammen mit der für die Kinder so typischen Begeisterung und reichen Phantasie befähigen euch, „die Welt neu zu beleben”, um sie schöner und gerechter zu machen und Armut, Krankheit und Haß zu überwinden, die leider so viel Leiden auch unter den Kindern hervorrufen. Ich weiß, daß ihr jedes Jahr das, was ihr habt, zusammenlegt und euch der Kinder in der Welt in materieller und geistlicher Hinsicht annehmt. Die Kirche freut sich sehr darüber, daß Kinder und Heranwachsende einander helfen. Es ist wunderschön, daß sich die Geschwister in einer Familie von klein auf lieben. Dafür lobe und ermutige ich euch: Seid immer und überall Missionare! Jesus ruft jeden, sein Zeuge zu sein, einige in ihrer Heimat, andere in fernen Ländern, aber alle müssen sich als Missionare fühlen! Ich umarme euch, Kinder und Animatoren, mit Liebe. Ich danke den Verantwortlichen der Päpstlichen Missionswerke und rufe sie auf, ihre Animations- und Bildungsarbeit fortzusetzen, damit die Kirche immer missionarischer wird und das Evangelium zu allen Völkern und Menschen der Erde gelange. Allen spende ich meinen hebevollen Segen. Aus der Gemelli-Poliklinik, am 20. Mai 1994 Joannes Paulus PP. II 617 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Evangelisierung braucht Gebet und Opfer der Familien Botschaft zum Weltmissionssonntag vom 22. Mai „Wer den Willen meines himmlischen Vaters tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter” {Mt 12,50). Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Kirche, beauftragt zur Verkündigung des Evangeliums Christi in der ganzen Welt, hat das Jahr 1994 der Familie gewidmet. Sie betet mit der Familie und für sie und denkt über die Probleme nach, mit denen sie zu ringen hat. Auch in dieser Jahresbotschaft zum Weltmissionssonntag möchte ich auf dieses Thema eingehen in dem Bewußtsein der engen Verbindung zwischen der Sendung der Kirche und der Familie. Jesus selbst hat die menschliche Familie als Umfeld seiner Menschwerdung und der Vorbereitung auf die ihm vom himmlischen Vater anvertraute Sendung gewählt. Er hat ferner eine neue Familie gegründet, die Kirche, gleichsam als Verlängerung seines universalen Heilswerkes. Von der Sendung Christi her betrachtet, zeigen daher Kirche und Familie gegenseitige Bindungen und übereinstimmende Zielsetzungen. Wenn jeder Christ für die Missionstätigkeit mitverantwortlich ist, weil diese für die Familie der Kirche, der wir dank Gottes Gnade alle angehören, grundlegend ist (vgl. Redemptoris missio, Nr. 77), dann muß sich erst recht die christliche Familie zum Missionseifer aufgerufen fühlen, weil sie sich auf ein besonderes Sakrament stützt. 2. Die Liebe Christi, die den Ehebund heiligt, ist zugleich das immer brennende Feuer, das die Evangelisierung vorantreibt. Jedes Glied der Familie ist eingeladen, sich mit dem Herzen des Erlösers für alle Männer und Frauen der Welt einzusetzen und sich zu kümmern „um die, die weit weg sind, ebenso wie um die, die nahe sind” {Redemptoris missio, Nr. 77). Diese Liebe drängt die Missionare, mit Eifer und Ausdauer die Frohbotschaft „den Völkern” zu verkünden und von ihr Zeugnis zu geben mit der Hingabe ihrer selbst, zuweilen bis zum äußersten Zeugnis des Martyriums. Einziges Ziel des Missionars ist die Verkündigung des Evangeliums, um eine Gemeinschaft aufzubauen, die eine Ausweitung der Familie Jesu Christi ist und „Sauerteig” für das Wachsen des Reiches Gottes sowie die Förderung der höchsten Werte des Menschen (vgl. ebd., Nr. 34). Indem er für Christus und mit Christus arbeitet, wirkt er für eine Gerechtigkeit, einen Frieden und eine Entwicklung, die nicht ideologisch bestimmt sind, sondern tatsächlich zum Aufbau der Zivilisation der Liebe beitragen. 3. Das Zweite Vatikanische Konzil wollte nachdrücklich einen Begriff neu heraussteilen, der schon der Überlieferung der Kirchenväter teuer war und nach dem die mit der Gnade des Sakramentes errichtete christliche Familie das Geheimnis dei Kirche in der Dimension des Hauses widerspiegelt (vgl. Lumen gentium, Nr. 11). Ir 618 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der gläubigen Familie wohnt die Heiligste Dreifaltigkeit, und sie nimmt in der Kraft des Geistes an der Sorge der ganzen Kirche für die Mission teil, indem sie zur missionarischen Begeisterung und Mitarbeit beiträgt. Es ist angebracht, darauf hinzuweisen, daß die beiden heiligen Patrone der Missionen ebenso wie viele Arbeiter für das Evangelium in ihrer Kindheit die Geborgenheit einer wahrhaft christlichen Familie erlebt haben. Der heilige Franz Xaver brachte in seinem missionarischen Leben die Hochherzigkeit, die Treue und den tiefen religiösen Geist zum Ausdruck, den er innerhalb seiner Familie und besonders bei der Mutter erfahren hatte. Die heilige Theresia vom Kinde Jesu aber vermerkte in der sie kennzeichnenden Schlichtheit: „Mein ganzes Leben hindurch wollte mich der gute Gott mit Liebe umgeben: meine ersten Erinnerungen sind voll von Liebkosungen und zärtlichstem Lächeln!” (Geschichte einer Seele, Manuskript A, f.4v). Die Familie nimmt an Leben und Sendung der Kirche mit einem dreifachen evange-lisierenden Wirken teil: in ihrem eigenen Innern, in der Gemeinde, zu der sie gehört, und in der universalen Kirche. Das Ehesakrament „macht die christlichen Gatten und Eltern zu Zeugen Christi ,bis an die Grenzen der Erde’, zu wahren ,Missionaren’ der Liebe und des Lebens” (Familiaris coizsortio, Nr. 54). 4. Missionarisch ist die Familie vor allem mit ihrem Gebet und Opfer. Wie jedes christliche Gebet muß das der Familie auch die missionarische Dimension umfassen, so daß es für die Evangelisierung wirksam ist. Aus diesem Grund spüren die Missionare nach der Logik des Evangeliums die Notwendigkeit, ständig Gebete und Opfer als äußert wertvolle Hilfe für ihr evangelisierendes Wirken zu erbitten. Zum Gebet in missionarischem Geist gehören verschiedene Aspekte, an erster Stelle die Betrachtung des Wirkens Gottes, der uns durch Jesus Christus das Heil schenkt. So wird das Gebet ein lebendiger Dank für die Evangelisierung, die uns schon erreicht hat und sich weiter in der ganzen Welt verbreitet; zugleich wird es zur Anrufung des Herrn, er möge uns zu gelehrigen Werkzeugen seines Willens machen und uns die unerläßlichen moralischen und materiellen Mittel für den Aufbau seines Reiches gewähren. Untrennbare Ergänzung des Gebetes ist dann das Opfer, je hochherzige, desto wirksamer. Von unschätzbarem Wert ist das Leiden der Unschuldigen, der Schwachen und Kranken, ferner aller, die in besonderer Weise auf dem Weg des Kreuzes mit Jesus, dem Erlöser jedes einzelnen Menschen und des ganzen Menschen, vereint sind. 5. Durch die den Medien der sozialen Kommunikation eigene überzeugende Wirkung üben Meinungsäußerungen und Ereignisse, Probleme und Konflikte, Erfolge und Mißerfolge in der ganzen Welt einen erheblichen Einfluß auf die Familien aus. Die Eltern erfüllen daher eine ihnen eigene Aufgabe, wenn sie gemeinsam mit den Kindern die Nachrichten, Informationen und Meinungsäußerungen besprechen und m in reifer Weise alles würdigen, was die Medien in ihre Häuser bringen, und wenn sie sich dann auch an konkreten Aktionen beteiligen. 619 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf diese Weise entspricht die Familie zugleich der eigentlichen Rolle der sozialen Kommunikation, die ja in der Förderung der Gemeinschaft und der Entwicklung der Menschheitsfamilie besteht (vgl. Communio et progressio, Nr. 1; Aetatis novae, Nm. 6-11). Ein solches Ziel kann jeder Apostel des Evangeliums nur teilen, wenn er es im Lichte des Glaubens und im Dienst an einer Zivilisation der Liebe betrachtet. Doch das Wirken im heiklen und komplexen Bereich der Massenmedien erfordert erhebliche Investitionen, menschliche Kräfte und wirtschaftliche Mittel. Ich danke allen, die hochherzig dazu beitragen, daß unter den zahllosen Botschaften, die unseren Planeten durchlaufen, nicht die milde, aber feste Stimme jener fehlt, die Christus als Heil und Hoffnung für jeden Menschen verkünden. 6. Der erhabenste Ausdruck der Hochherzigkeit aber bleibt die völlige Selbsthingabe. Anläßlich des Weltmissionssonntages muß ich mich unbedingt in besonderer Weise an die Jugendlichen wenden. Meine Lieben! Der Herr hat euch ein für weite Horizonte offenes Herz gegeben; fürchtet euch nicht, euer ganzes Leben in den Dienst Christi und seines Evangeliums zu stellen! Hört auf ihn, wenn er auch heute widerholt: „Die Ernte ist groß, doch es gibt nur wenig Arbeiter” (Lk 10,2). Ich wende mich ferner an euch Eltern. In euren Herzen soll nie der Glaube und die Verfügbarkeit nachlassen, wenn der Herr euch segnen möchte und einen Sohn oder eine Tochter zum missionarischen Dienst ruft. Wißt ihm dafür zu danken! Ja, tut alles, daß dieser Ruf mit dem Familiengebet vorbereitet wird und mit einer Erziehung reich an Schwung und Begeisterung, verbunden mit dem täglichen Beispiel der Aufmerksamkeit für andere, mit der Teilnahme am Leben von Pfarrei und Bistum, mit der Mitarbeit in Verbänden und freiwilligen Diensten. Eine Familie, die den missionarischen Geist in ihrem Lebensstil und ihrer Erziehung pflegt, bereitet das gute Erdreich für den Samen des göttlichen Rufes vor und verstärkt zugleich die gefühlsmäßigen Bindungen sowie die christlichen Tugenden ihrer Mitglieder. 7. Die heilige Jungfrau Maria, die Mutter der Kirche, und ihr Mann, der heilige Joseph, die von allen christlichen Familien vertrauensvoll angerufen werden, mögen erwirken, daß sich in jeder häuslichen Gemeinschaft dieses ganze Jahr hindurch der missionarische Geist entfaltet, damit die ganze Menschheit „in Christus zur Familie des Sohnes Gottes” wird (Gaudium et spes, Nr. 92). Mit diesem Wunsch rufe ich auf die über die ganze Welt verteilten Missionare wie auch auf jede einzelne christliche Familie, besonders auf jene, die sich für die Verkündigung des Evangeliums einsetzen, die Gaben des göttlichen Geistes herab, als deren Unterpfand ich allen den Apostolischen Segen erteile. Aus dem Vatikan, 22. Mai, Hochfest von Pfingsten des Jahres 1994, im sechzehnter meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II 620 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ordinatio sacerdotalis Apostolisches Schreiben über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe vom 22. Mai Verehrte Brüder im Bischofsamt! 1. Die Priesterweihe, durch welche das von Christus seinen Aposteln anvertraute Amt übertragen wird, die Gläubigen zu lehren, zu heiligen und zu leiten, war in der katholischen Kirche von Anfang an ausschließlich Männern Vorbehalten. An dieser Tradition haben auch die Ostkirchen getreu festgehalten. Als die Frage der Ordination von Frauen in der anglikanischen Gemeinschaft aufkam, war Papst Paul VI. darauf bedacht, in Treue zu seinem Amt die apostolische Überlieferung zu schützen, und, ebenso in der Absicht, ein neues Hindernis auf dem Weg zur Einheit der Christen zu vermeiden, den anglikanischen Brüdern in Erinnerung zu rufen, worin der Standpunkt der katholischen Kirche besteht. „Sie hält daran fest, daß es aus prinzipiellen Gründen nicht zulässig ist, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Zu diesen Gründen gehören: das in der Heiligen Schrift bezeugte Vorbild Christi, der nur Männer zu Aposteln wählte, die konstante Praxis der Kirche, die in der ausschließlichen Wahl von Männern Christus nachahmte, und ihr lebendiges Lehramt, das beharrlich daran festhält, daß der Ausschluß von Frauen vom Priesteramt in Übereinstimmung steht mit Gottes Plan für seine Kirche.” <57> Da die Frage jedoch auch unter Theologen und in manchen katholischen Kreisen umstritten war, beauftragte Paul VI. die Kongregation für die Glaubenslehre, die diesbezügliche Lehre der Kirche darzulegen und zu erläutern. Das geschah durch die Erklärung Inter Insigniores, deren Veröffentlichung der Papst nach Bestätigung des Textes anordnete. <58> Vgl. Paul VI., Antwortschreiben an Seine Gnaden den H.H. Dr. F. D. Coggan, Erzbischof von Canterbury, Über das Priestertum der Frau, 30. November 1975: AAS 68(1976)599-600: „ Your Grace is of course well aware of the Catholic Church'sposition on this question. She holds that it is not admissible to ordain women to the priesthood, for very fundamental reasons. These reasons include: the example recorded in the Sacred Scriptures of Christ choosing the Apostels only among men; the constant practice of the Church, which has imitated Christ in choosing only men; and her living teaching authorily which has consistently held that the exclusion of women from the priesthood is in accordance with God’s plan for his Church ” (S. 599). Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Inter Insigniores über die Frage der Zulassung von Frauen zum Amtspriestertum, 15. Oktober 1976; AAS 69(1977)98-116. 2. Die Erklärung wiederholt und erläutert die von Paul VI. dargelegten Gründe dieser Lehre, wobei sie schlußfolgert, daß die Kirche für sich nicht die Vollmacht in Anspruch nimmt, „Frauen zur Priesterweihe zuzulassen”. <59> Zu solchen fundamentalen Gründen fügt jenes Dokument noch theologische Gründe hinzu, die die Angemessenheit jener göttlichen Verfügung für die Kirche erläutern, und es zeigt deutlich, daß die Handlungsweise Christi nicht auf soziologischen oder kulturellen Motiven der damaügen Zeit beruhte. So führte Papst Paul VI. dann erläuternd aus, „der Ebd., 100. 621 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wahre Grund liegt darin, daß Christus es so festgelegt hat, als er die Kirche mit ihrer grundlegenden Verfassung und ihrer theologischen Anthropologie ausstattete, der dann in der Folge die Tradition der Kirche stets gefolgt ist”. <60> Paul VI., Ansprache über Die Rolle der Frau im Heilsplan, 30. Januar 1977: Insegnamenti, Bd. XV, 1977 111. Vgl. auch Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 51 AAS 81(1989)393-521; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1577. ^ Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, 15. August 1988, Nr. 26: AAS 80(1988)1715. In dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem habe ich selbst diesbezüglich geschrieben: „Wenn Christus nur Männer zu seinen Aposteln berief, tat er das völlig frei und unabhängig. Er tat es mit derselben Freiheit, mit der er in seinem Gesamtverhalten die Würde und Berufung der Frau betonte, ohne sich nach den herrschenden Sitten und nach der auch von der Gesetzgebung der Zeit gebilligten Tradition zu richten.” <61> ^ Vgl. Dogmatische Konstitution Lumen gentium, Nr. 28; Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 2. In der Tat bekunden die Evangelien und die Apostelgeschichte, daß diese Berufung gemäß dem ewigen Plan Gottes erfolgte: Christus erwählte die, die er wollte (vgl. Mk 3,13-14; Joh 6,70), und er tat das zusammen mit dem Vater „durch den Heiligen Geist” (Apg 1,2), nachdem er die Nacht im Gebet verbracht hatte (vgl. Lk 6,12). Darum hat die Kirche bei der Zulassung zum Amtspriestertum <62> stets als feststehende Norm die Vorgehens weise ihres Herrn bei der Erwählung der zwölf Männer anerkannt, die er als Grundsteine seiner Kirche gelegt hatte (vgl. Offb 21,14). Sie übernahmen in der Tat nicht nur eine Funktion, die dann von jedem beliebigen Mitglied der Kirche hätte ausgeübt werden können, sondern sie wurden in besonderer Weise und zutiefst mit der Sendung des fleischgewordenen Wortes selbst verbunden (vgl. Mt 10,1.7-8; 28,16-20; Mk 3,13-15; 16,14-15). Die Apostel taten das gleiche, als sie Mitarbeiter wählten, <63> die ihnen in ihrem Amt nachfolgen sollten. <64> In diese Wahl waren auch jene eingeschlossen, die durch die Zeiten der Geschichte der Kirche hindurch die Sendung der Apostel fortführen sollten, Christus, den Herrn und Erlöser, zu vergegenwärtigen. <65> ^ Vgl. 1 Tim 3,1-13; 2 Tim 1,6; Tit 1,5-9. $ Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1577. 9 Vgl. Dogmatische Konstitution Lumen gentium, Nrn. 20, 21. 3. Im übrigen zeigt die Tatsache, daß Maria, die Mutter Gottes und Mutter der Kirche, die nicht den eigentlichen Sendungsauftrag der Apostel und auch nicht das Amtspriestertum erhalten hat, mit aller Klarheit, daß die Nichtzulassung der Frau zur Priesterweihe keine Minderung ihrer Würde und keine Diskriminierung ihr gegenüber bedeuten kann, sondern die treue Beachtung eines Ratschlusses, der der Weisheit des Herrn des Universums zuzuschreiben ist. Auch wenn die Gegenwart und die Rolle der Frau im Leben und in der Sendung der Kirche nicht an das Amtspriestertum gebunden ist, so bleiben sie doch absolut notwendig und unersetzbar. Wie von der Erklärung Inter Insigniores herausgestell! wurde, wünscht die Heilige Mutter Kirche, „daß die christlichen Frauen sich dei Größe ihrer Sendung voll bewußt werden: Ihre Aufgabe ist heutzutage von höchste] 622 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bedeutung sowohl für die Erneuerung und Vermenschlichung der Gesellschaft als auch dafür, daß die Gläubigen das wahre Antlitz der Kirche wieder neu entdek-ken”. <66> Das Neue Testament und die ganze Kirchengeschichte erweisen umfassend die Präsenz von Frauen in der Kirche, als wahre Jüngerinnen und Zeugen Christi in der Familie und im bürgerlichen Beruf oder in der vollkommenen Weihe an den Dienst für Gott und das Evangelium. „In der Tat hat die Kirche, indem sie für die Würde der Frau und ihre Berufung eintrat, Verehrung und Dankbarkeit für jene zum Ausdruck gebracht, die - in Treue zum Evangelium - zu allen Zeiten an der apostolischen Sendung des ganzen Gottesvolkes teilgenommen haben. Es handelt sich um heilige Märtyrerinnen, Jungfrauen, Mütter, die mutig ihren Glauben bezeugt und dadurch, daß sie ihre Kinder im Geiste des Evangeliums erzogen, den Glauben und die Überlieferung der Kirche weitergegeben haben.” <67> Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Inter Insigniores, VI: AAS 69(1977)115-116, Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, Nr. 27: AAS 80(1988)1719. Auf der anderen Seite ist die hierarchische Struktur der Kirche vollkommen auf die Heiligkeit der Gläubigen ausgerichtet. Daher ruft die Erklärung Inter Insigniores in Erinnerung: „Das einzige höhere Charisma, das sehnlichst erstrebt werden darf und soll, ist die Liebe (vgl. 1 Kor 12-13). Die Größten im Himmelreich sind nicht die Amtsträger, sondern die Heiligen.” <68> Kongregation fiir die Glaubenslehre, Erklärung Inter Insigniores, VI: AAS 69(1977)115. 4. Obwohl die Lehre über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe sowohl von der beständigen und umfassenden Überlieferung der Kirche bewahrt als auch vom Lehramt in den Dokumenten der jüngeren Vergangenheit mit Beständigkeit gelehrt worden ist, hält man sie in unserer Zeit dennoch verschiedenenorts für diskutierbar, oder man schreibt der Entscheidung der Kirche, Frauen nicht zu dieser Weihe zuzulassen, lediglich eine diziplinäre Bedeutung zu. Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben. Während ich auf euch, verehrte Brüder, und auf das ganze christliche Volk den beständigen göttlichen Beistand herabrufe, erteile ich allen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 22. Mai, dem Pfingstfest des Jahres 1994, dem 16. meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II ’0 'i ’2 623 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verkünder in der Sprache des Heiligen Geistes Predigt zur Priesterweihe am Pfingstfest, verlesen von Generalvikar Camillo Kardinal Ruini, 22. Mai 1. „Empfangt den Heiligen Geist!” (Joh 20,22). Wir haben diese Worte schon am Ostersonntag gehört. Christus hat sie am Abend jenes Tages gesprochen, als er zu den Jüngern in den Abendmahlssaal kam. Die Türen waren aus Furcht vor den Juden verschlossen. Dennoch kommt Jesus herein, steht mitten unter den Aposteln und sagt zu ihnen: „Friede sei mit euch!” {Joh 20,19). Und sogleich zeigt er ihnen seine Hände und seine Seite, an denen die Wunden der Kreuzigung sichtbar waren. Und gerade kraft dieser Wunden, kraft seines Todes und seiner Auferstehung sagt Jesus: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” {Joh 20,21). Nach diesen Worten haucht er die Apostel an und sagt: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert” {Joh 20,22-23). So hebt die Liturgie des Pfingstfestes die enge Verbindung zwischen der Herabkunft des Heiligen Geistes und dem Ostergeheimnis Jesu Christi hervor. An jenem Osterabend aber blieben die Jünger im Abendmahlssaal. Sie gingen nicht hinaus. Sie mußten fünfzig Tage warten, damit die Macht des Heiligen Geistes, den sie jetzt schon empfangen hatten, vor Jerusalem, vor seinen Bewohnern und den Pilgern, die zum Fest gekommen waren, offenbar werden könne. Die Priesterweihe, die ihr heute empfangt, liebe Diakone der römischen Kirche, lieg unmittelbar in gleicher Linie mit diesen Ereignissen. Auch ihr werdet in Kürze die Worte hören: „Komm, Heiliger Geist!” In diesen Worten drückt die Kirche aus, was Christus euch sagt: „Empfangt den Heiligen Geist!” In eurer Seele also wird vor neuem Wirklichkeit, was an jenem Osterabend geschah, und auch das, was an Pfingsttag nach außen hin zum Ausdruck kam. Das Priestertum ist das Sakrament das heißt das wirksame Zeichen einer besonderen Gegenwart Christi als Hirt unc Bräutigam der Kirche. Die heiligen Weihen, die sie erteilt, stehen in enger Verbin düng mit dem Pfmgstereignis. 2. Was ist am Pfingstfest geschehen? Die Kirche hat die ihr eigene Sprache empfan gen. Die Muttersprache der Kirche ist die, in der sich die Macht des Heiügen Gei stes ausdrückt. In der Kraft des Heiligen Geistes werdet ihr von heute an die Worti Christi selbst sprechen: „Das ist mein Leib”, „Das ist der Kelch meines Blutes fü den neuen und ewigen Bund.” Ihr werdet auch die Worte sprechen: „Deine Sünde: sind dir vergeben” {Mt 9,5). Das ist die der Kirche eigene Sprache, die ihr am Pfingsttag ein für allemal gegebe: wurde. Die Apostel empfingen diese Sprache in der Ausgießung des Heiligen Gei stes, der machtvoll, gleich einem starken Sturm, über sie kam und sie mit der Glu von Feuerzungen bezeichnete. In der Kraft dieses Geistes gingen sie hinaus und be gannen zu reden. Zuerst sprach Petrus. Und dann geschah etwas Unglaubliches. Di 624 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sprache, in der sie redeten, die Muttersprache der Kirche, wurde als Sprache all derer offenbar, die ihnen zuhörten: als Sprache der Parther, der Meder, der Elamiter und der Bewohner von Mesopotamien, Sprache der Judäer und der Bewohner von Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, der Bewohner von Phrygien und Pamphylien, der Bewohner von Ägypten, von Lybien nach Cyrene hin und der Ausländer aus Rom (vgl. Apg 2,8-13). Es war also nicht nur die Sprache der Juden und der Proselyten, sondern auch die der Kreter und Araber. Alle vernahmen an jenem Tag eine neue Sprache, die Sprache der Kirche, die aus dem Heiligen Geist geboren wird. Sie hörten sie in ihren eigenen Sprachen. Und in diesen ihren Muttersprachen wurden ihnen „Gottes große Taten” verkündet. Sie vernahmen die Botschaft, daß jener Jesus, der vor kurzem gekreuzigt worden war, den Tod überwunden hatte. Er war Sieger über den Tod und war der Herr. 3. Am Tag der Priesterweihe wird die der Kirche eigene Sprache, die Sprache des Heiligen Geistes, in besonderer Weise eure Sprache. Nicht nur bei der Feier der Eucharistie, nicht nur im Bußsakrament, sondern auch in allem, was zum Aufbau des Leibes Christi dient, in jedem Dienst: in der Katechese, in der Unterweisung auf der Kanzel und bei Diensten jeder Art. Alle Christen kennen diese Sprache seit dem Tag ihrer Taufe und dann seit dem Tag der Firmung, wenn sie innerlich umgeformt werden von dem gleichen Heiligen Geist, den die Apostel als erste von Jesus Christus empfangen haben. Ihr empfangt diese Sprache, um zusammen mit euren Brüdern und Schwestern die Kirche aufzubauen, die der aus vielen Gliedern gebildete Leib Christi ist. Alle diese Glieder bilden dank dem Heiligen Geist einen einzigen Leib. Die Vielfalt wird zur Einheit, und die Einheit kommt gewissermaßen zur Ausgestaltung in der Vielfalt und wird durch sie bereichert. Ihr müßt gleichzeitig Diener dieser Vielfalt wie auch dieser Einheit sein. Durch euch muß sich der Heilige Geist kundtun. Es muß sich durch euch kundtun unser Herr Jesus Christus, von dem die Kirche unaufhörlich diesen Heiligen Geist empfängt. Wenn auch nur einmal im Jahr Pfingsten als Hochfest begangen wird, so ist doch im Leben der Kirche jeden Tag Pfingsten, jeden Tag, jede Stunde, an jedem Ort der Erde, in jedem Menschen und in jedem Volk. L Seit einigen Monaten ist das Große Gebet Italiens im Gang. Die Kirche betet für las Volk dieser geliebten Nation, betet im Blick auf die Zukunft zusammen mit al-en Söhnen und Töchtern Italiens. Die Kirche betet im Bewußtsein der tiefen Wurzeln, aus denen die Einheit Italiens wächst. Es handelt sich nicht nur um die ethni-;che Einheit, sondern vor allem um die kulturelle Einheit, die Einheit der Sprache, lie Einheit der Tradition, die so viele Elemente aus der Antike des Mittelmeerrau-nes in sich birgt. Diese Einheit aus der Vielfalt ist wie ein Widerschein jener Ein-leit der Kirche, in der der Heilige Geist wirkt: „Es gibt verschiedene Kräfte, die 625 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt” (1 Kor 12,6-7). Wie könnten wir in diesem Augenblick nicht an alle jene denken, die, wie ihr, seit zweitausend Jahren, seit den Zeiten der Apostel, die Priesterweihe zum Wohl ihrer Landsleute, der Bewohner dieser Halbinsel, empfangen haben. Müssen wir nicht aller Priester gedenken und dessen, was sie durch die Evangelisierungsarbeit zum Aufbau der geistigen, kulturellen und sozialen Einheit Italiens beigetragen haben? 5. Um uns nur auf einige mit Italien und Rom verbundene Priestergestalten aus den letzten Jahrhunderten zu beschränken, erwähnen wir den hl. Philipp Neri, den florentinischen und römischen Priester, der vor allem bei der Feier der hl. Messe die Verbundenheit mit Gott auf unsagbare Weise erlebte. Er zeichnete sich auch aus durch die Freude, die er um sich her zu verbreiten wußte, ebenso durch seine Gabe als Katechet und geistlicher Führer und durch sein Wirken für eine erneuerte Kunst und Kultur. Wir denken an den heiligen Johannes Baptista De Rossi, der aus Ligurien stammte, aber seit jungen Jahren in Rom war. Als Priester hatte er einen unerschöpflichen Eifer und verschwendete sich für die am Leib und an der Seele Leidenden in dei Sorge für die Kranken und im Dienst des Bußsakramentes. Zusammen mit diesen beiden Priestern nennen wir den Diener Gottes Don Pirrc Scavazzi und sind damit schon in unserer Zeit angekommen. Als beispielhafte Persönlichkeit zuerst eines römischen Pfarrvikars und dann eines Pfarrers war er aucl ein unermüdlicher Förderer von Pilgerfahrten zu den marianischen Heiligtümern unc ins Heilige Land und widmete sich in seinen letzten Lebensjahren ganz der Volks-mission, weil er bereits die Dringlichkeit einer Neuevangelisierung erkannte. Zuletzt sei auch noch eines Priesters aus einer nun schon lange zurückliegenden Zei gedacht, der seine überaus reiche Intelligenz ganz in den Dienst der göttlichen Of fenbarung stellte und jene Synthese der Philosophie und der Theologie aufzubauei verstand, aus der wir alle heute noch so viel schöpfen: der hl. Thomas von Aquin. E: bezeugt es und erinnert jeden Priester, besonders jeden Neupriester, daran, daß dir Liebe zur Weisheit und die Bereitschaft, sich zu mühen und anzustrengen, um sie zi erwerben, wesentlich sind, um unseren Dienst fruchtbar zu machen. 6. So hören wir also viele Priester in der schönen italienischen Sprache und ihrei verschiedenen Dialekten „Gottes große Taten verkünden”. Ihr schließt euch heuti allen diesen Priestern an. In der Kraft des Heiligen Geistes müßt ihr das große Erbi der Vergangenheit übernehmen und ihm eine Form geben, wie ihr es nur durch diesi Kraft des Geistes tun könnt. Habt in euch den Mut und die Liebe, wie die Apostel sie am Pfingsttag hatten! Eine wißt ihr, so wie sie es wußten: daß nur der Heilige Geist das Antlitz der Erde erneu em kann. Habt volles Vertrauen in Ihn, und geht in den Weinberg des Herrn, in den ihr in die ser besonderen Stunde der Geschichte berufen seid! 626 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist eine Stunde, schon nahe dem Jahr 2000, mit einer neuen Ausgießung des Geistes zur Ausbreitung des Gottesreiches bis an die äußersten Enden der Erde. Katechismus — Kompendium der Lehre der Kirche Botschaft zur Vorstellung des Katechismus der Katholischen Kirche in englischer Sprache vom 27. Mai Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! Mit Freude begrüße ich diese Gelegenheit der Herausgabe der englischen Übersetzung des Katechismus der Katholischen Kirche - eine Gelegenheit, die euch heute zusammengeführt hat-, um den verschiedenen Bischofskonferenzen englischer Sprache und ganz besonders euch zu danken für alles, was getan wurde, um diesen Text abzufassen, und jetzt auch für eure Bemühungen zu seiner Verbreitung. Ich möchte meine große Wertschätzung jenen zum Ausdruck bringen, die zu dieser Übersetzung beigetragen haben. Eure Arbeit ist gewiß nicht leicht gewesen. Sie erforderte fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Bischöfen und Experten aus den verschiedenen Bischofskonferenzen in den englischsprachigen Ländern sowie Vertretern der Römischen Kurie, vor allem den Mitgliedern der im Februar 1993 gebildeten Kommission aus verschiedenen Dikasterien, die sich mit allen auf die Promulgation des Katechismus folgenden Fragen befassen sollte. So war es möglich, für den Gebrauch in den zahlreichen Ländern der Welt, in denen Englisch gesprochen wird, eine einzige Übersetzung abzufassen, eine Übersetzung getreu dem Text des Katechismus, den ich am 8. Dezember 1992, dem Hochfest der Unbefleckten Empfängnis, für die ganze Kirche approbierte. Wir wissen alle um die Bedeutung dieser Veröffentlichung, die einer von Milhonen englischsprachiger Gläubigen tief empfundenen Notwendigkeit Rechnung trägt: Sie haben den Wunsch, den Text des Katechismus zu lesen und darüber nachzudenken und darin eine vollständige und ausgewogene Darstellung der katholischen Wahrheit zu suchen, wie sie von der Kirche auf der ganzen Welt bekannt, gefeiert, gelebt und gebetet wird. Im November 1986 sagte ich bei der ersten Zusammenkunft der Kommission, die aufgestellt war, um in Übereinstimmung mit der Empfehlung der Außerordentlichen Bischofssynode von 1985 den Katechismus zu entwerfen: „Ein Katechismus ist rieht das gleiche wie Katechese. Ein Katechismus ist ein Kompendium der Lehre ler Kirche; ,die Katechese aber, als jene kirchliche Tätigkeit, die Gemeinschaften and einzelne Christen zur Reife im Glauben führt’ (Allgemeines Katechetisches Direktorium, Nr. 21), gibt diese Lehre weiter mit Hilfe von Methoden, die dem Alter, ler Kultur und den Verhältnissen der verschiedenen Menschen angepaßt sind, so laß die christliche Wahrheit durch die Gnade des Heiligen Geistes zum Leben der üläubigen werden kann.” Zugleich aber sind, wie es die lange Erfahrung der Kirche 627 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN deutlich zeigt, die Texte, die in der katechetischen Unterweisung verwendet werden, bei der Übermittlung einer genauen Formulierung der christlichen Botschaft und der Lehre der Kirche von grundlegender Bedeutung. Folglich können wir die große Sorgfalt, den Zeitaufwand und die von zahlreichen Personen und Institutionen aufgebrachten Hilfsmittel für die Aufgabe, diesen Text zu erstellen und ihn dann in die verschiedenen modernen Sprachen zu übersetzen, als völlig gerechtfertigt betrachten. Das alles ist um so leichter verständlich, wenn wir bedenken, daß der Katechismus der Katholischen Kirche - wie ich in der Apostolischen Konstitution Fidei depositum schrieb - als „gültiges und legitimes Werkzeug kirchlicher Gemeinschaft” dienen soll und als „zuverlässiger und authentischer Nachschlagetext für die Unterweisung in der katholischen Glaubenslehre und ganz besonders zum Abfassen örtlicher Katechismen”. Infolgedessen stellt die Veröffentlichung des Katechismus, ganz abgesehen von der Herausgabe in all seinen Übersetzungen in moderne Sprachen, ein höchst bedeutsames kirchliches Ereignis dar. Der Katechismus ist ein kostbares Geschenk, das ir erster Linie euch, den Bischöfen, anvertraut ist, die als „Lehrer des Glaubens unc Hirten der Kirche” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 12) die Hauptverantwortlichen für die Katechese auf jeder Ebene sind. Durch euch wird er allen Katholiken anvertraut und allen, die auf der Suche sind nach einer Erklärung für die Hoffnung, die in uns ist (vgl. 1 Petr 3,15). Die Zeit, in der wir leben, weist, besonders in den ausgedehnten Gebieten der Welt, in denen Englisch gesprochen wird vielversprechende Kennzeichen auf, zugleich aber auch besorgniserregende Merkmale. Bei eurer Aufgabe, maßgeblich und mutig Zeugnis für den apostolischer Glauben zu geben, der von der Kirche die Jahrhunderte hindurch bewahrt und ge lehrt wurde, werdet ihr im Katechismus ein ausgezeichnetes Mittel finden, das eucl hilft, den Durst nach der Wahrheit, den heute so viele Menschen empfinden, vol und ganz zu stillen und ebenso dem Bedürfnis nach klarer Belehrung über morali sehe Fragen zu entsprechen, die tief in das Leben der einzelnen und der Gesellschaf eingreifen. Es wird also notwendig sein, örtliche Katechismen zu erarbeiten, die den besonde ren Bedürfnissen der Gläubigen angepaßt sind. Diese Katechismen ihrerseits müs sen den Katechismus der Katholischen Kirche zu ihrem gültigen und allumfassen den Bezugspunkt machen. So werden nationale und diözesane Katechismen in ihre eigenen katechetischen und pastoralen Sprache und ihren Methoden getreu da übermitteln, was die Gesamtkirche glaubt und lehrt, wie es zur Gänze und systema tisch im Katechismus der Katholischen Kirche dargelegt ist. Der Katechismus ist ein Werkzeug im Dienst der Einheit und der Universalität de Gottesvolkes. Hier haben wir einen zuverlässigen Bezugspunkt für alle Katechese ein angemessenes Mittel zur Ausbildung von Katechisten und Erwachsenen, ein Unterstützung für die Neuevangelisierung, ein Nachschlagewerk für die theologi sehe Forschung und eine Hilfe für das persönliche und das gemeinsame Gebei Schwierigkeiten mit der Übersetzung oder dem Ausdruck sollten die Wertschätzun 628 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seiner Bedeutung für das Leben der ganzen christlichen Gemeinschaft nicht miniem. Wir dürfen nicht aufhören, Gott zu danken, der der Kirche die Idee zum Katechismus, seine Verwirklichung und das vollbrachte Werk als Gnade geschenkt hat. lede Initiative eurerseits und von seiten eurer Brüder im Bischofsamt, den Katechismus so weit wie nur möglich bekannt zu machen und in Gebrauch zu nehmen, begrüße ich und ermutige dazu. In diesem Monat, der in besonderer Weise Maria geweiht ist, an deren Fest der Unbefleckten Empfängnis der Katechismus feierlich cromulgiert wurde, möge ihre mächtige Fürbitte das Bemühen der ganzen Englisch sprechenden Kirche unterstützen, dem Katechismus eine gute Aufnahme zu bereiten md sich ihn zu Herzen zu nehmen, damit die Bande kirchlicher Gemeinschaft gestärkt werden und die echte Erneuerung des kirchlichen Lebens noch weiterhin verbessert wird. Vlit dem Gebet, daß der Vater unseres Herrn Jesus Christus euch in diesem Bemü-len bestärken möge, erteile ich euch und den Kirchen und den Ländern, die ihr ver-retet, mit Freude meinen Apostolischen Segen. \.us dem Vatikan, am 27. Mai 1994 foannes Paulus PP. II Dank an Maria — Mutter der Barmherzigkeit lotschaft an die Gläubigen, die an der alljährlichen Feier zum Abschluß des Marinmonats Mai bei der Lourdesgrotte im Vatikan teilnahmen, vom Generalvikar für len Staat der Vatikanstadt, Virgilio Kardinal Noe, verlesen, vom 31. Mai iebe Brüder und Schwestern! /oll Freude hätte ich, wie gewohnt, an der Schlußfeier des Marienmonats bei der .ourdesgrotte in den Vatikanischen Gärten teilnehmen wollen. Aber weil es mir in iesem Jahr nicht möglich ist, möchte ich bei diesem marianischen Treffen wenig-tens geistig anwesend sein mit einem herzlichen Wort des Grußes und der Hoch-chätzung für euch alle, die ihr eine so bedeutsame Geste der Verehrung gegenüber er seligsten Jungfrau vollbringen wolltet. mch ich knie zu Füßen der Immakulata nieder, denke an die Ereignisse dieses Mainmonats und richte an sie ein inniges Lob- und Dankgebet. a, ich danke dir, Mutter der Barmherzigkeit, für deine heiligen Tränen! Zu Beginn ieses Monats hätte ich die nach dir benannte Wallfahrtskirche in Syrakus einwei-en sollen, aber die Vorsehung forderte noch eine längere Vorbereitungszeit. Tröste, arum bitte ich dich, alle Leidenden; erlange durch deine Tränen die Bekehrung al-:r, die Gefangene der Lüge und Sünde sind. 629 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich danke dir, Königin von Afrika, für die jüngste Sonderversammlung der Bi schofssynode für Afrika, die die Würde und den Glauben der Völker dieses Erdteil vor Augen geführt hat. Dir empfehle ich erneut die Früchte dieses Treffens mit de innigen Bitte, für unsere Brüder und Schwestern in Ruanda und Burundi den Friedei zu erlangen, ebenso für alle afrikanischen Flüchtlinge und Leidtragenden der bru dermörderischen Kriege. Ich danke dir, Jungfrau, Braut und Mutter, für alle Ehepaare, die Kinder, die Groß eitern und alle anderen Familienmitglieder, die in diesem besonderen Jahr eine weit umspannende Kette des Gebets der Familien für die Familien bilden. Hilf in den Si tuationen materialler und moralischer Armut; lenke unser Augenmerk auf das wer dende Leben und das Leben, das dem Ende zugeht; gib, daß die Eltern und Kinde einander ehren; schenke allen die Freude eines einfachen, tätigen, glaubenstreue Lebens. Ich danke dir, bittende Jungfrau, für alle, die in diesem Monat Gebete und Opfer ft den Papst dargebracht, und besonders für die Klarissinnen, die am 13. Mai im Klc ster „Mater Ecclesiae” ihren geistlichen Dienst wenige Meter von deiner Grotte i den Vatikanischen Gärten entfernt aufgenommen haben. Mit den heute abend dir zu Füßen versammelten Pilgern lobe und preise ich dich. Liebe Brüder und Schwestern, diese Empfindungen kommen mir spontan aus dei Herzen, und ich möchte sie mit euch vor den Augen der himmlischen Mutter Gotte und der Kirche teilen. Während ich vor Maria mit vertrauensvoller Hingabe das „Totus tuus” kindlich« Zuneigung erneuere, erteile ich euch allen - mit einem besonderen Gedanken an ui seren lieben Kardinal Virgilio Noe, meinen Vikar für den Staat der Vatikanstadt meinen Segen, den ich gern auf eure Angehörigen und Lieben ausdehne. Aus dem Vatikan, 31. Mai 1994 Fronleichnam - eucharistische Verehrung Predigt am Fronleichnamsfest, 2. Juni, (verlesen von Generalvikar Camillo Kardinal Ruini) 1. „Ave verum Corpus, natum de Maria Virgine ... Sei gegrüßt, wahrer Leib, d« Maria geboren hat...”. Nach der hl. Messe wird die versammelte Gemeinde sich auf den Weg zur Basilil Santa Maria Maggiore begeben, zum Heiligtum der Mutter Jesu. Das Hochfest vo „Leib des Herrn”, „Corpus Domini”, ist ganz eng mit dem Geheimnis der Mcnsc' werdung verbunden. Das Wort ist durch den Heiligen Geist im Schoß der Jungfn Fleisch geworden, und so gebar Maria den Sohn Gottes, der wahrer Mensch wurd Von ihr, der Muttergottes, nahm das göttliche Wort einen menschlichen Leib a Ganz zu Recht also findet die jährliche Fronleichnamsprozession auf dem Vorpla 630 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Liberianischen Basilika, des ältesten Marienheiligtums im Abendland, ihren Abschluß. 2. Der Ausgangspunkt aber ist hier, bei der Basilika St. Johannes im Lateran. Und das nicht ohne tiefen Grund. „Ave verum Corpus, natum de Maria Virgine. Vere jassum, immolatum in cruce pro homine ... Leib, der wahrhaft gelitten hat, für den Menschen am Kreuz geopfert ...”. Das Geheimnis der am Kreuz vollbrachten Erlösung wurde kurz und markant von Johannes dem Täufer ausgedrückt, der, als er Jesus von Nazaret an den Jordan kommen sah, mit folgenden Worten auf ihn hinwies: ,Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt” (,Joh 1,29). Er sagte mit anderen Worten genau dieses: „Vere passum, immolatum in cruce pro lomine.” Jhristus ist, wie der Verfasser des Briefes an die Hebräer betont, „ein für allemal in las Heiligtum hineingegangen ... mit seinem eigenen Blut” (Hebr 9,12). Es ist nicht nöglich, den Leib vom Blut zu trennen, darum also wird mit Recht das eine Ge-leimnis des heiligsten Leibes und Blutes Christi angebetet und gefeiert, is wird in besonderer Weise in dieser Basilika, der „Mutter aller Kirchen”, gefeiert, dier findet ja, abgesehen von den festlichen Eucharistiefeiem, seit 20 Jahren von len „Missionarinnen der Eucharistie” mit beharrlichem Eifer gepflegt, die tägliche ucharistische Anbetung statt. Vor dem feierlich ausgesetzten heiligsten Sakrament erweilen die Gläubigen in Betrachtung über das Geheimnis der Erlösung, über das Jeheimnis des Todes und der Auferstehung Christi. . „Esto nobis praegustatum mortis in examine ... gib, daß wir dich in Todesgefahr enießen...” Vas ist die Fronleichnamsprozession anderes als ein ausgeprägter Akt der Veredlung der Eucharistie? Er bringt uns zum Bewußtsein, daß wir den Lebensweg in der iraft der göttlichen Speise gehen, gestärkt vom Leib und Blut des Herrn. Es erfüllt ns der Wunsch, daß dann, wenn der menschliche Pilgerweg auf Erden zu Ende eht, Cliristus uns zur Speise für die Ewigkeit werde. „Esto nobis praegustatum lortis in examine ...”. . Hier, in dieser Basilika, begeht der Bischof von Rom am Gründonnerstag die Li-lrgiefeier vom Abendmahl des Herrn, das eindrucksvolle Gedächtnis der Einset-ung des Sakramentes, in dem das Opfer Christi gegenwärtig wird: Ihr „verkündet en Tod des Herrn, bis er kommt” (i Kor 11,26). Heute aber hat die Kirche den /unsch, anzubeten. Nach der hl. Messe wird die Prozession der Anbetung begin-en. Adoro te devote latens deitas, quae sub his figuris vere latitas ... In Demut bet’ ich ich, verborg’ne Gottheit an, die du den Schleier hier des Brotes umgetan ...”. Der l. Thomas von Aquin, der ausgezeichnete Theologe in der Geschichte der Kirche, ar zu gleicher Zeit auch ein inspirierter Dichter, der die Eucharistie besungen hat. i der Liturgie singen wir: „Pange lingua gloriosi corporis mysterium ... Preiset, ippen, das Geheimnis dieses Leibs voll Herrlichkeit” und ebenso: „Adoro te de- 631 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vote”, den vielleicht bekanntesten eucharistischen Hymnus. In ihm heißt es weiter „Tibi se cor meum totum subicit, quia te contemplans totum deficit ... Sieh, voi ganzem Herzen schenk ich dir mich hin, weil vor solchem Wunder ich nur Armu bin.” Das ist Anbetung, und das bedeutet die eucharistische Fronleichnamsprozessi on. 5. An der heutigen Prozession nimmt Rom teil, das Rom aller Basiliken, Kirche: und Kapellen, aller Pfarreien und Ordensgemeinschaften, das alte und das neu Rom. Das eucharistische Rom. Am kommenden Sonntag hingegen ist der Treff punkt in Siena, wo die Kirche Italiens ihren Nationalen Eucharistischen Kongre: begeht. Wir wollen, daß dieser Donnerstag der Eucharistie in Rom dem eucharisti sehen Tag ganz Italiens vorausgehe und ihn ankündige. Und wir möchten, daß da eine wie auch das andere Treffen eine Wegstrecke in dem Großen Gebet Italien und für Italien sei, das am vergangenen 15. März begonnen hat. Gibt es wohl ei erhabeneres Gebet als die Eucharistie? Das Konzil hat daran erinnert, daß sie de Höhepunkt und die Quelle aller Gottesverehrung in der Kirche ist (vgl. Sacrosar, ctum concilium, Nr. 10). Von was anderem als von der Eucharistie haben sich Roi und das christliche Italien genährt? Ja, es gibt Gründe genug, um anzubeten, zu dar ken, Abbitte zu leisten und Bitten vorzutragen. „Ave verum Corpus, natum de Maria Virgine.” Eucharistie - Mittelpunkt der Kirche Botschaft an die im sozialen Bereich tätigen Katholiken auf dem Nationalen Eucharistischen Kongreß in Siena, verlesen am 4. Juni Liebe Brüder und Schwestern, die ihr in den weiten Bereichen des sozialen Einsatzes tätig seid! 1. Wenn ich auch physisch nicht bei euch sein kann, so möchte ich doch wenigstei geistig bei euch weilen und euch grüßen. Der Nationale Eucharistische Kongreß, e dem ihr in der wunderbaren Stadt Siena aktiv teilnehmt, ist ein bedeutsames kirchl ches Treffen, ein außerordentliches Ereignis für die ganze italienische Nation. Er ragt auch besonders hervor als eine Station im Großen Gebet des italienische Volkes, das am 15. März in Rom begonnen hat und am 10. Dezember in Loreto al geschlossen wird. Gerade weil er ein eucharistisches Ereignis ist, hat der Kongre eine so große Bedeutung: In der Eucharistie hat ja die Kirche ihren Mittelpunl mehr noch: ihr ganzes Gut, Jesus, den Herrn. In diesem Sakrament läßt er se Paschamysterium besonders fruchtbar werden, indem er sich zur Nahrung für seii Jünger macht, die auf den Wegen der Welt unterwegs sind, und sich ihnen als Vc Wegnahme und Unterpfand der endgültigen Begegnung im Himmel anbietet. Es ist gewiß nicht ohne Bedeutung, daß der Kongreß in Siena stattfindet, in d Stadt der heiligen Katharina und des heiligen Bemhardin: Katharina, die grol 632 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mystikerin, zarte und starke Tochter der Kirche, besorgt um die Probleme der Christenheit; Bernhardin, der glühende Franziskaner, Herold des Evangeliums und Friedensstifter im Namen Jesu. 2. In der Szenerie, die eure eindrucksvolle eucharistische Versammlung kennzeich-let, konvergiert alles auf die Einheit hin: In eurer unterschiedlichen Herkunft ist Ita-ien mit seinen vielen Regionen vertreten, jede von ihnen mit ihren typischen Beson-ierheiten und eigenen Gaben, die auf eine bereichernde und symphonische Pluralität ungeordnet sind; in eurem gemeinsamen Glauben wird der historische Weg der ganzen Nation ins Gedächtnis zurückgerufen, eine Synthese aus zahlreichen Erfah-■ungen und Beiträgen, die jedoch zutiefst von der Verkündigung des Evangeliums gezeichnet sind. Die Eucharistie erscheint hier mehr denn je nicht nur als der große Schatz der Kir-:he, sondern auch als der goldene Faden, der die ohne Unterlaß aus ihr genährten :hristlichen Generationen untereinander verbindet. Die Eucharistie ist für alle Iläubigen der wirklich feste Punkt, um den Hebel für den mühsamen Aufbau der Zukunft anzusetzen. i. Was anderes ist denn die Eucharistie als die lebendige, wenn auch geheimnisvolle legenwart Christi unter uns? „Wer mein Heisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt n mir, und ich bleibe in ihm” (Joh 6,56). Unter den bescheidenen Zeichen des Bro-es und des Weines verbirgt sich der in Betlehem von der Jungfrau geborene Sohn lottes, wird der Schmerzensmann von Golgota, der siegreich vom Tod Erstandene nd Herr der Geschichte, gegenwärtig. ■o soll denn das Große Gebet zu einer erneuten Begegnung mit Christus werden, .assen wir ihn in jedem von uns den vielleicht ein wenig eingeschlummerten Glau-en wieder aufwecken, die lau gewordene Liebe und die müde gewordene - und in ranchen vielleicht auch verwundete - Hoffnung wieder beleben. Rufen wir ihm mit en Jüngern von Emmaus zu: „Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend!” Lk 24,29). Bleib bei uns! Bleib bei unseren Familien, bei der Jugend, den Arbeitern, en Kranken. Bleib bei unserem geliebten Itaüen! . Die Eucharistie, meine Lieben, das wollen wir nie vergessen, ist Gabe und Auf-abe zugleich: In ihr leuchtet die Logik der Liebe auf, aus ihr entspringt die Lebens-raft der Gemeinschaft. leute können wir uns fragen: Wie wird das Gesicht der Kirche Italiens in der tunde des Großen Jubiläums des Jahres 2000 aussehen? Wie wird das Italien der ächsten Jahre aussehen? he Zukunft liegt im Herzen Gottes, aber auch in unseren Händen. Wie soll eine ukunft mit neuer Hoffnung Zustandekommen? Die Eucharistie zeigt uns die iauptstraße dorthin. s ist eine Straße des Dienstes, der auf allen Ebenen - in der Gesellschaft, Wirt-;haft und Politik- entartetes Unterdrückungs- und Überwältigungsdenken aus-:hließt. Es ist die Straße der Solidarität, die die eigenen Talente und Mittel den an- 633 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN deren zugute kommen läßt, und zwar allen anderen, wobei die am meisten Bedürfti gen und Geprüften besonders bevorzugt sind. Es ist die Straße der Einheit, jene organischen Einheit, die - weit entfernt davon, der Besonderheit und Verantwort lichkeit eines jeden Abbruch zu tun - dadurch zustandekommt, daß sie Brücke] zwischen den verschiedenen Eigenarten schlägt und bestrebt ist, in der Aufnahme bereitschaft für die Wahrheit immer breiteren Raum zu suchen für Wege, die zu sammenführen in einem Horizont der Toleranz, der Brüderlichkeit und des Friedens 5. Das alles, liebe Brüder und Schwestern, führt uns zu der im Glauben und mit in nerer Anteilnahme gefeierten, angebeteten und gelebten Eucharistie hin. In de Liebe zur Eucharistie und aus der Eucharistie, von der euer Kongreß erfüllt isi münden die tausend Ströme ein, die aus dem Glauben des katholischen Italien flie ßen. Von dort, vom Sakrament der Eucharistie, soll heute ein großer Impuls verein ten Bemühens ausgehen, der zum moralischen und sozialen Fortschritt der einzel nen, der Familien und des ganzen italienischen Volkes beitrage. Siena ist eine Stadt, die sich gerne „Stadt Mariens” nannte. In Siena hat der heilig Bemardin die Schönheit der heiligen Jungfrau ins Licht gestellt. Ihr, Maria, vertrau ich wiederum das geliebte Italien, meine zweite Heimat, an, und durch ihre Fürsprt che rufe ich auf Iatlien und seine Verantwortlichen den Segen Gottes herab. Aus dem Vatikan, am 4. Juni 1994 Die Gegenwart Christi in der Eucharistie erkennen Rundfunkbotschaft an die jungen Teilnehmer des Eucharistischen Kongresses in Siena am 4. Juni Liebe Jugendliche, die ihr in Siena zum Eucharistischen Kongreß versammelt sei< Ich kann nicht unter euch weilen, aber ich möchte euch sagen, daß ich euch im Ge ste nahe bin, während ihr euch anschickt, nach dem gemeinsamen Rosenkranzgeb eine Gebetswache zu beginnen, die die Nacht über dauern wird. Ich freue mich mit euch Jugendlichen, die ihr vor der Eucharistie verweilen woll denn unter dem „einfachen” Zeichen des Brotes und Weines erkennt ihr die Gegei wart Christi, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Ihr versteht es, d Worte Jesu aufzunehmen, als seien sie an jeden von euch persönlich gerichte „Nehmet und esset: Das ist mein Leib ... Nehmet und trinket: Das ist mein Blut Diese Worte setzen von neuem ein Ereignis gegenwärtig, in dem die übematürlicl Berufung jedes Menschen aufgezeigt wird: Geschenk sein und sich zum Geschei machen. Ich freue mich mit euch, junge Italiener, daß ihr die Augen des Herzens a Jesus in der Eucharistie richtet, das Geschenk des Vaters: So könnt ihr eure Ber fung erkennen als einen Plan, den es Tag für Tag in Freiheit und mit Hingabe : verwirklichen gilt. 634 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Jungen und Mädchen des Eucharistischen Kongresses von Siena! Bleibt Jesus m der Eucharistie immer nahe: Beim Brotbrechen werdet ihr die wahre Liebe erkennen, die sich selbst vergißt, um immer nur das Wohl des andern zu suchen. Ihr werdet entdecken, daß Jesus bereit ist, all eure Schwächen, alle Sünden auf sich zu rehmen. Und während ihr seine weiteren Worte hört: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe” (Joh 13,15), verdet ihr lernen, daß die wahre Größe darin besteht, aus Liebe zu dienen, und in liesem Bemühen werdet ihr die Freude des Lebens finden. Die Gottesmutter gehe euch auf dem Lebensweg voran. Auch der Papst will euch iahe sein und segnet euch. Gottesdienst als Gebet und Opfer Botschaft zum Abschluß des XXII. Nationalen Eucharistischen Kongresses in Siena im5. Juni Jelobt sei Jesus Christus! . Zum Abschluß des Italienischen Eucharistischen Kongresses möchte ich euch Ilen, die ihr zur Feier der Eucharistie versammelt seid, mein herzliches Gedenken ussprechen. Es wäre mein lebhafter Wunsch gewesen, euch persönlich zu begeg-en, doch hat es die göttliche Vorsehung anders verfügt. Ich grüße euch daher herz-ch und wünsche einem jeden: Der Friede sei mit euch! ch grüße vor allem den verehrten Bruder Kardinal Giacomo Biffi als Sondergesand-:n des Papstes; ich grüße den Erzbischof von Siena, Msgr. Gaetano Bonicelli; ich rüße die Bischöfe der gebebten italienischen Nation, die um den Altar versammelt ind. Ich grüße die Priester, die männüchen und weiblichen Ordensleute, die aktiv n Dienst des Evangebums engagierten Laien; ich grüße die Jugendlichen; ich grüße ie Kranken, und ich grüße die gesamte Gemeinschaft der Christen in haben, die so edeutend und zahlreich vertreten ist. Herzbch grüße ich den Herrn Präsidenten der .epublik, die versammelten Autoritäten, die Bevölkerung von Siena und der Tos-ana und wünsche zugleich der ganzen Nation alles Gute. . Mit der Feier des Eucharistischen Kongresses haben wir den Glauben an das Sa-rament des Altares verkündet, dieses Sakrament, das die hl. Katharina, die aus eu-;r Stadt stammt, als das „süße Sakrament des Leibes und des Blutes Jesu Christi, anz Gott und ganz Mensch”, bezeichnet hat, ein Sakrament, das jeder Gläubige mit tieibgem, echtem und heißem Verlangen” empfangen muß (Brief.\ Nr. 358), als überaus süße Speise ... die uns nährt und stärkt, während wir in diesem Leben als ilger unterwegs sind”, so die Worte der hl. Katharina {Rede, Nr. 22). Der il. Raimund von Capua berichtet, daß, wenn die Heilige nicht kommunizieren onnte, „ihr Körper mehr zu leiden hatte, als wenn sie von einem starken Schmerz äre gepeinigt worden”, und sie bat ihn: „Vater, ich habe Hunger! Um der Liebe 635 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes willen, geben Sie mir die Speise für meine Seele!” (Legenda major II, 12 Nr. 315). Erbaut von einer solchen Glut des Glaubens, beten auch wir Christus an, der unte den Gestalten von Brot und Wein sich wirklich hinschenkt zum Wohl der ganzei Menschheit. Die Wahrheit des einen Gottes, der sich hinschenkt, hat sich weithin ii der Welt verbreitet. Sie ist zunächst eine Besonderheit der großen alten griechische) und römischen Kulturen geworden, dann sämtlicher europäischer Nationen, die au den Ruinen des Römischen Reiches entstanden sind. Mit der Entdeckung der Neue: Welt hat sich diese Wahrheit zugleich mit dem Evangelium auf dem amerikanische: Kontinent verbreitet, dann in Afrika und auch im Femen Osten. Für all das müssen wir Gott danken. Jeder Eucharistische Kongreß ist eine feierlich Bekundung der Dankbarkeit; Eucharistie heißt ja gerade Dankbarkeit. Heute abe müssen wir gemeinsam dem Herrn danken für den Beitrag, den Italien zur Kenntni der Wahrheit von Gott, der die Liebe ist, geleistet hat; von Gott, der sich hir. schenkt, von Gott, der zur Eucharistie wird. In der Eucharistie empfangen wir ei Geschenk und danken zugleich für das Geschenk. Wir danken für die Gabe de Schöpfung, für die Gabe der Menschwerdung und Erlösung. Wir danken für di Gabe von Brot und Wein, mit der uns Christus auf unserem irdischen Weg zui Vater hin nährt. Christus ist der ewige, wesensgleiche Sohn des Vaters; er ist de Wort, durch das und in dem alle Dinge geschaffen wurden; doch zugleich ist er de Wort, in dem die Danksagung eines jeden Geschöpfes zum Ausdruck kommt. 3. Die Eucharistie ist aber noch mehr. In ihr vollziehen wir nicht nur den wahre Gottesdienst: In ihr wird auch das Opfer Christi gegenwärtig, die einmalige un unwiederholbare Hingabe des Neuen und ewigen endgültigen Bundes (vg Hebr 9,14). Liebe Brüder und Schwestern, wenn wir an diesem Opfer teilnehmen, entdecken w jedesmal neu die Verpflichtung und Freude, auch aus uns ein hochherziges und vo behaltsloses Geschenk an den Herrn und an den Nächsten zu machen. Wir sind au gerufen, aus unserem Leben ein lebendiges Opfer zu machen, das mit dem Opfi Christi vereint ist. Das Opfer gehört zur Fülle des wahren Gottesdienstes, den di Mensch Gott darbringen muß. Es geht nicht nur um den Kult des Gebetes, vielmel um die Hingabe seiner selbst, dank deren wir das ewige Erbe als Adoptivkind Gottes erhalten. Aus der Kommunion erfließt der Dienst, wie es das Thema d( Eucharistischen Kongresses ja schön herausgestellt hat. Jesus schenkt sich selbst im letzten Abendmahl, indem er das Kreuzesopfer vo wegnimmt. Er sagte seinen Jüngern: „Tut dies zu meinem Gedächtnis” (Lk 22,IS Die Eucharistie ist daher ein Gedächtnis, das lebendige Andenken an das Letz Abendmahl und den Kalvarienberg, das unblutige Opfer, das von der Kirche una lässig „in der Person Christi” dargebracht wird. Hier liegen Fundament und Gipfel der ganzen sakramentalen Ordnung. Hier lie das Geheimnis des christlichen Lebens. Unter den Sakramenten ist die Eucharist 636 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jenes, in dem die Kirche ihr tiefstes Wesen zum Ausdruck bringt: daß sie der mystische Leib Christi ist, die Braut des Erlösers. 4. Heute, meine Lieben, wiederholt Italien mit dem hl. Thomas von Aquin: „In Demut bet ich dich, verborgene Gottheit, an.” Wer sich gläubig der Eucharistie naht, kann sich nur anbetend niederwerfen und sich die Worte des Apostels Thomas zu eigen machen: „Mein Herr und mein Gott!” (Joh 20,28), und die des hl. Thomas von Aquin: „Dir unterwirft sich gänzlich mein Herz, denn wenn es dich betrachtet, schwindet es dahin.” Der Verstand des Menschen ist vor dem Geheimnis der Eucharistie ohnmächtig: „Er schwindet gänzlich dahin.” Der Gläubige aber versenkt sich im Bewußtsein seines eigenen Ungenügens im Gebet und erweist Christus höchste Ehre in einem Schweigen, das Ja sagt und anbetet. Die Kirche in Italien ist in diesen Tagen in Siena versammelt und hält Anbetung. Der Nationale Eucharistische Kongreß ist ein wichtiger Augenblick der Anbetung des in der Eucharistie verborgenen Gottes, wie sie einen wesentlichen Bestandteil der Jahrhunderte langen Geschichte Italiens bildet. Man begegnet nämlich dem „eucharistischen” Italien in den Katakomben, in den Basiliken und Museen; überall kann man auf das Geheimnis Gottes treffen, der in außerordentlicher Weise angebetet wird. Möge diese Anbetung Mittelpunkt des Großen Gebetes für Italien sein, das sich durch das laufende Jahr erstreckt und es auf das große Jubiläum des Jahres 2000 vorbereitet. Mögen die Italiener, zumal die Familien in diesem Jahr, das ihnen besonders geweiht ist, Gott anbetend bitten, der „die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab” (Joh 3,16). Die eucharistische Anbetung, die Anbetung, wie sie in tausend ergreifenden Formen vom italienischen Volk heute und im Verlauf der Jahrhunderte vorgelebt wird, möge auch die neuen Generationen dieses edlen Landes zur Begegnung mit ihrer Zukunft auf Erden und im Himmelreich führen! Mit diesen Wünschen umarme ich euch alle und segne alle im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Bischöfe und Priester von Rebellen ermordet Brief an die Bischöfe in Ruanda, an die Priester, die Ordensmänner und die Ordensfrauen, an die katholischen Gläubigen und das ganze ruandische Volk vom 9. Juni An meine Brüder im Bischofsamt in Ruanda, in die Priester, die Ordensmänner und die Ordensfrauen, m die katholischen Gläubigen und das ganze ruandische Volk. Tief erschüttert von den Nachrichten, die ich aus eurer Heimat erhalte, vereinige ich nich mit euch, um den grausamen Tod von Msgr. Vincent Nsengiyumva, Erzbischof /on Kigali, von Msgr. Thaddee Nsengiyumva, Bischof von Kabgayi und Vorsitzen- 637 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der der Bischofskonferenz von Ruanda, von Msgr. Joseph Ruzindana, Bischof von Byumba, und auch von mehreren Priestern und Ordensleuten zu beklagen. Die dramatische Lage, in die Ruanda aufgrund des schrecklichen Konflikts geraten ist, der das Land zerreißt, drängt mich, Gott, den Vater allen Erbarmens, und Christus, der sein Leben für die vielen hingegeben hat, anzuflehen, daß er dieser gemarterten Nation Versöhnung gewähre und die Opfer gnädig bei sich aufnimmt. Mögen die Hirten, die mit so vielen bei brudermörderischen Zusammenstößen gefallenen Brüdern und Schwestern gestorben sind, im Himmelreich für immer den Frieden finden, der ihnen in ihrem geliebten Land versagt war! Ich bete zum Herrn für die ihrer Bischöfe und vieler Priester beraubten Diözesan-gemeinden, für die Familien der Opfer, für die Verletzten, für die seelischem Schock ausgesetzten Kinder, für die Flüchtlinge. Jeder möge trotz des Grauens der Ereignisse dieser Tage den Trost brüderlicher Liebe und das Licht der Hoffnung finden! Ich beschwöre alle Ruander sowie die Verantwortlichen der Nationen, die ihnen zu Hilfe kommen können, unverzüglich alles zu tun, damit sich Wege der Eintracht und des Wiederaufbaus in dem so schwer getroffenen Land öffnen. Im Namen der Liebe Christi rufe ich die Gläubigen der katholischen Kirche in der ganzen Welt auf, unablässig für den Frieden auf afrikanischem Boden zu beten und alle Mittel der Solidarität aufzubieten, um den in den Abgrund der Prüfung gestürzten Brüdern und Schwestern beizustehen. Hirten und Gläubige Ruandas, ruandisches Volk, wißt, daß ich euch jeden Tag nahe bin. Ich vertraue euch der Fürsprache der Mutter Christi an, die unter dem Kreuz stand und sah, wie das Herz ihres Sohnes durchbohrt wurde. Gott möge euch den Trost seiner Gnade schenken. Dazu erteile ich euch mit meiner ganzen Zuneigung den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 9. Juni 1994 Joannes Paulus PP. II Eheleute sind Apostel der Frohen Botschaft der Familie Homilie bei der Messe für die Brautleute am 12. Juni (verlesen vom Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Familie, Alfonso Kardinal Lopez Trujillo, der die Messe zelebrierte) 1. Die Peterskirche heißt euch willkommen, ihr jungen Menschen, die ihr heute dei Bund der Ehe schließen werdet. Ihr seid aus Ländern verschiedener Erdteile hier hergekommen. Ihr stellt für die Kirche all die Brautleute dar, die im Jahr der Familii bereits das Ehesakrament gefeiert haben oder noch feiern werden. Indem der Bi schof von Rom euren Bund segnet, möchte er im Geiste allen Eheleuten der Wel verbunden sein, die sich eheliche Liebe und Treue bis zum Tode versprechen. Die 638 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist ein großes Sakrament und, wie der Apostel Paulus (vgl. Eph 5,32) bestätigt, ein „großes Geheimnis” in Christus und in der Kirche. Ihr selbst feiert es. Ihr selbst seid seine Diener. Die Teilhabe am Priestertum Christi, die euch durch die Taufe zugesprochen wurde, kommt in diesem Sakrament ganz besonders zum Ausdruck. Nachdem ihr das Jawort zur Eheschließung gegeben habt, werdet ihr die Trauringe austauschen, die der Zelebrant gesegnet hat. Sie sind das Symbol des Bundes, der euch von heute an vereinigen wird. Es ist ein freudiger Bund, denn er geht aus gegenseitiger Liebe hervor; und zugleich ist es ein verpflichtender Bund, denn ihr übernehmt gegenseitige Verantwortung: Der Bräutigam ist verantwortlich für die Braut, die Braut für den Bräutigam, und gemeinsam seid ihr verantwortlich für die Kinder, die aus eurer Gemeinschaft hervorgehen. 2. Wir haben soeben eine Stelle aus dem Buch Genesis gehört. Von Anfang an spricht die Heilige Schrift von der Institution der Ehe, deren Urheber der Schöpfer ist: Gott schuf den Menschen als sein Abbild; als Mann und Frau schuf er sie (vgl. Gen 1,27). Er verlieh beiden die gleiche personale Würde und wies ihnen zugleich den Weg zur Gemeinschaft und zur Einheit. Für diese ursprüngliche Gemeinschaft verläßt der Mann seinen Vater und seine Mutter, um sich an seine Frau zu binden und ein Heisch zu werden (vgl. Gen 2,24). In der Ehe entdecken der Mann und die Frau ihre gemeinsame Berufung. Der Mensch kann sich nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden (Gaudium et spes, Nr. 24). An diese grundlegende Wahrheit habe ich im Brief an die Familien (vgl. Nr. 11) erinnert, und heute rufe ich sie euch in Erinnerung, die ihr durch das Sakrament der Ehe füreinander eine Gabe des Herrn werdet. Die eheliche Einheit ist eine ganz besondere Form christlicher Gabe, denn aus ihr erwächst das Leben neuer Menschen. Die Weitergabe des Lebens macht den Menschen - den Mann und die Frau - dem Schöpfer ähnlich, da er seine wahre Teilhabe an der Schöpferkraft verwirklicht. 3. Heute hat der Herr auch durch den Brief des hl. Paulus an die Epheser zu euch gesprochen: „Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder, und liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt” (Eph 5,1). Und wir ahmen Gott nach, indem wir uns das Geheimnis Christi vor Augen halten, durch das er uns alle geliebt hat: Er hat uns geliebt bis zum Tode. Durch sein Opfer hat er uns die vollkommene Liebe offenbart, aus der wir ohne Unterlaß neue Energien schöpfen, an denen wir unsere Liebe nähren können. Und wie ist dieser Weg der Liebe beschaffen, auf den uns der Apostel ruft? Er offenbart sich in der Gottesfurcht. Dies ist durchaus verständlich, denn angesichts der Heiligkeit Gottes selbst, des Schöpfers und Vaters, seht ihr eurer Zukunft entgegen, die euch vor eine große Aufgabe stellt. Ihr tretet vor sein Angesicht mit all eurer menschlichen Schwäche, doch auch mit eurem großen und guten Willen. Möge euch 639 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Gottesfurcht helfen, euch einander unterzuordnen, euch einander zu dienen und gemeinsam euren Kindern zu dienen. Denn in einem solchen Dienst kommt die Würde des Menschen zum Ausdruck: dienen heißt herrschen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 36). Der Apostel richtet sich in seinen Briefen zum größten Teil an die Ehemänner. Als erstes sind es die Ehemänner, die dazu aufgerufen sind, ihre Frau zu heben, sich um sie zu sorgen und sie wie sich selbst zu lieben. Auch dies ist durchaus verständlich, denn in der Ehe nimmt die Frau die ihr vorbehaltenen Beschwerden der Mutterschaft auf sich. Daher sollte der Ehemann ganz besonders empfänglich sein für die Bedürfnisse ihres Herzens; er sollte sich um ihre Seele und ihren Körper sorgen. In ihrer Mutterschaft darf sie nicht sich selbst überlassen sein. Der Ehemann sohte stets betonen: Das ist „unser Kind”. Wie könnte er seiner Frau nicht dankbar dafür sein, daß sie ihm die ganz besondere Gnade der Vaterschaft hat zuteil werden lassen? 4. Im Evangelium klingen einige Äußerungen des Herrn aus der „Bergpredigt” nach, die für unsere Meditation wertvoll sind. Jesus hat von der Errichtung eines Hauses und von der Notwendigkeit gesprochen, daß dieses Haus auf festem Grund gebaut wird; denn, wenn es auf Sand gebaut wird, so würde es den Prüfungen des Wetters nicht standhalten. Heute legt ihr, hebe Brautleute, den rechten Grundstein für das Haus eures gemeinsamen Lebens. Das Sakrament der Ehe ist ein solcher Grundstein. Seit den Anfängen der Menschheitsgeschichte ist es ein Teil des Schöpferplans, und gemeinsam mit den anderen Sakramenten des Neuen Bundes ist es im Osteropfer von Christus gestiftet worden. Durch die Gnade der christlichen Ehe können die Eheleute voller Vertrauen und Hoffnung das Haus ihres gemeinsamen Lebens errichten. Sie können ihre Kinder hier einführen, damit sie von ihren Eltern lernen, was es heißt, Männer und Frauen zu sein, und damit sie lernen, ihre menschliche und christliche Würde vollkommen zu leben. Die Familie ist naturgemäß dazu aufgerufen, das erste erzieherische Umfeld des Kindes zu sein. Die Erziehungspflichten sind vorrangig und außerordentlich wichtig. Die Eltern sind die Erzieher, und durch sie ist Christus selbst der Erzieher. In dei Kindererziehung erziehen sie in Wirklichkeit auch sich selbst. Sie erfahren, was verantwortliche Liebe ist. Sie bereiten den jungen Herzen ihrer Kinder den Weg unc vertiefen zugleich die Formung ihrer eigenen Herzen. Auch aus diesem Grund ruh die Kirche heute den Heiligen Geist mit den Worten an: „Komm Schöpfergeist” damit Er, der Schöpfer alles Guten und die Quelle aller Heiligkeit, in eure Herzer einkehrt und euch hilft, die Hauskirche zu errichten, die die Frucht des Sakramente; der Ehe ist. 5. Am heutigen Festtag wünscht euch die Kirche Glück: das Glück, das aus de: Familie hervorgeht, aus gegenseitiger Liebe, aus Vaterschaft und Mutterschaft unc aus der Erziehung der Kinder. Es ist ein anspruchsvolles Glück, doch wenn dei 640 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mühen des Familienlebens mit Glauben und Liebe begegnet wird, so ist es wirklich ein großes Glück. Die Kirche betet zu Gott, damit euch dieses Glück auf dem langen Weg eurer Berufung beschieden ist und damit ihr es auch auf die anderen ausstrahlen könnt und Apostel des „Evangeliums der Familie” werdet. Die Kirche wünscht euch schließlich jenes Glück, das der Mensch endgültig in Gott selbst findet. Möge die Liebe und die eheliche Würde euch und eure Kinder zur Einheit mit Gott führen, der die Liebe ist. Amen! Botschaft zur Achthundertjahrfeier der Geburt des hl. Antonius vom 13. Juni An den hochwürdigsten Pater Lanfranco Serini OFM Conv., amtierender Präsident der Union der franziskanischen Generalminister 1. Mit großer Freude habe ich erfahren, daß die vier franziskanischen Familien sich darauf vorbereiten, mit passenden Initiativen die Achthundertjahrfeier der Geburt des hl. Antonius zu begehen, der charismatischen Gestalt, die weltweit verehrt und angerufen wird. Der ganze Franziskanerorden ist in die Vorbereitung auf das Jubiläum dieses seines großen Vorbildes einbezogen, gemeinsam mit der Stadt Padua, auf deren Boden das Zentrum der antonianischen Frömmigkeit hegt, und der Stadt Lissabon, in welcher der Heilige geboren ist. Die Jahrhundertfeier wird sich für die Kirche als fruchtbar erweisen, wenn sie zur einmütigen Bitte an den hl. Antonius anregt, er möge durch sein Beispiel und seine Fürbitte die Christen unserer Zeit dazu antreiben, daß sie sich bemühen, die höchsten und edelsten Ziele des Glaubens und der Heiligkeit zu erreichen. Damit diese gemeinsame Hoffnung Wirklichkeit werden könne, müssen alle, Hirten und Gläubige, in echter Frömmigkeit die Gestalt des hl. Antonius neu entdecken, seinen geistlichen Weg studieren, seine Tugenden zu begreifen wissen und gelehrig auf die Botschaft hören, die von seinem Leben ausgeht. 2. Sein irdisches Dasein währte kaum 36 Jahre. Vierzehn davon verbrachte er in der bischöflichen Schule seiner Heimatstadt. Mit fünfzehn Jahren bat er darum, bei den Regularkanonikem des hl. Augustinus eintreten zu dürfen. Mit fünfundzwanzig Jahren wurde er zum Priester geweiht: Zehn Jahre lang hatten eifrige und ernste Suche nach Gott, intensives Studium der Theologie, innere Reifung und Vervollkommnung sein Leben geprägt. Gott aber stellte an den jungen Priester Fernando - so war sein Taufname - innerlich noch weitere Fragen. Im Kloster vom Heiligen Kreuz in Coimbra lernte er eine Gruppe von Franziskanern der ersten Stunde kennen, die auf dem Weg von Assisi 641 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nach Marokko waren, um dort Zeugen für das Evangelium zu sein, selbst wenn es das Martyrium kosten sollte. Bei dieser Gelegenheit empfand der junge Fernando ein neues Verlangen: Er wollte den heidnischen Völkern das Evangelium verkünden, und davon hielt ihn auch das Risiko nicht ab, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Im Herbst 1220 verließ er sein Kloster und trat in die Nachfolge des Armen von Assisi ein. Dabei nahm er den Namen Antonius an. Er begab sich auf die Reise nach Marokko, aber eine schwere Erkrankung zwang ihn, dem missionarischen Ideal zu entsagen. So begann der letzte Abschnitt seines Lebens. Gott führte ihn auf Wegen, an die er niemals gedacht hätte. Nachdem er ihn aus seiner Heimaterde entwurzelt und ihn von seinen Missionsplänen gelöst hatte, leitete Gott ihn dazu an, das Ideal des Lebens nach dem Evangelium auf dem Boden Italiens zu leben. Nur knapp elf Jahre verbrachte der hl. Antonius in der franziskanischen Lebensform, aber er machte sich deren Ideal so sehr zu eigen, daß Christus und das Evangelium für ihn zur Lebensregel wurden, die im Alltäglichen Gestalt annahm. In einer Predigt sagte er: „Lfm Deinetwillen haben wir alles verlasen und sind arm geworden. Aber da Du reich bist, sind wir Dir gefolgt, damit Du uns reich machest ... Wir sind Dir gefolgt, wie das Geschöpf dem Schöpfer folgt, wie die Kinder dem Vater und die Kleinen der Mutter folgen, wie die Kranken den Arzt und die Müden das Lager aufsuchen und wie die Verbannten nach der Heimat verlangen” (,Sermones II, 484). 3. Alles, was er predigte, war eine fortwährende, unermüdliche Verkündigung des Evangeliums „sine glossa”. Echte, mutige, klare Verkündigung. Die Predigt war für ihn die Weise, den Glauben in den Seelen zu entzünden, sie zu läutern, sie zu trösten und sie zu erleuchten (ebd., 154). Auf Christus baute er sein Leben auf. Die Tugenden, die das Evangelium lehrt, vor allem die Armut vor Gott, Sanftmut, Demut, Keuschheit, Barmherzigkeit und Mut zum Frieden, das waren beständig die Themen seiner Predigten. So lichtvoll war dieses sein Zeugnis, daß auch ich auf meiner Pilgerfahrt zu seinem Heiligtum in Padua am 12. September 1982 ihn so, wie es schon Papst Pius XII. tat, der Kirche mit dem Titel „Mann des Evangeliums” vorstellen wollte. Der hl. Antonius lehrt in der Tat auf hervorragende Weise, Christus und das Evangelium zum beständigen Bezugspunkt für das tägliche Leben und bei den privaten und öffentlichen moralischen Entscheidungen zu machen. Allen empfahl er, aus diesei Quelle den Mut zu einer konsequenten und anziehenden Verkündigung der Heilsbotschaft zu schöpfen. 4. Gerade weil er in Christus und sein Evangelium verliebt war, „lehrt er mit dei Einsicht der Liebe jene göttliche Weisheit, die er aus der ausdauernden Lektüre dei Heiligen Schriften geschöpft hatte” (Pius XI. Apostolisches Schreiben Antonianc sollemnia, 1.3.1931). 642 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Heilige Schrift war für ihn die „fruchtbare Erde”, die den Glauben hervorbringt, die Moral grundlegt und die Seele mit ihrem Wohlgeschmack anzieht (vgl. Seimo-nes, Prolog, 1,1). In liebender Meditation der Heiligen Schrift gesammelt, öffnet sich die Seele - wie er sagt - „ad divintatis arcanum”, für das erhabene Geheimnis der Gottheit. Auf seinem Weg zu Gott nährte Antonius am Abgrund dieses Geheimnisses seinen Geist, schöpfte daraus Weisheit und Wissen, apostolische Kraft und Hoffnung, unermüdlichen Eifer und glühende Liebe. Aus dem Durst nach Gott, aus dem sehnsüchtigen Verlangen nach Christus geht die Theologie hervor, die für den hl. Antonius Ausstrahlung der Liebe zu Christus war: Weisheit von unschätzbarem Wert und ein Wissen der Erkenntnis, ein neues Lied, „das in Gottes Ohr lieblich widerklingt und die Seele erneuert” (vgl. Sermones, III, 55 und I, 225). Der hl. Antonius lebte diese Methode des Studiums mit einer Leidenschaft, die ihn sein ganzes franziskanisches Leben hindurch begleitete. Der hl. Franziskus selbst hatte ihn dazu bestimmt, „die Brüder die hl. Theologie zu lehren”, empfahl ihm jedoch, auf der Hut zu sein, daß bei solcher Tätigkeit der Geist des Gebetes und der Frömmigkeit nicht ausgelöscht werde (vgl. Fonti Francescane, 252). Antonius bedient sich aller damals bekannten wissenschaftlichen Hilfen, um so die Kenntnis der Wahrheit des Evangeliums zu vertiefen und ihre Verkündigung besser verständlich zu machen. Der Erfolg seines Predigens bestätigt, daß er die Sprache seiner Zuhörer zu sprechen verstand, daß es ihm gelang, den Glaubensinhalt mit Erfolg in Worte zu kleiden und die Werte des Evangeliums in die volkstümliche Kultur seiner Zeit einzubringen. 5. Von Herzen wünsche ich, daß die ganze Kirche durch die Jahrhundertfeiern zu Ehren des hl. Antonius immer besser die Weisheit und den missionarischen Eifer eines so großen Jüngers Christi und des Armen von Assisi kennenlemen möge. Seine Predigten, seine Schriften und vor allem die Heiligkeit seines Lebens geben den Menschen unserer Zeit sehr lebendige Hinweise und Anregungen zum Einsatz, der für die Neuevangelisierung notwendig ist. Heute ist, wie damals, eine erneuerte, auf das Wort Gottes, besonders auf die Evangelien gegründete Katechese dringen notwendig, um der christlichen Welt von neuem den Wert der Offenbarung und des Glaubens begreiflich zu machen. Die Gemeinschaft der Glaubenden muß immer wieder neu Kenntnis nehmen von der vergänglichen Aktualität des Evangeliums. Sie soll erkennen, daß durch die Predigt die Gestalt des menschgewordenen Wortes uns auf neue echt und aktuell erscheint, unserer Geschichte nahe, reich an Gnade und fähig, in den Herzen intensiv eine übernatürliche Liebe aufbrechen zu lassen, so, wie es bei der Predigt des hl. Antonius geschah. Die Schriften des hl. Antonius, so reich an biblischer L^hre, aber auch so sehr von geistlichen und moralischen Mahnungen erfüllt, sind auch heute noch ein Vorbild und ein Führer für die Predigt. Unter anderem zeigen sie weitgehend, wie in der Liturgiefeier die homiletische Unterweisung den Gläubigen 643 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die wirksame Anwesenheit Christi erfahrbar machen kann, der noch immer seinem Volk das Evangelium verkündet, um von ihm eine Antwort im Gebet und im Gesang zu erhalten (vgl. Sacrosanctum Consilium, Nr. 33). So fordere ich denn alle Glieder der großen franziskanischen Familie auf, sich dämm zu bemühen, daß der in den christlichen Gemeinden der ganzen Welt so sehr verehrte Wundertäter angemessen bekannt wird. Bei den Brüdern der franziskanischen Orden möge ein wirklicher Eifer zur Verkündigung des wahren Glaubens aufs neue erwachen und ebenso die aufmerksame und gewissenhafte Sorge für die Predigt, die Kenntnis und Hochschätzung des Wortes Gottes, die unaufhörliche und eifrige Hingabe an die neue Evangelisierung, nunmehr an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends. Ich bitte den Herrn, den Lehrer und Hirten aller Seelen daß es auf die Fürsprache des hl. Antonius, des ausgezeichneten Predigers und Patrons der Armen, allen gegeben sei, treu und hochherzig die Lehren des Evangeliums zu befolgen, und ich erteile Ihnen und der ganzen franzikanischen Familie sowie allen, die den großen Heiligen verehren, einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 13. Juni 1994, im sechzehnten meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Die Kirche auf dem Weg ins Jahr 2000 Ansprache an das außerordentliche Konsistorium der Kardinäle am 13. Juni Meine Herren Kardinäle! 1. Dem Herrn Kardinaldekan meinen Dank - wenn er auch in einigen Punkten etwas übertrieben hat. Ich heiße euch alle herzlich willkommen, ehrwürdige Brüder, die ihr als Mitglieder des Kardinalskollegiums auf meine Einladung hin euch heute in Ron: zu einem außerordentlichen Konsistorium versammelt habt. Die Motive für diese Einberufung sind euch schon im Einladungsschreiben vorgelegt worden. Ich möchte nur betonen, daß die heutige außerordentliche Tagung eures Kollegiums die fünfte der Reihe ist: die letzte fand im April 1991 statt. Bei diesem Gruß an alle Anwesenden möchte ich in besonderer Weise den Kardinälen meine Segenswünsche aussprechen, die den Namen des hl. Antonius tragen. Es sind sieben: Kardinal Bevi-lacqua, Kardinal Innocenti, Kardinal Javierre, Kardinal Khoraiche (der nicht anwesend ist), Kardinal Padiyara, Kardinal Quarracino und Kardinal Ribeiro, desser Vaterland wir diesen Heiligen verdanken, der erst Fernando hieß und dann als Sohr des hl. Franziskus den Namen Antonius erhielt. Die Kardinäle sind mit der Kirche in Rom durch ein besonderes Band verbunden das man verfassungsmäßig nennen könnte. Ich möchte meine Gedanken daher mi 644 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einem Blick auf diese Stadt beginnen, die in den letzten Jahrzehnten als staatliche und kirchliche Wirklichkeit erheblich an Gehalt gewonnen hat. Es sind zahlreiche neue Pfarreien entstanden. Deswegen werden gerade verschiedene neue Kirchen gebaut. Meinerseits bemühe ich mich, die Pfarreien Roms zu besuchen - im Durchschnitt etwa 15 im Jahr - in der Zeit von Allerheiligen bis Ostern. Mit Gottes Hilfe konnte ich bisher diese meine pastorale Pflicht für 233 von 323 Pfarreien erfüllen; wir sind also nicht so schlecht daran. Ein wichtiges Ereignis im Verlauf der letzten Jahre war die Römische Synode, die ich am Fest der Heiligen Petrus und Paulus im vergangenen Jahr abschließen konnte. Ich möchte meinen Dank an Kardinal Ugo Poletti und an seinen Nachfolger, Kardinal Camillo Ruini aussprechen, dem als mein Stellvertreter tätigen Erzbischof und den Weihbischöfen für den glücklichen Verlauf dieses für das pastorale Wirken der Diözese so wichtigen Ereignissses. Es ging darum, die gesamte katholische Gemeinde der Ewigen Stadt einzubeziehen; den Klerus, die Ordensinstitute und die Laien. Es wurde auch eine „Begegnung mit der Stadt” gehalten, mit ihrer Vergangenheit und den Problemen von heute. Die Beziehungen zwischen dem Apostolischen Stuhl und den Autoritäten der Hauptstadt sowie des italienischen Staates sind von Herzlichkeit und gegenseitiger Achtung gekennzeichnet. Die Reform des Lohnsystems für den Klerus bringt bedeutende Ergebnisse, und dank der Hochherzigkeit der nationalen Gemeinschaft als ganzer kann der italienische Episkopat in bedeutender Weise den Aufgaben und Bedürfnissen der Kirchen in Schwierigkeiten in Europa und in den anderen Kontinenten entgegenkommen. 2. Hauptanliegen dieses Konsistoriums ist jedoch die Vorbereitung des Jubiläumsjahres 2000. Wie ich in dem Promemoria betont habe, das jeder von euch erhalten hat, läuft diese Vorbereitung bereits seit mehreren Jahren. Ihr Gipfelpunkt war zweifellos das 13. Vatikanische Konzil. Das Programm dieser Vorbereitungszeit muß daher unbedingt als grundlegendes Kriterium die Durchführung der Weisungen des Konzils haben. Unter diesem Aspekt wurden von seiten des Apostolischen Stuhles verschiedene Initiativen ergriffen, unter denen die Veröffentlichung der Apostolischen Konstitution Pastor bonus zur Neuordnung der Römischen Kurie an erster Stelle steht. Entsprechend der pastoralen Ausrichtung des Konzils sollte damit treffender und wirksamer den Problemen und Bedürfnissen der heutigen historischen Stunde begegnet werden. Das erste Organ der Römischen Kurie ist das Staatssekretariat, das in seinen beiden verschiedenen Abteilungen „dem Papst aus der Nähe bei der Ausübung seiner obersten Sendung helfen soll” (Pastor bonus, Nr. 39). Herrn Kardinal Angelo Sodano, der es tatkräftig leitet, gilt mein lebhafter Dank für den täglichen Einsatz, den er dort leistet. Dieser Dank gilt, begleitet von herzlicher Wertschätzung für die intensive Tätigkeit, ferner sowohl Erzbischof Giovanni Battista Re sowie den Mitarbeitern der Abteilung für die allgemeinen Angelegenheiten, in der vorwiegend Fra- 645 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen „innerhalb” des Lebens der Kirche behandelt werden, wie auch Erzbischof Jean Louis Tauran, der gemeinsam mit den Mitarbeitern der Abteilung für die Beziehungen zu den Staaten, vor allem die Probleme des Lebens der Kirche „nach außen” behandelt. Hier ist zu bemerken, daß in letzter Zeit die Zahl der Staaten angewachsen ist, die mit dem Apostolischen Stuhl diplomatische Beziehungen unterhalten: darunter die Staaten, die aus der Auflösung der Sowjetunion hervorgegangen sind wie die Baltischen Länder, Weißrußland, die Ukraine, Georgien, Armenien, Azer-beidschan, Kazachistan, Kirgisistan und Uzbekistan. Die Gesamtzahl beträgt derzeit 151. Betont werden müssen ferner die Beziehungen, die mit der rassischen Föderation angeknüpft wurden. Wenn ich von all dem spreche, darf ich nicht den Einsatz von Kardinal Casaroli unerwähnt lassen, der während der meisten Zeit meines Pontifikats diese Aufgabe des Staatssekretärs erfüllt hat. Ich danke ihm, er ist hier anwesend. Als Folge dieser Beziehungen wuchs auch die Zahl der Apostolischen Vertretungen in der Welt. Vor allem nach den Ereignissen von 1989 mußten neue Nuntiaturen in Osteuropa, in Asien und im Mittleren Osten eröffnet werden. In diesem Zusammenhang verdient besondere Erwähnung die Normalisierung der Beziehung zum Staat Israel; erwähnenwert ist ebenfalls die Anknüpfung diplomatischer Beziehungen zum Königreich Jordanien wie auch die bedeutende Entwicklung des Dialogs mit der Organisation für die Befreiung Palästinas. Was Festlandchina und Vietnam angeht, versucht der Heilige Stuhl auf verschiedene Weise, zu einer Normalisierung der Beziehungen zu gelangen. 3. Ein Ereignis von großer Bedeutung für das Leben der Kirche war kürzlich die Veröffentlichung des lange erwarteten Katechismus der Katholischen Kirche und der Enzyklika Veritatis splendor. Im Herbst des letzten Jahres veröffentlicht, wurde die Enzyklika bereits in mehrere Sprachen übersetzt. Sie wird verbreitet und weckt ein sehr weites Interesse. Beide Texte kommen einem Bedürfnis von wesentlicher Bedeutung entgegen: Dringend mußte eine klare und zeitgemäße Darstellung der Grundlagen der Glaubenslehre und der christlichen Moral vorgelegt werden, zumal für die Seminare und die theologischen Fakultäten. Ich möchte vor dieser Versammlung meinen Dank dem Herrn Kardinal Joseph Ratzinger, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, und seinen Mitarbeitern für den Beitrag aussprechen, den sie bei der Vorbereitung beider Dokumente geleistet haben. Wenn die Aufnahme des Katechismus und der Enzyklika Veritatis splendor im wesentlichen sehr positiv war, so ist ein Teil des Verdienstes der Tätigkeit der Journalisten zuzuschreiben, die mit dem „Pressesaal” des Apostolischen Stuhles in Beziehung stehen und dort systematische Informationen nicht nur zu den Ereignissen in Leben der Kirche erhalten, sondern auch zu den von ihr veröffentlichten Dokumenten. Derzeit können die Bischöfe der ganzen Welt zügig über Leben und Tätigkei des Apostolischen Stuhles und der ganzen Kirche informiert werden. Dies geschieh 646 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auch dank Radio Vatikan und des Osservatore Romano, die seit langen Jahren in ihrem Bereich diesen lobenswerten Dienst leisten. 4. Das II. Vatikanische Konzil hat die Aufmerksamkeit der Glaubenden auf einige brennende Probleme unserer Zeit gerichtet. Der zweite Teil der Konstitution Gaudium et spes zählt sie in folgender Reihenfolge auf: Ehe und Familie, Kultur, politische und internationale Gemeinschaft, Wirtschaft, Gerechtigkeit und Frieden. Um ihnen angemessen zu begegnen, wurde die Schaffung neuer Organe des Apostolischen Stuhles notwendig, die ursprünglich den Charakter von Sekretariaten hatten, dann aber den Status Päpstlicher Räte erhielten. Ich möchte hier ihren Präsidenten für den wertvollen Beitrag der jeweiligen Dikasterien für das Leben der Kirche danken: Herrn Kardinal Eduardo Pironio, Präsident des Rates für die Laien, Herrn Kardinal Edward Cassidy, Präsident des Rates für die Förderung der Einheit der Christen, Herrn Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, Präsident des Rates für die Familie, Herrn Kardinal Roger Etchegaray, Präsident des Rates für Gerechtigkeit und Frieden sowie des Rates „Cor Unum”, Herrn Kardinal Fiorenzo Angelini, Präsident des Rates für die Pastoral im Krankendienst, Herrn Kardinal Francis Arinze, Präsident des Rates für den interreligiösen Dialog, Herrn Kardinal Paul Poupard, Präsident des Rates für die Kultur, Erzbischof Giovanni Cheli, Präsident des Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, Erzbischof Vincenzo Fa-giolo, Präsident des Rates für die Interpretation von Gesetzestexten, und Erzbischof John Patrick Foley, Präsident des Rates für die sozialen Kommunikationsmittel, Nachfolger von Kardinal Deskur. Ein Wort des Dankes richte ich auch an den Präfekten des Päpstüchen Hauses, Bischof Dino Monduzzi und den Verantwortlichen für die liturgischen Feiern, Msgr. Piero Marini, von deren Einsatz der gute Ablauf der Audienzen und der Gebetsgottesdienste abhängt. Ein Dankwort gilt auch Kardinal Virgilio Noe für seine Sorge um die St. Petersbasilika und seinen Einsatz als mein Vikar für die Vatikanstadt. 5. Jedes der erwähnten Dikasterien und Büros spielt eine wichtige und unersetzliche Rolle im Ganzen der Aufgaben des Apostolischen Stuhles. Ich möchte aber einige Bereiche betonen, die heute im Leben der Kirche besonders wichtig erscheinen. Wie sollten wir hier nicht die Aufmerksamkeit auf die wertvollen Initiativen für Gerechtigkeit und Frieden lenken, die der Herr Kardinal Roger Etchegaray in Ländern ergriffen hat, die akute Schwierigkeiten durchmachen? Dank des Rates „Cor Unum” haben diese Initiativen die Form konkreter Hilfe für die am meisten Bedürftigen angenommen. Wie aus dem euch zugesandten Promemoria hervorgeht, ist der ökumenische Dialog mit allen sich daraus ergebenden Tätigkeiten für die Einheit der Christen eine der grundlegenden Aufgaben der Kirche im Hinblick auf das Jahr 2000. Entgegen der Auffassung derer, die von einem Stillstand auf diesem Gebiet sprechen, behält das ökumenische Bemühen seine volle Dynamik. Ich möchte nur auf eine bedeutsame 647 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tatsache aufmerksam machen: In diesem Jahr wurde zum erstenmal der Kreuzweg beim Kolosseum von den Meditationen begleitet, die der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel vorbereitet hatte. Andererseits war ein Ereignis, das kürzlich ein ernsthaftes Hindernis auf dem Weg zur Einheit geschaffen hat, zweifellos die Entscheidung der Gemeinschaft der anglikanischen Kirche für die Priesterweihe der Frauen. Es ist dies ein Akt, der weiteren Schatten auf die Priesterweihen in der anglikanischen Gemeinschaft wirft, zu denen sich bereits Papst Leo XIII. in der Enzyklika Apostolicae curae geäußert hat. Der Dialog weitet sich aus und entwickelt sich auch mit den nichtchristlichen Religionen. Hier möchte ich hinsichtlich der Beziehungen zu den Muslimen sagen, daß es leider nicht an Unverständnis und an auch erheblichen Schwierigkeiten fehlt. Zuweilen gehen sie auf schwere soziale und politische Probleme zurück, mit denen einige Länder mit islamischer Mehrheit zu ringen haben. Es gibt muslimische Länder, in denen die Christen noch nicht die Möglichkeit haben, ihren Glauben öffentlich bekennen zu können, und das steht in klarem Gegensatz zur Beachtung der Menschenrechte. Im Licht dieser Tatsachen stellt die Zustimmung der italienischen Autoritäten zum Bau einer Moschee in Rom für alle eine klare Aufforderung zum Nachdenken dar. Was die pastorale Dimension angeht, haben sich in den letzten Jahren als sehr bedeutsam die Welttage der Jugend erwiesen, denn sie führten zu weiteren und fortschreitenden Anregungen für die Jugendseelsorge. Die Begegnungen der Jugend auf Weltebene, deren Organisation dem Päpstlichen Rat für die Laien anvertraut ist, haben bisher in Rom, Buenos Aires, Santiago de Compostela, Jasna Gora und Denver stattgefunden. Die nächste wird im Januar 1995 in Manila auf den Philippinen stattfinden. Diese Versammlungen beziehen weitgehend die Episkopate, die Hirten und vor allem die Jugendlichen selber ein, deren überraschende Offenheit für Christus und das Evangelium dabei zum Ausdruck kommt. 6. Nun wende ich mich wiederum an den Dekan des Kardinalskollegiums, Herrn Kardinal Bemardin Gantin, um ihm zu danken für die Ansprache, die er eben im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Er ist zugleich Präfekt der Kongregation für die Bischöfe und leistet in dieser Eigenschaft eine hochherzige Arbeit für das Wohl der Kirche: auch dafür spreche ich ihm aufrichten Dank aus. Die Kongregation für die Bischöfe beschäftigt sich traditionsgemäß mit den Fragen der einzelnen Diözesen, mit ihrer territorialen Struktur, mit der Ernennung der Bischöfe und den Aspekten, die mit deren Amtsverzicht verbunden sind. Hier ist zugleich die Arbeit von kollegialen Gruppen der Episkopate auf allen Kontinenten hinzuweisen, wie zum Beispiel den Lateinamerikanischen Bischofsrat (CELAM), den Rat der Bischofskonferenzen Europas (CCEE), das Symposium der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SCEAM) und die Föderation dei Bischofskonferenzen Asiens (FABC). 648 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In den letzten Jahren hat sich in der Kirche die synodale Bewegung kräftig weiterentwickelt. Es treffen Informationen über die Veranstaltung vieler Diözesan-, Provinz- oder Nationalsynoden ein. Besondere Aufmerksamkeit verdienen aber die kontinentalen Synoden. Eine solche war zum Beispiel die Synode der Bischöfe Europas, dann die Synode der Bischöfe Afrikas, die am vergangenen 8. Mai zu Ende ging. Eine solche wird auch die Synode des Libanon sein, die in einem gewissen Sinn sich als Synode der Bischöfe des Mittleren Ostens darbietet. Im Hinblick auf das Jahr 2000 ist die Synode der Bischöfe beider Amerika: Nord- und Südamerika vorgesehen, wie auch - so Gott will, natürlich - die Synode der Bischöfe Asiens und des Femen Ostens. Hier denke ich in Dankbarkeit an Erzbischof Jan Schotte, den Generalsekretär der Bischofssynode, wegen seines hochherzigen Dienstes im Rahmen der synodalen Dimension des Lebens der Kirche. 7. Die Missionsländer bleiben der Betreuung durch die Kongregation für die Evangelisierung der Völker anvertraut. Hier gilt mein Dank ihrem Präfekten, Herrn Kardinal Joseph Tomko, für die hingebungsvolle Arbeit, die er bisher geleistet hat. Diese Kongregation, deren Aufgabe es ist, „in der ganzen Welt das Werk der Evangelisierung der Völker sowie die missionarische Zusammenarbeit zu leiten und zu koordinieren” (Pastor bonus, Nr. 85), errichtet und teilt in ihren Territorien die missionarischen Distrikte nach Tunlichkeit; sie führt den Vorsitz bei der Leitung der Missionen und prüft alle Fragen und die Berichte, die von den Ordinarien, den Päpstlichen Vertretungen und den Bischofskonferenzen eingesandt werden; sie fördert das christliche Leben der Gläubigen und die Disziplin des Klerus wie auch alle karitativen Verbände und die der Katholischen Aktion, endlich wacht sie über die möglichst gute Entwicklung der katholischen Schulen und in besonderer Weise der Seminare. Ein wichtiger Bereich ihrer Tätigkeit ist der der Päpstlichen Missionswerke, die den Missionsländem eine äußerst wertvolle Hilfe leisten. Die Enzyklika Redemptoris missio wollte bezeugen, daß der Elan der missionarischen Tätigkeit der Kirche in unserer Zeit nicht nur nicht zurückgeht, sondern sogar noch kräftiger wird. Einen besonderen Bereich bilden die katholischen Orientalischen Kirchen. Hier gilt mein Dank dem Herrn Kardinal Achille Silvestrini, Präfekt der zuständigen Kongregation. Die Orientalischen Kirchen sind Ausdruck des Strebens nach Einheit mit Rom. Gegen sie werden heute ungerechte Anklagen des „Uniatismus” oder des Pro-selytismus gerichtet. Wir müssen dagegen unsere Genugtuung über die Tatsache aussprechen, daß auf dem Weg des ökumenischen Dialogs die Frage der katholischen Orientalischen Kirchen ins rechte Licht gestellt und in Übereinstimmung mit dem Konzilsdekret Orientalium Ecclesiarum definiert werden konnte. 8. Die Kongregation für den Klerus richtet ihre Aufmerksamkeit auf das Leben und die pastorale Tätigkeit der Priester, wie auch auf die ständige Weiterbildung des Klerus. Die dem Problem der Heranbildung der künftigen Priester gewidmete Bischofssynode und das postsynodale Schreiben Pastores dabo vobis bilden für diese 649 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tätigkeit die wesentlichen Bezugspunkte. Die Kongregation hat kürzlich ferner ein entsprechendes Direktorium für den Dienst und das Leben der Priester veröffentlicht. Auch ich versuche meinerseits, jedes Jahr zum Gründonnerstag einen besonderen Brief an die Priester zu richten. Herrn Kardinal Jose Sanchez, Präfekt der Kongregation für den Klerus, sage ich herzlichen Dank für seine Arbeit auf einem so wichtigen Gebiet des kirchlichen Lebens. Mit der Frage der Ausbildung der künftigen Priester ist eng die der kathohschen Schulen und Universitäten verbunden. Dies ist der Tätigkeitsbereich der Kongregation für das Kathohsche Bildungswesen, die auch mit besonderem Eifer die Wek-kung von Priesterberufungen fördert. Ihre Zahl zeigt vor ahem in bestimmten Ländern der Welt einen bezeichnenden Anstieg. Hier ist die Beobachtung interessant, daß sich die „Geographie” der Berufungen in die Missionsländer verlagert. Die Kongregation wacht über das gute Arbeiten der kathohschen Schulen und Athenäen, wie auch über deren Übereinstimmung mit ihrer Identität. Gerade in dieser Hinsicht hat sie vor einigen Tagen in Absprache mit den interessierten Dikasterien ein Dokument veröffentlicht über „Die Präsenz der Kirche an der Universität und in der Universitätskultur”. Herzhch danke ich Herrn Kardinal Pio Laghi für seine Bemühungen in diesem schwierigen Bereich. Für den kirchlichen Einsatz der Ordens- und Laieninstitute erhält die Bischofssynode dieses Jahres, die dem gottgeweihten Leben gilt, besondere Bedeutung. In einem gewissen Sinn ist sie die logische Weiterführung der voraufgehenden Synoden über das Priestertum und die Laienschaft. Wenn ich für seine Mühen auf diesem Gebiet Herrn Kardinal Eduardo Martinez Somalo, Präfekt der Kongregation für das gottgeweihte Leben und die Gemeinschaften des Apostolischen Lebens, danke und ebenso seinen Vorgängern, besonders Kardinal Hamer, dann spreche ich zugleich den Wunsch aus, die kommende Bischofssynode möge für die Kirche ein Kehn der Erneuerung und eine Gelegenheit zu neuem Antrieb der Pastoral für die Ordensberufungen werden. Im Mittelpunkt des Lebens der Kirche steht zweifellos die Liturgie. Der Prozeß der liturgischen Erneuerung im Geist des II. Vatikanischen Konzils geht weiter. Ihn leitet und überwacht die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenord-nung. Ich spreche ihrem Präfekten, Herrn Kardinal Antonio Maria Javierre, meine Dankbarkeit aus. Ein herzliches Wort des Dankes möchte ich auch an die Gerichtshöfe des Heiliger Stuhles richten, die für die Wahrnehmung des Rechtes in der Kirche im inneren und im äußeren Bereich Verantwortung tragen. Mein Dank gilt daher Herrn Kardinal William Wakefield Baum, dem Großpönitentiar, Erzbischof Gilberto Agustoni, den Pro-Präfekten des Obersten Gerichtshofes der Apostolischen Signatur, und Msgr Mario Francesco Pompedda, dem Dekan des Gerichtshofes der Römischen Rota. 9. Einen besonderen Bereich der Tätigkeit des Apostolischen Stuhles bildet die wirtschaftliche Verwaltung, die der Sorge des Staatssekretariates und der mit ihn 650 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verbundenen Verwaltungsdikasterien anvertraut bleibt. Herrn Kardinal Rosalio Jose Castillo Lara spreche ich hier meinen Dank für den wichtigen Dienst aus, den er dem Apostolischen Stuhl leistet. Wegen der Mitarbeit einer erheblichen Anzahl von Laien wurde die Einrichtung einer besonderen Dienststelle „Ufflcio del Lavoro” notwendig [Dieses Büro befaßt sich mit allen die Arbeit im Vatikan betreffenden Fragen. Anm. d. Red.], um den Bedürfnissen der Angestellten zu entsprechen und auch eventuelle Streitpunkte zur Arbeit zu klären. Dieses Problem hat bereits seine Geschichte. Bereits 1984 habe ich einen Brief über die Besonderheit der Arbeit in den Organen des Apostolischen Stuhles veröffentlicht. Die Tätigkeit des erwähnten Büros soll die Verbesserung dieses Bereiches anstreben, den Angestellten, zumal den Laien, Sicherheit geben und auf ihre eventuellen Wünsche eine angemessene Antwort anbieten. Über den Fragenkomplex zur wirtschaftlichen Verwaltung wacht die Präfektur der wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls, die schon von Papst Paul VI. eingesetzt wurde und derzeit von Kardinal Kasimir Szoka geleitet wird. Ich spreche ihm meinen herzlichen Dank aus für die Arbeit, die er leistet. Ich danke auch den Herren Kardinälen, die zum Rat für die wirtschaftlichen und organisatorischen Fragen des Heiligen Stuhles gehören: dem sogenannten „Rat der Fünfzehn”. Es ist eine sehr wichtige Arbeitsgruppe, um die wirtschaftliche Tätigkeit des Apostolischen Stuhles verständlicher zu machen, die Ausgaben zu programmieren und die Opfergaben der Gläubigen zu fördern, die unter der Form des traditionellen „Peterspfennigs” einkommen. Mir scheint, daß im gesamten verwaltungswirtschaftlichen Bereich nach der Zeit einer gewissen Beunruhigung - zuweilen willkürlich ausgebeutet von negativ gegen die Kirche eingestellten Kreisen - nun wieder eine gewisse Beruhigung eingetreten ist. Dies macht schon sichtbar, daß die auf diesem Gebiet durchgeführte Neuordnung bereits ihre Früchte bringt. Ebenso habe ich auch bei dem, was das Institut für die Werke der Religion (IOR) angeht, den Eindruck, daß nach der Einführung entsprechender struktureller Änderungen sich in der Öffentlichkeit ein größeres Verständnis für seine Tätigkeit zeigt. Es ist klar, daß die Kirche von den Opfergaben der Gläubigen lebt. Der Apostolische Stuhl hängt von der internationalen Großherzigkeit ab, die in letzter Zeit wirklich gewachsen ist. Dazu hat zweifellos beigetragen, daß die Bilanzen transparenter geworden sind und genauer über die Verwaltungsstrukturen des Hl. Stuhles und ihre Tätigkeit informieren. Es ist die Zeit gekommen, die Legenden aus der Welt zu schaffen, die zuweilen über die großen verborgenen Reichtümer des Vatikans im Umlauf waren. Die Wahrheit sieht ganz anders aus. Tatsächlich müssen wir der göttlichen Vorsehung danken, daß sich die Kirche auf diesem Gebiet an die von den Aposteln ererbten Normen hält. Vielleicht wird besser als alles andere von den Gläubigen die Notwendigkeit begriffen, für die Missionen ihren eigenen Beitrag zu leisten. So benutze ich diese Gelegenheit, vor den Herren Kardinälen aus aller Welt, die hier anwesend sind, einen besonderen Dank für diese vielfältige Großzügigkeit auszusprechen. 651 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 10. Bis hierher habe ich nur über die Lage in der Kurie gesprochen, aber vor dem Hintergrund der Tätigkeit des Apostolischen Stuhles, wie ich sie dargelegt habe, bitte ich nun die Herren Kardinale, zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 das Wort zu ergreifen. Jeder der Anwesenden kann aufgrund seiner eigenen Erfahrungen und der Erwartungen des Landes oder der Region der Welt, die er vertritt, einen wichtigen Beitrag leisten. Ich möchte nur noch auf eine Dimension des Lebens der Kirche die Aufmerksamkeit richten, die besondere Hervorhebung im Programm der Vorbereitungen auf das Jahr 2000 verdient. Wie jedes andere Jahrhundert in der Geschichte der Kirche, hat auch das unsere uns zahlreiche Heilige und Selige und zumal viele Märtyrer geschenkt. Im schon erwähnten Pro-memoria zum Thema der Vorbereitung des Großen Jubiläums habe ich die Angemessenheit betont, ein zeitgemäßes Martyrologium vorzubereiten, das alle Ortskirchen auch in einer ökumenischen Dimension und Ausrichtung berücksichtigt. Es gibt viele Märtyrer in den nicht-katholischen Kirchen: bei den Orthodoxen, den Ostkirchen und auch den Protestanten. Zuweilen wird gesagt, es gäbe heute zu viele Seligsprechungen. Doch das spiegelt nicht nur die Wirklichkeit wider, die dank Gottes Gnade uns vor Augen steht, es entspricht auch einem Wunsch, den das Konzil ausgesprochen hat. Das Evangelium hat sich derart in der Welt ausgebreitet, und seine Botschaft hat derart tiefe Wurzeln gefaßt, daß gerade die große Zahl der Seligsprechungen das Wirken des Heiligen Geistes und die Lebenskraft leuchtend widerspiegelt, die von ihm her in den wesentlichsten Bereich der Kirche strömt, in den der Heiligkeit. Gerade das Konzil hat die universale Berufung zur Heiligkeit besonders hervorgehoben. Wir müssen freilich auf diesem Gebiet noch ein Mißverhältnis zwischen den Kirchen, die von alters her evangelisiert wurden und deren Geschichte nach Jahrtausenden zählt, und den jungen Kirchen feststellen, die ihre Erstlingsmärtyrer haben, wie in Afrika und im Fernen Osten. Zugleich ist hervorzuheben, daß die jungen Kirchen ein besonderes Bedürfnis nach dem Zeichen der Heiligkeit haben, denn es bezeugt ihre geistliche Reife innerhalb der universalen Gemeinschaft. Es ist die intensive Arbeit der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen, die Ernte der Heiligkeit zu prüfen, die auf Gottes Ackerfeld gereift ist, und für diese Mühe danke ich herzlich Herrn Kardinal Angelo Fehei. 11. Das Zweite Vatikanische Konzil widmet in der Konstitution Lumen Gentium das letzte Kapitel der Mutter Gottes und Mutter der Kirche. Es spricht von ihrer besonderen Anwesenheit im Leben der Gläubigen, analog zu ihrer Anwesenheit im Leben Christi. Ich kann diese meine Ausführungen vor dem Kardinalskollegium nicht schließen, ohne die besondere mütterliche Präsenz Mariens zu bezeugen, die ich selbst in meinem ganzen Leben und besonders als Bischof von Rom erfahren habe. In diesem Augenblick mache ich in Gedanken eine Wallfahrt zu den mariani-schen Heiligtümern der Welt, die ich besuchen durfte. Diese Wallfahrt beginnt im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Guadalupe in Mexiko. Dort begann nämlich dei 652 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Weg meines Petrasdienstes, der mich dann ins Herz von Süd- und Nordamerika geführt hat. Was den europäischen Kontinent angeht, lesen wir alle immer wieder die Botschaft der Muttergottes von Lourdes, eine Aufforderung zum Gebet und zur Bekehrung, und die Botschaft der Tränen der Muttergottes von La Salette angesichts der großen geistlichen Gefahren unserer Zeit. Mir persönlich war es beschieden, in besonderer Weise die Botschaft der Muttergottes von Fatima zu verstehen: zum erstenmal am 13. Mai 1981 im Augenblick des Attentats auf das Leben des Papstes, dann wieder gegen Ende der 80er Jahre beim Zusammenbrach des Kommunismus in den Ländern des sowjetischen Blocks. Ich meine, das sei eine für alle hinreichend durchsichtige Erfahrung. Vertrauen wir darauf, daß die heilige Jungfrau, die dem Volk Gottes auf seinem Pilgerweg durch die Geschichte vorangeht, uns bei der Überwindung der Schwierigkeiten hilft, die nach 1989 in den Nationen Europas und anderer Kontinente noch weiterbestehen. Vertrauen wir darauf, daß die Mutter Gottes uns hilft, alle Gefahren abzuwenden, zumal jene, die sich beim Konflikt auf dem Balkan gezeigt haben. Ihrer Fürbitte vertrauen wir uns ferner an für das Bemühen, in den afrikanischen Ländern, die von bradermörderischen Kriegen heimgesucht sind, den Frieden wieder aufblühen zu lassen; ihr vertrauen wir in besonderer Weise das Land Ruanda an und bitten sie, seinen Bewohnern auf dem Weg zur Versöhnung und der Rückkehr zu Solidarität und Zusammenarbeit beizustehen. Ich möchte meine Worte abschließen mit der erneuten Aufforderung zum Vertrauen, daß Maria nach der Ixigik ihres mütterlichen Herzens uns helfen wird, die Wege zu gegenseitigem Einvernehmen zwischen dem kathoüschen Westen und dem orthodoxen Osten zu finden. Im Hinblick auf das Jahr 2000 ist dies vielleicht die größte Aufgabe. Wir dürfen nicht vor Christus, den Herrn der Geschichte, derart gespalten hintreten, wie wir uns leider im Verlauf des zweiten Jahrtausends vorfinden. Diese Spaltungen müssen weichen und den Weg zur Wiederannäherung und zur Eintracht Ereigeben; die Wunden auf dem Weg zur Einheit der Christen müssen vernarben. Aigesichts dieses Großen Jubiläums braucht die Kirche die „metanoia”, die Erkenntnis ihrer historischen Fehler und der Gleichgültigkeit ihrer Gläubigen gegenüber den Forderungen des Evangeliums. Mur die mutige Anerkennung der Schuld sowie auch der Unterlassungen, für welche Jie Christen auf irgendeine Weise verantwortlich geworden sind, und ebenso der lochherzige Vorsatz, sie mit Gottes Hilfe aufzuarbeiten, können der neuen Evange-isierang wirksamen Antrieb geben und den Weg zur Einheit erleichtern. Hier liegt lämlich der wesentliche Kern unserer Sendung nach dem ausdrücklichen Wort des göttlichen Meisters angesichts der dramatischen Ereignisse seines Leidens: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns ;ins sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast”(Joh 17,21). 653 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unterwegs zur Einheit Botschaft zum 92. Deutschen Katholikentag in Dresden vom 21. Juni Meinem verehrten Bruder Joachim Reinelt, Bischof von Dresden-Meißen Verehrter Mitbruder im Bischofsamt! Liebe Schwestern und Brüder! „Unterwegs zur Einheit” - unter diesem Leitwort seid Ihr zum 92. Deutschen Katholikentag in Dresden zusammengekommen. Mein herzlicher Gruß gilt Euch allen, die Ihr Euch heute zum Hauptgottesdienst auf dem Platz vor der ehrwürdigen Hofkirche versammelt habt. Vor einigen Jahren noch hätte sich kaum jemand vorstellen können, daß im Herzen der Stadt Dresden deutsche Katholiken aus Ost und West Zusammenkommen. Vom unvergeßlichen Katholikentreffen in Dresden 1987 spannt sich ein lebendiger Bogen zum Katholikentag 1994. Wahrhaftig, Ihr seid unterwegs zur Einheit. Die Programmgestaltung und Durchführung dieses Katholikentages und nicht zuletzt die Mitarbeit so vieler evangelischer Christen zeigen, daß die Christen in Deutschland unterwegs zur Einheit sind. Euer Zeugnis für die befreiende Botschaft Jesu Christi bekommt durch das ökumenische Engagement einen noch glaubwürdigeren Charakter. Von besonderer Relevanz ist in Eurem Land der Dialog mit den Nichtglaubenden und Nichtgetauften. Auch sie habt Ihr an Eurer Arbeit und an Euren Gesprächen beteiligt. Beim Aufbau einer neuen Welt und auf dem Weg zur Einheit sind alle Menschen guten Willens aufgerufen, zusammenzuarbeiten und ihren Beitrag zu leisten. Wenn Einheit gelingen soll, dann geht es zuallererst darum, füreinander Verständnis und Solidarität aufzubringen. Auf einer solchen Basis werdet Ihr auch die großen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen, vor die Ihr Euch gcstelli seht und die manchen bedrängen und in Resignation verfallen lassen, lösen können Als tragender Grund für eine zukunftsorientierte und verläßliche Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens muß unsere besondere Aufmerksamkeit auf die Familie gerichtet sein. Denn „die Familie ist in lebendiger, organischer Weise mit der Gesellschaft verbunden; (...) durch ihren Auftrag, dem Leben zu dienen, bildet sie deren Grundlage und ständigen Nährboden. In der Familie wachsen ja die Bürgei heran, und dort finden sie auch ihre erste Schule für jene sozialen Tugenden, die das Leben und die Entwicklung der Gesellschaft von innen her tragen und gestalten’ (Familiaris consortio, Nr. 42). Unter den Schwächeren und Benachteiligten kann uns das Schicksal der Arbeitslo sen nicht gleichgültig lassen. Vielfältige Anstrengungen sind notwendig, damit mög liehst viele von ihnen neu in den Arbeitsprozeß integriert werden können. Es is Aufgabe aller in Wirtschaft und Staat Verantwörtlichen, „die Arbeitslosigkeit zu be kämpfen, die in jedem Fall ein Übel ist und, wenn sie große Ausmaße annimmt, zi einem echten sozialen Notstand werden kann. Ein besonders schmerzliches Probien 654 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wird sie, wenn sie vor allem die Jugendlichen trifft, die (...) keinen Arbeitsplatz finden können und ihren ehrlichen Arbeitswillen und ihre Bereitschaft, die ihnen zu-kommende Verantwortung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gesellschaft zu übernehmen, schmerzlich frustriert sehen” (Laborem exercens, Nr. 18). Unterwegs sein zur Einheit bedeutet unterwegs sein zum Menschen. Darum muß der Mensch im Mittelpunkt aller unserer Anstrengungen stehen, so wie ihn Gott gedacht und geschaffen hat. Angesichts des Auftrages, die Zukunft aus dem Geist des Evangeliums zu gestalten, muß uns immer bewußt bleiben, daß der „Mensch der Weg der Kirche” ist (Centesimus annus, Nr. 53). Nur unter Berücksichtigung der Erhaltung des Systems von geistigen und geistlichen Werten kann eine Gesellschaft wahrhaft menschlich sein. Je mehr es gelingt, auch das wirtschaftliche Leben am Menschen zu orientieren, um so erfolgreicher kann Euer Land dazu beitragen, daß die Verhältnisse in Europa und in der Welt ein menschliches Antlitz tragen. Liebe Schwestern und Brüder, die tiefste Einheit ist uns in Jesus Christus geschenkt. In ihm, in seinem Kreuzestod und in seiner Auferstehung, ist die Einheit zwischen Gott und den Menschen sichtbare und wirksame Realität geworden. Gesellschaftliche Einheit ohne legitime Vielfalt ist in der menschlichen Geschichte allzu oft in Diktaturen entartet, wie in unserem Jahrhundert viele Teile Europas schmerzlich erfahren mußten. Vielfalt ohne Verankerung in verbindender Einheit aber droht in Beliebigkeit abzugleiten, wie sie uns in vielen Bereichen der modernen Zivilisation entgegentritt. Wir müssen zu einer Einheit finden, die Vielfalt einschließt. Hier einen Beitrag zu leisten und Veränderungen menschlicher Strukturen zu ermöglichen, fühlt sich nicht zuletzt die Kirche gerufen. Um ein solches Wachsen von Vielfalt in gemeinsamer Verantwortung zu fördern, haben sich die Katholiken in Deutschland -und das möchte ich in diesem Zusammenhang dankbar in Erinnerung bringen -durch die Gründung des neuen HilfsWerkes RENOVABIS bereitgefunden; in Gebetsverbundenheit und durch großzügiges finanzielles Engagement arbeitet Ihr trotz wirtschaftlicher Engpässe in Eurem eigenen Land an den gesellschaftlichen und kirchlichen Aufgaben in Mittel-, Ost- und Südosteuropa tatkräftig mit. Ihr seid zur Feier der Eucharistie versammelt. In ihr schenkt sich Jesus Christus und nimmt die Gläubigen in seine Einheit mit dem Vater hinein. Bittet ihn um die Gnade, daß Ihr als lebendige Zeugen in Eure Heimatgemeinden zurückkehrt, damit die Kirche in ihrer Einheit ein vielfältiges Zeugnis für das Leben geben kann, das uns in Christus geschenkt ist. Dazu erteile ich Euch, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des 92. Deutschen Katholikentages 1994 in Dresden, den vielen Helfern und Mitwirkenden, die zu einem guten Gehngen dieser Begegnung beigetragen haben, von Herzen meinen Apostolischen Segen. Mis dem Vatikan, am 21. Juni 1994 loannes Paulus PP. II 655 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Papst zum Sport Grußworte an die Mitglieder des Italienischen Sportzentrums am 25. Juni Liebe Freunde vom Italienischen Sportzentrum! Seid willkommen auf dem Petersplatz! Zur Fünfzigjahrfeier eures Verbandes meine Glückwünsche! Ich freue mich besonders, daß ich euch bei dieser bedeutsamen Gelegenheit empfangen kann, bin ich doch überzeugt, daß der Sport wirklich ein Ausdruck des Lebens ist. Er ist das allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Der Sport darf nämlich nie seine menschliche Dimension verlieren, er soll Spiel sein, soll Freiheit, Gemeinschaftssinn und Naturverbundenheit bekunden. Stattdes-sen müssen wir oft eine entartete sportliche Betätigung feststellen, durch Interesser entstellt, die dem Sport fremd sind und die schließlich sogar mehr gelten als moralische und geistige Gesundheit, ja selbst - so widersinnig es ist - als das Leben des Menschen. In solch einem Fall handelt es sich nicht mehr um Sport, sondern gewiß um etwas anderes. In diesem Zusammenhang ist das erzieherische und sportliche Angebot des Italienischen Sportzentrums aktueller denn je. Seit 1944 - und noch früher: schon seit dei Zeit vor seiner Aufhebung durch das faschistische Regime - versteht das Italienische Sportzentrum den Sport ja als etwas, das allen offensteht und echte Werte vermittelt. Der Sport darf niemanden ausschließen, und wenn heute einige Behinderte unter euch sind, so zeigt gerade dies, wie wichtig ein solches Programm ist. Der Sport soll immer eine festliche Gelegenheit bleiben, ein gesundes Vergnügen bei dem der Konkurrent respektiert und vor allem als Spielgefährte betrachtet wird Sodann möchte ich auch gern noch die familiäre Dimension der sportlichen Betäti gung unterstreichen; es ist schön, wenn die Familie am Sportfest teilnimmt, wie sis es bei anderen Anlässen tut, wenn christliche oder gesellschaftliche Feste gefeier werden. Darum möchte mein Wort eine kräftige Aufmunterung an die Verantwortli chen, die Mitglieder und die Freunde des Italienischen Sportzentrums sein, den ein geschlagenen Weg fortzusetzen. Ich vertraue euch der Gottesmutter Maria an und erteile euch allen und euren Fami lien von Herzen meinen Apostolischen Segen. Eins in der gemeinsamen Sendung Ansprache an die Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel anläßlich des Festes der hll. Petrus und Paulus am 28. Juni Gebebte Brüder in Christus! Es ist für mich immer eine Freude, die Delegation zu empfangen, die mein hebe Bruder, der Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., sendet, um am Fest de 656 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hll. Patrone der Kirche Roms, Petrus und Paulus, teilzunehmen. Ich bitte euch, Seiner Heiligkeit wie auch den Mitgliedern des heiligen Synod meine herzliche und treue Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen. 1. Wir wollen bei den Aposteln, den Säulen der Kirche von Rom, innig um Fürbitte anhalten, um ihr Beispiel nachzuahmen! Petrus und Paulus haben nie aufgehört, Brüder zu sein, und waren doch sehr verschieden. Sie waren verschieden aufgrund ihrer Herkunft; der eine war ein einfacher Fischer in Israel; der andere ein Pharisäer und römischer Bürger. Sie waren noch mehr verschieden durch ihre geistliche Geschichte: Petrus, der Bruder des Andreas - des zuerst Berufenen - ist ein Jünger der ersten Stunde; Paulus ist seit der ersten Stunde ein Verfolger der Kirche. Petrus liebt und verleugnet, bevor er durch das dreifache Verzeihen zum Hirten der Herde bestellt wird; Paulus wird, nachdem er gehaßt und zerstört hat, abgeordnet, um das Evangelium unter den Heiden zu verkünden (vgl. Gal 1,13-16). Doch trotz der unterschiedlichen Wege und zuweilen harten Gegensätze, ist ihr „Ehrgeiz” ein einziger: „dem Herrn zu gefallen” (vgl. 2 Kor 5,9). Vom Vater erleuchtet, bekennt Petrus: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes” [Mt 16,16); und wenn er fragt, tut er es, um desto fester zu versichern: „Zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens” (Joh 6,68). Eingehüllt in ein Licht vom Himmel, fragt Paulus: „Wer bist du, Herr?” (Apg 9,3-5); und wenn er seinen Glauben bekennt, „sei es gelegen oder ungelegen” (2 Tim 4,2), dann tut er ;s, um immer noch weiter zu fragen und das unergründliche Geheimnis des Heiles, las Christus den Nationen gebracht hat, noch tiefer zu ergründen. Ihr Ursprung ist verschieden, aber ihre Sendung vereint sie: Petrus und Paulus werden wegen ihres gemeinsamen Zeugnisses dem Herrn gefallen. 1. Was haben sie wohl während der vierzehn Tage des Zusammenseins bei ihrer irsten Begegnung miteinander besprochen (vgl. Gal 1,18)? Sie haben sich kennen-lelemt. Aber der leidenschaftliche Zeuge des lebendigen Jesus und jener, der die amwerfende Erfahrung der Herrlichkeit des Auferstandenen gemacht hatte, haben vahrscheinlich von der Sendung miteinander gesprochen, die ihnen der gemeinsame Herr der Juden und Heiden für das Heil aller anvertraut hatte. Ähnlich ergänzen sich insere orientalische und lateinische Tradition, die, wie bei Petrus und Paulus, im Dienst der gleichen und einen Sendung stehen. So ist auch meine Hoffnung groß, laß meine nächste Begegnung mit dem Haupt der Schwesterkirche von Konstan-inopel ebenfalls dem Herrn gefalle. 1. Der Heilige Geist hat uns zu einer sinnvollen Gewohnheit angeregt, gemeinsam lie ersten Zeugen zu feiern, die uns den Glauben gebracht und sogar ihr Blut dafür lingegeben haben. Gewiß ist einer der wesentlichen Augenblicke dieser frohen und feierlichen Begegnungen zwischen unseren Kirchen der des Gebets. Wir wenden ins dann an den unermeßlich barmherzigen Vater, der uns in der Gabe des Heiligen leistes zu Söhnen und Töchtern macht nach dem Bild und Gleichnis seines einge- 657 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN borenen Sohnes. Deswegen kann ich in dieser Stunde nicht die ausgezeichnete und tiefgründige Meditation des Kreuzweges vergessen, die uns von Patriarch Bartholomäus I. bei der Zeremonie des Karfreitags am Kolosseum in Rom geboten wurde. Durch euch möchte ich, wie ich es kürzlich vor dem zum Konsistorium versammelten Kardinalskollegium getan habe, ihm erneut meine lebhafteste Dankbarkeit füi diesen „Austausch der Gaben” zum Ausdruck bringen. 4. In diesem Rahmen unserer kirchlichen Beziehungen möchte ich auch den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche in seiner Gesamtheit erwähnen. Im vergangenen Jahr hat die gemischte internationale Kommission einen bezeichnenden Schritt vollzogen. Bei einer heiklen Frage haben sich Ansätze für eine Lösung gezeigt. Die Arbeit muß weitergeführt werden, doch schon jetzt kann man eine Beruhigung der Geister feststellen. Wollen wir immer noch engere Bande zwischen uns schaffen, so sollten wir nacl meiner Überzeugung alles tun, um die konkreten Schwierigkeiten zu lösen, die siel ergeben können, und den theologischen Dialog fortsetzen. Gewiß helfen der liebevolle Dialog und die Wandlung der inneren Haltungen dem theologischen Dialog Die Erfahrung zeigt auch, daß der theologische Dialog die Grundlagen für einer neuen gemeinsamen Weg legt und gestatten kann, die noch bestehenden praktischer Schwierigkeiten zu überwinden. Aus diesem Grund wünsche ich dringend, die gemischte Kommission möge ihren theologischen Dialog möglichst bald wieder aufgreifen in dem Geist des Vertrauens, der Seine Heiligkeit, den Patriarchen Di mitrios I. und mich selbst erfüllt hat, als ihre Schaffung im November 1979 am Fes des hl. Andreas angekündigt wurde. Das ist mein innigster Wunsch. Seine Verwirklichung vertraue ich dem Vater alle: Gnade und seinem geliebten Sohn Jesus Christus an. In dieser Zeit des Pfmgstfeste: in der orthodoxen Kirche bitte ich ebenso den Heiligen Geist, er möge in reiche Fülle seine Kraft und seine Weisheit über die Verantwortlichen des Apostolische] Stuhles in Rom, des ehrwürdigen Patriarchates von Konstantinopel, der übrigen Pa triarchate und der ganzen Orthodoxie ausgießen. Indem ich euch segne und euch für euer Kommen danke, spreche ich euch, hebe] Brüdern, nochmals meine tiefe Hochachtung und meine Verbundenheit in brüder licher Liebe aus. Der Glaube als Quelle der Rechtfertigung Predigt am Hochfest der hll. Apostel Petrus und Paulus am 29. Juni 1. „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes” {Mt 16,16), Worte de hl. Petrus; „Ich bin Jesus, den du verfolgst” (Apg 9,5), Worte Jesu an Saulus. 658 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese beiden Sätze bieten einen Schlüssel für die Deutung des heutigen Hochfestes. Der erste wurde in der Nähe von Cäsarea Philippi von Simon, dem Sohn des Jona, dem künftigen Apostel Petrus gesprochen. Das Bekenntnis des Glaubens an seine Gottessohnschaff wurde zum Felsen, auf dem Christus seine Kirche erbaute. Gerade deswegen wurde Simon seit seiner ersten Begegnung mit dem Meister von ihm „Petrus” genannt: „Du sollst Kephas heißen. Kephas bedeutet Fels (Petrus)” (Joh 1,42). In der Nähe von Cäsarea Philippi wiederholt Jesus nach dem Glaubensbekenntnis das Gleiche: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen” (Mt 16,18). „Selig bist du, denn nicht Heisch und Blut haben dir meine Gottheit offenbart, sondern mein Vater im Himmel” (vgl. Mt 16,17). Nur Gott konnte Christus offenbaren, weil nur der Vater den Sohn kennt (vgl. Mt 11,27). Durch das Bekenntnis der Gottheit Christi nimmt Petrus am ewigen Wissen teil, das der himmlische Vater von seinem Sohn besitzt. In dieser Teilhabe besteht das Wesen des Glaubens: der Glaube des Petrus und der Glaube der Kirche. Die Kirche erbaut sich ständig auf diesem Glauben wie auf einem Felsen. 2. Auch der Glaube des Paulus kommt von Christus her. Saulus von Tarsus, Schüler des großen Gamaliel, ein Pharisäer, hatte Christus während seines irdischen Lebens nicht kennengelemt, teilte aber über ihn die gleichen Meinungen wie der Hohe Rat, der ihn zum Tode verurteilt und ihn in die Hände des Pilatus ausgeliefert hatte: Für sie war Jesus von Nazaret ein Betrüger. Saulus dachte ebenso und verfolgte die Jünger und Bekenner Jesu von Nazaret mit tiefer Überzeugung. Gamaliel war seinerseits für eine gemäßigte Position: Er war nämlich einer von denen, welche die Verurteilung Jesus zum Tode verhindern wollten. Er hatte sich auch zugunsten der Apostel und zumal für Petrus ausgesprochen, um ihre Verurteilung zu vermeiden. Er war es, der den Mitgliedern des Synedriums sagte: „Wenn dieses Vorhaben oder dieses Werk von Menschen stammt, wird es zerstört werden; stammt es aber von Gott, so könnt ihr sie nicht vernichten; sonst werdet ihr noch als Kämpfer gegen Gott dastehen!” (Apg 5,38-39). ln diesem Punkt aber teilte Saulus nicht die Ansicht seines Lehrers Gamaliel. Er gab licht zu, die von der Aposteln Christi gepredigte Lehre sei göttlichen Ursprungs. Er war als „Pharisäer ... untadelig in der Gerechtigkeit, wie sie das Gesetz vorschreibt” [Phil 3,6) und entschlossen, die Christen zu verfolgen und sie ins Gefängnis zu werfen, sie sogar mit dem Tode zu bestrafen wie im Fall des Stephanus, des ersten Dia-cons und Märtyrers, bei dessen Steinigung er anwesend war (vgl. Apg 7,58). Lu diesem Zweck war Paulus von Jerusalem nach Damaskus aufgebrochen im Wissen, daß auch in dieser Stadt die Lehre der Apostel Anhänger besaß. Und siehe, als ;r sich schon in der Nähe der Stadtmauern befand, umstrahlte ihn ein großes Licht. 2r fiel vom Pferd und vernahm „in jenem Glanz, der ihn blind machte, die Worte: ,Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?” (Apg 9,4). Er, der nichts sah, fragte: ,Wer bist du, Herr?” Und die Stimme entgegnete: „Ich bin Jesus, den du verfolgst” 659 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (.Apg 9,5). Saulus verfolgte Jesus in seinen Jüngern; er war ein Verfolger der entstehenden Kirche. Ihm aber wurde offenbart, daß er damit Jesus selber verfolgte unc die Auferstehung des Herrn nach seiner Kreuzigung und seinem Begräbnis wedei Legende noch Erfindung war. Der Auferstandene selber erschien ihm auf dem Weg nach Damaskus. Er sprach zu ihm als Lebender und Gegenwärtiger und befahl ihm „Steh auf und geh in die Stadt; dort wird dir gesagt werden, was du tun sollst’ (Apg 9,6). Und tatsächlich wurde dem Saulus in Damaskus mitgeteilt, was er tur sollte. Er empfing die Taufe im Namen Jesu Christi, der ihn ein „auserwählte; Werkzeug” nannte: Er, der Simon „Felsen” genannt hatte, nannte Paulus eir „auserwähltes Werkzeug”, um seinen Namen vor die Völker und Nationen der ganzen Erde zu tragen (vgl. Apg 9,15). 3. Heute, Ihr Lieben, denken wir über den Weg nach, den beide Apostel gegangei sind, einen Weg, der gerade hier in Rom endete. Es war ein Weg, der Petrus zu nächst ins Gefängnis in Jerusalem führte, in das er von Herodes geworfen wurde und von wo ihn der Herr wunderbarer Weise befreite; dieser Weg führte Petra: dann über Antiochia bis nach Rom, wie wir in der Apostelgeschichte und in dei Briefen des hl. Paulus lesen. Der Weg des Paulus hingegen verlief anders: Er verlief die vier denkwürdigen apo stolischen Reisen entlang. Vorher hatte er sich auf die Verkündigung Christi in eine Wüstenzeit vorbereitet, zunächst in seiner Geburtsstadt Tarsus, dann in der arabi sehen Wüste, um dann mit Petrus und den übrigen Aposteln Kontakt aufzunehmen um zu überprüfen, ob sein Verständnis des Evangeliums richtig war (vgl. Gal 2,2) Dieser Pharisäer, vom Geist über die Reichtümer des Geheimnisses Christi erleuch tet, kam zu tiefen und entscheidenden Schlußfolgerungen, zumal über die Rechtfer tigung. Nicht ausschließlich der Gesetzesgehorsam, wie er zunächst meinte, sonden der Glaube an Christus ist die Quelle der Rechtfertigung; und so wie er vorher zun Kampfbereit war, um jede, auch die kleinste Vorschrift des Alten Gesetzes zu ver teidigen, so widersetzte er sich jetzt denen, die den aus dem Heidentum bekehrte] Christen seine Beobachtung auferlegen wollten. Um dieses grundlegende Prinzi] aufrechtzuerhalten, scheute er sich nicht, sich sogar Petrus zu widersetzen, der siel den Judenchristen gegenüber allzu nachgiebig gezeigt hatte. Das Evangelium Christi stellt eine absolute Neuheit dar. Der Neue Bund wurd-zwar vom Alten Bund vorbereitet und stellte das direkte Erbe Abrahams und Mose dar; zugleich war er doch etwas radikal Neues. Gott, der im Alten Testament dura die Patriarchen und Propheten gesprochen hatte, hat am Ende durch seinen Soh gesprochen, und nun ist das Wort Gottes, der Sohn, die Quelle der Heilswahrhei (vgl. Hebr 1,1-2). So hat Paulus auf all seinen Reisen gelehrt. So lehrte er beim Be such der Synagogen in Kleinasien; so lehrte er, als er die griechischen Städte durch zog; so sprach er zumal auf dem Areopag in Athen. Dafür wurde er von seine ehemaligen Brüdern im Glauben verfolgt und gegeißelt; dafür lag auf ihm die Tc desstrafe, als er nach Jerusalem zurückkehrte und die Schwelle des Tempels betrai 660 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Doch überall war ihm der Herr nahe und schenkte ihm Kraft, damit sich durch ihn die Verkündigung des Evangeliums erfüllte und alle Nationen es hören konnten (vgl. 2 Tim 4,17). 4. Paulus, der Lehrer der Völker, und Petrus, dem der Herr die Schlüssel des Himmelreiches anvertraute, begegneten sich schließlich in Rom. Christus hatte das Schicksal dieser beiden Apostel, die auf derart verschiedenen Wegen zu Ihm gekommen waren, verbunden. Beide wurden von Christus zur Hauptstadt des Kaiserreiches geführt, die zum Zentrum seiner Kirche werden sollte. Hier kam für den einen wie für den anderen der Tag, da ihr Blut als Opfer vergossen werden mußte. Und so ist von da an Rom die Stadt des endgültigen Zeugnisses der Apostel Petrus und Paulus geworden, der Ort ihres Martyriums: ein Tod, der - dank des Todes Christi - neues Leben zeugt. Jedes Jahr gedenkt die über die ganze Erde verbreitete Kirche dieser Ereignisse. Hier sind zwanzig Metropoliten aus verschiedenen Teilen der Welt versammelt, um das Pallium, das Zeichen der Einheit mit dem Sitz des Petrus im gleichen Glauben der Kirche, zu empfangen. Wenn ich sie in brüderlicher Umarmung willkommen heiße, grüße ich herzlich die ihnen anvertrauten Kirchen. Es ist schön, daß dieses Hochfest der hll. Apostel Petrus und Paulus auf diese Weise zum Ausdruck der universalen Einheit der Kirche geworden ist, die auf dem Felsen ihres Glaubens erbaut und durch das höchste Zeugnis des Blutes befestigt worden ist. Wir alle empfangen heute voll Freude die orthodoxe Delegation unter Führung des Metropoliten von Helioupolis und Teira, Athanasios, den der ökumenische Patriarch, Seine Heiligkeit Bartolomaios I. brüderlich zu dieser Kirche in Rom entsandt hat, um sich mit uns bei der Feier der heiligen Petrus und Paulus zu vereinigen, nachdem er uns dieses Jahr auf dem Kreuzweg im Kolosseum geführt hat mit seinen Meditationen über den Tod und die Auferstehung Jesu. Ich richte an jedes Mitglied ier Delegation einen herzlichen Gruß und spreche zugleich den Wunsch aus, persönlich dem ökumenischen Patriarchen in dieser Basilika zu begegnen, um gemeinsam mit ihm den Herrn zu bitten, er möge auf die Fürbitte der hll. Petrus und Paulus ans bald die volle Gemeinschaft erreichen lassen. Voll Verehrung gedenken wir heute auch des Apostels Andreas, Bruder des heiligen r’etrus, dessen Tradition in der Kirche von Konstantinopel besonders lebendig ist. Andreas hat Petrus zu Jesus geführt. Er sagte ihm: „Wir haben den Messias gefun-ien” (Joh 1,41), und Petrus folgte ihm. Gerade damals sagte ihm Christus: „Du iollst Kephas heißen” (Joh 1,42). Kephas-Petrus ist immer bereit, zu Christus zu gehen und seinem Bruder Andreas zu blgen; er ist bereit, zu Christus zu gehen und allen Brüdern im apostolischen Dienst :u folgen. Der Herr hat ihm gezeigt, daß er die anderen führen und stärken, daß er mch bereit sein muß, auf sie zu hören. >. Wir glauben, daß Christus heute in besonderer Weise für Petrus betet, wie er ihm n der Stunde der schlimmsten Prüfung versprochen hatte, damit sein Glaube nicht 661 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wankt (vgl. Lk 22,32). Dieses Fest, das die Apostel Petrus und Paulus vereint, dien) zur Festigung des Glaubens der Kirche. Es dient zur Verkündigung der Heniichkeit des Herrn, der Herrlichkeit Christi, der gekreuzigt wurde und auferstanden ist. Denn „Gott hat ihn über alle erhöht und ihm den Namen gegeben, der größer ist als alle Namen; damit... jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr - zur Ehre Gottes, des Vaters” (Phil 2,9-11). Amen! Gottgeweihtes Leben - radikal gelebtes Evangelium Ansprache an das Generalkapitel der Kapuziner am 1. Juli Liebe Brüder! 1. Ich freue mich, euch, den Teilnehmern an eurem Generalkapitel, heute begegnei zu können. Wie eure Konstitutionen sagen (16,1) bildet das Generalkapitel „da: größte Zeichen der Einheit und Solidarität der ganzen Brudergemeinschaft der Kapuziner, die in ihren Vertretern versammelt ist”. Herzlich grüße ich den neu gewählten Generalminister P. John Corriveau, dem icl meine besten Wünsche ausspreche für eine gute Arbeit in der neuen Leitungsauf gäbe, zu der er berufen wurde. Ein besonderes Gedenken gilt auch P. Flavio Ro berto Carraro, der zwölf Jahre hindurch euren Orden geleitet hat, und ich rufe au ihn reichen Lohn der Gnade und des Friedens herab für die Hingabe, mit der e seine Arbeit geleistet hat. Jede Versammlung eines Kapitels stellt für den Orden eine nützlich und notwendig! Stunde des Nachdenkens dar, nicht nur über den tiefen Sinn der eigenen spezifi sehen Berufung sondern auch über die Verhältnisse der Menschheit, welche dii franziskanische Brudergemeinschaft aufrufen, die „Zeichen der Zeit” (vgl. Mt 16,1 3; Lk 12,54-57) als Stimme Gottes für das Institut zu erkennen und aufzugreifen. Ich brauche euch gewiß nicht daran zu erinnern, daß dieses euer Zusammentreffei in eine für die Kirche im allgemeinen und für die zum gottgeweihten Leben Berufe nen in ganz besonderer Weise bedeutsame Stunde fällt. Die kommende ordentlich Vollversammlung der Bischofssynode mit dem Thema: „Das gottgeweihte Lebe: und seine Sendung in der Kirche und der Welt” bildet nämlich für das ganze Voll Gottes eine besondere Anregung, über das unschätzbare Geschenk nachzudenker das der Geist der Kirche Christi durch das Charisma des gottgeweihten Lebens ge macht hat und ständig macht. Die sechs Jahre bis zum nächsten Kapitel, die nun beginnen, fallen ferner in ein Zeit von einzigartiger historischer Bedeutung für die Gemeinschaft der Kirche, di sich zu Feier des zweiten Jahrtausends seit der Menschwerdung Jesu Christi an schickt. 2. In diesem Zusammenhang besteht die Sendung des Glaubenden und zumal jede Ordensmannes darin, Zeuge des Absoluten zu sein, auch mitten in den tragische 662 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Folgen, welche die „Abwesenheit Gottes” hervorruft, die in weiten Schichten der heutigen Gesellschaft erlebt wird. Das erfordert vor allem, daß der Kapuziner in Vereinigung mit dem Herrn lebt und dessen Präsenz im eigenen Leben erfährt. Gebet und Kontemplation: diesem Auftrag müßt ihr vor allem genügen nach dem leuchtenden Beispiel des hl. Franziskus und zahlreiche weiterer Meister aus eurer langen Tradition. Aus der innigen Gemeinschaft mit der göttlichen Dreifaltigkeit entspringt die brüderlich Liebe, die ihr vor allem unter euch vorzulegen berufen seid („Daran werden alle erkennen ...” Joh 13,35). Nur dann könnt ihr auch bereit sein, für die anderen, zumal für die Armen zu leben, wie euch ständig von euren Konstitutionen und den Dokumenten eures Ordens empfohlen wird. Das brüderliche Leben ist ein Wert, den auch der hl. Franziskus, vom Heiligen Geist bewegt, seinen ersten Gefährten einprägte, um die gespaltene Gesellschaft seiner Zeit zu heilen. Ihr wollt heute diesen Lebensstil in einer Zeit neu anbieten, da das Virus der Spaltung und des Individualismus besonders aggressiv ist. Seid also Beispiele der Brüderlichkeit und der Eintracht: Bietet in euren Gemeinschaften das Zeugnis von Brüdern, die miteinander in Frieden, im Gebet, in echter Liebe und gegenseitigem Verzeihen, in Armut und Aufnahmebereitschaft leben. 3. Dazu ist schöpferische und konkrete Treue zu eurem franziskanisch-kapuzini-schen Charisma nötig, das ihr immer besser im Licht der Lehre und des Beispiel eu-•es heiligen Gründers, Franziskus von Assisi, kennenlemt. Bemüht euch, sein Werk und sein Zeugnis für das Evangelium fortzusetzen, indem ihr Räume für eure Präsenz, euer Zeugnis und euren apostolischen Dienst sucht, wie sie den immer neuen Bedürfnissen des Menschen von heute entsprechen. Venn ich von schöpferischer Treue spreche, so denke ich an die Notwendigkeit, die Reichen der Zeit aufmerksam zu studieren, um die Hinweise zu erkennen, die der deilige Geist den Christen von heute gibt. Diese Zeichen mit der Aufgeschlossen-teit des Armen von Assisi zu erkennen, der sich dahin führen ließ, mit einer neuen 5orm des gottgeweihten Lebens auf die Forderungen eines radikal gelebten Evange-iums zu antworten. Die Offenheit und Verfügbarkeit des Franziskus werden euch emer sowohl von der Gefahr der Unbeweglichkeit befreien wie auch von der Vergeltung, euch bequem mit den Moden des Augenblicks abzufmden. iure Treue muß ferner konkret sein: Der hl. Franziskus ermahnte seine Brüder, Zhristus „mehr durch Beispiel als durch Worte” zu bezeugen. Von diesem Ge-ichtspunkt aus gilt es, schon vom Bemühen um Berufungen und der anfänglichen Ausbildung an bis zu ständigen Weiterbildung der Brüder mehr die Qualität des ;ottgeweihten Lebens als die Quantität der Geweihten zu fördern. Es muß ferner ;uer Anliegen sein, echte Zeugen Gottes und der Brüderlichkeit im Sinn des Evan-;eliums zu sein: Ihr, liebe Kapuziner, seid ein Orden von Brüdern, berufen, die raditionelle Nähe zum Volk durch einen weisen Prozeß der Inkulturation aufrecht-uerhalten und zu stärken. 663 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Wollt ihr den Menschen nahe bleiben, so müßt ihr euch in Studium, Nachdenken und Gebet bemühen, die Probleme und Bedürfnisse, mit denen sie heute zu tun haben, im Licht des Evangeliums zu verstehen. Ohne gediegenes Wissen läuft man Gefahr, vergeblich zu arbeiten. Das Bemühen, den tieferen Bedürfnissen unserer Welt entgegenzukommen, wird euch im übrigen schöpferisch machen. Entfaltet also, meine Lieben, echten prophetischen Eifer, um den Menschen unserer Zeit zu helfen, die - was die moralischer Werte angeht - nicht selten im Dunkeln tappen. Ermutigt die Jugendlichen, fördert Bibelgruppen und Gebetsgemeinschaften. Tragt Christus in die Welt hinein! Tut es mutig! Euer Orden hat schon immer ein leuchtendes Beispiel der Evangelisierung gegeben, besonders durch die praktizierte Volksnähe, die euch auszeichnet. Seid Missionare! Die Forderung, das Evangelium „ad gentes” zu bringen, wirc heute um so dringlicher, weil die Masse der Völker wächst, die dem Herrn Jesu? noch nicht wirklich begegnet sind. Flößt den jungen Generationen und den neuer Gebieten eures Ordens Missionseifer ein, und behaltet dabei immer die Kirchlichkeit eures Charismas gediegen bei, entsprechend dem „Auftrag” des Gekreuzigter von San Damiano an den hl. Franziskus: „Geh, und bau mein Haus wieder auf!’ Franziskus tat es zu seiner Zeit, nun liegt es an euch! Die pastoralen Bedürfnisse in eigenen Land bilden keinen ausreichenden Grund, nicht die Heimat zu verlassen unc dorthin zu gehen, wo Gott es euch zeigen wird. Seid Apostel des Friedens, eines Geschenkes Gottes, das allzu oft durch Ungerech tigkeit und Verbrechen, mit Füßen getreten wird in einer Welt, die sich doch gen als zivilisiert und fortschrittlich bezeichnen möchte. Das wirklich nach dem Evangelium gelebte und verkündete Leben wird euch zi Propheten machen, also zu Männern Gottes und zu Trägem Gottes, als echte Söhrn des seraphischen Vaters, der nach den Worten eines Biographen von einer „lichtvollen Geist der Prophetie” geradezu besessen war (Ubertino da Casale, Arbo vitae crucifixae Jesu, V, 3). In seiner Lehre und in seinem Beispiel besitzt ihr eii reiches Erbe, das es zu bewahren gilt: Es bereitet euch besonders vor für die neu Evangelisierung im Hinblick auf das schon nach Jubiläum des Jahres 2000. 5. Liebe Brüder, ich möchte schließen mit einer schönen Ermahnung aus eure: Konstitutionen, in der sich die Weisheit des Geistes widerspiegelt, die den Geis eurer Väter genährt hat: „Im Apostolat ... seid arm und demütig, ohne euch eine Dienst anzueignen, damit allen deutlich bleibt, daß ihr nur Jesus Christus sucht; be haltet jene Einheit in der Brüderlichkeit bei, die Christus vollkommen wollte, dam die Welt daran erkennen könne, daß der Sohn vom Vater gesandt ist. Im brüder!i chen Zusammenleben aber pflegt ein Leben des Gebetes und des Studiums, um m dem Erlöser innig vereint zu sein, und, vom Heiligen Geist bewegt, seid imme hochherzig bereit, in der Welt die Frohbotschaft zu bezeugen” (Konstitutio 154,3-4). 664 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesen Wünschen vertraue ich die Früchte eurer Kapitels Versammlung dem mütterlichen Schutz Mariens, der „getreuen Jungfrau” an, damit sie in euch ein starkes Verlangen der Treue zur franziskanischen, dem Evangelium gemäßen Berufung lebendig erhalte. Ich bitte die „Königin der Apostel”, sie möge euch den ersten Jüngern gleich die Präsenz Jesu Christi und eine innige Gemeinschaft mit ihm erfahren lassen. Ich rufe die „Königin der Propheten” an, sie möge erlangen, daß ihr euch wirksame Werkzeuge des Heiles für die Brüder sein könnt. Ich vertraue auf eure Gebete für die Bedürfnisse der Kirche und das Reich Gottes leistet, den hier Anwesenden, und eurem ganzen Orden den Apostolischen Segen. Kirche dient dem Gemeinwohl Ansprache an den Botschafter der Slowakei beim Hl. Stuhl am 4. Juli Herr Botschafter! 1. Besonders gern nehme ich das Beglaubigungsschreiben entgegen, durch das Sie mit einer äußerst wichtigen Sendung beauftragt werden: denn in Ihrer Person stellt Jie edle slowakische Nation, nachdem sie am 1. Januar 1993 ein unabhängiger und souveräner Staat geworden ist, ihren ersten außerordentlichen mit allen Vollmachten lusgestatteten Botschafter beim Hl. Stuhl vor. Ich denke in diesem Augenblick in Ehrerbietung an den Präsidenten der Republik, Herrn Michal Koväc, und an die janze Bevölkerung der Slowakei, deren Gefühle der Verehrung für den Nachfolger les Petrus Sie selbst eben freundlich bekräftigt haben. Wie Sie mit Recht betont ha-ien, kommt die Einzigartigkeit dieser Stunde in der gleichzeitigen Ernennung des jrsten Apostolischen Nuntius in der Slowakei in der Person von Msgr. Luigi Dos-;ena zum Ausdruck. Das Verhältnis des Papstes zum slowakischen Volk ist von besonderer Zuneigung md Herzlichkeit gekennzeichnet. Zahlreich sind nämlich die Pilger, die aus der Erzdiözese Tmava sowie aus den Diözesen Banskä Bystrica, Kosice, Nitra, Roz-lava und Spis, sowie auch aus der Eparchie von Presov jede Woche nach Rom commen, um mir einen Besuch abzustatten. Außerdem befindet sich unter meinen rngsten Mitarbeitern ein berühmter Landsmann von Ihnen, Jozef Kardinal Tomko, ler den echten Glauben, den er im Herzen Europas ererbt hat, in den Dienst der /erkündigung des Evangeliums in der ganzen Welt stellt. nir mich unvergeßlich bleiben sodann die Tage der apostolischen Reise nach Bohnen, Mähren und in die Slowakei im April 1990. Vor meinen Augen stehen noch lie Bilder der von begeisterten Gläubigen gefeierten Eucharistie auf dem Flugplatz ron Preßburg. Es waren Stunden, die man ohne Übertreibung als historisch bezeichnen kann, und ich denke gern, daß Ihre Anwesenheit in Rom, Herr Botschafter, rgendwie auch die Frucht der Intensität und des Wertes jener Begegnungen ist. 665 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich wollte diese Ereignisse erwähnen, um zu betonen, wie schön und wichtig es ist, daß die diplomatischen Beziehungen in den tieferen und dauerhaften Wurzeln dei Kultur und des Glaubens gründen. Ein solcher Gedanke ist in der heutigen Stunde im Leben des europäischen Kontinents um so wichtiger, da offensichtlich die Gefahi besteht, die Dimension der humanistischen Werte zu unterschätzen zugunsten ökonomischer Aspekte, die zwar sehr wichtig, aber nicht von der Art sind, daß sie alleir ein „Ethos”, ein gemeinsames Empfinden begründen und tragen können. Diese Wahrheit, welche der Kirche so sehr am Herzen liegt, gilt besonders in der derzeitigen Situation der Slowakei, die eine günstige, aber zugleich heikle Phase des Übergangs zu einer Rolle der vollen nationalen und internationalen Reife durchmacht. 2. Als sie ein souveräner Staat wurde, hat die slowakische Republik die gesamt! Gesetzgebung „geerbt”, welche auf der einen Seite die Regelung der Beziehungei zur internationalen Gemeinschaft enthält und auf der anderen die Normen für dis Verhältnisse im Inneren umfaßt. Angelpunkt ist die Achtung der Menschenrechte eingeschlossen die Religionsfreiheit. Eine weitere Entwicklung dieser Normen wirc der Slowakei gestatten, würdig ihren Platz innerhalb der Nationen einzunehmen zumal aber Beziehungen guter Nachbarschaft mit den angrenzenden Staaten zi entwickeln. Was den inneren Bereich angeht, so wird die immer genauere Anwendung der er wähnten Normen jedem Bürger, auch den nationalen Minderheiten, die rechtlich Sicherheit und die Möglichkeit zu einer harmonischen Entwicklung bieten in Ach tung vor der Eigenart der Gruppen, die den Staat bilden. 3. Ich habe bereits an das solide Band erinnert, das die Slowaken mit der Kirch und dem Sitz des Petrus verbindet, sicherlich dank des genialen Werkes der Evan gelisierung, das die heiligen Kyrill und Method vollbracht haben. Die Tatsache, dal die verehrten Gebeine des ersteren in Rom gehütet werden, während sich die de letzteren nicht fern von den Grenzen der Slowakei, in Velehrad in Mähren befinder wo ich zu meiner Freude als betender Pilger verweilen durfte, weist beredt auf dies geistliche Verwandtschaft hin. Gerade morgen wird man in der Slowakei infolg eines glücklichen und schönen Zusammentreffens das Hochfest der beide hll. Brüder und Mitpatrone Europas feiern, das zugleich ein nationales Fest ist. Man kann sagen, daß das Christentum innig mit der Geschichte der Nation verbur den ist. Der Großteil der Bürger der Slowakei bezeichnet sich tatsächlich als kathc lisch und erkennt damit für sich diese über tausendjährige Identität an, die das reich historische und kulturelle Erbe des Landes kennzeichnet. Die fünf Diözesen aber, i welche die Kirchenprovinz Tmava eingeteilt ist - abgesehen von der Eparchie Prt sov, die unmittelbar dem Hl. Stuhl untersteht -, überliefern von einer Generation zi anderen dieses Erbe von unschätzbarem Wert. Wir wissen freilich, daß das Verhältnis zwischen dem Evangelium und einem Vol immer ein lebendiges Verhältnis ist, das ständig genährt und in jeder Generation e: neuert werden muß. Es ist darum mein Wunsch, unsere Zeit des Übergangs voi 666 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zweiten zum dritten christlichen Jahrtausend möge hochherzige und weise Zeugen der Wahrheit am Werk sehen, die zu allen Lebensständen gehören und wie Kyrill und Method gänzlich darauf bedacht sind, die christliche Botschaft in die konkreten sozio-kulturellen Verhältnisse einzubringen, damit die Kinder und Enkel derer, die so viel für den Glauben gelitten haben, ihrerseits die Freude erleben, ihr Leben in den Dienst Gottes und des Menschen zu stellen. 4. Auch was die Beziehungen zwischen dem slowakischen Staat und der Kirche angeht, ist dies eine Zeit voll Verheißungen und Entwicklungen. Von Januar 1993 bis heute ist das, was die Autoritäten der Republik bezüglich der Kirche verfügten als günstig zu bewerten. Es wurden wichtige Normen erlassen, um ein Verhältnis der Billigkeit und der vollen Gesetzmäßigkeit wiederherzustellen. Ich denke zum Beispiel an die Gesetze zur Zurückgabe der konfiszierten kirchlichen Güter, an den Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen und anderes. Auf diesem Weg müssen wir gewiß weiter vorangehen, wie Sie, Herr Botschafter, in Ihrer Ansprache überzeugt dargelegt haben. Es geht darum, die günstige Zeit, welche die Vorsehung uns gewährt, auszunutzen, um die bereits durchgeführten Abmachungen zu vollenden, noch schwebende Fragen zu regeln und so bei den gemeinsamen Zielsetzungen weiterzukommen. Ich denke dabei insbesondere an die Präsenz der Kirche in einigen Bereichen, die ihr bis vor kurzem verschlossen waren: die Krankenhäuser, Schulen, Gefängnisse, Kasernen, die Medien der sozialen Kommunikation und die Welt der Kultur. vVie Sie wohl wissen, verlangt die Kirche keine Privilegien, sie möchte nur dem 3emeinwohl dienen, indem sie zur geistigen Wiedergeburt der Slowakei nach den raurigen Zeiten der totalitären kommunistischen Unterdrückung beiträgt. Sie wird licht müde werden, nach dem von Christus erhaltenen Auftrag allen Bürgern die moralischen Normen und deren unveränderliche Grundlagen vorzulegen, um ihnen ',u helfen, die Wichtigkeit der ethischen Werte im privaten und öffentlichen Leben ui entdecken oder zu bekräftigen. 7jü diesem Zweck ist sehr zu wünschen, daß die Zusammenarbeit zwischen den Autoritäten des Staates und denen der Kirche weitergeht, vertieft und in Achtung rar der jeweiligen Autonomie und Zuständigkeit verstärkt wird. Im derzeitigen, der riimilie gewidmeten Jahr muß auch daran erinnert werden, daß der Schutz und die Änderung des Institution Familie, der grundlegenden Zelle der Gesellschaft, ein bevorzugter Bereich enger Zusammenarbeit zwischen der kirchlichen und der politi-.chen Gemeinschaft werden muß. Die Kirche gehorcht ihrerseits dem Auftrag des leim und widmet sich mit wachsender Aufmerksamkeit der Verkündigung des ivangeliums und der Förderung des Menschen und versucht dabei, im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Bedürfnissen der Ärmsten und Hilfsbedürftigsten nachzukom-nen. i. Herr Botschafter, ich habe in den höflichen Worten, die Sie an mich gerichtet ha-ien, sehr erfreut eine engagierte Nähe zum Denken der Kirche und zu ihren Ziel- 667 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Setzungen festgestellt. Ich bin sicher, daß dies die beste Voraussetzung für eine immer erfolgreichere Zusammenarbeit zum Wohl nicht nur des Landes, das Sie vertreten, bildet, sondern vor allem für das friedliche Zusammenleben und die Entwicklung der Völker in ganz Europa. Ich weiß, wie sehr dem Herzen des Volkes, das Sie vertreten, die Verehrung dei Mutter Gottes heb und teuer ist, wie sie besonders in den ihr geweihten Heiligtümern von Levoca und Sastyn zum Ausdruck kommt, und möchte daher die Aufgabe, die Sie übernehmen, dem ständigen Schutz der heiligsten Jungfrau empfehlen. Dei Fürbitte der himmlischen Beschützerin der Slowakei sowie der hll. Kyrill und Me-thod empfehle ich zu gleicher Zeit den Weg des ganzen slowakischen Volkes in al seinen Gruppen, damit es in Frieden und Wohlstand leben kann. Ihnen, Herr Botschafter, wünsche ich aufrichtig, daß Sie mit herzlicher Hingabe die Ihnen anvertraute Sendung erfüllen, auf die ich gerne die Fülle himmlischen Segens herabrufe und als deren Unterpfand erteile ich Ihnen von Herzen den erbetenen Apostolischer Segen, den ich zugleich auf Ihre Mitarbeiter und deren Familien und alle Bürger de: geliebten slowakischen Republik ausdehne. Warschauer Aufstand - Beginn der Unabhängigkeit Osteuropas Botschaft zum fünfzigsten Jahrestag des Warschauer Aufstandes vom 1. August 1. In diesem Jahr gedenken wir des fünfzigsten Jahrestages des Warschauer Auf Standes, eines großen Ereignisses, durch Heldentum wie durch Tragik; ein Ereignis das durch logische Verknüpfung an die Geschichte unseres Vaterlandes gebundei bleibt, zumindest im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte. Es war dies der Zeitraum in dem Polen oft Kriegsstürme und historisch bedeutende Niederlagen erleide] mußte, aber ebenso war es die Zeit heroischer Aufschwünge der Nation, die sich nii geschlagen gab durch den Verlust der eigenen Unabhängigkeit: Beispiele dafür sim der Aufstand des Kosciuszko, dessen zweihundertster Jahrestag kürzlich gefeiei wurde, der Novemberaufstand, der Januaraufstand, die militärischen Kampfhand lungen der Patrioten während des ersten Weltkriegs und schließlich das Jahr 1939. 2. Der Warschauer Aufstand war in gewissem Sinne der Höhepunkt der Revolt-während des gesamten Zweiten Weltkrieges. Die Polen kämpften an mehrere: Fronten. Der Warschauer Aufstand war gleichsam de Gipfelpunkt jenes fünfjährige Kampfes, jenes Aufstandes der gesamten Nation, die auf diese Weise gegen di Enteignung der eigenen Unabhängigkeit protestierte und bewies, daß sie zu größte Opfern bereit war, allein um ihre Unabhängigkeit wiederzuerlangen und zu festiger Man kann sagen, daß der Warschauer Aufstand der radikalste und blutigste alle polnischen Aufstände war. Er verlangte eine unglaublich hohe Zahl an Opfern: nicl nur die Hauptstadt wurde zerstört, sondern es waren auch Zehntausende von Opfer 668 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu beklagen, besonders unter den jüngeren polnischen Generationen. Einige stellen sich die Frage, ob dies nötig, ja, ob dies in so hohem Maße nötig war. Man kann diese Frage nicht mit rein politischen oder militärischen Maßstäben beantworten. Man sollte vielmehr in Stille seinen Kopf neigen vor der Größe eines solchen Opfers, vor der Höhe des Preises, den jene Generation vor fünfzig Jahren für die Unabhängigkeit des Vaterlandes bezahlte. Es mag sein, daß sie diesen Preis zu freigiebig bezahlten, aber jene Großzügigkeit war zugleich Großmut. Es verbarg sich in dieser eine Antwort auf das Zeichen, das Christus vor allem durch sein eigenes Beipsiel geliefert hat, indem er sein Leben für seine Brüder hingab: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt” (Joh 15,13). 3. Bei der Gedenkfeier des fünfzigsten Jahrestages des Warschauer Aufstandes muß man die Tatsache hervorheben, daß dieser eine wichtige Schlüsselrolle für das Europa der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts spielte. Als Gipfelpunkt des polnischen Kampfes für einen unabhängigen Staat wurde er, in gewissem Maße, zum Anfang eines Prozesses, in dem sich unabhängige Staaten im östlichen Zentrum Europas bildeten. Dieser Prozeß konnte sich vollends nach dem Jahr 1989 entfalten, zusammen mit dem Niedergang des kommunistischen Totalitarismus. Es entstanden so in diesem Teil Europas nicht nur das wirklich souveräne Polen, sondern auch Litauen, Lettland, Estland, Weißrußland und die Ukraine; und im Süden: Böhmen, die Slowakei und Ungarn. Wenn Europa das „Vaterland der Vaterländer” werden soll, ist es notwendig, daß das Recht der Nationen, das auf diesen Prozeß Einfluß gehabt hat, die Achtung der gesamten europäischen Gemeinschaft erhält. Wenn nicht gleiches Recht für alle innerhalb Eruropas entstehenden Nationalstaaten garantiert wird, darf man nicht von einem friedlichen Zusammenleben auf unserem Kontinent sprechen. 1. Wenn wir heute voll Verehrung der Helden des Warschauer Aufstandes gedenken, kann man einen weiteren Aspekt nicht außer Acht lassen. Es ist in diesen Tagen schwierig, sich nicht auch an die vielen Geistlichen, die am Aufstand als Seelsorger teilnahmen, zu erinnern. Ebenso an die Ordenskrankenschwestern und auch an jene Heiligen Messen, die zwischen Bombenexplosionen und Artilleriegeschossen gefeiert wurden. Das ganze Heldentum Warschaus im Kampf trug eine deutlich christliche Prägung. An den Orten, an denen die Aufständischen begraben wurden, stehen bis heute Kreuze und es werden Lichter angezündet, als Zeichen des Glaubens an die Gemeinschaft der Heiligen und an das ewige Leben. Man muß hoffen, laß der fünfzigste Jahrstag des Warschauer Aufstandes diesen Glauben bestätigen and auf diese Weise die Hoffnung der Generationen, die sich auf den Weg gemacht raben, festigen wird: nicht nur die Hoffnung auf das ewige Leben, sondern auch die Toffnung auf Erhaltung und Weiterentwicklung des Gutes, das unabhängige Republik heißt. eh knie heute im Geiste auf den Gräbern der gefallenen Aufständischen nieder und iete, daß Christus, der Herr der Geschichte, der Menschen und der Nationen, ihr 669 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Opfer mit dem ewigen Leben belohnen möge; ich bete dafür, daß ihr Opfer, gemäß dem Beispiel des auf die Erde gefallenen Weizenkoms (vgl. Joh 12,24), reiche Frucht im Leben der heutigen Generation der Polen tragen möge. Ihre heldenhafte Tat verpflichtet! Ich umarme im Gebet auch diejenigen Aufständischen in Warschau, die überlebt haben und heute an den Feiern anläßlich des Jahrestages als lebendige Zeugen jener Tage teilhaben. Ich bete schließlich für das ganze Vaterland, für all meine Landsmänner, und insbesondere für die Einwohner der Hauptstadt, daß sie in der täglichen Anstrengung, ein gerechtes und blühendes Polen aufzubauen, dieser großen Erbschaft des Heldentums und des Opfers treu bleiben mögen. Ich segne von ganzem Herzen alle Teilnehmer des fünfzigsten Jahrestages des Warschauer Aufstandes: im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Vatikan, 1. August 1994 Joannes Paulus PP. II Pfadfinder müssen auch gegen den Strom schwimmen können Grußwort bei der Audienz für die Pfadfinderinnen und Pfadfinder des internationalen Europatreffens „Eurojam” am 3. August Liebe Führerinnen und Führer, hebe Pfadfmderinnen und Pfadfinder! Ich freue mich, euch bei dieser Mittwochsaudienz zu empfangen. Während eure: internationalen Treffens in Viterbo denkt ihr nach über das Thema „In Christus is jeder Mensch mein Bruder”. Im Zusammenhang mit diesem Treffen wolltet ihr eint Pilgerfahrt zu den Orten unternehmen, die durch das Martyrium der Apostel Petra: und Paulus geheiligt sind, um euren Glauben zu festigen und um neugestärkt dis euch anvertraute Sendung wiederaufzunehmen. Ihr seid ja aufgerufen, mit allem Ei fer der Jugend euch am Aufbau des Europas der Völker zu beteiligen, damit jeden Menschen die Würde eines geliebten Kindes Gottes zuerkannt und eine Gesellschaf aufgebaut werde, die auf Solidarität und geschwisterlich Liebe gegründet ist. Darum ist es eure tägliche Aufgabe, den auferstandenen Christus unter euren Alters genossen zu bezeugen. Sie müssen ihrem Leben einen echten Sinn geben könne: und erkennen, daß sich dank der unendlichen Liebe Christi, des Erlösers, eine Zu kunft vor ihnen auftut, die reich an Hoffnung ist. Christ sein bedeutet, unermüdlic! als Erbauer von Frieden und Einheit in der Kirche und in der Welt am Werk zu sein 670 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Für euch bedeutet es insbesondere, innerhalb der großen Famihe der Pfadfinder, deren Brüder und Schwestern ihr seid, gemäß eurer charakteristischen Pädagogik zu arbeiten. Wenn ihr das Gebot der Liebe lebt, dann, so sagt Jesus, „werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid” (Joh 13,35). Das Pfadfindergesetz ist euer Ideal. Es ruft euch dazu auf, die grundlegenden menschlichen Werte der Redlichkeit, der Aufrichtigkeit, des Sinns für die gut erfüllte Pflicht, der Liebe zur Natur und des Dienstes am Nächsten zu entfalten. Im Geben empfängt man; und im aufmerksamen Handeln für die Brüder und Schwestern kommt man zum wahren Glück. Die Pfadfinderpädagogik gibt euch wertvolle Werkzeuge zum Aufbau eurer Persönlichkeit in die Hand. Ihr habt Führer und Erwachsene zur Seite, die euch mit Festigkeit und feinfühliger Geduld helfen wollen, das Beste von euch selbst zu geben. Um dieses Pfadfindergesetz, das Programm für ein rechtes und anziehendes Leben, zu beachten, seid euch bewußt, wie wichtig es ist, in der Kirche zu leben und die Sakramente zu empfangen. In der Eucharistie empfängt die vom Herrn, ihrem Haupt, vereinte Gemeinschaft die Nahrung, um konsequent ihren Weg zu gehen. Erkennt das außerordentliche Geschenk Christi, der kommt, um in eurem ganzen Sein Wohnung zu nehmen, und der aus eurem Leib und eurem Herzen einen ihm wohlgefälligen Tempel macht (vgl. 1 Kor 3,16). Durch das häufig empfangene Sakrament der Buße werdet ihr entdek-ken, daß Jesus Vertrauen in euch hat und euch grenzenlos hebt und daß das Vergangene überschritten werden kann, denn die Vergebung eröffnet eine neue Zukunft. So nimmt eure Reinheit zu, und ihr werdet Herr eurer selbst. In einer Welt, die auf leicht zu erlangende Vergnügungen und trügerische Illusionen hinweist, muß man gegen den Strom schwimmen können und sich an wesentlichen ethischen Werten inspirieren; nur sie können ein harmonisches, glückliches und ausgeglichenes Leben garantieren. In deutscher Sprache sagte der Papst: Tagtäglich seid ihr aufgerufen, in der Famihe, in der Schule und in eurer Freizeit in Übereinstimmung mit den Sakramenten der Taufe und der Firmung zu leben, indem ihr den Heihgen Geist bittet, euch Klarheit zu schenken bei der Wahl dessen, was ihr tun sollt. In Französisch fuhr der Papst fort: Meine heben Jugendhchen, ich fordere euch auf, ihm Rahmen euer Bewegung, mit euren Kaplänen, in euren Pfarreien und an anderen christlichen Stätten über den Sinn nachzudenken, den ihr eurem Leben geben wollt. Gott hat euch Talente in die Hände gelegt. Manche haben den Ruf vernommen oder werden ihn noch vemeh-nen, Priester, Ordensmann oder Ordensfrau zu werden oder auch engagierte Laien n der Welt. Laßt euch von Christus führen, und habt nie Angst davor, wie der junge Samuel zu antworten, um in der Kirche zu dienen! Christus will euer lieben gehngen 671 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lassen, damit sein Licht ausstrahle und ihr zu dem Glück gelangt, mit dem er euch erfüllen will. Die Kirche zählt auf euch und auf die große Familie der Pfadfinder. Meine liehen Jugendlichen, zum Abschluß dieser Generalaudienz grüße ich herzlich, euch, die ihr aus Deutschland, Österreich, Belgien, Kanada, Spanien, Frankreich, Ungarn, Itaüen, Litauen, Luxemburg, Polen, Portugal, Rumänien, Rußland und der Schweiz kommt. Möge in euren Fierzen nie der Wunsch erlöschen, Christus in der Kirche nachzufolgen! Ich vertraue euch der Fürbitte der Jungfrau Maria an, Mutter der Kirche und unsere Mutter, und von ganzem Fierzen erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. Der Staat soll die Einwandererfamilien vor Rassendiskriminierung und Ausgrenzung schützen! Botschaft zum Welttag für die Migranten am 20. November 1994 vom 6. August 1993 Liebe Schwestern und Brüder! 1. Das Phänomen der Migration betrifft einen sehr großen Teil der Menschheit, dei aus verschiedenen Gründen gezwungen ist, die Angehörigen, die vertrauten Orte und Uberheferungen zu verlassen, um eine bessere Zukunft zu suchen. In unserer Tagen hat die Migration komplexe und nie dagewesene Formen angenommen, die neue Probleme aufwerfen und die besonderen Schwierigkeiten aller Betroffener noch verschärfen. Die Migranten brauchen eine besondere pastorale Betreuung von seiten der Ge meinschaft der Kirche, die nicht nur für ihre persönlichen Nöte aufgeschlossen seit soll, sondern auch für die negativen Auswirkungen, die ihre schwierigen Lebensbe dingungen zumal auf die jeweiligen Familien haben können. Denn die Migratioi berührt vor allem den Familienkem. Anläßlich des nächsten Welttags der Migranten und Flüchtlinge und im Zusammen hang mit dem Internationalen Jahr der Familie möchte ich alle, die sich in unter schiedlicher Form mit der Förderung des wahren Wohls der Familie befassen, einla den, die Probleme der Emigrantenfamilie aufmerksam zu erwägen gerade im Hin blick auf die besonderen Schwierigkeiten, vor die sie heute manchmal in dramati scher Weise gestellt wird. Positiv ist sicher die Tatsache zu werten, daß in der Mehrheit der Länder das Rech des Migranten auf das Zusammenleben mit der eigenen Familie anerkannt wird uni viele internationale Institutionen es bekräftigt haben, indem sie seine Aktualität um seinen Wert herausstellten. Dennoch bleibt festzustellen, daß die Anerkennung die ses Rechtes oft von Hindernissen verschiedener Art wieder eingeschränkt wird, di zuweilen seine wirkliche Ausübung hemmen. Aufgabe des Staates ist es, den Familien der Eingewänderten angesichts ihrer be 672 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sonderen Bedürfnisse nicht zu verweigern, was er normalerweise den Familien der eigenen Bürger zusichert. Der Staat hat vor allem die Aufgabe, diese Familien gegen jeden Versuch zu schützen, der sie an den Rand drängen oder aufgrund ihrer Rasse diskriminieren will. Er muß eine Kultur der überzeugten und tatkräftigen Solidarität fördern. Dazu soll er alle geeigneten und konkreten Maßnahmen zu ihrer Aufnahme ergreifen und zugleich jene sozialen Dienste anbieten, die auch ihnen eine unbeschwerte-Existenz und eine Entfaltung ermöglichen, welche die Menschenwürde achtet. 2. Zumal die Glaubenden sind zur Zusammenarbeit bei diesem Werk aufgerufen, das hohen bürgerlichen und geistigen Wert hat. Es ist ein besonders anspruchsvoller und heikler Dienst, der noch vor langfristigen sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen die Schaffung eines Klimas voraussetzt, in dem der Geist der Solidarität und der Dienstbereitschaft herrscht. Die Migranten brauchen nicht nur „Dinge”: Sie suchen vor allem brüderliches und tatkräftiges Verständnis. Wer ihnen dienen möchte, muß sich auf ihre natürliche und berechtigte Suche nach Ausgleich einstellen und ihr Bestreben nach neuen und besseren Lebensmöglichkeiten unterstützen. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: „Die aus anderen Völkern und Ländern herangezogenen Arbeiter, die durch ihre Arbeit zum wirtschaftlichen Aufstieg des Volkes oder Landes beitragen, dürfen, was Entlohnung und Arbeitsbedingungen angeht, in keiner Weise diskriminiert werden. Alle im Aufnahmeland, namentlich aber die öffentlichen Stellen, dürfen sie nicht als bloße Produktionsmittel behandeln, sondern haben ihnen als menschlichen Personen zu begegnen und sollen ihnen helfen, ihre Familien nachzuziehen” (Gaudium et spes, Nr. 66). In diesem Sinn sind auch die Probleme anzugehen, die mit der Migration in verschiedener Weise verbunden sind, zumal die der Wohnung, Arbeit und Sicherheit, abgesehen von denen der Verschiedenheit der Sprache, Kultur und Bildung. 3. Die kirchlichen Gemeinschaften müssen ferner im gemeinsamen Glaubensbekenntnis einen Grund mehr für die Aufnahme der christlichen Familien der Migranten sehen und sich für ihre geistliche Betreuung verantwortlich fühlen. Sie sollen freilich bedenken, „daß es nicht möglich ist, eine wirksame Seelsorge auszuüben, wenn das geistige Erbe und die Kultur der Migranten nicht genügend berücksichtigt werden” (Paul VI. Motu proprio Pastomlis migratorum cura). Die Seelsorge muß daher im Licht der Grundsätze für die Bewertung und Beurteilung bedacht werden, die das Verhältnis zwischen dem einen Glauben und den verschiedenen Kulturen regeln. „Die Familien derer, die auswärts leben ..., müssen jberall in der Kirche eine Heimat finden. Hier hegt eine wesensgemäße Aufgabe der Kirche, da sie Zeichen der Einheit in der Verschiedenheit ist” (Familiaris consortio, Mr. 77). Dies wird leichter gelingen, wenn die Migrantenpastoral den Beitrag der verschie-lenen völkischen Gemeinschaften auszuwerten versteht und nicht Gefahr läuft, für lie „Randexistenzen” nur eine „Pastoral am Rande” anzubieten. 673 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es soll daher den Bischöfen am Herzen liegen, völkische oder sprachliche Gemeinschaften zu schaffen und Personalpfarreien oder -missionen mit Seelsorge dort einzurichten, wo nach ihrem Urteil zweckmäßige und angemessene Pastoralbedingun-gen vorliegen (vgl. Pastoralis migratorum cura, Nr. 33,1-2). Für die Migranten ist es gewiß ein natürlicher und zweifellos auch wünschenswerter Prozeß, sich in die Gemeinschaft, die sie aufnimmt, einzufügen; doch rät die Klugheit, hier nicht zu drängen. Ihnen soll eine besondere Seelsorge angeboten werden, die die gebührende Achtung vor ihrer unterschiedlichen kulturellen Identität und zumal ihrem geistigen Erbe sichert und so die berechtigte weitere Verbindung mit ihrem Herkunftsland in der Phase der schrittweisen sozialen Eingliederung garantiert. 4. Sich dafür einsetzen, daß dies in harmonischer Weise erfolgt, bedeutet für das Wohl der Familie wirken, die Hilfe braucht, um die Werte hochzuschätzen, auf denen sie ruht, vor allem durch Wahrung ihrer inneren Einheit und durch Begünstigung ihres Zusammenhalts. Deshalb gilt es, auf die Schaffung eines Klimas der Hingabe und Ernsthaftigkeit, der Moralität und des Gebetes, des ständigen Hörens auf das Wort Gottes und der täglichen Übung der Tugenden sowie des häufigen Empfangs der Sakramente und der vertrauensvollen Zustimmung zu Gottes Willen bei ihren Mitgliedern hinzuarbeiten. Auch die Kindererziehung ist für eine gesunde Ausrichtung des Familienlebens bei der Auswanderung von grundlegender Bedeutung. Die Pastoral muß die Migranten unterstützen, damit sie sich nicht von der Berufstätigkeit vereinnahmen lassen zum Nachteil jener Werte, von denen der wirkliche Friede und das Glück der Familie sowie ihr geistlicher Fortschritt im Licht der Lehre der Kirche abhängen. Gebührende Aufmerksamkeit muß ferner den Mischehen und jenen mit Dispens vom Hindernis „Disparitas cultus” gelten, die durch das heutige Wanderungsphänomen, aber auch durch das Klima eines leichten kulturellen Austausches zwischer den Völkern begünstigt und gefördert werden. Die jungen Menschen sollen nicht die Rolle unterschätzen, die der Glaube beim Prozeß der geistigen und affektiven Integration zu spielen hat, auf die jede Ehe ihre] Natur nach hinzielt. Die bewußte und kluge Schließung einer Mischehe erfordert die Kenntnis dei Grundelemente, die die Gestalt der einen und der anderen Kirche oder kirchlicher Gemeinschaft bestimmen, dessen, was sie eint, und dessen, was sie unterscheidet Nach Überwindung eventueller Vorurteile wird ein jeder in die Ehe die eigenr menschliche und kirchliche Aufgeschlossenheit einbringen in der Absicht, das ge meinsame Leben und die Kindererziehung der Kinder zu bereichern, die immer von Glauben getragen sein muß. Der katholische Ehepartner wird sich bemühen, diesf Pflichten auf der Linie seiner eigenen Kirchenzugehörigkeit zu erfüllen (vgl. Päpstli eher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zur Ausführung de. Prinzipien und Normen über den Ökumenismus, Nm. 150-151). 674 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Heute ist eine erheblich größere Anzahl von Ehen zwischen Katholiken und Anhängern nichtchristlicher Religionen festzustellen. Die Achtung vor solchen religiösen Erfahrungen auf der Grundlage der Prinzipien, die in der Erklärung des II. Ökumenischen Vatikanischen Konzils Nostra aetate festgelegt wurden, darf nicht vergessen lassen, daß „die Bischofskonferenzen und die einzelnen Bischöfe angemessene pastorale Maßnahmen ergreifen [sollen], um sicherzustellen, daß der katholische Ehepartner in seinem Glauben verteidigt und in dessen freier Ausübung geschützt wird. Das gilt vor allem für seine Verpflichtung, alles in seiner Macht Stehende zu tun, damit seine Kinder katholisch getauft und erzogen werden. Der katholische Partner muß ebenso in jeder Weise darin unterstützt werden, in seiner Familie das echte Glaubens- und Lebenszeugnis eines katholischen Christen zu geben” (Familiaris consortio, Nr. 78). Diese Forderung wird um so dringender und stärker in dem Fall, daß der katholische Teil dem nichtchristlichen in ein Land folgen muß, wo die herrschende Religion ihren Einfluß auf das ganze soziale Geflecht spüren läßt und tatsächlich jeden Freiheitsraum für andere Glaubensbekenntnisse einschränkt. 6. Liebe Migranten, Brüder und Schwestern! Nun gilt euch besonders mein herzliches Gedenken, zumal wenn ihr fern von der Familie lebt und gezwungen seid, lange ohne familiäre und soziale Verwurzelung allein zu bleiben. Der Herr ist bei euch. Möge die Gemeinschaft der Christen dank der Aufnahmebereitschaft, die sie beseelen muß, euch konkret spüren lassen: „Niemand ist ohne Familie auf dieser Welt; die Kirche ist Haus und Familie für alle, besonders für jene, die ,sich plagen und schwere Lasten tragen”’ (Familiaris consortio, Nr. 85). Möge vor euren Familien das Beispiel des Hauses zu Nazaret aufleuchten, das ebenfalls unter Armut, Verfolgung und Exil zu leiden hatte. Als das Leben des Erlösers bedroht wurde, war die Heilige Familie zur plötzlichen Flucht gezwungen in einer dramatischen Situation der Sorge und Angst, wie auch ihr es kennt und unmittelbar erfahren habt. Die Familie von Nazaret stehe euch bei. Jesus unterstütze euch in dem Bemühen, der Berufung als Christen treu zu bleiben und dem Willen Gottes zuzustimmen. Der hl. Josef, „ein Gerechter” und unermüdlicher Arbeiter, erleuchte und führe euch. Maria aber, die Mutter der Kirche, sei fürsorgliche Mutter auch für jene „Hauskirchen”, die eure Familien sind: Sie wache über euch, über euren Mühen und Hoffnungen; sie helfe euch, den christlichen Weg mutig, würdig und gläubig zu gehen. Mit diesen Gedanken und Wünschen spreche ich allen erneut meine herzliche Solidarität aus mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 6. August 1993, dem Fest der Verklärung des Herrn, m 15. Jahr meines Pontifikates. foanncs Paulus PP. II 675 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Licht auf unserem Weg Worte zur Eucharistiefeier in Castel Gandolfo am Jahresgedächtnis des Todes Papst Pauls VI., 6. August Herzlich begrüße ich euch alle und danke euch, die ihr dieser Eucharistiefeier am Fest der Verklärung des Herrn durch eure Anwesenheit eine besondere Note geben wolltet. Natürlich richten sich unsere Gedanken haute auf meinen unvergeßlichen Vorgänger, den Diener Gottes Papst Paul VI., dessen Todes wir heute am Jahrestag gedenken. Vor 16 Jahren erlosch sein irdisches Leben in eben diesem Apostolischen Palast von Castel Gandolfo. Im Geist sehen wir wiederum seine zarte, feine Gestalt, hören wir seine lichtvolle und mutige Lehre, sein klares und kraftvolles Zeugnis. Die Erinnerung an diesen großen Papst verblaßt nicht, mögen auch die Jahre dahingehen. Die Berufung zum Glauben und zur Heiligkeit hat er intensiv gelebt, und als unerschrockener Hirte hat er die Menschen unserer Zeit geliebt und ihnen unermüdlich und kompromißlos die befreiende und anfordemde Wahrheit des Evangeliums verkündigt. Jesus Christus, die Kirche und die Menschheit, das waren die großen Wirklichkeiten, die sein Pontifikat geprägt haben, das in unserem Jahrhundert eine bedeutende Spur zurückgelassen hat. „Habt Verlangen nach Christus - so sagte er gern das tiefe Verlangen, ihn zu sehen, ihm zu begegnen und ihn vollkommen und ewig zu leben! Das Verlangen nach Christus in seiner Herrlichkeit: Das ist das Licht für unsere Schritte auf dem Wes.' des Lebens” (Generalaudienz am 26. Mai 1965). Mit dieser Aufforderung wollen wir die hl. Messe beginnen. Das Wort paßt gut zui Liturgie des heutigen Festes, das uns einlädt, den Blick auf den verklärten Herrn zt richten. Wir wollen den himmlischen Vater um die Gnade bitten, mit mutiger Treue das Werk fortzusetzen, das Paul VI. tapfer bis zum Ende seiner irdischen Pilger schaft vollführt hat. Paul VI. zum Gedächtnis Nach dem Rosenkranz am 6. August Liebe Brüder und Schwestern! Vor sechzehn Jahren hat der Herr gerade um diese Stunde, gegen neun Uhr abends hier in diesem Hause von Castel Gandolfo, Papst Paul VI. zu sich gerufen. Heute is der Jahrestag seines Todes, oder besser: seines Hinübergangs aus diesem irdische] Leben zum Leben in Gott. 676 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bei der Eucharistiefeier heute morgen haben wir für seine Seele gebetet, und jetzt, nach dem Rosenkranz, tun wir es wiederum, denn diese Stunde ist der Stunde seines Hinübergangs aus dem Erdenleben zum Leben im Herrn näher. Wir wollen auch beten, daß der Heilige Vater Paul VI. immer seiner Kirche nahe sei, der katholischen Kirche, allen Christen, dieser ganzen großen Herde, dem großen Schafstall der Glaubenden und der Menschheit, der er mit solcher Hingabe seine Werke, seine Worte, seine Leiden und seine Gebete gewidmet hat. Ich danke euch allen, die ihr zum Rosenkranzgebet am ersten Samstag des Monats August hierher nach Castel Gandolfo gekommen seid. Nicht nur Italiener sind hier, sondern auch Besucher aus verschiedenen Nationen und verschiedener Sprache. Ihr seid gewissermaßen ein Mosaik, das die Universalität der Kirche darstellt. Ich danke euch und wünsche euch, daß ihr weiter in dieser Kirche lebt, betet, arbeitet, leidet und immer mehr jenes Leben ersehnt und erstrebt, zu dem wir alle in Jesus Christus berufen sind. Jeden von euch und eure ganze Gemeinschaft empfehle ich der Mutter Christi, der Mutter vom Rosenkranz und heute vor allem Unserer Lieben Frau von Santa Maria Maggiore, deren Kirchweihgedächtnis wir gestern, wie jedes Jahr am 5. August, begangen haben. Einen schönen Sonntag! Zeugnis der Kirche in Stein und Glas Brief an den Bischof von Chartres zur 800-Jahr-Feier der Kathedrale vom 15. August An Msgr. Jacques Perrier Bischof von Chartres Eure Diözese feiert in diesem Jahr das 800jährige Bestehen der Kathedrale von Chartres seit dem Wiederaufbau nach dem Brand von 1194. Beim Wiederaufbau, der einige Jahrzehnte gedauert hat, zeigte sich ein gewaltiger Schwung und eine tiefe Inspiration. Bei den Feierlichkeiten des 11. September ist Kardinal Poupard mein Sondergesandter. Durch diese Botschaft aber will ich mich auch persönlich am Gedenken an die Errichtung eines der bedeutsamsten Denkmäler des religiösen Erbes des christlichen Westens beteiligen. Mit der Kirche von Chartres möchte das christliche Volk vor allem die Jungfrau Maria feiern, die seit so vielen Jahrhunderten in diesem Heiligtum verehrt wird, das von ihr eine bedeutende Reliquie aufbewahrt. Wir alle wollen uns der Schar der Pilger anschließen, die von Geschlecht zu Geschlecht in Demut und Selbstentäußerung hergekommen sind, um in unserer Lieben Frau die erhabene Mutter des Erlösers zu preisen, um ihre Fürbitte zu bitten und von ihr Gnade und Licht für ihren weiteren Lebensweg zu erlangen. 677 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria ist im Herzen der Kirche präsent und hat besonders die Bischöfe und das Volk von Chartres zum Bau einer Kathedrale angeregt, die wir immer noch als Zeugnis und kostbaren Ausdruck des echten Glaubens bewundern. In Stein und Glas bietet sich dem Blick des Gläubigen eine beredte Erläuterung der Botschaft der Heiligen Schrift und des Denkens der Kirche dar. In Schöpfungen, die nach einem Wort von Charles Peguy „im wörtlichen Sinn eine Inschrift in Stein sind über den Gottesdienst und das innerlichste Gebet und die tiefste Anbetung” (Un Nouveau tlieologien, § 180), rufen die Plastiken und Fenster den Ursprung und das Endgeschick der Welt, den Weg Christi nach dem Evangelium, die Sendung der Kirche und das christliche Leben in Erinnerung. Chartres ist eine der besonderen Stätten Europas, wo Kunst und Technik der Werkmeister den Glauben des christlichen Volkes darstellen und anregen. Seine Kathedrale ist mehr als ein unschätzbares Erbe. Sie bleibt ein Zeichen für die Menschen dieser Zeit, denn die Wallfahrt nach Chartres, die in unserem Jahrhundert zumal mit dem Beispiel von Charles Peguy erneuert wurde, gestattet vielen ein eindrucksvolles geistliches Erlebnis, bei dem sie ihren Glauben bekräftigen und mit ihren Wegbegleitem das Antlitz Christi neu entdecken. Die Kathedrale ist weiter ein Versammlungsort für die Glieder des lebendigen Leibes Christi, der die Kirche ist. Sie ist eine Verkündigung des immer lebendigen Wortes Gottes. In ihrem Mittelpunkt, am Altar, empfangen die Gläubigen die Gnade der Teilnahme am eucharistischen Opfer des Erlösers. Wenn sie das achthundert Jahre alte wunderbare Bauwerk feiern, geben die diözesane Gemeinschaft und die aus allen Gegenden herbeigepilgerten Wallfahrer ihr auch in Zukunft Sinn und ausstrahlende Kraft. Bei Gelegenheit dieses feierlichen Gedächtnisses freue ich mich über die Bande, die Chartres mit der lateinischen Pfarrei von Bethlehem angeknüpft hat, dem Ort, wo Maria der Welt den Heiland geschenkt hat. Ich möchte ferner an die Bande erinnern, die Chartres mit Santiago de Compostela verbinden, sowie an weitere Beziehungen mit Ravenna, Speyer und Chichester. Mögen die Christen von heute durch diese verschiedenen Heiligtümer und dank der brüderlichen Beziehungen, die sie mit sich bringen, den wahren Sinn eines geistlichen und künstlerischen Erbes erfassen, das ihnen anvertraut ist! Mögen sie diese Denkmäler schützen und so zugleich ohne Unterlaß die Kultur lebendig halten und bereichern, welche vom christlichen Glauben derer geprägt ist, die sie erbaut haben! Den Christen von Chartres wie auch den Pilgern, die zum Gebet zur heiligen Jungfrau herkommen, wünsche ich, daß sie bei diesem Jubiläum das Verlangen wecken, nach dem Vorbild ihrer fernen Vorfahren durch die Gnade Christi und die Fürbitte Unserer Lieben Frau wahre Erbauer von Kirche zu sein. Ihnen, dem Hirten dieser Diözese, den Priestern, den Ordensleuten wie auch den mit der Kathedrale vor Chartres verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 15. August 1994, am Hochfest der Aufnahme der Jungfrau Mark in den Himmel. Joannes Paulus PP. II 678 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche in Ost und West — Verschiedene Gaben: Zeichen der Einheit Ansprache an russische junge Musiker des Internationalen Caritasprogramms „New Names” am 28. August Am Ende dieses herrlichen musikalischen Abends spreche ich meinen aufrichtigen Dank allen aus, die ihn gefördert und organisiert, wie auch allen, die so hervorragend mitgewirkt haben. Lebhaft ist in mir die Erinnerung an das Konzert des letzten Jahres, wobei einige sehr junge Künstler mitgewirkt haben. Gerne habe ich daher das neue Angebot des Internationalen Caritasprogramms „New Names” der russischen Föderation angenommen. Mein ergebener Gruß gilt den ausgezeichneten Mitgliedern der hier heute abend anwesenden Delegation. Der Papst fuhr in russischer Sprache fort: Meine herzliche Anerkennung spreche ich Frau Ivetta Voronova aus, Präsidiumsmitglied des Kulturfonds Rußlands, ferner Herrn Anatolii Karpov, Präsident des internationalen Verbandes des Fonds für den Frieden, und allen, die zur Delegation gehören und sich für die Förderung der kulturellen Entwicklung der jungen russischen Generationen einsetzen. In diesem Jahr hatten wir die Freude, eine Schar von Solisten zu bewundern. Besonders gefiel mir die Leichtigkeit, mit der sie ihre Stücke unter der hervorragenden Leitung des Dirigenten Dronov ausgeführt haben. Ihnen, Herr Kapellmeister, und euch allen, hebe jungen Künstler, gilt mein Beifall und mein Dank, verbunden mit dem Wunsch, daß ihr weiter euer musikalisches Talent fruchtbar entfalten könnt und mit eurer ganzen Persönlichkeit die Harmonie zum Ausdruck bringt, die ihr mit den Instrumenten schafft. Der Papst fuhr in Italienisch fort: Das Erleben dieser Aufführung war für mich, und ich denke für alle Anwesenden, zugleich eine Gelegenheit zu erneutem Nachdenken über den einzigartigen Wert, den die Musik besitzt, zumal wenn sie zugleich in einem Orchesterkonzert dargeboten wird. Ich möchte dieses Bild als Symbol und Wunsch für den Frieden hinstellen, wobei ich vor allem an so viele Jugendliche denke, die leider in verschiedenen Teilen der Welt sich wegen Gewaltanwendung und Elend der Möglichkeit beraubt sehen, sich gemeinsam mit ihren Altersgenossen selbst auszudrücken und sich aktiv mit dem Beitrag ihrer Fähigkeiten in das große Konzert des Lebens einzufügen. Dank euch erneut, tüchtige Solisten des Teams „Neue Namen”. Ich wünsche euch, daß ihr in vollem Maße eure moralische und geistige Persönlichkeit fruchtbar werden lassen könnt, so wie ihr eure künstlerische Persönlichkeit zum Ausdruck ge- 679 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bracht habt. Dank einem jedem der hier Anwesenden! Macht alle aus eurem Dasein ein Geschenk, ein Geschenk aufrichtiger Liebe, und möge euch immer überreich Friede und Freude beschieden sein, um sie zu genießen und weiterzuschenken. Von Herzen segne ich euch. Zum Schluß des Konzertes der jungen russischen Musiker sagte der Papst: Ich möchte noch einmal meinen Dank aussprechen für diesen musikalischen Abend, zumal für dieses Zeugnis einer Seele und eines Geistes: der an Talenten reichen russischen Seele. Wir Europäer, und nicht nur wir Europäer, wissen alle, daß dieser Reichtum der Seele in künstlerisch verschiedenen Formen zum Ausdruck kommt, aber zur gleichen Zeit trotz dieser Verschiedenheit in einer bestimmten Einheit des Geistes. Nehmen wir die großen Schriftsteller wie auch die anderen, die man allgemein kennt, zumal die großen Schriftsteller wie Tolstoj und Dostojewskj, die großen Denker wie Solowjow und zahlreiche andere bis zu den Zeitgenossen, nicht zu vergessen Solschenizyn, der kürzlich nach Rußland zurückgekehrt ist, und viele weitere Künstler, Komponisten und Maler, eingeschlossen auch den religiösen Genius, der in der russischen Ikone zum Ausdruck kommt - immer stellen wir diese Tatsache fest. Die ganze orthodoxe byzantinische Tradition und alles, was mit der geistlichen Tradition des russischen Volkes verbunden ist, kam heute abend hierher nach Castel Gandolfo. Sie sind nach Rom gekommen, in ein westliches Zentrum; Rom aber bedeutet die große Tradition der Apostel Petrus und Paulus, die große Sendung der römischen Kirche des Westens für alle Völker der Welt. Rom aber schaut voll Liebe und Hoffnung auf das rassische Volk, auf die orthodoxe Kirche, und der römische Papst schaut voll Hoffnung auf seinen Bruder Alexius II., den Patriarchen von Moskau. All dies hat sich gleichsam konzentriert in unserer Begegnung an diesem Abend. Daher möchte ich noch einmal nicht nur meinen Dank aussprechen, sondern auch meine große Ergriffenheit über diesen schönen Austausch der Gaben. Ich meine, dieser Ausdruck, „Austausch der Gaben”, wäre sehr wichtig, weil er ein wesentlich dem Evangelium gemäßer und christlicher Ausdruck ist. Wir haben unterschiedliche Gaben. Wir mit unserer römischen, westlichen Tradition haben unsere Gaben, ihr habt ebenso mit eurer byzantinisch, orientalischen, russischen Tradition andere Gaben. Diese Gaben dürfen aber nicht länger getrennt und voneinander geschieden bleiben; es muß vielmehr ein Austausch stattfinden. Dies ist ein Austausch der Gemeinschaft, die Kirche aber ist Gemeinschaft. Christus hat die Kirche als menschliche, irdische Gemeinschaft gegründet; als Gemeinschaft, die gleichsam die höchste Gemeinschaft der Dreifaltigkeit, den dreifältigen Gott, vorwegnimmt und widerspiegelt. Diese wenigen Gedanken habe ich alle in Italienisch ausgedrückt, das einige von euch verstehen; doch hoffe ich, daß sie später auch in eure schöne rassische Sprache 680 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN übersetzt werden. Man hätte dies auch auf polnisch sagen können, das wäre für uns Slawen verständlicher gewesen, allerdings nicht so sehr für die Italiener. Ich spreche euch meine Glückwünsche aus, weil ihr Jugendliche seid; ich aber bin nicht mehr so jung, doch hatte ich während meines Lebens zahlreiche Kontakte mit Jugendlichen und muß sagen, daß ich diesen Jugendlichen nicht nur meine Erfahrungen, meinen Werdegang und meinen Glauben mitgeteilt, sondern auch viel von ihnen empfangen habe. Heute abend machen wir erneut diese Erfahrung, weil ich von euch jungen Russen und jungen Musikern ein großes Geschenk empfangen habe: die große Übermittlung des Geistes eures Vaterlandes. Dafür danke ich euch und segne euch. Den Ruf der Gottesmutter nach Frieden hören Worte vor dem Rosenkranzgebet in Castel Gandolfo am 3. September Der Rosenkranz, den wir heute am ersten Samstag im September beten wollen, soll durch die Fürsprache der seligsten Jungfrau vor allem eine inständige Bitte an den Herrn sein um das gute Gelingen meines Pastoralbesuchs in Sarajevo. Ich hoffe lebhaft - wenn ausreichende Garantien für die Sicherheit der Bevölkerung gegeben sind -, in die so heimgesuchte und mir so liebe Stadt als Pilger des Friedens reisen zu können, während ich nicht auf die Mittel menschlicher Macht vertraue, sondern auf die Tränen der Muttergottes hinweise. Die geplante Reise nach Sarajevo fällt mit dem Fest ihrer Geburt zusammen. Auf Maria schauen die Söhne und Töchter der katholischen Kirche schon immer. An sie wenden sich mit gleicher Liebe die christlichen Brüder und Schwestern der Orthodoxie, mit denen uns der eine Glaube und der Wunsch nach immer vollerer Gemeinschaft verbinden. Ihr bringen auch die Gläubigen des Islam religiöse Achtung entgegen. Maria ist die gemeinsame Mutter. Wem liegt es mehr am Herzen als ihr, daß der Krieg in den Balkanländem bald endet und ein wahrer und dauerhafter Frieden wiederhergestellt wird? In ihrem Herzen hat sie die Tränen der Mütter, die Schreie der Kinder und aller Opfer dieses unsinnigen Bruderkrieges gesammelt. Möge ihre Fürsprache für diese liebe Region und für die gesamte Welt das kostbare Geschenk der Versöhnung und des Friedens erlangen. Ich übergebe ihr diese Reise und jene, die mich einige Tage später nach Zagreb führen wird, während ich sie darum bitte, daß alles ohne Gefahren für die Bevölkerung verlaufe, die mit dem Papst beten möchte. Durch das Rosenkranzgebet heute abend bin ich geistig schon in Sarajevo, um die Bewohner dieses gemarterten Landes meine solidarische Liebe fühlen zu lassen, die in diesen Jahren nie nachgelassen hat. Mögen die Verantwortlichen den Ruf nach Frieden hören, der aus dem Herzen der Muttergottes kommt. Mögen sich die Herzen öffnen für Gedanken der Versöhnung und Eintracht. Maria, Königin des Friedens, bitte für uns! 681 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Freunde Gottes - Zeugen des Frieden Botschaft an Kardinal Edward I. Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen, anläßlich des achten internationalen Gebetstreffens für den Frieden in Assisi vom 7. September 1. Ich bin besonders glücklich darüber, daß ich über Sie, Herr Kardinal, meinen Gruß und den Ausdruck meiner herzlichsten Wertschätzung den würdigen Vertretern der christlichen Kirchen und Gemeinschaften und der großen Weltreligionen entbieten kann, die in Assisi zum achten internationalen Gebetstreffen für den Frieden versammelt sind, das die Gemeinschaft von Sant’Egidio veranstaltet hat. Wie sollte ich geistig nicht an jenen denkwürdigen 27. Oktober 1986 zurückdenken, als zum ersten Mal in der Geschichte Männer und Frauen unterschiedlicher Religionen und Glaubensauffassungen sich gemeinsam mit mir an der gleichen heiügen Stätte Assisi getroffen haben, um das Geschenk des Friedens auf die ganze Welt herabzurufen? Ich hatte damals diese Begegnung sehr herbeigewünscht; ich hatte sie gewollt angesichts des Dramas einer gespaltenen Welt, die zugleich unter der gewaltigen Drohung des Krieges steht, und es sollte sich aus dem Herzen eines jeden Gläubigen ein gemeinsamer Ruf zu jenem Gott erheben, der den Weg des Menschen auf Pfade des Friedens lenkt. Jener Tag bleibt in die Geschichte unserer Zeit eingeschrieben, und wer teilgenommen hat wie einige der heute in Assisi Anwesenden, erinnert sich gewiß noch ergriffen an jenes Ereignis. Es konnte nicht isoliert bleiben. Diese Begegnung besaß eine aufbrechende geistliche Kraft: Sie war wie eine Quelle, zu der man zurückkehren mußte, um die Anregung zu festigen; eine Quelle, die fähig war, neue Energien für den Frieden hervorzurufen. Deswegen habe ich gewünscht, der „Geist von Assisi” möge nicht nur nicht erlöschen, sondern sich im Gegenteil in der Welt ausbreiten und überall neue Zeugen des Friedens und des Dialogs auf den Plan rufen. 2. Ich möchte der Gemeinschaft von Sant’Egidio bei Gelegenheit dieser neuen Begegnung in Assisi danken für die Begeisterung und den Mut, mit der sie diesen „Geist” aufzugreifen und ihn zum Pilger auf den Wegen der Welt zu machen vermochte. Die von ihr veranstalteten Begegnungen sind ein Ort des Dialogs, dessen Vorkämpfer sich zu treffen und sich zu verstehen gelernt haben, wobei die Unterschiede nicht maskiert werden und dennoch nicht voneinander entfernen, erst rechl aber nicht zu jener Gewaltanwendung führen, die in der Vergangenheit leider die Geschichte der Völker geprägt hat. Ein jeder von ihnen hat vielmehr die Sprache des Dialogs und der Aufmerksamkeit füreinander erlernt, die Sprache der Liebe, die bereit ist, vor allem das zu betonen, was eint. Was aber kann uns heute so in de] Tiefe einigen wie das Bedürfnis nach Frieden? Diese nun bereits nicht mehr kurze Pilgerreise hat die verschiedenen Abschnitte einer heiklen Stunde der heutigen Geschichte hinter sich. Drei Jahre nach dem erster 682 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Treffen in Assisi haben wir das Fallen jener Mauer erlebt, welche die Welt tragischerweise in zwei entgegengesetzte Blöcke getrennt hatte. Die ganze Welt wurde von einer großen Sorge befreit. Leider sind die bitteren Wurzeln der Feindschaft nicht verschwunden, und in den folgenden Jahren haben sich neue Egoismen und Sonderinteressen vermehrt und erneut Gruppen und ganze Völker zum Kampf gegeneinander getrieben, der zuweilen äußerste Härte angenommen hat. 3. Es geht ein Jahrhundert zu Ende, das vielleicht von den grausamsten Verbrechen im Verlauf der Menschheitsgeschichte gekennzeichnet ist. Ein Jahrhundert, das in dramatischer Weise von einem in Sarajevo begonnen Krieg eröffnet wurde; an seinem Ende aber findet sich dieses Jahrhundert erneut in einer Tragödie, die wieder in Sarajevo das traurige Symbol des Unverständnisses und des Hasses aufweist. Sarajevo, die so hart mitgenommene Stadt, ist ein Symbol für zahlreiche weitere Stätten, die auch heute noch in der Welt das Joch der Kriegsherren zu tragen haben. Trotz der dunklen Wolken aber fehlt es nicht an Zeichen, die uns mit Hoffnung auf das neue Jahrtausend blicken lassen. Dazu müssen gewiß die Begegnungen gerechnet werden, die sich als konsequente Weiterführung des „Geistes von Assisi” wiederholen. Wenn man sich gemeinsam trifft, um von der Barmherzigkeit Gottes den Frieden zu erlangen, ist das die Prophetie einer neuen Zeit. Die Zeugen des Friedens sollen sich rasch vermehren; daher möchte ich mich erneut mit allen vereinigen, die auf ihrem Weg zum Frieden in Assisi anhalten, und ich wünsche, daß sich noch viele andere mit ihnen auf den Weg machen, um als Pilger dem neuen Jahrtausend entgegenzugehen, damit es ein vom Frieden Gottes gezeichnetes Morgenrot wird. 4. Heute brauchen wir mehr denn je Pilger des Friedens und Zeugen der weltweiten Solidarität über alle persönlichen Einzel- und Gruppeninteressen und auch über das eigene Leben hinaus. Es kann im gemeinsamen Haus dieser Welt keinen Frieden geben, wenn auch nur ein Volk, und wäre es das kleinste, vergessen oder ausgeschlossen würde. Ich möchte daher alle ermutigen, die auf ihrem Weg in Assisi zusammengekommen sind. Ich halte das für notwendig und unverzichtbar, vor allem in einer Welt, wo die Egoismen der einzelnen und der Gemeinschaft bei weitem das Übergewicht zu haben scheinen. Unsere Welt braucht Männer und Frauen, die für die religiösen Werte aufgeschlossen sind und den anderen helfen, Geschmack und Willen zu gemeinsamem Vorgehen wiederzufinden. Das ist der „Geist von Assisi”. 5. Die Begegnung dieses Jahres trägt das Leitmotiv „Freunde Gottes, Zeugen des Friedens”. In Assisi können alle im heiligen Franziskus, dem Freund Gottes und dem Zeugen des Friedens, einen alten und zugleich neuen Anreger für ein hochherziges Bemühen um die Welt finden. Franziskus zeigt als Ikone des demütigen und armen Christus die volle Kraft eines Glaubens, der in Gottvertrauen und Liebe für alle gelebt wird. 683 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Durch Sie, Herr Kardinal, möchte ich allen würdigen Vertretern der christlichen Kirchen und der Weltreligionen, die auf dem heiligen Berg von Assisi versammelt sind, meine herzliche Ermutigung aussprechen. Sie sei begleitet von den Worten der Bibel: „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt” (Jes 52,7). Wie schön sind auf dem Berg von Assisi die Schritte der Sucher nach Gott, die vereint sind in dem Willen, Zeugen des Friedens und Freunde dessen zu sein, der in den Himmeln wohnt. Auf alle rufe ich die Fülle seiner himmlischen Gaben herab. Aus dem Vatikan, am 9. September Joannes Paulus PP. II Vater unser — der Bischof von Rom beugt seine Knie vor dir und ruft: Erlöse uns vom Krieg! Predigt bei der nach Sarajevo übertragenen hl. Messe in Castel Gandolfo am Fest der Geburt Mariens, 8. September Gelobt sei Jesus Christus! Geistig verbunden mit der Christengemeinde von Sarajevo, lese ich jetzt die Predigt, die ich für die Eucharistiefeier vorbereitet habe, welche ich mit den Gläubigen dieser Stadt hätte feiern sollen. Ich lese sie in ihrer Sprache, um auf diese Weise meine große Nähe zu der so schwer geprüften Bevölkerung zu bezeugen. 1. „ Vater unser im Himmel Wir befinden uns an dem Altar, um den sich die ganze Kirche von Sarajevo versammelt. Wir verkünden die Worte, die Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, der Sohn, der eines Wesens mit dem Vater ist, uns gelehrt hat. Nur Er nennt Gott „Vater” (Abba - Vater! Mein Vater!), und nur Er kann uns ermächtigen, uns mit der Anrede „Vater”, „unser Vater” an Gott zu wenden. Er lehrt uns dieses Gebet, in dem alles enthalten ist. Wir wollen heute in diesem Gebet das finden, was man Gott, unserem Vater, in diesem geschichtlichen Augenblick, hier in Sarajevo sagen kann und sagen soll. „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden”. 2. Vater unser! Vater der Menschen: Vater der Völker. Vater aller Völker, die aui der Welt leben. Vater der Völker Europas; der Völker auf dem Balkan. Vater der Völker, die zur Familie der Südslawen gehören! Vater der Völker, die hier, auf dieser Halbinsel, seit Jahrhunderten ihre Geschichte schreiben. Vater dei 684 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Völker, die leider nicht zum ersten Mal von der Katastrophe des Krieges heimgesucht werden. „Vater unser Ich, Bischof von Rom, der erste slawische Papst, beuge meine Knie vor dir, um zu rufen: „Erlöse uns von Krankheit, von Hunger und vom Krieg -erlöse uns!” Ich weiß, daß sich mir viele bei dieser Bitte anschüeßen: nicht nur hier in Sarajevo, in Bosnien-Herzegowina, sondern in ganz Europa und außerhalb seiner Grenzen. Ich komme hierher und bringe die Gewißheit dieses Gebetes mit, das die Herzen und Lippen unzähliger meiner Brüder und Schwestern sprechen. Seit langem haben sie darauf gewartet, daß dieses „große Gebet” der Kirche, des Volkes Gottes, an diesem Ort gehalten werden möchte. Seit langem habe ich selbst alle zur Teilnahme an diesem Gebet eingeladen. Wie sollte man hier nicht an das Gebet in Assisi im Januar vergangenen Jahres denken? Und weiter an das Gebet in Rom, in der Petersbasilika, im Januar dieses Jahres? Seit dem Beginn der tragischen Ereignisse auf dem Balkan, in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, war der Leitgedanke der Kirche und insbesondere des Apostolischen Stuhls das Gebet für den Frieden. 3. Vater unser, „geheiligt werde dein Name, dein Reich komme Dein heiliger und barmherziger Name leuchte unter den Menschen. Dein Reich komme, das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, der Vergebung und der Liebe. „Dein Wille geschehe Dein Wille erfülle sich in der Welt und besonders in diesem gequälten Balkanland. Du liebst nicht die Gewalt und den Haß. Du meidest die Bosheit und den Egoismus. Du willst, daß die Menschen untereinander Brüder sind und Dich als ihren Vater anerkennen. Vater unser, Vater jedes Menschen, „dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden”. Dein Wille ist der Friede! 4. Christus ist „unser Friede” (Eph 2,14). Er, der uns gelehrt hat, uns an Gott zu wenden und ihn „Vater” zu nennen. Er, der durch sein Blut das Geheimnis der Bosheit und Zwietracht besiegt und durch sein Kreuz die gewaltige Mauer niedergerissen hat, die die Menschen trennte und gegenseitig entfremdete; Er, der die Menschheit mit Gott versöhnt und die Menschen untereinander als Brüder vereint hat. Darum konnte Christus vor seinem Opfertod am Kreuz zu den Aposteln sagen: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch” (Joh 14,27). Damals hat er den Geist der Wahrheit verheißen, der zugleich der Geist der Liebe, der Geist des Friedens ist! Komm, Heiliger Geist! „Veni, creator Spiritus, mentes tuorum visita ...!” „Komm, Schöpfergeist, erfülle die Herzen, die du geschaffen hast, mit deiner Gnade”. Komm, Heiliger Geist! Wir rufen Dich an aus dieser Stadt Sarajevo, Kreuzungspunkt von Spannungen zwischen unterschiedlichen Kulturen und Nationen, wo die Lunte gezündet wurde, die zu Beginn des Jahrhunderts den Ersten Weltkrieg entfesselt hat, und wo sich am Ende des zweiten Jahrtausends ähnliche Spannungen zu- 685 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sammenbrauen, die imstande sind, Völker zu vernichten, welche von der Geschichte eigentlich dazu berufen sind, in harmonischem Miteinander zusammenzuarbeiten. Komm, Geist des Friedens! Durch Dich rufen wir: „Abba, Vater” (Röm 8,15). 5. „ Unser tägliches Brot gib uns heute Um Brot bitten heißt, um alles bitten, was wir für das Leben brauchen. Wir beten dafür, daß bei der Verteilung der Ressourcen unter den einzelnen und den Völkern stets das Prinzip einer universalen Teilhabe der Menschen an den von Gott geschaffenen Gütern verwirklicht werden könne. Wir beten dafür, daß die Verwendung der Ressourcen in der Rüstung nicht das Kulturerbe, das das höchste Gut der Menschheit darstellt, schädigt oder gar zerstört. Wir beten dafür, daß die einschränkenden Maßnahmen, die als notwendig erachtet werden, um den Konflikt unter Kontrolle zu bringen, nicht Ursache unmenschlicher Leiden für die wehrlose Bevölkerung sein mögen. Jeder Mensch, jede Familie hat ein Recht auf ihr „tägliches Brot”. 6. „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigem Mit diesen Worten kommen wir zu der entscheidenden Frage. Darauf hat uns Christus selbst hingewiesen, als er sterbend am Kreuz im Hinblick auf seine Mörder sagte: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun” (Lk 23,34). Die Geschichte der Menschen, der Völker und der Nationen ist voll von gegenseitigem Groll und Ungerechtigkeiten. Was für eine Bedeutung hatte doch das historische Wort der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Mitbrüder am Ende des II. Vatikanischen Konzils: „Wir vergeben und bitten um Vergebung”! Wenn man in jener Region Europas zum Frieden gelangen konnte, so scheint das eben dank der Haltung gelungen zu sein, die von diesen Worten so wirkungsvoll zum Ausdruck gebracht wurde. Heute wollen wir dafür beten, daß es erneut zu einer solchen Geste kommt: „Wir vergeben und bitten um Vergebung” für unsere Brüder auf dem Balkan! Ohne diese Haltung läßt sich der Friede kaum hersteilen. Die Spirale von „Schuld” und „Strafe” wird sich nie schließen, wenn man sich nicht endlich zur Verzeihung durchringt. Verzeihen heißt nicht vergessen. Wenn das Gedächtnis das Gesetz der Geschichte ist, so ist die Vergebung die Kraft Gottes, die Kraft Christi, die in dem wechselvollen Geschehen der Menschen und Völker wirksam ist. 7. „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen ... Führe uns nicht in Versuchung! Welches sind die Versuchungen, die von uns fem-zuhalten wir heute den Vater bitten? Es sind jene, die das Herz des Menschen zu einem Herz aus Stein machen, das unempfindlich ist für den Aufruf zu Vergebung und Eintracht. Es sind die Versuchungen der ethnischen Vorurteile, die den Rechten des anderen und seinem Leid gegenüber gleichgültig machen. Es sind die Versuchunger der erbitterten Nationalismen, die zu Gewalttätigkeit gegen den Nächsten und zr Rachsucht führen. Es sind alle Versuchungen, in denen die Zivilisation des Todes zum Ausdruck kommt. 686 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Angesichts des traurigen Anblicks menschlichen Versagens beten wir mit den Worten unseres ehrwürdigen Bruders Bartholomäus I., Patriarch der Kirche von Konstantinopel: „Herr, mach unsere Herzen aus Stein zunichte beim Anblick deiner Leiden. Laß sie zu Herzen aus Heisch werden. Laß dein Kreuz all unsere Vorurteile auflösen. Beim Anblick deines qualvollen Todeskampfes mögen unsere Gleichgültigkeit oder unsere Auflehnung vergehen” (Kreuzweg am Kolosseum, Karfreitag 1994, Einleitungsgebet; in: O.R.dt., 12.8.94). Erlöse uns vom Bösen! Ein weiteres Wort, das ganz zu Christus und seinem Evangelium gehört. „Ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten” (Joh 12,47). Die Menschheit ist zur Rettung in Christus und durch Christus berufen. Zu dieser Rettung sind auch die Nationen berufen, die dieser Krieg so furchtbar gespalten hat! Wir beten heute dafür, daß die Heilskraft des Kreuzes helfen möge, die historische Versuchung des Hasses zu überwinden. Schluß mit den unzähligen Zerstörungen! Wir beten - dem Rhythmus des Gebets des Herrn folgend - dafür, daß die Zeit des Wiederaufbaus, die Zeit des Friedens beginnen möge. Mit uns beten die Toten von Sarajevo, deren sterbliche Überreste auf dem nahen Friedhof ruhen. Es beten alle Opfer dieses grausamen Krieges, die im Lichte Gottes Versöhnung und Frieden für die Überlebenden erbitten. 8. „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden!” CMt 5,9). Das hat uns Jesus im Evangelium des heutigen Tages gesagt. Ja, hebe Brüder und Schwestern, wir werden wahrhaft selig sein, wenn wir uns zu Baumeistern jenes Friedens machen, den nur Christus zu schenken vermag (vgl. Joh 14,27), ja, der Christus selbst ist. „Christus ist unser Friede”. Wir werden zu Friedensstiftern werden, wenn wir, wie Er, bereit sind zu verzeihen. „Vater, vergib ihnen!” (Lk 23,34). Christus bietet vom Kreuz herab die Vergebung an und fordert auch uns auf, ihm auf dem schweren Weg des Kreuzes zu folgen, um seinen Frieden zu erlangen. Nur durch die Annahme seiner Einladung wird man den Egoismus, den Nationalismus, die Gewalt daran hindern können, weiter Zerstörung und Tod zu säen. Das Böse stellt in jeder seiner Äußerungen ein Mysterium der Bosheit dar, angesichts dessen sich klar und entschieden die Stimme Gottes erhebt, die wir in der ersten Lesung gehört haben: „Denn so spricht der Hohe und Erhabene ... Als Heiliger lebe ich in der Höhe, aber ich bin auch bei den Zerschlagenen und Bedrückten” (Jes 57,15). In diesen Worten des Propheten ist für alle die Einladung zu einer ernsthaften Gewissensprüfung enthalten. Gott ist auf der Seite der Zerschlagenen: Er ist bei den Eltern, die um ihre ermordeten Kinder trauern, Er hört den ohnmächtigen Schrei der wehrlos Getretenen, Er ist solidarisch mit den durch Gewalt gedemütigten Frauen, Er ist den Hüchtlingen nahe, die Land und Haus verlassen mußten. Er vergißt nicht die Leiden der Familien, der 687 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alten, der Witwen, der Jugendlichen und der Kinder. Es ist sein Volk, das hier stirbt. Eine derartige Barbarei muß beendet werden! Schluß mit dem Krieg! Schluß mit der Zerstörungswut! Es darf nicht länger eine Situation geduldet werden, die nur Todesfrüchte hervorbringt: Morde, zerstörte Städte, zusammengebrochene Wirtschaftssysteme, Krankenhäuser ohne Medikamente, sich selbst überlassene Kranke und Alte, trauernde und zerrissene Familien. Man muß so schnell wie möglich zu einerr gerechten Frieden kommen. Der Friede ist möglich, wenn der Vorrang der sittlicher Werte vor den Ansprüchen der Rasse oder der Macht anerkannt wird. 9. Liebe Brüder und Schwestern! In diesem Augenblick richte ich zusammen mf euch den Hilferuf des Psalmisten an den Herrn: „Um der Ehre deines Namens willer hilf uns, du Gott unseres Heils! Um deines Namens willen reiß uns heraus und vergib uns die Sünden!” (Ps 79,9). Wir vertrauen diese Bitte der an, die schweigend und betend unter dem Kreu; „stand” (vgl. Joh 19,25). Wir blicken auf die Heiüge Jungfrau, deren Geburt die Kirche heute mit Freude feiert. Es ist bedeutungsvoll, daß mein seit langem gewünschter Besuch hier gerade an die sem Marienfest, das euch so teuer ist, stattfinden konnte. Mit der Geburt Mariens is in der Welt die Hoffnung auf eine neue Menschheit aufgebrochen, auf der nich mehr Egoismus, Haß, Gewalt und die vielen anderen Formen der Sünde lasten, dit die Wege der Geschichte mit Blut getränkt haben. Wir bitten die heilige Jungfrai Maria, daß auch für euer Land der Tag der vollen Versöhnung und des Frieden: heraufziehen möge. Königin des Friedens, bitte für uns! Am Schluß der Messe richtete der Papst die folgenden Grußworte an die Gläubigen von Sarajevo: „Nativitas est hodie sanctae Mariae Virginis, cuius vita inclita cunctas illustra Ecclesias”. 1. Die Geburt der Heiligsten Jungfrau, die von unseren Brüdern im christliche: Osten als „Bad (lavacrum), das die Gewissen reinigt” und als „Friede der Völker angerufen wird, erleuchtet alle Kirchen, jene im Osten ebenso wie jene im Wester und verleiht ihnen Glanz. Insbesondere eurer christlichen Gemeinde, liebe Brüder und Schwestern in Bosnien Herzegowina, die ihr von diesem sinnlosen brudermörderischen Krieg so hart be troffen seid, schenkt sie Erleuchtung und Glanz. Ich freue mich, daß mein seit lan gern gewünschter Besuch gerade an diesem achten September stattfinden konnte wo der Geburt Mariens gedacht wird. Maria ist Quelle des Trostes und der Hoffnung für jeden Gläubigen. Sie „leuchte als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvol voran” (Lumen Gentium, Nr. 68). Auf sie blicken wir heute sorgenvoll, aber m 688 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vertrauen. Wir bitten sie, uns in der gegenwärtigen Drangsal beizustehen, und sind sicher, erhört zu werden. 2. Mit diesem Wunsch grüße ich dich, lieber Monsignor Vinko Puljic, Erzbischof von Vrhbosna, Sarajevo, und deinen Weihbischof, Monsignor Pero Sudar; ich grüße euch, mutige Priester, und euch hochherzige Ordensmänner und Ordensfrauen, die ihr mit evangelischem Geist das Los der so lange und so hart geprüften Bevölkerung teilt, wie auch euch Laien, die ihr euch in den zahlreichen blühenden Vereinen und Verbänden der Erzdiözese Vrhbosna engagiert. Mein herzliches Gedenken gilt auch dem Bischof der Diözese Banja Luka, Monsignor Franjo Komarica, dem unerschrockenen Verteidiger der Katholiken und überhaupt der örtlichen Bevölkerung, deren Zahl nunmehr durch die unmenschliche Politik der sogenannten „ethnischen Säuberung” leider dezimiert worden ist. Ebenso grüße ich den Bischof von Mostar-Duvno und Administrator von Trebinje und Mrkan, Monsignor Ratko Peric, und seinen Vorgänger, Monsignor Pavao Zanic, die in ihren Diözesen gleichfalls vom Krieg verursachte Zerstörungen und Tod erlebt naben. Allen sage ich: Blickt mit Zuversicht in die Zukunft der Kirche in Bosnien-Herzegowina. Der Papst, der heute an eurer Seite ist, wird euch weiterhin wie bisher geistig nahe sein und euch in euren Anstrengungen für den Wiederaufbau einer solidarischen und brüderlichen Gemeinde in diesem Land unterstützen. Tanz besonders hervorheben möchte ich das mutige Beispiel, das ihr Priester der ganzen Welt bietet. Während des entsetzlichen Leides, das das Leben so vieler VIenschen und so vieler Städte in Bosnien-Herzegowina heimgesucht hat, seid ihr her auf eurem Posten geblieben, in Nachahmung Christi, des Guten Hirten, der das „eben für seine Schafe hingegeben hat. Ihr habt mit eurem Volk Leiden und Hoff-lungen, Entbehrungen und Gefahren geteilt und ihr habt den nicht nur von geistlichen Problemen, sondern auch vom Mangel an Nahrung, Medikamenten, Unter-cunft, Arbeit und Freiheit gequälten Menschen mit allen Mitteln geholfen. In der lugenblicklichen Trostlosigkeit ist euer Verhalten ein heroisches Zeugnis der Hoff-lung auf das Reich Gottes. Harrt aus in dieser mutigen Haltung des Dienens, der es nit Gottes Gnade gelingen wird, den Anbruch des Friedens zu beschleunigen, schließlich richte ich einen herzlichen Gruß an die serbische Gemeinde von Sarajevo; zugleich möchte ich das ganze serbische Volk von Bosnien-Herzegowina geistig imarmen, dem ich meine tiefempfundenen Wünsche für Wohlergehen in Eintracht ind Solidarität zum Ausdruck bringe. Seiner Heiligkeit Patriarch Pavle und allen lischöfen der Serbisch-Orthodoxen Kirche gebe ich den Friedenskuß. Ich tue das nit den Worten der Liturgie: „Christus ist mitten unter uns.” 689 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaft in Wahrheit und Liehe Schreiben an Kardinal Jozef Tomko anläßlich des 700. Jahrestages der Ankunft von Giovanni da Montecorvino OFM in Peking am 8. September An meinen heben Bruder Kardinal Jozef Tomko, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker Ich bin sehr erfreut darüber, daß du bei den besonderen Feierlichkeiten in Taiwan den Vorsitz führen wirst, wo der einzigartigen missionarischen Leistung des Giovanni da Montecorvino, des ersten Zeugen des Evangeliums unter dem chinesischen Volk und des ersten Erzbischofs von Khambaliq, dem heutigen Beijing, gedacht wird. Tatsächlich sind sieben Jahrhunderte vergangen, seitdem der große Franziska-nermissionar nach einer fünf Jahre dauernden Reise in Khambaliq ankam und bei sich einen Brief von Papst Nikolaus IV. an den Herrn über die weit ausgedehnten Gebiete des Fernen Ostens trug. Aus seinen eigenen Briefen und den Schriften vor Zeitgenossen wissen wir, daß sein Apostolat in China überreiche Früchte trug, sc daß Papst Clemens V. im Jahre 1307 ihn zur Würde eines Erzbischofs erhob unc ihm weitreichende Vollmachten verlieh, um die Kirche in diesem weit ausgedehnter Gebiet zu errichten und zu organisieren. Seine Weihe fand 1310 in Gegenwart des Khan statt, als der zu seiner Weihe gesandte Bischof endlich in der Hauptstadt ankam. Giovanni da Montecorvino starb 1328. Seine 34 Jahre weiser und unermüdliche! Missionstätigkeit in Khambaliq hatten zum Aufbau zahlreicher glaubensvollet christlichen Gemeinden und eines weiten Netzes von Kirchen, Klöstern, Schüler und anderen Einrichtungen geführt. Die Feier des siebten Jahrhunderts seit der Ankunft von Giovanni da Montecorvinc in Beijing bietet mir Gelegenheit, die heutige Gemeinschaft chinesischer Katholikei anzusprechen, die eine Weiterführung und eine gewachsene Frucht der damaligei ersten Einpflanzung der Kirche auf chinesischem Boden ist. Ich bin in der Tat glücklich darüber, meine tiefe Verbundenheit mit und Achtung ii unseren Herrn Jesus Christus allen Katholiken, Söhnen und Töchtern der großei und berühmten Familie der Chinesen aussprechen zu können. Mit aller Glut meine: Herzens fühle ich mich geistlich unter ihnen präsent. Ich versichere ihnen, daß icl mich denen besonders nahe fühle, die Jesus Christus und seiner Kirche mitten in al ler Art von Schwierigkeiten treu geblieben sind und ihn bezeugt haben und weite bezeugen, auch auf Kosten tiefer und langer Leiden. Das Prinzip der Gemeinschaf mit dem Nachfolger des Petrus, den der Herr zu seinem Stellvertreter sowie zu „ständigen und sichtbaren Quelle und Grundlage der Glaubenseinheit und der Ge meinschaft” bestimmt hat (Lumen Gentium, Nr. 18), kann von keinem Katholikei aufgegeben werden, der ein solcher bleiben und als solcher anerkannt werdei möchte. 690 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich bin mir des blühenden Wachstums zahlreicher eifriger Gemeinden in verschiedenen Teilen des Landes bewußt, und in Erfüllung der von Christus erhaltenen Sendung, sie im Glauben, in der Hoffnung und Liebe zu stärken (vgl. Lk 22,32), möchte ich sie zu Treue, Verständnis und Versöhnung ermutigen und sie alle zu der Gemeinschaft versammeln, die uns in Christus durch die Kraft des Heiligen Geistes verbindet. Ich lade alle Söhne und Töchter der Kathoüschen Kirche in China ein, diese Gemeinschaft in Wahrheit und Liebe zu leben (vgl. 2 Joh 1,3); mein inniges Gebet aber ist, daß sie sich in wachsendem Maße auch sichtbar äußern kann. Religiöser Glaube und religiöse Praxis sind eine dynamische Quelle des Einsatzes im Bereich der sozialen und bürgerlichen Verantwortung. Es kann keinen Gegensatz und keine Unvereinbarkeit geben, gleichzeitig ein wahrer Katholik und ein echter Chinese zu sein. Ich bete, daß diese Feierlichkeiten in Taiwan die Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien dieser heben Gemeinschaft herzlich erfreuen, der ich zu begegnen hoffe, sobald die göttüche Vorsehung es zuläßt. Möge sie das ermutigen, immer treuere Jünger Christi und hochherzige Mitarbeiter ihrer chinesischen Brüder und Schwester auf dem Festland zu sein. Als Zeichen meines brennenden Wunsches, die ganze chinesische katholische Familie umarmen zu können, erteile ich gern meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 8. September 1994 Joannes Paulus PP. II Verkündigung des Kerygma vom Kreuz bleibt ständige Verpflichtung Botschaft an den Generaloberen der Passionisten anläßlich des 300. Geburtstages des Gründers der Kongregation vom 14. September An Jose A. Orbegozo Jäuregui, Oeneraloberer der Kongregation der Passion Jesu Christi 1. Es ist mir ein Grand zur Freude, mich an den Feierlichkeiten zu beteiligen, die Ihre Kongregation zu Ehren des Gründers, des hl. Pauls vom Kreuz, anläßlich sei-res 300. Geburtstages organisiert hat. Dabei habe ich vor allem Ihre Absicht zu schätzen gewußt, diesen Gedenktag nicht nur durch äußerliche Ereignisse zu feiern, sondern noch mehr durch eine gemeinschaftliche Betrachtung über das Zeugnis, das dieser bedeutende Mystiker und Verkünder des Evangeliums des 18. Jahrhunderts seinen Söhnen im Geist und der ganzen Kirche hinterlassen hat. Dieser Jahrestag lädt uns ein, unseren Blick auf die Passion Christi zu richten. Um liesen Mittelpunkt kreiste das ganze Leben und Apostolat des hl. Paul vom Kreuz, 691 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zuerst als mystische Erfahrung und dann als Verkündigung an die anderen, sowoh durch Predigttätigkeit als auch durch geistliche Leitung. Er hatte die im Johannesevangelium besonders deutlich dargestellte Lehre gründlicl verstanden, wonach die Passion Jesu zugleich seine Verherrlichung und Erhöhung ist, denn sie stellt die gehorsame Aufnahme der grenzenlosen Liebe des Vaters unc deren Weitergabe an alle Menschen dar. Außerdem sah er im Gekreuzigten das lebendige Bild des Vaters, das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, um mit den Wortei des Kolosserbriefes zu sprechen (vgl. 1,15). Manche der Wendungen, durch die e: sein tiefes Verständnis des Kreuzgeheimnisses zum Ausdruck brachte, haben zi Recht Berühmtheit erlangt: „Die Passion Jesu ist das größte und schönste Werk de göttlichen Liebe” (vgl. Briefe II, 499); sie ist „das größte Wunder der Liebe Gottes’ Cebd., 726). „Aus dem Meer der göttlichen Liebe - so pflegte er zu sagen - geht da: Meer der Passion Jesu hervor, und diese bilden zusammen ein einziges Meer” (ebd. 717). Nichts war seiner Meinung nach zur Bekehrung verhärteter Herzen geeignete als die Verkündigung des Leidens Jesu. 2. Hauptaufgabe der Kirche zu jeder Zeit - und vor allem heute - ist, die Mensch heit zur Begegnung mit Christus zu leiten, zum Ostergeheimnis, das durch da Kreuz und den Tod zur Auferstehung führt. In diesem Geheimnis verbindet Christu sich mit jedem Menschen, er offenbart dem Menschen das Antlitz des Vaters um macht „dem Menschen den Menschen selbst voll kund” (vgl. Redemptor Hominis Nm. 10-13). Im Apostolischen Schreiben Salvifici doloris über den christliche] Sinn des menschlichen Leidens - einem Dokument, das dem Charisma Ihrer Kon gregation besonders nahesteht - habe ich über das Geheimnis des Kreuzes in bezu-auf das dramatische Problem menschlichen Leidens gesprochen und darauf hinge wiesen, daß Christus gerade durch das Kreuz mit jedem Menschen verbunden wiri (vgl. ebd., Nr. 20). Der Mensch unserer Tage nimmt die Tragik des Leidens besonders heftig wahr, um er spürt das dringende Bedürfnis, alles zu tun, damit eine Person in ihrem Leid nie! mit sich allein gelassen wird. In dieser Hinsicht kann die Solidarität derer, die vo: Nächstenliebe angetrieben sind, viel erreichen, vor allem wenn sie fähig sind, di frohe Botschaft der Erlösung vom Leiden durch die Passion Jesu Christi zu vermit teln. 3. Die Kongregation der Passionisten hat sich von Anfang an mit ihrer ganzen Kral für die Evangelisierung eingesetzt, und sie ist deshalb heute dazu berufen, sich m frischem Elan in den Dienst der Neuevangelisierung zu stellen: Das Kreuzgeheimni ist der Brennpunkt, auf den alle diesbezüglichen Bemühungen zulaufen müssen. Di Söhne des hl. Paul vom Kreuz sind Erben einer langjährigen Tradition der Kate chese und Verkündigung des Evangeliums durch Volksmission, geistliche Exerz: tien, spirituelle Leitung und alle weiteren Mittel, die die „äußerst einfallsreiche Liebe Gottes ersinnen kann (vgl. Reg., 1775, c. 16). Dieses Engagement muß fon 692 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gesetzt werden, sowohl in den traditionellen als auch in neu erdachten Formen, die den Absichten des Gründers entsprechen. Auch freue ich mich über die zahlreichen Missionsstationen der Kongregation in verschiedenen Ländern, die Evangelisierung besonders nötig haben. Dadurch wird das Projekt in die Tat umgesetzt, das der hl. Paul vom Kreuz schon lange vorher geplant hatte. Trotz der unvermeidlichen Schwierigkeiten, die mit solchen Aufgaben einhergehen, fordere ich alle Mitglieder auf, an der Überzeugung festzuhalten, daß Gott einen großen christlichen und missionarischen Frühling bereitet, dessen Morgenröte man schon ahnend erkennen kann (vgl. Redemptoris missio, Nr. 86). Sie dürfen nie vergessen, daß das Kreuz das unverwechselbare Kennzeichen ist, das das Christentum als solches identifiziert und es von allen anderen Religionen unterscheidet. In unserer Zeit, in der viele Seelen vor allem durch das Eindringen von Sekten und esoterischen Kultformen verwirrt werden, sind die Passionisten dazu berufen, die Besonderheit und Unersetzlichkeit des „kerygma” vom Kreuz als wesentlichen Bestandteil der Heilsverkündigung hervorzuheben. 4. Der hl. Paul vom Kreuz teilte das Charisma der Passion vor allem seinen Gefährten mit, die er schon seit frühester Jugend um sich versammelt hatte, und später durch sie der ganzen Kongregation sowie den Instituten und Bewegungen, die zu ihr gehören. Die Kirche hat die Authentizität dieses Charismas anerkannt und die Kongregation mit der besonderen Aufgabe betraut, die „memoria passionis” stets lebendig zu halten und sie sowohl in ihrer spirituellen Erfahrung - auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene - als auch im Apostolat für das Volk zu pflegen. Es ist in der Tat ganz wichtig, daß das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird (vgl. 1 Kor 1,17). Dazu muß man wachsam sein, um die Lügen enttarnen zu können, durch die die Welt danach strebt, sich die Gaben Gottes selbst anzueignen und das Abbild Christi, das den Gläubigen beider Taufe eingeprägt wurde, zu entstellen. Dieses Unterscheidungsvermögen setzt eine wirkliche Distanz zu weltlichen Dingen und echte Armut im Geiste voraus; diese Tugenden lagen ihrem Gründer sehr am Herzen, der diesbezüglich vom mystischen Tod zur Wiedergeburt in Gott sprach und zum Eintauchen ins eigene Nichtssein aufforderte: nichts können, nichts haben, nichts wissen. Die Passionisten sind ihrer Tradition als Lehrer des Gebetes treu (vgl. Konst., Nr. 37); deshalb werden sie auch in Zukunft eine starke Spiritualität pflegen, die vielen anderen, nach Vollkommenheit strebenden Seelen den Wunsch vermitteln kann, sich an der Entäußerung Christi zu beteiligen, um jeden Tag zu einem höheren Leben geboren zu werden (vgl. Redemptionis donum, Nr. 10). Es erfordert, daß man aufmerksam auf das hört, was Gott sagt, und diese Verpflichtung wollte der hl. Paulus vom Kreuz in seinem geistigen Testament durch Einsamkeit, Armut und Gebet bewahren und erhalten, denn es ist das Hören auf Gott, das uns das Zuhören gegenüber den anderen Menschen, ihren Leiden, ihrem Hunger nach Gott und nach Gerechtigkeit ermöglicht. 693 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Die Passion Jesu und das menschliche Leid stellen heutzutage eines der aktuellsten Themen der Theologie beziehungsweise der Humanwissenschaften dar. Auf diesem Gebiet ist es leichter, sich zu einem Dialog zu begegnen, sowohl mit den Christen anderer Konfessionen als auch mit allen anderen, die an Gott glauben, und im allgemeinen mit den Menschen, die von einem aufrichtigen Streben nach Gerechtigkeit und Liebe beseelt sind. Unter den Söhnen des hl. Paulus vom Kreuz gab es echte Vorläufer der ökumenischen Bewegung, leidenschaftliche Apostel der Einheit aller Christen, wie zum Beispiel den sei. Domenico Barbieri oder Pater Ignazic Spencer. Sie fühlten sich als Erben jener Sehnsucht nach Einheit, die ihrem Ordensgründer eigen war und für die er oft gebetet hatte. Auch die Passionisten der heutigen Zeit dürfen darin nicht nachlassen; sie müsser. auch weiterhin auf den Gekreuzigten hinweisen als den, der mit seinem Opfer die trennende Wand abgerissen und jeden Menschen mit Gott und mit seinen Brüderr versöhnt hat (vgl. Eph 2,11-12). Wie der Apostel, so müssen auch sie in ihrem Innern vom Kreuz Christi begeistert sein: Es erscheint der Welt auch heute noch als Torheit, aber denen, die Gott, Gerechtigkeit und Frieden suchen, als tiefste Weisheit. 6. Der seligen Jungfrau Maria empfehle ich die Initiativen Ihrer Kongregation anläßlich des 300. Geburtstages ihres Gründers, und von ihrer mütterlichen Fürspracht erbitte ich den Einsatz und die Freude eines glaubhaften Zeugen des Kreuzes Christ für jeden Passionierten. Mit diesen Empfindungen erteile ich Ihnen, den Ordensmännem und Ordensfrauer der Kongregation der Passion Christi und allen Mitgliedern der Institute und Bewegungen, die sich mit dem Charisma des hl. Paulus vom Kreuz identifizieren, einer besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 14. September 1994, Fest der Kreuzerhöhung Einvernehmen von Kirche und Staat zum Wohl aller Bürger Ansprache an den Präsidenten der Republik Estland, Lennart Meri, am 15. September Herr Präsident! 1. Anläßlich Ihres ersten Besuchs beim Apostolischen Stuhl freue ich mich, Sie hie herzlich willkommen zu heißen. Mit Ihnen begrüße ich die Mitglieder Ihrer Delega tion und die ganze Nation, die Sie hier vertreten. Das heutige Treffen ruft mir meinen kurzen, aber eindrucksvollen Aufenthalt ii Estland am 10. September des vergangenen Jahres in Erinnerung. Noch einma möchte ich Ihnen meine aufrichtige Dankbarkeit für die warmherzige Aufnahme un( Gastfreundschaft aussprechen, die mir in der Hauptstadt Tallinn zuteil wurde. Di< 694 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eindrücke und Gefühle während jener letzten Etappe meiner denkwürdigen Reise durch die drei Baltischen Republiken haben auch heute noch einen starken Widerhall in mir und in all jenen, die mich damals begleiteten. 2. Nach der leidvollen Zeit der Prüfung, die insbesondere vom Verlust der grundlegenden Freiheiten der Menschen geprägt war, lebt die estnische Nation gegenwärtig in einem Klima moralischer und bürgerlicher Wiedergeburt. Ein bedeutender Beitrag zu dieser Atmosphäre wiedergefundenen Vertrauens und tatkräftigen Einsatzes für das Gemeinwohl ergibt sich aus den guten Beziehungen zwischen der Gemeinschaft der Katholiken und den staatlichen Einrichtungen. Diese Beziehungen zielen auf gegenseitige Achtung und Zusammenarbeit auf der Grundlage der zurückeroberten Religionsfreiheit ab. Das herzliche Einvernehmen zwischen der katholischen Kirche und dem Staat stellt sicherlich eine wichtige Voraussetzung dar, um zusammen das Gemeinwohl zugunsten aller Bürger aufzubauen. In diesem Zusammenhang freue ich mich sehr über die aufmerksame und respektvolle Haltung der Zivilbehörden gegenüber der kleinen, aber engagierten katholischen Gemeinschaft. Das Klima gegenseitiger Offenheit und Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat wird eine nicht geringe Hilfe sein bei der Suche nach annehmbaren Lösungen auch in bezug auf die Aspekte, die gegenwärtig noch untersucht und vertieft werden. So stelle ich zum Beispiel mit Genugtuung fest, daß diese freundschaftliche Entente die Verhandlungen über die Rückgabe der während des ehemaligen totalitären Regimes beschlagnahmten Gebäude zu einem guten Ausgang führt. Ich wünsche mir, daß auf diesem Weg weitergegangen wird und daß der Wille zum Dialog und zum Verständnis, der die Verhandlungen in diesem heiklen Bereich - wie auch in anderen -bisher begleitet hat, noch weiter gestärkt wird. 3. Es ist außerdem mein Wunsch, daß die Lösungen, die man in Zukunft finden wird, es der katholischen Kirche unter anderem ermöglichen, sich dem Engagement iller zur Förderung des Fortschritts des Landes anzuschließen. Die katholische Kirche in Estland möchte auf ihre eigene Art und nach den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils mit allen Bestandteilen der Gesellschaft zur Festigung von Freiheit und Frieden Zusammenarbeiten, die durch die Opfer und den Bei-:rag jedes Bürgers erreicht werden konnten. Wie ich schon bei meiner Ankunft in ler Hauptstadt Tallinn sagte: „Der Nachfolger Petri und alle Mitglieder der Gemeinschaft der Katholiken möchten dazu beitragen, daß Estland eine Zukunft in Ein-racht, Frieden und Fortschritt beschieden ist; eine Zukunft in Brüderlichkeit und Solidarität inmitten einer internationalen Gesellschaft, die immer mehr auf Achtung md gegenseitige Abhängigkeit in Frieden hin strebt” (Ansprache, 10. September 1993, Nr. 3). 1. Herr Präsident! Dank der Eintracht zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen in ihrem Lande tragen auch sie zur Förderung einer Atmosphäre des Frie-lens und der Kooperation bei. Die ökumenische Begegnung in der Kirche des 695 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hl. Nikolaus, an der ich im Verlauf meines Pastoralbesuchs teilnehmen konnte, war ein beredtes Zeichen für die Bereitschaft all jener Menschen, die den gemeinsamen Glauben an Christus bekennen, den Weg zur vollständigen Einheit mutig weiterzugehen. Ihr Zeugnis für die Werte des Evangeliums wirkt an der Aufrechterhaltung der Erinnerung an das reiche kulturelle und menschliche Erbe mit, das das Christentum der Zivilisation und dem Fortschritt der baltischen Völker - vor allem des estnischen -im Laufe der Geschichte geboten hat. Die Katholiken möchten diese Maßnahmen für Versöhnung und Frieden intensivieren, indem sie angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen nach jeder gerechten Lösung suchen, um die Wunden zu heilen, die im Bewußtsein des Volkes immer noch offen und traurige Überbleibsel aus dem langen Winter totalitärer Unterdrückung sind. 5. Herr Präsident! Ich möchte zum Abschluß ein Wort zum natürlichen Standort Estlands sagen, das einen wichtigen Übergangspunkt zwischen Ost- und Westeuropa und einen Ort des kulturellen und religiösen Dialogs zwischen den verschiedenen Völkern Europas darstellt. Ich möchte diesbezüglich meinen aufrichtiger Wunsch zum Ausdruck bringen, daß die Spannungen und Gegensätze für immei überwunden werden können, um Platz zu schaffen für den großzügigen Austausc! zwischen vielerlei Kulturen im Hinblick auf eine gegenseitige Bereicherung. Die Wiederentdeckung der gemeinsamen christlichen Wurzeln als unverletzliches Erbe jeder Nation des alten Kontinents sei der Ausgangspunkt für einen neuen Dialog unc eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Osten und dem Westen Europas. Mit diesen Empfindungen spreche ich Ihnen, Herr Präsident, und allen, die sie aul dieser offiziellen Reise begleiten, erneut meinen herzlichen Dank aus; ich erbitte den Segen Gottes für Estland, seine Einwohner und seinen Weg in eine Zukunft dei Freiheit und des Fortschritts. Revision des Allgemeinen Katechetischen Direktoriums in Arbeit Brief an Kardinal Jose T. Sanchez zur 9. Vollversammlung des Internationalen Rates für die Katechese vom 21. September An den verehrten Bruder Kardinal Jose, T. Sanchez, Präfekt der Kongregation für den Klerus 1. Mit Freude habe ich erfahren, daß der Internationale Rat für die Katechese zi seiner Vollversammlung zusammengetreten ist, um das Allgemeine Katechetischi Direktorium auf den neuesten Stand zu bringen, was nach Veröffentlichung de: Katechismus der Katholischen Kirche besonders dringlich geworden war. Ich über trage Ihnen, Herr Kardinal, die Aufgabe, den Teilnehmern an der Sitzung und allen 696 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die in dieser Kongregation zu seiner Durchführung beigetragen haben, meine herzlichen Grüße zu übermitteln. Das Thema der Arbeiten ist zweifellos von großer Tragweite. Das II. Vatikanische Konzil, das wiederholt von der Katechese gesprochen und ihre Bedeutung im Dekret Christus Dominus betont hat, schlug vor, ein „Direktorium für die katecheti-sche Unterweisung des Volkes” zu erstellen (Nr. 44). In Erfüllung des Konzilsauftrags wurde dieses Direktorium von einer internationalen Kommission von Fachleuten auf der Grundlage einer umfangreichen Befragung vorbereitet und am 11. April 1971 veröffentlicht. Im Abstand von mehr als zwanzig Jahren kann man sagen, daß es einen sehr positiven Einfluß auf die Erneuerung der Katechese ausgeübt und sich als gültiger Bezugspunkt erwiesen hat sowohl was seinen Inhalt als auch was seine Methode betrifft. 2. In diesem Zeitraum ergaben sich freilich angesichts der raschen Entwicklung des weltweiten Rahmens der Kultur neue Aufgaben, die das Leben der Kirche auch auf dem Gebiet der Evangelisierung und der Katechese betreffen. Das Lehramt der Kirche hat es nicht daran fehlen lassen, all dem seine Aufmerksamkeit zu schenken. Das zeigen die beiden Apostolischen Schreiben: Evangelii nuntiandi vom 8. Dezember 1975 und Catechesi tradendae vom 16. Oktober 1979 und vor allem der Katechismus der Katholischen Kirche, der den Bischöfen durch die Apostolische Konstitution Fidei Depositum vom 11. Oktober 1992 vorgestellt wurde. Auf dieser Grundlage ergab sich für das Allgemeine Katechetische Direktorium eine Revision, um den Text an die neue Situation anzupassen. So hat der Internationale Rat für die Katechese folgerichtig die ganze derzeitige Vollversammlung dieser wichtigen Aufgabe gewidmet. Die aufgrund der voraufgegangenen Studien, Beobachtungen und Empfehlungen von Fachleuten in diesen Tagen geleistete Arbeit fand ihren Abschluß in der Bestätigung der Abschnitte des Direktoriums, die weiter in Geltung bleiben, und in der Neuformulierung anderer Abschnitte in bezug auf die wichtigsten Probleme, welche die Katechese in den kommenden Jahren notwendigerweise meistern muß. Unter diesen verdient gewiß die Inkulturation im Rahmen der Welt von heute besondere Beachtung. Die Vielfalt der Kulturen zeigt sich immer deutlicher auch in Gegenden mit alter christlicher Überheferung. Erst recht bedeutet sie eine Herausforderung in den Kontinenten, wo die Verkündigung des Christentums neueren Datums ist, wie die kürzliche Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika betont hat. 3. Die Aufgabe der Kirche, das Wort Gottes „allen Völkern” (vgl. Mt 28,19) zu verkünden, erfordert ihrer Natur nach ein ständiges Bemühen der „Übersetzung” dieses Wortes, um es all seinen Adressaten in einer Weise zugänglich zu machen, daß es in Geist und Leben angenommen wird und so zum Sauerteig für alle Kulturen 697 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden und christlich inspiriertes Verhalten sowie entsprechende Gewohnheiten und Institutionen ins Leben rufen kann. Die Inkulturation erweist sich damit als eine der notwendigsten und lebenswichtigsten Aufgaben der Evangelisierung und der Katechese, doch zugleich auch als eine der schwierigsten und heikelsten Aufgaben. Sie verpflichtet die Kirche zu einen ständigen Bemühen um Unterscheidung, die im Gehorsam zum Wort Gottes und ir herzlicher Aufmerksamkeit für den Menschen unter Führung des Heiligen Geiste; erfolgen soll. Das Vorbild für diese Aufgabe ist die Menschwerdung des Wortes Gottes als geschichtliches Heilsereignis, auf das sich der christliche Glaube stützt. In Christus is das Wort Heisch geworden (vgl. Joh 1,14) und hat alles angenommen, was zun Menschen gehört, die Sünde ausgenommen (vgl. Hebr 4,15). Auch die Verkündigung Christi vor den Menschen soll unbedingt der gleichen Dynamik folgen und dir geoffenbarte Botschaft in einer Weise darstellen, daß jede Kultur sie so, wie sie ist verstehen kann, gültig und bereichernd und gleichzeitig zu jeder Zeit und bei aller Generationen. 4. Es muß also eine echte Theologie der Menschwerdung die Koordinaten der Inkul turation aufweisen und auch ihre Grenzen bezeichnen, jenseits derer die erträumt« „Übersetzung” zum „Verrat” würde. Eckstein eines jeden Prozesses der Inkulturation des Glaubens ist die Verkündigung der Menschwerdung als historisches, einmaliges und unwiederholbares Ereignis Der Sohn Gottes ist ein für alle Mal an einem bestimmten Ort und in einer bestimm ten Zeit Mensch geworden. Jede Kultur, die sich für Christus öffnet, muß unbeding ein bleibendes Band mit der konkreten Geschichte der Menschwerdung knüpfei über das Wort der Bibel, das uns von ihr berichtet, und die sakramentalen Zeichen in denen sie weiterwirkt. Die Menschwerdung steht ferner in innigster Verbindung mit dem Ostergeheimni von Tod und Auferstehung. Die Annahme dieses Ereignisses setzt das Bewußtwer den der Sünde voraus, welche die Geschichte der Menschen kennzeichnet und sh radikal der Erlösung bedürftig macht. Wenn man Christus verkündet, darf man nii um eines zweideutigen Friedensbemühens willen vergessen, daß das „Geheimni des Bösen” existiert, das die ursprüngliche Güte der Schöpfung tiefreichend gestöi hat. „Weizen” und „Unkraut” wachsen gemeinsam (vgl. Mt 13,39) sowohl im Her zen des Menschen wie in den Kulturen und in der Gesellschaft. Nicht alles ist dahe mit der christlichen Botschaft vereinbar. Vieles kann als wertvoll übernommen wer den, anderes muß abgelehnt, alles aber gereinigt und verbessert werden. 5. Die Menschwerdung kommt zu ihrer Fülle in der Verherrlichung Christi. Vor Auferstandenen kommt für immer und für die ganze Menschheit die Gabe des Gei stes als Anfang des neuen Lebens, das sich zwar erst in den Letzten Dingen vollen det, aber historisch bereits konkret im Leben der Kirche, des Leibes und der Brar Christi, vorweggenommen wird. Zur Begegnung der Kulturen mit Christus gehöi 698 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darum ein Weg nach oben bis zum „Vollalter Christi” (Eph 4,13). Im mystischen Leib Christi werden die echten menschlichen Reichtümer gereinigt, gefestigt und vereint. Es kann daher keine wahre Verkündigung Christi geben, die nicht zugleich eine Einladung zur Gemeinschaft mit der Kirche wäre. „Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus” (.1 Joh 1,3). Auf dieser Linie bewegt sich eure Arbeit, für die ich euch einen glücklichen Ausgang wünsche, unter dem mütterlichen Blick Marias, die uns auf dem „Pilgerweg” des Glaubens vorangeht und als Vorbild der bedingungslosen Bejahung des Planes Gottes vor Augen steht. Mit diesen Gedanken erteile ich Ihnen, Herr Kardinal, Ihren Mitarbeitern und allen Teilnehmern an der Sitzung des Internationalen Rates für die Katechese den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 21. September 1994 Joannes Paulus PP. II Soziale Gerechtigkeit ist Voraussetzung für den Frieden Ansprache an die Begründer und Mitglieder der Stiftung „Centesimus Annus - Pro 3ontifice” am 24. September l. Ich danke Ihnen, Herr Kardinal, für die hebenswürdigen Worte, mit denen Sie die Empfindungen der Begründer und der Mitglieder der Stiftung „Centesimus Annus -Jro Pontifice” zum Ausdruck gebracht haben. An jeden von ihnen und an ihre Angehörigen, die sie begleiten, richte ich einen herzlichen Gruß: Eure Anwesenheit, neine Lieben, ist für mich ein Grund zur Freude. I. Zu besonderem Trost gereicht mir euer treues Stehen zu meinem Einsatz für den Frieden. Ja, der Friede ist ein erstrangiges Anliegen des Papstes: Weil Gott sich mit lern Namen „Vater” anrufen läßt, weil Christus, der „Friedensfürst”, dem Liebes-;ebot neue Dimensionen gegeben und uns jenen Frieden hinterlassen hat, den die Veit nicht geben kann, und weil der Friede, zusammen mit der Liebe und der müde, zu den kostbarsten Früchten des Heiligen Geistes gehört, der die Liebe Tottes in unsere Herzen ausgießt (Gal 5,22). ch weiß, daß ich mit diesem Wirken im Dienst des Friedens den Willen Gottes er-ülle, der die Liebe ist, und in jedem Augenblick fühle ich mich getragen, ja ich nöchte sagen, wie gedrängt, von dem tiefen Verlangen und dem inständigen Gebet ler ganzen Kirche. Darum sage ich euch heute meinen tiefempfundenen Dank für ■ure Unterstützung. 699 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Wie Kardinal Castillo Lara schon angedeutet hat, gehört die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit zu den unabdingbaren Voraussetzungen, um einen echten und dauerhaften Frieden herzustellen. In den augenblicklichen Bestrebungen nach einer „weltweiten Wirtschaft”, auf die auch die Enzyklika Centesimus minus hinweist (vgl. Nr. 58), zeigt es sich in der Tat immer deutlicher, daß es nur dann Frieden geben kann, wenn sich mit dem wirtschaftlichen Fortschritt auch die integrale Entwicklung des Menschen und soziale Solidarität verbinden. Zu den Zielen, die die Stiftung „Centesimus Annus - Pro Pontifice” kennzeichnen, gehören auch die Kenntnis, die Verbreitung und die Verwirklichung der Soziallehre der Kirche. Darum möchte ich euch ganz spontan ermutigen, im Interesse der guter Auswirkungen, die sich für das höchste Gut des Friedens daraus ergeben können, euch mit erneutem Schwung für die in eurem Statut festgelegten Ziele einzusetzen. Was die Stiftung ihren Zielsetzungen entsprechend in sehr schwierigen wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen zu tun vermag, ist lobenswert. Ich freue mich, daß neue Initiativen entwickelt werden, um mehr Förderer zu gewinnen und der Wirkungsbereich der Stiftung zu erweitern und noch intensiver zu gestalten. 4. In Italien, in jeder italienischen Region, gibt es viele moralisch gesunde Unter-nehmungs- und Finanzkräfte, reich an Kreativität und voll Verlangen, sich ihrer besten Leistungskraft entsprechend darstellen zu können, und zwar nicht nur, um einer berechtigten Gewinn zu erwirtschaften, sondern auch, um ihre Talente gebührenc fruchtbar zu machen und die solidarische Beteiligung auszuweiten. Für diese könnte eure Stiftung passend Raum bieten zur Reflexion und zum Erarbei ten von Ideen und Vorschlägen. Einer in eurem Statut gut charakterisierten Zielsetzung gemäß will die Stiftung unte anderem entsprechende „Initiativen begünstigen, um die Präsenz und das Wirker der Kirche in den verschiedenen Bereichen der heutigen Gesellschaft zu entfalten’ (Art. 3,b). Diese Festlegung öffnet ein weites Feld, eure anerkannte Erfahrung unc eure erfinderischen Fähigkeiten fruchtbar zu machen, und sie wird nicht nur inner halb der Grenzen Italiens Anwendung finden können, sondern auch in anderen Län dem, in denen noch mehr Not herrscht, angefangen bei denen, die von unselige! Kriegen betroffen sind - sobald Friedensbedingungen es dort erlauben. Schließlich möchte ich noch meine Dankbarkeit für die Gelder zum Ausdruck brin gen, die die Stiftung 1993, im ersten Jahr ihres Wirkens, zusammengebracht um dem Hl. Stuhl zur Verfügung gestellt hat. Sie bilden ein ansehnliches Zeugnis eure Großmut. Ihr wißt ja, daß in den Augen des Herrn nichts von dem verlorengeht, wa ihr zum Unterhalt der Kirche gebt. 6. In eurem Einsatz zugunsten der Stiftung „Centesimus Annus - Pro Pontifice” wi auch in euren täglichen Aufgaben begleite euch der Apostolische Segen, den ic euch erteile und den ich gern auch auf eure Lieben, eure Mitarbeiter und alle eur Angestellten ausweite. 700 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Friede ist keine Utopie - Krieg ist nicht zu rechtfertigen Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden am 29. September Meine Herren Kardinäle, hebe Brüder im Bischofsamt, hebe Freunde! 1. Ich bin glücklich über die Begegnung mit euch bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, deren Studienthema lautet: „Die Kirche angesichts der großen derzeitigen Wandlungen in der Welt.” Ich danke Herrn Kardinal Etchegaray für die Vorstellung eurer Arbeiten und grüße herzlich die Mitglieder des Rates, die aus allen Teilen der Welt gekommen sind, wie auch die Mitarbeiter des Dikasteriums. Diese Audienz gestattet mir, euch persönlich meinen Dank für die Arbeit auszusprechen, die ihr hochherzig bei den zahlreichen Initiativen des Apostohschen Stuhles leistet, der den Menschen helfen möchte, sich im Geist der Seligpreisung des Evangeliums als „Friedensstifter” (Mt 5,9) zu verhalten. Erst vor wenigen Wochen, als ich den Besuch in Sarajevo vorgesehen hatte und den anderen in Zagreb abstattete, hat das Evangelium des Friedens ein inständiges Gebet und einen dringenden Appell zum Verzeihen angeregt. Das Bemühen um den Frieden muß im Rahmen der pasto-ralen Sendung der Kirche für alle Gläubigen zu einem immer konkreteren Engagement führen. 2. Mit Recht hat sich eure Reflexion mit den hauptsächlichen in Gang befindlichen Wandlungen in der Welt beschäftigt. Paradoxerweise hat das Ende des zweipohgen Systems, von dem ich in der Enzyklika Centesimus annus gesprochen habe, statt len Eintritt in eine Ära des Friedens zu fördern, zu einer tiefreichenden Wandlung ier Gleichgewichte in der Welt geführt. Dies aber erzeugt ein Empfinden der Instabilität und der Unsicherheit, das zuweilen ioweit geht, daß es ein gewisses Bedauern im Rückblick auf das aufkommen läßt, vas man mit Grund das Gleichgewicht des Schreckens nennen konnte. Angesichts iieser neuen und beunruhigenden Lage dürfen wir aber nicht verzweifeln noch auf len Einsatz verzichten. Im Gegenteil, die christliche Hoffnung fordert zum Mut auf: Han muß die Weltlage in der Überzeugung prüfen, daß es möglich ist, zu einer ichten Entwicklung und zu einem dauerhaften Frieden in Achtung vor dem Men-;chen und der Schöpfung zu kommen. Die ganze Kirche ist zur Hoffnung und zum /ertrauen aufgerufen, um auf diesem Gebiet zu arbeiten. In diesem Geiste habe ich n Zagreb die christliche Überzeugung ausgesprochen, daß der Friede keine Utopie st, sondern daß dieser möglich ist, wenn man ihn wirklich will, während der Krieg eglicher Rechtfertigung entbehrt. !. Unser Blick auf die historische Stunde, der von der christlichen Hoffnung ge-chärft wird, läßt uns einen der charakteristischsten Aspekte der derzeitigen Wandungen aufgreifen: Ich denke an die Ansprüche derer, die die Marktwirtschaft anre- 701 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen in dem Wunsch, ihre Aktionsfreiheit auszuweiten. In den Theorien und in der Praxis der liberalen Wirtschaft laufen die Forderungen nach Gerechtigkeit, Angemessenheit und Solidarität Gefahr, als widersprüchlich zum Streben nach Effizienz zu erscheinen. Doch das Lehramt der Kirche hat von Rerum novarum bis zu Cente-simus annus in seiner abgewogenen Kritik des Kapitalismus die angebliche Vernunftgemäßheit dieser Theorien immer abgelehnt. Es lehrt vielmehr, daß die Achtung vor den moralischen Verpflichtungen die Effizienz nicht behindert, sondern sie tatsächlich fördert. Auf wirtschaftlichem Gebiet muß man die Rolle des Staates gut bestimmen: Es kommt ihm zu, die wirtschaftliche Freiheit zu garantieren, zugleich aber die Ausübung dieser Freiheit in Achtung vor dem Gemeinwohl sicherzustellen. Im übriger können wir mit Genugtuung feststellen, daß die Soziallehre der Kirche mehr unc mehr die Aufmerksamkeit zahlreicher Wirtschaftsexperten und vieler im wirtschaftlichen und politischen Leben Verantwortlichen findet. Der Heilige Stuhl wird seinen eigenen Beitrag zu diesen wichtigen Themen auf de: Weltkonferenz für soziale Entwicklung vorlegen, die von den Vereinten Nationei für das kommende Jahr vorgesehen ist. Diese Konferenz muß die Bemühungen dei Nationen sowie der internationalen Gemeinschaft ermuntern, eine wirtschaftlichr Ordnung zu stützen, die fähig ist, die Beteiligung aller zumal durch die Arbeit zi fördern. Sie muß neue Wege aufzeigen, um das Auseinanderfallen der Gesellschaf zu vermeiden, die Armut auszumerzen und den sozialen Schutz, zumal für die an meisten Schutzlosen, zu sichern. Investieren für menschliche Entwicklung, sie allei in Würde und Sicherheit zugänglich machen, dies sind die prioritären Ziele für di< Wirtschaftspolitik der Nationen. 4. Die Ausgewogenheit, welche die Lehre der Kirche auf wirtschaftlichem und so zialem Gebiet kennzeichnet, gestattet auch einen nützlichen Beitrag zur Lösung de großen Schwierigkeiten, die aus dem besorgniserregenden Gegensatz zwischen In ternationalisierung und weltweiter Betrachtung der Probleme einerseits und von Na tionalismus und Regionalismus gestellten Ansprüchen andererseits entstehen. Aue) hier geht es darum, ein Verhältnis der Gegenseitigkeit zwischen den verschiedene: Wirklichkeiten einzuleiten. Die Soziallehre der Kirche erkennt den Wert der Zuge hörigkeit zu einer Nation an (vgl. Centesimus annus, Nr. 50); sie hat aber imme klar den Gesichtspunkt derer abgelehnt, die daraus einen natürlichen Faktor de Konkurrenz und des Gegensatzes machen. Es gilt vielmehr dahin zu wirken, daß i der Kultur der Nationen und Regierungen sich der Sinn für die internationale Ge meinschaft in einem Geist der Solidarität entwickelt (vgl. Sollicitudo rei socialü Nm. 39-40). Ziel der Nationen und Staaten darf nicht sein, sich der internationale Gemeinschaft einzig zu bedienen, um die eigene Macht und den eigenen Wohlstan zu vermehren; eingeschlossen sein müßten im Gegenteil die Dienste, die man der Ganzen der menschlichen Gemeinschaft mit den verfügbaren Mitteln leisten kam In dieser in unseren Augen so wichtigen Hinsicht sind die Christen aufgerufen, kor 702 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sequent und weitblickend zu arbeiten, indem sie sich von der Soziallehre der Kirche in der Theorie ebenso wie in der Praxis inspirieren lassen. 5. Angesichts der komplexen Probleme unserer Zeit müssen die Christen von der Hoffnung Rechenschaft geben, die ihnen eigen ist (vgl. 1 Petr 3,15). Sie sind sich des universalen Wertes ihres Glaubens bewußt, der sich auf alle Bereiche des Daseins auswirkt. Christus, unser Heil, hat uns über den Sinn des menschlichen Lebens und das Schicksal der Welt belehrt; er macht uns frei zur Bewältigung der vielfältigen Aufgaben, die uns die tiefreichenden derzeitigen für viele unserer Brüder und Schwestern geradezu dramatischen Umwälzungen stellen. Die Soziallehre der Kirche läßt sich vom Evangelium inspirieren und ist daher für die Christen unserer Zeit das geeignete Werkzeug, um sich an diesen Aufgaben zu messen in dem Bewußtsein des Reichtums und der unaufgebbaren Originalität ihres Erbes, als Verteidiger einer Auffassung vom Menschen und von der Geschichte, die mit ihrem Glauben übereinstimmt. Es ist die Aufgabe des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, eine erhebliche Bildungsarbeit zu leisten, damit die Christen ihrem sozialen und politischen Engagement eine geistliche und kulturelle Qualität geben können, die den Erfordernissen unserer Zeit entspricht. Ich möchte hier den Verantwortlichen des Rates, seinen Mitgliedern und allen Mitarbeitern für die fachkundigen Dienste danken, die sie dem Heiligen Stuhl und der ganzen Kirche hochherzig leisten. Allen erteile ich gern den Apostolischen Segen. Mut zum weiteren Friedensprozeß im Mittleren Osten Ansprache an den ersten Botschafter von Israel beim Hl. Stuhl, Shmuel Hadas, bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens am 29. September Herr Botschafter! 1. Mit lebhafter Genugtuung empfange ich Eure Exzellenz als ersten außerordentlichen bevollmächtigten Botschafter des Staates Israel beim Hl. Stuhl zur Überreichung des Beglaubigungsschreibens. Die Bedeutung dieses Zeremoniells wird von dien anerkannt, denn damit sind ja die kürzlich aufgenommenen diplomatischen Beziehungen in Anwendung der grundlegenden Abmachung, die am 30. Dezember 1993 in Jerusalem unterzeichnet wurde, durch die Anwesenheit eines Missionschefs m höchsten Rang wirksam geworden. ln der Vergangenheit hatte ich - gern rufe ich es heute in Erinnerung - Gelegenheit, nehrfach hohe Persönlichkeiten des Staates Israel hier zu empfangen, wie meine Vorgänger es ebenfalls getan haben. Diese Kontakte haben es erlaubt, bei aller Be-■ücksichtigung der unterschiedlichen Gesichtspunkte zu bestimmten Themen, den rrganischen Dialog einzuleiten, der vor mehr als zwei Jahren der ständigen bilatera-en Arbeitskommission anvertraut wurde. Ich möchte den Mitgliedern dieser Kom- 703 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mission meine Dankbarkeit aussprechen; von beiden Seiten haben sie sich fachkundig dem vertieften Meinungsaustausch gewidmet, der zur Unterzeichnung der grundlegenden Abmachung geführt und eine neue Ära in unseren Beziehungen herbeigeführt hat. 2. Herr Botschafter, ich danke Ihnen für die Worte, die Sie eben an mich gerichtet haben und die ich sehr schätze. Es ist wahr, wie Sie betonen, daß die diplomatischen Beziehungen kein Ziel in sich selbst darstellen, vielmehr einen Ausgangspunkt für eine spezifische Zusammenarbeit bilden unter Berücksichtigung der besonderen Natur des Hl. Stuhls und des Staates Israel. Das Studium verschiedene] bilateraler Fragen geht weiter, wie es die Abmachung vom letzten 30. Dezembei durch die Bildung von zwei Unterkommissionen verfugt hat, die gemeinsames Vorgehen auf dem Weg einer Zusammenarbeit auf soliden Grundlagen gestatten sollten. Im übrigen betrifft die Zusammenarbeit nicht nur den Hl. Stuhl und den Staat Israel zu ihr gehört ebenfalls ein Vertrauensverhältnis zwischen den israelischen Autoritä ten und den verschiedenen Institutionen der kathoüschen Kirche auf dem Boden de; Heiligen Landes. 3. Sie haben gesagt, über zweiseitige Verhandlungen hinaus müssen der Hl. Stuh und der Staat Israel, jeder nach seiner Zuständigkeit und den ihm eigenen Aktions möglichkeiten, die wesentlichen Grundsätze fördern, an die sie ihre grundlegend] Abmachung erinnert. Sie werden an erster Stelle an der Achtung des Rechtes au Religions- und Gewissensfreiheit als unerläßlicher Vorbedingung für die Achtun! der Würde eines jeden Menschen festhalten. Sie arbeiten zusammen, um sich jede Form der Intoleranz zu widersetzen, in welcher Form auch immer sie zum Ausdrucl kommt. Ganz besonders werden sie sich wachsam jeder Form des Antisemitismu widersetzen in dem Wissen, daß man noch kürzlich seine bedauerlichen Äußerun gen feststellen mußte. 4. In vielen Teilen der Welt bilden leider gewaltsame Konflikte noch immer da mörderische Schicksal zahlreicher Völker. Der Hl. Stuhl läßt es im Hinblick au seine spezifische Sendung nicht an Bemühungen fehlen, damit Gegensätze ode Empfindlichkeiten, die oft lange zurückreichen, überwunden werden, um Wege zur Frieden zu öffnen. Ohne Frieden ist die integrale Entwicklung des Menschen ge hemmt und das Überleben ganzer Gruppen gefährdet, ja die Kultur und Identiti mehr als einer Nation vom Untergang bedroht. Man kann also zu dem Friedensprozeß im Mittleren Osten, den der Hl. Stuhl se langem herbeiwünscht, nur weiterhin ermutigen. Der zurückzulegende Weg bleit lang und schwierig, doch es erscheint nunmehr nicht mehr utopisch, zu sagen, da sich gegenseitiges Vertrauen zwischen den Völkern des Mittleren Orients bilde kann. Mit Genugtuung nehme ich zur Kenntnis, was bereits von Verantwortlichen i Israel und in der ganzen Region erreicht wurde, und ich rufe über sie die Hilfe de Allmächtigen herab, damit es ihnen gegeben sei, mit dem Mut zum Frieden ihr Bemühungen weiterzuführen. 704 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Herr Botschafter, Sie haben auch den Wunsch ausgesprochen, daß die kulturellen Institutionen Ihres Staates ihre Zusammenarbeit mit den kulturellen Institutionen der katholischen Kirche verstärken. Ich greife diese Vorschläge um so lieber auf, als der Austausch auf Universitätsebene, der bei verschiedenen Gelegenheiten bereits gepflegt wurde, mir ganz und gar wünschenswert erscheint. Das gilt allgemein, denn das intellektuelle Leben wird natürlich davon Vorteil haben. Es ist besonders angebracht, insofern uns ein wichtiger Teil unserer kulturellen Wurzeln gemeinsam ist, angefangen bei den Schriften der Bibel, des Buchs der Bücher, der allzeit lebendigen Quelle. Für Juden und Mitgüeder der Kirche empfängt die Auffassung vom Menschen, von seiner geistig-geistlichen Berufung und seiner Moral, aus den heiligen Büchern eine einzigartige Erhellung. Es kann nur für beide Teile nützlich sein, ihr gemeinsames Wissen auszutauschen, um das Verständnis der Schriften zu vertiefen und die Kulturen und den historischen Rahmen, wo sie sich im Verlauf vieler Jahrhunderte entfaltet haben, besser kennenzulemen, zumal durch den Rückgriff auf die Archäologie, die Philologie und das Studium der überlieferten Glaubenslehre und Spiritualität. 6. Der besondere Charakter der Beziehungen zwischen dem Staat Israel und dem Hl. Stuhl ergibt sich klar aus dem einmaligen Charakter dieses Landes, auf das sich die Bücke der Mehrheit aller Gläubigen richten, der Juden, Christen und Muslime in aller Welt. Dieses Land wurde heilig durch die Offenbarung des einzigen Gottes an die Menschen; es ist für immer davon geprägt und hört nicht auf, ein Ort der Anregung für jene zu sein, die als Pilger dorthin kommen können. Ganz besonders wenden sich die Gläubigen der großen monotheistischen Reügionen der Heiligen Stadt Jerusalem zu, von der wir wissen, daß sie noch heute Schauplatz von Spaltungen und Konflikten ist, die aber ein „geheiligtes Erbe für alle jene bleibt, die an Gott glauben” (.Apostolisches Schreiben über Jerusalem, 20. April 1984), und, wie es schon ihr wunderbarer Name sagt, ein Treffpunkt und Symbol des Friedens. Es ist im übrigen zu wünschen, daß der einmalige und heiüge Charakter dieser Heiligen Stadt Gegenstand internationaler Garantien wird, die auch den Zugang für alle Glaubenden sichern. Wie ich früher zu schreiben Gelegenheit hatte, „träume ich von lern Tag, an dem Juden, Christen und Muslime einander in Jerusalem mit dem Frie-iensgruß begrüßen” (ebd..). /. Herr Botschafter, Sie selbst haben betont, daß die heutige Zeremonie über ge-vöhnliche diplomatische Abmachungen hinaus von historischer Bedeutung ist. Es :röffnct sich tatsächüch eine neue Ära in den Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl md dem Staat Israel durch einen ständigen Dialog und eine aktive Zusammenarbeit luf den Gebieten, die ich eben genannt habe. All das wird dazu beitragen, den Dia-og zwischen der kathoüschen Kirche und dem jüdischen Volk Israels und der gan-:en Welt zu verstärken. Das gegenseitige Verständnis hat bereits wichtige Fort-chritte gemacht, vor allem durch den Antrieb des II. Vatikanischen Konzils Erklärung Nostra aetate). Ich wünsche sehr, daß dieser jüdisch-christliche Aus- 705 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tausch weitergehe und sich vertiefe und daß er beiden Teilen gestatte, den großen Anhegen der Menschheit noch besser zu dienen. 8. Exzellenz, Sie haben sich zum Sprecher gemacht, um die Empfindungen und Wünsche des Staatspräsidenten von Israel und der Regierung des Landes bei einer so sinnreichen Begegnung zu übermitteln. Ich bitte Sie, den hohen Autoritäten des Staates Israel den Ausdruck meiner Dankbarkeit für ihre Botschaft und meine aufrichtigen Wünsche für die Erfüllung ihrer Aufgaben im Dienst der Eintracht und des Friedens auszusprechen, den alle ihre Mitbürger herbeisehnen. Ihnen selbst, Exzellenz, spreche ich ebenfalls meine besten Wünsche für die glückliche Erfüllung Ihrer Mission und Ihres Aufenthaltes in der Stadt Rom aus. Sie können sicher sein, daß meine Mitarbeiter Sie immer gerne empfangen und Ihnen die Hilfe bieten werden, die Sie brauchen. Indem ich den Allerhöchsten preise, der diese historische Begegnung geschehen Heß, bitte ich ihn, Ihnen wie auch Ihren Angehörigen und allen Ihren Landsleuten die Fülle seiner Gaben zu schenken. Aus dem Vatikan, am 29. September 1994 Freundschaft zwischen Christen und Juden Ansprache an eine Delegation der „Anti-Defamation League of B’nai B’rith” [Anti-Diffamierungs-Liga der internationalen jüdischen Organisation B’nai B’rith] am 29. September Liebe Freunde! Mit großer Freude heiße ich die Vertreter der Anti-Diffamierungs-Liga der internationalen jüdischen Organisation B’nai B’rith willkommen und begrüße sie herzlich. In Ihren zuvorkommenden Worten, Herr Präsident, haben Sie von der Freundschaf und ihrer verbindenden Kraft in unserem Leben gesprochen. Freundschaft ist eil großes Geschenk Gottes und ein Segen für alle, die sie erfahren dürfen. Echte Freundschaft hat die Kraft, unzerstörbare Brücken zu bauen, vielen Übeln standzu halten und alle Arten von Schwierigkeiten zu überwinden. Zugleich ist sie für die jenigen, welche Freunde sein wollen, eine ständige Herausforderung. Diese Überzeugung hegt den folgenden Worten zugrunde, die ich zum fünfzigstel Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto schrieb: „Als Christen und Judei sind wir nach dem Beispiel des Glaubens Abrahams berufen, ein Segen für die Wel zu sein (vgl. Gen 12,2 f)- Das ist die gemeinsame Aufgabe, die auf uns wartet. Des halb ist es für uns, Christen und Juden, notwendig, zuerst ein Segen füreinander zi sein. Dies wird tatsächlich geschehen, wenn wir einig sind angesichts der geradi heute drohenden Übel: Gleichgültigkeit und Voreingenommenheit ebenso wie da 706 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufleben von Antisemitismus” (Botschaft an die Koordinierungskommission jüdischer Vereinigungeti in Polen, 6. April 1993; in: O.R. dt. v. 23.4.1993, S. 3). Waren es denn nicht die Bande der Freundschaft, die in jenen schrecklichen Tagen den Christen, die ihren jüdischen Brüdern und Schwestern geholfen haben -manchmal sogar um den Preis ihres eigenen Lebens -, in vielen Fällen Mut einflöß-ten? In der Tat hebt niemand stärker als der, welcher sein Leben für die Brüder hingibt (vgl. Joh 15,13). Freundschaft wirkt der Ausgrenzung entgegen und läßt die Menschen angesichts von Gefahr zusammenstehen. Möge unsere Freundschaft, gestärkt durch unsere Achtung vor der göttlichen Vorsehung, uns für das Wohl der ganzen Welt immer näher zusammenführen. Gemeinsam flir den Frieden in Sarajevo beten Grußwort vor dem Rosenkranzgebet am 1. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! Ich danke euch für eure Anwesenheit heute abend beim Rosenkranzgebet. Durch einen glücklichen Zufall ist heute der erste Tag im Oktobermonat, der der Mission und auch dem Rosenkranzgebet gewidmet wird. Deshalb rufe ich euch Anwesende und alle Gläubigen - ich denke besonders an die Familien - auf, diese Form der Marienverehrung wiederzuentdecken, die uns die Geheimnisse des Lebens Christi mit dem Herzen Marias betrachten läßt. Heute möchte ich euch zwei besondere Meinungen vorlegen. Wir beten vor allem um einen fruchtbaren Verlauf der Versammlung der Bischofssynode, die morgen eröffnet wird und unter dem Thema „Das gottgeweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt” steht. Das andere Anhegen ist der Frieden in Sarajevo und in ganz Bosnien und Herzegowina. Ich möchte die Gläubigen und die christlichen Gemeinschaften der ganzen Welt einladen, sich geistig mit den Gläubigen von Sarajevo zu vereinen, die, wie Erzbischof Vinko Puljic erklärte, während des Oktobermonats inständig zur Rosen-kranzkönigin beten werden, damit sie von Gott das Geschenk der Versöhnung und des Friedens für ihre Stadt und für die gesamte Balkanregion erlangen. Nach dem Rosenkranzgebet sagte der Papst: Ich danke für eure Teilnahme am ersten Tag des Rosenkranzmonats und wünsche allen einen guten Sonntag und auch eine eifrige Weiterführung des Gebets in diesem Oktobermonat, dem Rosenkranzmonat. Im vergangenen Monat haben wir in Castel Gandolfo begonnen uns auf Sarajevo und dann auf Zagreb vorzubereiten. Jetzt im Oktober bereiten wir uns auf die Bischofssynode vor, die den gottgeweihten Personen und den Ordensgemeinschaften der ganzen Kirche gewidmet ist. Es ist eine sehr bedeutsame Synode. 707 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich wünsche euch einen guten Sonntag. Ich danke den Bischöfen und allen Teilnehmern - bis zu den allerjüngsten, die hier vom stehen. Gelobt sei Jesus Christus! Gottgeweihtes Lehen in Kirche und Welt Predigt bei der feierlichen Eröffnung der Bischofssynode am 2. Oktober 1. folge mir nach!” (Mk 10,21). Heute kommen wir wieder auf die so eindrückliche Perikope aus dem Evangelium zurück: auf den Dialog Christi mit dem jungen Mann. Es handelt sich um einen einfachen und dennoch bedeutungsvollen Abschnitt, der es verdient, näher betrachtet zu werden. In meinem Schreiben an die Jugendlichen in der Welt zum Internationalen Jahr der Jugend, 1985, hatte ich schon Gelegenheit, ihn ausführlich zu erläutern. Und auch die letzte Enzyklika, Veritatis splendor, bezieht sich auf diesen Evangeliumstext (vgl. Nm. 6-22). Heute, zu Beginn der Bischofssynode, die dem gottgeweihten Leben und der Stellung der Ordensinstitute in der Kirche gewidmet ist, hören wir erneut die Aufforderung Christi. Jeder von uns, verehrte liebe Brüder und Schwestern, hat in einerr bestimmten Augenblick des Lebens genau diese Aufforderung gehört: „... folge mii nach!” Und diese Aufforderung hatte eine ganz besondere Kraft in sich: die Gnade der Berufung. Die Kraft ging von Ihm aus, der sprach. Der Meister selbst sprach mii uns durch den Heiligen Geist: durch den Geist der Wahrheit, den Geist der Berufungen. 2. Schon seit langer Zeit bereiten wir uns auf diese Synode vor, die zum Thema hat „Das gottgeweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt.” Es erinnert unj daran, daß die Ordensgemeinschaften zu einem Einsatz für die Vollkommenhei aufgemfen sind, wie Christus ihn in dem Gespräch mit dem jungen Mann klar ausgesprochen hat: „Wenn du vollkommen sein willst...” (Mt 19,21). Im Laufe der Jahrhunderte hat die Tradition der Kirche diesen Worten dann in de: Lehre und in der Praxis Ausdruck verliehen. Der Zustand der Vollkommenheit is nicht nur Theorie. Er ist Leben. Und gerade das Leben hat die Wahrhaftigkeit de: Worte Christi bestätigt: Sind nicht die meisten kanonisierten Heiligen Mitgliede von Orden und religiösen Kongregationen? Man könnte sagen, daß der Horizont des Reiches Gottes sich auf einzigartige Weisi in den Berufungen zum gottgeweihten Leben gezeigt hat und weiterhin zeigt. Ha nicht in den letzten Jahren eine wunderbare Blüte der Säkularinstitute und Gemein schäften des apostolischen Lebens, die in der Kirche so viel Gutes tun, stattgefun den? Außerdem können wir heute das Entstehen neuer Formen der Gottweihe vo allem in kirchlichen Bewegungen und Vereinigungen beobachten, welche auf ein der heutigen Kultur angemessene Weise das traditionelle Anliegen des Ordensle 708 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bens - Kontemplation des Geheimnisses Gottes und Sendungsauftrag an den Brüdern - ausdrücken wollen. Die Synode, die sich mit dem gottgeweihten Leben befaßt, muß deshalb für alle Söhne und Töchter der Kirche eine ganz besondere Bedeutung haben, die deren Arbeit gewiß durch ihr Gebet unterstützen werden. 3. Es ist bedeutungsvoll, daß in der Reihe der Synoden nach dem letzten Konzil, welche die verschiedenen Aspekte der Konzilslehre über die Kirche zum Thema hatten, die den Ordensinstituten gewidmete Synode erst jetzt stattfindet, d. h. nach den Synoden über die christliche Familie (1980: Familiaris consortiö), über das Leben der Laien (1987: Christifideles laici), über das Priesteramt in der Kirche (1990: Pastores dabo vobis). Man könnte fast sagen, daß der Weg, um vom Zweiten Vatikanum zu diesem Thema zu kommen, länger war. Es ist langsamer gereift in der Kirche und in der theologischen Reflexion. Jetzt - und das hoffen wir von ganzem Herzen - ist der Moment gekommen, um darüber zu sprechen: Es ist der „Kairos” gekommen, die uns vom Herrn gebotene günstige Gelegenheit, um die schon in den Konzilstexten enthaltenen Themen und Ausblicke zu vertiefen. Die Mitglieder der Ordensgemeinschaften und der Institute des gottgeweihten Lebens sollen sich nach dem Beispiel der Urkirche (vgl. Apg 2,42) mit neuer Energie dafür einsetzen, ein Herz und eine Seele zu sein, und dazu ihre Kraft aus der Lehre des Evangeliums, aus der heiligen Liturgie und vor allem aus der Eucharistie schöpfen und im Gebet und in der Gemeinschaft des Geistes verharren (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 15). 4. „Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben” (Mk 10,21). Wenn wir die Texte der heutigen Liturgie, vor allem aber die Perikope aus dem Evangelium, aufmerksam lesen, können wir zu dem Ergebnis kommen, daß dort gewissermaßen der erste Entwurf des Instrumentum laboris dieser Synodenversammlung enthalten ist. Das Gespräch Christi mit dem jungen Mann hebt den Sinn und den Wert der im Evangelium geforderten Armut hervor. Es erhellt auch, warum man „nicht heiratet um des Himmelreichs willen”, wie im Evangelium nach Matthäus (vgl. 19,12) gesagt wird, und läßt uns auch schon die Bedeutung des Gehorsams erfassen, der den Menschen demjenigen ähnlich macht, der „gehorsam war bis zum Tod” (Phil 2,8). 5. „Wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt” {Mk 10,28), sagt Petras. Diese Worte werden von der Kirche vor allem an euch gerichtet, liebe Brüder und Schwestern. Auch wenn sich das Gespräch mit dem jungen Mann und die Worte des Petras nur auf die Männer beziehen, so darf man jedoch keineswegs vergessen, wie alt in der Heiligen Schrift die Tradition des Bildes der „Braut” und der „bräutlichen Liebe” ist (vgl. Hos 2,16-25; Ps 44/45,11-18; Apg 21,1-27). Viele Frauen haben durch die rahrhunderte und Generationen hindurch ihre „Rolle” in der kontemplativen und apostolischen Berufung der Weihe an Gott entdeckt, angefangen bei derjenigen, die, 709 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN da Sie Allerheilig ist, in einem gewissen Sinne zum „Typus”, zum Modell der Kirche wurde. Deshalb soll man die Synodenthematik vom 8. Kapitel von Lumen Gentium aus lesen und dabei berücksichtigen, was ich in Mulieris dignitatem, 1988 anläßlich des marianischen Jahres veröffentlicht, versuchte, auszudrücken. 6. „Denn lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; ... es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens” {Hebr 4,12). So ist das Wort des lebendigen Gottes. Die Arbeiten der Synode sollen sich als eine einzigartige Mitarbeiterweisen. Schon seit dem ersten Tag beten wir, damit alles, was die Synode sagen wird, „kraftvoll” sei, das heißt so, daß sie „über die Regungen und Gedanken des Herzens richte”. Wir beten, daß während unserer ganzen Synodenversammlung alles das stattfinden wird: Wir beten für die Bischöfe, die mit dem Bischof von Rom die „kanonischen” Hauptpersonen der Synode darstellen. Außerdem rufen wir den Heiligen Geist auf diejenigen herab, die in dieser Versammlung direkt das gottgeweihte Leben von Männern und Frauen darstellen, damit sie, wie für sie typisch ist, an jenem Worl Gottes, das „lebendig” ist, teilnehmen. Und warum ist es auch „schärfer als jedes zweischneidige Schwert”? Die Liebe lebl immer von Wahrhaftigkeit. 7. „Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz’ (Ps 89/90,12). So betet der Psalmist. Und seine Worte halten mit dem ersten Brief Schritt: „Dahei betete ich, und es wurde mir Klugheit gegeben; ich flehte, und der Geist der Weisheit kam zu mir ... Zugleich mit ihr kam alles Gute zu mir; unzählbare Reichtüme: waren in ihren Händen” (Weish 7,7.11). Ja, verehrte liebe Brüder und Schwestern! Während dieses Monats wird die Synodf eure Berufung sein. Sie bringt dem ganzen Volk Gottes alles Gute und der Kirchf einen besonderen Reichtum in allen seinen Bestandteilen. 8. Wie kann man nicht berücksichtigen, daß die Synode für das gottgeweihte Lebei in der Kirche im „Jahr der Familie” stattfmdet? In einer Woche werden sich hier ii Rom die Familien der ganzen Welt treffen, um ihre Präsenz und ihre Sendung in de Kirche zu „feiern”. Der Konzil spricht über die Berufung der Eheleute, wie wenn sii eine spezifische „Weihe” wäre. Ist in diesem Zufall nicht etwas von der Vorsehung Gewolltes? Gibt er uns nicht di Gelegenheit, das Geheimnis der religiösen Weihe tiefer zu verstehen, die das Vor sehen des „Gutes und des Reichtums” der Kirche ist? Der Herr will uns mit den Au gen des Glaubens zu verstehen geben, wie sich diese zwei Berufungen gegenseiti vervollständigen, damit wir Gott für die Vielfältigkeit seiner Gaben loben. Wie Ma ria mit den Worten des Magnifikats den Herrn lobte, sie, ein Geschöpf, das au 710 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wunderbare Art die Berufung der jungfräulichen Braut des Heiligen Geistes und der Mutter der Heiligen Familie in sich vereinigt: „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig” (Lk 1,49). Amen. Familie - Zentrum und Herz der Zivilisation der Liebe Ansprache bei dem Welttreffen mit den Familien am 8. Oktober 1. Liebe Familien, liebe Schwestern und Brüder, die ihr aus hundert verschiedenen Ländern zu dieser bedeutsamen Begegnung anläßlich des Jahres der Familie gekommen seid! „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater!” (Kol 1,2). Gleichsam umfangen von den weiten Armen dieser erhabenen Kolonnade, erleben wir heute abend einen intensiven Augenblick kirchlicher Gemeinschaft. Hier spüren wir noch lebendiger und stärker die Gegenwart Christi, des Bräutigams, der seiner Braut, der Kirche, immer nahe ist. Er erleuchtet euch mit seinem Licht, und er wärmt euch mit seiner Liebe. Auch für den Papst ist es ein schöner und ermutigender Augenbück! 2. Ich habe mit großer Aufmerksamkeit die Zeugnisse und Betrachtungen gehört, die zuvor dargeboten wurden. Ich danke Kardinal Lopez Trujillo für die Worte, die er an mich gerichtet hat, und für den Eifer, mit dem seine Mitarbeiter diese Feier verwirklicht haben. Ich danke euch allen für eure so lebhafte, umfassende und repräsentative Beteiligung. Diese Initiative krönt ein Jahr des besonderen Einsatzes für die Familie, ein Jahr, das leider auch gezeigt hat, wie viele Hinterhalte dem Fundament dieser Urzelle der Gesellschaft selbst gestellt werden. Ja, die Familie ist ernstlich bedroht! Und wie könnte die Kirche, die in Menschlichkeit erfahren ist und das wahre Wohl der Gesellschaft wünscht, sich nicht darum sorgen? Das Christentum hat der Familie von Anfang an besondere Aufmerksamkeit geschenkt, um sie zum ursprünglichen Plan Gottes zurückzuführen. Das Neue Testament stellt nicht nur das einzigartige und unauflösliche Wesen der Ehe heraus, sondern verleiht ihr, wenn sie zwischen Christen geschlossen wird, eine noch tiefere Bedeutung dank ihrer Erhebung zur Würde des Sakraments. So wird die Familie nicht nur Zelle der Gesellschaft, sondern der Kirche selbst, wie es die Väter bestätigen, indem sie ihr den eindrucksvollen Titel „Hauskirche” geben. Nicht zu zählen sind die Aussagen zugunsten der Familie in der Geschichte der Kirche. Sie haben sich in unserer Zeit vervielfacht, auch um der wachsenden Krise dieser Institution zu begegnen. Dem Konzil war es aufgegeben, das Erbe des ganzen raraufgegangenen Lehramtes zu sammeln und uns besonders in der Pastoralkonsti-.ution Gaudium et spes denkwürdige Seiten über das Thema „Förderung der Würde 711 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Ehe und Familie” zu hinterlassen (Teil II, Kap. I, Nm. 47-52). So begann ein neuer Zeitabschnitt kirchlicher Aussagen zu diesem Thema. Bleibendes Verdienst Pauls VI. ist es, der Kirche die Enzyklika Humanae vitae (1968) geschenkt zu haben, die damals nicht in ihrer ganzen Tragweite verstanden wurde, aber mit der Zeit ihren prophetischen Gehalt offenbart: Der große Papst zeigte darin die Leitlinien, die die Liebe der Eheleute vor der Gefahr des hedonistischen Egoismus schützen sollen, der in nicht wenigen Teilen der Welt die Lebenskraft der Familien auszulöschen droht und die Ehe beinahe sterilisiert. In seiner anderen historischen Enzyklika, Populorum progressio, machte er sich zur Stimme der Völker auf dem Weg der Entwicklung und rief die reichen Länder zu einer von wahrer Solidarität geprägten Politik auf, die weit entfernt ist von der schleichenden Form des Neokolonialismus, der Pläne des programmierten Geburtenrückgangs auferlegt. Mit der Familie befaßte sich außerdem die Bischofssynode von 1980, aus der das Apostolische Schreiben Familiaris consortio hervorging, das die Seelsorge an der Familie als vorrangige Wahl und Angelpunkt der Neuevangelisierung systematisch dargelegt hat. Mit ihr ist auch die Abfassung der Charta der Familienrechte von 1983 verbunden. Hier möchte ich auch an meine Katechesen über dieses Thema erinnern, die während einer Reihe von Mittwochsgeneralaudienzen dargelegt und in einem Band unter dem Titel „Als Mann und Frau erschuf er sie” zusammengefaßt wurden. Hinzukommen zahllose weitere Aussagen bei verschiedenen Anlässen und zuletzt der Brief an die Familien, mit dem ich an jede Haustür geklopft habe, um das „Evangelium der Familie” zu verkünden, wohl wissend, daß „die Familie der erste und der wichtigste Weg der Kirche ist” (Nr. 1). 3. Die Aufmerksamkeit für die Familie hat die Kirche in diesen Jahren gedrängt, neue Strukturen für sie zu schaffen. Am 13. Mai 1981, einem sehr bedeutsamen Datum, wurde der Päpstliche Rat für die Familie geschaffen und damit das Hochschulinstitut für das Studium über Ehe und Familie. Angetrieben, diese Einrichtungen zu fördern, wurde ich auch von den Erfahrungen, die meine Priester- und Bischofstätigkeit in Krakau gekennzeichnet haben, wo ich immer ein vorrangiges Augenmerk auf die Jugendlichen und auf die Familien legte. Gerade aus diesen Erfahrungen habe ich gelernt, daß in diesem Bereich eine eingehende geistige und theologische Ausbildung unerläßlich ist, um die ethischen Ausrichtungen angemessen entwickeln zu können, die die Bedeutung dei Körperlichkeit, den Sinn der Ehe und der Familie sowie die Frage der verantwortlichen Vater- und Mutterschaft betreffen. Wie wichtig das war, hat sich besonders in diesem Jahr 1994 gezeigt, das auf Initiative der Vereinten Nationen hin der Familie gewidmet ist. Eine bei der jüngster Konferenz in Kairo über „Bevölkerung und Entwicklung” und bei anderen Treffer in den vergangenen Monaten aufgetretene Tendenz wie auch manche in Parlamenter gemachte Versuche, den Sinn der Familie zu verdrehen, indem man sie ihres natür- 712 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen Bezugspunktes Ehe beraubt, haben gezeigt, wie notwendig die von der Kirche vollbrachten Schritte zur Unterstützung der Familie und ihrer unerläßhehen Rohe in der Gesellschaft sind. 4. Dank des untereinander abgestimmten Handelns von Bischöfen und Laien, die sich dessen bewußt waren, sind wir vielen Hindernissen und viel Unverständnis entgegengetreten, um doch dieses Zeugnis der Liebe abzulegen, das das unauflösliche Band der Solidarität bekräftigt hat, das zwischen Kirche und Familie besteht. Aber sicher erwartet uns noch eine gewaltige Aufgabe. Und ihr, hebe Familien, seid hier, auch um diese weitere Verpflichtung für dieses entscheidende Thema auf euch zu nehmen, das die wachsame und verantwortliche Beteiligung nicht nur der Christen, sondern der ganzen Gesellschaft erfordert. Denn wir sind davon überzeugt, daß die Gesellschaft ohne die Familie nicht bestehen kann aus dem einfachen Grund, weil sie selbst aus den Familien hervorgeht und Kraft aus den Familien schöpft. Gibt es angesichts des derzeitigen kulturellen und sozialen Niedergangs, während sich Plagen wie die Gewalt, die Droge, die organisierte Kriminalität ausbreiten, eine bessere Garantie zur Vorsorge und Befreiung als die geeinte, moralisch gesunde und gesellschaftlich engagierte Familie? In so gearteten Familien wird man zu den Tugenden und zu den sozialen Werten der Solidarität, Aufnahmebereitschaft, Redlichkeit und Achtung des andern und seiner Würde herangebildet. 5. Laßt mich deshalb, liebe Schwestern und Brüder, meine große Freude zum Ausdruck bringen, wenn ich sehe, daß ihr hier so zahlreich auch im Namen vieler anderer Familien in der Welt euren Willen bekräftigt, in der treuen Nachfolge Christi zu leben, auch wenn es Opfer und Verzicht kostet. Nie wurde von den Glaubenden so wie heute Heldenmut des Alltags gefordert, das heißt, in bezug auf die Mentalität der Welt gegen den Strom zu schwimmen, um in allen Bereichen das Evangelium der Hoffnung zu verkünden und zu bezeugen. Der Herr segne die Bemühungen um pastorale Erneuerung und um kulturelle und gesellschaftliche Sensibilisierung, die ihr in euren Nationen in enger Zusammenarbeit mit euren Oberhirten und in Gemeinschaft mit der Gesamtkirche unternehmt. Geht weiter auf diesem Weg. Nach dem Jahr der Erlösung (1983) und dem Marianischen Jahr (1987-1988) ist dieses Jahr der Familie gewiß eine entscheidende Etappe in der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. So Gott will, werde ich zum Abschluß dieses Jahres als eine seiner wertvollsten Früchte und als Programm für die Zukunft die angekündigte Enzyklika über das Leben veröffentlichen. Euch Familien sage ich: Habt keine Angst! Der Herr ruft euch auf, Protagonisten einer neuen Zeit der Hoffnung in der christlichen Gemeinschaft und in der Welt zu werden. „Die Familie ist das Zentrum und das Herz der Zivilisation der Liebe” (Brief an die Familien, Nr. 13). 6. Liebe Eheleute, Hebe Eltern! Die Gemeinschaft des Mannes und der Frau in der Ehe entspricht, wie ihr wißt, den besonderen Bedürfnissen der menschlichen Natur und ist zugleich ein Widerschein der göttlichen Güte, die zur Vater- und Mutter- 713 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaft wird. Die sakramentale Gnade - zuerst der Taufe und der Firmung, dann der Ehe - hat eine erfrischende und mächtige Welle übernatürlicher Liebe in eure Herzen ausgegossen. Es ist eine Liebe, die aus dem Herzen der Dreifaltigkeit kommt, deren sprechendes und lebendiges Bild die menschliche Familie ist. Diese übernatürliche Wirklichkeit hilft euch, die Freuden zu heiligen, die Schwierigkeiten und Leiden zu bewältigen und die Krisen und Augenblicke der Ermüdung zu überwinden; mit einem Wort, sie ist für euch Quelle der Heiligung und Ansporn zum Schenken. Sie wächst mit dem ständigen Gebet und vor allem mit dem Empfang der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie. 7. Mit dieser übernatürlichen Stütze gestärkt, hebe Familien, seid bereit, Zeugnis zu geben von der Hoffnung, die euch erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Euer Zeugnis sei immer das der Aufnahmebereitschaft, der Hingabe und der Hochherzigkeit. Bewahrt, schützt und fördert das Leben jeder Person, besonders das der Schwachen, Kranken oder Behinderten; zeigt Liebe zum Leben, und sät sie aus mit vollen Händen. Seid Baumeister der Kultur des Lebens und der Zivilisation der Liebe. Seid es vor allem im erzieherischen Verhältnis zu euren Kindern durch einen offenen, aufrichtigen und verständnisvollen Dialog, der ihnen hilft, ihre Verpflichtungen innerhalb der Familie und der Gesellschaft zu übernehmen. Und ihr, Jungen und Mädchen, seid euch eurer „Sendung” als Kinder bewußt: Liebt eure Eltern, gebt ihnen etwas von der Frische eurer Lebenskraft, eurer Freude und eures Enthusiasmus. 8. In der Kirche und in der Gesellschaft ist das die Stunde der Familie. Sie ist zu einer Hauptrolle beim Werk der Neuevangelisierung berufen. Aus dem Schoß von Familien, die das Gebet, das Apostolat und das kirchliche Leben pflegen, werden echte Berufe heranreifen, nicht nur für das Entstehen anderer Familien, sondern auch für das besonders geweihte Leben, dessen Schönheit und Sendung die Synodenversammlung gerade in diesen Tagen veranschaulicht. Das Konzil hat das Prinzip der universalen Berufung zur Heiligkeit hervorgehoben Die Heiligkeit gilt für alle! Heute braucht die Kirche mehr denn je heilige Laien unc heilige Familien. Sinnfälligerweise wollten wir das Jahr der Familie in Nazaret eröffnen und in dieser Monaten „zu jenem Gnadenort pilgern, der in der Geschichte der Menschheit zun Heiligtum der Heiligen Familie geworden ist” (vgl. Brief an die Familien, Nr. 23). Nazaret erinnert uns daran, daß die Heilige Familie der Anfang vieler anderer heiliger Familien ist. Der Familie von Nazaret vertraue ich erneut die Familien der ganzen Welt an. Mari; wache mit ihrem mütterlichen Blick über sie alle, damit eine Generation neuer, mi Gottes Geist ausgestatteter Familien die Ankunft der Zivilisation der Liebe be schleunige, die so notwendig und wünschenswert ist, während die Menschheit siel anschickt, die Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends zu überschreiten. 714 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Berufung der Familie: Dem Leben dienen Predigt bei der Eucharistiefeier anläßlich des Welttreffens mit den Familien am 9. Oktober 1. „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer ...!” Liebe Schwestern und Brüder! Liebe Familien, die ihr hierher gepilgert seid! Der Bischof von Rom grüßt euch heute auf dem Petersplatz anläßlich der festlichen Eucharistie, die wir feiern. Es ist die Eucharistie des Jahres der Familie. Wir vereinen uns geistig mit allen, die den Ruf dieses Jahres aufgenommen haben und heute hier mit uns im Geist anwesend sind. Mit ihnen bekennen wir unseren Glauben an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Die Liturgie des heutigen Sonntags weist in der ersten Lesung, die dem Buch Genesis entnommen ist, auf die Wahrheit über die Schöpfung hin. Sie erinnert insbesondere an die Wahrheit über die Erschaffung des Menschen „als Abbild Gottes” (vgl. 1,27). Als Mann und Frau wurde der Mensch nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen: „Als Mann und Frau schuf er sie” (vgl. ebd.). In ihnen entsteht die Gemeinschaft der menschlichen Personen. Der Mann „verläßt Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch” (vgl. Gen 2,24). In dieser Einheit schenken sie neuen Menschen das Leben: Sie werden Eltern. Sie haben teil an der Schöpfungsmacht Gottes. Alle, die durch ihre Mutter- und Vaterschaft am Schöpfungsgeheimnis teilhaben, bekennen heute ihren Glauben an: „Gott - den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer ...” Sie bekennen ihren Glauben an Gott als den Vater, denn ihm verdanken sie ihre menschliche Mutter- und Vaterschaft. Und sie überantworten sich, indem sie ihren Glauben bekennen, diesem Gott, „nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird” (Eph 3,15), in der großen Aufgabe, die sie als Eltern persönlich berührt: das Werk der Kindererziehung. „Vater sein - Mutter sein” bedeutet „verpflichtet sein zu erziehen”. Und erziehen heißt auch „zeugen”: zeugen im geistlichen Sinn. 2. „Wir glauben ... an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn ... Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.” Wir glauben an Christus, der das ewige Wort ist: „Gott von Gott, Licht vom Licht.” Er, eines Wesens mit dem Vater, ist der, in dem alles geschaffen wurde. Für uns und zu unserem Heil ist er Mensch geworden. Als Menschensohn hat er die Familie von Nazaret geheiligt, die ihn in der Nacht von Betlehem aufgenommen und vor der Grausamkeit des Herodes gerettet hatte. Diese Familie - in der Josef, der Bräutigam der reinsten Jungfrau Maria, beim Sohn die Stelle des himmlischen Vaters vertrat -ist zum Geschenk Gottes für alle Familien geworden: die Heilige Familie. 715 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir glauben an Jesus Christus, der dreißig Jahre lang im Haus von Nazaret lebte und das Familienleben heiligte. Er heiligte auch die menschliche Arbeit, indem er Josef bei der Arbeit half, die den Unterhalt für die Heilige Familie sicherte. Wir glauben an Jesus Christus, der das Sakrament „aus dem Anfang” der Ehe und der Familie bekräftigt und erneuert hat, woran uns der Abschnitt des Evangeliums erinnert, den wir gehört haben (vgl. Mk 10,2-16). Darin haben wir Christus vernommen, der in seinem Gespräch mit den Pharisäern auf den „Anfang” Bezug nimmt, als Gott „den Menschen schuf - als Mann und Frau geschaffen hat”, damit sie, indem sie „ein Fleisch werden” (vgl. Mk 10,6-8), neuen Menschen das Leben schenken. Christus sagt: „Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen” (Mk 10,8-9). Christus, der Zeugnis gibt vom Vater und seiner Liebe, errichtet die menschliche Familie auf der unauflöslichen Ehe. 3. Ich glaube - wir glauben - an Jesus Christus, der gekreuzigt, von Pontius Pilatus zum Kreuzestod verurteilt wurde. Indem er aus freiem Willen das Leiden und den Tod am Kreuz annahm, rettete er die Welt. Indem er am dritten Tag auferstand, bekräftigte er seine göttliche Macht und verkündete den Sieg des Lebens über den Tod. Auf diese Weise ist Christus in die Geschichte aller Familien eingetreten, denn ihre Berufung ist es, dem Leben zu dienen. Die Geschichte des Lebens und des Todes jedes Menschen ist in die Berufung jeder menschlichen Familie eingepflanzt, die das Leben schenkt, aber auch in ganz besonderer Weise an der Erfahrung des Todes teil hat. In dieser Erfahrung ist Christus gegenwärtig, der sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, ... wird auf ewig nicht sterben!” (.Joh 11,25-26). Wir glauben an Jesus Christus, der als Erlöser der Bräutigam der Kirche ist, wie es uns der Apostel Paulus im Brief cm die Epheser lehrt. Auf dieser bräutlichen Liebe gründet das Sakrament der Ehe und der Familie im Neuen Bund. „Wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat..., sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib” (Eph 5,25.28). In dem gleichen Geist ermuntert der Evangelist Johannes alle (insbesondere die Eheleute und die Familien) zur gegenseitigen Liebe: „Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollendet” (1 Joh 4,12). Liebe Schwestern und Brüder! Wir danken heute ganz besonders für die Liebe, die Christus uns gelehrt hat, für die Liebe, die „ausgegossen (ist) in unseren Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist”(Röm 5,5), für die Liebe, die euch im Ehesakrament gegeben wurde und seitdem nicht aufgehört hat, eure Beziehung zu nähren, indem sie euch drängt, euch einander zu schenken. Im Laufe der Jahre hal sie auch eure Kinder eingeschlossen, die euch das Geschenk des Lebens verdanken Wieviel Freude weckt in uns die Liebe, die nach dem Evangelium von heute Jesus 716 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Kindern gegenüber zeigte: „Laßt die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes” (Mk 10,14). Heute bitten wir Christus, daß alle Eltern und Erzieher in der Welt mitwirken mit dieser Liebe, mit der er die Kinder und die Jugendlichen umfängt. Er blickt in ihre Herzen mit der Liebe und Sorge eines Vaters und einer Mutter zugleich. 4. „Wir glauben an den Heiligen Geist.” Wir glauben an den Geist, den Beistand, der das Leben gibt und „der Herr ist und lebendig macht” (Dominum et vivifican-tem). Hat denn nicht er in eure Herzen die Liebe eingepflanzt, die es euch erlaubt, als Ehemann und Ehefrau, als Vater und als Mutter zusammenzuleben zum Wohl jener fundamentalen Gemeinschaft, die die Familie ist? An dem Tag, als die Brautleute einander „Treue, Liebe und Achtung für das ganze Leben” versprachen, rief die Kirche den Heiligen Geist an mit dem bewegenden Gebet: „Sende ihnen die Gnade des Heiligen Geistes, damit sie kraft deiner in ihre Herzen eingegossenen Liebe im Ehebund treu bleiben” (Rituale Romanum, Ordo celebrandi matrimonium, Nr. 74). Wahrhaftig bewegende Worte! Seht, die Menschenherzen, die, erfüllt von gegenseitiger bräutlicher Liebe, bitten, ihre Liebe möge immer „die Kraft von oben” empfangen (vgl. Apg 1,8). Nur dank dieser Kraft, die aus der Einheit der Heiligsten Dreifaltigkeit strömt, können sie eine Einheit bilden - die Einheit bis zum Tod. Nur dank des Heiligen Geistes wird ihre Liebe die Aufgaben des Ehemannes und der Ehefrau wie auch der Eltern bewältigen können. Genau diese Liebe „gießt” der Heilige Geist in die Menschenherzen ein. Es ist eine edle und reine Liebe. Es ist eine fruchtbare Liebe. Er ist eine Liebe, die das Leben schenkt. Eine wunderbare Liebe. Alles, was Paulus in seinem „Hohenlied der Liebe” zusammengefaßt hat (vgl. 1 Kor 13,1-13), bildet das Fundament des familiären Lebens. Aus diesem Grund erneuern wir heute in Anwesenheit so vieler Familien aus aller Welt unseren Glauben an den Heiligen Geist und bitten, daß in den Familien alle seine Gaben bewahrt werden: die Gabe der Weisheit und der Einsicht, die Gabe des Rates und der Erkenntnis, die Gabe der Stärke und der Frömmigkeit. Und auch die Gabe der Gottesfurcht, die „der Anfang der Weisheit” ist (Ps 111,10). 5. Schwestern und Brüder! Ihr hier versammelte Familien alle! Ihr christlichen Familien in aller Welt, baut euer Leben auf das Fundament des Sakramentes, das der Apostel „ein tiefes Geheimnis” nennt (vgl. Eph 5,32)! Seht ihr denn nicht, wie sehr ihr in das Geheimnis des lebendigen Gottes eingeschrieben seid, des Gottes, den wir in unserem Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen? „Ich glaube an den Heiligen Geist ... Ich glaube an die heilige ... Kirche”(„unam, sanctam, catholicam et apostolicam Ecclesiam”). Ihr seid „Hauskirche” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11), wie schon die Väter und Schriftsteller der ersten Jahrhunderte [ehrten. Die auf dem Fundament der Apostel gebaute Kirche hat in euch ihren Anrang: „Ecclesiola - Hauskirche.” Also ist die Kirche die Familie der Familien. Der Blaube an die Kirche stärkt unseren Glauben an die Familie. Das Geheimnis der 717 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche - dieses faszinierende Geheimnis, das in der Lehre des II. Vatikanischen Konzils so tiefreichend dargestellt wurde, findet seinen Widerschein gerade in den Familien. Liebe Schwestern und Brüder! Lebt in diesem Licht! Möge die Kirche überall auf der Welt als lebendige Einheit der Kirchen reifen: communio Ecclesiarum - auch als Einheit jener „Hauskirchen”, die ihr seid! Und wenn ihr die Worte des Credo sprecht, die sich auf die Kirche beziehen, denkt daran, daß sie euch betreffen! 6. Wir bekennen den Glauben an die Kirche, und dieser Glaube ist eng verbunden mit dem Prinzip des „neuen Lebens”, zu dem Gott uns in Christus berufen hat. Wir bekennen dieses Leben. Und indem wir es bekennen, denken wir an die vielen Taufbecken in der Welt, in denen wir zu diesem Leben wiedergeboren wurden. Und zu diesen Taufbecken habt ihr später eure Söhne und eure Töchter getragen. Wir bekennen, daß die Taufe ein Sakrament der Wiedergeburt „aus Wasser und Geist” ist (Joh 3,5). In diesem Sakrament wird uns die Erbsünde und jede andere Sünde vergeben, und wir werden Adoptivkinder Gottes nach dem Bild Christi, der allein der „eingeborene” und „ewige” Sohn des Vaters ist. Schwestern und Brüder, Familien! Wie gewaltig ist das Geheimnis, dessen ihr teilhaftig geworden seid. Wie tiei verbindet sich eure Vater- und eure Mutterschaft, hebe Väter und Mütter, durch die Kirche mit der ewigen Vaterschaft Gottes selbst! 7. Wir glauben an die heilige Kirche! Wir glauben an die Gemeinschaft der Heiligen. Wir glauben an die Vergebung der Sünden, die Auferstehung von den Toter und an das Leben der zukünftigen Welt. Ist es denn jetzt am Vorabend des dritten Jahrtausends nicht notwendig, dieses besondere Jahr, das Jahr der Familie, in einer solchen Heilsperspektive leben zu wollen? Vom Geheimnis der Erschaffung des Menschen als „communio personarum’ sind wir also zum Geheimnis der „communio sanctorum” übergegangen. Das menschliche Leben, das in Gott selbst seinen Anfang hat, findet dort sein Ziel, sein« Vollendung. Die Kirche lebt in ständiger Gemeinschaft mit allen Heiligen und Sehgen, die in Gott leben. In Gott gibt es auch die ewige „Gemeinschaft” all derer, die hier auf Erden Väter und Mütter, Söhne und Töchter waren. Sie alle sind nicht vor uns getrennt. Sie sind mit der gemeinsamen Heilsgeschichte verbunden, die durcl den Sieg über die Sünde und den Tod zum ewigen Leben führt, wo Gott „alle Trä nen von ihren Augen abwischen” wird (vgl. Offb 21,4). Wo wir ihn als Vater, Sohi und Heiligen Geist finden werden. Er seinerseits wird uns finden. Er wird in un: wohnen, denn dann wird offenbar werden, daß er - er allein, der „das Alpha une das Omega, der Erste und der Letzte” ist (Offb 22,13) - „herrscht über alles und ii allem” (1 Kor 5,28). 8. Liebe, hier versammelte Familien! Familien der ganzen Welt! Ich wünsche euch daß ihr durch die heutige Eucharistiefeier, durch unser gemeinsames Gebet imme neu Berufung erkennt - eure große Berufung in der Kirche und in der Welt. Dies< 718 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Berufung habt ihr von Christus empfangen, der „uns heiligt” und „sich nicht scheut, uns Brüder und Schwestern zu nennen”, wie wir im Abschnitt des Hebräerbriefes gelesen haben (vgl. Hebr 2,11). Seht, dieser Christus spricht heute zu euch allen: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Familien zu meinen Jüngern” (vgl. Mt 28,19). Verkündet ihnen das Evangelium vom ewigen Heil, das das „Evangelium der Familien” ist. Das Evangelium - die Frohe Botschaft - ist Christus. „Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen” (Apg 4,12): Und Christus „ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit!” (Hebr 13,8). Amen. Kontemplativ in der Aktion - neue Selige aus dem Ordensstand Predigt bei der Seligsprechung von fünf Ordensleuten während der Bischofssynode über das gottgeweihte Leben am 16. Oktober 1. „Der Menschensohn ist gekommen, um zu dienen” (vgl. Mk 10,45). Mit diesen Worten, die wir heute im Evangeüum gehört haben, antwortet Jesus auf die Bitte der Söhne des Zebedäus, der Apostel Jakobus und Johannes. In der Darstellung des Evangelisten Markus sind sie es selbst, die darum bitten, in der Herrlichkeit ihres Meisters - der eine zur Rechten und der andere zur Linken - sitzen zu dürfen, während in der Schilderung des heiligen Matthäus die Bitte von ihrer Mutter vorgetragen wird (vgl. Mt 20,20). „Ihr wißt nicht, um was ihr bittet” {Mk 10,38), lautet die Antwort Christi. Sie bitten nämlich darum, an der Herrlichkeit des Reiches Gottes unmittelbar teilnehmen zu dürfen, während der Weg dorthin notwendig den Kelch des Leidens einschließt, jenen Kelch, den Jesus bis zur Neige trinken sollte. Der Herr fragt die Apostel: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke?”, und sie antworten: „Wir können es” {Mk 10,38). Vielleicht wissen sie im Augenblick nicht genau, wozu sie ihre Zustimmung geben. Der Meister dagegen weiß sehr wohl, daß, wenn ihre Stunde kommen wird, sie am Kelch seines Leidens Anteil haben (vgl. Mk 10,39) und treu sein werden bis zur Gnade des Martyriums. So weit der erste Teil der Antwort Jesu. Der zweite Teil ist noch wichtiger. Er erklärt den beiden Brüdern, daß in seinem Reich das Maß der Größe von der Haltung der Dienstbereitschaft abhängt: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele” {Mk 10,43-45). 2. Wir haben die vom Evangelisten beschriebene Szene vor Augen, und im Innersten unseres Herzens klingen die Worte des göttlichen Meisters nach, während wir im Verlauf der Liturgiefeier am heutigen Sonntag fünf neue Selige zur Ehre der Al- 719 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN täre erheben, die ihr Leben in der hochherzigen Weihe an Gott und im hochherzigen Dienst an den Mitmenschen verbracht haben. Es sind: Nicolas Roland, Priester und Gründer der Kongregation der Schwestern vom Kinde Jesus; Alberto Hurtado Cruchaga, Priester aus der Gesellschaft Jesu; Maria Rafols, Gründerin der Barmherzigen Schwestern von der hl. Anna; Petra de San Jose Perez Florido, Gründerin des Institutes der Schwestern „Mütter der Verlassenen” und vom „Hl. Josef im Gebirge”; Giuseppina Vannini, Gründerin der Kongregation der Töchter von: hl. Kamillus. Es sind Söhne und Töchter der Kirche, voll von heiligem Eifer, die den Weg des Dienens gewählt haben in der Nachfolge des Menschensohnes, der nicht gekommer ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen, und der gedient hat und sogai sein Leben als Lösegeld für viele hingab (vgl. Mk 10,45). Die Heiligkeit hat in der Kirche ihre Quelle immer im Geheimnis der Erlösung. Der Papst fuhr in französischer Sprache fort: 3. Das Geheimnis der Erlösung, hebe Brüder und Schwestern, wird uns an diesen Morgen nachdrücklich in Erinnerung gerufen. Ja, wir haben „einen erhabenen Hohenpriester, der die Himmel durchschritten hat” (Hebr 4,14). Es ist Jesus Christus der gekreuzigte Herr, der auferstanden ist und nun in der Herrlichkeit lebt. Er wai die Seele des Wirkens von Nicolas Roland. Im Verlauf seines kurzen, aber geistlich sehr dichten Lebens hat er nicht aufgehört den Erlöser durch ihn seine Sendung als Hoherpriester erfüllen zu lassen. Der Person Christi gleichgestaltet, teilte er seine Liebe denen mit, die er zum Priestertun führte, um für sie „Barmherzigkeit zu erlangen” (Hebr 4,16). „Die unermeßlich! Liebe Jesu zu euch ist noch größer als eure Untreue”, sagte er. Dieser Glaube und diese unerschütterliche Hoffnung auf die barmherzige Liebe de: menschgewordenen Wortes führten ihn zur Gründung der Kongregation der Schwe stem vom Kinde Jesus, die sich dem Apostolat der Erziehung und der Evangelisie rung armer Kinder widmen sollten. Er gab dazu die schöne Erklärung: „Die Wai senkinder stellen für uns Jesus Christus in seiner Kindheit dar.” Gepriesen sei Gott, der uns gerade jetzt, da die Bischofssynode über das gottge weihte Leben tagt, in Nicolas Roland, der die Heranbildung der Ärmsten geförder hat, ein lebendiges Beispiel für zahlreiche Ordensmänner und Ordensfrauen unsere Zeit vor Augen stellt! Der Papst fuhr in spanischer Sprache fort: 4. „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern un zu dienen” (Mk 10,45). Der Selige Alberto Hurtado wurde zum Diener, um dii Menschen Gott näherzubringen. Sein tiefes inneres Leben ließ ihn in denen, die zi ihm kamen, das unauslöschliche Bild des Menschensohnes erblicken, der immer zi großherziger Hilfe bereit war. Seine Gestalt als beispielhafter Ordensmann in de 720 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heroischen Erfüllung seiner Gelübde wird in diesen Tagen der Bischofssynode über das gottgeweihte Leben besonders anregend. In seinem priesterlichen Dienst, erfüllt von einer großen Liebe zur Kirche, zeichnete er sich als Meister der Seelenführung und als unermüdlicher Prediger aus. Alle erfüllte er mit dem Feuer Christi, das er selbst in sich trug, zumal bei der Förderung von Priesterberufen und in der Heranbildung von sozial engagierten Laien. Das Leben des neuen Sehgen erinnert uns daran, daß sich die Liebe zu Christus nicht in der Liebe zur Person des menschgewordenen Wortes erschöpft. Christus lieben bedeutet, seinem ganzen Leib dienen, zumal den Armen: Diese besondere Gnade hat der selige Alberto Hurtado empfangen, und wir sollen sie ohne Unterlaß von Gott erbitten. Betroffen durch die Lage der Armen und bewogen von seiner Treue zur Soziallehre der Kirche, wirkte er dahin, die Übelstände seiner Zeit zu heilen. Die Jugendlichen lehrte er: „Katholisch sein ist das Gleiche wie sozial eingestellt sein.” Ein ruhmvoller Sohn des amerikanischen Kontinents, erscheint der selige Alberto Hurtado heute als herrliches Zeichen für die Neuevangelisierung, als „eine Heimsuchung Gottes für sein chilenisches Vaterland.” 5. In der seligen Maria Rafols betrachten wir das Wirken Gottes, der das bescheidene Mädchen zu einer „heroischen Gestalt der Liebe” machte. Sie verließ ihr Vaterhaus in Villafranca del Penedes (Barcelona), um mit einem Priester und elf Mädchen einen Weg des Dienstes für die Kranken zu beginnen und, Christus nachfolgend, wie Er „ihr Leben als Lösegeld für viele” hinzugeben (Mk 10,45). Kontemplativ in der Aktion: Dies ist der Stü und die Botschaft, die Maria Rafols uns hinterläßt. Nach den Stunden des Schweigens und des Gebetes auf der Empore in der Kapelle des „Hospitals der Gnade” in Zaragoza, bekannt als „Domus infir-morum urbis et orbis” (Krankenhaus der Stadt und des Erdkreises), folgte hochherziger Dienst für alle Leidenden, die dort zusammenkamen: Kranke, Geistesgestörte, ihrem Schicksal überlassene Frauen und Kinder. Auf diese Weise zeigt sie, daß die Liebe, die wahre Liebe, ihren Ursprung in Gott hat, der Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8). Nachdem sie einen großen Teil ihres Lebens im entsagungsvollen und verborgenen Dienst im Inneren des Hauses verbracht hatte, wo sie Liebe, Selbstverleugnung und Zärtlichkeit überreich anbot, umarmte sie das Kreuz und vollendete ihre endgültige Hingabe an den Herrn. Der Kirche, und zumal ihren Töchtern, hinterließ sie die große Lehre, daß die Liebe niemals stirbt oder vorübergeht; die große Lehre von ;iner Liebe ohne Grenzen, im tagtäglichen Einsatz gelebt. Alle Gottgeweihten kön-ren in ihr einen Ausdruck der vollkommenen Liebe sehen, zu der sie berufen sind. Die derzeitige Synode möchte dazu beitragen, sie von innen her zu leben. 5. „Wer der Erste sein möchte, sei der Sklave aller” (Mk 10,44). Die selige Petra /om hl. Joseph” ist das Beispiel einer gottgeweihten Frau, die inmitten zahlloser Schwierigkeiten gläubig das Charisma annahm, das der Geist ihr zum Dienst für alle mvertraute. 721 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im frühen Kindesalter verwaist, wählte sie Maria zu ihrer Mutter. Diese Erfahrung prägte ihr ganzes Leben und ließ sie entdecken, daß sie für Kinder, Jugendliche und Alte, die die liebevolle Sorge und Zuneigung der Familie entbehren mußten, Mutter sein sollte. So zeigt Mutter Petra”, wie die Jungfräulichkeit der Ordensleute zu einer fruchtbaren geistlichen Mutterschaft wird. In bräutlicher Liebe zu Jesus Christus erhoben und zu ihrer Fülle gelangt, verwirklicht sie sich in totaler Verfügbarkeit und Offenheit für die Verlassenen. Sie wußte sich von Gott geliebt und antwortete auf diese Liebe, auch mitten in Prüfungen. So bietet sie uns ein lichtvolles Vorbild des Gebetes, des Opfers für die Mitmenschen und der Dienstbereitschaft für die Armen - lauter Äußerungen des Ordenslebens, über das nun die Synodenväter nachdenken. Ihre tiefe Frömmigkeit und ihr unbegrenztes Vertrauen auf den heiligen Josef kennzeichneten ihr ganzes Leben und Wirken, so daß sie „Apostel des hl. Josef im 19. Jahrhundert” genannt wurde. In den letzten Stunden ihres irdischen Lebens waren auf ihren Lippen die Namen von Jesus, Maria und Josef: der Heiligen Familie von Nazaret, in deren Schule der Liebe, des Gebetes und der Barmherzigkeit sie ihre Spiritualität formte, um auch ihre Töchter auf diesen Weg der Heiligkeit zu führen. Der Papst fuhr in italienischer Sprache fort: 7. Den Leidenden dienen: Dies war das besondere Charisma von Giuseppina Van-nini, Gründerin der Kongregation der Töchter des heiligen Kamillus. Ihr ständiges Anliegen war, ganz Gott zu gehören, den sie in den Notleidenden liebte und ehrte. Sie ließ es zur Tat werden in einer täglich grenzenlos geübten Liebe zu den Kranker in den Fußstapfen des großen Apostels der Kranken, des hl. Kamillus von Lellis. „Seht in den Kranken immer das Bild des leidenden Jesus”, wiederholte Muttei Vannini und lud ihre Mitschwestem ein, über den gekreuzigten Heiland nachzudenken, den der Prophet Jesaja darstellt als „verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut” (Jes 53,3). Hier, in dei Betrachtung Christi am Kreuz, liegt der Schlüssel für das Verständnis des Lebens und der Tätigkeit der neuen Seligen, die dem christlichen Volke heute als lichtvolles Beispiel zur Nachahmung vor Augen gestellt wird. Wie aktuell sind ihr Zeugnis und ihre Botschaft! Mutter Vannini richtet einen nachdrücklichen Aufruf an die Jugendlichen von heute, die zuweilen zögern, wenn es un die Übernahme gänzlicher und endgültiger Bindungen geht. Sie lädt zu einer hochherzigen Antwort alle ein, die zum gottgeweihten Leben berufen sind, aber aucl jene, die ihre Berufung im Familienleben verwirklichen: Für alle hat Gott einen Plan wie sie heilig werden sollen. 8. Vor einer Woche waren auf dem Petersplatz Familien aus aller Welt versammelt um eine besondere Begegnung im Rahmen des Jahres der Familie abzuhalten. Wi haben bei dieser Gelegenheit darüber nachgedacht, wie die „Gemeinschaft der Per sonen”, wie sie in der Familie gegeben ist, den Ausblick auf die „Gemeinschaft de: 722 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heiligen” öffnet, die im Apostolischen Glaubensbekenntnis erwähnt wird. Es ist ein Glaubensbekenntnis, das zugleich einen Entschluß und ein Programm darstellt, das im Leben verwirklicht werden soll. Die Berufung zur Heiligkeit ist ja die wesentliche Berufung aller Mitgheder des christlichen Volkes. Heute danken wir dem Herrn für alle jene, die wie die Personen, die wir eben in das Verzeichnis der Sehgen eingeschrieben haben, an seiner unendhchen und vollkommenen Heiligkeit Anteil haben. Zugleich wollen wir für alle Familien der Welt beten, daß sie, erbaut auf dem Fundament des „großen Sakramentes” der Ehe (vgl. Eph 5,32), schon auf Erden zum Anfang jener „Gemeinschaft der Heiligen” werden, die in Fülle im Himmel Wirklichkeit werden wird. Benedictus Deominus in sanctis suis ... „Gepriesen sei Gott in seinen Heiligen, der heilig ist in allen seinen Werken.” Amen! Fünf Ordensleute während der Bischofssynode seliggesprochen Ansprache an die Pilger, die zu den Sehgsprechungen vom Vortag nach Rom gekommen waren, am 17. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Bei der großen Eucharistiefeier gestern haben wir dem Herrn die Ehre gegeben für das Geschenk von fünf neuen Seligen: Nicolas Roland, Priester; Alberto Hurtado Cruchaga, Priester der Gesellschaft Jesu; Maria Rafols, Petra vom heihgen Josef Perez Florido und Giuseppina Vannini, Jungfrauen. Obwohl sie in unterschiedlichen Zeiten und Verhältnissen der Geschichte gelebt haben, vereint sie die Tatsache, daß sie alle Gründer/innen von Instituten des gottgeweihten Lebens sind. Ihre Seligsprechung fand statt, während die Arbeiten der Generalversammlung der Bischofssynode mit dem Thema „Das gottgeweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt” weitergehen. Mit ihrem gänzlich Gott und den Mitmenschen hingegebenen Leben und mit ihrem besonderen Charisma, das durch die von ihnen gegründeten Institute weiter die Gemeinschaft der Christen bereichert, bezeugen die neuen Seligen auch den Menschen unserer Zeit den Primat des Absoluten. Der Papst fuhr in französischer Sprache fort: 2. Nun wende ich mich an Msgr. Jean Bailand, Erzbischof von Reims, sowie an die Schwestern der Kongregation vom Kinde Jesus, auch an ihre Freunde, um ihnen meine Freude darüber auszusprechen, daß Nicolas Roland nun der ganzen Kirche zur Verehrung vorgestellt ist. Ihr besitzt in ihm den sichersten Führer. Wenn er uns eine bleibende Botschaft auch noch für heute anzuvertrauen hat, dann ist es gewiß die von der Größe und der 723 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Gottes. Er sagte ja: „Alles, was wir im Dienst Gottes tun können, liegt weit unterhalb dessen, was wir ihm schuldig sind.” Das Empfinden für die absolute Transzendenz des Allmächtigen flößte ihm andererseits einen Ausruf der Bewunderung für das Werk Gottes ein: „Alles Geschaffene zusammen vermag nicht ein Herz auszufüllen, das Gott allein befriedigen kann.” Mögt ihr jeden Tag für unsere Zeitgenossen, die nach dem Absoluten dürsten, aus den Schätzen der geistlichen Lehre schöpfen können, die er euch hinterlassen hal und deren Verbreitung euch am Herzen hegt. Laßt euch auf den Gebieten der Erziehung und der Katechese, die euch anvertraut sind und sich heute mehr denn je als dringend erweisen, von mir ermuntern, bei ihm Anregung zur Verkündigung dei Frohbotschaft zu holen. Wie sollten wir nicht in diesem kurzen Leben - er hat nicht einmal vierzig Jahre erreicht - ein lebendiges Beispiel für die gottgeweihten Menschen unserer Zeit erblicken? Zum Schluß noch einen letzten Gedanken von Nicolas Roland, aus dem wii alle Vorteil ziehen können: „Liebt das Schweigen und bewahrt es gern, denn es isi der Hüter der Tugenden.” Der Papst fuhr in Spanisch fort: 3. Nun grüße ich die zahlreichen Pilger spanischer Sprache. Viele von euch, liebe Brüder und Schwestern, sind aus Chile und anderen Ländern Lateinamerikas mi ihren Bischöfen und hohen Persönlichkeiten der chilenischen Nation nach Rom gekommen, um mit Verehrung und Freude an der Seligsprechung des Jesuiter P. Alberto Hurtado teilzunehmen und Gott für diese Anerkennung Dank zu sagen. Der neue Selige steht vor uns als beispielhafter Ordensmann in der Erfüllung seine: Gelübde. Er verstand es ferner, ein tiefes geistliches Leben mit einer großen apostolischen Fruchtbarkeit zu verbinden. Er ist ein Beispiel für die Gemeinschaft in de: Kirche und für die Ausübung des priesterlichen Dienstes ebenso wie durch seine Aufmerksamkeit für die großen kulturellen Wandlungen seiner Zeit und seine bei spielhafte soziale Aufgeschlossenheit. Er ist zugleich ein Vorbild in seiner kreativer Arbeit zur Heranbildung und Förderung der Laien. Als Frucht seines apostolischen Eifers und seiner gediegenen auf Christus gegründe ten Spiritualität - er suchte Christus ständig nachzuahmen, indem er sich imme wieder fragte: Was würde Er tun, wenn Er an meiner Stelle wäre? - blühten um ihr her zahlreiche Berufungen zum Priester- und Ordensstand auf. Er war ein große Erzieher seines Volkes und zeichnete sich dadurch aus, daß er durch sein Zeugnis sein Wirken und sein Wort in Chile die Werte des Evangeliums einpflanzte, die eint echt menschliche Entwicklung ermöglichen. Als unermüdlicher Apostel brachte er mit Nachdruck seine Option für die Jugend liehen und Notleidenden zum Ausdruck. Sein apostolisches Herz ließ ihn die Sozial lehre der Kirche fördern und verteidigen, um so Geist und Herz der Menschen z\ Gerechtigkeit und Solidarität zu bekehren. Es ist kein Zufall, wenn man in seinen Vaterland den Jahrestag seines Todes als „Tag der Solidarität” begeht. Sein Lebe] 724 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und seine Botschaft sind höchst aktuell. Mögt ihr sie - das ist mein Wunsch - im Geist des Glaubens mit Leben erfüllen, und möge diese Stunde eine Stunde der Gnade für die ganze Kirche werden, zumal für jenen Teil von ihr, der in Lateinamerika pilgernd unterwegs ist. 4. Eindrucksvoll und ergreifend steht die Gestalt der neuen Sehgen Maria Rafols da, die mit Recht als „Heldin der Liebe” bekannt ist. Wenn die Autoritäten ihr seinerzeit diesen Titel wegen ihrer heroischen Übung der Liebe in den Randbezirken von Saragossa verliehen, so erkennt ihn die Kirche an wegen des Zeugnisses ihres ganzen Lebens, da sie mit dem heiligen Paulus sagen konnte: „Ich will sehr gern alles aufwenden und mich für euch aufreiben” (2 Kor 12,15). Der größte Teil ihres Lebens fallt in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, die durch tiefgreifende Wandlungen und politische Wirren gekennzeichnet ist, wodurch ihr neuartiges Unternehmen der Gründung einer apostolischen Kongregation erschwert wurde. Aber sie war von einem tiefen Glauben beseelt, ihr Geist war opferbereit, und sie trug in sich das Feuer einer glühenden Liebe. So schuf und führte sie ihre kleine Schwesternschaft in Schweigen, Dunkel und Armut, und sie mußte sich auch den Bedingungen unterwerfen, welche die Leitung des „Hospitals der Gnade” aufgestellt hatte und die uns heute unbegreiflich erscheinen. Die Ankunft von Maria Rafols und der jungen Mädchen, die sie begleiteten, nach tagelanger beschwerlicher Reise in Saragossa war für die Stadt ein Ereignis. Das erste, was die Ankömmlinge taten, war, sich zu Füßen der Jungfrau von Pilar niederzuwerfen, um ihren Schutz und ihre Hilfe zu erflehen, und dann in Liebe und Eifer die Sendung zu erfüllen, für die sie gekommen waren. Das aber war nichts anderes als: Jesus Christus in seinen leidenden Abbildern liebevoll dienen, den Kranken, den Armen und den Kindern. Eine keineswegs leichte Aufgabe, und sie brauchten dafür die Hilfe ihrer himmlischen Herrin. So entstand die Kongregation der Barmherzigen Schwestern von der hl. Anna. Von da an widmete sich die Selige Maria Rafols „mit größtem Erfolg und zu aller Befriedigung”, wie die Berichte aus jener Zeit feststellen, entschieden, mutig, tapfer und tüchtig dem Dienst für die Kranken und vor allem für die Kinder im dortigen geschlossenen Haus, wo sie den Rest ihres Lebens verbrachte und Liebe, Selbstverleugnung und Zärtlichkeit in Fülle schenkte. Auch die Kriege gingen ihr nahe, die Gefängnisse und die Verbannten. Sie bewahrte im Leiden den Frieden und pflegte unablässig den Geist der Seligpreisungen. 5. Die Selige Petra vom hl. Josef, „eine große Frau mit einem Feuerherzen”, bietet uns das Beispiel der Treue zum Charisma, das sie vom Heftigen Geist empfangen hatte. Die Liebe war für sie Norm für ihr Dasein und Wirken. Bei ihr war alles Liebe, und deswegen sagt sie uns: „Die Liebe muß uns Flügel schenken, damit wir vorankommen.” Da sie sehr früh verwaiste und die heftigste Jungfrau zur Mutter nahm, versprach sie, „sich mit Leib und Seele, mit allen ihren Empfindungen und Kräften in den 725 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dienst ihres guten Jesus und seiner gebenedeiten Mutter zu stellen”. Voll von dieser mütterlichen Liebe und mit dem Reiz ihrer anziehenden Persönlichkeit übte die neue Selige die Tugenden in heroischem Grad, in Einfachheit, Demut und Freude, wie sie besonders für ihr Heimatland Andalusien kennzeichnend ist. Die tiefe Verehrung, die Mutter Petra für den hl. Josef hegte, führte sie dahin, alle Häuser und Kapellen unter seine Schirmherrschaft zu stellen. Unter ihnen ragt das Königliche Heiligtum des hl. Josef im Gebirge bei Barcelona hervor. Sie sagte: „Wir sind in die Zeiten des hl. Josef gekommen, und ich weiß, daß wir der seligsten Jungfrau keinen angenehmeren Dienst leisten können, als für die Ausbreitung der Verehrung ihres keuschesten Bräutigams zu arbeiten” {Brief vom 28. April 1905). Sie trug ihren Ordensschwestern, den „Madres de los Desamparados y San Jose de la Montana”, auf, immer geschwisterliche Liebe zu üben in einem Klima des Friedens und der „gegenseitigen Achtung”, gern die Armut zu leben und miteinander zi teilen, in einer Haltung des Gebetes und der freudigen Beobachtung der Regeln Alle ermahnte sie, Liebe und Barmherzigkeit als Charisma des Institutes zu pflegen zumal gegenüber den am meisten Notleidenden und Verlassenen. Ihr vertraue icl daher auch die Arbeiten der jetzigen Bischofssynode an, was diesen wichtigei Aspekt des Ordenslebens in der Kirche betrifft. Der Papst schloß in Italienisch: 6. Mutter Giuseppina Vannini, eine Tochter der Kirche von Rom, leuchtet als Bei spiel unermüdlicher Liebe zu den Kranken hervor. Nach dem Vorbild des hl. Kamillus von Lellis weihte sie sich mit ihren geistlichei Töchtern gänzlich ihrem Dienst, und sie war sogar bereit, für sie ihr Leben hinzuge ben. „Unser einziges Ziel ist das Wirken zur größeren Ehre Gottes und für das Hei derer, die leiden - schrieb sie - und ich hoffe, daß unsere Gemeinschaft mit Gotte Gnade nie von diesem Wege abweicht.” Das Institut, das sich von Rom aus in Ita lien und später nach Frankreich, Belgien und Argentinien ausbreitete, brachte seinei täglichen Dienst Christus, dem Gekreuzigten, dar, dem es in den Leidenden Lieb erweisen und dienen wollte. Gemeinsam mit allen „Töchtern des hl. Kamillus”, die sich auf dreizehn Länder de Welt verteilen, dankt die Kirche dem Herrn für das hervorragende Zeugnis gottge weihten Lebens und gänzlicher Hingabe an die Kranken, das die selige Gründen) hinterlassen hat. 7. Liebe Brüder und Schwestern, preisen wir den Herrn für die Großtaten, die e durch die hochherzige Antwort dieser fünf neuen Seligen gewirkt hat! Ihr Beispie und ihre Fürbitte mögen euch helfen, die Werte des Geistes zu suchen und zu vei künden. Wenn ihr in eure Gemeinschaften, aus denen ihr stammt, zurückkehn nehmt den Reichtum und die Freude dieses Rombesuches mit. Begleiten soll euc mein Segen, den ich von Herzen euch allen hier Anwesenden erteile, sowie auc allen euren Lieben, zumal den Jugendlichen, den Alten und den Kranken. 726 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dienst am Leben - Zur Humanisierung der Medizin Ansprache an den Kongreß der Italienischen Gesellschaft für Chirurgie am 18. Oktober 1. Mein herzliches Willkommen den Teilnehmern am Kongreß der Italienischen Gesellschaft für Chirurgie, die in Rom versammelt sind, um sich mit sehr aktuellen Themen und den vielfach diskutierten Aspekten und Kontroversen in diesem grundlegenden Bereich der Medizin zu befassen, der dank der heutigen Fortschritte die Gebiete der Vorbeugung, der Diagnostik, der Therapie und auch der Rehabilitation umfaßt. Besonders begrüße ich den bekannten, hochangesehenen Präsidenten des Kongresses, Herrn Professor Francesco Crucitti, und alle, die zum guten Gelingen dieses Studien- und Fortbildungstreffens zusammengearbeitet haben. 2. Durch die neuen Entdeckungen und die tägliche Gegenüberstellung mit den außerordentlich hoch entwickelten Technologien entwickelt sich der Beruf des Chirurgen, vor allem auf dem Gebiet der Onkologie, auf noch unbekannte Ziele hin. Der Chirurg kann, abgesehen von der Anwendung neuer und immer wirksamerer Operationsmethoden, auch auf die darauf abgestimmte Mit- und Nacharbeit anderer Spezialisten zählen, wie z. B. des Röntgentherapeuten, des Chemotherapeuten und des Immuntherapeuten, deren Beitrag oft von entscheidender Bedeutung ist. Die kreativen Leistungen und die immer mehr versprechenden Errungenschaften der Wissenschaft und der Technik, die vom Chirurgen fortwährende Weiterbildung und eine äußerst verantwortungsbewußte berufliche Vorbereitung erfordern, machen es ihm möglich, immer wirksamer der Lebenshoffnung der Patienten entgegenzukommen und in ihnen mehr und mehr Vertrauen auf die derzeitigen therapeutischen Möglichkeiten zu wecken. Ihre Erfahrung, meine Damen und Herren, lehrt Sie jedoch, daß das vom Patienten in Sie gesetzte Vertrauen nicht nur Vertrauen auf die Wissenschaft ist, sondern er vertraut sich Ihnen als einem Menschen mit menschlichem Empfinden an. Die Tatsache, daß Sie zum Wohl des Schwerkranken - der sich in seiner Schwäche gezwungen sieht, sich den von der Wissenschaft angebotenen therapeutischen Möglichkeiten auszuliefem - über immer wirksamere Hilfsmittel verfügen können, diese Tatsache ist ein sehr hohes und sehr edles Motiv, der Ausübung Ihrer ärztlichen Tä-:igkeit eine Dimension der Selbstlosigkeit und der Hingabe zu verleihen, die der Herausforderung der in Sie gesetzten Hoffnung ebenbürtig ist. 3. Wie ich schon bei einem früheren, von der verdienstvollen Gesellschaft für Chirurgie veranstalteten Kongreß gesagt habe, ist Ihr Beruf auch eine aufgetragene Sendung, und als solche erfordert sie Opferbereitschaft, Starkmut in Schwierigkeiten, ntellektuelle Demut, die offen ist für die Zusammenarbeit mit denen, die Ihre Arbeit nit Ihnen teilen. 727 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als Männer und Frauen der Wissenschaft und der Praxis begegnen Sie stets einem Menschen, der den eigenen Körper Ihren Händen überläßt und auf Ihre Kompetenz, Ihre Sorgfalt und Ihr Bemühen vertraut. Sie haben es mit der geheimnisvollen, großen Wirklichkeit eines Menschenlebens zu tun, mit seinem Leiden und seiner Hoffnung (vgl. Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses fiir Chirurgie, 19.02.1987). Die Vermenschlichung der Medizin ist nicht Gegenstand einer eigenen Disziplin. Sie bildet vielmehr beim Ausüben der Wissenschaft das Herz, die Seele, die den eindringlichen Hilferuf, der sich einem Menschen entringt, nicht enttäuschen und unerhört lassen kann. Mögen Ihr Einsatz und Ihre Hingabe ebenso groß sein wie das in Sie gesetzte Vertrauen. Sie sind berufen, auf dieses Vertrauen Antwort zu geben, indem Sie den Patienten anhören und die Diagnose nicht nur der betreffenden Krankheit stellen, sondern auch die seines psychologischen Befindens, seiner Erwartungen, seiner Fähigkeit der Zusammenarbeit mit Ihnen. Gehen Sie in dem Bewußtsein, daß Sie von den Leidenden voll Hoffnung aufgesucht werden, ihrem Verlangen nach Leben, nach einer besseren Lebensqualität entgegen mit jener großen Zuneigung und jener Menschlichkeit, die von jeher zur Gestalt und zur Tätigkeit des Arztes gehört haben. 4. Niemand aber kennt besser als Sie die unüberschreitbaren Grenzen der Wissenschaft und Technik gegenüber dem Angriff der Krankheit. Und da der Ort, an den Heilung und Pflege gesucht wird, ein Tempel der Hoffnung und des Gebetes für der ist, der dort mit seiner Hoffnung auf Behandlung und Heilung aufgenommen ist, sc sei auch Ihre innere Haltung offen für die Hilfe und Stütze, die Ihnen von Dem zuteil werden kann, der „umherzog, Gutes tat und alle heilte” (Apg 10,38), denen Er aul seinem Weg begegnete. Nach dem geheimnisvollen Plan Gottes habe ich die Prüfung und die Gnade ken-nengelemt, das Los der Patienten zu teilen und wie sie und unter ihnen zu leben Darum freue ich mich, daß ich heute Gelegenheit habe, Ihnen allen meine Hochschätzung und meinen Dank zum Ausdruck zu bringen für die Gabe, die Sie Tag füi Tag an die Leidenden verschenken. Schätzen Sie als Chirurgen Ihren Beruf als etwas Kostbares, und werten Sie als etwas Unvergleichliches die Gabe, Diener am Leben für die zu sein, die es als bedroh und gefährdet erfahren. Männer und Frauen der Wissenschaft, seien Sie Zeugen für das wahre Wissen, das sich nicht in der Erkenntnis erschöpft, sondern durch den Dienst am Menschen die Gerechtigkeit und die Liebe als Ziele erreicht. Das ja ist die tiefste und eigentliche Bitte, die aus dem Herzen eines jeden Menschen emporsteigt, und das ist auch die kostbarste und edelste Antwort, die der Mensch seinem Mitmenschen geben kann. Ich wünsche Ihren Arbeiten die besten Resultate und rufe auf Sie, auf Ihre Familiei und Ihre Mitarbeiter die Fülle des göttlichen Beistands herab, als dessen Unterpfanc ich Ihnen mit Freude den Apostolischen Segen erteile. 728 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Mensch - Mittelpunkt aller Forschung Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 28. Oktober Exzellenzen, sehr geehrte Anwesende, meine Damen und Herren! 1. Für mich ist es eine große Freude, Ihnen bei der jährlichen Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften zu begegnen. Ich richte an jeden von Ihnen einen ergebenen und herzlichen Gruß und versichere Sie erneut meiner Aufmerksamkeit und Hochachtung für Ihre Mitarbeit in der Akademie. Zu Beginn unserer Begegnung möchte ich vor allem das Andenken von sieben bedeutenden Mitgliedern Ihrer Versammlung ehren, die im Verlauf des vergangenen Jahres gestorben sind. Ich bitte den Herrn, ihnen den ewigen Lohn zu schenken, und wünsche zugleich, daß ihre Beiträge zur Arbeit der Akademie Bezugspunkte bleiben und dazu einladen, unablässig die Forschung weiterzuführen im Dienst der Wahrheit und im Dienst unserer Mitmenschen, denn aus der Wahrheit ergibt sich die Menschenwürde (vgl. Veritatis splendor, Nr. 63). 2. Ihre Vollversammlung bietet Gelegenheit, die Ernennung von neuen Akademikern zu veröffentlichen, die dank ihres Fachwissens und ihrer weithin anerkannten Arbeiten aufgerufen sind, am Leben der Akademie teilzunehmen. Mit Freude begrüße ich ihr Kommen, das die internationale Dimension Ihrer Versammlung noch deutlicher ausprägt und sie damit auch für neue wissenschaftliche Disziplinen öffnet. Dies gestattet Ihnen, noch weitere Techniken und Wissenschaften kennenzulemen, die auf allen Kontinenten unaufhörlich Fortschritte machen. Die Fragen, vor denen unsere Gesellschaft steht, verlangen immer mehr nach einer Klärung durch die Wissenschaften, die einen der großen Reichtümer unserer sich unablässig entwickelnden und ändernden Welt darstellen. Doch zugleich darf man nicht aus den Augen verlieren, daß die Wissenschaft, die einen der großen Reichtümer unserer sich unablässig entwickelnden und ändernden Welt darstellen. Doch zugleich darf man nicht aus den Augen verlieren, daß die Wissenschaft nicht beanspruchen kann, vom transzendenten Ursprung und der letzten Bestimmung des menschlichen Lebens nur sich selbst Rechenschaft geben zu müssen. Jeder Forscher ist aufgefordert, metaphysische und moralische Fragen zu berücksichtigen, die sich noch dringender stellen, wenn die durch die Wissenschaft erreichte Gewißheit der integralen Wahrheit über den Menschen gegenübergestellt wird. 3. Im Arbeitsprogramm der jetzigen Tagung räumen Sie, wie bei den voraufgegangenen Tagungen, einen wichtigen Platz der Frage bezüglich des menschlichen Genoms ein, das ein für die Zukunft der Einzelmenschen und der Menschheit wesentliches Element bildet. Ich schätze es, daß Sie angesichts einer solchen Frage unermüdlich weiter nachdenken, um unseren Zeitgenossen eine Analyse anzubieten, in 729 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der sich ohne Widersprach das wissenschaftliche Ergebnis und die integrale Wahrheit über das, was der Mensch objektiv ist, verbinden. Die fortschreitende Entdeckung des genetischen Codes und die immer detaillierteren Erkenntnisse der Anordnung des Genoms, Forschungen, die noch einige Jahre brauchen werden, sind ein Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnisse, der unmittelbar ein berechtigtes Staunen weckt, zumal wenn es um die Wiederherstellung der DNA-Kette geht, der chemischen Grundlage für die Gene und Chromosomen. Es scheint bereits gesichert, daß sie für alle lebenden Arten, den Menschen eingeschlossen, Träger der erblichen Eigenschaften und ihrer Übertragung auf die Nachkommen ist. Die vielfältigen Folgen für den Menschen, die noch nicht völlig festge-stellt werden können, sind vielversprechend. Man kann sich in einer nicht mehr fernen Zukunft vernünftigerweise vorstellen, daß die Kenntnis der integralen Abfolge des Genoms der Forschung zu therapeutischen Zwecken neue Wege eröffnet. Sc werden dann Kranke, die bisher nicht entsprechend versorgt werden konnten, weil sie an oft tödlichen Erbkrankheiten litten, die notwendige Behandlung erhalten können, die ihren Zustand verbessert oder sie vielleicht sogar heilt. Durch Behandlung der kranken Gene des Menschen wird man ferner dem Auftreten genetischer Krankheiten und ihrer Übertragung zuvorkommen können. Die Forschung über das Genom wird dem Menschen ferner gestatten, sich auf eine] bisher nie erreichten Ebene selbst zu verstehen. Man kann vor allem die genetischer Verhältnisse besser erfassen und sie von anderen unterscheiden, die von der natürlichen und kulturellen Umgebung herkommen, und jenen, die an die persönliche Erfahrung des einzelnen gebunden sind. Ja noch mehr, wenn man das Geflecht dei Bedingungen aufhellt, unter denen sich die Freiheit des Menschen entfaltet, werder wir dahin kommen, ihre geheimnisvolle Wirklichkeit besser zu erfassen. Manche werden vielleicht versucht sein, eine bloß wissenschaftliche Erklärung fü: die menschliche Freiheit zu suchen und diese für ausreichend zu halten. Ein solchs Erklärung würde aber gerade das leugnen, was sie erklären möchte; sie würde de innersten und unbestreitbaren Gewißheit widersprechen, daß unser tieferes Ich siel nicht auf Festlegungen verkürzen läßt, denen es ausgeliefert wäre, sondern daß e: vielmehr am Ende der alleinige Träger unserer Entscheidungen bleibt. Wissenschaftliche Fortschritte wie jene, die das Genom freilegen, ehren die Ver nunft des Menschen, der ja aufgerufen ist, Herr der Schöpfung zu sein; sie ehrei zugleich den Schöpfer, die Quelle alles Lebens, der dem Menschen die Verwaltunj der Welt an vertraut hat. Die Entdeckungen der Kompliziertheit der molekularei Struktur können die Gemeinschaft der Wissenschaftler und in weiterem Sinn all« unsere Zeitgenossen einladen, sich die Frage nach der ersten Ursache zu stellen nach Ihm, der am Ursprung einer jeden Existenz steht und der einen jeden von un im geheimen geschaffen hat (vgl. Ps 139,15; Spr 24,12). 4. Was die Eingriffe in die Abfolge des menschlichen Genoms angeht, so ist an ei nige grundlegende moralische Regeln zu erinnern. Jeder Eingriff muß sich beim Ge 730 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nom in absoluter Achtung vor der Besonderheit des Menschenwesens vollziehen, vor der transzendentalen Berufung des ganzen Wesens und seiner unvergleichlichen Würde. Das Genom stellt ja die biologische Identität eines jeden Subjekts dar; noch mehr, es bringt einen Teil der menschlichen Verfaßtheit des Wesens zum Ausdruck, das von Gott um seiner selbst willen dank der seinen Eltern anvertrauten Sendung gewollt ist. Die Tatsache, daß man das genetische Bild einer Person aufzeigen kann, darf nicht dahin führen, das Subjekt auf sein genetisches Erbe sowie auf die Veränderungen zu verkürzen, die darin vorhanden sein können. In seinem Geheimnis übersteigt der Mensch nämlich das Ganze seiner biologischen Merkmale. Er bildet eine grundlegende Einheit, in der die biologische nicht von der geistigen, familiären und sozialen Dimension getrennt werden darf, will man nicht in die ernste Gefahr geraten, das, was die eigentliche Natur der Person ausmacht, zu unterdrücken und den Menschen zu einem bloßen Objekt der Analyse zu machen. Die Person des Menschen ist vielmehr aufgrund ihrer Natur und ihrer Einzigartigkeit die Norm für jedes wissenschaftliche Forschen. „Wurzelgrund nämlich, Träger und Ziel alles Forschens ist und muß auch sein die menschliche Person” (Gaudium et spes, Nr. 25). In diesem Zusammenhang ist erfreulich, daß zahlreiche Forscher nicht mit der Auffassung einverstanden sind, die über das Genom gemachten Entdeckungen dürften lediglich als Informationen betrachtet werden, die man registrieren kann. Der menschlich Leib ist nämlich kein Objekt, über das man verfügen kann; die Ergebnisse der Forschungen müssen vielmehr der Gesamtheit der Gemeinschaft der Wissenschaftler zugänglich gemacht werden, und sie dürfen nicht Eigentum einer kleinen Gruppe bleiben. Die ethische Überlegung muß sich ferner auf die Nutzung der im Genom enthaltenen medizinischen Gegebenheiten bei den einzelnen erstrecken, die sonst durch die Gesellschaft zum Schaden der Personen ausgenützt werden können, indem man zum Beispiel die Embryonen, die Anomalien der Chromosome aufweisen, ausmerzt oder die von dieser oder jener genetischen Krankheit betroffenen Personen zu einem Randdasein verurteilt. Man darf auch die biologischen Geheimnisse der Person nicht verletzen, noch sie ohne ihre ausdrückliche Zustimmung erforschen, noch sie über die im strengen Sinn medizinische Verwendung oder über das hinaus verbreiten, was zu therapeutischen Versorgung der betreffenden Person dient. Unabhängig von den biologischen, kulturellen, sozialen oder religiösen Unterschieden bei den Menschen besteht ja tatsächlich für jeden ein natürliches Recht, das zu sein, was er ist, and für sein genetisches Erbe allein Verantwortung zu tragen. 5. Man darf sich also nicht vom Mythos des Fortschritts hinreißen lassen, als ob die Möglichkeit, eine Forschung durchzuführen oder eine Technik anzuwenden, diese .in mittel bar auch moralisch gut machen würde. Das moralisch Gute ermißt sich bei edem Fortschritt am wahren Wohl, das es dem Menschen verschafft, wenn man ihn n seiner doppelten leib-geistigen Dimension betrachtet; so wird man dem gerecht, 731 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN was der Mensch ist. Setzt man dagegen das Gute nicht mit dem Menschen in Verbindung, dem es doch zum Wohl gereichen soll, so müßte man fürchten, daß die Menschheit ins Verderben gerät. Die Gemeinschaft der Wissenschaftler ist unablässig aufgerufen, die Ordnung der Faktoren aufrechtzuerhalten und die wissenschaftlichen Aspekte in den Rahmen eines integralen Humanismus einzuordnen; so trägt sie den metaphischen, ethischen, sozialen und juridischen Fragen Rechnung, die sich dem Gewissen stellen und die die Grundsätze der Vernunft zu klären imstande sind. Auf dem Programm Ihrer derzeitigen Tagung sehe ich zu meiner Freude, daß Sie sich als Männer und Frauen der Wissenschaft bemüht haben, Ihre Kenntnisse in den Dienst der moralischen Wahrheit zu stellen, indem Sie über die ethischen Auswirkungen und die gesetzlichen Anpassungen nachgedacht haben, die man notwendig den Regierungen und den wissenschaftlichen Arbeitsgruppen nahelegen müßte. Es ist zu wünschen, daß Ihre maßgebende Stimme auf einem derart heiklen Gebiet zur Erarbeitung eines internationalen Konsens beiträgt, der sich auf die objektive, von der rechten Vernunft erkannten Wahrheit über den Menschen gründet. Davon ausgehend ist zu hoffen, daß die betreffenden Institutionen ein vertieftes Nachdenken fördern, damit jedes Land Regelungen treffen kann, welche die menschliche Person und ihr genetisches Erbe schützen und zugleich die Grundlagenforschung und die auf die Gesundheit der einzelnen angewandte Forschung anregen. 6. Das Lehramt der Kirche interessiert sich nicht aufgrund einer wissenschaftlicher Zuständigkeit für die Gebiete, die Gegenstand Ihrer Forschungen bilden; schon die Existenz der Akademie zeigt, daß die Kirche die Autonomie der wissenschaftlicher Disziplinen achtet. „Den Christen liegt es deshalb fern, zu glauben, daß die von des Menschen Geist und Kraft geschaffenen Werke einen Gegensatz zu Gottes Mach bilden ... Im Gegenteil sind sie überzeugt, daß die Siege der Menschheit ein Zeicher der Größe Gottes und die Frucht seines unergründlichen Ratschlusses sind’ ('Gaudium et spes, Nr. 34). Die Kirche greift nur kraft ihrer dem Evangelium gemäßen Sendung ein: Sie hat die Pflicht, der menschlichen Vernunft das Licht der Offenbarung anzubieten, den Menschen zu verteidigen und über „seine Würde als Per son, ,mit einer Geistseele begabt, mit moraüscher Verantwortung ausgestattet unc zur seligen Gemeinschaft, mit Gott gerufen”, zu wachen (Kongregation für die Glaubenslehre, Donum vitae, Nr. 1). Da es um den Menschen geht, überschreiten die Probleme den Rahmen der Wissen schaft, die über die Transzendenz des Subjektes keine Rechenschaft ablegen nocl die moralischen Regeln aufstellen kann, die sich aus der zentralen Stellung seine hervorragenden Würde als Subjekt im Universum ergeben. In diesem Sinn ist di< Existenz von ethischen Komitees zu fördern, um der Wissenschaft zu helfen, dii moralischen Aspekte der Forschungen zu bewerten und ihre ethischen Bedingungei festzulegen. 732 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Unter den übrigen Themen, die Sie behandeln, befindet sich das der alternativen Energien für Entwicklungsländer, ein Thema, dessen Bedeutung für die Zukunft der Menschheit in unserer Zeit man ermessen kann, da die mit der Demographie verbundenen Fragen heftig diskutiert werden. Um die wirtschaftliche Dynamik der Welt zu fördern, ist ein Überblick über realistische Lösungen zum Ersatz der derzeitigen Ressourcen wichtig, die Gefahr laufen, sich eines Tages zu erschöpfen. Mehr als jeder andere ist die derzeitige Generation dafür verantwortlich und verpflichtet, ihre energetischen Reichtümer nicht zu verschwenden. Die Entscheidungen auf diesem Gebiet müssen auch die künftigen Generationen berücksichtigen. Die Energiequellen unseres Planeten sind Reichtümer, die allen Völkern ihre Entwicklung gestatten und ihnen die materiellen Mittel für ein würdiges Leben zugestehen müssen, so daß keine wirtschaftlichen und ökologischen Ungleichgewichte geschaffen werden. Diese Schätze dürfen daher nicht von einer kleinen Zahl von Ländern zum Schaden der anderen ausgenützt werden. Die Verteilung der Güter über unseren Planeten ist ungleich. Daher sind Solidarität und Teilen unerläßlich, wenn gleichgewichtige Beziehungen zwischen den produzierenden und konsumierenden Ländern geschaffen werden sollen. 8. Neben dem Begriff der „mathematischen Gewißheit” haben die Forschungen über die „Grundprinzipien der Mathematik” zum neuen Überdenken des erkenntnistheoretischen Zugangs geführt, dem die Mathematiker folgen müssen, um die ihrer Wissenschaft eigenen Erfordernisse zu berücksichtigen, wie zum Beispiel Klarheit, Konsequenz, intellektuelle Redlichkeit und Vertrauen in die Verstandesfähigkeiten des Menschen. In Verbindung mit dieser Überlegung wurde der Schlüsselbegriff der „künstlichen Intelligenz” eingeführt. Es ist jedoch zu bedenken, daß die Maschine ein Werkzeug im Dienst des Menschen bleibt. Ihre „Intelligenz” ist begrenzt, denn es handelt sich dabei nicht um Vernunft im Vollsinn des Wortes, um Vernunft also, die dem Menschen gestattet, sich als Geschöpf zu wissen, das Gute, Wahre und Schöne zu erfassen, sein Leben auszurichten und sich dank seiner Willensakte auf un Ziel hin zu bewegen. Sie betonen in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit des Studiums der gegenseitigen Beziehungen zwischen dem menschlichen Gehirn und den elektronischen Systemen im Bereich der neurologischen Wissenschaften, damit die Maschine eine gewisse Zahl von Mängeln beim Menschen ersetzen und die Qualität des Lebens für jehinderte Personen verbessern könne. Es gehört zur Größe der Wissenschaft, sich gerade in den Dienst jener Mitmenschen zu stellen, die am meisten Hilfe brauchen, im ein ihrer Natur und ihrer unvergleichlichen Würde entsprechendes Leben führen :u können. ). Da wir uns dem sechzigsten Jahrestag der Wiederbegründung dieser bedeutenden nstitution durch Pius XI. nähern, dürfen wir feststellen, daß sie die Aufgaben er-üllt, die den Wissenschaftlern gestellt wurden: Sie wurden nach ihrer Fachkenntnis jestimmt; ohne Unterschied von Herkunft oder Religion sind sie aufgerufen, in 733 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Freiheit zu arbeiten. Um einer besseren Wirksamkeit willen haben Sie die internen Regelungen studiert, um die in Ihren Statuten umschriebene Aufgabe angemessener erfüllen zu können: die Beteiligung am Fortschritt der Wissenschaften und die Vertiefung der Natur der wissenschaftlichen Erkenntnis. Gestatten Sie mir zum Schluß unserer Begegnung, Ihnen für die Beiträge zu danken, die Sie dem Hl. Stuhl über neue und bedeutsame Fragen erbringen, die gründlichere Kenntnisse verlangen. Bei den gewaltigen Fortschritten der heutigen Welt kommt es der gesamten Gemeinschaft zu, besonders darauf zu achten, einen integralen Humanismus zu fördern. Dies ist der Sinn des Menschen, um den es geht. Ich vertraut Ihre Bemühungen und Forschungen, die für die Erfordernisse dieses Humanismus immer offen sind, dem Allerhöchsten an. Johannes vom Kreuz - Die Passion Jesu und die Passion dei Menschen heute Ansprache an die Teilnehmer des Generalkapitels der Passionisten am 28. Oktober Liebe Passionisten! 1. Es ist mix eine Freude, anläßlich eures Generalkapitels, das mit der 300-Jahi Feier der Geburt eures Gründers, Paolo Danei - im Orden Paul vom Kreuz zu sammenfällt, mit euch zusammenzutreffen. Herzlich begrüße ich alle Anwesender besonders den Generaloberen, Pater Jose Augustin Orbegozo Jäuregui, dem ich fü seine eben an mich gerichteten ehrerbietigen Worte danke. Der hl. Paul vom Kreuz war in erster Linie ein Mann Gottes, belastet von der Tatsa che, daß die Passion Jesu, von der uns alles Wohl kommt, weitgehend unbeachtt bleibe. Er hatte verstanden, daß sich in der Passion das ewige Heil des Mensche findet und auch das Geheimnis, um Selbstsucht, Gegnerschaft und Hartherzigkeit z überwinden, wodurch der Menschheit soviel Böses widerfährt. 2. Der hl. Paul vom Kreuz war ein großer Mystiker, aber auch ein außerordentlic ausgeglichener Mann. Aus tiefer geistlicher Intuition heraus setzte er sich dafür eh daß der christliche Glauben und die christliche Praxis für den modernen Mensche verständlicher und anziehender würden. Es gelang ihm, nicht nur den Klerus un aufgeschlossenere Geister für sein Apostolat zu gewinnen, sondern auch die einf; chen Leute aus dem Volk. Er opferte sich in Hingabe und Nächstenliebe auf un war glücklich darüber, sein ganzes Dasein Gott schenken zu können. Er war gewi ein Mann, aus dessen Leben und Lehren wir auch heute lernen können, wie man d: Wege Gottes geht und seinem Reich dient. So freue ich mich über die zahlreiche Initiativen in diesem Jubiläumsjahr zum Gedenken seiner Person und zur Vertiefur seiner Lehre. 734 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Euer Gründer hatte richtig verstanden, daß der Mechanismus von Macht, Habgier und Geltungssucht unvereinbar ist mit den Gefühlen des Gekreuzigten. Deshalb verkündigte er Loslösung und innere Freiheit und setzte sich in diesem Sinne ein: „Seid bestrebt, einfach und bescheiden wie Kinder zu sein” - so schrieb er „verliert nicht aus den Augen das schreckliche Nichts, das ihr seid; verliert nicht aus den Augen euer Nichts-haben, Nichts-wissen, Nichts-vermögen ... Und der Friede, welcher Frucht des Heiligen Geistes ist, wird euch in der Liebe zueinander wachsen lassen, so daß ihr ein Herz seid in Jesus Christus” (vgl. Lettere, IV, 226). Das Generalkapitel, das ihr zur Zeit abhaltet, behandelt ein interessantes Thema: „Die Passion Jesu und die Passion des Menschen: Was ist heute die Botschaft des hl. Paul vom Kreuz und die Antwort der Passionisten?” Das Kapitel findet statt, während die Arbeiten der Bischofssynode über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt zu Ende gehen. Ich ermahne euch, Zeugen für die Werte des Geistes unter den Menschen von heute zu sein, indem ihr eurem besonderen Charisma als Passionisten folgt. In dem Brief, den ich an eure ganze Kongregation geschrieben habe, würdigte ich die Kostbarkeit eures Charismas und die große Aktualität, die es für die Kirche und die Menschheit unserer Zeit besitzt. Mögt ihr auch für den modernen Menschen die Lehren umzusetzen wissen, die euch vom Gründer mit so viel Liebe und Weisheit gegeben wurden, meine Lieben. Das ist euer spezifischer Beitrag an den großen Einsatz der Kirche für die Neuevangelisierung. Setzt selbstlos euer Apostolat in direktem Kontakt mit so vielen Völkern und Kulturen fort und besonders mit den vielen Armen und Leidenden. Euch gilt meine Ermutigung zu diesem Bemühen, das im Kapitel auf internationaler Ebene geteilt wird, ebenso die Ermahnung, nicht den Mut sinken zu lassen angesichts von Schwierigkeiten und das Vertrauen und die Hoffnung auf die Hilfe der Gnade Gottes jeden Tag zu erneuern. Die Passion Jesu, von der ihr euch inspirieren laßt, sei der Quell eurer Kraft und Beständigkeit, denn wenn man den Blick auf den Gekreuzigten richtet, erscheint alles in einem neuen Licht, dem Licht der unendlichen Liebe Gottes. Unsere Zeit läßt Anzeichen einer tiefen geistigen Unzufriedenheit erkennen, die auf den Verlust der sicheren und tröstlichen Bezugspunkte des Glaubens zurückzuführen ist. Wie sehr hat die Menschheit es heute doch nötig, mit Liebe aufgenommen, ingehört und erleuchtet zu werden! Ihr Passionisten habt eine reiche Erfahrung auf dem Gebiet des Dialogs, der geistlichen Führung und der Spendung des Sakraments der Versöhnung. Die Bedeutung dieser Form des Apostolats ist gar nicht gering, wie manche denken mögen, denn der Übergang zur Zivilisation der Liebe kann nur dann itattfinden, wenn Einsatz geleistet wird für die Mitteilung der Kraft der Erlösung. Die Radikalität der Mystik Pauls vom Kreuz gehört nicht allein der Vergangenheit in, sondern ist ein Gut, das die heutige Welt zutiefst nötig hat. Daher ermahne ich euch, ihren Wert zu vertiefen und sie für den heutigen kulturellen Kontext umzuset-len, anzupassen und zu konkretisieren. Ihr Passionisten seid eurer Tradition treu ergeben, die euch als Lehrer des Gebets und eure Gemeinschaften als Schulen des 735 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebets sieht (vgl. Konst., 37); so sollt ihr auch in Zukunft eine starke Spiritualität pflegen, die der ganzen Kirche, und vor allem den geweihten Menschen, den Wunsch der Teilnahme an der Passion Christi mitzuteilen vermag, um jeden Tag zu einem höheren Leben wiedergeboren zu werden. An der Schwelle zum dritten christlichen Jahrtausend hat die Welt es noch nötig, mit Glauben auf das Bild des Gekreuzigten zu blicken. Predigt das Kreuz! Vermittelt den Laien, besonders den Leidenden und Unterdrückten, die große Botschaft, die es enthält. Mir ist bekannt, daß viele Einzelpersonen sowie verschiedene Bewegungen und kirchliche Gruppen ein starkes Bedürfnis empfinden, dieses zentrale Geheimnis des Glaubens zu vertiefen und sich aktiv an eurem Gebet und Apostolat zu beteiligen. Es ist ein „Zeichen der Zeit”, das nicht unbeachtet gelassen werden darf. Zum Abschluß unseres kurzen, aber innigen Treffens möchte ich erneut die Achtung und Freundschaft zum Ausdruck bringen, die die Päpste und der Apostolische Stuhl eurem Gründer und eurer Kongregation entgegengebracht haben. Ich empfehle die Arbeit des Kapitels und das Evangelisierungswerk der gesamten Kongregation der Fürsprache der Schmerzensmutter, des hl. Paul vom Kreuz und der Heiligen und Seligen aus der Kongregation der Passionisten an und erteile jedem von euch von Herzen den Apostolischen Segen, den ich gerne auf alle anderen Personen ausdehne, die dem Charisma und der Spiritualität der Passionisten folgen. Heilige Ordensleute prägten das Bild der Kirche Predigt bei der hl. Messe zum feierlichen Abschluß der Bischofssynode am 29. Oktober 1. „Quiafecit mihi magna. ” „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan” (Lk 1,49). Mit dieser Feier beenden wir die Arbeit der 9. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, die dem gottgeweihten Leben und seiner Sendung in Kirche und Welt gewidmet war. Wir beschließen sie an einem Samstag, der traditionsgemäß der Gottesmutter geweiht ist. Deshalb wenden wir uns in unserem heutiger eucharistischen Opfer ganz besonders an Maria mit den Worten des Dankes de; Magnifikat, die von der Kirche jeden Tag im Stundengebet wiederholt werden „Großes hat er an mir getan” „Fecit mihi magna.” „Großes” war für die Kirche das II. Vatikanische Konzil, das zu Recht als bedeutungsvollstes Ereignis der Kirche in unserem Jahrhundert bezeichnet werden kann Vor dem Hintergrund dieses ersten und grundlegenden „Großen”, das uns von Herrn geschenkt wurde, können wir andere „große Dinge” erkennen, die er in jüng ster Zeit an uns getan hat. Dazu gehört sicherlich die Einrichtung der Bischofssyn ode, die nun schon ihre eigene Geschichte hat, die sich in der Zeit nach dem Konzi entwickelte. Auch diese jetzt, lang erwartete Synodenversammlung, die, wie wir alk 736 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hoffen, nicht weniger fruchtbringend als die vorhergehenden sein wird, kann nun in die Geschichte eingeschrieben werden. Wir freuen und also, daß wir nach den Apostolischen Schreiben Familiaris consor-tio, Christifideles laici, Pcistores dabo vobis ein neues nachsynodales Dokument veröffentlichen können, dessen Anfangsworte wir noch nicht kennen, das aber sicherlich die Ergebnisse wiedergibt, die aus der heute zu Ende gehenden Versammlung hervorgegangen sind. Es waren Wochen intensiver Arbeit, in denen das gottgeweihte Leben und seine Sendung im Mittelpunkt der Reflexion und des Gebets der Kirche standen. 2. „Meine Seele dürstet nach dem lebendigen Gott” (Ps 42,3). Die gerade gehörten Lesungen enthalten viel Licht, das uns den einzigartigen Stand des gottgeweihten Lebens im Leben der Kirche erhellen kann. Der Antwortpsalm erinnert uns an die Taufliturgie mit der Weihe des reinigenden Wassers in der Ostemacht. Die Taufe ist die erste und grundlegende Weihe des Menschen. Mit dem Beginn des neuen Lebens in Christus hat der Getaufte - Mann oder Frau - teil an jener Weihe und jener vollkommenen Hingabe an den Vater, die seinem ewigen Sohn eigen war. Es ist der Sohn selbst, der in der Seele des Menschen den Wunsch erweckt, sich vorbehaltlos Gott hinzugeben: „Meine Seele dürstet nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?”(P.j 42,3). Auf der Weihe der Taufe baut die Ordensweihe mit ihrer deutlich eschatologischen Dimension auf. Niemand hat Gott je gesehen (vgl. Joh 1,18) in diesem irdischen Leben. Doch ist das seligmachende Schauen, das heißt das Schauen des Antlitzes Gottes „von Angesicht zu Angesicht” (1 Kor 13,12), die endgültige über alle Zeit hinausgehende Berufung eines jeden Menschen. Die gottgeweihten Personen haben die Aufgabe, uns alle daran zu erinnern. Der Glaube bereitet uns auf dieses selige Schauen vor, bei dem Gott sich dem Menschen schenkt in dem Maße, wie der Mensch mit seiner Liebe auf die Liebe des Ewigen geantwortet hat, die sich in der Menschwerdung und im Kreuz Christi geoffenbart hat. 3. „Denn für mich ist Christus das Leben” (Phil 1,21), schreibt der Apostel Paulus. „Amori Christi nihil praeponetur” (Nichts wird über die Liebe zu Christus gestellt), verkündet der hl. Benedikt in seiner Regel. „Amori Christi in paueribus nihil prae-ponatur” (Nichts wird über die Liebe zu Christus in den Armen gestellt werden), wird tausend Jahre später der hl. Vinzenz von Paul sagen. Welch erstaunliche Kraft besitzen diese Worte! Kann man sich europäische Kultur und Zivilisation ohne sie vorstellen? Und kann man sich die missionarischen Großtaten des ersten und des zweiten Jahrtausends vorstellen ohne sie? Und was soll man über das Mönchtum des christlichen Orients sagen, dessen Anfänge auf die ersten Jahrhunderte des Christentums zurückgehen? Ja, die sich von der Welt abgewandt haben, um Christus in Armut, Keuschheit und Gehorsam nachzufolgen, haben gleichzeitig die Welt verändert. In ihnen hat sich die Anrufung erfüllt: „Sende dei- 737 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen Geist aus, und du erneuerst das Antlitz der Erde” (vgl. Ps 104,30). Der Heilige Geist kennt „die Zeit und die Stunde”, zu denen Menschen berufen werden müssen, die die von den geschichtlichen Umständen gestellten Aufgaben erfüllen können. Er berief zu seiner Zeit Benedikt und dessen Schwester Scholastika. Er berief Bernhard, Franziskus und Klara von Assisi, Bonaventura, Dominikus, Thomas von Aquin und die hl. Katharina von Siena. Das Evangelium gelangte von den Straßen und Plätzen bis auf die Universitätslehrstühle. In der Zeit des westlichen Schismas und der Reformation berief er Ignatius von Loyola, Theresia von Avila, lohannes vom Kreuz und dann Franz von Sales und Petrus Claver. Mit ihnen vollendete sich eine tiefe spirituelle Reform, und es begann die große Zeit der Mission im Osten und im Westen. In den lahrhunderten, die uns näher sind, berief der Geist, der das Antlitz der Erde erneuert, andere, wie lohannes Baptist de La Salle, Paul vom Kreuz, Alfons Maria di Liguori und lohannes Don Bosco, um nur einige der Bekanntesten zu erwähnen. Am Ende des letzten lahrhunderts und im jetzigen hat dieser Geist des Vaters und des Sohnes durch Theresia vom Kinde lesu, durch Maximilian Kolbe und durch Schwester Faustina gesprochen. Was wäre die Welt, die antike und die moderne Welt, ohne diese Gestalten und die vieler anderer? Sie haben von Christus gelernt, daß „sein loch nicht drückt und seine Last leicht ist” (vgl. Mt 11,30) -, und haben es andere gelehrt. 4. Wir beenden die Synodenversammlung fast am Vorabend des Festes Allerheiligen. Die Apokalypse spricht von dieser großen Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen, die vor dem himmlischen Thron und vor dem Lamm Gottes stand (vgl. Offb 7,9). Und es folgt die bedeutungsvolle Frage: Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen? Woher sind sie gekommen - fragen auch wir uns. Kommen sie nicht gerade aus der unzähligen Instituten gottgeweihten Lebens der Männer und der Frauen, die es ir der Kirche gibt? Die im Laufe der lahrhunderte verkündeten Heilig- und Seligsprechungen bezeugen das. Das bezeugen im besonderen die Seligsprechungen, die ir diesem Monat den Weg der Synode gleichsam begleitet haben. 5. Heute, am letzten Samstag im Oktober, bringen wir dir, Maria, Mutter und lung-frau, demütige Magd des Herrn und Königin aller Heiligen, die Früchte der Synodenarbeit dar. Wir vertrauen sie dir an, Königin des Rosenkranzes, Königin dieses schönen Gebetes, das uns diesen ganzen Monat hindurch Tag für Tag getragen hat. Erwirke uns, daß diese Früchte durch einen einzigartigen Austausch der Gaben aucl dem Anliegen der Familie nützen und den Plan der göttlichen Vorsehung unterstüt zen, nach deren Willen die Synode über das gottgeweihte Leben im lahr der Familif gefeiert wurde. Dich loben, Herr, die gottgeweihten Menschen. Dich loben die christlichen Familiei der ganzen Welt. Dich lobt die Kirche für das Geschenk der Synode. Meine Seeli preist die Größe des Herrn” (Lk 1,46). 738 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Religion muß den Frieden fördern Ansprache an die 6. Versammlung der Weltkonferenz der Religionen für den Frieden am 3. November Liebe Freunde! 1. Mit Freuden entbiete ich den Teilnehmern der Weltkonferenz für Religion und Frieden anläßlich der Eröffnung Ihres 6. Treffens, das Sie später in Riva del Garda fortsetzen werden, ein herzliches Willkommen. Der Hl. Stuhl hat an früheren Versammlungen teilgenommen und verfolgt weiterhin mit Interesse Ihre Bemühungen, für den Frieden zusammenzuarbeiten in einer Art und Weise, wie sie Männern und Frauen mit tiefen religiösen Überzeugungen entspricht. Ich danke Reverend Nikkyo Niwano, daß er so freundlich die Beziehungen erwähnt hat, die schon seit Beginn Ihrer Organisation zwischen ihr und dem Hl. Stuhl bestehen. Als ich im Juli 1991 die Mitglieder Ihres Internationalen Rates begrüßte, sprach ich von der Notwendigkeit, daß die Religionen der Welt auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Werte einen Dialog des gegenseitigen Verstehens und des Friedens aufnehmen. Diese Werte sind nicht nur human oder humanistisch, sie gehören vielmehr in das Reich der tieferen Wahrheiten, die das Leben des Menschen in dieser Welt und seine Bestimmung betreffen (vgl. Nostra aetate, Nr. 1). Heute ist ein solcher Dialog notwendiger denn je. In der Tat, wenn alte Schranken fallen, dann erheben sich neue, wann immer fundamentale Wahrheiten und Werte vergessen oder verdunkelt werden, selbst bei Menschen, die sich als religiös bezeichnen. Durch den interreligiösen Dialog sind wir fähig, für jene Wahrheiten Zeugnis zu geben, die der notwendige Bezugspunkt für den einzelnen und für die Gesellschaft sind: die Würde eines jeden Menschen, welches auch immer seine ethnische Herkunft, seine religiöse Zugehörigkeit und seine politische Einstellung sein mögen. Wir bezeugen, daß wir alle Männer und Frauen achten und lieben, weil sie Geschöpfe Gottes und darum von unschätzbarem Wert sind. Echter Dialog hilft uns, einander als religiöse Männer und Frauen zu verstehen, und macht uns fähig, unsere Unterschiede zu respektieren, ohne aber deshalb davon abzusehen, klar und eindeutig zu erklären, was wir für den wahren Weg zum Heil halten. Ebenso sollten wir zusammen die religiöse Freiheit für alle aufrechterhalten. Religiöse Freiheit ist der Eckstein jeglicher Freiheit. Andere daran hindern, ihre Religion frei zu bekennen, läuft schließlich darauf hinaus, auch unsere eigene zu gefährden. 2. Das Thema dieses 6. Welttreffens: „Die Welt wieder heilen: Die Religionen für den Frieden” bildet schon in sich eine kraftvolle Bestätigung einer grundlegenden Wahrheit, daß nämlich Religion auf jenen Frieden hingeordnet ist, der die göttliche Harmonie widerspiegelt. Wenn Sie über die Rolle der Religion bei der Heilung der Welt nachdenken, werden Sie einige der Haupterscheinungen des menschlichen 739 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leidens untersuchen: den Mißbrauch natürlicher Ressourcen, Gewalt und Krieg, Unterdrückung und Mangel an Gerechtigkeit und Achtung vor der menschlichen Person. Gewaltanwendung in jeder Form steht nicht nur im Gegensatz zu der Achtung, die wir jedem Mitmenschen schulden, sie widerspricht auch dem wahren Wesen der Religion. Was es auch immer in der Vergangenheit an Konflikten gegeben haben mag, ja selbst heute noch gibt, es ist unsere gemeinsame Aufgabe und Pflicht, eine bessere Kenntnis der Beziehung zwischen Religion und Frieden zu verbreiten. Diese Verpflichtung ist der Ihrer Vereinigung eigenen Identität eingeschrieben. Heute müssen religiöse Führer klar erkennen lassen, daß sie sich gerade wegen ihrer religiösen Überzeugung zur Förderung des Friedens verpflichtet haben. Religion ist kein Vorwand für Konflikte und darf es nicht werden, besonders nicht, wenn religiöse, kulturelle und ethnische Identität mit hereinspielen. Kürzlich hatte ich leider Grund, noch einmal folgendes zu bekräftigen: „Man kann sich nicht als an den allmächtigen und barmherzigen Gott Glaubenden betrachten und im Namen Gottes selbst es wagen, den Bruder zu töten” (Generalaudienz, 26.10.94). Religion und Frieden gehen Hand in Hand: Im Namen der Religion Krieg zu fuhren, ist ein krasser Widerspruch. Ich hoffe, daß es Ihnen während Ihrer Konferenz gelingen wird, Wege zu finden, diese tiefe Überzeugung zu verbreiten. 3. Gestatten Sie mir, in diesem Internationalen Jahr der Familie Ihre Aufmerksamkeit auf die enge Verbindung zwischen Religion und Familie zu lenken. Die Familie ist die erste Gemeinschaft, der es aufgegeben ist, zu den wesentlichen Werten des menschlichen Lebens zu erziehen, vor allem die Überzeugung weiterzugeben, daß „der Wert des Menschen mehr in ihm selbst liegt als in seinem Besitz” (Gaudium e\ spes, Nr. 35). Da die Religion Bezug nimmt auf den Plan Gottes für das Leben und für die Gesellschaft, hilft sie der Familie, diese Aufgabe auf der grundlegender Ebene zu erfüllen. Zusammenarbeit zwischen religiösen Führern ist wichtig zur Aufrechterhaltung dieser grundlegenden menschlichen Institution, vor allem in diese] Zeit, in der sie von vielen Seiten angegriffen wird, als ob es sich dabei um etwas handle, was aufgegeben und vergessen werden oder durch andere Formen persönlicher Beziehungen ersetzt werden kann. Die Welt heilen heißt auch, wenn nicht gai an erster Stelle, die Familie verteidigen als eine Gemeinschaft von Personen mi gleicher Würde, die in Harmonie für das Gemeinwohl Zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang sollte auch dem Wohnungs- und Siedlungsproblem Aufmerksamkeit gewidmet werden. Der Mangel an angemessenen und erschwinglichen den Bedürfnissen der Familie entsprechenden Wohnungen ist heute weit verbreitet und er betrifft hauptsächlich jüngere Leute. Außerdem sind mancherorts die vor sätzliche Zerstörung von Häusern und Siedlungen und Zwangsumsiedlungen ethni scher Gruppen zu einer grausamen Waffe der Diskriminierung und des Krieges ge worden. Ihr Einsatz, hebe Freunde, für den Dienst am Frieden erfordert, daß Sii diese Tragödie unserer Zeit eingehend ins Auge fassen, eine Tragödie, zu derei Heilung beizutragen die Religionen berufen sind. Zahllose Flüchtlinge und Vertrie 740 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bene, oft von ihren Familien getrennt, warten auf den Trost und die Hilfe, die die Religionen ihnen geben können und sollten. Die Vereinten Nationen hoffen, sich 1997 mit der dringenden Frage der menschlichen Siedlungen zu befassen. Es ist für religiöse Gemeinschaften nicht zu früh, um mit dem Nachdenken über die gemeinsamen Werte zu beginnen, die sie anzubieten haben und die der internationalen Gemeinschaft helfen können, die Frage mit angemessener Aufmerksamkeit für die damit verbundenen moralischen und ethischen Aspekte aufzugreifen. 4. In der Heiligen Schrift der Christen lesen wir von einem Mann, der sich zu recht-fertigen suchte. Er fragt Jesus, wer denn sein Nächster sei. Durch das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter gibt Jesus der Frage eine andere Richtung. Die Frage ist nicht, wer der Nächste von jemandem ist, sondern vielmehr, wer sich selbst zum Nächsten des armen Mannes gemacht hat, der der Gewalt der Räuber zum Opfer fiel. Die Antwort sollte uns beständig im Geist und im Herzen klingen: „Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat” (Lk 10,29-37). Barmherzigkeit ist die Frucht einer Liebe, die in all denen, die leiden, die Würde des Menschen anerkennt, aus welchen Verhältnissen sie auch kommen, welcher Nationalität oder Religion sie auch angehören mögen. Diese mitfühlende Liebe kennt keine Feinde, nur Brüder und Schwestern; sie ist universal. Die Wunden der Menschheit können uns nicht gleichgültig lassen. Wir müssen heilen, trösten, Sorge tragen für die Scharen von Leidenden, einzelnen und Völkern. Ihre jetzige Versammlung kann, wenn,, sie sich den Ursachen des Leidens zuwendet, zum Werkzeug werden, daß Menschen in ihrem Gewissen sich der tiefen menschlichen Solidarität bewußt werden, ohne die der Friede nicht möglich ist. 5. Der Friede ist ein kostbares Geschenk von Gott, das im Gebet gesucht und in Ehrfurcht gefördert werden muß. Diese Überzeugung hat mich dazu geführt, im Oktober 1986 religiöse Führer nach Assisi einzuladen, um für den Frieden in der Welt zu fasten und zu beten. Einige von Ihnen waren bei dieser erinnerungswürdigen Gelegenheit anwesend. Angesichts der jetzigen Tragödien der Gewalt in Bosnien und Herzegowina, in Ruanda und in vielen anderen heimgesuchten Gegenden dieser Welt laßt uns unaufhörlich um Frieden beten. Wer in Demut und Wahrheit um dieses Geschenk betet, kann nicht umhin, sich auch dem Werk des Friedens zu widmen. Laßt uns miteinander den Frieden lieben und anderen Frieden bringen. Ihre Versammlung wird, dessen bin ich gewiß, eine Einladung an religiöse Männer und Frauen überall sein, sich in den Dienst des Friedens und der Versöhnung zu stellen. „Die Welt heilen” durch den Einsatz der „Religionen für den Frieden” bedeutet, daß Sie in Glauben und Hoffnung auf den Einen blicken, in dem wir „leben, uns bewegen und sind” (Apg 17,28), um besser als Werkzeug zu dienen, damit sich die wahre Bestimmung des Menschen hier und im Jenseits erfüllt. Gottes Segen sei über Ihnen und Ihren Familien, über Ihren Beratungen und über allen Mitgliedern Ihrer Organisation. 741 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ehe und Familie - Thema des Kirchenrechts Ansprache an die „Consociatio Intemationalis Studio Iuris Canonici promovendo” am 3. November Liebe Schwestern und Brüder! 1. Ich freue mich, in Ihnen die Teilnehmer an dem Treffen zu empfangen, das, vom Institut der Wissenschaften für die Familie an der Universität Navarra über „Kirchenrechtliche Aussagen über die auf die Ehe gegründete Familie angesichts des 3. Jahrtausends” veranstaltet, in Rom am „Ateneo Romano della Santa Croce” unter der Schirmherrschaft des Päpstlichen Rats für die Familie und der „Consociatio Intemationalis Studio Iuris Canonici promovendo” stattgefunden hat. Ich begrüße Msgr. Eugenio Corecco, den Präsidenten der „Consociatio”, den Rector magnificus des römischen Athenäums vom Heiligen Kreuz, Msgr. Luis Clavell -dem ich für den an mich gerichteten Gruß herzlich danke -, und den Leiter des Instituts der Wissenschaften für die Familie an der Universität Navarra, Prof. Pedro-Juan Viladrich. Mein Gruß gilt ferner den Referenten und Ihnen allen, die Sie an diesem Studientreffen teilgenommen haben. Es stellt einen bedeutenden Teil des von Ihrem Institut als besonderer Beitrag der Wissenschaft des Kirchenrechts zum Internationalen Jahr der Familie unternommenen Forschungsprogramms dar. 2. Die Kirche hat sich unter der Führung des Heiligen Geistes immer eng mit dei Familie verbunden gefühlt - hat sich doch in der Familie von Nazaret das göttliche Geheimnis der Menschwerdung des Wortes vollzogen. Im Lauf der Jahrhunderte hal die christliche Gemeinschaft versucht, jene große Wahrheit in immer tieferer Weise auszudrücken, die große Wahrheit, nach der von Anfang an (vgl. Gen 1,1) in der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau die eheliche Gemeinschaft und die Familie, die auf sie gegründet ist, eine besondere und bevorzugte Offenbarung des Dreieinigen Gottes und zugleich eine Offenbarung der grundlegend familienbezogenen Natur der menschlichen Person ist. So habe ich im Brief an die Familien geschrieben: „Im Licht des Neuen Testamentes ist es möglich, das Urmodell der Familie in Gott selbst, im trinitarischen Geheimnis seines Lebens, wiederzuerkennen’ (Nr. 6). Darum ist sowohl für die Kirche wie für die zivile Gesellschaft die auf die Ehe ge gründete Familie der erste und hauptsächliche Weg, um die Wahrheit und di< Würde des Menschen zu erkennen und zu schützen (vgl. ebd., Nr. 2). Es besteht eh wesensmäßiges Band zwischen dem Geheimnis und der Sendung der Kirche und de geschichtlichen Bestimmung der Familie. In diesem Sinn war es in jedem Zeitab schnitt die Aufgabe der Kirche, auch durch die Wissenschaft des Kirchenrechts dem Gottesvolk und der menschlichen Gemeinschaft das Stufe um Stufe vertiefti Verständnis der Ehe und der Familie, wie es aus der Offenbarung, der Tradition um dem Lehramt zu entnehmen ist, offenkundig zu machen. Das bringt eine bessen 742 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kenntnis nicht nur des Mannes und der Frau, sondern auch der Bestimmung zu liebender Gemeinschaft mit sich, wie sie der Schöpfer für jeden Menschen und für die ganze Menschheit vorgesehen hat. In unserer Zeit droht leider die Gefahr, die ursprünglich dem Menschen eingeschriebene Harmonie des Anfangs, wie sie das göttliche Geschenk der Familie darstellt, zu zersplittern. Wir erleben verschiedene Versuche, die Bande zu zerreißen, die den bräutlichen Sinn der menschlichen Sexualität mit der Wahrheit der Liebe zwischen Mann und Frau, die Ehe mit der Fruchtbarkeit und die Familie mit der Gesellschaft als Ganzes verbinden. Zusammen mit diesen beunruhigenden Elementen bietet unsere Zeit, vielleicht wie bisher keine andere, dem Volk Gottes und der juristischen Bildung der menschlichen Gemeinschaft aber Gelegenheit zu reicheren und vollständigeren Aussagen des Kirchenrechts über die auf die Ehe gegründete Familie. Die lobenswerten Bemühungen der kirchenrechtlichen Wissenschaft in dieser Richtung sollen also ermutigt werden. Ihr Kongreß ist ein bedeutsames Zeugnis dafür. 3. In den Nachforschungen und Überlegungen dieser Tage betrachten Sie die Harmonie, die der Familie als einem Geschenk Gottes an den Menschen innewohnt, ausgehend von der menschlichen Person, in der sich Sexualität, Körperlichkeit und das Prinzip des Personseins wesenhaft verbinden. In dieser Sicht erscheint die sexuelle Liebe des Menschen als Integration der Dynamik von instinktiven, affektiven und Willenskräften des Menschen. Der Ehebund stellt sich seinerseits dar als das Vermögen, von der geschlechtlichen Zweiheit her eine echte Gemeinschaft zwischen den Eheleuten entstehen zu lassen. So entsteht jene eheliche Lebens- und Lie-besgemeinschaft, die zwei Menschen miteinander verbindet und sie gleichzeitig für die Zeugung und Erziehung von Kindern öffnet. Auf diese Weise entsteht die Familie. Als Gemeinschaft der Ehegatten, der Eltern, der Kinder und Geschwister stellt sie sich als grundlegende Zelle der Gesellschaft und als Hauskirche dar. Dieses tiefgründende Zusammenwirken von anthropologischen Elementen, das die Wahrheit über den Menschen offenbart und schützt, hat in der Menschwerdung des Göttlichen Wortes und der Erlösung die Dimension eines neuen, großen Geheimnisses angenommen: Der Herr selbst, der Bräutigam der Kirche, schenkt sich den Ehegatten als Bräutigam in der Sakramentalität der christlichen Ehe. 4. „Die Kirche bekennt, daß die Ehe als Sakrament des Bundes der Ehegatten ein tiefes Geheimnis ist, da sich in ihr die bräutliche Liebe Christi zu seiner Kirche ausdrückt” (ebdNr. 19). Es ist lohnend, in dieser Hinsicht über das Eingreifen der lungfrau Maria bei der Hochzeit von Kana nachzudenken. Maria ist die Frau, welche die Eigenschaften der Tochter Gottvaters, der Mutter des Gottessohnes und der Braut des Heiligen Geistes, in sich vereint. In ihrer edlen mütterlichen Sorge macht sie auf die peinliche Situation und die Verlegenheit des Brautpaars aufmerksam: Sie stellt die Grenzen der menschlichen Voraussichten im Hinblick auf die Hochzeit fest. „Sie haben keinen Wein mehr” (Joh 2,3). In dem Augenblick, in dem Jesus 743 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich anschickt, die Zeit seines häuslichen Lebens zu beenden, um sein öffentliches Leben zu beginnen, bittet Maria, daß er eingreifen möge. Sie ist es auch, die darauf besteht: „Was er euch sagt, das tut!” (Joh 2,5). Und der Herr verwandelt das Wasser in den neuen und besseren Wein, ein Zeichen der göttlichen Liebe, die die menschliche Liebe verwandelt und sie zur erlösenden Berufung und zum Weg christlicher Heiligkeit macht. Liebe Schwestern und Brüder! Möge die Wissenschaft des Kirchenrechts die Gottesmutter betrachten, und möge die Gottesmutter dieses Ihr Verantwortungsbewußtsein für die Vertiefung der kirchenrechtlichen Aussagen über die auf das Ehesakrament gegründete Familie billigen ebenso wie die verschiedenen Initiativen, die das Wissenschaftliche Institut für die Familie in diesem Internationalen Jahr der Familie unternommen hat! In diesem Sinn erteile ich allen von Herzen meinen Segen. Ökumenische Brüderlichkeit Grußwort an anglikanische und katholische Bischöfe aus den USA am 7. November Liebe Brüder in Christus! 1. Es ist für mich eine große Freude, euch im Vatikan zu begrüßen, hebe Bischöfe der anglikanischen Gemeinschaft und der katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten. Ihr seid nach Rom gekommen auf einer Pilgerfahrt, die in Canterbury eine weitere bedeutende Etappe hatte. Ich schätze die Grüße, die ihr mir von Erzbischoi Carey überbracht habt, und ich erwidere sie gerne. Ihr macht diese Reise in einen Geist ökumenischer Brüderlichkeit mit dem Wunsch, den Dialog zwischen Anglikanern und Katholiken in eurem Land immer intensiver zu fördern. Ich danke Bischoi Griswold für seine freundlichen Worte, und es ermutigt mich, daß wir uns darin einig sind, in der Sehnsucht nach Einheit, die der Heilige Geist schon seit vielen Jahren in den Herzender Jünger Christi geweckt hat, eine „göttliche Aufforderung unc Gnade” zu sehen (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 1). 2. Ein wunderbares Geschenk der Gnade Gottes ist allein schon unser gemeinsame! Bewußtsein, daß ökumenische Beziehungen ein wesentliches Erfordernis unsere; Gehorsamsgegenüber dem Herrn sind. Jesus betete ja in der Tat zum Vater für seine Jünger: „Alle sollen eins sein [...] damit die Welt glaubt” (Joh 17,21). Die Fortschritte, die auf diesem Weg bereits gemacht wurden, können uns alle ermutigen Vor allem ihr in den Vereinigten Staaten könnt auf viele wirksame Beispiele der Zu sammenarbeit in christlichem Zeugnis und Dienst zwischen anglikanischen und ka tholischen Diözesen und Pfarreien hinweisen. Das gemeinsame Gebet für die Ein heit ist schon fast zur guten Gewohnheit geworden. Ihr seid euch auch der Notwen digkeit des gemeinsamen Zeugnisses in Dingen der christlichen Moral klar bewußt Auf dem aufbauend, was schon in dem Dokument der internationalen, anglikanisch 744 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN römisch-katholischen Kommission Leben in Christus: Sittenlehre, Gemeinschaft und Kirche erbracht wurde, seid ihr, um dem göttlichen Lehrer treu zu sein, immer stärker herausgefordert, nach einem einheitlichen Standpunkt in den moralischen Fragen zu suchen, die die Männer und Frauen unserer Zeit so tief berühren. Für das alles, für „die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde” (.1 Kor 1,4), müssen wir dankbar sein. 3. Gleichzeitig sind wir uns schmerzlich der Hindernisse bewußt, die sich uns noch in den Weg stellen. Wir sollten über auftretende Schwierigkeiten weder überrascht sein noch uns davon zurückhalten lassen. Ihr habt in diesem Zusammenhang die ernste Meinungsverschiedenheit zwischen der katholischen Kirche und der anglikanischen Gemeinschaft hinsichtlich der Priesterweihe von Frauen erwähnt. Zugleich ist es ermutigend zu hören, daß ihr diese wichtige Frage in die rechte Perspektive stellt, nämlich eine grundlegend christliche Perspektive, die den Gehorsam gegenüber Christus, dem Haupt, als erste Pflicht der Kirche betrachtet (vgl. Eph 5,23), eine Perspektive, die unserer Befugnis Grenzen setzt in Beziehung zu dem, was überliefert wurde (vgl. Ordinatio sacerdotalis, Nr. 4). Nur eine theologische Sicht, inspiriert von einem Glauben, der von Gebet und Kontemplation erfüllt ist, wird auf unserem weiteren Pilgerweg zur vollen Gemeinschaft unsere Aufgeschlossenheit für die sichere Führung des Heiligen Geistes gewährleisten. 4. Worin liegt nun angesichts dieser und anderer Schwierigkeiten unsere ökumenische Hoffnung? Sie ist in der Kraft dessen begründet, was uns trotz unserer Verschiedenheit eint. Anglikaner und Katholiken teilen schon jetzt einen tiefen Glauben an die Geheimnisse des Lebens, des Todes und der Auferstehung unseres Erlösers. Diese Geheimnisse, die uns in der Taufe vergegenwärtigt wurden, sind die Quelle unseres Lebens in der Kirche. Die Taufe aber ist „nur ein Anfang und Ausgangspunkt”, da sie „hinzielt auf die Erlangung der Fülle des Lebens in Christus” (Unitatis redintegratio, Nr. 22). So ist die Taufe erfüllt von einer inneren Dynamik hin zu einer immer vollkommeneren Teilhabe an der Kirche als Gemeinschaft des Glaubens und der sichtbaren communio. Unsere Hoffnung ist also nicht etwas, das wir selbst zustande gebracht haben, sondern sie strömt immer neu aus der Wirkkraft der Gaben, durch die Gott auf Erden sein Volk aufbaut, die Kirche, die in fremdem Land und fern von ihrem Herrn unterwegs ist (vgl. 2 Kor 5,6), bis sie mit ihrem Bräutigam in Herrlichkeit erscheint (vgl. Kol 3,1-4; Lumen Gentium, Nr. 6). Wir sind dem Jahr 2000 nun schon nahe, und ich bete, daß auf unserem Weg zur vollen Gemeinschaft der Herr uns führen möge und wir wieder gemeinsam für das Evangelium Christi Zeugnis geben können, „damit die Welt glaubt” (Joh 17,21). In Freundschaft mfe ich auf euch alle die Gnade und den Frieden Gottes herab. 745 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geistliche Nähe in Gemeinschaft der Heiligen Predigt beim Seelenamt für die verstorbenen Kardinale und Bischöfe am 8. November Liebe Brüder und Schwestern, die ihr an dieser hl. Messe teilnehmt! Während des Monats, der besonders dem Totengedenken gewidmet ist, versammeln wir uns um den Altar des Herrn, um das hl. Meßopfer darzubringen für die Seelen der Kardinale und Bischöfe, die uns im Laufe des Jahres verlassen haben, damit sie in die selige Heimat gelangen. Wir gedenken besonders unserer betrauerten Brüder, der Kardinäle Gabriel-Marie Garonne, Antoine Pierre Khoraiche, Justinus Darmojuwono, Joseph Cordeiro, Francois Marty, Owen Mc Cann, Pablo Munoz Vega und Albert Decourtray, zusammen mit allen verstorbenen Erzbischöfen und Bischöfen, für die wir die barmherzige Güte des Allerhöchsten erbitten. Die Feier der Eucharistie für ihre Seelen lädt uns ein, über die grundlegenden Wahrheiten nachzudenken, die uns Jesus, das menschgewordene Wort, offenbart hat, um uns auf unserem irdischen Weg eine Stütze zu geben. Es sind die Wahrheiten von der Unsterblichkeit der Seele, von Hölle, Fegefeuer und Paradies - Glaubenswahrheiten, die heutzutage von nicht wenigen Menschen vernachlässigt werden, wenn sie sie nicht sogar in Frage stellen oder leugnen. Wir hingegen bekräftigen sie in der Perspektive der mystischen Gemeinschaft der Heiligen, in die wir als Pilger auf dem Weg zur Heimat tiefinnerlich eingefügt sind. Der Gedanke an die Gemeinschaft der Heiligen läßt uns die Nähe der verstorbenen Bischöfe, derer wir heute gedenken, ganz besonders intensiv verspüren. Die Erinnerung an den großherzigen Dienst, den sie für Gott und die Kirche geleistet haben, weckt in uns Empfindungen der dankbaren Bewunderung und der Trauer: Durch ihre Tätigkeit haben sie versucht, immer „Licht der Welt” und „Salz der Erde” zu sein, gemäß der Aufforderung des Erlösers und dem von ihm dargelegten Programm. Aus dem Licht und aus dem Frieden des ewigen Lohns, die sie nun erreicht haben, mahnen sie uns und spornen sie uns an, wie der hl. Paulus schreibt, „besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben, während wir auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus” (Tit 2,12-13). Die selige Jungfrau Maria, die für sie Leitung und Trost auf ihrem persönlichen We£ der Heiligung und in der Ausübung ihres Hirtenamtes gewesen ist, unterstütze unc erleuchte auch uns, die wir sie lieben und anrufen. Sie helfe uns, unsere Pflicht ir den verschiedenen Ämtern, die uns in der Kirche Gottes übertragen worden sind immer zu erfüllen, damit wir Zeugen der Wahrheit und Heiligkeit unter unserer Brüdern sein können. So werden auch wir eines Tages vom Herrn, dem gerechter Richter, die Krone des Lohns erhalten, die er allen Menschen, „die sehnsüchtig au sein Erscheinen warten” (2 Tim 4,8), zu geben bereit ist. 746 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tertio millennio adveniente Apostolisches Schreiben an die Bischöfe, Priester und Gläubigen zur Vorbereitung auf das Jubeljahr 2000 vom 10. November An die Bischöfe, An die Priester und Diakone, An die Ordensmänner und Ordensfrauen, An die Laien. 1. Während das dritte Jahrtausend neuer Zeitrechnung näherrückt, kommen uns unwillkürlich die Worte des Apostels Paulus in den Sinn: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau” (Gal 4,4). Die Fülle der Zeiten ist identisch mit dem Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes, des mit dem Vater wesensgleichen Sohnes, und mit dem Geheimnis der Erlösung der Welt. Der hl. Paulus unterstreicht an dieser Stelle, daß der Sohn von einer Frau geboren wurde, unter dem Gesetz geboren und in die Welt gekommen ist, um alle freizukaufen, die unter dem Gesetz standen, damit sie die Sohnschaft erlangten. Und er fügt hinzu: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater!” Wirklich tröstlich ist sein Schlußsatz: „Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott” (Gal 4,6-7). Diese paulinische Darlegung des Inkamationsgeheimnisses enthält die Offenbarung des Geheimnisses der Dreifaltigkeit und der Fortsetzung der Sendung des Sohnes in der Entsendung des Heiligen Geistes. Die Menschwerdung des Gottessohnes, seine Empfängnis, seine Geburt sind die Voraussetzung für die Aussendung des Heiligen Geistes. Der Text des hl. Paulus läßt so die Fülle des Geheimnisses der erlösenden Menschwerdung durchscheinen. 1. „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute ..ß(Hebr 13,8) 2. Lukas hat uns in seinem Evangelium eine anschauliche Beschreibung der Umstände rund um Jesu Geburt vermittelt: „In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen (...). Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war” (Lk 2,1.3-7). So erfüllte sich, was der Engel Gabriel in der Verkündigung vorausgesagt hatte. An die Jungfrau in Nazaret hatte er sich mit den Worten gewandt: „Sei gegrüßt, du Be- 747 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gnadete, der Herr ist mit dir” (Lk 1,28). Diese Worte hatten Maria beunruhigt, und der göttliche Bote hatte sich deshalb hinzuzufügen beeilt: „Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden (...). Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden” (Lk 1,30-32.35). Marias Antwort auf die Botschaft des Engels war eindeutig: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast” (Lk 1,38). Niemals in der Geschichte des Menschen hing soviel von der Zustimmung der menschlichen Kreatur ab wie damals.1 3. Johannes faßt im Prolog seines Evangeliums die ganze Tiefe des Geheimnisses der Menschwerdung in einem einzigen Satz zusammen: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit” (Joh 1,14). Für Johannes ereignet sich in der Empfängnis und Geburt Jesu die Fleischwerdung des ewigen Wortes, das wesensgleich ist mit dem Vater. Der Evangelist bezieht sich auf das Wort, das im Anfang bei Gott war, durch das alles Seiende geworden ist; das Wort, in dem das Leben war, das Leben, das das Licht der Menschen war (vgl. Joh 1,1-5). Von dem eingeborenen Sohn, Gott von Gott, schreibt der Apostel Paulus, daß er „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung” war (Kol 1,15). Gott erschafft die Welt durch das Wort. Das Wort ist die ewige Weisheit; der Gedanke und das Wesensbild Gottes, „Abglanz seiner Herrlichkeit und Abbild seines Wesens” (Hebr 1,3). Von Ewigkeit her vom Vater gezeugt und geliebt, als Gott von Gott und Licht von Licht, ist er der Anfang aller von Gott geschaffenen zeitlichen Dinge. Die Tatsache, daß, als die Zeit erfüllt war, das ewige Wort geschöpfliche Gestalt angenommen hat, verleiht dem, was sich vor zweitausend Jahren in Betlehem ereignet hat, eine einzigartige kosmische Bedeutung. Dank des Wortes erscheint die kreatiirliche Welt als Kosmos, das heißt als geordnetes Universum. Und es ist erneut das Wort, das durch seine Fleischwerdung die kosmische Ordnung der Schöpfung erneuert. Der Brief an die Epheser spricht von dem Plan, den Gott in Christus vorausbestimmt hat: „um die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist” (Eph 1,10). 4. Christus, der Erlöser der Welt, ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen, und es gibt keinen anderen Namen unter dem Himmel, durch den wii gerettet werden können (vgl. Apg 4,12). Im Brief an die Epheser lesen wir: „Durch sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden nach dem Reichturr seiner Gnade. Durch sie hat er uns mit aller Weisheit und Einsicht reich beschenk: (...), wie er es gnädig im voraus bestimmt hat: Er hat beschlossen, die Fülle de: Zeiten heraufzuführen” (Eph 1,7-10). Christus, der mit dem Vater wesensgleiche Vgl. hl. Bernhard, In laudibus Virginis Matris, Homilia IV, 8, Opera omnia, Edit. Cisterc. (1966), 53. 748 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sohn, ist also derjenige, der Gottes Plan in bezug auf die ganze Schöpfung und besonders in bezug auf den Menschen offenbart. Wie das II. Vatikanische Konzil eindrucksvoll formuliert, „macht er ... dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine volle Berufung”.2 Er zeigt ihm diese Berufung durch die Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe. Als „Bild des unsichtbaren Gottes” ist Christus der vollkommene Mensch, der den Söhnen Adams die Gottebenbildlichkeit wiedergab, die von der Sünde verunstaltet war. In seiner menschlichen Natur, die frei von jeder Sünde ist und in der göttlichen Person des Wortes angenommen wurde, wird die jedem Menschen gemeinsame Natur zu einer erhabenen Würde erhöht: „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen hat er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen gebebt. Geboren aus Maria, der Jung-frau, ist er in Wahrheit einer aus uns geworden, in allem uns gleich außer der Sünde”. <69> <70> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. <70> Ebd. 5. Dieses Ereignis, daß der Sohn Gottes „einer aus uns geworden ist”, hat sich in größter Demut vollzogen, so daß es nicht verwundert, daß die nichtchristliche Geschichtsschreibung, die sich von aufsehenerregenden Ereignissen und prominenteren Persönlichkeiten gefangennehmen ließ, dem Anfang (des Christentums) nur flüchtige, wenn auch bedeutsame Andeutungen gewidmet hat. Hinweise auf Christus finden sich zum Beispiel in der Jüdischen Altertumskunde, einem von dem Historiker Flavius Josephus in den Jahren 93 und 94 in Rom verfaßten Werk, <71> und vor allem in den zwischen 115 und 120 verfaßten Annalen des Tacitus; in ihnen weist der Geschichtsschreiber unter Bezugnahme auf den Brand von Rom im Jahr 64, den Nero fälschlicherweise den Christen angelastet hatte, ausdrücklich auf Christus hin, der „auf Anordnung des Statthalters Pontius Pilatus unter Kaiser Tiberius hingerichtet wurde”. <72> Auch Sueton informiert uns in der um das Jahr 121 geschriebenen Biographie des Kaisers Claudius über die Vertreibung der Juden aus Rom, weil „sie auf Anstiftung eines gewissen Chrestus hin häufig Unruhen auslösten”. <73> Unter den Interpreten ist die Überzeugung verbreitet, daß sich dieser Abschnitt auf Jesus Christus bezieht, der zum Anlaß für Streit innerhalb des römischen Judentums geworden war. Wichtig ist zum Beweis für die rasche Ausbreitung des Christentums auch das Zeugnis Plinius’ des Jüngeren, Provinzstatthalters von Bithynien, der zwischen 111 und 113 dem Kaiser Trajan berichtet, daß sich eine große Anzahl von Personen 1 Vgl. Ant. lud. 20, 200, wie auch der bekannte und viel diskutierte Abschnitt 18, 63-64. <72> Annales 15, 44, 3. ^ Vita Claudii, 25, 4. 749 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „an einem bestimmten Tag vor Tagesanbruch” zu versammeln pflegten, „um im Wechselgesang einen Hymnus an Christus als einen Gott zu singen”. <74> Doch sein volles Licht gewinnt das große Ereignis, auf dessen Erwähnung sich die nichtchristlichen Historiker beschränken, in den Schriften des Neuen Testaments, die zwar Glaubensdokumente sind, aber deshalb in ihren Bezugnahmen insgesamt auch als historische Zeugnisse nicht weniger zuverlässig sind. Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, Herr des Kosmos, ist auch Herr der Geschichte, deren „Alpha und Omega” (Offb 1,8; 21,6), „Anfang und Ende” (Offb 21,6) er ist. In ihm hat dei Vater das endgültige Wort über den Menschen und über seine Geschichte gesprochen. Wie es der Hebräerbrief eindrucksvoll zusammenfaßt: „Viele Male und aut vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn” (Hehr 1,1-2). <74> 6. Jesus wurde aus dem auserwählten Volk geboren, in Erfüllung der an Abrahan ergangenen und von den Propheten immer wieder in Erinnerung gebrachten Verheißung. Diese sprachen jedoch im Namen und an Stelle Gottes. Denn der Heilsplar des Alten Testamentes ist im wesentlichen darauf ausgerichtet, das Kommen Christi des Erlösers des Alls, und seines messianischen Reiches vorzubereiten und anzukündigen. Die Bücher des Alten Bundes sind somit bleibende Zeugen einer sorgfältigen göttlichen Pädagogik. <75> In Christus erreicht diese Pädagogik ihr Ziel: Denn e: beschränkt sich nicht darauf, „im Namen Gottes” zu reden wie die Propheten, son dem er ist Gott selbst, der in seinem ewigen Wort, das Fleisch geworden ist, spricht Wir berühren hier den wesentlichen Punkt, durch den sich das Christentum von al len anderen Religionen unterscheidet, in welchen von Anfang an die Suche nacl Gott von seiten des Menschen Ausdruck fand. Im Christentum geht der Anstoß voi der Fleischwerdung des Wortes aus. Hier sucht nicht mehr nur der Mensch Gott sondern Gott kommt in Person, um zum Menschen über sich zu sprechen und ihn den Weg zu zeigen, auf dem er ihn erreichen kann. Genauso wie es der Prolog de: Johannesevangeliums verkündet: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, de Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht” (Joh 1,18). Da. fleischgewordene Wort ist also die Erfüllung der in allen Religionen der Mensch heit vorhandenen Sehnsucht: diese Erfüllung ist Gottes Werk und übersteigt jed< menschliche Erwartung. Sie ist Gnadengeheimnis. <75> In Christus ist die Religion nicht mehr ein „tastendes Suchen” (vgl. Apg 17,27) sondern Glaubensantwort an Gott, der sich offenbart: Antwort, in welcher de Mensch zu Gott als seinem Schöpfer und Vater spricht; Antwort, die von jenen einzigen Menschen ermöglicht wurde, der zugleich das Wort, eines Wesens mit den Vater, ist, in dem Gott zu jedem Menschen spricht und jeder Mensch dazu befähig wird, Gott zu antworten. Mehr noch, in diesem Menschen antwortet die ganz: Schöpfung Gott. Jesus Christus ist der Neuanfang von allem: alles findet sich in ihr Epist. 10, 96. Vgl II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum, Nr. 15. 750 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wieder, wird aufgenommen und dem Schöpfer zurückgegeben, von dem es seinen Ausgang genommen hat. Auf diese Weise ist Christus die Erfiillung der Sehnsucht aller Religionen der Welt und eben deshalb deren einziger und endgültiger Hafen. Wenn einerseits Gott in Christus über sich zur Menschheit spricht, so sprechen andererseits in demselben Christus die gesamte Menschheit und die ganze Schöpfung über sich zu Gott - ja, sie geben sich Gott hin. So kehrt alles zu seinem Anfang zurück. Jesus Christus ist die Wiederherstellung von allem (vgl. Eph 1,10) und zugleich die Vollendung aller Dinge in Gott: Vollendung, die Gottes Herrlichkeit ist. Die auf Jesus Christus gegründete Religion ist die Religion der Herrlichkeit, sie ist ein Sein in einem neuen Leben „zum Lob der Herrlichkeit” (Eph 1,12). Die ganze Schöpfung ist in Wirklichkeit eine Offenbarung seiner Herrlichkeit; besonders der Mensch (vivens homo) ist das Sichtbarwerden der Herrlichkeit Gottes, berufen, aus der Fülle des Lebens in Gott zu leben. 7. In Jesus Christus spricht Gott nicht nur zum Menschen, sondern er sucht ihn. Die Menschwerdung des Sohnes Gottes ist Zeugnis dafür, daß Gott den Menschen sucht. Dieses Suchen meint Jesus, wenn er von der Wiederauffindung des verlorenen Schafes spricht (vgl. Lk 15,1-7). Es ist eine Suche, die dem Innersten Gottes entspringt und in der Inkarnation des Wortes ihren Höhepunkt erreicht. Wenn Gott auf die Suche nach dem Menschen geht, der nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen ist, tut Er das, weil Er ihn von Ewigkeit her in dem Wort hebt und ihn in Christus zur Würde der Sohnschaft erhöhen will. Gott sucht also den Menschen, der in anderer Weise als jede andere Kreatur sein besonderes Eigentum ist. Er ist Eigentum Gottes aufgrund einer Erwählung aus Liebe: Gott sucht den Menschen, gedrängt von seinem väterlichen Herzen. Warum sucht Er ihn? Weil sich der Mensch von ihm abgewandt hat, indem er sich wie Adam unter den Bäumen des irdischen Paradieses versteckte (vgl. Gen 3,8-10). Der Mensch hat sich vom Feind Gottes verführen lassen (vgl. Gen 3,13). Satan hat ihn irregeführt, als er ihn überzeugte, er sei selbst Gott und könne wie Gott Gut und Böse erkennen, wenn er die Welt nach seinem eigenen Gutdünken beherrsche, ohne auf den göttlichen Willen Rücksicht nehmen zu müssen (vgl. Gen 3,5). Wenn Gott den Menschen durch den Sohn sucht, will er ihn dazu veranlassen, die Wege des Bösen, in die er immer tiefer hineingerät, aufzugeben. Ihn von jenen Wegen „abbringen” will heißen, ihm begreiflich zu machen, daß er sich auf Irrwegen befindet; das heißt, das in der menschlichen Geschichte verbreitete Böse überwinden. Überwindung des Bösen: also die Erlösung. Sie verwirklicht sich im Opfer Christi, durch das der Mensch die Schuld der Sünde ablöst und mit Gott versöhnt wird. Der Sohn Gottes ist eben deshalb Mensch geworden, indem er im Schoß der Jungfrau einen Leib und eine Seele annahm: um sich zum vollkommenen Erlösungsopfer zu machen. Die Religion der Menschwerdung ist die Religion der Erlösung der Welt durch das Opfer Christi, das den Sieg über das Böse, über die Sünde und selbst über den Tod einschließt. Als Christus den Tod am Kreuz auf sich nimmt, offenbart und 751 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schenkt er gleichzeitig das Leben, da er aufersteht und der Tod keine Macht mehr über ihn hat. 8. Die Religion, die im Geheimnis der erlösenden Menschwerdung ihren Ursprung hat, ist die Religion des ,,Verweilens in den Tiefen Gottes”, der Teilhabe an seinem inneren Leben. Davon spricht der hl. Paulus in dem eingangs zitierten Abschnitt: „Gott sandte den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater” (Gal 4,6). Der Mensch erhebt seine Stimme wie Christus, der sich besonders in Getsemani und am Kreuz „mit lauten Schreien und unter Tränen” (Hehr 5,7) an Gott wandte: der Mensch ruft zu Gott, wie Christus gerufen hat, und gibt so Zeugnis davon, daß er an seiner Sohnschaft durch das Wirken des Heiligen Geistes teilhat. Der Heilige Geist, den der Vater im Namen des Sohnes gesandt hat, bewirkt, daß der Mensch am inneren Leben Gottes teilhat. Er bewirkt, daß der Mensch wie Christus auch Sohn ist und Erbe jener Güter, die den Anteil des Sohnes bilden (vgl. Gal 4,7). Darin besteht die Religion des „Verweilens in der Tiefe des göttlichen Lebens”, die mit der Menschwerdung des Sohnens beginnt. Der Heilige Geist, dei die Tiefen Gottes ergründet (vgl. 1 Kor 2,10) führt uns, Menschen, kraft des Opfers Christi in diese Tiefen ein. II. Jubiläum des Jahres 2000 9. Wenn der hl. Paulus von der Geburt des Gottessohnes spricht, so verlegt er sie ir die „Fülle der Zeit” (vgl. Gal 4,4). Die Zeit hat sich in Wirklichkeit dadurch erfüllt, daß Gott sich mit der Inkarnation in der Geschichte des Menschen niedergelassen hat. Die Ewigkeit ist in die Zeit eingetreten: Was für eine größere „Erfüllung” als diese könnte es geben? Was für eine andere „Erfüllung” wäre möglich? Manche haben an gewisse geheimnisvolle kosmische Zyklen gedacht, in denen sich die Geschichte des Universums und im besonderen des Menschen ständig Wiederholer würde. Der Mensch kommt von der Erde und kehrt zur Erde zurück (vgl. Gen 3,19) das ist die unmittelbar augenfällige Tatsache. Aber im Menschen gibt es ein unbezwingbares Bestreben danach, für immer zu leben. Wie soll man sich sein Weiterleben über den Tod hinaus vorstellen? Einige haben sich verschiedene Formen vor Reinkarnation vorgestellt: Je nachdem, wie der Mensch in seiner vorausgegangener Existenz gelebt hat, würde er solange die Erfahrung einer neuen erhabeneren odei aber einer niedrigeren Existenz machen, bis er die volle Läuterung erlangt. Diese: Glaube, der in einigen orientalischen Religionen stark verwurzelt ist, weist untei anderem darauf hin, daß der Mensch nicht gewillt ist, sich mit der Unwiderruflichkeit des Todes abzufinden. Er ist überzeugt von seiner wesenhaft geistigen und unsterblichen Natur. Die christliche Offenbarung schließt die Reinkarnation aus und spricht von eine; Vollendung, die im Laufe eines einzigen Erdendaseins zu verwirklichen der Mensel berufen ist. Diese Vollendung seines Schicksals erreicht der Mensch in der aufrich 752 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tigen Selbsthingabe, einer Hingabe, die nur in der Begegnung mit Gott ermöglicht wird. In Gott findet der Mensch daher seine volle Selbstverwirklichung: Das ist die von Christus geoffenbarte Wahrheit. Der Mensch vollendet sich selbst in Gott, der ihm durch seinen ewigen Sohn entgegengekommen ist. Durch Gottes Kommen auf die Erde hat die mit der Schöpfung begonnene menschliche Zeit ihre Fülle erreicht. Denn „die Fülle der Zeit” ist nur die Ewigkeit, ja - der Ewige, das heißt Gott. In die „Fülle der Zeit” eintreten heißt, das Ende der Zeit erreichen und aus ihren Schranken heraustreten, um ihre Vollendung in der Ewigkeit Gottes zu finden. 10. Im Christentum kommt der Zeit eine fundamentale Bedeutung zu. Innerhalb ihrer Dimension wird die Welt erschaffen, in ihrem Umfeld entfaltet sich die Heilsgeschichte, die ihren Höhepunkt in der „Fülle der Zeit” der Menschwerdung und ihr Ziel in der glorreichen Wiederkunft des Gottessohnes am Ende der Zeiten hat. In Jesus Christus, dem fleischgewordenen Wort, wird die Zeit zu einer Dimension Gottes, der in sich ewig ist. Mit dem Kommen Christi beginnt die „Endzeit” (vgl. Hebr 1,2), die „letzte Stunde” (vgl. 1 Joh 2,18), beginnt die Zeit der Kirche, die bis zu seiner Wiederkunft dauern wird. Aus diesem Verhältnis Gottes zur Zeit entsteht die Pflicht, sie zu heiligen. Das ist zum Beispiel dann gegeben, wenn einzelne Zeiten, Tage oder Wochen Gott geweiht werden, wie es schon in der Religion des Alten Bundes geschah und im Christentum, wenn auch in neuer Weise, noch immer geschieht. In der Liturgie der Osternacht verkündet der Priester, während er die Kerze, Symbol des auferstandenen Christus, segnet: „Christus gestern und heute, Anfang und Ende, Alpha und Omega. Sein ist die Zeit und die Ewigkeit. Sein ist die Macht und die Herrlichkeit in alle Ewigkeit.” Er spricht diese Worte, während er die Zahl des laufenden Jahres in die Kerze einritzt. Die Bedeutung des Ritus ist unverkennbar: Er macht offenkundig, daß Christus der Herr der Zeit ist, er ist ihr Anfang und ihre Erfüllung; jedes Jahr, jeder Tag und jeder Augenblick werden von seiner Menschwerdung und seiner Auferstehung umfangen und befinden sich auf diese Weise in der „Fülle der Zeit”. Deshalb lebt auch die Kirche und feiert den Gottesdienst innerhalb des Jahreskreises. So wird das Sonnenjahr durchdrungen vom liturgischen Jahr, das, beginnend am ersten Adventssonntag und endend am Hochfest Christi als König und Herr des Universums und der Geschichte, gewissermaßen das Mysterium der Menschwerdung und der Erlösung als ganzes wiedergibt. Jeder Sonntag erinnert an den Tag der Auferstehung des Herrn. 11. Vor diesem Hintergrund wird der Brauch der Jubeljahre verständlich, der im Alten Testament beginnt und in der Geschichte der Kirche seine Fortsetzung findet. Als Jesus von Nazaret sich eines Tages in die Synagoge seiner Stadt begeben hatte, stand er auf, um aus der Schrift vorzulesen (vgl. Lk 4,16-30). Man reichte ihm das Buch des Propheten Jesaja, aus dem er die folgende Stelle las: „Der Geist des Herrn ruht auf nur; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, 753 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe” (vgl. 61,1-2). Der Prophet sprach vom Messias. „Heute - fügte Jesus hinzu - hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt” (Lk 4,21), womit er zu verstehen gab, daß eben er der von dem Propheten angekündigte Messias war und daß in ihm die so sehr erwartete „Zeit” anbrach, die Fülle der Zeit: Der Tag des Heils war gekommen. Alle Jubeljahre beziehen sich auf diese „Zeit” und betrejfen die messianische Sendung Christi, der gekommen ist als der „mit dem Heiligen Geist Gesalbte”, als der „vom Vater Gesandte”. Er soll den Armen die gute Nachricht verkünden. Er soll den Gefangenen die Freiheit bringen, die Unterdrückten befreien, den Blinden das Augenlicht zurückgeben (vgl. Mt 11,4-5; Lkl,27). Auf diese Weise verwirklicht ei „ein Gnadenjahr des Herrn”, das er nicht nur durch sein Wort, sondern vor allem durch seine Werke ankündigt. Jubeljahr, das heißt „ein Gnadenjahr des Herrn”, isl das Kennzeichen des Tuns Jesu und nicht nur die chronologische Definition einer bestimmten Wiederkehr. 12. Die Worte und Werke Jesu stellen somit die Erfüllung der gesamten Tradition der Jubeljahre des Alten Testamentes dar. Bekanntlich war das Jubeljahr eine Zeit, die in besonderer Weise Gott gewidmet war. Es fiel laut dem Gesetz des Mose aui jedes siebente Jahr: das war das „Sabbatjahr”, in welchem die Erde ruhen gelasser wurde und die Sklaven freigelassen wurden. Die Verpflichtung zur Freilassung dei Sklaven wurde durch detaillierte Vorschriften geregelt, die in den Büchern Exodui (23,10-11), Levitikus (25,1-28), Deuteronomium (15,1-6) enthalten sind, das heiß: praktisch in der gesamten biblischen Gesetzgebung, die so diese besondere Dimension erlangt. Außer der Freilassung der Sklaven sah das Gesetz im Sabbatjahr der Nachlaß aller Schulden nach genauen Vorschriften vor. Und das alles sollte zui Ehre Gottes geschehen. Was für das Sabbatjahr zutraf, galt auch für das „Jubeljahr”, das alle fünfzig Jahre begangen wurde. Im Jubeljahr wurden jedoch dk Bräuche des Sabbatjahres ausgeweitet und noch feierlicher begangen. Wir lesen in Buch Levitikus: „Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus! Es gelte euch als Jubeljahr. Jeder von euch soll zu seinem Grundbesitz zurückkehren, jeder soll zu seiner Sippe heimkehren” (25,10) Eine der gewichtigsten Konsequenzen des Jubeljahres war die generelle „Gleichstellung” aller freiheitsbedürftigen Bewohner. Aus diesem Anlaß gelangte jeder Israelit wieder in den Besitz des Landes seiner Väter, falls es nach seiner Versklavung verkauft worden oder verloren gegangen war. Er konnte nicht endgültig des Landes beraubt werden, da es Gott gehörte, noch konnten die Israeliten für im mer in einem Zustand der Knechtschaft verbleiben, da Gott sie mit ihrer Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten für sich als Alleineigentum „losgekauft” hatte. 13. Auch wenn die Vorschriften für das Jubeljahr großenteils eine ideale Perspek tive blieben - mehr eine Hoffnung als eine konkrete Verwirklichung, die allerding: zu einer prophetia futuri, einer Zukunftsprophezeiung, wurde als Vorankündigung 754 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der wahren Befreiung, die vom kommenden Messias vollbracht werden würde-, begann sich auf der Grundlage der in ihnen enthaltenen Rechtsnormen eine bestimmte Soziallehre abzuzeichnen, die dann, beginnend im Neuen Testament, eine deutlichere Entwicklung genommen hat. Das Jubeljahr sollte die Gleichheit zwischen allen Söhnen und Töchtern Israels wiederherstellen, indem es den Sippen, die ihren Besitz und sogar die persönliche Freiheit verloren hatten, neue Möglichkeiten eröffnete. Die Reichen hingegen erinnerte das Jubeljahr daran, daß die Zeit gekommen war, wo die israelitischen Sklaven, die ihnen wieder gleich geworden sind, ihre Rechte würden einfordem können. Man sollte in der vom Gesetz vorgesehenen Zeit ein Jubeljahr ausrufen und so jedem Bedürftigen zu Hilfe kommen. Das erforderte eine gerechte Regierung. Nach dem Gesetz Israels bestand die Gerechtigkeit vor allem in der Beschützung der Schwachen, und ein König sollte sich darin auszeichnen, wie der Psalmist geltend macht: „Denn er rettet den Gebeugten, der um Hilfe schreit, den Armen und den, der keinen Helfer hat. Er erbarmt sich des Gebeugten und Schwachen, er rettet das Leben der Armen” (Pi 72,12-13). Die Voraussetzungen einer solchen Tradition waren streng theologisch und standen vor allem im Zusammenhang mit der Schöpfungstheologie und mit der Theologie von der göttlichen Vorsehung. Es war nämlich allgemeine Überzeugung, daß allein Gott als Schöpfer das „dominium altum”, das heißt die Herrschaft über die ganze Schöpfung und im besonderen über die Erde, zustehe (vgl. Lev 25,23). Wenn Gott in seiner Vorsehung die Erde den Menschen geschenkt hatte, so bedeutete das, daß er sie allen geschenkt hatte. Daher mußten die Reichtümer der Schöpfung als gemeinsames Gut der ganzen Menschheit betrachtet werden. Wer diese Güter als sein Eigentum besaß, war tatsächlich nur deren Verwalter, das heißt ein Diener, der verpflichtet war, im Namen Gottes, des einzigen wahren Eigentümers, zu handeln, denn es ist Gottes Wille, daß die Güter der Schöpfung allen in richtiger Weise dienten. Das Jubeljahr sollte eben zur Wiederherstellung auch dieser sozialen Gerechtigkeit dienen. In der Tradition des Jubeljahres hat somit die Soziallehre der Kirche, die sich besonders im letzten Jahrhundert, vor allem seit der Enzyklika Rerum no-varum entwickelt hat, eine ihrer Wurzeln. 14. Hervorgehoben werden muß jedoch, was Jesaja mit den Worten „ein Gnadenjahr des Herrn ausrufen” ausdrückt. Für die Kirche ist das Jubeljahr genau dieses „Gnadenjahr”, ein Jahr des Erlasses der Sünden und der Strafen für die Sünden, ein Jahr der Versöhnung zwischen den Gegnern, ein Jahr vielfältiger Bekehrungen und sakramentaler und außersakramentaler Buße. Die Tradition der Jubeljahre ist daran gebunden, in weit größerem Maße als in anderen Jahren Ablässe zu gewähren. Neben den Jubeljahren, die alle hundert, fünfzig und fünfundzwanzig Jahre an das Mysterium der Menschwerdung erinnern, gibt es jene, die des Ereignisses der Erlösung gedenken: des Kreuzes Christi, seines Todes auf Golgota und seiner Auferstehung. Bei diesen Gelegenheiten ruft die Kirche „ein Gnadenjahr des Herrn” aus und bemüht sich darum, daß alle Gläubigen reichlicher in den Genuß dieser Gnade 755 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gelangen können. Darum werden die Jubeljahre nicht nur „in Urbe” (in Rom), sondern auch „extra Urbem” (außerhalb Roms) gefeiert: traditionsgemäß erfolgte das im darauffolgenden Jahr nach der Feier des Jubeljahres „in Urbe”. 15. Im Leben der einzelnen Personen sind die Jubiläen gewöhnlich an das Geburtsdatum gebunden, aber auch die Jahrestage von Taufe, Firmung, Erstkommunion, Priester- oder Bischofsweihe und des Empfangs des Ehesakramentes werden feierlich begangen. Manche dieser Jubiläen haben im weltlichen Milieu eine Entsprechung, aber die Christen schreiben ihnen stets einen religiösen Charakter zu. Dem: nach christlicher Auffassung stellt jedes Jubiläum - das 25-jährige oder sogenannte „silberne” Priester- oder Ehejubiläum ebenso wie das 50-jährige oder „goldene’ oder das 60-jährige oder „diamantene” - ein besonderes Gnadenjahr für den einzelnen Menschen dar, der eines der genannten Sakramente empfangen hat. Was wii von den Jubiläen von Einzelpersonen gesagt haben, läßt sich auch auf die Gemeinden oder die Institutionen anwenden. So wird also das hundertjährige oder tausendjährige Gründungsjubiläum einer Stadt oder einer Orts gemeinde begangen. In kirchlichen Raum feiert man die Jubiläen der Pfarreien oder Diözesen. Allen dieser persönlichen oder Gemeindejubiläen kommt im Leben der einzelnen und der Gemeinden eine wichtige und bedeutsame Rolle zu. Vor diesem Hintergrund stellt das Jahr zweitausend nach Christi Geburt (wöbe man von einer zeitlich exakten Berechnung absieht) nicht nur für die Christen, son dern in Anbetracht der vorrangigen Rolle, die das Christentum in diesen zwei Jahr tausenden ausgeübt hat, indirekt für die ganze Menschheit ein außerordentlich gro ßes Jubiläum dar. Bezeichnenderweise erfolgt die Berechnung des Ablaufes de Jahre nahezu überall vom Zeitpunkt des Kommens Christi in die Welt an, das st zum Mittelpunkt auch des heute meist gebräuchlichen Kalenders wird. Ist nich vielleicht auch das ein Zeichen für den unvergleichlichen Beitrag, den die Gebur Jesu von Nazaret zur Universalgeschichte geleistet hat? 16. Der Ausdruck „Jubiläum” spricht von Freude; nicht nur von innerer Freude sondern von einem Jubel, der sich auch nach außen hin kundtut, da das Kommei Gottes auch ein äußeres, ein sichtbares, hörbares und greifbares Ereignis ist, wie de hl. Johannes sagt (vgl. 1 Joh 1,1). Es ist daher nur recht und billig, daß jede Freu denbezeugung über dieses Kommen auch ihren äußeren Ausdruck findet. Er soll an zeigen, daß sich die Kirche über die Rettung freut. Sie lädt alle ein, sich zu freuen und sie bemüht sich um die Herstellung der Voraussetzungen, damit die rettende: Heilskräfte jedem mitgeteilt werden können. Das Jahr zweitausend wird daher da Datum des Großen Jubiläums anzeigen. Was den Inhalt angeht, wird dieses Große Jubeljahr in gewissem Sinne gleich wi jedes andere sein. Aber zugleich wird es andersartig und größer als jedes ander sein. Denn die Kirche respektiert die Zeitmaße: Stunden, Tage, Jahre, Jahrhunderte In dieser Hinsicht geht sie mit jedem Menschen im Schritt und macht gleichzeiti, einem jeden bewußt, daß jedes dieser Zeitmaße erfüllt ist von der Gegenwart Goi 756 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tes und seinem Heilswirken. In diesem Geist freut sich die Kirche, dankt, bittet um Vergebung, wenn sie ihre Bitten vor den Herrn der Geschichte und der menschlichen Gewissen trägt. Unter den dringendsten Bitten dieses außergewöhnlichen Augenblicks angesichts des herannahenden neuen Jahrtausends erfleht die Kirche vom Herrn, daß die Einheit zwischen allen Christen der verschiedenen Konfessionen bis hin zur Erlangung der vollen Gemeinschaft wachsen möge. Ich verleihe dem Wunsch Ausdruck, daß das Jubiläum die geeignete Gelegenheit für ein fruchtbares Zusammenwirken im gemeinsamen Tun all der vielen Dinge sei, die uns einen und die sehr viel mehr sind als diejenigen, die uns trennen. Wie sehr wäre es in dieser Hinsicht hilfreich, wenn in Anerkennung der Programme der einzelnen Kirchen und Gemeinschaften eine ökumenische Verständigung über die Vorbereitung und Verwirklichung des Jubiläums erreicht würde: Diese würde so vor der Welt noch mehr Kraft gewinnen in der Bezeugung des entschiedenen Willens aller Jünger Christi, baldmöglich die volle Einheit zu erreichen in der Gewißheit, daß „bei Gott nichts unmöglich ist” III. Die Vorbereitung des großen Jubeljahres 17. Jedes Jubiläum in der Geschichte der Kirche ist von der göttlichen Vorsehung vorbereitet. Das gilt auch für das Große Jubiläum des Jahres 2000. In dieser Überzeugung blicken wir heute sowohl mit einem Gefühl der Dankbarkeit wie der Verantwortung auf das, was in der Geschichte der Menschheit seit der Geburt Christi geschehen ist, und vor allem auf die Ereignisse zwischen dem Jahr tausend und dem Jahr zweitausend. Aber ganz besonders wenden wir uns mit dem Blick des Glaubens unserem Jahrhundert zu und suchen darin das, was nicht nur von der Geschichte des Menschen Zeugnis gibt, sondern auch vom göttlichen Eingreifen in die menschlichen Geschicke. 18. Aus dieser Sicht kann man sagen, daß das II. Vatikanische Konzil ein Ereignis der Vorsehung darstellt, durch das die Kirche die unmittelbarere Vorbereitung auf Jas Jubiläum des Jahres zweitausend in Gang gesetzt hat. Denn es handelt sich um äin Konzil, das zwar den früheren Konzilien ähnlich und doch sehr andersartig ist; ein Konzil, das sich auf das Geheimnis Christi und seiner Kirche konzentriert und zugleich offen ist für die Welt. Diese Öffnung war die evangelische Antwort auf die moderne Evolution der Welt mit den umwälzenden Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, das von einem Ersten und einem Zweiten Weltkrieg, von der Erfahrung der Konzentrationslager und von entsetzlichen Gemetzeln gepeinigt worden ist. Das Geschehene zeigt mehr denn je, daß die Welt der Läuterung, der Umkehr aedarf. Vlan begegnet oft der Meinung, das II. Vatikanische Konzil bezeichne eine neue Epoche im Leben der Kirche. Das ist wahr, aber zugleich ist kaum zu übersehen, laß die Konzilsversammlung viel aus den Erfahrungen und Überlegungen der vor- 757 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hergehenden Periode geschöpft hat, besonders aus dem gedanklichen Erbe Pius’ XII. In der Geschichte der Kirche sind „das Alte” und „das Neue” stets tiel miteinander verflochten. Das „Neue” erwächst aus dem „Alten”, das „Alte” findel im „Neuen” einen vollkommeneren Ausdruck. Das traf auch für das II. Vatikanische Konzil und für das Wirken der mit der Konzilsversammlung verbundenen Päpste zu. angefangen von Johannes XXIII., über Paul VI. und Johannes Paul I., bis hin zurr gegenwärtigen Papst. Was von ihnen während und nach dem Konzil vollbracht wurde, das Lehram ebenso wie das Handeln eines jeden von ihnen, hat sicher einen gewichtigen Beitrag zur Vorbereitung jenes neuen Frühlings christlichen Lebens geleistet, der von den Großen Jubeljahr offenbar gemacht werden muß, wenn die Christen fügsam seir sollen gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes. 19. Das Konzil hat, auch wenn es nicht die strengen Töne Johannes des Täufers an schlug, als er am Jordanufer zu Buße und Umkehr aufrief (vgl. Lk 3,1-17), an siel etwas von dem alten Propheten zum Ausdruck gebracht, wenn es mit neuer Kraf die heutigen Menschen auf Christus, „das Lamm Gottes, das die Sünde der Wel hinwegnimmt” ([Joh 1,29), den Erlöser des Menschen, den Herrn der Geschichte hinwies. In der Konzilsversammlung hat sich die Kirche, um ihrem Meister gan: treu zu bleiben, die Frage nach ihrer Identität gestellt und dabei die Tiefe ihres Ge heimnisses als Leib und Braut Christi wiederentdeckt. Während sie gehorsam au das Wort Gottes hörte, hat sie die allgemeine Berufung zur Heiligkeit neu festge stellt; hat sie die Reform der Liturgie, „Quelle und Höhepunkt” ihres Lebens, vorbe reitet; hat sie der Erneuerung vieler Aspekte ihres Lebens auf gesamtkirchliche Ebene und in den Ortskirchen Auftrieb gegeben; hat sie sich für die Förderung de verschiedenen christlichen Berufe eingesetzt, von der Berufung der Laien bis zu je ner der Ordensleute, vom Amt der Diakone bis zu jenem der Priester und Bischöfe hat sie im besonderen die bischöfliche Kollegialität als bevorzugten Ausdruck de von den Bischöfen in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri ausgeführten pastora len „Dienstes wiederentdeckt. Auf Grund dieser tiefgreifenden Erneuerung hat sic] das Konzil den Christen der anderen Konfessionen, den Anhängern anderer Religio nen, ja allen Menschen unserer Zeit geöffnet. Bei keinem anderen Konzil hat ma: mit derartiger Klarheit von der Einheit der Christen, vom Dialog mit den nicht christlichen Religionen, von der spezifischen Bedeutung des Alten Bundes und Is raels, von der Würde des persönlichen Gewissens, vom Prinzip der religiösen Frei heit, von den verschiedenen kulturellen Traditionen, innerhalb welcher die Kirch ihrem Missionsauftrag nachkommt, und von den sozialen Kommunikationsmittel: gesprochen. 20. Eine enorme Fülle von Inhalten und ein neuer, bis dahin nicht gekannter To, bei der Vorlage dieser Inhalte auf dem Konzil stellen gleichsam eine Ankündigun neuer Zeiten dar. Die Konzilsväter haben in der Sprache des Evangeliums, in de Sprache der Bergpredigt und der Seligpreisungen, gesprochen. In der Konzilsbot 758 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schaft wird Gott in seiner absoluten Herrschaft über alle Dinge, aber auch als Garant der authentischen Eigenständigkeit der irdischen Wirklichkeit dargestellt. Die beste Vorbereitung auf die Jahreswende zweitausend wird nämlich nur in dem erneuerten Einsatz für eine möglichst getreue Anwendung der Lehre des II. Vatikanums auf das Leben jedes einzelnen und der ganzen Kirche Ausdruck finden können. Mit dem Konzil ist gleichsam die unmittelbare Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 im weitesten Sinne des Wortes eröffnet worden. Wenn wir nach einer Entsprechung in der Liturgie suchen, könnten wir sagen, die jährliche Liturgie des Advent ist die Zeit, die dem Geist des Konzils am nächsten kommt. Der Advent bereitet uns auf die Begegnung mit dem vor, der war, der ist und der ständig kommt (vgl. Offb 4,8). 21. Zum Weg der Vorbereitung auf die Begegnung des Jahres 2000 gehört die Reihe von Synoden, die nach dem II. Vatikanischen Konzil ihren Anfang nahm: Generalsynoden und Kontinental-, Regional-, National- und Diözesansynoden. Das Grundthema ist die Evangelisierung, ja die Neuevangelisierung, für das von dem 1975 nach der Dritten Generalversammlung der Bischofssynode veröffentlichten Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi Pauls VI. die Grundlagen gelegt wurden. Diese Synoden gehören schon an und für sich zur Neuevangelisierung: sie entstehen aus der konziliaren Auffassung der Kirche, sie öffnen der Teilnahme der Laien, deren spezifische Verantwortung in der Kirche sie festlegen, einen breiten Raum, sie sind Ausdruck der Kraft, die Christus dem ganzen Volk Gottes geschenkt rat, als er es an seiner messianischen Sendung, also an seiner Sendung als Prophet, Priester und König, beteiligte. Sehr ausdrucksvoll sind diesbezüglich die Aussagen les zweiten Kapitels der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium. Die Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2000 eifolgt auf universaler und lokaler Ebene, in der ganzen Kirche, die von einem neuen Bewußtsein des von Christus empfangenen Heilsauftrags beseelt wird. Besonders deutlich offenbart sich dieses Bewußtsein in len nachsynodalen Apostolischen Schreiben, die der Sendung der Laien, der Prie-;terausbildung, der Katechese, der Familie, der Bedeutung von Buße und Versohlung im Leben der Kirche und der Menschheit und demnächst dem gottgeweihten lieben gewidmet sind. 12. Besondere Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Hinblick auf das Große Ju-teljahr 2000 obliegen dem Amt des Bischofs von Rom. Alle Päpste des nunmehr zu 3nde gehenden Jahrhunderts haben ihr Tun in irgendeiner Weise unter diese Perfektive gestellt. Mit seinem Programm, alles in Christus zu erneuern, versuchte der ll. Pius X. den tragischen Entwicklungen zuvorzukommen, wie sie die intemationa-e Situation am Beginn des Jahrhunderts zustande kommen ließ. Die Kirche war sich gewußt, daß sie angesichts der Tatsache, daß sich in der heutigen Welt Tendenzen lurchsetzen, die gegen den Frieden und die Gerechtigkeit gerichtet sind, entschlos-;en handeln mußte, um derart fundamentale Güter zu fördern und zu verteidigen. Die Päpste der dem Konzil vorausgehenden Jahrzehnte engagierten sich mit großem 759 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einsatz in diesem Sinne, ein jeder aus seinem je besonderen Blickwinkel: Benedikt XV. sah sich der Tragödie des Ersten Weltkriegs gegenüber, Pius XI. mußte es mit den Bedrohungen durch die totalitären bzw. die menschliche Freiheit mißachtenden Systemen in Deutschland, Rußland, Italien, Spanien und noch vorher in Mexiko aulnehmen. Pius XII. trat gegen das schwerwiegendste, von der totalen Verachtung der menschlichen Würde verkörperte Unrecht auf, wie es sich während des Zweiten Weltkriegs ereignete. Er bot auch hervorragende Orientierungen für das Entstehen einer neuen Weltordnung nach dem Zusammenbruch der vorhergehender politischen Systeme. Außerdem haben die Päpste im Verlauf dieses Jahrhunderts nach dem Beispie Leos XIII. systematisch die Themen der katholischen Soziallehre wiederaufgenommen und dabei die Eigenarten und Merkmale eines gerechten Systems im Bereicl der Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital behandelt. Man denke nur an die En zyklika Quadragesimo anno Pius’ XI., an die zahlreichen Interventionen Pius’ XII. an die Enzykliken Mater et Magistra und Pacem in terris Johannes’ XXIII., an Po pulorum progressio und das Apostolische Schreiben Octogesima advenien. Pauls VI. Ich selbst bin wiederholt auf dieses Thema zurückgekommen: So habe icl die Enzyklika Laborem exercens insbesondere der Bedeutung der menschlichen Ar beit gewidmet, während ich mit Centesimus annus die Gültigkeit der Lehre voi Rerum novarum, auch noch nach hundert Jahren, bestätigen wollte. Vorher hatte icl mit der Enzyklika Sollicitudo rei socialis die kirchliche Soziallehre insgesamt vo dem Hintergrund der Konfrontation zwischen den beiden Ost-West-Blöcken und de Gefahr eines Atomkrieges in systematischer Weise wieder zur Sprache gebracht Die beiden Elemente der Soziallehre der Kirche - der Schutz der Rechte der Persoi im Bereich eines gerechten Verhältnisses von Arbeit und Kapital und der Förde rung des Friedens - sind sich in diesem Text begegnet und miteinander verschmol zen. Dem Anliegen des Friedens wollen außerdem die jährlichen Botschaften de Papstes zum 1. Januar dienen, die seit 1968, unter Papst Paul VI., veröffentlich werden. 23. Der derzeitige Pontifikat spricht bereits in seinem ersten Dokument ausdrück lieh von dem Großen Jubiläum, wenn er dazu auffordert, die Zeit der Erwartung al „einen neuen Advent” zu leben. <76> Auf dieses Thema ist er dann noch mehrmals zu rückgekommen, wobei er in der Enzyklika Dominum et vivificantem <77> ausführlich darauf einging. In der Tat wird die Vorbereitung auf das Jahr 2000 gleichsam z einem hermeneutischen Schlüssel dieses Pontifikats. Man will gewiß nicht einer neuen Chiliasmus frönen, wie es am Ende des ersten Jahrtausends mitunter geschah man will jedoch eine besondere Sensibilität für alles wecken, was der Geist de Kirche und den Kirchen (vgl. Offb 2,7 ff.) wie auch den einzelnen Menschen durc die Gnadengaben zum Dienst an der ganzen Gemeinschaft sagt. Man will das hei <76> <77> Enzyklika Redemptor Hominis (4. März 1979), Nr. i: AAS 71(1979)258. Vgl. Enzyklika Dominum et vivificantem (18. Mai 1986), Nr. 49 ff.: AAS 78(1986)868 ff. 760 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vorheben, was der Geist den verschiedenen Gemeinschaften rät, von den kleinsten, wie der Familie, bis hin zu den großen, wie den Nationen und den internationalen Organisationen, wobei die Kulturen und Zivilisationen nicht übergangen werden sollen. Trotz des äußeren Anscheins wartet die Menschheit weiter auf die Offenbarung der Kinder Gottes und lebt von dieser Hoffnung wie eine Mutter, die in Geburtswehen hegt - nach dem kraftvollen Bild, das der hl. Paulus im Brief an die Römer gebraucht (vgl. 8,19-22). 24. Die Pilgerreisen des Papstes sind zu einem wichtigen Element im Einsatz für die Verwirklichung des II. Vatikanischen Konzils geworden. Von Johannes XXIII. am Vorabend der Eröffnung des Konzils mit einer Zeichen setzenden Wallfahrt nach Loreto und Assisi begonnen (1962), haben sie mit Paul VI. eine beachtliche Steigerung erfahren, der sich zunächst ins Heilige Land begab (1964) und dann weitere neun große apostolische Reisen unternahm, die ihn in direkten Kontakt mit der Bevölkerung der verschiedenen Kontinente brachten. Der derzeitige Pontifikat hat dieses Programm noch stark erweitert: am Beginn stand Mexiko aus Anlaß der 1979 in Puebla abgehaltenen 3. Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe. Darauf folgte im selben Jahr die Pilgerreise nach Polen während der Jubiläumsfeiern zum 900. Todestag des hl. Bischofs und Märtyrers Stanislaus. Die weiteren Etappen dieses Pilgerweges sind bekannt. Die Pilgerreisen haben dadurch systematischen Charakter angenommen, daß sie die Teilkirchen in allen Kon-Inenten erreichen, wobei sorgfältig auf die Entwicklung der ökumenischen Beziehungen zu den Christen der verschiedenen Konfessionen geachtet wird. Unter diesem letztgenannten Gesichtspunkt kommt den Besuchen in der Türkei (1979), in Deutschland (1980), in England, Wales und Schottland (1982), in der Schweiz 1984), in den skandinavischen Ländern (1989) und zuletzt in den baltischen Ländern (1993) eine besondere Bedeutung zu. Augenblicklich gehört zu den innig ersehnten Reisezielen, außer Sarajevo in Bos-lien-Herzegowina, der Nahe Osten: der Libanon, Jerusalem und das Heilige Land. 3s wäre von großer Bedeutung, wenn es anläßlich des Jahres 2000 möglich wäre, ille jene Orte zu besuchen, die sich auf dem Weg des Gottesvolkes des Alten Bun-ies befinden, angefangen von den Stätten Abrahams und Moses, über Ägypten und len Berg Sinai bis nach Damaskus, der Stadt, die Zeugin der Bekehrung des ü. Paulus war. 15. Bei der Vorbereitung auf das Jahr 2000 kommt den einzelnen Kirchen, die mit hren Jubiläen bedeutsame Abschnitte in der Heilsgeschichte der verschiedenen /ölker feiern, eine eigene Rolle zu. Ereignisse von höchster Bedeutsamkeit waren mter diesen lokalen oder regionalen Jubiläen die Tausendjahrfeier der Taufe der lus’ im Jahr 1988 sowie die Erinnerung an den Beginn der Evangelisierung des Vgl. Apostolisches Schreiben Euntes in mundum (25. Januar 1988): AAS 80(1988)935-956. 761 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN amerikanischen Kontinents vor fünfhundert Jahren: 1492. Neben Ereignissen von so weitreichender Ausstrahlung, wenn auch nicht weltweiter Bedeutung muß an andere, nicht weniger bedeutsame erinnert werden: zum Beispiel das tausendjährige Jubiläum der Christianisierung Polens 1966 und der Christianisierung Ungarns 1968; das 600-jährige Jubiläum der Christianisierung Litauens 1987; es jähren sich darüber hinaus bald der 1500. Jahrestag der Taufe des Frankenkönigs Chlodwig (496) und der 1400. Jahrestag der Ankunft des hl. Augustinus in Canterbury (597), mit der die Evangelisierung der angelsächsischen Welt ihren Anfang nahm. Was Asien betrifft, so wird das Jubeljahr die Gedanken wieder auf den Apostel Thomas lenken, der der Überheferung nach schon zu Beginn des christlichen Zeitalters die evangelische Botschaft nach Indien gebracht hat, wo dann erst um das Jahr 1500 die Missionare aus Portugal eintreffen sollten. In dieses Jahr fällt das siebenhundertjährige Jubiläum der Evangelisierung Chinas (1294), und wir bereiten uns darauf vor, der Ausbreitung der Missionsarbeit auf den Philippinen mit der Errichtung des Metropolitansitzes Manila (1595) sowie der ersten Märtyrer in Japan vor vierhundert Jahren (1597) zu gedenken. In Afrika, wo die erste Verkündigung gleichfalls in die apostolische Zeit zurückreicht, begehen zusammen mit dem 1650-Jahr-Jubiläum der Bischofsweihe des ersten Bischofs der Äthiopier, des hl. Frumentius (397), und mit dem 500-jähriger Jubiläum des Beginns der Evangelisierung Angolas im alten Königreich Kongc (1591) Nationen wie Kamerun, die Elfenbeinküste, die Zentralafrikanische Republik, Burundi, Burkina-Faso die jeweiligen Jahrhundertfeiern der Ankunft der erster Missionare in ihren Gebieten. Andere afrikanische Nationen haben das vor kurzen gefeiert. Wie könnte man sodann die Ostkirchen verschweigen, deren alte Patriarchate siel aus nächster Nähe auf das apostolische Erbe berufen und deren ehrwürdige theolo gische, liturgische und spirituelle Traditionen einen enormen Reichtum darstellen der das gemeinsame Gut der gesamten Christenheit ist? Die vielfältigen Jubiläer dieser Kirchen und der Gemeinschaften, die in ihnen den Ursprung ihrer Apostolizi tät erkennen, rufen die Erinnerung an den Weg Christi durch die Jahrhunderte wacl und münden ebenfalls ein in das Große Jubeljahr am Ende des zweiten Jahrtau sends. In diesem Licht besehen, erscheint uns die ganze christliche Geschichte wie eil einziger Strom, dem viele Nebenflüsse ihre Wasser zuführen. Das Jahr 2000 läd uns ein, mit aufgefrischter Treue und in vertiefter Gemeinsamkeit an den Ufern die ses großen Stromes zusammenzukommen: des großen Stromes der Offenbarung des Christentums und der Kirche, der seit dem Ereignis, das sich vor zweitauseni Jahren in Nazaret und dann in Betlehem zugetragen hat, durch die Geschichte de Menschheit fließt. Es ist wirklich der „Strom”, der, wie es der Psalm ausdrückt, mi seinen „Wassern die Gottesstadt erquickt” (46/45,5). 762 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 26. In der Perspektive der Vorbereitung auf das Jahr 2000 liegen auch die Heiligen Jahre, die im letzten Viertel dieses Jahrhunderts gefeiert wurden. Noch frisch in Erinnerung ist das Heilige Jahr, das Papst Paul VI. 1975 ausrief; auf derselben Linie wurde dann 1983 als Jahr der Erlösung begangen. Ein vielleicht noch größeres Echo hat das Marianische Jahr 1987/88 gefunden, das in den einzelnen Ortskirchen, besonders in den Marienheiligtümem der ganzen Welt, höchst erwünscht war und mit tiefer „Anteilnahme gefeiert wurde. Die Enzyklika Redemptoris Mater, die damals veröffentlicht wurde, hat die Konzilslehre über die Gegenwart der Gottesmutter im Geheimnis Christi und der Kirche hervorgehoben: Gottes Sohn ist vor zweitausend Jahren durch den Heiligen Geist Mensch geworden und von der unbefleckten Jungfrau Maria geboren worden. Das Marianische Jahr war gleichsam eine Vorwegnahme des Jubeljahres, enthielt es doch vieles von dem, was seinen vollen Ausdruck im Jahr 2000 wird finden müssen. 27. Es fiele einem schwer, nicht hervorzuheben, daß das Marianische Jahr den Ereignissen des Jahres 1989 unmittelbar vorausgegangen ist. Es sind Geschehnisse, die uns wegen ihres Umfanges und besonders wegen ihres raschen Ablaufes in Erstaunen versetzen müssen. Die achtziger Jahre hatten sich in Nachahmung des „kalten Krieges” mit einer wachsenden Gefahr beladen; das Jahr 1989 hat eine friedliche Lösung mit sich gebracht, die gleichsam die Gestalt einer „organischen” Entwicklung hatte. In ihrem Licht fühlt man sich veranlaßt, der Enzyklika Rerum novarum eine geradezu prophetische Bedeutung zuzuerkennen: Was Papst Leo XIII. dort über den Kommunismus schreibt, findet in diesen Ereignissen einen genauen Beweis, wie ich in der Enzyklika Centesimus annus12 betont habe. Im übrigen konnte man feststellen, daß in dem Strom der Ereignisse die unsichtbare Hand der Vorsehung mit mütterlicher Sorge am Werke war: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen ...?” (Jes 49,15). Nach 1989 sind jedoch neue Gefahren und neue Bedrohungen aufgetaucht. In den Ländern des ehemaligen Ostblocks ist nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die ernsthafte Gefahr der Nationalismen zutage getreten, wie leider die Vorgänge auf dem Balkan und in anderen, benachbarten Gebieten zeigen. Das zwingt die europäischen Nationen zu einer ernsthaften Gewissensprüfung, in Anerkennung von Schuld und Irrtümem, die im Laufe der Geschichte auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet gegenüber Nationen begangen worden sind, deren Rechte von den imperialistischen Systemen des vorigen wie des jetzigen Jahrhunderts systematisch verletzt worden sind. 28. Gegenwärtig erleben wir gleichsam in ähnlicher Sichtweise wie das Marianische Jahr das Jahr der Familie, dessen Inhalt sich eng mit dem Geheimnis der Inkarnation und mit der eigentlichen Geschichte des Menschen verbindet. Man darf daher die Hoffnung hegen, daß das in Nazaret eingeleitete Jahr der Familie, analog dem Vgl. Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 12: AAS 83(1991)807-809. 763 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Marianischen Jahr, zu einem weiteren, bedeutsamen Abschnitt der Vorbereitung auj das Große Jubeljahr wird. Unter diesem Gesichtspunkt habe ich ein Schreiben an die Familien gerichtet, in dem ich das Wesen der kirchlichen Lehre über die Familie neu vorlegen wollte, indem ich es sozusagen in jedes Haus und jede Familie hineintrage. Auf dem II. Vatikanischen Konzil hat die Kirche die Aufwertung der Würde der Ehe und dei Familie als eine ihrer Aufgaben erkannt. <78> Zur Verwirklichung des Konzils in diesei Hinsicht soll das Jahr der Familie beitragen. Es ist daher notwendig, daß die Vorbereitung auf das Große Jubeljahr in gewisser Weise über jede Familie läuft. Trifft es etwa nicht zu, daß der Sohn Gottes durch eine Familie, die Familie von Nazaret, ir die Geschichte des Menschen eintreten wollte? <78> IV. Die unmittelbare Vorbereitung 29. Vor dem Hintergrund dieses weiten Panoramas erhebt sich die Frage: Kann mar für die unmittelbare Vorbereitung des Großen Jubeljahres hypothetisch ein spezifisches Programm von Initiativen annehmen? Tatsächlich weist das oben Gesagte bereits einige Elemente eines solchen Programmes auf. Eine eingehendere Voraussicht von „ad-hoc”-Initiativen muß, um nicht kiinstlicl und in den einzelnen Kirchen mit ihren so unterschiedlichen Lebensbedingungei schwer anwendbar zu sein, aus einer breit angelegten Konsultation erwachsen. In Bewußtsein dieser Tatsache habe ich im Hinblick darauf die Vorsitzenden der Bi schofskonferenzen und insbesondere die Kardinäle zu Rate gezogen. Dankbar bin ich den verehrten Mitgliedern des Kardinalskollegiums, die anläßlicl ihrer Versammlung zum Außerordentlichen Konsistorium am 13. und 14. Juni 199z diesbezüglich zahlreiche Vorschläge ausgearbeitet und nützliche Orientierungei empfohlen haben. Desgleichen danke ich den Brüdern im Bischofsamt, die es ver schiedentlich nicht versäumt haben, mir wertvolle Ratschläge zukommen zu lassen die ich bei der Abfassung dieses Apostolischen Schreibens sehr wohl vor Augei hatte. 30. Ein erster Hinweis, der sich aus der Konsultation klar ergeben hat, bezieht siel auf die Zeiten der Vorbereitung. Bis zum Jahr 2000 fehlen nur mehr wenige Jahre Es schien angebracht, diese Periode in zwei Phasen zu gliedern, wobei man die ei gentliche Vorbereitungsphase den letzten drei Jahren vorbehält. Man ist nämlicl der Meinung, daß eine längere Periode schließlich zu einer Anhäufung extremer In halte führen und damit die geistliche Spannung dämpfen würde. Man hat es daher für zweckmäßig gehalten, sich dem historischen Datum mit eine ersten Phase der Sensibilisierung der Gläubigen über allgemeinere Themenbereichi zu nähern, um dann die direkte und unmittelbare Vorbereitung auf eine zweite, ebei Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nrn. 47-52 764 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jene dreijährige Phase zu konzentrieren, die ganz auf die Feier des Geheimnisses Christi, des Erlösers, ausgerichtet sein soll. a) Erste Phase 31. Die erste Phase wird also vor-vorbereitenden Charakter haben: Sie soll dazu dienen, im christlichen Volk das Bewußtsein für den Wert und die Bedeutung wiederzubeleben, die das Jubeljahr 2000 in der menschlichen Geschichte hat. Während es mit der Erinnerung an die Geburt Christi einhergeht, ist es innerlich von einer christologischen Prägung gekennzeichnet. Entsprechend der Gliederung des christlichen Glaubens in Wort und Sakrament scheint es wichtig, auch bei diesem einzigartigen Jubiläum die Struktur der Erinnerung mit jener der Feier dadurch zu verbinden, daß man sich nicht darauf beschränkt, des Ereignisses nur begriffsmäßig zu gedenken, sondern durch die sakramentale Aktualisierung auf seinen Heilswert hinweist. Das Jubiläumsgedenken soll in den heutigen Christen den Glauben an Gott, der sich in Christus geoffenbart hat, festigen, ihre auf die Erwartung des ewigen Lebens ausgerichtete Hoffnung stärken, hre im Dienst an den Brüdern tätig engagierte Liebe wiederbeleben, im Laufe der ersten Phase (von 1994 bis 1996) wird es der Hl. Stuhl, auch dank der Schaffung eines eigenen Komitees, nicht versäumen, einige Denk- und Handlungs-inien auf universaler Ebene zu empfehlen, während von ähnlichen Kommissionen in len Ortskirchen ein entsprechendes Engagement der Sensibilisierung, wenn auch mgmaschiger, entfaltet werden soll. Es geht gewissermaßen dämm, das weiterzu-rihren, was in der zurückliegenden Vorbereitung verwirklicht worden ist, und gleichzeitig die kennzeichnendsten Aspekte des Jubiläumsereignisses zu vertiefen. 12. Das Jubeljahr ist immer eine Zeit besonderer Gnade, „ein vom Herrn gesegneter Tag”: als solcher ist - wie schon hervorgehoben - sein Charakter von Freude genügt. Das Jubeljahr 2000 soll ein großes Lob- und Dankgebet vor allem für das jeschenk der Menschwerdung des Gottessohnes und der von ihm vollbrachten Erlösung sein. Im Jubeljahr sollen die Christen mit neuem gläubigem Erstaunen auf-reten angesichts der Liebe des Vaters, der seinen Sohn hingegeben hat, „damit je-ler, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat” Joh 3,16). Außerdem sollen sie mit tiefer innerer Beteiligung ihren Dank für das beschenk der Kirche darbringen, die von Christus als „das Sakrament, das heißt Reichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ;anzen Menschheit”, gegründet worden ist. Ihr Dank soll sich schließlich auf die 7rüchte der Heiligkeit ausweiten, welche im Lieben der vielen Männer und Frauen erangereift sind, die in jeder Generation und in jeder Geschichtsepoche das Ge-chenk der Erlösung vorbehaltlos anzunehmen vermochten. II. Vat. Konzil. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 1. 765 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Doch die Freude jedes Jubeljahres ist in besonderer Weise eine Freude über den Nachlaß der Schuld, die Freude der Umkehr. Es erscheint daher angebracht, abermals das Thema der Bischofssynode von 1984, nämlich Buße und Versöhnung, ir den Vordergrund zu stellen. Jene Synode war ein äußerst bedeutsames Ereignis ir der Geschichte der nachkonziliaren Kirche. Sie griff die stets aktuelle Frage dei Umkehr („metanoia”) wieder auf, die die Vorbedingung für die Versöhnung sowoh der einzelnen wie der Gemeinschaft mit Gott ist. 33. Zu Recht nimmt sich daher die Kirche, während sich das zweite christlichs Jahrtausend seinem Ende zuneigt, mit stärkerer Bewußtheit der Schuld ihrer Söhni und Töchter an, eingedenk aller jener Vorkommnisse im Laufe der Geschichte, wc diese sich vom Geist Christi und seines Evangeliums dadurch entfernt haben, dal sie der Welt statt eines an den Werten des Glaubens inspirierten Lebenszeugnisse: den Anblick von Denk- und Handlungsweisen boten, die geradezu Formen eine, Gegenzeugnisses und Skandals darstellten. Obwohl die Kirche durch ihr Einverleibtsein in Christus heilig ist, wird sie nich müde, Buße zu tun: sie anerkennt immer, vor Gott und vor den Menschen, die Sün der als ihre Söhne. In diesem Zusammenhang heißt es in Lumen Gentium'. „Die Kir che umfaßt die Sünde in ihrem eigenen Schoße. Sie ist zugleich heilig und der Rei nigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung.” Die Heilige Pforte des Jubeljahres 2000 wird in symbolischer Hinsicht größer sei müssen als die vorhergehenden, weil die Menschheit, wenn sie an jenem Ziel ange kommen ist, nicht nur ein Jahrhundert, sondern ein Jahrtausend hinter sich gelasse hat. Es ist gut, daß die Kirche diesen Weg im klaren Bewußtsein dessen einschlägi was sie im Lauf der letzten zehn Jahrhunderte erlebt hat. Sie kann nicht di Schwelle des neuen Jahrtausends überschreiten, ohne ihre Kinder dazu anzuhalter sich durch Reue von Irrungen, Treulosigkeiten, Inkonsequenzen und Verspätunge zu reinigen. Das Eingestehen des Versagens von gestern ist ein Akt der Aufrichtig keit und des Mutes, der uns dadurch unseren Glauben zu stärken hilft, daß er un aufmerksam und bereit macht, uns mit den Versuchungen und Schwierigkeiten vo heute auseinanderzusetzen. 34. Zu den Sünden, die einen größeren Einsatz an Buße und Umkehr verlangei müssen sicher jene gezählt werden, die die von Gott für sein Volk gewollte Einhe beeinträchtigt haben. Mehr noch als im ersten Jahrtausend hat die kirchliche Ge meinschaft im Verlauf des nun zu Ende gehenden Jahrtausends „oft nicht ohn Schuld der Menschen auf beiden Seiten” schmerzliche Trennungen erlebt, die o: fenkundig dem Willen Christi widersprechen und der Welt ein Ärgernis sind. <79> <80> Vgl. Apostolisches Schreiben Reconciliatio etpaenitentia (2. Dezember 1984), AAS 77(1985)185-275. ^ II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 8. ^ II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 3. <80> Vgl. ebd„ Nr. 1. 766 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Sünden der Vergangenheit lassen ihre Last leider noch immer spüren und bestehen als dieselben Versuchungen auch in der Gegenwart weiter. Dafür gilt es, Wiedergutmachung zu leisten, indem Christus inständig um Vergebung angerufen wird. In diesem letzten Abschnitt des Jahrtausends muß sich die Kirche tiefbetrübt und mit inständiger Bitte an den Heiligen Geist wenden und von ihm die Gnade der Einheit der Christen erflehen. Das ist ein entscheidendes Problem für das evangelische Zeugnis in der Welt. Vor allem nach dem II. Vatikanischen Konzil sind großzügig und engagiert viele ökumenische Initiativen ergriffen worden: die gesamte Aktivität der Ortskirchen und des Apostolischen Stuhls hat in diesen Jahren sozusagen einen ökumenischen Atem angenommen. Der Päpstliche Rat für die Förderung der Einheit der Christen ist zu einem der wichtigsten Zentren geworden, die den Prozeß vorantreiben, der die volle Einheit zum Ziel hat. Wir sind uns freilich alle bewußt, daß die Erreichung dieses Zieles nicht allein Frucht menschlicher Anstrengungen sein kann, auch wenn diese unerläßlich sind. Die Einheit ist schließlich Gabe des Heiligen Geistes. Von uns wird verlangt, dieser Gabe dadurch zu entsprechen, daß wir Leichtfertigkeiten und Unterlassungen im Zeugnis für die Wahrheit nicht nachsichtig übergehen, sondern die vom Konzil und von den nachfolgenden Dokumenten des Hl. Stuhls vorgezeichneten Richtlinien und Weisungen, die auch von vielen Christen, die nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, geschätzt werden, großzügig in die Tat Umsetzern Hier hegt also eine der Aufgaben der Christen auf dem Weg zum Jahr 2000. Das Herannahen des Endes des zweiten Jahrtausends spornt alle zu einer Gewissensprü-cung und zu passenden ökumenischen Initiativen an, so daß man im Großen Jubelahr, wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht auftreten tann, der Ube?~windung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sehr nahe zu tein. Dazu bedarf es - das sieht jeder - einer enormen Anstrengung. Man muß den Dialog über die Lehre fortsetzen, sich aber vor allem stärker dem ökumenischen Jebet widmen. Dieses wurde nach dem Konzil sehr verstärkt, muß aber noch weiter inwachsen und immer mehr die Christen mit einbeziehen, in Übereinstimmung mit ler großen Fürbitte Christi vor seiner Passion: „Ahe sollen eins sein, ... Vater” Joh 17,21). 55. Ein anderes schmerzliches Kapitel, auf das die Kinder der Kirche mit reueberei-em Herzen zurückkommen müssen, steht die besonders in manchen Jahrhunderten m den Tag gelegte Nachgiebigkeit angesichts von Methoden der Intoleranz oder •ogar Gewalt im Dienst an der Wahrheit dar. üwar kann ein korrektes historisches Urteil nicht von einer sorgfältigen Berücksich-igung der kulturellen Bedingungen der jeweiligen Epoche absehen, unter deren linfluß viele in gutem Glauben angenommen haben mögen, daß ein glaubwürdiges Zeugnis für die Wahrheit mit dem Ersticken der Meinung des anderen oder zumin-lest mit seiner Ausgrenzung einhergehen müßte. Oft trafen vielfältige Gründe zu- 767 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sammen, die die Voraussetzungen für Intoleranz schufen, indem sie ein Klima des leidenschaftlichen Fanatismus schürten, dem sich nur große, wahrhaft freie und von Gott erfüllte Geister irgendwie zu entziehen vermochten. Doch die Berücksichtigung der mildernden Umstände entbindet die Kirche nicht von der Pflicht, zutiefst die Schwachheit so vieler ihrer Söhne zu bedauern, die das Antlitz der Kirche dadurch entstellten, daß sie sie hinderten, das Abbild ihres gekreuzigten Herrn als eines unübertrefflichen Zeugen geduldiger Liebe und demütiger Sanftmut widerzuspiegeln. Aus jenen schmerzlichen Zügen der Vergangenheit ergibt sich eine Lektion für die Zukunft, die jeden Christen veranlassen muß, sich ganz fest an das vom Konzil geltend gemachte goldene Prinzip zu halten: „Die Wahrheit erhebt nicht anders Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt”. <81> <81> II. Vat. Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 1. 36. Eine ernsthafte Gewissensprüfung wurde von zahlreichen Kardinälen und Bischöfen vor allem für die Kirche der Gegenwart gewünscht. An der Schwelle des neuen Jahrtausends müssen die Christen demütig vor den Herrn treten, um sich nacl den Verantwortlichkeiten zu fragen, die auch sie angesichts der Übel unserer Zei haben. Denn die gegenwärtige Epoche weist neben vielen Licht- auch nicht wenige Schattenseiten auf. Kann man zum Beispiel die religiöse Gleichgültigkeit verschweigen, die viele Men sehen heute dahin bringt, zu leben, als ob es Gott nicht gäbe, oder sich mit einer va gen Religiosität zufrieden zu geben, die außerstande ist, es mit dem Problem de: Wahrheit und mit der Pflicht zur Kohärenz aufzunehmen? Damit in Verbindung ge bracht werden müssen auch der verbreitete Verlust des transzendenten Sinnes de menschlichen Existenz und die Verwirrung im ethischen Bereich sogar bei dei Grundwerten der Achtung des Lebens und der Familie. Eine Prüfung scheint aucl für die Söhne und Töchter der Kirche geboten: Inwieweit sind auch sie von der At mosphäre des Säkularismus und ethischen Relativismus betroffen? Und wievie Verantwortung an dem überhandnehmenden arehgiösen Verhalten müssen auch sii zugeben, weil sie „durch die Mängel ihres religiösen, sittlichen und gesellschaftli chen Lebens” <82> nicht das wahre Antlitz Gottes offenbar gemacht haben? <82> In der Tat kann man nicht leugnen, daß das spirituelle Leben bei vielen Christel eine Zeit der Unsicherheit durchmacht, von der nicht nur das sittliche Leben, son dern auch das Gebet und selbst die theologische Zuverlässigkeit des Glaubens be troffen sind. In Verwirrung gerät der Glaube, der bereits von der Auseinanderset zung mit der heutigen Zeit auf die Probe gestellt worden ist, bisweilen durch irrig theologische Richtungen, die sich auch wegen der Gehorsamskrise gegenüber der Lehramt der Kirche verbreiten. Und muß man, was das Zeugnis der Kirche in unserer Zeit betrifft, nicht Schmer empfinden über das mitunter sogar zu Willfährigkeit gewordene mangelnde Unter II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 19. 768 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN scheidungsvermögen vieler Christen angesichts der Vergewaltigung menschlicher Grundrechte durch totalitäre Regime? Und muß man unter den Schatten der Gegenwart etwa nicht die Mitverantwortung vieler Christen an schwerwiegenden Formen von Ungerechtigkeit und sozialer Ausgrenzung beklagen ? Man muß sich fragen, wie viele von ihnen die Weisungen der kirchlichen Soziallehre gründlich kennen und konsequent praktizieren. Die Gewissensprüfung darf auch die Annahme des Konzils, dieses großartigen Geschenks des Geistes an die Kirche gegen Ende des zweiten Jahrtausends, nicht unberücksichtigt lassen. Ist das Wort Gottes in vollem Ausmaß zur Seele der Theologie und Inspiration des ganzen christlichen Daseins geworden, wie es Dei Verbum forderte? Wird die Liturgie, gemäß der Lehre von Sacrosanctum Concilium, als „Quelle und Höhepunkt” des kirchlichen Lebens gelebt? Wird in der Universalkirche und in den Teilkirchen die Communio-Ekklesiologie von Lumen Gentium dadurch gefestigt, daß man den Charismen, den Diensten und den verschiedenen Formen der Teilnahme des Gottesvolkes Raum gibt, ohne deshalb einem Demokrati-zismus oder einem Soziologismus zu frönen, der nicht die katholische Sichtweise der Kirche und den wahren Geist des II. Vatikanums widerspiegelt? Eine Lebensfrage muß auch dem Stil der Beziehungen zwischen Kirche und Welt gelten. Die -in Gaudium et spes und in anderen Dokumenten gebotenen - Konzilsanweisungen bezüglich eines offenen, achtungsvollen und herzlichen Dialogs, der jedoch von einer sorgfältigen Unterscheidung und von dem mutigen Zeugnis der Wahrheit begleitet sein soll, bleiben gültig und mfen uns zu weiterem Engagement auf. 37. Die Kirche des ersten Jahrtausends ist aus dem Blut der Märtyrer entstanden: „Sanguis martyrum — semen christianorum”, <83> Die geschichtlichen Ereignisse im Zusammenhang mit der Gestalt Konstantins des Großen hätten niemals eine Entwicklung der Kirche, wie sie im ersten Jahrtausend eintrat, gewährleisten können, wenn es nicht jene Märtyrersaat und jenes Erbe an Heiligkeit gegeben hätte, die die ersten Christengenerationen kennzeichnen. Am Ende des zweiten Jahrtausends '.st die Kirche erneut zur Märtyrerkirche geworden. Die Verfolgung von Gläubigen - Priestern, Ordensleuten und Laien - hat in verschiedenen Teilen der Welt eine,, •eiche Saat von Märtyrern bewirkt. Das Zeugnis für Christus bis hin zum Blutvergießen ist zum gemeinsamen Erbe von Katholiken, Orthodoxen, Angelikanem und Protestanten geworden, wie schon Paul VI. in der Homilie bei der Heiligsprechung ier Märtyrer von Uganda betonte. <84> Tertullian, Apologeticum, 50, 13: CCLI, 171. 2 AAS 56(1964)906. Das ist ein Zeugnis, das nicht vergessen werden darf. Die Kirche der ersten Jahr-mnderte war, obwohl sie auf beträchtliche organisatorische Schwierigkeiten stieß, iarum bemüht, das Zeugnis der Märtyrer in eigenen Martyrologien festzuhalten. Diese Martyrologien wurden die Jahrhunderte hindurch ständig auf den letzten itand gebracht, und in das Verzeichnis der Heiligen und Sehgen der Kirche haben 769 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht nur diejenigen Eingang gefunden, die für Christus ihr Blut vergossen haben, sondern auch Glaubenslehrer, Missionare, Bekenner, Bischöfe, Priester, Jungfrauen, Eheleute, Witwen, Kinder. In unserem Jahrhundert sind die Märtyrer zurückgekehrt, häufig unbekannt, gleichsam „unbekannte Soldaten” der großen Sache Gottes. Soweit als möglich dürfen ihre Zeugnisse in der Kirche nicht verlorengehen. Wie beim Konsistorium empfohlen wurde, muß von den Ortskirchen alles unternommen werden, um durch das Anlegen der notwendigen Dokumentation nicht die Erinnerung zu verlieren an diejenigen, die das Martyrium erlitten haben. Dies sollte auch einen ökumenisch beredten Zug haben. Der Ökumenismus der Heiligen, der Märtyrer, ist vielleicht am überzeugendsten. Die communio sanctorum, Gemeinschaft der Heiligen, spricht mit lauterer Stimme als die Urheber von Spaltungen. Das Martyrologium der erster Jahrhunderte stellte die Grundlage für die Heiligenverehrung dar. Durch die Verkündigung und Verehrung der Heiligkeit ihrer Söhne und Töchter erwies die Kirche Gott selbst die höchste Ehre; in den Märtyrern verehrte sie Christus, den Ursprung ihres Martyriums und ihrer Heiligkeit. In der Folge hat sich die Praxis der Heiligsprechung heraus gebildet, die in der katholischen Kirche und in den orthodoxer Kirchen noch immer besteht. In diesen Jahren haben sich die Heilig- und Seligsprechungen vermehrt. Sie offenbaren die Lebendigkeit der Ortskirchen, die heute vie zahlreicher sind als in den ersten Jahrhunderten und im ersten Jahrtausend. Die größte Verehrung, die alle Kirchen an der Schwelle des dritten Jahrtausends Christus darbringen werden, wird der Beweis der allmächtigen Gegenwart des Erlöser; durch die Früchte von Glaube, Hoffnung und Liebe in Männern und Frauen viele: Sprachen und Rassen sein, die Christus in den verschiedenen Formen der christli chen Berufung nachgefolgt sind. Aufgabe des Apostolischen Stuhles im Hinblick auf das Jahr 2000 wird es sein, du Martyrologien für die Universalkirche auf den letzten Stand zu bringen und dabe die große Aufmerksamkeit auf die Heiligkeit derer zu richten, die auch in unsere. Zeit die volle Wahrheit Christi gelebt haben. In besonderer Weise wird man siel hier um die Anerkennung der heroischen Tugenden von Männern und Frauen bemü hen, die ihre Berufung in der Ehe verwirklicht haben: Da wir überzeugt sind, daß e in diesem Stand nicht an Früchten der Heiligkeit mangelt, empfinden wir das Be dürfnis, die geeigneten Wege dafür zu finden, daß diese Heiligkeit festgestellt um der Kirche als Vorbild für die anderen christlichen Eheleute vorgestellt werde: kann. 38. Eine weitere, von den Kardinälen und Bischöfen hervorgehobene Forderung is die nach anderen Synoden mit kontinentalem Charakter auf der Linie der bereits fü Europa und Afrika gefeierten. Die letzte Generalkonferenz der lateinamerikanische Bischöfe hat im Einklang mit den nordamerikanischen Bischöfen den Vorschlag z einer Synode für Amerika angenommen: über die Problematik der Neuevangelisie rung in zwei nach Ursprung und Geschichte voneinander so verschiedenen Teile 770 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ein und desselben Kontinents und über die Themenbereiche Gerechtigkeit und internationale Wirtschaftsbeziehungen unter Berücksichtigung des enormen Unterschiedes zwischen dem Norden und dem Süden. Ein weiterer Plan für eine Kontinentalsynode wird Asien betreffen, wo die Frage der Begegnung des Christentums mit den ältesten Kulturen und Lokalreligionen am ausgeprägtesten ist. Das ist eine große Herausforderung für die Evangelisierung, daß religiöse Systeme wie der Buddhismus oder der Hinduismus mit einem klaren Erlösungscharakter auftreten. Es besteht also das dringende Bedürfnis nach einer Synode anläßlich des Großen Jubeljahres, die die Wahrheit über Christus als einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen und einzigen Erlöser der Welt erläutern und vertiefen soll, indem sie ihn klar von den Stiftern anderer großer Religionen unterscheidet, in denen auch Wahrheitselemente zu finden sind, welche die Kirche mit aufrichtiger Achtung betrachtet und darin einen Strahl jener Wahrheit erkennt, die alle Menschen erleuchtet. Im Jahr 2000 wird mit neuer Kraft die Verkündigung der Wahrheit wieder erschallen müssen: Ecce natus est nobis Salvator mundi. Auch für Ozeanien könnte eine Regionalsynode nützlich sein. Auf diesem Kontinent findet sich unter anderem eine Bevölkerung von Ureinwohnern, die auf einzigartige Weise einige Aspekte der Vorgeschichte des Menschengeschlechts beschwört, weil ihre Anfänge bis einige zehntausend Jahre vor Christus zurückreichen. Bei dieser Synode wäre also neben anderen Problemen des Kontinentes ein nicht zu übergehendes Thema die Begegnung des Christentums mit jenen ältesten Formen der Religiosität, die bezeichnenderweise von einer Ausrichtung auf den Monotheismus gekennzeichnet sind. b) Zweite Phase 39. Auf der Grundlage dieser umfassenden Sensibilisierungsaktion wird es dann möglich sein, an die zweite, also die eigentliche Vorbereitungsphase heranzugehen. Sie wird sich in einem Zeitbogen von drei Jahren, von 1997 bis 1999, entfalten. Die deale Struktur für diese drei Jahre, die ganz auf Christus, den Mensch gewordenen Sohn Gottes, eingestellt sind, kann nur theologisch, das heißt militärisch sein. [. Jahr: Jesus Christus 10. Das erste Jahr, 1997, wird daher der Reflexion über Christus gewidmet sein: tVort des Vaters, Mensch geworden durch das Wirken des Heiligen Geistes. Denn lerausgestellt werden muß der unverkennbar christologische Charakter des Jubel-ahres, das die Menschwerdung des Gottessohnes und sein Kommen in die Welt als -Ieilsmysterium für das ganze Menschengeschlecht feiern wird. Das Generalthema, Vgl. II. Vat. Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, Nr. 2. 771 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von vielen Kardinälen und Bischöfen vorgeschlagen, lautet: „Jesus Christus, alleiniger Retter der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit” (vgl. Hebr 13,8). Unter den im Konsistorium dargelegten christologischen Inhalten ragen die folgenden heraus: Wiederentdeckung Christi als Retter und Verkünder des Evangeliums mit besonderer Bezugnahme auf das vierte Kapitel des Lukasevangeliums, wo das Thema von dem zu Verkündigung und Bekehrung entsandten Christus und das Thema Jubeljahr miteinander verknüpft werden; Vertiefung seiner Menschwerdung und seiner Geburt aus dem jungfräulichen Schoß Mariens; Notwendigkeit des Glaubens an Ihn für die Rettung. Um die wahre Identität Christi zu erkennen, sollten die Christen, insbesondere im Verlauf dieses Jahres, mit erneutem Interesse zur Bibet zurückkehren, „einmal in der mit göttlichen Worten gesättigten heiligen Liturgie, dann in frommer Lesung oder auch durch geeignete Institutionen und andere Hilfsmittel”. <85> Denn in dem geoffenbarten Text ist es der himmlische Vater selbst der uns liebevoll begegnet und mit uns redet, indem er uns das Wesen des eingeborenen Sohnes und seinen Heilsplan für die Menschheit kundtut. <86> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum, Nr. 25. Vgl. ebd., Nr. 2. 4L Das oben angedeutete Bemühen um sakramentale Aktualisierung im Laufe die ses ersten Jahres wird sich auf die Wiederentdeckung der Taufe als Grundlage de: christlichen Existenz stützen können, entsprechend dem Wort des Apostels: „Dem ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt’ (Gal 3,27). Der Katechismus der Katholischen Kirche erinnert seinerseits daran daß die Taufe „die Grundlage der Gemeinschaft aller Christen (bildet), auch mit je nen, die noch nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen stehen”. <87> Geradi unter der ökumenischen Ausrichtung wird das ein sehr wichtiges Jahr dafür sein, ge meinsam den Blick auf Christus, den einzigen Herrn, zu richten in dem eifrigen Be mühen, in Ihm eins zu werden gemäß seinem Gebet zum Vater. Die Hervorhebun; der zentralen Stellung Christi, des Wortes Gottes und des Glaubens sollte es nicli verabsäumen, in den Christen anderer Konfessionen Interesse und günstig Aufnahme zu wecken. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1271. 42. Alles wird das vorrangige Ziel des Jubeljahres anstreben müssen, nämlich di Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses der Christen. Damit dieses Zeugni wirksam ist, muß in jedem Gläubigen eine echte Sehnsucht nach Heiligkeit gewecl werden, ein starkes Verlangen nach Umkehr und persönlicher Erneuerung in einer Klima immer intensiveren Betens und solidarischer Annahme des Nächsten, besor ders des am meisten Bedürftigen. Das erste Jahr wird daher der günstige Augenblick sein für die Wiederentdeckun der Katechese in ihrem ursprünglichen Bedeutungswert als „Lehre der Apostel (Apg 2,42) über die Person Jesu Christi und sein Heilsgeheimnis. Als sehr nützlic 24 25 26 772 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu diesem Zweck wird sich die Vertiefung des Katechismus der Katholischen Kirche erweisen, der „getreu und organisch die Lehre der Heiligen Schrift, der lebendigen Überheferung in der Kirche und des authentischen Lehramtes, ebenso wie das geistliche Erbe der Väter, der heiligen Männer und Frauen der Kirche, (darstellt), um das christliche Geheimnis besser erkennen zu lassen und den Glauben des Volkes Gottes neu zu verlebendigen”. <88> Um realistisch zu sein, wird man es nicht unterlassen dürfen, die Gläubigen über die Irrtümer bezüglich der Person Christi dadurch aufzuklären, daß man die Widerstände gegen Ihn und gegen die Kirche ins rechte Licht rückt. Apostolische Konstitution Fidei deposititm: (11. Oktober 1992). 43. Die selige Jungfrau Maria, die während der ganzen Vorbereitungsphase sozusagen „transversal” gegenwärtig sein wird, soll in diesem ersten Jahr vor ahem im Geheimnis der göttlichen Mutterschaft betrachtet werden. In ihrem Leib hat das Wort Heisch angenommen! Die Aussage über die zentrale Stellung Christi kann also nicht getrennt werden von der Anerkennung der Rolle, die seine heihge Mutter gespielt hat. Recht besehen, kann ihre Verehrung auf keinerlei Weise der „Würde und Wirksamkeit Christi, des einzigen Mittlers”, zum Schaden gereichen. <89> Maria weist fortwährend auf ihren göttlichen Sohn hin und stellt ihn allen Gläubigen als Vorbild gelebten Glaubens vor Augen. „Indem die Kirche über Maria in frommer Erwägung nachdenkt und sie im Licht des menschgewordenen Wortes betrachtet, dringt sie verehrend in das erhabene Geheimnis der Menschwerdung tiefer ein und wird ihrem Bräutigam mehr und mehr gleichgestaltet”. <90> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 62. Ebd., Nr. 65. II. Jahr: Heiliger Geist 44. 1998, das zweite Jahr der Vorbereitungsphase, wird in besonderer Weise dem Heiligen Geist und seiner heiligmachenden Anwesenheit in der Gemeinschaft der Jünger Christi gewidmet sein. „Das große Jubiläum am Ende des zweiten Jahrtausends -so schrieb ich in der Enzyklika Dominum et vivificantem- (...) hat eine pneumatologische Ausrichtung; denn das Geheimnis der Menschwerdung vollzog sich ,durch das Wirken des Heiligen Geistes’. Es wurde .gewirkt’ durch jenen Geist, der - eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn - im absoluten Geheimnis des dreieinigen Gottes die ,Liebe in Person’ ist, das ungeschaffene Geschenk, das die ewige Quelle allen Schenkens Gottes in der Schöpfungsordnung ist sowie unmittelbarer Ursprung und gewissermaßen Subjekt der Selbstmitteilung Gottes in der Gnadenordnung. Das Geheimnis der Menschwerdung ist der Höhepunkt dieses Schenkens und dieser Selbstmitteilung”. <91> Enzyklika Dominum et vivificantem (18. Mai 1986), Nr. 50: AAS 78(1986)869-870. 773 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche kann sich auf das zweitausendjährige Jubiläum „in keiner anderen Weise als im Heiligen Geist vorbereiten. Was ,in der Fülle der Zeit’ durch das Wirken des Heiligen Geistes geschah, kann heute nur durch sein Wirken im Gedächtnis der Kirche neu erwachen”. <92> Ebd., Nr. 51: AAS 78(1986)871. Es ist in der Tat der Geist, der die von Christus den Menschen gebrachte einzige Offenbarung in der Kirche aller Zeiten und aller Orte aktualisiert, indem er sie im Herzen eines jeden lebendig und wirksam werden läßt: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe” (Joh 14,26). 45. Zu den wichtigsten Aufgaben der Vorbereitung auf das Jubeljahr gehört daher die Wiederentdeckung der Anwesenheit und Wirksamkeit des Geistes, der in der Kirche wirkt, sei es in sakramentaler Gestalt, vor allem durch die Firmung, sei es vermittels vielfältiger Gnadengaben, Aufgaben und Dienste, die von Ihm zu ihrem Wohl geweckt wurden sind: „Der eine Geist ist es, der seine vielfältigen Gaben gemäß seinem Reichtum und den Erfordernissen der Dienste zum Nutzen der Kirche austeilt (vgl. 1 Kor 12,1-11). Unter diesen Gaben ragt die Gnade der Apostel heraus, deren Autorität der Geist selbst auch die Charismatiker unterstellt (vgl. 1 Kor 14). Derselbe Geist eint durch sich und durch seine Kraft wie durch die innere Verbindung der Glieder den Leib; er bringt die Liebe der Gläubigen untereinander hervor und treibt sie an.” <93> <93> Der Geist ist auch für unsere Zeit die Hauptkraft der Neuevangelisierung. Es wird also darauf ankommen, den Geist als den wiederzuentdecken, der im Laufe der Geschichte das Reich Gottes aufbaut und seine volle Offenbarwerdung in Jesus Christus dadurch vorbereitet, daß er die Menschen innerlich anregt und im menschlichen Erleben die Keime der endgültigen Rettung, die am Ende der Zeiten eintreten wird, aufgehen läßt. 46. In diesem eschatologischen Ausblick sollen die Gläubigen dazu aufgerufen werden, die theologische Tugend der Hoffnung wiederzuentdecken, von der sie „schon früher gehört haben durch das wahre Wort des Evangeliums” (Kol 1,5). Die Grundhaltung der Hoffnung spornt einerseits den Christen dazu an, das Endziel, das seinem ganzen Dasein Sinn und Wert gibt, nicht aus dem Auge zu verheren, und andererseits bietet sie ihm solide und tiefgehende Beweggründe für den täghchen Einsatz bei der Umgestaltung der Wirklichkeit, die dem Plan Gottes entsprechen soll. Wie der Apostel Paulus schreibt: „Denn wir wissen, daß die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen hegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, daß wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung” (Röm 8,22-24). Die Christen sind aufgerufen, sich aui II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 7. 774 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Große Jubiläum zu Beginn des dritten Jahrtausends vorzubereiten durch Erneuerung ihrer Hoffnung auf die endgültige Ankunft des Reiches Gottes, die sie Tag für Tag in ihrem Herzen, in der christlichen Gemeinschaft, der sie angehören, in dem sozialen Umfeld, in das sie hineingestellt sind, und so auch in der Weltgeschichte vorbereiten. Außerdem müssen die Anzeichen von Hoffnung hervorgehoben und vertieft werden, die trotz der Schatten, die sie oft vor unseren Augen verbergen, in diesem letzten Abschnitt des Jahrhunderts vorhanden sind: auf weltlichem Gebiet die von der Wissenschaft, der Technik und vor allem von der Medizin im Dienst am menschlichen Leben erzielten Fortschritte, das lebhaftere Verantwortungsgefühl gegenüber der Umwelt, die Anstrengungen zur Wiederherstellung des Friedens und der Gerechtigkeit überall, wo sie verletzt wurden, der Wille zu Versöhnung und Solidarität zwischen den verschiedenen Völkern, besonders in den umfassenden Beziehungen zwischen dem Norden und dem Süden der Erde, usw.; auf kirchlichem Gebiet das aufmerksamere Hören auf die Stimme des Geistes durch die Annahme der Charismen und die Förderung der Laien, die intensive Hingabe an das Anliegen der Einheit aller Christen, der dem Dialog mit den Religionen und mit der modernen Kultur gewährte Raum, usw. 47. Das Nachdenken der Gläubigen im zweiten Vorbereitungsjahr wird sich mit besonderem Eifer auf den Wert der Einheit innerhalb der Kirche richten müssen, nach der die wahren Gaben und Charismen streben, die der Geist in ihr geweckt hat. In diesem Zusammenhang wird man die vor allem in der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium enthaltene Lehre des II. Vatikanischen Konzils über die Kirche in passender Weise vertiefen können. Dieses wichtige Dokument hat ausdrücklich unterstrichen, daß die Einheit des Leibes Christi auf der Wirkung des Geistes beruht, vom apostolischen Dienst gewährleistet und von der gegenseitigen Liebe beseelt wird (vgl. 1 Kor 13,1-8). Auf jeden Fall sollen durch diese katechetische Vertiefung des Glaubens die Glieder des Volkes Gottes zu einem reiferen Bewußtsein ihrer Verantwortlichkeiten wie auch zu einem lebendigeren Sinn für den Wert des kirchlichen Gehorsams geführt werden können. <94> Vgl. ebd., Nr. 37. 48. Maria, die das durch das Wirken des Heiligen Geistes fleischgewordene Wort empfing und sich dann in ihrem ganzen Leben von seiner inneren Wirkung leiten ließ, wird während dieses Jahres betrachtet und nachgeahmt insbesondere als Frau, die der Stimme des Geistes gehorsam ist, als Frau der Stille und des Zuhörens, als Frau der Hoffnung, die wie Abraham den Willen Gottes anzunehmen wußte „voll Hoffnung gegen alle Hoffnung” (Röm 4,18). Sie bringt die Sehnsucht der Armen Jahwes voll zum Ausdruck und leuchtet als Vorbild für alle, die sich mit ganzem Herzen den Verheißungen Gottes anvertrauen. 33 775 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Id. Jahr: Gottvater 49. 1999, das dritte und letzte Vorbereitungsjahr, wird die Aufgabe haben, den Horizont des Gläubigen gemäß der Sichtweite Christi selbst zu erweitern: der Sichtweite des „ Vaters im Himmel” (vgl. Mt 5,45), von dem er gesandt worden und zu dem er zurückgekehrt ist (vgl. Joh 16,28). „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast” (Joh 17,3). Das ganze christliche Leben ist wie eine große Pilgerschaft zum Haus des Vaters, dessen unbedingte Liebe zu jedem menschlichen Geschöpf und besonders zum „verlorenen Sohn” (vgl. Lk 15,11-32) man jeden Tag wiederentdeckt. Diese Pilgerschaft involviert das Innerste der Person, erweitert sich dann auf die gläubige Gemeinschaft, um schließlich die ganze Menschheit zu erreichen. Das Jubeljahr, in dessen Mittelpunkt die Gestalt Christi steht, wird so zu einer großen Lobpreisung an den Vater: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel” (Eph 1,3-4). 50. In diesem dritten Jahr wird der Sinn des „Weges zum Vater” alle dazu antreiben, in Anhänglichkeit an Christus, den Erlöser der Menschen, einen Weg echter Umkehr zu beschreiten, der sowohl einen „negativen” Aspekt der Befreiung vom Bösen beinhaltet, als auch einen „positiven”, den Aspekt der Wahl des Guten, die in der Zustimmung zu den sittlichen Werten, wie sie von dem dem Menschen ins Herz geschriebenen und vom Evangelium bestätigten Naturgesetz zum Ausdruck gebracht wird. Das ist der geeignete Rahmen für die Wiederentdeckung und intensive Feier des Bußsakramentes in seiner tiefsten Bedeutung. Der Verkündigung der Umkehr als unumgängliches Erfordernis der christlichen Liebe kommt besondere Bedeutung in der heutigen Gesellschaft zu, wo selbst die Grundlagen einer sitthchen Auffassung von der menschlichen Existenz oft abhandengekommen zu sein scheinen. Man wird daher, eingedenk der zusammenfassenden Feststellung des ersten Johannesbriefes: „Gott ist die Liebe” (4,8.16), die theologische Tugend der Liebe hervorheben müssen. Die Liebe mit ihrem doppelten Gesicht als Liebe zu Gott und zu den Schwestern und Brüdern ist die Synthese des sitthchen Lebens des Glaubenden. Sie hat in Gott ihren Ursprung und ihre Vollendung. 51. Muß man aus dieser Sicht und eingedenk dessen, daß Jesus gekommen ist, um „den Armen das Evangelium zu verkünden” {Mt 11,5; 77:7,22), die Vorzugsoption der Kirche für die Armen und die Randgruppen nicht entschiedener betonen? Ja, man muß sagen, daß in einer Welt wie der unseren, die von so vielen Konflikten und unerträglichen sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten gezeichnet ist, der Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden ein tauglicher Gesichtspunkt der Vorbereitung und Feier des Jubeljahres ist. So werden sich, im Geist des Buches Leviticus (25,8-28), die Christen zur Stimme aller Armen der Welt machen müssen, indem sie das 776 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jubeljahr als eine passende Zeit hinstellen, um unter anderem an eine Überprüfung, wenn nicht überhaupt an einen erheblichen Erlaß der internationalen Schulden zu denken, die auf dem Geschick vieler Nationen lasten. Das Jubeljahr wird auch Gelegenheit dazu bieten können, über andere moderne Herausforderungen nachzudenken, wie z. B. die Schwierigkeiten des Dialogs zwischen verschiedenen Kulturen und die Probleme im Zusammenhang mit der Achtung der Rechte der Frau und mit der Förderung von Familie und Ehe. 52. Während darüber hinaus daran zu erinnern ist, daß „Christus ... eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund (macht) und (...) ihm seine höchste Berufung” erschließt, werden insbesondere im Laufe des dritten Vorbereitungsjahres zwei Aufgaben unumgänglich sein: die Auseinandersetzung mit dem Säkularismus und der Dialog mit den großen Religionen. Was erstere betrifft, wird es angebracht sein, sich mit der ausgedehnten Thematik der Zivilisationskrise auseinanderzusetzen, wie sie sich vor allem in dem technologisch hochentwickelten, aber durch das Vergessen oder An-den-Rand-Drängen Gottes innerlich verarmten Westen abzeichnet. Auf die Krise der Zivilisation gilt es mit der Zivilisation der Liebe zu antworten, die sich auf die universalen Werte des Friedens, der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Freiheit gründet, die in Christus ihre volle Verwirklichung finden. 53. Was dagegen den Horizont des religiösen Bewußtseins betrifft, so wird die Zeit unmittelbar vor dem Jahr 2000 auch im Licht der Ereignisses dieser letzten Jahrzehnte eine großartige Gelegenheit sein für den interreligiösen Dialog nach den klaren, vom II. Vatikanischen Konzil in der Erklärung über die Beziehungen der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate gegebenen Anweisungen. In diesem Dialog sollen die Juden und die Muslime einen hervorragenden Platz einnehmen. Gebe Gott, daß man zur Besiegelung dieser Absichten auch gemeinsame Begegnungen an Orten zustandebringen kann, die für die großen monotheistischen Religionen Bedeutung haben. In diesem Zusammenhang wird überlegt, wie man zur Intensivierung des Dialogs mit den Juden und den Gläubigen des Islam historische Begegnungen in Betlehem, Jerusalem und auf dem Sinai, Orten von großem symbolischem Wert, sowie Begegnungen mit Vertretern der großen Weltreligionen in anderen Städten vorbereiten kann. Immer jedoch wird man achtgeben müssen, keine gefährlichen Mißverständnisse zu erzeugen, und gut auf der Hut sein vor der Gefahr des Synkretismus und eines leichtsinnigen und trügerischen Irenismus. 54. In diesem ganzen weitgespannten Horizont wird die selige Jungfrau Maria, erwählte Tochter des Vaters, den Gläubigen vor Augen stehen als vollkommenes Beispiel der Liebe sowohl gegenüber Gott wie gegenüber dem Nächsten. Wie sie selbst II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. 777 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN im Gesang des Magnifikat sagt, hat der Allmächtige, dessen Name heilig ist, Großes an ihr getan (vgl. Lk 1,49). Der Vater hat Maria für eine einzige Sendung in der Heilsgeschichte erwählt: Mutter des erwarteten Erlösers zu sein. Die Jungfrau hat auf den Ruf Gottes mit voller Bereitschaft geantwortet: „Ich bin die Magd des Herrn” (Lk 1,38). Ihre Mutterschaft, die in Nazaret begonnen hat und in höchstem Maße in Jerusalem unter dem Kreuz erlebt wurde, wird in diesem Jahr vernehmbar sein als innige und dringende Einladung, die an alle Rinder Gottes gerichtet ist, zum Haus des Vaters zurückzukehren und auf ihre mütterliche Stimme zu hören: „Was Christus euch sagt, das tut” (vgl. Joh 2,5). c) Im Blick auf die feierliche Durchführung 55. Ein Kapitel für sich stellt die eigentliche Feier des Großen Jubeljahres dar, die gleichzeitig im Heiligen Land, in Rom und in den Ortskirchen der ganzen Welt erfolgen soll. Vor allem in dieser Phase, der Phase der feierlichen Durchführung, wird das Ziel die Verherrlichung der Dreifaltigkeit sein, von der alles kommt und der sich alles zuwendet in Welt und Geschichte. Diesem Geheimnis gelten die drei Jahre der unmittelbaren Vorbereitung: von Christus und durch Christus im Heiligen Geist zum Vater. In diesem Sinne aktualisiert die Feier des Jubiläums das Ziel und die Erfüllung des Lebens des Christen und der Kirche im dreieinigen Gott und nimmt sie zugleich vorweg. Da jedoch Christus der einzige Zugangs weg zum Vater ist, wird zur Hervorhebung seiner lebendigen und heilbringenden Gegenwart in Kirche und Welt anläßlich des Großen Jubeljahres in Rom der internationale eucharistische Kongreß abgehalten werden. Das Jahr 2000 soll ein intensiv eucharistisches Jahr sein: Im Sakrament der Eucharistie bietet sich der Erlöser, der vor zweitausend Jahren im Schoß Mariens Mensch geworden ist, weiterhin der Menschheit als Quelle göttlichen Lebens dar. Die ökumenische und universale Dimension des Jubeljahres wird von einem denkwürdigen panchristlichen Treffen in geeigneter Weise herausgestellt werden können. Es handelt sich um eine Geste von hohem Wert und muß deshalb, um Mißverständnisse zu vermeiden, korrekt vorgeschlagen und sorgfältig vorbereitet werden, aus einer Haltung brüderlicher Zusammenarbeit mit den Christen anderer Konfessionen und Traditionen sowie in willkommener Öffnung den Religionen gegenüber, deren Repräsentanten ihre Aufmerksamkeit auf die allen Jüngern Christi gemeinsame Freude lenken. Eines ist gewiß: Ein jeder ist eingeladen, alles in seiner Macht Stehende zu tun. damit die große Herausforderung des Jahres 2000, mit der sicherlich eine besondere Gnade des Herrn für die Kirche und für die ganze Menschheit verbunden ist, nichl vernachlässigt wird. 778 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN V. Jesus Christus ist derselbe (...) in Ewigkeit (Hebr 13,8). 56. Die Kirche besteht seit zweitausend Jahren. Wie das Senfkorn im Evangelium wächst sie zu einem großen Baum heran, der mit seinen Zweigen ein Dach für die ganze Menschheit zu bilden vermag (vgl. Mt 13,31-32). Das II. Vatikanische Konzil formuliert das in der dogmatischen Konstitution über die Kirche bei der Behandlung der Frage der Zugehörigkeit zur Kirche und des Auftrags an das Volk Gottes so: „Zu dieser katholischen Einheit des Gottesvolkes ... sind alle Menschen berufen. Auf verschiedene Weise gehören ihr zu oder sind ihr zugeordnet die katholischen Gläubigen, die anderen an Christus Glaubenden und schließlich alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heile berufen sind”. <95> Paul VI. erläutert seinerseits in der Enzyklika Ecclesiam suam die universale Einbeziehung der Menschen in den Plan Gottes und hebt dabei die verschiedenen Runden des Heilsdialogs hervor. <96> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 13. Vgl. Paul VI. Enzyklika Ecclesiam suam (6. August 1964), III: A4S 56(1964)650-657. Im Lichte dieses Ansatzes kann man den Sinn des Gleichnisses vom Senfkorn noch besser verstehen (vgl. Mt 13,33). Christus dringt als göttlicher Sauerteig immer tiefer in die Gegenwart des Lebens der Menschheit ein und verbreitet dabei das im Ostergeheimnis vollbrachte Heilswerk, das ausschließlich sein Werk ist. Er nimmt überdies auch die gesamte Vergangenheit des Menschengeschlechts, von Adam angefangen, in seine heilbringende Herrschaft hinein. <97> Ihm gehört die Zukunft: „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit” (Hebr 13,8). Die Kirche ihrerseits „bestimmt nur dies eine: unter Führung des Geistes, des Trösters, das Werk Christi selbst weiterzuführen, der in die Welt kam, um der Wahrheit Zeugnis zu geben; zu retten, nicht zu richten; zu dienen, nicht sich bedienen zu lassen”. <98> Vgl. ebd., Nr. 2. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 3. 57. Und dämm geht seit den Zeiten der Apostel die Mission der Kirche in der gesamten Menschheitsfamilie ohne Unterbrechung weiter. Die erste Evangelisierung war vor allem auf den Mittelmeerraum ausgerichtet. Im ersten Jahrtausend brachten die von Rom und Konstantinopel ausgehenden Missionen das Christentum auf den gesamten europäischen Kontinent. Gleichzeitig wandten sie sich dem Herzen Asiens zu und gelangten bis Indien und China. Das Ende des 15. Jahrhunderts, mit der Entdeckung Amerikas, bezeichnete den Anfang der Evangelisierung im Süden und Norden jenes riesigen Kontinents. Während in Afrika die Küsten im Süden der Sahara das Licht Christi annahmen, gelangte zur selben Zeit der hl. Franz Xaver, Patron der Missionen, bis Japan, und um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert brachte ein Laie, Andreas Kim, das Christentum nach Korea; in jener Zeit erreichte die Verkündigung des Evangeliums die indochinesische Halbinsel sowie Australien und die Pazifik-Inseln. 779 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das 19. Jahrhundert hatte eine große Missionstätigkeit unter den Völkern Afrikas zu verzeichnen. Alle diese Werke haben Früchte getragen, die bis heute fortdauern. Das II. Vatikanische Konzil trägt dem in dem Dekret über die Missionstätigkeit Ad gentes Rechnung. Nach dem Konzil wurde die Missionsfrage in der Enzyklika Re-demptoris missio unter Bezugnahme auf die Probleme der Missionen in diesem letzten Abschnitt unseres Jahrhunderts behandelt. Die Kirche wird auch in Zukunft weiterhin missionarisch sein: denn der missionarische Charakter gehört zu ihrem Wesen. Mit dem Zusammenbruch großer antichristlicher Systeme auf dem europäischen Kontinent, zunächst des Nationaisozialismus und dann des Kommunismus, erscheint die Aufgabe dringend nötig, den Männern und Frauen Europas erneut die befreiende Botschaft des Evangeliums anzubieten. <99> Außerdem wiederholt sich, wie die Enzyklika Redemptoris missio, ausführt, in der Welt die Situation des Areopags von Athen, wo der hl. Paulus gesprochen hat. <100> Heute gibt es viele und sehr verschiedene „Areopage”: es sind die weiten Bereiche der modernen Zivilisation und Kultur, der Politik und der Wirtschaft. Je mehr sich der Westen von seinen christlichen Wurzeln lossagt, um so mehr wird er zum Missions gebiet in der Gestalt unterschiedlichster „Areopage”. <99> Vgl. Erklärung der Sonderversammlung für Europa der Bischofssynode, Nr. 3. ^ Vgl. Enzyklika Redemptoris missio, Nr. 37, C: AAS 83(1991)284-286. 58. Die Zukunft der Welt und der Kirche gehört den jungen Generationen, die, noch in diesem Jahrhundert geboren, erst im nächsten, dem ersten Jahrhundert des neuen Jahrtausends, reife Menschen sein werden. Christus nimmt sich der jungen Menschen an, wie er sich des jungen Mannes annahm, der ihm die Frage stellte: „Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” {Mt 19,16). Auf die wunderbare Antwort, die Jesus ihm gab, bin ich in der jüngsten Enzyklika Veritatis splendor ebenso eingegangen wie zuvor in dem Schreiben an die Jugend der ganzen Welt von 1985. Die jungen Menschen, und zwar in jeder Situation, in jeder Gegend auf der Erde, hören nicht auf, Fragen an Christus zu richten: Sie begegnen Ihm und suchen Ihn, um Ihn weiter zu fragen. Wenn sie dem Weg zu folgen vermögen, den Er angibt, werden sie zu ihrer Freude ihren Beitrag zu seiner Gegenwart im nächsten und in den darauffolgenden Jahrhunderten, bis zum Ende der Zeiten, leisten können. „Jesus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit.” 59. Als Abschluß passen die Worte der Pastoralkonstitution Gaudium et spes: „Die Kirche glaubt, daß Christus, der für alle starb und auferstand, dem Menschen durch seinen Geist Licht und Kraft schenkt, damit er seiner höchsten Berufung nachkom-men kann; es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem sie gerettet werden sollen. Sie glaubt ferner, daß in ihrem Herrn und Meister der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte gegeben ist. Die Kirche bekennt überdies, daß allen Wandlungen vieles Unwandelbare zugrunde liegt, was seinen letzten Grund in Christus hat, der derselbe ist ge- 780 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stem, heute und in Ewigkeit. Im Licht Christi also, des Bildes des unsichtbaren Gottes, des Erstgeborenen vor aller Schöpfung, will das Konzil alle Menschen ansprechen, um das Geheimnis des Menschen zu erhellen und mitzuwirken dabei, daß für die dringlichsten Fragen unserer Zeit eine Lösung gefunden wird”. <101> Während ich die Gläubigen einlade, inständig zum Herrn zu beten, um die bei der Vorbereitung und Feier des nunmehr bevorstehenden Jubeljahres nötige Erleuchtung und Hilfe zu empfangen, fordere ich die verehrten Brüder im Bischofsamt und die ihnen anvertrauten Kirchengemeinden auf, ihr Herz den Eingebungen des Geistes zu öffnen. Er wird es nicht unterlassen, die Herzen zu rühren, damit sie sich anschicken, das große Jubiläumsereignis mit erneuertem Glauben und offenherziger Beteiligung zu feiern. Nr. 10. Dieses Anliegen der ganzen Kirche vertraue ich der mütterüchen Fürsprache Mariens, der Mutter des Erlösers, an. Sie, die Mutter der schönen Liebe, werde für die Christen auf dem Weg dem Großen Jubiläum des dritten Jahrtausends entgegen der Stem, der mit Sicherheit ihre Schritte auf den Herrn zu lenkt. Das einfache Mädchen aus Nazaret, das vor zweitausend Jahren der ganzen Welt das fleischgewordene Wort dargebracht hat, möge die Menschheit des neuen Jahrtausends zu dem hinlenken, der „das wahre Licht (ist), das jeden Menschen erleuchtet” (Joh 1,9). Mit diesen Wünschen erteile ich allen meinen Segen. Aus dem Vatikan, am 10. November des Jahres 1994, im 17. Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Beten und Arbeiten für Einheit in Vielfalt Ansprache an die Delegation der Assyrischen Kirche des Ostens am 11. November Iure Heiligkeit! 1. Es sind genau zehn Jahre her, seit ich die Freude hatte, Sie hier bei Ihrem ersten jffiziellen Besuch dieses Apostolischen Stuhles willkommen zu heißen. Diese breude wird heute erneuert, zumal Sie von einer Delegation bedeutender Bischöfe brer Heiligen Synode begleitet sind. Mit den Worten des Apostels Paulus wünsche ch Ihnen „Gnade und Frieden von Gott, dem Vater, und Jesus Christus, unserem Jerm” (7 Tim 1,2). lei Gelegenheit Ihres letzten Besuches teilten Sie mir Ihren glühenden Wunsch mit, dne Erklärung des Papstes von Rom und des Katholikos und Patriarchen der Assy- 781 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rischen Kirche des Ostens möge eines Tages den gemeinsamen Glauben an Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes, geboren von der Jungfrau Maria, aussprechen können. Historiker und Theologen gingen unmittelbar ans Werk und prüften sehr sorgfältig die christologischen Konsequenzen des Konzils von Ephesus. In einer Atmosphäre der Brüderlichkeit und des gegenseitigen Vertrauens ermöglichte uns ein fruchtbarer Dialog die Überwindung der Zweideutigkeiten und Mißverständnisse der Vergangenheit. Heute sind wir bei einer gemeinsamen christologischen Erklärung angelangt, die wir gemeinsam unterzeichnen wollen. Dies bildet ein wichtiges Zeugnis und wird gewiß bei den Gläubigen unserer beiden Kirchen Freude auslösen. 2. Meinerseits bin ich zuversichtlich, daß uns dieses Abkommen weite Horizonte auf dem Gebiet der pastoralen Zusammenarbeit eröffnet. Von großer Bedeutung wird die Verstärkung der Zusammenarbeit bei der spirituellen und theologischen Ausbildung künftiger Priester und verantwortlicher Laien sein. Das gleiche gilt für die Kinder- und Jugendkatechese: Wir müssen in dieser Richtung allen nur möglichen Eifer entfalten. Sollten wir ferner nicht „den Heftigen, wenn sie in Not sind, helfen” (Röm 12,13) und unsere Bemühungen koordinieren, jene mit Würde willkommen zu heißen und ihnen wirksam zu helfen, die ihrer Heimat entrissen und zu Auswanderung gezwungen wurden wegen der schweren Trübsale, denen sie ausgesetzt waren? (vgl. Uni-tatis redintegratio, Nr. 18). Wir vergessen tatsächlich nicht die lange Nacht des Leidens, die Ihre östlichen syrischen Gemeinden durchmachen mußten, da sie übei die Jahrhunderte hindurch wegen ihres Bekenntnisses des Namens Christi zerstreut verfolgt und ermordet wurden. Jene, die trotz allem in ihren Ländern im Mittlerer Osten gebheben sind - und Krieg und ungerechte Einschränkungen aller Art mitmachen mußten -, sollen wissen, daß der Heilige Stuhl alle Mittel aufbietet, die ihn zumal durch seine Kontakte mit den Regierungen und den internationalen Organisationen zur Verfügung stehen, ihre Leiden zu lindem und sie wenn möglich zu beenden. Endlich kann ja auch eine Kirche, die sich in der Vergangenheit durch ihre heroische Treue zum Glauben ausgezeichnet hat, in der christlichen Welt und zuma unter den Kirchen des Mittleren Ostens nicht am Rande bleiben. Wir hoffen, Ihnei helfen zu können, alle noch vorhandene Isolierung zu beseitigen. 3. Von meinen Kontakten mit euren Chaldäischen Bruder-Bischöfen her, die ich ii diesen Tagen erneut treffen werde, kann ich euch versichern, daß sie bereit sind, di« große Bewegung zur Wiederherstellung der Einheit aller Christen zu fördern ii Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Dekrets des Zweiten Vatikanischei Konzils über den Ökumenismus. Es ist ihnen wirklich ein Anliegen, „jene, brüderli chen Bande der Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe zu bewahren, die zwi sehen Lokalkirchen und Schwesterkirchen bestehen müssen” (ebd., Nr. 14). Wi erkennen alle an, daß es von größter Wichtigkeit ist, das reiche Erbe einer jeden eu rer Kirchen zu verstehen, zu verehren, zu bewahren und zu fördern, und daß eim 782 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gewisse Verschiedenheit der Gewohnheiten und Bräuche für die Einheit keineswegs ein Hindernis ist. Zu dieser Verschiedenheit gehört die Vollmacht unserer Kirchen, sich selbst nach ihren eigenen Rechtsformen zu leiten und gewisse Unterschiede in theologischen Ausdrucksformen beizubehalten, die oft, wir feststellen konnten, sich eher ergänzen als zum Konflikt führen (ebd. Nm. 15-17). In allen Dingen und unter allen Umständen bleibt es wesentlich, daß wir untereinander die gegenseitige Achtung fördern und einen tiefreichenden Geist der Liebe, so daß alle Formen der Rivalität ausgeschlossen sind (ebd., Nr. 18). 4. Eure Heiligkeit und geliebte Brüder: In diesem Geist möchte die Katholische Kirche den Austausch der Gaben vollziehen. Wir wollen gemeinsam die Allerheiligste Dreifaltigkeit, das Vorbild wahrer Einheit in der Verschiedenheit, bitten, unsere Herzen zu stärken, damit wir dem Ruf für eine einzige sichtbare Kirche Gottes folgen, eine Kirche, die wahrhaft universal und in die ganze Welt gesandt ist, damit diese Welt zum Evangelium bekehrt und so zur Ehre Gottes geheilt wird. Möge Gott, der dieses gute Werk in uns begonnen hat, es in Jesus Christus auch zur Vollendung bringen (vgl. Phil 1,6). Amen. Demokratie - Garant der Menschenrechte? Ansprache an die Teilnehmer des Symposions über „Die Katholiken und die pluralistische Gesellschaft”, veranstaltet von der Kongregation für die Glaubenslehre, am 12. November Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofsamt und im Priestertum, liebe Brüder und Schwestern! 1. Gern empfange ich euch am Ende des Symposions zum Thema „Die Katholiken und die pluralistische Gesellschaft. Die Tatsache unvollkommener Gesetze”, das such in diesen Tagen intensiv beschäftigt hat. Ich danke Joseph Kardinal Ratzinger, daß er mir die Themen vorgestellt hat, die ihr besprochen habt, und die Methode, der ihr dabei gefolgt seid. Ebenso spreche ich jedem der Teilnehmer meinen Dank aus für den auf Grund von Studien und Erfahrung beigesteuerten Beitrag zur Vertiefung der jeweiligen Themen. 2. In der Enzyklika Veritatis splendor habe ich in Erinnerung gerufen: „Wahrhaftes Verständnis und echte Barmherzigkeit bedeuten in Wirklichkeit Liebe zur menschlichen Person, zu ihrem wahren Wohl, zu ihrer authentischen Freiheit. Und dies commt gewiß nicht dadurch zustande, daß man die sittliche Wahrheit verbirgt oder ibschwächt, sondern indem man sie in ihrer tiefen Bedeutung als Ausstrahlung der swigen Weisheit Gottes, die uns in Christus erreicht, und als Dienst am Menschen, im Wachstum seiner Freiheit und an der Erreichung seiner Seligkeit darlegt” .'Nr. 95). 783 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn ich euch heute diese gleichen Worte vorlege, dann deshalb, weil ich sicher bin, daß sie exakt den Geist des Symposions umschreiben, das die Kongregation für die Glaubenslehre organisiert hat und an dem ihr teilgenommen habt. Sein Ziel war nämlich nicht, einen Kompromiß zwischen dem staatlichen und dem moralischen Gesetz zu finden, sondern gemäß der Wahrheit nachzudenken sowie die Grundlagen und Gründe für eine genauere Befolgung des moralischen Gesetzes zu vertiefen. Die Lehre der Kirche über das Verhältnis zwischen staatlichem und moralischem Gesetz ist klar und einfach. Wie die Instruktion Donum vitae darlegt, „darf das staatliche Gesetz in keinem Lebensbereich an die Stelle des Gewissens treten noch Normen über Angelegenheiten vorschreiben, die über seine Zuständigkeiten hinausgehen” (III). Es ist vielmehr seine Aufgabe, das Gemeinwohl der Personen zu sichern, indem es die Anerkennung und Verteidigung ihrer grundlegenden Rechte, die Förderung des Friedens und der öffentlichen Moral garantiert (vgl. Dignitatis huma-nae, Nr. 7). 3. Jede Person hat Rechte, die das positive Gesetz des Staates nicht schafft, sonderr anerkennen muß, und das erste unter ihnen ist das Recht auf Leben. Jedes unschuldige Individuum hat ein Recht auf Leben von seiner Empfängnis an bis zu seinen natürlichen Tod. Wenn die öffentliche Autorität zuweilen tolerieren muß, was sie, ohne daß ein größeres Übel daraus entsteht, nicht verhindern kann, so darf sie doch nie für die einer als Recht hinstellen, was das grundlegende Recht der anderen radikal aufs Spie setzt. Ein Gesetz, das dies tun würde, ist kein wahres Gesetz. Dies hat de: hl. Thomas gelehrt (S.Th. I-II, q.93, a.3), und dies hat mein Vorgänger ehrwürdiger Angedenkens, Johannes XXIII., in seiner Enzyklika Pacem in terris bekräftigt: „D: man heutzutage annimmt, daß das Gemeinwohl vor allem in der Wahrung de Rechte und der Pflichten der menschlichen Person besteht, muß dem Staat beson ders daran gelegen sein, daß einerseits diese Rechte anerkannt, geachtet, aufeinan der abgestimmt, geschützt und gefördert werden und daß andererseits ein jeder sei nen Pflichten leichter nachkommen kann ... Wenn deshalb Staatsbehörden di< Rechte der Menschen nicht anerkennen oder sie verletzen, weichen sie nicht nur vor ihrer Aufgabe ab, vielmehr verlieren ihre Anordnungen auch jede rechtliche Ver pflichtung” (2. Kapitel). 4. Die Lehre der Kirche ist in diesem Punkt frei von Zweideutigkeit. Die Kongrega tion für die Glaubenslehre hat euch nicht aufgefordert, die Grundlagen zu eine Antwort auf das Problem der Mitarbeit an einem ungerechten Gesetz tiefer zu erfor sehen, sondern jene zu einer Antwort auf die Frage der Mitarbeit an einem Gesetz das die Ungerechtigkeit eines voraufgehenden Gesetzes zu beheben sucht. Die Gesellschaft, in der wir leben, versetzt uns in Situationen der Ungerechtigkeil die sich unserer Kontrolle entziehen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, wie ma: dem Guten gerecht wird. Darauf habt ihr auf eurem Symposion eine Antwort vei sucht. Ihr habt es mit Emst und Sachkenntnis getan, indem ihr die Mechanismen un 784 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gesetze der heutigen Demokratie geprüft und den Sinn der Begriffe und Situationen verdeutlicht habt, in denen sich das Problem einem katholischen Politiker stellen kann. Ferner habt ihr die Elemente für eine Lösung tiefer bedacht, die die Heilige Schrift, die Überheferung und die Geschichte der Kirche bieten können; und ihr habt die spezifische Rolle der Laien gegenüber der des pastoralen Lehramts näher bestimmt. 5. Das behandelte Problem ist tatsächlich nicht einfach, weil man sich verschiedenen Verhaltensvorschlägen gegenübergestellt sieht, die man als prophetischen Widerstand, als Mitarbeit oder Toleranz bezeichnen könnte. Im heutigen Kontext stellen sich immer neue Fragen, die die Kongregation im Hinblick auf die Vorlage angemessener Antworten bedacht hat. Bei eurem gemeinsamen Nachdenken in diesen Tagen hat sich der Rahmen der gestellten Probleme erweitert, und auch die neuen Dimensionen der Frage konnten eingeordnet werden. Für diese eure Arbeit danke ich euch erneut aufrichtig, rufe auf einen jeden von euch den ständigen Beistand des Herrn herab und segne euch alle von Herzen. Kirchliche Gemeinschaften - Förderer des Gemeindelebens Grußworte an die Vertreter der „Charismatic Covenant Communities” am 14. November Liebe Freunde in Christus! Mit Freude begrüße ich euch, die Mitglieder der Katholischen Bruderschaft der „Charismatic Covenant Communities” bei Gelegenheit eures Jahrestreffens. Eure Tagung führt Vertreter solcher Gemeinschaften aus aller Welt zusammen und gibt Zeugnis von der bemerkenswerten Vielfalt der Gaben des Heiligen Geistes, die alle verliehen werden, um die Einheit der Kirche im Band des Friedens aufzubauen (vgl. Eph 4,3). Als 1990 eure Bruderschaft als Private Vereinigung von Gläubigen unter Päpstli-;hem Recht anerkannt wurde, war das ein Zeichen dafür, daß eure charismatischen 3 undesgemeinschaften als eine Kraft zur Erneuerung der Kirche in Treue zum Wort Bottes, in Heiligkeit des Lebens und im Einsatz beim Werk der Evangelisierung tä-:ig geworden sind. Die kirchliche Gemeinschaft, die eure Bruderschaft mit den Bischöfen und dem Sitz des Petrus ebenso wie unter den einzelnen Gemeinschaften brdem möchte, ist in der Tat ein Zeichen für eure echte katholische Identität, denn ,die ,communio’ ist missionarisch, und die Sendung gilt der ,communio”’ (Christi-Ideles laici, Nr. 32). Als Heimstätten des Gebetes, des Zeugnisses für das Evangelium und der Aufgeschlossenheit für das Wirken des Heiligen Geistes haben eure Gemeinschaften bei ler Erneuerung des Volkes Gottes in Heiligkeit eine besondere Rolle zu spielen angesichts des wachsenden Schwindens des Sinnes für Gottes Gegenwart und infolge- 785 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dessen der zunehmenden religiösen Gleichgültigkeit. Euer Bemühen, anderen die Freude eures Glaubens an Christus bekannt zu machen, wird nicht nur dazu beitragen, das Leben der Ortskirchen, zu denen ihr gehört, zu festigen, sondern es wird zugleich unter euren Mitgliedern selbst einen tieferen und reiferen Glauben anregen. Besonders ermutige ich euch zu freudiger Treue gegenüber der Morallehre der Kirche. In der Enzyklika Veritatis splendor habe ich ausgeführt: „Eine Neuevangelisierung, die Grundlagen und Inhalte der christlichen Moral darlegt, bekundet ihre Authentizität und verströmt gleichzeitig ihre ganze missionarische Kraft, wenn sie sich durch das Geschenk nicht nur des verkündeten, sondern auch des gelebten Wortes vollzieht” (vgl. Nr. 107). Ebenso kann eure Betonung der Zentralstellung der Heiligen Schrift für das christliche Leben in hohem Maß dem ökumenischen Verständnis und Zusammenarbeiten hilfreich sein, wenn sich nämlich alle Glaubenden bemühen, auf die Stimme des Geistes zu hören, der zu den Kirchen spricht (vgl. Offb 2,29). Euer Zeugnis kann zumal für junge Menschen wichtig sein, auf die das Ideal der Heiligkeit große Anziehungskraft ausübt. Ich ermuntere euch vor allem, als bleibende Frucht dieses Jahres der Familie die Heiligkeit von Ehe und Familie in Übereinstimmung mit Gottes Plan zu verkünden und dahin zu wirken, daß die Achtung vor dem gottgeschenkten Leben auf allen Ebenen der Gesellschaft gesichert wird Da die Kirche sich auf die Feier des dritten christlichen Jahrtausends vorbereitet indem sie all ihre Kräfte der Verkündigung des Evangeliums widmet, sind die Mitglieder eurer Gemeinschaften aufgerufen, immer noch überzeugender für die Wahrheiten des Evangeliums einzutreten, wie die Kirche sie lehrt. Ich bin sicher, daß ifr daher eure Mitglieder ermutigen werdet, den Katechismus der Katholischen Kircht sorgfältig zu lesen und aufmerksam zu studieren. Liebe Freunde, ich entbiete euch meine von Gebet unterstützten guten Wünsche fü: eure Tagung und bin zuversichtlich, daß eure Überlegungen ein immer noch engere: Band zwischen den Hirten der Kirche und den „Charismatic Covenant Communi ties” knüpfen werden. Ich rufe auf euch alle die Gaben der Weisheit und der Stärk: des Heiligen Geistes herab und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Se gen als Unterpfand der Gnade und des Friedens in unserem Herrn Jesus Christus. Mann und Frau begründen die Menschheit durch das gegenseitige Sich-Erkennen Ansprache bei der Sonderaudienz für den „Schönstatt-Familienbund” am 14. November Liebe Schwestern und Brüder! Es ist für mich eine besondere Freude, die Mitglieder-Ehepaare des 5. Kapitels de Schönstatt-Familienbundes Deutschland begrüßen zu können. Mit Eurer Wallfahr 786 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nach Rom im Jahr der Familie wollt Ihr gleichsam den ersten Bund für Familien innerhalb der Schönstattbewegung vorstellen. Die zentrale Bedeutung von Ehe und Familie aus dem Verständnis des kirchlichen Lehramtes zu leben lege ich Euch besonders ans Herz. Der Mensch ist das einzige von Gott um seiner selbst willen gewollte Geschöpf in der Welt. Dieser Mensch, der von Anfang an vom Schöpfer so gewollt wurde, kann sich selbst nur durch eigene uneigennützige Hingabe finden. „Die Liebe sorgt dafür, daß sich der Mensch durch die aufrichtige Selbsthingabe verwirklicht: Lieben heißt, alles geben und empfangen, was man weder kaufen noch verkaufen, sondern sich nur aus freien Stücken gegenseitig schenken kann” {Brief an die Familien, Nr. 11). Die Ausstrahlung der Liebe ist wesentlicher Bestandteil des Schöpfungsgeheimnisses. Einzig die Liebe schafft das Gute, und allein dieses läßt sich in allen seinen Dimensionen und Erscheinungsweisen in den geschaffenen Dingen und vor allem im Menschen wahmehmen. Das ursprüngliche Glück, der „Anfang” des Menschen, den Gott als „Mann und Frau” geschaffen hat {Gen 1,27), ist Ausdruck des Verwurzeltseins in der Liebe. Das konsequente Sich-Schenken, das bis in die letzten Schichten der subjektiven Existenz des Mannes und der Frau hinabreicht und sich in ihrer gegenseitigen Leib-Erfahrung widerspiegelt, ist Zeugnis für diese Verwurzelung in der Liebe. Im Schöpfungsgeheimnis wurden Mann und Frau vom Schöpfer einander in besonderer Weise als Geschenke gegeben, und das nicht nur, soweit es jene erste Gemeinschaft von Personen betrifft, sondern für das ganze Menschengeschlecht und die Menschheitsfamilie. Das „Erkennen”, von dem die Heilige Schrift spricht (vgl. Gen 4,1), ist der Akt, in dem das Sein seinen Ursprung hat. Der Mensch als Mann und Frau begründet die Menschheit durch das gegenseitige Sich-Erkennen in dieser spezifischen Gemeinschaft und Verbundenheit von Personen. Er bestätigt und erneuert die Existenz des Menschen als Abbild Gottes. Suer Beispiel in der Ehe, das Ihr im Sinne Eures Gründers geben sollt, möge vielen Menschen und Christen helfen, in der Ehe die Erfüllung ihrer Berufung zu finden. Es st die Aufgabe christlicher Ehepaare, in der Ehe den Weg zum Heil und zur Heilig-ceit zu suchen. Maria, die „Mutter der schönen Liebe” {Brief an die Familien, 'Ir. 20), und ihr Bräutigam, der heilige Josef, mögen Euch Vorbild sein. Sie für alle iheleute und Familien anzurufen, ist unsere Aufgabe im Gebet. /on Herzen erteile ich Euch und allen Mitgliedern des Familienbundes meinen Apostolischen Segen. 787 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Plädoyer für natürliche Methoden der Familienplanung Ansprache an die Arbeitsgruppe der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften über „Wissenschaftliche Grundlagen und Probleme der natürlichen Regelung der Fruchtbarkeit” am 18. November Eminenz, Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Ich bin der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften dankbar, daß sie diese; Studientreffen über die wissenschaftlichen Grundlagen der natürlichen Regelung de: Fruchtbarkeit und die damit verbundenen Probleme veranstaltet hat. Ich möchtt Herrn Professor Nicola Cabibbo, dem Präsidenten der Päpstlichen Akademie de Wissenschaften, für seine freundliche Begrüßung danken. Ihr Entschluß, diese: Thema aufzugreifen ist eine entsprechende Fortsetzung zu Ihrer früheren Untersu chung über Bevölkerung und globale demographische Trends. Mit der Einladung ai hochqualifizierte Experten, Ihnen die Ergebnisse ihrer Forschungen mitzuteilen, er füllt die Akademie einmal mehr den Zweck, wofür sie gegründet wurde, nämlich gültige wissenschaftliche Einsichten in Themen zu vermitteln, die die Kirche und di Gesellschaft in besonderer Weise betreffen. 2. Der Einladung der Akademie entsprechend richten Sie Ihre Aufmerksamkeit au wissenschaftliche und technische Aspekte von Dingen, die mit der Fruchtbarkeit i: Zusammenhang stehen. Die Kirche ist dankbar für Ihre Arbeit, denn „die Kirche is die erste, wenn es gilt, das Mitwirken der geistigen Kräfte bei einer Tätigkeit hei vorzuheben und zu empfehlen, die das vernunftbegabte Geschöpf so eng an seine Schöpfer bindet” (Humane vitae, Nr. 16). Ihre gemeinsame Forschung wird ein größere Wertschätzung des bedeutenden Fortschritts erbringen, der in der Kenntni und dem Verstehen des weiblichen Fruchtbarkeitszyklus erziehlt wurde. Diese Wissen hilft Ehepaaren Schwangerschaften sowohl herbeizuführen als auch zu vei hindern. Es sollte von allgemeinem Interesse sein, das Wissenschaftler imstande we ren, aufgrund sorgfältiger Studien und mit der Hilfe vieler Ehepaare zu zeigen, da zur Regelung der Fruchtbarkeit bzw. zur Familienplanung natürliche Methoden vei trauenswürdig und wirksam sind, selbst in Fallen sehr unregelmäßiger ovarielle Zyklen. Wenn diese Forschungsergebnisse Ehepaaren bekanntgemacht werdei dann können sie ihnen mehr Wahlmöglichkeit bieten und daher den Ehemänner und Ehefrauen Gelegenheit geben, in gegenseitigem Gespräch, das die Unverlet; lichkeit beider Partner achtet und ihrer religiösen Überzeugung und ihrem kulture len Empfinden treu ist, in freier und verantwortlicher Weise wichtige Entscheidui gen zu treffen. Solch ein Gespräch kann die Gemeinschaft zwischen ihnen nur bt reichem und vertiefen. 788 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die Kirche stellt mit Freude den Fortschritt fest, der in der Kenntnis der Humanbiologie und des weiblichen Fruchtbarkeitsrhythmus gemacht wurde (vgl. Humanae vitae, Nr. 35). Sie sieht diese Themen als sehr wichtig an, da der sexuelle Ausdruck der Liebe als ein spezifisch menschlicher Akt die Bedeutung des Lebens selbst und die Würde der beteiligten Personen berührt. Die heutige Kultur betrachtet die Sexualität oft in verkürzter Weise, nicht in Übereinstimmung mit der ganzheitlichen Sicht der menschlichen Person. Die Liebe eines Mannes und einer Frau muß in ihrer vollsten Bedeutung begriffen werden, ohne die verschiedenen Aspekte, die sie in sich schließt - den geist-geistlichen, den moralischen, den physischen und den psychologischen voneinander zu trennen. Eine dieser Dimensionen der Liebe zu übersehen bedeutet ein ernstes Risiko für die Einheit der Person. Die Praxis der natürlichen Methoden der Familienplanung hilft den Paaren, die normativen Prinzipien ihres Sexuallebens zu erfassen, die sich aus der Struktur ihrer Person selbst und aus ihrer Beziehung ergeben. 4. Als gegebene Tatsache können wir aus dem Fortpflanzungssystem des Körpers einen Hinweis auf den Plan des Schöpfers ablesen. Die Kenntnis der menschlichen Sexualität und des Fortpflanzungssystems hilft Ehepaaren die bräutliche Dimension des Leibes und ihre Stellung im Plan des Schöpfers entdecken (vgl. Familiaris con-sortio, Nr. 31). Eine solche Perspektive läßt den wesentlich moralischen Unterschied verstehen zwischen den Methoden, die künstlich einen Prozeß unterbrechen, der von sich aus für das Leben offen ist, und anderen Methoden, die sich auf die immer tiefere Kenntnis der biologischen Rhythmen des menschlichen Leibes gründen, die die Sexualität untrennbar der personalen Gemeinschaft und dem Geschenk des Lebens zuordnen. Der eheliche Akt hat in der Tat seine eigene ganzheitliche Bedeutung. Er nimmt den Menschen so in Anspruch, daß die Erfahrung der Gemeinschaft und die Offenheit für das Leben nicht getrennt werden können. Bei der Anwendung von natürlichen Methoden wird der Leib als Ausdruck der innersten Natur der Person betrachtet. Im anderen Fall aber führt die Trennung der verschiedenen Aspekte der menschlichen Sexualität bei einem besonderen Tun dazu, den Körper als ein äußerliches Objekt zu betrachten, das vom Subjekt in einer Art benutzt wird, die einen wesentlichen Zweck des Aktes selbst leugnet und daher auch eine Leugnung der wesentlichen Werte der personhaften Beziehungen des Paares einschließt. Die Anwendung der natürlichen Methoden trägt bei beiden Partnern zur Offenheit und zu größerem Einfühlungsvermögen füreinander bei. Sie ist auch eine Einübung in die Formen der gegenseitigen Abhängigkeit und des füreinander Besorgtseins durch die Achtung gegenüber den biologischen und psychologischen Rhythmen des anderen. 5. Von dieser hervorragenden Versammlung aus möchte ich einen Aufruf an die Staats- und Regierungschefs der Welt richten, die notwendigen Mittel zur Forschung und Bildung auf dem Gebiet der natürlichen Methoden der Familienplanung bereitzustellen. Es ist ja in der Tat die Pflicht von Staaten und Internationalen Or- 789 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganisationen, die das Prinzip der Gewissensfreiheit anerkennen, den Zugang zu Methoden zu erleichtern, die die ethischen Überzeugungen der Ehepaare respektieren. Die Zukunft des Menschen und der Gesellschaft steht auf diesem außerordentlich wichtigen Gebiet menschlichen Verhaltens, einem Gebiet, das auch unmittelbaren Einfluß auf die soziale Entwicklung hat, auf dem Spiel. Denn der Kampf gegen Unterentwicklung und die Antwort auf damit verbundene Bevölkerungsfragen haben einen Verbündeten, nicht einen Feind in Methoden, die die Achtung vor der menschlichen Würde verstärken. Die ganze Gesellschaft wird aus der Beachtung dieser Methoden großen Nutzen ziehen. 6. Ich bin Ihnen allen dankbar für Ihre Zusammenarbeit mit dem Hl. Stuhl. Durch Sie habe ich auch allen zu danken und alle zu ermutigen - die ungezählten Freiwilligen eingeschlossen -, die mit Geduld und pädagogischem Geschick sich darum bemühen, daß Paare mit natürlichen Methoden der Familienplanung vertraut werden und sie anzuwenden lernen. Ich weiß auch um die Bemühungen, die gemacht werden, junge Menschen in ihrem emotionellen Leben und ihrer Sexualität als wichtige Ehevorbereitung zu schulen. Diese Erziehung bringt sie oft dazu, hinsichtlich Sexualität und menschlicher Beziehungen gegen den Strom moderner Meinungen zu schwimmen. Sie müssen die tiefen Gründe für ihre Entscheidung klar verstehen. Ich vertraue dem Herrn Ihre Forschungen an, die der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft bedeutende Fortschritte als lebenswichtigen Dienst an der ganzheitlichen Entwicklung der einzelnen und der Ehepaare werden vorlegen können. Und ich rufe den reichen Segen des allmächtigen Gottes auf Sie, auf Ihre Mitarbeiter und auf Ihre Familienmitglieder herab. Offen für weltweite Dimensionen Ansprache an eine Gruppe von belgischen Journalisten anläßlich einer Spendenübergabe an den Papst durch den Verband der katholischen Journalisten Belgiens und ihrer Leser am 19. November Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist für mich eine große Freude, die Delegation des Verbandes der katholischer Journalisten Belgiens zu empfangen. Ich danke zunächst eurem Präsidenten füi seine herzlichen Worte. Eure Präsenz bietet mir zugleich eine neue Gelegenheit, mich im Geiste mit all euren Landsleuten zu verbinden, die ich nicht, wie ich es vorgesehen hatte, im vergangenen Mai besuchen konnte. Euer Erscheinen beim Nachfolger des Petrus ist ein Zeugnis für die Aufmerksamkeil als Söhne und Töchter, die ihr dem Hl. Stuhl und seiner geistlichen und fürsorgenden Sendung in aller Welt entgegenbringt, einer Sendung, die dank der Beteiligung und Solidarität der Ortskirchen, der Bewegungen und Verbände wie des euriger 790 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nach dem Beispiel der christlichen Gemeinschaft der Urkirche (vgl. Apg 4,32-34) möglich wird. Der Papst fuhr in Flämisch fort: Die Ausführungen eures Vorsitzenden geben Einblick in die Weise, wie ihr als katholische Journalisten eure Aufgabe der Beschaffung von Information versteht. Bei der Darstellung der Freuden und Leiden unserer Brüder und Schwestern in allen Kontinenten seid ihr nicht nur aufgerufen, sie über Ereignisse in Kenntnis zu setzen, sondern auch - von christlichen Werten getragen - diese zu analysieren und zu reflektieren, ihr Herz für die weltweiten Dimensionen zu öffnen und sie zu veranlassen, sich immer noch mehr füreinander verantwortlich zu wissen. Die Vermittlung von Information wird damit zugleich zur geistigen und moralischen Bildung. Der Papst schloß in Französisch: Da wir andererseits über die Bedürfnisse derer, die leiden, informiert sind, setzt unsere Verantwortlichkeit konkrete Gesten voraus: Wir haben die Aufgabe, unsere Mitmenschen, die sich in schwierigen Situationen befinden, dem Herrn zu empfehlen; es kommt uns weiter zu, uns in Bewegung zu setzen, um ihnen Trost und Hilfe zu spenden, und das ist nicht nur eine Pflicht der Gerechtigkeit, sondern vor allem eine Pflicht der Liebe, einer Liebe, durch die wir Christus gegenwärtig setzen (vgl. Thomas von Aquin, Summa theologica II-II,q.23). Origenes sagt es ebenfalls deutlich: „Von Natur aus sind wir alle einer für den anderen Nächste; doch durch die Werke der Liebe wird man Nächster für den, dem man Gutes tut” (Kommentar zum Hohen Lied, I). Unsere Begegnung gestattet mir, euch für eure Unterstützung herzlich zu danken. Es würde mich freuen, wenn ihr auch eure Leser meine lebhafte Dankbarkeit für ihre hochherzige Hilfe wissen laßt. Ich hoffe, daß eure Pilgerfahrt nach Rom euch in eurer Sendung als Christen in Kirche und Welt bestärkt. Ich empfehle euch der Fürbitte der hll. Apostel Petrus und Paulus, welche die Frohbotschaft des Evangeliums auszubreiten wußten, und der des hl. Franz von Sales, des Patrons der Journalisten. Endlich erteile ich euch von ganzem Herzen meinen apostolischen Segen. Schule, Fortbildung und Förderung der Frau als Arbeitsbereiche moderner Ordensfrauen Ansprache an das Generalkapitel der „Maestre Pie Filippini” am 19. November Liebe Schwestern „Maestre Pie Filippini”! 1. Mit großer Freude wende ich mich an euch anläßlich eures Generalkapitels. Es findet statt nach den Feierlichkeiten zum Gedenken an das 300. Jubiläum eures In- 791 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stituts im November 1992. An die Ehrwürdige Generaloberin und an euch, die ihr am Generalkapitel teilnehmt, richte ich meinen herzlichen Gruß; gleichzeitig bin ich in Gedanken bei allen euren Mitschwestern, die in Italien und in vielen anderen Ländern tätig sind. Eure Anwesenheit bringt mich in erster Linie dazu, meine Bewunderung und aufrichtige Wertschätzung für das langjährige und wohltätige Wirken der „Maestre Pie Filippini” in den dreihundert Jahren ihres Bestehens und ihrer Tätigkeit im Bereich der Erziehung und Ausbildung zum Ausdruck zu bringen: Im Laufe dieser dreihundertjährigen, oft problemreichen Geschichte hat sich das Christentum - auch durch eure Kongregation - als Licht der Gewissen und Trost der Herzen erwiesen. Dafür danken wir gemeinsam dem Herrn, im Gedenken und in Verehrung eurer Gründerin, Lucia Filippini, die 1930 von Pius XI. heiliggesprochen wurde. 2. Ihr seid mit den Ereignissen, welche die Ursprünge eurer religiösen Familie gekennzeichnet haben, gut vertraut. Kardinal Marcantonio Barbarigo hatte damals die Gründung dieser Kongregation angeregt: Ihre Mitglieder, die zuerst als „Maestre Pie Operaie” und dann als „Maestre Pie Filippini” bezeichnet wurden, trennten sich von den „Maestre Pie Venerini” von Viterbo, obwohl sie auch späterhin in gegenseitiger Achtung und Zusammenarbeit tätig waren. Lucia Filippini war um die intellektuelle, kulturelle und berufliche Ausbildung der Mädchen und jungen Frauen bemüht, noch wichtiger war ihr aber deren sittliche und religiöse Erhebung im Hinblick auf die Schaffung wahrhaft christlicher Familien. Sie begleitete die Mädchen zur Betreuung der Armen und Kranken, damit sie lernten, Nächstenhebe auf konkrete Art zu üben, und sie verfolgte auch ihre Eingliederung in die Gesellschaft nach der Schule. Sie pflegte ein vorausschauendes Apostolat, das sich aus ihrer innerlichen Überzeugung und aus einer heldenhaften Hingabe ar Christus ergab. Die organisatorischen Fähigkeiten, die fordernde und liebevolle Autorität, die beharrliche Geduld angesichts vieler Schwierigkeiten wuchsen aus ihrem leidenschaftlichen und erleuchteten Glauben, der sie sagen ließ: „Ich möchte, daß mit meinen eigenen Blut alle Wahrheiten unseres heiligen Glaubens, das ganze Evangelium Jesr Christi, die ganze Schrift und alle Konzilien der Kirche geschrieben werden, dami' sie im Geist der Menschen eingeprägt bleiben”. Ähnlich rief sie: „Mein Gott, ict liebe euch/dich so sehr, daß ich wünsche, meine Knochen wären Lampen, mein Blu Öl, und mein Fleisch der Docht; ich möchte wie eine entzündete Lampe brenner und mich ganz in deiner/eurer Liebe verzehren”. Oder auch: „Ich möchte mich an üebsten in jedem Winkel der Welt vervielfachen, um überall ausrufen und den Menschen jeden Geschlechts, Alters und Standes sagen zu können: Liebt Gott, lieb Gott!”. Aus diesen und vielen weiteren Worten eurer Gründerin ist eine spirituelle Eigenhei ersichtlich, deren Erben ihr seid, die ihr ihrem Weg folgt und ihre Botschaft und ih Werk durch die Jahrhunderte weitergeführt habt. Genau diese ausgeglichene unc 792 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN engagierte Spiritualität braucht unsere Gesellschaft, die sich großer Errungenschaften erfreut und gleichzeitig das Opfer schrecklichen Elends ist. Auch die Kirche von heute wünscht sich und bittet um ganzheitliche und vorbildliche Persönlichkeiten, die theologisch gebildet und spirituell ausgeglichen und engagiert sind. Das Generalkapitel, das ihr mit Vertrauen und Sorgfalt abgehalten habt, schenke euch und allen Mitschwestem die überzeugte Botschaft eines stärkeren Einsatzes für die persönliche Heiligung und rege euch dazu an, dem Beispiel eurer heiligen Gründerin freudig und mutig zu folgen. 3. Eure erste Verpflichtung - die hl. Lucia Filippini erinnert euch selbst daran - ist in der Schule: Dort müßt ihr den Mut der Wahrheit sichtbarmachen, gepaart mit der Sanftheit der Liebe und der Aufgeschlossenheit für einen ehrlichen und offenen Dialog. Den Schülern, die ihrem Leben einen Sinn geben wollen, sollt ihr durch den Unterricht, aber noch mehr durch das tägliche und freudige christliche Zeugnis, die unvergänglichen Werte des Evangeliums vor Augen stellen. Eure zweite Verpflichtung, die eure Gründerin schon vorausgesehen und positiv umgesetzt hatte, besteht in bezug auf eine Ausbildung, die weit über die Schulzeit hinausgeht und so zur ständigen Fortbildung wird. Um seine Überzeugungen festigen und konsequent auf den göttlichen Aufruf zur Heiligkeit antworten zu können, muß sich der Gläubige auf ein sicheres und aktualisiertes Lehramt stützen können; außerdem muß er in einer anregenden spirituellen Atmosphäre aufwachsen, erfüllt von Glauben und Gebet und belebt durch die häufige Teilnahme an den Sakramenten, vor allem Eucharistie und Beichte, sowie durch eine fundierte Askese, die sich am Kreuzgeheimnis des Erlösers inspiriert. Eure dritte Verpflichtung ist die Förderung der Rolle der Frau in der Gesellschaft, mit einem besonderen Augenmerk auf die Familie. Liebe Maestre Pie Filippini, die Kirche braucht euch vor allem in diesem Bereich, nämlich im Rahmen einer wahrhaften Förderung der Frau und einer christlichen Formung der Familien. Erzieht die euch anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu den Werten der Familie! Wirkt mit Tatkraft und dem Evangelium gemäßen Taktgefühl in den Familien, denen ihr bei eurem apostolischen Dienst begegnet! 4. Eure heilige Gründerin helfe euch, diese anspruchsvolle Sendung zu erfüllen. Ihrem Vorbild folgend sollt ihr Maria lieben und mit einer Verehrung, wie sie Töchtern geziemt, nachahmen, so wie sich auch die hl. Lucia Filippini zeit ihres irdischen Daseins auf die starke Fürsprache der Muttergottes berief. Mit diesen Wünschen und Empfindungen erteile ich allen Anwesenden und eurer gesamten spirituellen Familie meinen Apostolischen Segen als Unterpfand zahlreicher Gaben des Himmels. Aus dem Vatikan, 19. November 1994 793 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Königtum, Christi - der Wahrheit Zeugnis geben Ansprache bei der Feier der Seligsprechungen am Christ-Königs-Fest, 20. November 1. Gesegnet sei das Reich, das kommt (vgl. Mk 11,10). Es ist Er, der kommt, Christus Jesus, der getreue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Fürst aller Könige der Erde, Er, der uns liebt und uns mit seinem Blut von unseren Sünden befreit hat. Er ist es, der kommt (vgl. Ojfb 1,5). Nun steht er vor dem Richterstuhl des Pilatus. Der Gouverneur fragt ihn: „Bist du der König der Juden?” (Joh 18,33). Christus antwortet: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt” {Joh 18,36). Pilatus fragt nach: „Also bist du doch ein König?” {Joh 18,37). Jesus entgegnet: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme” {ebd.). 2. In jedem Jahr sind wir an diesem Sonntag, der das ganze liturgische Jahr abschließt, sozusagen vor das Antlitz Christi, König des Weltalls, gerufen. Er ist kein König im irdischen Sinn des Wortes, er herrscht vielmehr souverän durch die Wahrheit, für die er Zeugnis abgelegt hat. Von diesem Reich Christi sprechen uns alle, die seine Stimme hören, jene, die von seiner Wahrheit leben. Von diesem Reich sprechen zumal und ungewöhnlich beredt jene, die von der Wahrheit Christi in heroischer Weise leben. Am heutigen Hochfest erhebt die Kirche einige von diesen Zeugen für die Wahrheit Christi zur Ehre der Altäre. Es sind: - Hyacinthe-Marie Cormier, Dominikaner; - Marie Poussepin, Gründerin der Kongregation der Dominikanerinnen von dei Darstellung der sei. Jungfrau Maria; - Agnes de Jesus Galand de Langeac, Dominikanerin; - Eugenie Joubert aus der Kongregation der Schwestern von der Heiligen Familie und - Claudio Granzotto, Franziskaner Der Papst fuhr in Französisch fort: 3. Pater Hyacinthe-Marie Cormier war in der Schule des hl. Dominikus Zeuge dei Wahrheit Christi. Gelobt sei Gott, der uns heute früh in einer einzigen Feier Mitglieder der drei Zweige der großen dominikanischen Familie, die so stark mit der Predigt der Wahrheit verbunden ist, gemeinsam vor Augen stellt. Die Wahrheit ist kein abstrakter Begriff; sie ist für uns eine Person, die Persoi Christi, König des Weltalls. Pater Cormier hat während seines Lebens unaufhörlicl von der Wahrheit gelebt und sie allen seinen dominikanischen Brüdern mit Beschei denheit und Ausdauer übermittelt. Hat er in seinem Motto: „Caritas veritatis” nich Wahrheit und Liebe verbunden? Er sagte nämlich, die Wahrheit schenken sei „de 794 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schönste Liebesdienst”. In Pater Cormier möchte die Kirche die Lebendigkeit der vom Glauben erleuchteten menschlichen Intelligenz anerkennen und ehren. Tatsächlich erinnert uns der Gründer der Universität des Angelicum daran, daß Gott von uns den Einsatz der Fähigkeiten unseres Geistes als Widerschein seines Geistes verlangt, um ihm die Ehre zu geben. Als Mann, der nach der Wahrheit dürstete, verstand er es ebenfalls, sich seinen Brüdern als Prior, Provinzial und Generalmeister des Ordens der Dominikaner in Achtung vor dessen jahrhundertealten Traditionen zu widmen. Er führte die Söhne des hl. Dominikus mit Weisheit und Fachkenntnis, um sie zu Gott hinzuleiten und aus ihnen echte Kinder und echte Zeugen des Reiches zu machen. 4. Zum Wirken der gläubigen Intelligenz müssen wir ferner das Zeugnis der tätigen Liebe hinzufugen, der Liebe, die niemals aufhört und im „ewigen Reich, das der Prophet Daniel verkündet hat (Dan 7,14), ihren bleibenden Platz besitzt. Von dieser tätigen Liebe war Marie Poussepin von Kindheit an erfaßt, und es war ihr ein Herzensanliegen, sich im Dritten Orden der Dominikaner in ihrem Heimatort in den Dienst der ganz Hilflosen zu stellen. Sie wußte nämlich in der Person der Kleinsten die lebendige Gegenwart des Herrn des Weltalls zu erkennen. Den Armen dienen, das heißt bereits in der Seligkeit des Reiches zu leben. Marie Poussepin wollte aus ihrem ganzen Leben eine Liebesgabe machen, wie es der Text der Konstitutionen zeigt, die sie den Dominikanerinnen von der Liebe gab, den Schwestern von der Darstellung der Jungfrau im Tempel, die sie in Sainville gegründet hatte. Mit ihren apostolisch eingestellten Ordensschwestern entschied sie sich dafür, „zum Nutzen der Pfarrei zu wirken, für den Unterricht der Jugend und für den Dienst an den armen Kranken”. Das Feuer der Liebe, das Christus auf Erden entzünden wollte, sollte sich ausbreiten, wenn es den Familien ein Anliegen war, es zu nähren. In diesem Jahr, das besonders den Familien geweiht ist, bietet Marie Poussepin eine Botschaft der Freude und der Hoffnung an: In einer Familie geboren, die sie getragen hat und von ihr unterstützt wurde, wird sie uns nun zur Verehrung vorgestellt als eine unserer menschlichen Schwestern, als eine demütige und hochherzige Tochter Gottes, fähig, die Probleme zu verstehen, mit denen es eine Familie zu tun hat, und zugleich aufzuzeigen, in welcher Richtung man die Lösung zu suchen hat: in der Liebe, die aus dem Herzen Jesu, König des Weltalls, entspringt. 5. Die Fruchtbarkeit und der Geist des hl. Dominikus werden uns am heutigen Morgen ein weiteres Mal in Gestalt einer der Betrachtung lebenden Ordensfrau, Agnes von Jesus, gezeigt, der Pater Hyacinthe Cormier, wie er anerkannte, den Beginn seiner Berufung verdankte. Beide vereinte auch die gleiche Liebe zu Christus und der gleiche Wille, das Kommen seines Reiches zu beschleunigen. Doch weder das Charisma der Leitung und der Lehre bei Pater Hyacinthe noch das Feuer der göttlichen Liebe bei Marie Poussepin hätten bestehen können ohne einen tiefen Geist der Kontemplation und einer Hingabe, wie wir sie bei Mutter Agnes, der Nonne von 795 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Langeac, erblicken. Auch sie - und das möchte ich in diesem Jahr der Familie betonen - wurde sehr bald in ihrer Familie für die Sehnsucht nach Gott aufgeschlossen. Christus, der uns liebt, der „uns von unseren Sünden durch sein Blut erlöst” hat (iOjfb 1,5), führte sie auf die Wege der Vollkommenheit, indem er sie von Kindheit an die Macht seiner Erlöserliebe spüren ließ, die Kraft seines Verzeihens und das Licht, das er für sie bestimmte. Agnes de Langeac ist wahrhaft seligzupreisen, weil sie es verstand, sich ohne den geringsten Widerstand in den ihr von Gott bestimmten Plan einzufügen, dem Menschensohn ihren Verstand, ihren Willen und ihre Freiheit aufzuopfem, damit er sie umwandle und sie gänzlich zu den Seinen zähle! „Was immer du willst”, dieses Motto von Mutter Agnes zeigt treffend ihre innere Bereitwilligkeit gegenüber dem göttlichen Willen. Christus wurde in Wahrheit der König ihres Daseins. „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme”, sagt der Herr (Joh 18,37). Dies war wohl das natürliche Verlangen dieser leidenschaftlich für Gott entflammten Seele, dieser Ordensfrau, die von ihrem Kloster aus auch entscheidenden Einfluß auf das Werk von Msgr. Olier hatte, der für Berufungen zum Priestertum wirkte. 6. Schwester Eugenie Joubert, eine Ordensfrau aus der Kongregation der Schwestern von der Heiligen Familie und dem Heiligsten Herzen, steht vor uns als lebendiges Beispiel für das Wirken Gottes in einem menschlichen Herzen. Auch bei ihr war die christliche Erziehung für ihr ganzes künftiges Wirken entscheidend. Zwei Jahre vor ihrem Tod, am Ende eines kurzen Lebens, das vor allem der Katechese der Kinder geweiht war, bricht aus dem Innersten ihres Herzens dieser Schrei: „Ich möchte wie ein ganz kleines Kind in den Armen seiner Mutter sein.” Das Reich Christi kann im Herzen eines Kindes beginnen. Dies hat Sr. Eugenie verstanden, und deswegen hat sie mit so großer Sorgfalt die Allerkleinsten auf die erste Beichte und die erste heilige Kommunion vorbereitet. Ein jeder ist von seinem Kindesalter an aufgerufen, für die Wahrheit Zeugnis zu geben. Ohne Unterlaß läßl die Kirche die Worte des Herrn neu erklingen: „Lasset die Kleinen zu mir kommen!” (Mt 19,14). Und sie wird es immer weiter tun, denn sie weiß, daß jedes Menschenkind, wie arm und klein es auch sein mag, Gott keineswegs gleichgültig ist. Ein jeder ist aufgefordert, ins Himmelreich einzutreten; die Seligen aber, die uns dorthin vorangegangen sind, zeigen uns den Weg. Der Papst schloß in Italienisch: 7. Die Liebe zu Christus, dem „Menschensohn”, und der Dienst für das Reich Gottes erstrahlen in einzigartiger Weise im Leben des sei. Claudio Granzotto. Er wai das letzte von neun Kindern und lernte in der Familie die Gottesfurcht, die aufrichtige Praxis des christlichen Lebens, hochherzige Solidarität, Opferbereitschaft unc die Liebe zu schwerer Feldarbeit. Dank seiner Fügsamkeit gegenüber dem Geist unc einer wirkungsvollen Erziehung in der Familie wurde das irdische Leben von Clau- 796 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dio Granzotto ein ständiger Pilgerweg zur Heiligkeit hin bis zu den Gipfeln der dem Evangelium entsprechenden Vollkommenheit. Als echter Sohn des Armen von Assisi wußte er die Betrachtung der unermeßlichen Schönheit Gottes in der Bildhauerkunst auszudrücken, worin er Meister war, und er wurde zum besonderen Werkzeug im Apostolat der Evangelisierung. Seine Heiligkeit zeigte sich vor allem in der Annahme der Leiden und des Todes in Vereinigung mit dem Kreuz Christi. Er wurde so ein Vorbild für die Ordensleute in der gänzlichen Hingabe ihrer selbst an die Liebe zum Herrn, für die Künstler im Suchen der Schönheit Gottes, für die Kranken aber in der hebevollen Verbundenheit mit dem Gekreuzigten. 8. „Bist du ein König?” Bist du doch ein König? (vgl. Joh 18,37) fragt Pilatus. Eine ähnliche Frage stehen die verschiedenen „Pilatusse” unserer Tage. Wie viele sind es, die sich auch in unserem 20. Jahrhundert angemaßt haben, Christus vor Gericht zu stellen und zum Tode zu verurteilen? Der Herr aber antwortet heute wie damals mit dem Hinweis auf jene, die seine Stimme hören - jene, die „aus der Wahrheit” sind. Er weist auch auf unsere Seligen von heute hin. Denn in ihnen hat sich in der Tat sein Reich verwirklicht und geof-fenbart. „Er, der ist und der war, kommt ständig” (Offb 1,8). Er ist die Zukunft der Welt, Ihm sei Ehre in Ewigkeit. Amen. In den Fußstapfen der neuen Seligen Ansprache anläßlich der Sonderaudienz für die zu den Seligsprechungen nach Rom gekommenen Pilger am 21. November Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde des Dominikanerordens, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit Freude und Ergriffenheit treffe ich euch erneut am Tag nach dem Christ-Königs Fest, an dem ich ins Verzeichnis der Seligen P. Hyacinthe-Marie Cormier, Mutter Marie Poussepin, Sr. Agnes de Jesus, Sr. Eugenie Joubert und Br. Claudios Granzotto einschreiben durfte. Fünf weitere Gestalten sind uns nun vor Augen gestellt, fünf leidenschaftlich von Christus Ergriffene, die zu verschiedenen Zeiten und unter recht unterschiedlichen Verhältnissen ein einziges Ziel verfolgten: zu zeigen, daß das Leben nur dann seinen Sinn findet, wenn es Gott geschenkt, für ihn, mit ihm und in ihm gelebt wird. 2. Wie ich schon gestern bemerkt habe, gehören drei von den neuen Sehgen zur großen Familie der Söhne und Töchter des hl. Dominikus. Sie bezeugen auch nach ihrem Tod noch die Lebenskraft des Ordens, der - vor über 700 Jahren gegründet-weiter für die Kirche ein Licht und für meine Vorgänger eine kostbare Stütze gewe- 797 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sen ist. Im Dienst der Predigt, die im Mittelpunkt des Denkens ihres Gründers steht, haben die Dominikaner Europa und dann die ganze Welt durcheilt und die Frohbotschaft des Herrn verkündet, der gestorben und auferstanden und allein imstande ist, ein Menschenleben auszufüllen. Ihr Werk der Evangelisierung wäre nicht möglich gewesen ohne eine intensive intellektuelle Vorbereitung für die Entdeckung und lichtvolle Darlegung der Heiligen Schriften, wo sich Gott dem menschlichen Geist offenbart und mitteilt. Die Qualität der von den Predigerbrüdem geleisteten intellektuellen Arbeit braucht nicht weiter betont zu werden. Es genügt, an die Namen eines Albert des Großen oder eines Thomas von Aquin unter vielen anderen zu erinnern, um zu ermessen, wie weit der „Glanz der Wahrheit” einen Menschen erleuchten kann, wenn „sich der Heilige Geist seinem Geiste mitteilt” (vgl. Röm 8,16). Schon die Nennung dieser berühmten Namen ist heute für jeden von euch, hebe Brüder, ein Aufruf, die Fackel aufzugreifen und anderen weiterzugeben, was ihr selbst empfangen habt. Die herrliche Gestalt von Pater Cormier lädt euch dazu ganz besonders ein, denn ihr wißt, welchen Wert er dem Studium der Heiligen Schrifi beimaß, die er mit Recht als „Quelle des Apostolates” sah (Brief von 27. September 1912). Seine Beziehungen zu P. Lagrange und sein Wirken für die Gründung der Universität des Angelicum, all das lädt dazu ein, einer guten Ausbildung der christlichen Intelligenz weiterhin hohe Bedeutung beizumessen. Ich erwähne in diesem Zusammenhang gern das Werk von P. Yves Congar, der kürzlich ins Kardinalskollegium berufen wurde. Und ich kann mir nur die Gedanken eines Ordensmeisters aus diesem Jahrhundert zu eigen machen: In unserer Zeit „ist mai ernsthaft bemüht, zu gegenseitiger Befruchtung die Ergebnisse der Naturwissenschaften und der modernen Philosophien mit den Gedanken des hl. Thomas zu konfrontieren” (P. de Couesnongle, Brief vom 22. Dezember 1975). 3. Die Notwendigkeit einer gründlichen theologischen Arbeit -caritas veritatis-darf uns freilich nie die Dringlichkeit eines entschlossenen Eintretens für unserer Nächsten vergessen lassen. Ich wiederhole nachdrücklich: veritas caritatis; wenn e: eine „Liebe zur Wahrheit” gibt, dann auch eine „Wahrheit der Liebe”. Hier abe sind uns die Gestalten von Marie Poussepin, Agnes de Langeac und Sr. Eugen« Joubert besonders wertvoll, wie eure Präsenz, meine lieben Schwestern, am heuti gen Morgen hier bezeugt. Sie rufen uns vor allem die Bedeutung des kontemplativer Lebens und des Gebetes in Erinnerung, die einem gottbegeisterten Mann oder eine Frau gestatten, sich auch für ihre Mitmenschen begeistert einzusetzen. Ihr erinnert euch an den Weg, den die sei. Marie Poussepin ihren Schwestern aufge zeigt hat: der Dienst in der Pfarrei, die Unterrichtung der Jugend, die Betreuung de Kranken. Diese dreifache Aufgabe erinnert uns daran, daß man nicht weit reisei muß, um sich in den Dienst seines Nächsten zu stellen. Die Ankunft des Reiche Gottes erfolgt vor allem in den Pfarrgemeinschaften, und hier gilt es dafür zu wir ken. Der Jugend muß der Glaube und die Liebe zur Kirche übermittelt werden. De 798 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dienst an den Armen aber vollzieht sich vor euren Augen, in eurem Dorf, in eurer Straße, und dort gilt es ihn fortzusetzen, damit Gott „alles in allen” sei (7 Kor 15,28). Bei diesen schwierigen Aufgaben sind Ordensleute und Laien eng verbunden, doch sind es zugleich begeisternde Aufgaben, zusammengefaßt im universalen Aufruf zur Heiligkeit, wobei man in die Liebe und Demut Christi im Dienst an seinen Menschenbrüdem eintritt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 42). Der Papst fuhr in Italienisch fort: 4. Liebe Brüder und Schwestern, vereint mit der ganzen Kirche loben wir den Herrn und danken ihm für das lichtvolle Beispiel der Tugenden und der Heiligkeit, das der sei. Claudios Granzotto gegeben hat. Sein Leben war ein glänzendes Zeugnis vom Reichtum und von der Freude des gottgeweihten Lebens. Nachdem er Gott im Schweigen, im Gebet und in der Liebe zu den Armen und den Kranken gesucht hatte, verstand es Bruder Claudius, auch durch die Bildhauerkunst die Tiefe seiner franziskanischen Seele, die in die unermeßliche göttliche Schönheit verliebt war, zum Ausdruck zu bringen. Den Jugendüchen trägt der sei. Claudius auf, sich für das Suchen der Wahrheit des Evangeliums einzusetzen und mit seiner Begeisterung ihr nachzuleben, in Christus Anregung, Kraft und Mut zu finden, sie den Menschen unserer Zeit zu verkündigen. Den Künstlern empfiehlt er den Geist des Dienstes, indem sie das unerschöpfliche Geheimnis der Menschwerdung Christi in der Sprache der Kunst darstellen. Den Kranken richtet er endlich eine Botschaft der Teilnahme und der Hoffnung aus, indem er sie einlädt, die eigenen Leiden in Vereinigung mit dem Gekreuzigten für das Wohl der Kirche und der Welt aufzuopfem. Das Beispiel und die Fürbitte dieses bescheidenen Sohnes des Franz von Assisi möge einen jeden ermutigen, weiter in Treue und Beständigkeit den Weg der Heiligkeit zu gehen, hochherzig auf die universale Berufung zur Heiligkeit zu antworten und die vom Herrn empfangenen Gaben fruchtbar zu machen. Der Papst fuhr in Französisch fort: 5. Gepriesen sei Gott, der uns am heutigem Morgen die Gnade schenkt, für ihn zu leben, und die Kraft, ihm nachzufolgen, wie es die Heiligen und Sehgen getan haben! Damit er uns alle Tage begleite und euch helfe, alle eure Aufgaben zu erfüllen, erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Der Papst schloß in Italienisch: Allen gilt mein Segen, verbunden mit dem Wunsch, daß ihr euch erneut um ein christliches Leben in den Fußstapfen und mit Hülfe der neuen Seügen bemüht. 799 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In Hingabe an das Charisma der Evangelisierung Ansprache beim Besuch in der Päpstlichen Universität Sankt Thomas von Aquin (Angelicum) am 24. November Liebe Ordensleute, Lehrer und Alumnen des Angelicum! 1. Es freut mich, daß ich zum zweiten Mal unter euch an dieser Universität weilen darf, die ich auch selbst in meiner Jugend besucht habe. Einen herzlichen Gruß richte ich an den Großkanzler, P. Timothy Radcliffe, dem ich zugleich für die freundlichen Willkommensworte danke, an den Rector magnificus, an die Dozenten und Studenten; in herzlicher Verbundenheit aber möchte ich zugleich von diesem angesehenen Studienzentrum aus die Mitglieder der gesamten dominikanischen Familie ansprechen. An der Schwelle des dritten Jahrtausends möchte ich im Blick auf die ruhmvollen vergangenen Zeugnisse der Heiligkeit und Kultur der Predigerbrüder, die in der kürzlich erfolgten Seligsprechungen von P. Hyacinthe-Marie Cormier, General des Ordens und Gründer des neuen Collegium Angelicum, sowie von zwei Ordensschwestern der gleichen Familie, Sr. Marie Poussepin und Sr. Agnes de Jesus Ga-land de Langeac, neu hervortraten, mit euch zusammen die Abschnitte des großartigen Beitrags der Söhne des hl. Dominikus zur Evangelisierung durchgehen und be: dem verweilen, was sie heute der Kirche und der Welt im Einsatz für die Neuevangelisierung zu bieten berufen sind. 2. Die blühende Lebenskraft des Ordens hat sich im Verlauf der Geschichte hauptsächlich dann erwiesen, wenn er besonders intensiv seine Zugehörigkeit zur Kirche und die Beteiligung an ihrer Sendung ausgeprägt hat. Der hl. Dominikus, „vir qu vivit in medio Ecclesiae” (ein Mann, der mitten in der Kirche lebte), hat in der Mittelpunkt eurer Regel das Charisma der Evangelisierung gestellt, das „Amt de; Wortes”, wie es die hl. Katharina von Siena formulieren sollte, indem er für sein« Mitbrüder in vollem und ständigem Gehorsam gegenüber den Nachfolgern de; Petrus das lieben der Apostel wählte: „Wir aber wollen beim Gebet und bein Dienst am Wort bleiben” (Apg 6,4). Ich möchte zumal drei besondere Abschnitte in Erinnerung rufen, wo das Charism: der Evangelisierung mit ungewöhnlichem Eifer vorgelebt wurde: den missionari sehen Schwung der Anfänge, der den Völkern Europas, Afrikas und Asiens zuguti kam; die Verkündigung des Evangeliums auf dem neuen Kontinent im sechzehntel Jahrhundert; endlich den apostolischen Eifer des Ordens in Frankreich nach der Re volution, zumal durch das Wirken von P. Lacordaire und später von P. Cormier. Der Dienst, den der Predigerorden dem Missionswerk des dreizehnten Jahrhundert; geleistet hat, ist wahrlich einzigartig. Mit den Bettelorden hat die Kirche nämlich di< Missionen „ad gentes” über die Grenzen der damals bekannten Welt hinaus organi 800 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN siert. Das Evangelium wurde also nicht nur in allen Ländern des Mittelmeerraumes verkündigt, es wurde auch in zahlreiche Länder des Femen Ostens getragen. Seit damals begann der Dialog mit dem Islam, und der mit den Juden wurde vertieft. Fügt man diesem missionarischen Schwung noch das Bemühen der Dominikanertheologen zur Förderung des Dienstes der Katechese hinzu, so haben wir ein vollständiges Bild der Inkulturation des Evangeliums vor Augen, wie sie im dreizehnten Jahrhundert in beispielhafter Weise vom gediegenen Beitrag des dominikanischen Charismas geleistet wurde. Anläßlich der 500-Jahrfeier der Evangelisierung Amerikas wurde mit Recht an den wertvollen Beitrag der dominikanischen Familie für die Sache des Evangeliums damals erinnert. Ihn bezeugen leuchtende Gestalten wie Antonio Montesinos, Pedro von Cordova, Bartolomeo de Las Casas und Juan Solano, Bischof von Cuzco, der 1575 bei der Kirche Santa Maria sopra Minerva das Kolleg zum hl. Thomas gründete, um den Aufgaben der Inkulturation zu entsprechen. Nach den Wunden der französischen Revolution war die Wiedergeburt des Ordens von der Wiederaufnahme der regulären Observanz sowie von der Rückkehr zum Studium und Apostolat begleitet, ein Werk vor allem des P. Lacordaire. Später spielte mit der Unterstützung und Ermutigung des hl. Papstes Pius X. P. Cormier beim neuen Aufschwung des dominikanischen Charismas im zwanzigsten Jahrhundert eine entscheidende Rolle. Er förderte in Treue und Liebe zur Kirche den Einsatz für die Evangelisierung und gründete dafür das neue Collegium Angelicum in Rom. Er unterstützte ferner kräftig die Theologische Fakultät von Fribourg wie auch die beginnende Bibelschule in Jerusalem. Für diese Fruchtbarkeit des erneuerten dominikanischen Charismas sind auch die beiden Ordensfrauen eurer Familie ein leuchtendes Beispiel, die ich zu meiner Freude zur Ehre der Altäre erheben durfte. Der Einsatz der Dominikanerinnen von der Darstellung in Lateinamerika ist ja bekannt. Ihre Gründerin ist Marie Poussepin. Dazu kommt der gewaltige apostolische Schwung, den Sr. Agnes von Jesus Galand de Langeac, die geistliche Mutter und Anregerin des Gründers der Sulpizianer, hinterlassen hat. 3. Auf dieser Linie liegt auch euer heutiger Einsatz für die Neuevangelisierung. Es geht darum, die Fackel der christlichen Verkündigung im Zusammenhang mit einer entsprechenden Inkulturation des Glaubens zu nähren. Die Apostel unserer Zeit stehen vor einer ganz anderen Szene als jene der Vergangenheit, und sie verfügen über unerhörte und weit bessere kulturelle und wissenschaftliche Mittel. Aber in der Stunde des Übergangs vom zweiten zum dritten Jahrtausend ist das Bewußtsein von ler Krise der modernen Kultur sehr ausgeprägt wie auch das Bewußtsein von der Verantwortung der Christen im heutigen Zusammenhang. Eine gewiß schwere Aufgabe, welche zumal die Gläubigen drei großen Gruppen von Menschen mit Schwierigkeiten gegenüberstellt: jenen, die noch nicht glauben, jenen, die im Bereich mehr-neitlich christlicher Völker geboren sind, aber heute nicht mehr glauben; und jenen, 801 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die das Geschenk des Glaubens besitzen, aber nicht imstande sind, das eigene Leben nach dem Evangelium auszurichten. Angesichts dieser Wirklichkeit erfordert die Neuevangelisierung einen neuen missionarischen Schwung, um die Gewissen aufzuwecken und auf Christus, den Erlöser des Menschen, hin auszurichten. Liebe Dominikanerpatres, hier hegt eure Aufgabe: Nehmt aktiv an der Neuevangelisierung teil! Euer Charisma des Studiums des Wortes Gottes und der menschlichen Wirklichkeiten kann heute einen wertvollen Dienst leisten, wie es in der Vergangenheit geschah. Die Treue zum Charisma fordert euch zu einem tieferen Verständnis der kulturellen Lage heute auf, zur prophetischen Anklage der intellektuellen und moralischen Entgleisungen und zur Inkulturation des Glaubens. 4. Wenn man die heutige kulturelle Situation christlich betrachtet, nimmt man unbedingt ihre tiefreichende Krise wahr, die vor allem eine Krise der Vernunft ist. Viele sind heute dahin gekommen, der Vernunft nur noch eine werkzeugliche Funktion zuzuweisen, um nämlich die Wirklichkeit wissenschaftlich zu begreifen und deren Ergebnisse in der Technik anzuwenden, wobei ihre moralische und transzendente Dimension ausgeschlossen wird. So läuft der Mensch aber Gefahr, immer mehr der Aufgabe der Vernunft als Intelligenz zu entsagen und sich die Möglichkeit eines Zugangs zur Transzendenz zu verschließen oder absolut geltende Wahrheiten, Ziele, Werte und Normen von bedingungslosem Charakter vorzulegen, wie sie vom natürlichen Moralgesetz gefordert werden, was ich in der Enzyklika Veritatis splen-dor dargelegt habe. Angesichts einer solchen Verirrung der Rolle der Intelligenz muß das dominikanische Charisma zu seiner Berufung zurückfinden, die Wahrheit, das Absolute und die Sinngebungen des Lebens selbst zu vertiefen. Der Mensch unserer Zeit gleicht weithin dem unglücklichen Wanderer, von dem in der Parabel vom barmherzigen Samariter die Rede ist (vgl. Lk 10,30-37); er ist beraubt, geschlagen und verwundet; er muß also Gott, sein Fundament, seinen Ursprung und sein Ziel, wiederfinden. Da euer prophetisches Charisma in der Wirklichkeit und im Suchen nach der Transzendenz verwurzelt ist, darf es sich nicht der Mentalität dieser Welt angleichen, wie schon der Apostel Paulus warnend gesagt hat (vgl. Rom 12,2). Ihr sollt nachdrücklich auch heute wieder den Primat Gottes und das Zeugnis des Geheimnisses Christ sowie die Treue zur Kirche hervorheben (vgl. Ansprache an die Kapitulare dei Predigerbrüder, in: Insegnamenti VI, 2, 1983, 387-393). Ihr seid aufgerufen, euei kostbares charismatisches Erbe in den Dienst unserer Zeit zu stellen. Besonders muß Thomas von Aquin, den man sehr wohl wegen seiner leidenschaftlichen Hingabe an die Wahrheit und des Wertes seiner Anthropologie und seiner Metaphysil als Lehrer der Menschlichkeit bezeichnen kann, für euch zu einem Vorbild des Dialogs mit der Kultur unserer Zeit werden. Da er für die Wahrheit und die Liebt zum Menschen aufgeschlossen ist, mahnt er die theologische Kultur unserer Zeit zui Wachsamkeit gegenüber den Entgleisungen der modernen Kultur. Sein Vertrauet auf die Macht der Wahrheit ermutigt dazu, die doppelte Aufgabe des Suchens de: 802 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrheit und der Anprangerung der Irrtiimer aufzugreifen. Diese Aufgabe erfüllt ihr bereits an dieser Universität und in den mit ihr verbundenen Instituten. 5. Liebe Brüder! Das Charisma der Predigerbrüder besteht in der Verkündigung des Erlösers. Ihr verkündigt allen Menschen das Heil in Jesus Christus, dem Evangelium des Vaters. Der hl. Dominikus hat dies vom Apostel Paulus gelernt, dessen Briefe er ständig nahe seinem Herzen bei sich trug. Angesichts dieser Sendung ist der Dominikaner freilich zum Eindringen in die Geheimnisse Christi durch sein Gebet, zumal das Rosenkranzgebet, aufgerufen. Das Gebet läßt uns nämlich in erhabener Weise die Funktion einer kulturellen Brücke zwischen Gott und den Menschen unserer Zeit ausüben. Im Licht des Erbes eures Charismas als Evangelisierer und der Dringlichkeit seiner Ausgießung in unseren kulturellen Kontext tritt auch die Bedeutung des Themas des Kongresses hervor, den ihr kürzlich über die Ausbildung veranstaltet habt. Da ihr berufen seid, beidem nachzuleben, nämlich der Kontemplation der Wahrheit und der Mitteilung der betrachteten Wahrheit „contemplari et contemplata aliis tradere” CS.Th. 2-2. 186, 6), ist es eure Aufgabe, die Ausbildung künftiger Evangelisierer zu einem Hauptanliegen eures Einsatzes in der Welt von heute zu machen. Mit Hilfe der gediegenen Lehre des hl. Thomas muß der Ausbildungsprozeß den Neigungen der Natur zum Guten folgen, um zur Verfügbarkeit für die Gnade des Heiligen Geistes hinzuführen, so daß die Persönlichkeit des dominikanischen Evangelisierers auf der einen Seite Wirkung der Gaben Gottes ist, des Schöpfers der Natur und des Gebers aller Gnaden, auf der anderen aber auch das Ergebnis des Bemühens der Person selbst. Es geht nicht so sehr darum, äußere Elemente einzubeziehen, vielmehr harmonisch jede in der menschlichen Natur bereits vorhandene Möglichkeit zu entwickeln. Die Ausbildung des Menschen besteht nämlich in der Entfaltung der eigenen Fähigkeiten, in der Heranbildung der eigenen Freiheit, durch die er über sich selbst verfügt (vgl. Thomas, Quaestiones Disputatae. De Magistro, 11). Zu fördern ist ferner die Reifung der Person, indem man ihr hilft, ihre sozio-kulturel-len, moralischen und religiösen Dimensionen durch den rechten Gebrauch der Freiheit zu entwickeln. Die einheitliche Ausbildung der menschlichen Persönlichkeit trägt in jedem Fall zu ihrem integralen Wachstum in ihren Beziehungen zu den anderen und zumal zu Gott bei. Er allein ist gut (vgl. Mt 19,17). Dazu gehört vor allem, wie der hl. Thomas bemerkt, die ethische Formung, die bei der integralen Formung der Person den Primat besitzt. 5. Bei der christlichen Vollkommenheit sind ferner entscheidende Elemente die Gnade und die Gaben des Heiligen Geistes, der dem schwachen und sündigen Menschen zu Hilfe kommt. Die Heranbildung des Predigers ist daher ein Werk der Gnade, welche die Natur erhebt, ihr die theologalen Tugenden eingießt und das Tun des Menschen befähigt, auf Gott, wie er in sich selbst ist, hinzustreben. Der voll- 803 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kommene Mensch ist also jener, der sich Jesus Christus, dem Menschen in seiner Fülle, gleichförmig macht. Meine Lieben, hier liegt eure große Sendung: in der anfänglichen und immer weitergehenden Ausbildung unter dem Einfluß der Gnade Gottes und im Licht der Kraft des Geistes. Aus dem Geheimnis der Dreifaltigkeit erfließt die Kraft eurer Spiritualität, die fähig ist, jene Form des Geistes und des Herzens anzubieten, wie der echte Evangelisierer für unsere Zeit sie braucht. Maria, der Königin der Apostel, vertraue ich eure Bemühungen an, damit sie an eurer Seite geht, so daß ihr es versteht, froh und kraftvoll dem Menschen von heute die Leben spendende Verkündigung des Evangeliums anzubieten. Mit diesen Wünschen erteile ich allen den Apostolischen Segen. Gemeinsam nach Wegen für das Evangelium suchen Ansprache an eine Gruppe von Bischöfen aus verschiedenen Missionsländem, Teilnehmer eines von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker durchgeführten Seminars für theologisch-pastorales „Aggiomamento” am 24. November Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! Ich danke euch recht herzlich für die Botschaft, die ihr eben an mich gerichtet habt und zumal für die treue Anhänglichkeit der Bischöfe der Jungen Kirchen, die darii zum Ausdruck kommt. Ihr seid für drei Wochen hergekommen, um über den bi schöflichen Dienst nachzudenken. Ich bin sehr glücklich über diese Gelegenheit, euch meine Verbundenheit und meini Hochachtung auszusprechen - den Hirten von Gebieten, wo die Evangelisierung aktiv vorangeht -, und ich wünsche, daß diese Begegnung für alle eine Ermutigun; und Stütze wird in der apostolischen Hoffnung, die euch erfüllt. Ich weiß, daß ih euren Dienst in schwierigen Verhältnissen ausübt; viele von euch gehören zu ge prüften Kirchen. Ihr habt im Glauben an Christus Menschen zu vereinen, die allzuol gespalten sind: Ihr sollt sie in der Liebe einigen und die Verkündigung des Evange liums fördern, deren Dringlichkeit an der Schwelle zum dritten Jahrtausend so kla vor Augen liegt. Aus diesem Grund habt ihr euch entschlossen, drei Wochen lang methodisch übe euren Dienst in einer wachsenden Kirche und in einer Welt nachzudenken, die sic! rasch und tiefgreifend wandelt. Ich danke der Kongregation für die Evangelisierun. der Völker, daß sie sorgfältig diesen angebrachten pastoralen Austausch in di Wege geleitet hat. Sprecht bitte meinen Dank auch allen jenen aus, die bei diese Tagung fachkundig und hingebungsvoll mitgewirkt haben. Ich wünsche, daß dies Initiative in weiteren „Seminaren” fortgeführt wird für Bischöfe, die unterschied liehen Sprachkreisen angehören. 804 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bischöfe der Jungen Kirchen, ihr kehrt in eure Diözesen mit einem noch klareren Bewußtsein der schweren, aber zugleich begeisternden Last zurück, die euch auferlegt ist. Wißt, daß der Gute Hirt immer bei euch ist und der Heilige Geist euch begleitet. Als „Vervollkommner” seines Volkes hat der Bischof die Aufgabe der Heiligung in Verbindung mit dem Geist. Innerhalb der Gemeinschaft der universalen Kirche stellt die diözesane Kirche die Präsenz Christi dar und spiegelt sein Antlitz wider durch die Heiligkeit und Einheit ihrer Mitglieder. Christus soll verkündet und offenbart werden durch die Qualität des christlichen Lebens. Jesus hat von seinen Jüngern verlangt, daß sie eins seien, „damit die Welt glaubt” (Joh 17,21): Die Heiligkeit der Familien soll in diesem Jahre wachsen, das ihnen gewidmet ist; die Heiligkeit der männlichen und weiblichen Ordensleute soll wachsen, wozu die kürzlich stattgefundene Synode über das gottgeweihte Leben den Weg aufgezeigt hat; wachsen soll die Heiligkeit der Priester in liebevoller Treue zu ihrer Weihe, ohne die ihr Dienst seine Fruchtbarkeit verliert; wachsen soll endlich auch die Heiligkeit der christlichen Gemeinden, ohne die die Mission vergeblich wäre. Der Bischof ist Lehrer des Glaubens: Seine erste Aufgabe besteht in der Verkündigung des Wortes Gottes an alle Menschen und ihre Hinführung zu einem immer tieferen und klareren Verständnis Christi und alles anderen in seinem Licht. Er muß über die Echtheit des Glaubens und seiner Verkündigung wachen. In der heutigen Stunde einer Neuevangelisierung in weit ausgedehnten sozio-kulturellen und geographischen Räumen, wo Christus noch unbekannt ist oder verkannt wird, erweist sich die Evangelisierung von einzelnen und von Gruppen als besonders dringend. Eure Jungen Kirchen sind sehr lebendig: Die intensive Schönheit der liturgischen Feiern und der vielfältige Einsatz der Christen sind dafür klare Zeichen; doch viele von ihnen stehen den Hindernissen der Sekten gegenüber, oder was zumal Afrika angeht, der Weiterführung des schwierigen Dialogs mit einem sich ausbreitenden Islam. Angesichts dieser Herausforderungen fahrt ihr fort, die Kirche Christi aufzubauen, des Geheimnisses seines Leibes, der Gemeinschaft in seiner Liebe und der Sendung im Herzen der Welt. Ihr tut das in Zusammenarbeit mit der eng mit ihrem Bischof verbundenen Priesterschaft und den gläubigen Laien, die sich ihrer Berufung innerhalb der Kirche und ihrer Sendung in der Welt bewußt sind. Werdet nicht müde, trotz aller Widerstände und Oppositionen, die das Ganze verlangsamen. Ihr habt auch über die Erfordernisse der Ausbildung der Priester als eurer nächsten Mitarbeiter im Dienst für die Kirche und für das Evangelium nachgedacht. Bemüht euch weiter darum, und tragt sie gemeinsam; schenkt besondere Aufmerksamkeit der geistlichen Qualität der in euren Seminaren im Herzen eurer Kirchen vermittelten Ausbildung. Die emporkommende Welt braucht die Fachkenntnis, doch noch mehr die Heiligkeit der Priester als lebendiges und sichtbares Zeichen der Liebe Christi, des Hirten. Ihr habt gemeinsam nachgedacht; es sind unter euch Bande der Freundschaft entstanden. Bleibt einander nahe im Gebet, engagiert in der gleichen apostolischen Ar- 805 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN beit innerhalb des Bischofskollegiums, und sucht weiter gemeinsam nach „Wegen für das Evangelium” in einer sehr offenen und vertrauensvollen Beziehung zum Nachfolger des Petrus, der seinerseits allen jenen nahezubleiben bemüht ist, die mit der Sorge für die Kirchen betraut sind. Als Ausdruck dieses Vertrauens und als Unterpfand der im Glauben an Christus und in seinem Geist verwurzelten Hoffnung erteile ich euch gern meinen Apostolischen Segen. Lebenskultur aus dem Glauben zur Unterscheidung der Geister Ansprache an den österreichischen Bundespräsidenten, Dr. Thomas Klestil, am 25. November Herr Bundespräsident! 1. Mit großer Freude empfange ich am heutigen Tag das Staatsoberhaupt der Republik Österreich in Begleitung des Herrn Bundesministers für Auswärtige Angelegenheiten und weiterer hoher Persönlichkeiten. Ihrem Wunsch nach dieser Begegnung habe ich gern entsprochen; mit meinem aufrichtigen Dank für diesen Besuch heiße ich Sie herzlich willkommen. 2. In lebendiger Erinnerung habe ich noch die beiden Pastoralbesuche in Ihrem Land, die mir, wie auch schon zuvor, einen starken Eindruck vom reichen christlichen und kulturellen Erbe Österreichs vermittelten. Dieses Erbe vor allem im Bereich der Europäischen Union einzubringen und zu bewahren wird eine verantwortungsvolle Aufgabe für die Republik Österreich darstellen. In diesem Zusammenhang darf ich auch an das hohe Maß an politischer Reife erinnern, die die Bürger Ihres Landes in der Frage des Beitritts zur Europäischen Union bewiesen haben. Auf das Erbe Österreichs blickend wird sehr deutlich, daß vor allem auch der ethische Aspekt von Kultur eine bedeutende Rolle spielt. Kultur hat in ihren mehr oder weniger anspruchsvollen Ausdrucksformen auch mit Werten und letztlich mit Wahrheit zu tun: „Im Dialog mit den anderen Menschen wird er (der Christ) jedem Beitrag an Wahrheit, dem er in der Lebensgeschichte und in der Kultur der einzelnen und der Nationen begegnet, Achtung zollen; er wird aber nicht darauf verzichten, all das zu vertreten, was ihn sein Glaube und der rechte Gebrauch der Vernunft gelehrt haben” (Enzyklika Centesimus annus, Nr. 46). Der Akzent in der Kultur kann also nicht nur auf Erlebnisqualität und -intensität sowie auf dem Interessantheitsgrad liegen. Das wertvolle Erbe des christlichen Glaubens in seiner reichen kulturellen Entfaltung und mit seiner ihm innewohnenden Wertordnung zu pflegen wird Aufgabe Ihrer Bürger sein, sehr geehrter Herr Bundespräsident, wenn Ihr Land vor dem Anspruch seines kulturellen Herkommens bestehen will. 806 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auch wenn der Glaube nie in bestimmten kulturellen Vermittlungen und Ausdrucksformen aufgehen kann und deshalb offen sein muß für neue, vielleicht auch ungewohnte Aus drucks gestalten, ist es doch notwendig, mit dem reichen und vielgestaltigen kulturellen Erbe sorgsam umzugehen. Es gibt derzeit ein gewisses Nachdenken im Blick auf den weiteren Weg der Kultur, ein Erschrecken angesichts von Sensationsgier, schierer Beliebigkeit und Transzendenzlosigkeit, auch angesichts eines teilweise fahrlässigen Umgangs mit dem Christentum als Ferment der europäischen Kultur. Ihre Bürger haben über viele Jahrhunderte eine Lebenskultur aus dem Glauben entwickelt. Diese Lebenskultur neu zu gestalten, die alltägliche Unterscheidung der Geister vorzunehmen und die grundlegenden Werte in der Familie und in der Erziehung neu zu verdeutlichen wird wesentlich sein für die Zukunft Europas. Einen größeren Dienst können Christen unserer Kultur nicht leisten. Ich vertraue darauf, sehr geehrter Herr Bundespräsident, daß auch die Verantwortlichen Ihres geschätzten Landes diesem Ziel ihren ganzen Einsatz widmen werden. 3. Im politischen und sozial-ethischen Handeln muß die Priorität des Menschen als personales Subjekt gesehen werden. Die Republik Österreich ist in den vergangenen Jahrzehnten der Verwirklichung dieses Prinzips in hohem Maße gerecht geworden. Ihr Land hat die Tore für Flüchtlinge geöffnet, die in deren Land verfolgt und diskriminiert wurden. Ihr Land hat einen vorbildhaften Schutz ethnischer Minderheiten gesetzlich verankert und schließlich eine bewundernswerte Leistung an humanitärer Hilfe für Menschen erbracht, die sich in Not befinden. Dafür gilt allen Verantwortlichen und allen Bürgern mein aufrichtiger Dank. Gott möge es allen reich vergelten. Von diesem Ansatz einer hohen Achtung des Menschen und seiner Würde wird Ihr Land einzelne Symptome von Gewalt und Gewaltbereitschaft gegenüber Fremden und anderen Randgruppen überwinden können. Gewalt kann letztlich nur gebändigt werden durch Erziehung zu gewaltfreiem Handeln und durch die Herrschaft des Rechtes. Dies ist eine der vorrangigen Aufgaben auf erzieherischem Gebiet. Nur so wird der Mensch in der Lage sein, andere zu „ehren”: „Das ,Prinzip der Ehrerbietung’, das heißt die Anerkennung und Respektierung des Menschen als Menschen, ist die grundlegende Voraussetzung für jeden echten Erziehungsprozeß” (Brief an die Familien, Nr. 16). 4. Ihnen, Herr Bundespräsident, ahen Gläubigen und Menschen guten Willens in Ihrem geschätzten Land erbitte ich auf die Fürsprache der Gottesmutter und aller heihgen Schutzpatrone Ihrer Heimat Gottes treues Geleit. Von Herzen erteile ich dazu meinen Apostohschen Segen. 807 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eintreten für eine menschenwürdige Gesellschaft Ansprache bei der Eröffnungssitzung der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften am 25. November Meine Herren Kardinäle, meine Damen und Herren der Akademie! 1. Es ist für mich eine große Freude, euch bei Gelegenheit der Eröffnungssitzung der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften zu begegnen, die mit dem Motu proprio Socialium scientiarum investigationes vom 1. Januar 1994 errichtet wurde. Angesichts des Umfangs, den die sozialen Fragen gewinnen, hatte ich 1991 bei Gelegenheit der Jahrhundertfeier der Enzyklika Rerum novarum meine Absicht ausgesprochen, eine Akademie zu gründen, wo Spezialisten der Sozialwissenschaften aus der ganzen Welt Zusammenkommen sollten. Ihr habt meine Einladung angenommen, ihre ersten Mitglieder zu werden; ihr vertretet hier die großen Fächer der Sozialwissenschaften: Philosophie, Soziologie, Demographie, Geschichte, Recht, Poütik und Wirtschaftswissenschaften, deren jüngste Entwicklungen für die Zukunft der Menschheit entscheidende Fragen stellen. Ich danke euch lebhaft dafür, daß ihr der Kirche eure Beiträge liefert, die eure Reflexion, genährt durch einen vertieften Kontakt mit den modernen sozialen Verhältnissen, braucht. Ich möchte meine lebhafte Dankbarkeit eurem Präsidenten, Professor Edmond Mahnvaud, für die herzlichen Worte aussprechen die er an mich gerichtet hat, und dafür, daß er es auf sich genommen hat, die ersten Forschungen eurer bedeutenden Versammlung anzuregen. Gern begrüße ich auch Kardinal Roger Etchegaray, den Präsidenten des Päpstlichen Rates „Gerechtigkeit und Frieden”, mit dem die Akademie die Planung ihrer verschiedenen Initiativen koordinieren und auf den sie sich für ihre Tätigkeiten beziehen wird. 2. Im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Kirche durch die für die Lage der Arbeiter oft dramatischen Folgen der ersten Industrialisierung auf den Plan gerufen, wie auch durch die Anthropologie, die sich im Anschluß daran entwickelt hat. Die Reaktion der Kirche war vor allem durch ihr pastorales Anliegen motiviert: das Licht des Evangeliums auf die immer neuen Aufgaben zu richten, mit denen die Menschen fertig werden müssen; es war ihr ein Anliegen, die schreienden Ungerechtigkeiten anzuprangem, zu denen ebenso die liberalen wie die sozialistischen Theorien geführt hatten; denn das Aufkommen des Industriezeitalters fällt mit dem Auftreten der Ideologien des Liberalismus und Sozialismus zusammen, die leider unter verschiedenen Formen zur gleichen Zeit in der Welt von damals auftauchten (vgl. Leo XIII. Rerum novarum-, Johannes Paul II., Centesimus annus, Nr. 13). Gleichzeitig haben das Lehramt und zahlreiche Episkopate die Notwendigkeit gespürt, die Reflexion sowie die menschliche und geistige Bildung zu fördern, wie sie 808 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unerläßlich sind, wenn jeder Mensch seinen richtigen Platz in der Gesellschaft finden soll. 3. Am Ende des zweiten Jahrtausends läßt die Entwicklung der technisierten und materialistischen Gesellschaft weiter auf unseren Zeitgenossen zahlreiche Bedrohungen lasten: die Ausweitung der Arbeitslosigkeit, die zu Situationen der Unsicherheit führt und die Menschen, zumal die Jugendlichen und die Familien, schwächt; die steigende Zahl von Ausgrenzungen, die immer mehr Menschen an den Rand verweisen; steigende radikale Strömungen, welche die Spannungen wachsen lassen und das bleibende Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd, was ganze Völker in immer größere Armut führt. Ausgehend von der Enzyklika Rerum novarum, „der Magna Charta, die das Fundament aller christlichen Tätigkeit auf sozialem Gebiet bilden muß” (Pius XI., Qua-dragesimo anno), hat die Kirche in einer zusammenhängenden Lehre das Ganze der moralischen Grundsätze formuliert, die in der Offenbarung enthalten sind und durch das Lehramt im Verlauf der Geschichte entwickelt wurden; diese Soziallehre bietet die moralischen Kriterien für die Entscheidungen und das Handeln im persönlichen, familiären und sozialen Leben; sie legt auch das unverkürzte Menschenbild dar, seine wahre Würde, seine geistige Natur und seine letzte Bestimmung (vgl. Johannes Paul II. Centesimus annus, Nr. 11). 4. Seit dem Erscheinen der „neuen Dinge” hat das Lehramt nicht aufgehört, sei es gelegen oder sei es ungelegen, den wesentlichen Grundsatz seiner Soziallehre darzulegen: Der Mensch geht immer den sozio-ökonomischen Systemen voraus, an denen er mitwirkt; die menschlichen Wirklichkeiten sind für den Menschen da, der „eine zentrale Stellung in der Gesellschaft” einnimmt (vgl. Centesimus annus, Nr. 54; vgl. Pius XI. Quadragesimo anno) und nicht bloß als Werkzeug betrachtet werden darf (vgl. Centesimus annus, Nr. 13): Er besitzt nämlich eine unveräußerliche natürliche Würde (Gaudium et spes, Nr. 84,2). Zumal seit den Enzykliken Quanta cura und Quod apostolici muneris haben meine Vorgänger Pius IX. und Leo XIIL nachdrücklich die Aufmerksamkeit der Kirche für die soziale Frage und die Gefahren der Philosophien betont, die der Wirtschaft und Politik den absoluten Vorrang zum Schaden der menschlichen Person zuweisen, die dagegen „Wurzelgrund, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen ist” (Gaudium et spes, Nr. 25,1). 5. Ein Blick auf die sozialen Verhältnisse in der Welt, in den industrialisierten Ländern ebenso wie in den Entwicklungsländern, zeigt deutlich, wie wichtig eine Verstärkung des Beitrags der Sozialwissenschaften ist, um Lösungen für die konkreten Probleme der Menschen ins Auge zu fassen, die sich auf soziale Gerechtigkeit gründen. Notorisch ist zum Beispiel, daß die negativen Auswirkungen der derzeitigen wirtschaftlichen Konjunktur in zahlreichen Ländern allzu oft vor allem die sozialen Programme aufs Spiel setzen, die als Daseinsgrund gerade den Schutz der Schwächsten 809 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN haben müßten. Die Kirche ist für diesen Faktor tief empfänglich. Auf internationaler Ebene zeigt sich, daß zahlreiche makroökonomische Reformvorhaben die menschliche Dimension nicht berücksichtigen, so daß es immer die Schwächsten sind, welche die schlimmen Auswirkungen starker Kürzungen öffentlicher Mittel zu spüren bekommen. Hier ist daran zu erinnern, daß ein Modell wirtschaftlichen Wachstums, das die soziale Gerechtigkeit vernachlässigt oder ganze Gruppen von Personen an den Rand drängt, langfristig nicht tragbar ist, selbst dann nicht, wenn man das Ganze rein wirtschaftlich betrachtet. Die nächste Konferenz der Vereinten Nationen in Kopenhagen über die soziale Entwicklung wird für die internationale Gemeinschaft wichtig sein: Es gilt nämlich, über die Voraussetzungen der Gestaltung einer menschlichen, wirtschaftlichen und politischen Umwelt nachzudenken, die für diese soziale Entwicklung günstig ist, zumal wenn man sich nachhaltig im Kampf gegen die Armut und für die Schaffung von Arbeitsplätzen engagiert. Eine solche Gipfelkonferenz gehört zu einer Reihe von international bedeutsamen Ereignissen, die auf die Sozialphilosophie in der Welt an diesem Ende des Jahrhunderts Einfluß nehmen müssen. Wie man bei der internationalen Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo beobachten konnte, wird man sich in allen Staaten wirklich bewußt, daß die neuen Aufgaben im Bereich der Politik zwar technische Fragen stellen, aber auch die Weise einbeziehen, wie man das Leben des Menschen und den Schutz der wesentlichen Werte begreift. Eure Akademie wird mithelfen, die Zentralstellung der menschlichen Person bei jedem Entwicklungsprogramm zu verstehen. 6. Doch wie sie es oftmals betont hat, besitzt die Kirche keine Zuständigkeit zur Durchführung von wissenschaftlichen Untersuchungen; sie hat auch keine technischen Lösungen anzubieten; sie möchte kein theoretisches Modell der Erklärung der sozialen Phänomene und auch kein konkretes Gesellschaftssystem gutheißen (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 41). Sie verteidigt aber die Vorrangstellung des Menschen nach dem Plan Gottes, und sie erinnert an die Pflichten, die sich von seiner Würde als in Gesellschaft lebender Person herleiten. Die Wirtschaft, die Produktions- und Handelssysteme, Staat und Recht stehen immer im Dienst des konkreten Menschen und nicht umgekehrt. Kraft seiner eigenen Würde besitzt der Mensch unveräußerliche Rechte. Er ist ferner verpflichtet, für das Gemeinwohl zu arbeiten und Frucht zu bringen (vgl. Optatam totius, Nr. 16), die soziale Ordnung umzuwandeln (vgl. Paul VI. Populorum progressio, Nr. 42) und jedem durch eine gerechte und ausgewogene Beteiligung zu gestatten, seinen Platz in der Gesellschaft einzunehmen und sich der Früchte der Erde zu erfreuen; in dieser Perspektive sind einige Grundprinzipien der Soziallehre der Kirche zu sehen wie das Recht auf Privateigentum, das freilich der Bestimmung der Güter für alle untergeordnet bleibt (vgl. Laborem exercens, Nr. 14). Nach dem Grundsatz der Subsidiarität besitzt andrerseits der Mensch eine berechtigte Autonomie bei seinen Entschei- 810 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN düngen, seinem Wirken und seiner Freiheit, seine Rechte voll ausüben zu können; er muß vor der eventuellen Willkür der sozialen und politischen Institutionen und Strukturen geschützt werden. Tatsächlich nimmt der Mensch seinen Teil Verantwortung in den unterschiedlichen Gemeinschaften wahr, zu denen er natürlicherweise gehört: in der Familie, im kulturellen Umfeld, in den Verbänden, in seiner Nation und in der Gemeinschaft der Nationen (vgl. Christifideles laici, Nr. 42; Centesimus annus, Nr. 48; Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 1883-1885.1894.2209). Doch darf man dieses Prinzip nicht von dem der Solidarität trennen, das von jeder Person als Mitglied der Gemeinschaft der Menschen fordert, aktiver Teil des Geschicks der Gesellschaft zu sein und sich für das Wohl aller verantwortlich zu fühlen. 7. Das Lehramt der Kirche ist der Auffassung, daß die Wissenschaften, wie immer ihr Objekt und ihre Forschungsmethoden sein mögen, im Dienst des Menschen stehen. Dennoch darf keine Wissenschaft beanspruchen, die Gesamtheit des Wirklichen zu erklären. Im gegenteiligen Fall würde sie aufhören, Wissenschaft zu sein und eine Ideologie werden, die das Ganze der Welt und der Geschichte zu erklären beansprucht (vgl. Pius XL Mit brennender Sorge-, lohannes XXIII. Mater et magi-stra, Kap. IV). Doch wenn man sich der Grenzen des wissenschaftlichen Verfahrens bewußt wird, darf das nicht zur Ablehnung einer Offenheit für die transzendente Dimension werden. 8. Noch mehr als für die Naturwissenschaften spielt die Epistemologie eine erstrangige Rolle für die Sozialwissenschaften. Die gleichen Methoden der Analyse können verschieden verwendet werden, je nach dem Menschenbild, dem sie dienen möchten. Wenn die Kirche anderseits von den durch die Sozialwissenschaften vorgelegten Analysen viel erwartet, so ist sie gleichermaßen überzeugt, daß ihre Soziallehre methodologische Prinzipien zum Forschungsansatz liefern und nützliche Elemente für den Aufbau einer gerechteren und brüderlicheren Gesellschaft bieten kann, einer Gesellschaft, die wirklich des Menschen würdig ist. Wenn ihr in der Perspektive der Soziallehre der Kirche arbeitet, die feststellt, daß die Ordnung im Leben der Gemeinschaft nicht willkürlich ist, werdet ihr zeigen, daß die Sozialwissenschaften ihre ganze Fruchtbarkeit entfalten, wenn sie in der Perspektive der Schöpfungsordnung arbeiten. Die Soziallehre der Kirche möchte die Bekräftigung der Freiheit des Menschen, seiner geistigen Natur, die für das Leben in mitmenschlichen Beziehungen gemacht ist, und seiner Fähigkeit, in der Erkenntnis voranzuschreiten, mit dem objektiven Charakter der Schöpfungsordnung verbinden. Sie scheut sich auch nicht, sich auf eine zugleich metaphysische und rationale Anthropologie zu stützen, die es gestattet, vom Geheimnis des Menschen und seiner Bestimmung zu sprechen, die keineswegs auf das Ganze der besonderen kulturellen Einflüsse und alle Determinismen zurückgeführt werden können. Die Grundsätze der Würde des Menschen, seiner Sozialna- 811 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tur, der Bestimmung der Güter für alle, der Solidarität, der Subsidiarität, welche die Soziallehre der Kirche von der Anthropologie der Schöpfung herleitet, bleiben in allen Gesellschaftsformen als Aufrufe gültig, alle Zwänge zu überwinden, mit welchen die praktischen Systeme am Ende stets den Menschen belasten. 9. Unter den Grundwerten der Soziallehre der Kirche muß ein besonderer Rang der Liebe eingeräumt werden, denn sie bildet die erste Kategorie des Lebens in Gesellschaft; sie gestattet, vom freien und freiwilligen Handeln zu sprechen, das in der Liebe des Nächsten um seiner selbst willen besteht. Sie ist die Tugend, die bis ans Ende der Geschichte bleibt (vgl. Mt 25; 1 Kor 13), sie ist die Pflicht, welche das moralische Leben begründet (vgl. 1 Joh 4,11). Die Liebe ist „gleichsam die Königin aller Tugenden, aller Gebote und Räte, ... sie weist allen Rang, Ordnung, Zeit und Wert zu” (hl. Franz von Sales, Theotimus, 8,6). Die Liebe zeigt sich im Wohlwollen den anderen gegenüber, in dem Bemühen um die Gegenseitigkeit in den Beziehungen und im Sinn für echte Kommunikation (Thomas von Aquin, Summa theolo-giae, II-II, q.23, a.l). So setzt sich also die Gesellschaft, die ihr studiert, nicht aus Fremden zusammen (vgl. Eph 2,19), vielmehr aus Brüdern im Menschsein, die von Christus erkauft sind. 10. In der Enzyklika Centesimus annus habe ich ausgeführt, daß das Lehramt die Untersuchung der komplexen Verhältnisse ermutigen wollte, in denen die Menschen arbeiten, produzieren sowie Güter und Dienstleistungen austauschen, ihre lebenswichtigen Bedürfnissen zuffiedenstellen, die in der Arbeit gewonnenen Güter verteilen sowie die jeweiligen Vollmachten und Verantwortlichkeiten der Familie, der Unternehmen, der Gewerkschaften und des Staates festlegen. Euch kommt es zu, durch die Prüfung und Interpretation der wissenschaftlichen Daten euren Beitrag zur Haltung der Kirche zu leisten. Nach dem ersten Artikel ihrer Statuten wurde die Akademie „mit dem Ziel geschaffen, das Studium und den Fortschritt der sozialen, wirtschaftlichen, politischen und Rechtswissenschaften zu fördern und auf diese Weise die Elemente beizusteuern, deren sich die Kirche zur Vertiefung und Entfaltung ihrer Soziallehre bedienen kann”. Daher steht eure Akademie Wissenschaftlern verschiedener Fachgebiete offen, die der Wahrheit dienen möchten. Unser Wille geht dahin, alle Keime der Wahrheit zu sammeln, die in den verschiedenen intellektuellen und empirischen Bemühungen gegenwärtig sind, nach dem Vorbild des hl. Thomas von Aquin, der für die philosophische und theologische Reflexion ein Beispiel bleibt. Die Errichtung der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften bezeugt die wohlwollende Haltung der Kirche gegenüber den positiven und humanen Wissenschaften, die auf volle Autonomie ein Recht haben. Sie liegt auf der Linie der Bemühungen der Kirche, die unermüdlich die Gewissen über die ethische Dimension der konkreten Entscheidungen informieren möchte, welche die Menschen und die Gesellschaften treffen. Durch ihre Forschungen wird die Akademie die Harmonie und den Zusammenhang zwischen den Erkenntnissen der Sozialwissenschaften im 812 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dienst am Menschen, den Prinzipien der natürlichen Moral und der Soziallehre der Kirche aufscheinen lassen. Wenn die Kirche heute eure Fachkenntnisse anspricht, dann möchte sie den Dialog mit den Forschem in den Sozialwissenschaften verstärken (vgl. Centesimus annus, Nr. 59), zu gegenseitiger Bereicherung und zum Dienst am Gemeinwohl. Sie wünscht ferner, noch besser die Komplexität der Gründe zu erfassen, die zu manchmal unmenschlichen Situationen führen und eventuell Personen oder Institutionen mit Drohungen belasten können, was vielleicht die Würde der Menschen und die Zukunft der Welt gefährden könnte. Dieses Verständnis der sozialen Wirklichkeiten wird es gestatten, die ethischen Risiken zu erkennen und sie unseren Zeitgenossen klarer darzustellen. Es ist für die Kirche ferner wichtig, ihre Soziallehre weiter auszuarbeiten und auch dank der engen Zusammenarbeit mit den katholischen sozialen Bewegungen sowie den Fachleuten der Sozialwissenschaften zu vervollkommnen, deren bedeutsame Vertreter ihr innerhalb dieser neuen Akademie seid. Meine Damen und Herren Akademiemitglieder, am Ende unserer Begegnung spreche ich euch erneut meine Wertschätzung aus. Ich wünsche euch alles Gute für eure Arbeiten und rufe auf euch den Beistand des Geistes der Wahrheit und die Segnungen des Herrn herab. Gemeinsames Beten und Mühen um die Einheit Botschaft an Seine Heiligkeit Bartholomaios I., Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch, vom 25. November „Simon Petrus, Knecht und Apostel Jesu Christi, an alle, die durch die Gerechtigkeit unseres Gottes und Retters Jesus Christus den gleichen kostbaren Glauben erlangt haben wie wir. Gnade sei mit euch und Friede in Fülle durch die Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn” (2 Petr 1,1-2). Da wir uns anschicken, feierlich das Fest des hl. Andreas zu begehen, möchte ich mit diesen Worten aus dem Petrusbrief Eure Heiligkeit und die durch Ihren Dienst versammelte Kirche grüßen. Wir preisen Gott und sagen ihm Dank, daß er durch die Vermittlung der Apostel bis zu uns und bis an die Enden der Erde die Frohbotschaft vom Heil gelangen ließ. In unserem gemeinsamen Glauben erinnert uns die Feier eines Apostels immer an die apostolische Nachfolge als Garant für die Einheit des Volkes Gottes und seines Zusammenhalts in Treue zum Glauben, „der den Heiligen ein für allemal anvertraut ist” (Jud 3). Geistig halten wir uns vor Augen, daß wir demnächst ins dritte Jahrtausend eintreten werden und das Große Jubiläum begehen, in dem wir die Menschwerdung des Wortes Gottes feiern. Wenn wir in dieser geschichtlichen Stunde die Schrift bedachten, spüren wir wie die Jünger von Emmaus „das Herz in der Brust brennen” 813 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (.Lk 24,32) in dem lebhaften Verlangen, das Evangelium vom Heil allen zu verkünden. Wir möchten Jesus Christus mit neuem Eifer und einer immer innigeren Liebe verkündigen. Aber wir wissen auch, daß die Einheit der Seinen ein Zeichen sein soll, „damit die Welt glaubt” (Joh 17,21). Wie sehr wünsche ich, daß wir in diesen Jahren der Vorbereitung auf das Jubiläum die Wege für eine enge Zusammenarbeit zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche finden! In diesem Kontext finden bereits unsere jährlichen gemeinsamen Feiern wie auch die herzhchen und brüderlichen Gespräche zwischen den Delegationen unserer Kirchen bei Gelegenheit des Festes der hll. Apostel Petrus und Paulus in Rom und zu Ehren des als ersten Berufenen, des hl. Andreas, in Konstantinopel statt. Es sind gesegnete Ereignisse zur Vereinigung unserer Bemühungen auf die Einheit hin, für die Förderung eines gemeinsamen Zeugnisses und einer konzertierten Praxis der Evangelisierung. In dieser Hinsicht hat der theologische Dialog zwischen der orthodoxen und der katholischen Kirche bereits wichtige Schritte für die Bekräftigung „unseres gemeinsamen Glaubens hinsichtlich des Geheimnisses der Kirche und des Bandes zwischen dem Glauben und den Sakramenten” zurückgelegt, wie wir es gemeinsam mit Ihrem ehrwürdigen Vorgänger Seiner Heiligkeit Dimitrios I. erklären konnten (AAS 80[1988]253). Wir sagen Gott dafür Dank und sprechen allen unsere Anerkennung aus, die zu diesem Dialog in einem Geist des Glaubens, der Hoffnung und der Dienstbereitschaft für die Kirche beigetragen haben. Da nun eine Frage gelöst ist, die unseren Schwung für weiteren Fortschritt schwerwiegend gelähmt hatte, kann das theologische Gespräch nach dem vereinbarten Programm erneut seiner Lauf nehmen. Dabei überprüfen wir die ekklesiologischen und kanonischen Folger für die sakramentale Struktur der Kirche. Wir machen uns also auf den Weg zu dei gradlinigeren Erwägung der Aussprache der kirchlichen Gemeinschaft. Das Morgenrot des dritten Jahrtausends müßte uns daher der Einheit näher vorfinden, die wii gemeinsam suchen. Ich bete dämm innig zum Herrn. In diesem Sinn lade ich die ganze katholische Kirche ein, sich an diesem Großer Gebet zu beteiligen, und ich wäre zutiefst glücklich, wenn alle Christen sich zu einem solchen Gebet und in der gemeinsamen Anrufung unseres Herrn Jesus Christus vereinigen würden in der Gewißheit, daß „uns Menschen kein anderer Name unte: dem Himmel gegeben (ist), durch den wir gerettet werden sollen” (Apg 4,12). Fü: meinen Teil kann ich Eure Heiligkeit der ständigen Bereitschaft der katholischer Kirche zum Gebet, zu brüderlichen Kontakten, zum theologischen Studium und zu praktischen Zusammenarbeit versichern. Mit diesen Empfindungen des gemeinsa men Glaubens und der geteilten Freude entsende ich zu Eurer Heiligkeit und Ihre: Kirche die Delegation unter der Führung unseres verehrten Bruders Kardinal Ed ward Idris Cassidy. Seine Anwesenheit wird bei Ihnen die Beteiligung der Kirchi von Rom an den Feierlichkeiten der Schwesterkirche von Konstantinopel zum Fes ihres heiligen Patrons zum Ausdruck bringen. 814 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Erwartung meiner nächsten persönlichen Begegnung mit Eurer Heiügkeit umarme ich Sie herzlich im Herrn. Aus dem Vatikan, 25. November 1994 Joannes Paulus PP. II Wissenschaft - Dienst an humaner Gesellschaft Ansprache bei der Schlußsitzung der 9. Internationalen Konferenz, veranstaltet vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst, in Verbindung mit der ersten Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für das Leben am 26. November 1. Ich freue mich sehr, die Arbeiten dieser 9. Internationalen Konferenz abschließen zu können, die der Päpstliche Rat für die Pastoral im Krankendienst in diesem Jahr dem Thema des Lebens in der dreifachen Dimension „Kennen, Lieben, Dienen” widmen wollte. Dabei steht die gebührende Voraussetzung obenan, daß das Leben in dem Maß, wie es bekannt ist, geliebt werden kann und daß man ihm nur dann, wenn man es kennt, auch in würdiger Weise dienen kann. Ich begrüße Fiorenzo Kardinal Angelini und danke ihm für die Worte, die er eben im Namen aller gesprochen hat, und für die Dynamik seiner Leitung und seiner Initiativen in dem ihm anvertrauten Päpstlichen Rat. Mein Dank erstreckt sich weiter auf seine Mitarbeiter und die hervorragenden Wissenschaftler und Forscher, auf die Staats- und Regierungsvertreter, die dieses Symposion mit ihrer Anwesenheit und mit ihrem wissenschaftlichen Beitrag beehren wollten. In einem glücklichen Zusammentreffen hat heute gleichzeitig mit der Konferenz die erste Vollversammlung des Päpstlichen Rates für das Leben begonnen, jener Einrichtung, die ich im vergangenen Februar eingesetzt habe. Ihre Ziele sind Forschung, Information und Bildung im Hinblick auf alles, was die umfassende und komplexe Problematik von Fördemng und Schutz des menschlichen Lebens berührt, und zwar im Licht der außerordentlichen Fortschritte der Wissenschaft, der unverzichtbaren und moralischen Forderungen und des Beitrags, den die göttliche Offenbarung erbringt, um das Geheimnis des Lebens besser zu erkennen. Sehr herzlich begrüße ich den Präsidenten der Akademie, Prof. Juan de Dios Vial Correa, und alle die einzelnen ausgezeichneten Mitglieder dieser von mir besonders geschätzten Versammlung. Ich fühle mich gedrängt, bewegten und dankbaren Herzens auch dem ersten Präsidenten der Akademie, dem verstorbenen Professor Jerone Lejeune, ein Gedenken zu widmen und an seine hochherzige und konsequente Hingabe an die erhabene Sache der Verteidigung des Lebens zu erinnern. I. Das zentrale Thema der ersten Vollversammlung der neugebildeten Akademie: ,Rationale Grundlagen der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens in allen Pha- 815 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sen seines Daseins” verbindet sich mit dem der gegenwärtigen Internationalen Konferenz und bestätigt das gegenseitige enge Band, das die beiden Institutionen ideell und praktisch verbindet. Ganz zu Recht wird hervorgehoben, daß die Achtung vor dem menschlichen Leben Vernunftgründe aufweist, die den allgemeinen Konsens hinsichtlich des menschlichen Grundrechtes auf das Leben erklärlich machen. Es handelt sich dabei nicht um eines der Rechte des Menschen, sondern um das fundamentale Recht: „Es gibt kein anderes Recht, das die Existenz des Menschen näher berührt! Recht auf Leben heißt, das Recht zu haben, auf die Welt zu kommen und bis zum natürlichen Tod sein Dasein zu bewahren: ,Solange ich lebe, habe ich das Recht zu leben’" (Johannes Paul II., Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, Hamburg 1994, S. 229). Angeregt durch den Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst, der die Verbreitung, Erklärung und Verteidigung der lehramtlichen Äußerungen der Kirche au! dem Gebiet des Gesundheitswesens und der Gesundheit zu den Zielsetzungen seinei Gründung zählt, sucht die Päpstliche Akademie für das Leben zu einer vorläufigen aber entscheidenden Übereinstimmung unter denen zu kommen, die von den verschiedensten erhabenen kulturellen und religiösen Gesichtspunkten aus das Rech auf das Leben als rechtlichen Angelpunkt echter Kultur betrachten. Schon jener berühmte Schreiber, der, wie aus einem kostbaren Dokument in de: Vatikanischen Bibliothek hervorgeht, im dreizehnten Jahrhundert den Eid des Hip-pokrates umschreiben wollte und dabei den Text in Kreuzesform anordnete, erkann te in der vernunftgemäßen Argumentation über das Recht auf Leben einen die christliche Auffassung vorbereitenden Wert, insofern sie die menschliche Persoi und die Unantastbarkeit des Lebens betrifft und das Geheimnis des Lebens voll an erkennt. Diese Anerkennung unterdrückt nicht den wissenschaftlichen Auftrieb noch schränkt sie ihn ein, sie gibt ihm vielmehr Schwung und verleiht ihm Würde. 3. In diesem besonderen geschichtlichen Augenblick - gekennzeichnet von Wider Sprüchen, die ihre ganze negative Befrachtung zeigen, wenn sie sich mit den Forde rungen auseinandersetzen, die die Achtung vor dem menschlichen Leben gebietet -ist die Kirche der Wissenschaft dankbar für die Hilfe, die sie von ihr empfängt, un< sie ermutigt und unterstützt sie. Wenn die Kirche sich auf Gebiete begibt, für derei Erforschung Menschen der Wissenschaft zuständig sind, dann tut sie es nicht etw; kraft einer ihr zukommenden besonderen wissenschaftlichen Kompetenz. „Die Kir che greift nur kraft ihrer dem Evangelium gemäßen Sendung ein: Sie hat die Pflichl der menschlichen Vernunft das Licht der Offenbarung anzubieten, den Menschen zi verteidigen und über seine ,Würde als Person, mit einer Geistseele begabt, mit mo ralischer Verantwortung ausgestattet und zur seligen Gemeinschaft mit Gott gern fen’, zu wachen (Kongregation für die Glaubenslehre, Donum vitae, Nr. 1). Da e um den Menschen geht, überschreiten die Probleme den Rahmen der Wissenschafi die über die Transzendenz des Subjektes keine Rechenschaft ab legen noch die mc 816 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ralischen Regeln aufstellen kann, die sich aus der zentralen Stellung seiner hervorragenden Würde als Subjekt im Universum ergeben” (Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, 28.10.94, O.R.dt., 18.11.94). Die Probleme, die im Lauf dieser Konferenz angegangen wurden, haben weiterhin bestätigt, daß die von der Wissenschaft erzielten außerordentlichen Fortschritte, wie z. B. die fortschreitende Entdeckung eines genetischen Codex und die immer detaillierteren Erkenntnisse der Anordnung des Genoms, nicht nur der Lehre der Kirche über die Unantastbarkeit, die Unverletzlichkeit und die Größe des menschlichen Lebens nicht widersprechen, sondern sie bestärken. Die Kirche lädt ihrerseits dazu ein, mit Vertrauen auf die so hohe Sendung der Wissenschaft zu bücken, und sie ermutigt die Forschung aüer Art, die die Würde des Menschen achtet, denn sie sieht in den sozusagen unerschöpflichen Fähigkeiten des Verstandes den Widerschein und die Spur der Weisheit Gottes. In einem Augenbück, in dem das menschüche Leben so schwere und dramatische Angriffe erfährt, empfindet die Kirche kraft ihrer pasto-ralen Sendung die Pflicht, die wissenschaftliche Forschung zu unterstützen in dem Bewußtsein, daß Glaube und Wissenschaft ihren Treffpunkt in jener Weisheit haben, in der der Plan Gottes sich voll offenbart. 4. Genau in dieser Sicht erhalten die Begriffe „das Leben kennen, das Leben lieben and dem Leben dienen” ihre ganze kulturelle und wirkmächtige Bedeutung. Wissenschaft und Glaube erschöpfen ihre Beziehung nicht darin, daß sie das Geheimnis des Lebens in abstrakter Weise erkennen, sondern sie führen den Verstand and das Herz zur erfahrbaren Erkenntnis aller jener Werte, die sich um die Realität les Lebens sammeln. Sie müssen Zusammenarbeiten, um rings um das fundamentale menschüche Recht auf Leben die richtige Hierarchie aüer anderen Rechte des einzelnen Menschen und der Gesellschaft aufzubauen, denn die Alternative zu einer Kultur des Lebens ist nichts anderes als die Verneinung des Lebens und damit jedes anderen menschüchen Rechtes. Mas dieser integral erfaßten Erkenntnis des Menschen entspringt die Liebe zum Le-aen. Sie ist die erste, die intensivste, die allgemeinste und allgemein geteüte Form ler Liebe, die der Schöpfer dem Menschen gewährt hat. Die Fortschritte auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet werden so zu einem leidenschaftlichen iinsatz im Dienst am Leben in jedem Menschenwesen, besonders dem, das soeben unpfangen wurde oder das dem Auslöschen nahe ist. lu diesem Dienst müssen sowohl die bessere Erkenntnis des Lebens wie auch die iberzeugte Liebe zu ihm führen. Kenntnis und Liebe aber können wie wehrlose lände erscheinen angesichts der Bitte um helfenden Dienst, die sich ohne Maß aus lern in der Verteidigung seines ersten und grundlegenden Rechtes schmerzüchsten Jeschränkungen unterworfenen Menschengeschlecht erhebt. Die kurz zurückliegende ordentüche Versammlung der Bischofssynode, die dem ’ottgeweihten Leben und seiner Sendung in Kirche und Welt galt, hat deutüch ge- 817 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN macht, in wie großem Umfang die Ordensinstitute, die, dem Charisma ihrer Gründung gemäß, entstanden sind und sich entfaltet haben, um dem Menschen und dem, was Kostbarstes und Wesentliches in ihm ist, zu dienen - wie sehr diese Ordensgemeinschaften zum Dienst am menschlichen Leben und zur Verbesserung seiner Qualität beigetragen haben. Das Lehramt der Kirche, das über die Errungenschaften der Wissenschaft und der Technik nur staunen kann, macht sich in all seinen Organen zum Sprachrohr für diese Bitte um helfenden Dienst. Dem Leben dienen, das ist das grundlegende Maß der Gerechtigkeit unter den Menschen. Die Kirche, deren unvergängliches Beispiel Jesus, ihr Meister, „nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen” {Mt 20,28), bittet unaufhörlich Gott, er möge in ihr selbst und in der Gesellschaft immer neue Kräfte für den Dienst des Lebens wecken. 5. Mein Wunsch anläßlich dieser 9. Internationalen Konferenz ist, daß ihre Arbeiten sowie die Beschlüsse, zu denen die erste Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für das Leben gelangen wird, wirksam den Dienst am Leben interpretieren, für den die Kirche an der Schwelle des dritten Jahrtausends Dolmetscherin, Förderir und unermüdlich Tätige sein will neben jedem Menschen guten Willens. Die Zivilisation unserer Zeit bewegt sich in ihrem echtesten Ansatz hin zur Suche nach einer Synthese von Werten, die fähig sind, wieder Hoffnung zu geben. Das läßi sich aber nicht erreichen ohne eine erneut bestätigte Entscheidung zugunsten des Lebens. Sie muß alle einhellig im Einsatz sehen in der Verteidigung und Förderunf dieses grundlegenden Wertes, an dessen Ursprüngen die Initiative Gottes selbs steht, der der „Freund des Lebens” ist (Weish 11,26). Ihm vertraue ich Sie selbst und ihre Lieben an, und indem sich seinen dauernder Beistand auf Ihre Tätigkeiten zum Dienst des Lebens herabmfe, erteile ich aller meinen Segen. Bis zum Vergießen des Blutes Ansprache beim Konsistorium am 26. November „Der Menschensohn ist gekommen, um zu dienen und sein Leben hinzugeben al: Lösegeld für viele” (Allelujavers, vgl. Mk 10,45). 1. Mit diesen Worten weist Jesus auf seine Sendung hin und stellt sich als Beispie vor, das wir nachahmen und dem wir folgen sollen. Den Auftrag, den er vom Vate empfangen hat, vertraut er den Aposteln und jedem Glaubenden an: der Welt dii Wahrheit zu verkünden und zu bezeugen. Christus, der Erstgeborene aller Schöp fung, hat aus diesem Grund am Kreuz sein Leben als Lösepreis „für viele”, da heißt für alle Menschen, hingegeben. Aus dieser seiner gänzlichen Hingabe bis zum Opfer am Kreuz gehen ganz offen kundig die Liebe Christi zu den Menschen hervor und der Dienst für das Evange 818 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lium, den er im Gehorsam gegen den Vater übernommen hat. Dieses Beispiel des Meisters sollen sämtliche Jünger befolgen und sich zum Ziel setzen, ein jeder gemäß der eigenen Berufung und in der ständigen Bereitschaft, gemeinsam mit ihm zum Diener für jeden Menschen zu werden. Die Worte des Evangelisten Markus erhellen voll und ganz den Sinn dieses Konsistoriums als sehr wichtige Stunde für das Leben der Kirche, die auf dem Fundament der Apostel und Märtyrer erbaut ist. Der Dienst aus Liebe, zu dem der Herr die Getauften ruft, wird in ganz einzigartiger Weise euch, liebe ehrwürdige Brüder, aufgetragen, die ihr zur Kardinalswürde erwählt seid. Es ist ein anspruchsvoller Dienst, der mit größter Hingabe „bis zum Vergießen des Blutes” zu leisten ist, wie die Formel beim Aufsetzen des Biretts sagt und wie auch die rote Farbe zeigt, die mit der Kardinalswürde verbunden ist. 2. Weidet die Herde Gottes, und werdet ihr Beispiel (vgl. 1 Petr 5,2-3). Ehrwürdige Brüder, mit der heutigen Feier tretet ihr mit vollem Recht in die Kirche Roms ein, deren Bischof der Nachfolger des Petrus ist. Seit dem ersten Jahrtausend ihrer Geschichte schon umfaßte sie die suburbikarischen Diözesen, die Bischöfen anvertraut sind, und Pfarreien, für die die Priester verantwortlich sind, endlich die Diakonien, mit denen sich nach einer alten apostolischen Überheferung die Diakone mit liturgischen oder auch sozialen Aufgaben beschäftigen. Das Kardinalskollegium spiegelt noch heute trotz der gewandelten historischen Verhältnisse diese Ordnung in der dreifachen Einteilung der Kardinäle in Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kar-dinaldiakone wider. Es ist zum Beispiel auch bezeichnend, daß die Verantwortlichen der Dikasterien der Römischen Kurie Kardinaldiakone sind, um sozusagen sichtbar den „diakonalen” Charakter der Kurie im Dienst der universalen Kirche zu betonen. Eure Verbindung mit der Kirche Roms stellt damit die besondere Sendung ins Licht, die diese kirchliche Gemeinschaft und ihr Hirte, der Papst, innerhalb des gesamten christlichen Volkes bekleiden. Es ist eine diakonale Sendung der Gemeinschaft und der Führung beim Predigen und Bezeugen des Evangeliums in Antwort auf die ,großen Herausforderungen” der heutigen Welt. 3. Die spezifische Aufgabe der im Konklave versammelten Kardinäle ist gerade die Wahl des Bischofs von Rom als Nachfolger des Petras, um so die ununterbrochene apostolische Nachfolge auf diesem Sitz sicherzustellen - eine für die Kirche und hren Weg im Verlauf der Jahrhunderte im Dienst am Evangelium wesentliche Fortdauer. h seiner derzeitigen Zusammensetzung bringt das Kardinalskollegium recht bezeichnend die Einheit und Universalität des Volkes Gottes zum Ausdruck, und es vurde zumal in den letzten Jahren durch die wachsende Präsenz von Prälaten aus zielen Nationen aller Kontinente bereichert: In der Schar der neuen Kardinäle sind ;ogar vierandzwanzig Nationen aus allen Teilen der Welt vertreten. 819 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Gemeinschaft der ganzen Herde Gottes, die von Christus, dem Hirt aller Hirten (vgl. Lumen Gentium, Nr. 6), genährt wird, spiegelt sich nun auch gleichsam irr Kardinalskollegium wider, dessen Einrichtung vom Standpunkt der kollegialer Tradition der Kirche aus sehr wichtig ist. Die kollegiale Dimension, die für der Episkopat konstitutiv und wesentlich ist, kommt in der Tat in besonderer und beispielhafter Weise in den Kardinälen zum Ausdruck, die um den Nachfolger des Petrus geschart sind. Diese ursprüngliche kollegiale und innerlich der apostolischen Nachfolge zugehörige Dimension hat sich im Verlauf der Jahrhunderte in Verbindung mit der Ge schichte der Kirche entwickelt. Sie erlebt heute eine besonders glückliche Stundi der Wiederentdeckung ihrer Eigenart und gewinnt damit neue Möglichkeiten. Dies gilt auch für den besonderen Ausdruck, den sie im Kardinalskollegium findet Abgesehen davon, daß es sozusagen die ganze Welt umfaßt, entfaltet es heute aucl dank der ausgeweiteten Kommunikations- und Begegnungsmöglichkeiten beständi ger und wirksamer seinen Dienst. Gemeinschaft, Kollegialität und Kommunikatio] gehen also zusammen; die Kommunikation steht im Dienst der Kollegialität, dii Kollegialität aber im Dienst der Gemeinschaft. 4. Ein einzigartiger Ausdruck der kirchlichen Gemeinschaft und zumal der bischöl liehen Kollegialität ist zweifellos die Bischofssynode. Das II. Vatikanische Konzl aber auch mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI., hat sich aktiv da für eingesetzt, daß diese Einrichtung immer größere Kraft und größeren Zusammen halt gewinnt. In den Jahren nach dem Konzil konnte man daher eine providentiell Entwicklung der synodalen Dimension der Kirche feststellen, deren Früchte alle vor Augen hegen. Daß der Generalsekretär der Bischofssynode zur Kardinalswürd erhoben wurde, ist daher nicht nur als Anerkennung seiner Person zu sehen, sonder auch als weiterer Abschnitt in ihrem Wachstum. Die Entfaltung des Synodencharakters der Kirche, in dem sich sichtbar die Kolk gialität des gesamten Episkopates widerspiegelt, geht gleichen Schrittes weiter m der Überheferung der ordenthehen und außerordentlichen Konsistorien. In de sechzehn Jahren meines pastoralen Dienstes hatte ich Gelegenheit, sechs ordentheh und fünf außerordentliche Konsistorien einzuberafen. Das letzte fand im vergangf nen Juni statt und galt der Vorbereitung des Großen Jubiläums im Jahre 2000. Ar dieser Versammlung habe ich viele Elemente zur Abfassung des Apostolische Schreibens Tertio millennio aclveniente gewonnen. 5. Ehrwürdige Brüder! Bei dieser Gelegenheit freue ich mich wirklich, einen jede von euch zusammen mit der kirchlichen Gemeinschaft begrüßen zu können, dere Hirten ihr seid oder aus denen ihr stammt. Es befinden sich unter euch Prälaten, d: bereits seit längerer Zeit dem Hl. Stuhl ihren kostbaren Dienst leisten, Hirten vc Gemeinschaften von Christen, die eine reiche Geschichte aufzuweisen haben odi wegen ihres leidvollen und zugleich mutigen Zeugnisses für das Evangelium bi kannt sind, Hirten, die zum erstenmal der Gemeinschaft ihrer Herkunft Präsenz ur 820 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stimme im Kardinalskollegium verschaffen; unter den neu Erwählten befinden sich endlich hervorragende Vertreter der katholischen Kultur und Theologie. In eurem Namen hat der hebe Kardinal Nasrallah-Pierre Sfeir, dem ich von Herzen für die herzlichen an mich gerichteten Worte danke, das Wort ergriffen. Er wollte ferner die Bereitschaft eines jeden der neuen Kardinäle bekräftigen, ihrer eigenen Berufung als Hirten in voller und großherziger Zusammenarbeit mit dem Apostolischen Stuhl treu zu bleiben. Natürlich denken wir in dieser Stunde besonders intensiv an jede Gemeinschaft von Christen, die hart geprüft ist. Ich denke an die Gläubigen, die sich im Libanon befinden, wo sie am eigenen Leib die Folgen der schweren Probleme spüren, die mit der politischen Lage im Mittleren Osten verbunden sind; ich denke an die Kirchen des Ostens, die lange Jahre hindurch die Quälereien eines atheistischen totalitären Regimes ertragen mußten; ich denke an die Katholiken in Vietnam und in Kuba, die ein mutiges Zeugnis ihrer Treue zu Christus und der schweigenden Dienstbereitschaft gegenüber ihren Mitmenschen inmitten nicht geringer Schwierigkeiten geben; ich denke zumal an die Christen von Sarajevo sowie Bosnien-Herzegowina, wo leider der Zerstömng bringende Lärm der Waffen noch nicht aufgehört hat und weiter so viel unschuldiges Blut fließt, ohne die geringste Friedensaussicht. Eure Anwesenheit, ehrwürdige Brüder, ist ein großes Zeichen der Hoffnung: Sie zeigt, daß die ganze Kirche an der Seite der Leidenden steht, für sie betet sowie ihnen in geistlicher und konkreter Solidarität hilft. Die Kirche und der Papst sind in besonderer Weise mit den Brüdern und Schwestern des geliebten Gebietes Bosnien-Herzegowina solidarisch, das zum Symbol von brudermörderischen sinnlosen Kämpfen geworden ist, die Europa und die Welt mit Blut beflecken. Sie blicken auf dieses Gebiet mit christlichem Vertrauen und erbitten für die vom Konflikt betroffenen Völkerschaften vom barmherzigen Gott die Verwirklichung der heiß gewünschten Versöhnung und des Friedens. 6. Ehrwürdige Brüder, Christus ist unser wahrer Friede; wir warten auf ihn. Gerade morgen beginnt die Zeit des Advents, eine Zeit des Wartens und des Wachens im Gebet. Doch in diesem Jahr gewinnt der Advent eine ganz besondere Bedeutung. Mit ihm beginnt nämlich die Vorbereitung der ganzen Kirche auf das geschichtliche Ereignis des Großen Jubiläums im Jahre 2000, dem wir uns jetzt mit großen Schritten nähern. Im kürzlich veröffentlichten Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich betont: „Die Christen sind aufgerufen, sich auf das Große Jubiläum zu Beginn des dritten Jahrtausends vorzubereiten durch Erneuerung ihrer Hoffnung auf die endgültige Ankunft des Reiches Gottes, die sie Tag für Tag in ihren Herzen, in der christlichen Gemeinschaft, der sie angehören, in dem sozialen Umfeld, in das sie hineingestellt sind, und so auch in der Weltgeschichte vorbereiten” (Nr. 46). 821 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche ist aufgerufen, der ganzen Menschheit in Wort und Beispiel zu zeigen, daß ihr Weg in der Zeit in Wirklichkeit ein Weg Christus entgegen ist, ein geheimnisvoller geistlicher Weg, der in Gott endet. 7. Ich vertraue diesen anspruchsvollen Weg der Jungfrau und Mutter des Erlösers an, die ja in der Liturgie des Advents besonders präsent ist. Sie ist das vollkommene Bild der Kirche, wie sie in Hoffnung auf das Kommen des Sohnes Gottes wartet. Maria geht uns auf dem Weg zu Christus voran, fest im Glauben und bereit zur Erfüllung des Wortes Gottes. Ihre volle Anhänglichkeit an den Heilsplan ist Vorbild für einen jeden Gläubigen, der tatbereit in seinem Leben auf die Rückkehr des Herrn in Herrlichkeit wartet. Ihr vertraue ich zumal euch an, hebe Brüder, denen ich nun das Birett auflege und zugleich die Titelkirche als Kardinal zuweise. Sie möge euren Dienst in der Kirche leiten und stützen. Neu mit Hoffnung und Liebe bekleidet, neu gekräftigt in ihrem Glanz und in ihrer Heiligkeit möge die Gemeinschaft der Glaubenden so täglich weiter mutig ihre bedeutsame Sendung erfüllen, nämlich die Frohbotschaft von Christus zu verkünden und zu bezeugen. Die Kirche ist sicher, daß der Gott aller Gnade sie nach kurzem Leid bekräftigen und für immer festigen wird (vgl. 1 Petr 5,10), und sie setzt daher in innerem Frieden „unter den Verfolgungen der Welt, aber auch unter den Tröstungen Gottes’' (Augustinus, Gottesstaat 18,59,2) ihren Weg fort. „Sein ist die Macht in Ewigkeit. Amen!” (1 Petr 5,11). Grußwort an den neuen Kardinal Miloslav Vlk, Erzbischof von Prag, und seine Verwandten und Freunde am 27. November Herr Kardinal! Es ist für mich ein Grund zu großer Freude, daß ich Ihnen heute begegne und Sie umgeben sehe von denen, die ich gerne Ihre Familie nennen möchte, nämlich Ihre Angehörigen zusammen mit den Gläubigen aus der geliebten Erzdiözese Prag unc denen, die mit Ihnen durch tiefe Bande des Glaubens und der Gemeinschaft verbunden sind. Diese Tage sind ein Fest für Sie, und sie sind ein Fest für die Kirche in jener einzigartigen Herzmitte Europas, im Land Böhmen, das durch die Verkündigung dei hll. Kyrill und Method fruchtbar gemacht wurde. Seit vier Jahren erst gehören Sie zum Bischofskollegium. Mit 36 Jahren während des sogenannten „Prager Frühlings’ zum Priester geweiht, sind Sie ein junger Hirte des alten Europa, das in seinem östlichen Teil am Ende der achtziger Jahre, von der Vorsehung gelenkt, eine befreiend« 822 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erschütterung erfuhr. Der Lebenssaft dieser Volksbewegung stieg aus sehr alten, ins Zeugnis der christlichen Heiligen und Märtyrer eingebetteten, letzten Endes im Evangelium Christi, unseres Herrn, gründenden Wurzeln empor, aus ihm, der die Wahrheit und Freiheit des Menschen und unser wirklicher Friede ist. Sie haben während der Härte des Regimes, das das tschechische Volk bedrückte, Ihren persönlichen Preis gezahlt, so sehr, daß Sie sich zehn Jahre lang gezwungen sahen, Ihren priesterlichen Dienst heimlich auszuüben und dabei als Fensterputzer zu arbeiten. Auch Ihre persönliche Lebensgeschichte erfuhr dann um 1989/90 einen plötzlichen Umschwung mit der Bischofsemennung, der die Wahl zum Präsidenten des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen folgte. Der Purpur, in den Sie heute gekleidet sind, ist ein täglicher Hinweis auf die Bedeutung dieses ganzen Weges: Er ist Siegel und Unterpfand des Zeugnisses. In dieser Stunde möchte ich mich daher mit Ihnen und mit allen um Sie her vereinen, um dem Herrn Lob darzubringen und dem das „Magnificat” zu singen, der die Mächtigen vom Thron stößt und die Niedrigen erhöht. Ich weiß, daß Sie in Ihrer Freude in geistlicher Gemeinschaft verbunden sind mit vielen Brüdern und Schwestern - vor allem Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen die ihre Treue zu Christus und zur Kirche mit großen Opfern, selbst bis zur Hingabe des Lebens, bezahlt und auf diese Weise diesen Tag vorbereitet haben. Überbringen Sie ihnen allen die Versicherung, daß der Papst und sein Gebet ihnen nahe ist. Mit diesen Empfindungen erteile ich Ihnen, verehrter Bruder, sowie den Anwesenden und der ganzen Gemeinschaft von Prag von Herzen meinen Segen. Bereitschaft zur Hingabe des eigenen Lebens Homilie bei der feierlichen Konzelebration mit den neuen Kardinälen am 1. Adventssonntag, 27. November 1. „Den Herrn, der da kommen wird, kommt, laßt uns anbeten ...” So betet die Kirche in der Adventszeit. „Advent” bedeutet „Kommen” und erinnert zugleich an das Warten: das Warten auf den im Alten Testament verheißenen Messias, das Warten, das in der Weihnachtsnacht erfüllt wurde; zugleich aber auch das Warten auf das Wiederkommen des Menschensohnes „mit großer Macht und Herrlichkeit” (Lk 21,27). In der Nacht von Bethlehem ist er als zartes Kind - in Windeln ringewickelt und in eine Krippe gelegt - angekommen; am Ende der Zeiten wird er commen als Richter, als Herr der menschlichen Gewissen, als Menschensohn, der las Werk der Geschichte bis auf den Grund vollenden wird. [m heute verkündeten Abschnitt des Lukasevangeliums verkündet Jesus im voraus, laß seine letzte Ankunft von Zeichen im gesamten Kosmos begleitet sein wird, und ruf Erden werden die Nationen angesichts der sie treffenden Ereignisse klagen. ,Die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden” (Lk 21,26). Doch das Wort 823 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes ermuntert zugleich zu Hoffnung und Mut: „Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe” (Lk 21,28). 2. Am ersten Adventssonntag stehen mit mir am Altar der Peterskirche die neuen Kardinäle. Sie stammen aus Kirchen in jedem Teil der Welt. An euch alle, ehrwürdige Brüder, richte ich daher die Worte des Apostels Paulus im Brief an die Thessa-lonicher. Wenn sich die Zahl der Mitglieder des Kardinalskollegiums vermehrt hat, möge das zum Wachsen „in der Liebe zueinander” dienen (vgl. 1 Thess 3,12), und zwar bei allen, damit eure Herzen, hebe Brüder, als „ohne Tadel ... geheiligt vor Gott, unserem Vater, wenn Jesus, unser Herr, mit allen seinen Heiligen kommt”, gefestigt sind (1 Thess 3,13). Die Ernennung neuer Kardinäle hat in diesem Jahre Adventscharakter. Die Kirche lebt ja im Advent: im ersten und im zweiten Advent. Die Kirche lebt im Rhythmus des liturgischen Jahres und bereitet sich nun auf die heilige Weihnachtsnacht vor; zugleich lebt sie im Rhythmus der Geschichte des Heiles und bereitet sich auf das endgültige Kommen Christi vor. Auf die erste und die zweite Ankunft bezieht sich das Jubiläum des Jahres 2000. In den vergangenen Tagen habe ich dazu das Apostolische Schreiben Tertio millennio adveniente veröffentlicht, das ich gemeinsam mit dem Kardinalskollegium ausgearbeitet habe, unter Berücksichtigung auch der Empfehlungen des Episkopats der ganzen Kirche. 3. Ich begrüße aus ganzem Herzen meine Brüder Kardinäle am Altar der Confessio in St. Peter und spreche ihnen meine Glückwünsche aus mit den Worten eines Paulusbriefes, Worten des Gebetes und der Fürbitte. Der Apostel schreibt: „Ihr hab1 von uns gelernt, wie ihr leben müßt, um Gott zu gefallen, und ihr lebt auch so; werdet darin noch vollkommener” (1 Thess 4,1). Der göttliche Meister lehrt ja seine Jünger, „vollkommen zu sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist” (Mt 5,48). Wenn wir diese Worte hören, die ich heute als Glückwunsch mit dem Apostel wiederhole, klingt in den Herzen aller und zumal in euren Herzen, hebe Brüder Kardinäle, lebhaft der Antwortpsalm wieder: „Zeige mir, Herr, deine Wege, lehre micl deine Pfade! Führe mich in deiner Treue und lehre mich; denn du bist der Gott meines Herzens. Auf dich hoffe ich allezeit” (Ps 25,2-5). Ja, das ist die Stunde, die Güte des Herrn zu preisen, denn er „weist die Irrenden auf den rechten Weg. Die Demütigen leitet er nach seinem Recht, die Gebeugten lehrt er seinen Weg ... Die sind Vertraute des Herrn, die ihn fürchten; er weiht sie ein in seinen Bund’ (Ps 25,8-9.14). 4. Verweilen wir noch bei den Lesungen der heutigen Liturgie des Advents. De: Prophet Jeremia sagt: „In jenen Tagen ... werde ich für David einen gerechten Sprol; aufsprießen lassen. Er wird für Recht und Gerechtigkeit sorgen im Land’ (Jer 33,15). In der Nacht von Bethlehem ist der Sohn Gottes Mensch geworden. E kam in die Welt durch das Wirken des Heiligen Geistes und wurde von der Jungfrai aus Nazaret, Maria, geboren. Er wird der Sorge Josefs, des Zimmermanns von Na 824 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zaret, anvertraut, dem Bräutigam der unbefleckten Jungfrau. Auf diese Weise wird mit der Ankunft des Sohnes Gottes im menschlichen Heisch zugleich das Geheimnis der Heiligen Familie von Nazaret Wirklichkeit. Gott kommt wie jeder Mensch innerhalb einer Familie in die Welt. Das wird besonders am Ende dieses Jahres beredt, das in der ganzen Kirche als Jahr der Familie begangen wird. Nur schwer vermag man zum Ausdruck zu bringen, wie sehr uns dieses Jahr bereichert hat, wie sehr es den Sinn für die Familie in der ganzen Welt vertieft hat. Wir wissen ferner, daß sich die Heiligkeit der Familie als Gemeinschaft der Liebe und des Lebens auch gegenüber einigen Bedrohungen der Familie und der grundlegenden Werte, die sie schützt und vorlegt, gezeigt hat. Nicht vergessen dürfen wir die wichtige Konferenz von Kairo, die durch die Organisation der Vereinten Nationen einberufen wurde; wir dürfen auch nicht die Gefahren vergessen, denen sich die Kirche und zumal der Apostolische Stuhl gegenüber sah, die er aufgreifen mußte, um die Gewissen aufzuwecken, was ihm in vielen Fällen auch wirksam gelungen ist. Heute wollen wir an diesem Altar für alles Gute danken, das sich auf diese Weise im Leben der einzelnen Familien sowie auch in ganzen Nationen und Staaten gezeigt hat. Für euch, liebe Brüder Kardinale, und für alle Hirten der Kirche möge dies eine weitere Bekräftigung der Tatsache sein, daß der Dienst „für das Evangelium des Lebens und der Liebe”, der Dienst an der Wahrheit, die uns Christus über die Familie gebracht hat, auch viel Mut erfordert. Dieser gehört besonders zur Überlieferung des Kardinalates in der Kirche. Er ist die Kraft der Apostel, die für die Wahrheit Christi ihr Blut hingegeben haben; er ist die Kraft auch vieler ihrer Nachfolger und Hirten der Kirche, die aus dem gleichen Grund zur Hinopferung des Lebens bereit waren und es vielfach aus tatsächlich geopfert haben. 5. Wie beredt sind vor diesem Hintergrund die Worte des Lukasevangeliums: „Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt” (Lk 21,36). Die ganze Kirche ist zu diesem Wachen aufgerufen. Und innerhalb der Kirche ist auch das Kardinalat ein besonderes Zeichen für diese Wachsamkeit. Ihr seid aufgemfen, liebe Brüder, wachsam zu sein im Warten auf das Kommen des Herrn, so wie die Hirten in der Nacht von Bethlehem gewacht haben. So sollten auch die Apostel wachen, die Christus in der Nacht vor seinem Leiden mit sich nach Getsemani nahm. Ihr seid aufgemfen, angesichts des Weihnachtsgeheimnisses zu wachen und zugleich schon im Hinblick auf das Paschamysterium, in dem die Heilssendung des Erlösers der Welt zur ihrer höchsten Erfüllung kommt. Wenn heute der Bischof von Rom euch als Hirten der Kirche zu dieser hervorragenden Würde beruft, möchte er auf diese Weise die ganze Kirche zu jener Wachsamkeit aufrafen, zu der Christus seine Apostel ermahnt hat. 5. In der Kirche entspricht die Kardinalswürde einer doppelten Überheferung. Vor allem der Überheferung der Märtyrer, also jener, die ohne zu zögern für Christus ihr 825 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Blut vergossen haben. Das kommt sogar in eurer Kleidung, dem Purpur zum Ausdruck, denn er ist ja die Farbe des Blutes. Wer den Kardinalspurpur erhält, hört den Aufruf, zur Vergießung des Blutes bereit zu sein, wenn Christus es fordern sollte. Zugleich entspricht die Kardinalswürde der Überheferung der Kirche von Rom. In ihr gab es an der Seite des Nachfolgers des Petrus weitere Bischöfe der suburbikari-schen Diözesen, Priester als Pfarrer der Ewigen Stadt, und mit ihnen verbunden gab es zugleich die Diakone. Später wurden die Kardinalsemennungen auf andere Diözesen ausgedehnt. Wenn im ersten Jahrtausend Bischöfe, Priester und Diakone der Kirche von Rom den Nachfolger des Petras gewählt haben, ging mit Beginn des zweiten Jahrtausends diese Aufgabe auf das Kardinalskollegium über, das aber ebenfalls aus drei Gruppen besteht: den Kardinal-Bischöfen, den Kardinal-Priestern und den Kardinal-Diakonen. Jedem Mitglied des Heiligen Kollegiums ist der „Titel” einer der Kirchen der Ewigen Stadt zugewiesen. In diesem Sinne verlängert Rom sich gewissermaßen in die universale Kirche hinein, und diese wieder wird in Rom präsent. Das ist ein sehr beredtes Zeichen. Historisches Verdienst des Kardinalskollegiums ist die Tatsache, daß es all die vielen Jahrhunderte hindurch die ständige Nachfolge auf dem Sitz des Petras aufrechterhalten hat, eine Beständigkeit, die füi die universale Kirche von wesentlicher Bedeutung ist. Heute blicken wir auf euch, hebe Brüder, als auf jene, denen die göttliche Vorsehung in besonderer Weise die Sorge für die Kirche in Rom, für die Nachfolge aul dem Sitz des Petras und damit für die universale Kirche anvertraut hat. Diese Sorge wird euch von nun an in besonderer Weise aufgetragen. Mit diesem Gedanken wiederhole ich erneut die Mahnung des Paulus, verbunder mit der Mahnung des ersten Adventssonntags, die zumal für das Kardinalskollegiun viel zu sagen haben: „Wacht und betet allezeit...” (Lk 21,36). „Den Herrn, der da kommen soh, kommt, laßt uns anbeten!” Grußwort an den neuen Kardinal Grillmeier und seine Angehörigen am 28. November Lieber Herr Kardinal! Liebe Schwestern und Brüder! Mit großer Freude empfange ich Sie nach Ihrer Aufnahme in das KardinalskoUe gium noch einmal zusammen mit Ihren Gästen. Besonders begrüße ich Ihre werten Familienangehörigen, Ihre Mitbrüder aus de Gesellschaft Jesu und alle, die Ihnen freundschaftlich verbunden sind. Mit Ihre Anwesenheit bekunden Sie Ihre Hochschätzung und Sympathie für den unermüd liehen Forscher und Lehrer der Theologie, der zeit seines Lebens in vorbildliche Weise im Einklang mit dem kirchlichen Lehramt gewirkt hat. 826 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr theologisches Schaffen mit der Veröffentlichung zahlreicher Fachartikel und Bücher zu dogmatischen und dogmengeschichtlichen Themen fand seine Krönung in Ihrem mehrbändigen Lebenswerk „Jesus der Christus im Glauben der Kirche”, das auch in einer Reihe von Sprachen übersetzt wurde. Ihr Ringen um das Christus Verständnis ist von der tiefen Einsicht geprägt, daß alle diesbezüglichen Lösungsversuche auf den Ergebnissen der entscheidenden ersten Jahrhunderte basieren müssen. Von daher kann auch eine Glaubenswelt geformt werden, die das Thema „Christus Jesus” zum Zentrum des Glaubens macht. Ihrem verdienstreichen Wirken wurde durch die mehrmalige Verleihung der Ehrendoktorwürde Ausdruck verliehen. Ein weiterer Höhepunkt Ihrer Tätigkeit war Ihre Berufung zur Mitarbeit in der Theologischen Kommission des II. Vatikanischen Konzils, in der Sie wesentliche Akzente zu setzen vermochten. Mit der Bitte um Gottes Beistand für weitere fruchtbare wissenschaftliche Tätigkeit erteile ich Ihnen und Ihren anwesenden Freunden von Herzen meinen Apostolischen Segen. Grußwort an den neuen Kardinal Schotte und seine Angehörigen am 28. November Sehr geehrter Herr Kardinal! Mit großer Freude begrüße ich Sie heute hier zusammen mit Ihren Familienangehörigen, Mitbrüdem und Freunden. Als Angehöriger der Kongregation vom Unbefleckten Herzen Mariens oder der Missionare von Scheut haben Sie sich seit Beginn Ihres priesterlichen Dienstes für das Wohl der genannten Kongregation und der universalen Kirche eingesetzt. Nachdem Sie ans Staatssekretariat berufen wurden, haben Sie viele Jahre hindurch wertvolle Arbeit geleistet, um schließlich die Leitung des Generalsekretariats der Bischofssynode zu übernehmen. Dank Ihrer jahrelangen Erfahrung haben Sie in dieser Aufgabe keinen geringen Bei-:rag geleistet zur weiteren Entwicklung der kirchlichen „communio” und der Kollegialität der Bischöfe auf der Linie der alten Überlieferung der Kirchen und in Übereinstimmung mit der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils. Ich bin daher sicher, daß Ihre Berufung zur Kardinalswürde für Sie Anlaß sein wird, sich mit neuem Eifer dem Dienst des Apostolischen Stuhles sowie der weiteren Enthaltung der synodalen Dimension der Kirche zu widmen. S^on Herzen rufe ich Gottes überreichen Segen herab auf Sie und alle, die hier mit Inen versammelt sind. 827 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gereift im Dienst der Kirche Graßwort an den neuen Kardinal Gilberto Agustoni mit seinen Angehörigen und Freunden am 28. November Herr Kardinal! Mit Freude empfange ich Sie, zusammen mit Ihren Verwandten und Freunden, die aus der Schweiz und von den Dienststellen der Römischen Kurie gekommen sind, um an diesen Freudentagen bei Ihnen zu sein, eingedenk der intensiven Arbeit, die Sie schon von Ihrer Priesterweihe an zuerst für die Diözese Lugano und dann für den Apostolischen Stuhl geleistet haben. Am Tag nach Ihrer Erhebung zur Würde des Kardinals möchte ich darum gern die einzelnen Etappen Ihres Weges im Diensl an der Kirche in dankbarer Hochschätzung noch einmal ins Bewußtsein rufen. Als Sie noch sehr jung waren, haben Sie, vom verstorbenen Kardinal Alfredo Otta-viani berufen, Ihre Arbeit bei der Kongregation für die Glaubenslehre begonnen. Dann erhielten Sie Ihre Bestimmung für das Gericht der Rota Romana und schließlich für die Kongregation für den Klerus. In dieser Eigenschaft haben Sie bei de) Versammlung der Bischofssynode, die die Ausbildung des Klerus behandelte, unc auch bei der Herausgabe des Katechismus der Katholischen Kirche Ihren Beitrag geleistet. Gleichzeitig haben Sie Ihre Fachkenntnis beim Erstellen der Apostolischer Konstitution Pastor bonus und des Regolamento della Curia Romana zur Verfügung gestellt. Zuletzt haben Sie den obersten Gerichtshof, die Apostolische Signa tur, als Propräfekt geleitet. Die Kirche ist Ihnen dankbar, Herr Kardinal, für die unausgesetzte verantwortungs volle und sachkundige Arbeit, die Sie bisher geleistet haben. Und auch ich bin Ihnei dankbar für die zuvorkommende Verfügbarkeit, mir der Sie in diesen Jahren den Apostolischen Stuhl gedient haben. Der Dank gilt vor allem dem priesterhchen Ei fer, der Sie bei der intensiven Arbeit ausgezeichnet hat, aber ebenso auch der Hin gäbe, die Sie auf dem schwierigen, notwendigen und nicht leichten Gebiet der Pra xis des Kirchenrechts in dem anfordenden Augenblick der Neubearbeitung seine Normen bewiesen haben. Ich spreche meine herzlichen Wünsche für Ihren Dienst an der Kirche in Ihrer neuei Verantwortung als Kardinal aus und bitte Ihre Verwandten und Freunde, Ihnen vo allem im Gebet immer nahe zu sein. Gern erteile ich Ihnen und allen Anwesende: den Apostolischen Segen. 828 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Theologie — die Wissenschaft vom Glauben Ansprache an die Internationale Theologische Kommission zum fünfundzwanzigsten Jahrestag ihrer Gründung am 2. Dezember Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Es ist für mich eine Freude, euch im Verlauf eurer jährlich stattfindenden Vollversammlung zu empfangen und mit euch den fünfundzwanzigsten Jahrestag seit der Brandung der Internationalen Theologischen Kommission zu begehen, deren Mitglieder ihr heute seid. Ich danke Kardinal Ratzinger, daß er ihre Geschichte darge-’.tellt hat. Der Gedanke, der zur Einrichtung der Kommission geführt hat, war der, in einer geständigen Weise die enge Zusammenarbeit zwischen Hirten und Theologen fort-msetzen, wie sie das II. Vatikanische Konzil gekennzeichnet hatte, das Theologen ius verschiedenen Teilen der Welt zur Mitarbeit ansprach. Ich möchte heute erneut lie große Hochachtung betonen, die ich der theologischen Forschung entgegenbrin-;e in der Überzeugung, daß ihre Mithilfe für die Ausübung des Lehramtes des Nachfolgers des Petrus unerläßlich ist. So danke ich euch zu Beginn unserer Begeg-tung lebhaft für den Beitrag, den ihr ohne Unterbrechung der Kirche und ihren Hir-en anbietet. Diese Dankbarkeit gilt ebenso der Gesamtheit eurer Kollegen, die vor :uch an den Arbeiten der Kommission beteiligt gewesen sind, n fünfundzwanzig Jahren hat die Kommission, wie erwähnt wurde, ihre Lebenskraft ;umal in der Erarbeitung von Dokumenten unter Beweis gestellt, die der theologi-chen Reflexion unserer Zeit als Bezugspunkt dienen. Durch ihre Existenz und die lewältigung ihrer Arbeiten bezeugt sie den großen Preis, der für das Betreiben von Theologie in der Kirche zu zahlen ist. Ihr kommt aus verschiedenen Bereichen und teilt unterschiedliche intellektuelle Auffassungen und jeweils andere Kulturen, so vie auch das Reich der Theologie selbst in seiner Komplexität dar. Dank eurer ofenherzigen und anspruchsvollen Diskussionen gelangt ihr - oder bemüht euch we-ligstens in jedem Falle darum - zu einem Konsens über die aufgegriffenen theologi-chen Fragen. Tatsächlich ist euer Meinungsaustausch vom aufmerksamen Hören uf die anderen und von der Überzeugung gekennzeichnet, daß der Dialog notwen-lig ist, wenn das Wissen über oft schwierige Fragen Fortschritte machen soll. Eure litzungen finden in einem Klima großer Freiheit und brüderlicher Achtung statt, wie in aufrichtiges Suchen nach der Wahrheit es fordert. . Die Internationale Theologische Kommission bildet keine Abteilung der Kongre-;ation für die Glaubenslehre. Ihre Unabhängigkeit garantiert gerade die notwendige vutonomie ihrer Reflexion. Zugleich ist die Tatsache, daß euer Präsident der Prä- 829 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fekt der Kongregation für die Glaubenslehre ist, ein Zeichen dafür, daß die Kirche euch einlädt, ihrem Lehramt eine fruchtbare Zusammenarbeit anzubieten. Dies setzt gegenseitiges Vertrauen und gegenseitige Achtung voraus. Ich bin glücklich, euch bei dieser Begegnung erneut das Vertrauen aussprechen zu können, da; ich den Theologen entgegenbringe, wie ich noch kürzlich bezeugen konnte, als icl zwei frühere Mitglieder eurer Kommission, Pater Yves Congar und Monsignon Pierre Eyt, zur Kardinalswürde erhoben habe. Andere Mitglieder sind ihnen voraus gegangen: euer Präsident, der von meinem Vorgänger Paul VI. zum Kardinal kreier wurde, sowie die Theologen Henri de Lubac und Hans Urs von Balthasar, die icl selbst ernannt habe. Die Kirche weiß ihrerseits, daß sie mit eurem Vertrauen rech nen darf, deren Grundlage die Liebe ist, die ihr ihr entgegenbringt. Tatsächlich bil det die kindliche Liebe zur Kirche das Herz der Berufung des Theologen; sie mach frei, ist aber zugleich der innere Maßstab der gründlichsten Forschungen. 3. Einer der charakteristischen Züge des modernen Denkens ist die Aufmerksamkei für erkenntnistheoretische Fragen. Die Theologen müssen ein klares Bewußtsei: von der Besonderheit ihres Faches haben, um so mehr als sie den Beitrag andere wissenschaftlicher Fächer berücksichtigen müssen. Die Theologie, als intellectus fidei, ist im Glauben verwurzelt. Ohne Glauben gibt e keine Theologie. Deswegen muß der Theologe ein Mann des Glaubens sein in de Gewißheit, daß der wahre Glaube immer derjenige ist, den die Kirche bekennt. I einer tiefgehenden Angleichung stellt er seinen Verstand dem Geheimnis des Chri stentums zur Verfügung. Daher wird er mit besonderem Recht ein Mann des Gebe tes sein. Das geistliche Leben ist ja tatsächlich eine unerläßliche Vorbedingung ft das theologische Forschen. 4. Als Mann des Glaubens hat der Theologe die Aufgabe, die Reichtümer an Licl zu erforschen, die im Geheimnis enthalten sind. Wenn wir von Geheimnis sprechei betonen wir ja nicht irgendeine Undurchschaubarkeit oder Schwierigkeit der geo: fenbarten Botschaft, sondern nur das bestehende Mißverhältnis zwischen dem ai der einen Seite, „der in unzugänglichem Lichte wohnt” (7 Tim 6,16), sich uns abf zu erkennen gibt, und den Grenzen unseres geschaffenen Geistes auf der anderei Der Glaube gewährt uns, dem anzuhängen, der Quelle des Lichtes ist. Der Theolog bemüht sich daher mit Hilfe der Vernunft, die unergründlichen von oben empfange nen Reichtümer herauszustellen. Hier ist auf eine typische Versuchung unserer Zeit hinzuweisen, die Versuchung de engen Horizontes des rationalen und wissenschaftlichen Vorgehens. Weil sich de Wissen mit dem Fortschritt in zahlreiche Einzelfächer aufgespalten hat, gelangt ma leicht, wenn man nicht Obacht gibt, dahin, eine besondere Form der Rationalit; zum Schaden der anderen zu bevorzugen. Diese Haltung, die einem bestimmten R; tionalismus zugrundeliegt, ruft Verfälschungen des Denkens hervor, die gerade fi die Theologie verderblich sind, die doch Weisheit zu sein berufen ist. Der Theoloj muß bereit sein, ohne Vorurteile oder Parteinahme auf sämtliche Möglichkeiten di 830 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vernunft in ihrer Gesamtheit zurückzugreifen, angefangen mit ihren metaphysischen Möglichkeiten. Weiß er etwa nicht, daß die menschliche Vernunft ein Abbild und ein Widerschein dessen ist, den wir als höchste Vernunft bezeichnen? Gewiß haftet dem Weg des Theologen etwas Paradoxes an. Die Wurzel seines Wissens ist das unfehlbare Licht des Glaubens; seine Reflexion aber ist den Grenzen und der Gebrechlichkeit aller menschlichen Dinge unterworfen. Sein Stolz liegt im Dienst des göttlichen Lichtes, seine Bescheidenheit im Bewußtsein der Grenzen des menschlichen Denkens. 5. Kraft der eurer Kommission zugewiesenen Aufgaben ist von euch ein doppeltes Bemühen verlangt. Ihr sollt unseren Zeitgenossen die Schönheit des Heilsgeheimnisses und seine befreiende Kraft klarlegen. Ihr seid ferner aufgefordert, mutig die neuen Fragen aufzugreifen, die sich der Kirche stellen. Ihr bietet dafür ein Beispiel mit eurer derzeitigen Tagung, wo ihr die Beziehungen des Christentums und der lichtchristlichen Religionen behandelt. Das heißt, die Neuevangelisierung, die den Aufgang des dritten Jahrtausends kennzeichnen muß, wird viel den Theologen verdanken. Testattet mir hier, nur noch einen Punkt zu betonen. Unter den Gefahren, die unsere teitgenössische Kultur bedrohen, besteht die größte in der Krise des Sinns und der Wahrheit, die moralische Entgleisungen und Verzweiflung im Gefolge hat. An euch Theologen hegt es, einer Welt, die nicht aufhört, im Verborgenen den Wunsch nach Erreichung der Wahrheit weiter zu hegen - oder um ein sehr tiefes Wort des ll. Augustinus aufzugreifen, nach Freude an der Wahrheit - eben diese Freude an ler Wahrheit, die rettet und befreit, zurückzuschenken (vgl. Joh 8,32). Durch euch möchte ich mich am Ende an alle Theologen wenden, um sie zur mutigen und zuversichtlichen Weiterführung ihrer für die Kirche und ihr Lehramt so tostbaren Arbeit zu ermutigen. ’ch rufe die heiligen Kirchenlehrer des Ostens und Westens an und erteile euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Grundlagen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Kirche und Staat Ansprache beim offiziellen Besuch Seiner Exzellenz Algirdas Brazauskas, Präsident 'on Litauen, am 2. Dezember lerr Präsident! . Ich heiße Sie herzlich willkommen und richte diesen Willkommensgruß zugleich in Ihre Gattin und alle Mitglieder Ihres Gefolges. Ich freue mich, daß ich Ihnen er-leut begegnen darf bei Gelegenheit des heutigen offiziellen Besuches beim 11. Stuhl. Vor meinem Geist tauchen wieder die unvergeßlichen Tage in Litauen 831 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf, die ich dort bei der historischen Reise im September des vergangenen Jahres ir die drei baltischen Republiken verbringen durfte. Ich habe erfahren, daß an meiner Besuch der neue Name eines Platzes bei der Apostolischen Nuntiatur erinnern soll. Ich bin dankbar für diese freundliche Geste wie auch für die ausgesprochen höflicht Gastfreundschaft, die mir das Volk von Litauen und seine Verantwortlichen in der vier Tagen des Aufenthaltes in der Hauptstadt Vilnius und weiteren wichtigen Zen tren des Landes gewährt haben. Unter den bezeichnenden Augenblicken diese apostolischen Reise möchte ich hier den eindrucksvollen Besuch auf dem „Hüge der Kreuze” in Siaulai am 7. September erwähnen. Ich erinnere mich an diesi Stunde mit tiefer Ergriffenheit in dem Wissen, daß Sie, Herr Präsident, kürzlicl ebenfalls dieser wahren „Gedenkstätte” der Leiden zahlreicher Bürger Litauens dii Ehre haben erweisen wollen. Diese vom Volk errichteten Kreuze bleiben ein Zeug nis für die schreckliche Prüfung unter einem totalitären Regime; sie sind zugleic] das Zeichen für die Geistesgröße der Menschen, die es verstanden haben, in ihrei eigenen kulturellen und geistigen Überlieferungen den notwendigen Mut zu finden weiter auf eine bessere Zukunft zu hoffen. Vom Bewußtsein dieser harten Vergangenheit muß die Planung der Zukunft fü ganz Litauen ausgehen, das in diesen Jahren Aufgaben und Herausforderungen vo: großer Bedeutung vor sich hat. Es wird in einem Klima der Freiheit, des Dialog und des Fortschritts wachsen können, wenn es versteht, auf seine natürliche Beru fung als Bindeglied zwischen den europäischen Ländern zu antworten, die sich au dem Weg einer immer tiefer reichenden Verständigung befinden, welche die einze] nen nationalen Identitäten achtet. 2. Die edle litauische Nation lebt heute in einer Zeit der Freiheit und Hoffnung. Ic danke dafür der göttlichen Vorsehung, spreche aber zugleich meine besondere Be friedigung darüber aus, daß nach der Rückgabe der konstitutionellen Freiheiten di Religionsfreiheit angemessen anerkannt wurde; dies hat nicht nur große Bedeutun für die Kultur, es ist zugleich eine sichere Garantie echten Fortschritts für die Ge Seilschaft. Im neuen demokratischen Klima kann die Kirche nämlich ihre apostol sehe und katechetische Tätigkeit innerhalb ihrer eigenen pastoralen Strukturen un auch innerhalb der staatlichen Schulen entfalten, wo die Mehrheit der Studenten di Kurse für religiöse Ausbildung belegt. Das ermöglicht ihr einen unersetzliche Dienst für die staatliche Gemeinschaft: Wenn sie nämlich die jungen Menschen zr Entdeckung des Glaubenserbes, wie es sich im Verlauf der Jahrhunderte in Litaue entfaltet hat, hinführt, hilft sie ihnen zugleich bei der Aneignung jener Werte, welch die wahre Seele der Nation bilden. Auf diese Weise weiß die Kirche, daß sie mit ihrer Präsenz und ihrem Wirken zui wahren Wohl des Landes beitragen kann, denn nur in der Rückkehr zu den eigene kulturellen Wurzeln und im Rückgriff auf die Werte der eigenen Überlieferung kan die Nation ihre Identität finden und sich mit einem eigenständigen Beitrag in de Dialog mit den anderen Ländern einfügen. Die Kirche möchte ferner die Verkünd 832 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gung der Wahrheit des Evangeliums durch das Zeugnis der Liebe bereichern, dies auch dank Werken der Förderung des Menschen, bei denen sie von der tatkräftigen Solidarität der kirchlichen Gemeinschaften anderer europäischer Nationen Gebrauch macht. 3. Der mit dem Fall des totalitären kommunistischen Regimes zurückgekehrte Frühling hat in den Herzen vieler zahlreiche Erwartungen und Hoffnungen geweckt. Die Gefahr, der nun die einzelnen Menschen und die gesamte Gesellschaft ausgesetzt sind, besteht darin, falschen Idealen und trügerischen Aussichten materiellen Wohlstands nachzulaufen und dabei den Einsatz für anspruchsvollere, geistige Ziele beiseite zu lassen. In diesem Fall ginge eine providentielle und historische Gelegenheit verloren, und der Aufbau einer Zukunft auf den soliden Grundlagen der Achtung vor lern Menschen und der aufrichtigen Suche nach freiem und solidarischem Fortschritt wäre ernsthaft aufs Spiel gesetzt. Man muß eine grundlegende soziale Gerechtigkeit im Land sicherstellen, die zugleich den Schutz der schwächsten Gruppen ier Bevölkerung - auch dank eines offenen Dialogs aller Litauer - garantiert. Die catholische Kirche ist bereit, in diesem Sinn zu wirken. Wie ich in meiner Anspra-;he in Vilnius beim Abschied von Litauen in Erinnerung gerufen habe, „bildet die loziallehre der Kirche, wenn sie besonders in ihren Aussagen zu den Menschen-echten, zur Entwicklung und zur Förderung der Solidarität immer besser bekannt vird, ein kostbares Werkzeug der Erneuerung und einen geeigneten Beitrag für den kufbau einer wirklich freien und solidarischen Gesellschaft” (vgl. U Osservatore Romano, Tagesausgabe vom 9. September 1993, S. 5). 1. Um zu den Beziehungen zwischen Staat und Kirche zurückkehren: Es scheint die Jtunde gekommen, daß sie, wenn nötig, durch offizielle Vereinbarungen geregelt verden. Damit würde die Herbeiführung einer ausgewogenen Lösung der Fragen rleichtert, die auf diesem Gebiet weiter offen bleiben. Jnter den Problemen, die sich bei der normalen Wiederherstellung des religiösen xbens stellen, sei es, was die katholische Kirche, sei es, was die übrigen traditio-tell in Litauen vertretenen Konfessionen angeht, befindet sich gewiß das der Rück-;abe der für den Gottesdienst bestimmten Gebäude. Us Land großer religiösen Traditionen hat das freie Litauen in den verschiedenen itrukturen der religiösen Konfessionen stets Werkzeuge im Dienst des geistigen und nateriellen Fortschritts des Landes gesehen. Selbst unter Berücksichtigung der ver-chiedenen und zuweilen komplexen, mit der Wiederherstellung der früheren Situa-ion verbundenen menschlichen Probleme ist daher zu wünschen, daß die Mittel für lie pastorale Arbeit, über die die kirchlichen Institutionen einst verfügten, ihrem ur-prünglichen, religiösen Zweck wieder zugeführt werden. Auf diese Weise würde, ras die katholische Kirche angeht, das erzieherische, karitative und soziale Proramm der Bischofskonferenz wie auch der einzelnen Bischöfe erleichtert. Der sich araus für das Land ergebende Vorteü braucht nicht eigens betont zu werden. 833 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Die Kirche weiß wohl, daß der direkte politische Einsatz nicht zu ihrer Sendung gehört. Zugleich ist sie sich aber auch bewußt, daß sie eine Teilnahme am Leben des Landes, die sich im Mitwirken an dessen Wiederaufbau, besonders durch spezifisch kirchliche Aktionen und den besonderen institutioneilen Beitrag der Kirche, äußert, nicht ablehnen kann. Herr Präsident, während ich mich über das Klima gegenseitigen Vertrauens und dei offenen Zusammenarbeit freue, das in Ihrem Land die Beziehungen zwischen Staai und Kirche auszeichnet, möchte ich herzliche Wünsche für eine friedliche Zukunf und echten Wohlstand für Litauen aussprechen und mir dazu die Festigung des demokratischen Prozesses sowie der Achtung vor den Menschenrechten - auch für die nationalen Minderheiten - und den integralen, materiellen und geistigen Fortschrit des ganzen Gemeinwesens wünschen. Ihnen und allen Mitgliedern ihres Gefolges spreche ich erneut meinen herzlicher Dank für die heutige Begegnung aus und mfe auf die geliebte litauische Nation der Schutz des Herrn und der himmlischen Mutter Gottes, der Mutter der Barmherzig keit, herab, die insbesondere im Heiligtum „Pforte der Morgenröte” in Vilnius ver ehrt wird, wo ich im Verlauf meiner Pilgerfahrt am 4. September 1993 betend ver weilen durfte. Möge Gott auf die Fürbitte der heiligsten Jungfrau den Weg des li tauischen Volkes in eine Zukunft echten Fortschritts und wahren Friedens unterstüt zen. Landwirtschaft fördert gesundes Leben der Gesellschaft Ansprache an die Mitglieder des italienischen Landwirteverbandes am 3. Dezember Liebe Landwirte! 1. Es ist mir eine ganz besondere Freude, euch zu dieser Sonderaudienz zu empfan gen. Zunächst möchte ich euren Präsidenten, Senator Paolo Micolini, begrüßen um ihm für seine freundlichen Worte danken, die er im Namen der gesamten Vereini gung an mich gerichtet hat. Ferner gilt mein Gruß eurem kirchlichen Beirat, Msg] Biagio Notarangelo, der sich aktiv für die geistliche Betreuung des Verbandes um eurer Familien einsetzt. Das fünfzigjährige Gründungsjubiläum des italienischen Landwirteverbande (Confederazione Nazionale dei Coltivatori Diretti), dessen Feierlichkeiten seit kur zem begonnen haben, bietet euch Gelegenheit, die ideellen und konkreten Motive z bekräftigen, die eurer Tätigkeit zugrunde liegen. Diese Motive sind geschichtlic eng mit der Soziallehre der Kirche verflochten. Die menschlichen und geistliche Werte, die ihr in all diesen Jahren verfochten habt, sind heute noch gültig in eine schnell sich entwickelnden Welt, in der viele den Wunsch und die Sehnsucht nac einem gesünderen und ausgewogeneren Verhältnis zur Umwelt, insbesondere zur Boden, verspüren. 834 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Die Kirche hat eurer Tätigkeit immer große Aufmerksamkeit geschenkt, und auch eure Mühe, „die der Gesellschaft die für den täglichen Lebensunterhalt erforderlichen Güter bietet” (Laborem exercens, Nr. 21), wurde stets anerkannt. In den vergangenen fünfzig Jahren haben zweifellos tiefgreifende Veränderungen technischer, organisatorischer und wirtschaftlicher Art in der Welt der Landwirtschaft stattgefunden. Dennoch behält euer Beruf auch im heutigen Kontext eine besondere Bedeutung. Die harte Mühe eurer vom Wechsel der Jahreszeiten bestimmten Arbeit, die Unbeständigkeit der Witterungseinflüsse, die eure Anstrengungen in wenigen Augenblicken zunichte machen können, die immer größere Perfektionierung und die daraus folgende Konkurrenz von Nahrungsmittel-Massenproduktionstechniken sowie das nicht angemessene soziale Ansehen des Landarbeiters sind einige der Probleme, mit denen ihr täglich konfrontiert werdet. Und doch hat eure Tätigkeit den Vorteil, in direktem Kontakt mit den Wundem der Schöpfung stattzufinden nach den Rhythmen, die Gott selbst ihr gegeben hat. Das ist für den Menschen von heute eine Einladung zu stärkerem Vertrauen auf die Vorsehung Gottes. 3. Eure Vereinigung ist bekanntlich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auf Initia-ive einiger Verantwortlicher der Katholischen Aktion mit dem Ziel gegründet worden, der Welt der Landwirtschaft eine Struktur zu bieten, die die Würde und die Rechte der in ihr Beschäftigten verteidigt und fördert. Es war ein Ereignis von besonderer Bedeutung, denn es gab den Landwirten die Möglichkeit, den Wert einer Verbandes-Solidarität zu erfahren, die die freie Planung des einzelnen Landwirtes licht im geringsten beeinträchtigt, sondern ihm vielmehr hilft, den Ertrag seiner vltihc zu schützen und die technische Entwicklung zu nutzen. Damit konnte allerdings das Auftauchen neuer Schwierigkeiten für euren Berufs-itand nicht verhindert werden. Alle haben wir die Landflucht der jungen Generatio-len vor Augen, die Entvölkerung schwer bebaubarer Gebiete mit der daraus folgen-len Verödung des Bodens, das Verblassen von Bindungen und Werten, die einst 3ut der ländlichen Familie waren und heute noch Gültigkeit und Bedeutung im So-;ialgefiige haben. Der Industrialisierungsprozeß, der dem heutigen Menschen zweifellos Vorteile »rächte, hat jedoch das Interesse des Staates und anderer sozialer und wirtschaftli-her Strukturen im Übermaß in Anspruch genommen; das System des Bankkredits tat eine vermehrte Aufmerksamkeit gegenüber der Industrieproduktion und dem Dienstleistungssektor begünstigt und so die Verwirklichung von neuen Ideen oder ;uten Projekten, die aus eurer Erfahrung und Intuition hervorgehen, als zweitrangig nsehen lassen. Auch die Welt der Kultur, die von eurem Unternehmertum und So-idaritätsgeist vieles zu lernen hätte, scheint dem, was ihr mit euren Tätigkeiten zum Ausdruck bringen wollt, nicht genügend Aufmerksamkeit zu schenken und verfallt ft einer stereotypen Nostalgie der guten alten Zeit. 835 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Der menschliche und geistliche Reichtum, dessen Träger ihr seid, meine Lieben muß durch eine größere Aufmerksamkeit von seiten aller dem Kreislauf der heutiger Kultur wieder zugeführt werden: eine Aufmerksamkeit, die sich in gesetzgeberischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Maßnahmen niederschlägt. Bei die ser Aufgabe steht die Kirche an eurer Seite, denn sie ist sich bewußt, daß Solidari tät, respektvoller Kontakt mit der Schöpfung, individuelles Genie, Arbeitsamkeit Geduld und ein genügsames Leben keine der Vergangenheit angehörende Realitätei sind, sondern heute noch ihre Gültigkeit und unerläßliche Funktion für ein geordne tes und gesundes Leben der Gesellschaft besitzen. Als „Hüter des in der Erde verborgenen Lebens” tragt ihr auf eure Weise zun Schöpfungswerk Gottes bei, „der Samen gibt für die Aussaat und Brot zur Nahrung' (2 Kor 9,10) und der seine Hand öffnet und alles sättigt, was lebt, und jedem Speis< gibt zur rechten Zeit (vgl. Ps 145,15-16). Im Jahr der Familie möchte ich die wichtige Rolle unterstreichen, die jedem Famili enmitglied bei der Ausübung eurer Arbeit zufällt. 5. Meine Lieben, in der Hoffnung, daß der tägliche Einsatz eurer Familien in de heutigen Gesellschaft größere Beachtung finde, wünsche ich euch, daß die eurer Lebensstil zugrunde hegenden Werte zu mehr Menschlichkeit und Respekt in eine solidarischen Beziehung unter Personen, Familien und Gesellschaften beitragen un daß der direkte Kontakt mit der Schönheit und Freigiebigkeit der Schöpfung Ge fühle der Dankbarkeit Gott gegenüber weckt, der sie gegeben hat zum Wohl de Menschen. Diese Wünsche vertraue ich der Mutter der göttlichen Vorsehung an, damit sie euc in euren Mühen beistehe und eure Familien beschütze. Sie, Morgenröte, die Chr stus, die Sonne der Gerechtigkeit, ankündigt, möge euch in jedem Augenblick be gleiten. Mit diesen Gefühlen erteile ich euch und euren Lieben gerne den Apostolische Segen. Gebetsapostolat und Neuevangelisierung Brief an Pater Peter-Hans Kolvenbach, Generalleiter des Gebetsapostolats, zu dessen 150. Gründungstag, vom 3. Dezember An Pater Peter-Hans Kolvenbach, Generaloberer der Gesellschaft Jesu 1. Zum 150. Gründungstag des Gebetsapostolats möchte ich Ihnen als dessen Gen ralleiter und durch Sie allen Anhängern meine dankbare Anerkennung für das vie Gute zum Ausdruck bringen, das die Vereinigung in der Kirche vollbracht hat ur weiterhin vollbringt. Der freudige Anlaß bewegt mich auch, eine herzliche Ermui gung auszusprechen, man wolle eine Aufgabe, die sich für das geistliche Leben d 836 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gläubigen und der Gemeinschaften als außerordentlich wertvoll erwiesen hat, beharrlich weiterführen. 2. Die Anfänge dieser providentiellen Vereinigung gehen, wie man weiß, auf den 3. Dezember 1844, Fest des hl. Franz Xaver, zurück, als in einem Studienhaus der Gesellschaft Jesu in Vals, in Frankreich, P. Franz Xaver Gautrelet die Studenten zu dem Entschluß brachte, durch die Darbringung ihrer Werke, Gebete und Opfer mit den in den verschiedenen Gebieten des Apostolats tätigen Mitbrüdem geistlich zusammenzuarbeiten. So entstand mit der Genehmigung des Bischofs von Le Puy das „Gebetsapostolat”. Die Vereinigung breitete sich rasch aus und zählte bereits vor der Jahrhundertwende mehr als 13 Millionen eingeschriebene Mitglieder in aher Welt. 3. Das Gebetsapostolat war den Päpsten stets sehr wertvoll. Pius IX. genehmigte die ersten Statuten, wobei er den Mitgliedern empfahl, ihre Gebete und ihre Arbeit täglich für die Kirche und den Papst aufzuopfem. Später ließen auch die anderen Päpste der Vereinigung Zeichen besonderer Aufmerksamkeit zuteil werden, indem sie deren äußerst wirksamen Beitrag für die verschiedenen apostolischen Tätigkeiten betonten. Am 27. März 1968 bestätigte Papst Paul VI. die Überarbeitung der Statuten gemäß der Lehre und dem Geist des II. Vatikanischen Konzils, und ich selbst habe in meiner Ansprache vom 13. April 1985 an den Kongreß der Nationalsekretäre des Gebetsapostolats die tröstliche Wahrheit in Erinnerung gebracht, wonach die Christen, wenn sie ihr Leben und ihre tägliche Arbeit dem Herzen Christi darbringen, aktiv am Geheimnis der Erlösung mitarbeiten. Jedes Jahr übergebe ich Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Generalleiter des Gebetsapostolats gerne persönlich die monatlichen Gebetsmeinungen, die ich für das folgende Jahr gewählt habe. 4. An der Schwelle des dritten Jahrtausends, in einer in vielen Bereichen praktisch wieder heidnisch gewordenen Welt, erscheint es heute dringender denn je, daß die Anhänger der Vereinigung die Unterstützung der Neuevangelisierung als ein besonderes Anliegen verspüren. Christus ist gekommen, den Armen die gute Nachricht zu verkündigen. Das Gebetsapostolat hat sich stets als eine Form von Volksfrömmigkeit für alle Menschen gesehen; in dieser Hinsicht hat es in diesen 150 Jahren einen wichtigen Dienst geleistet, indem es in den Gläubigen das Bewußtsein des Wertes ihres Lebens für den Aufbau des Gottesreiches neu geweckt hat. Welch bedeutungsvolleren Beitrag könnte das Gebetsapostolat in einer entchristlichten Welt wie der heutigen leisten als seinen begeisterten Einsatz für die Neuevangelisierung? Es ist nötig, die Augen der Kleinen wieder für die befreiende Botschaft der Offenbarung zu öffnen. 5. Insbesondere sollen die Anhänger der Vereinigung das Anliegen verspüren, vor allem diejenigen, welche es nicht mehr gewohnt sind, mit Hilfe des Wortes Gottes beten zu lehren. Christus ist das lebendige Wort, das dem Geist und dem Herzen 837 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN persönlich die Wahrheit und das Leben bringt. Durch die Meditation der Heiligen Schrift wird der Gläubige dazu bewegt, den Willen Gottes mit Freude anzunehmen und mit Hilfe der Gnade, die der Eucharistie entspringt, ins tägliche Leben zu übertragen. Je mehr man lernt, sein Gebet am Wort Gottes zu inspirieren, um so tiefer wird man von den Gefühlen des Herzens Christi erfüllt. In dieser Hinsicht erweist sich die Teilnahme am liturgischen Leben als außerordentlich wirksam. Es wird Aufgabe des Gebetsapostolats sein, sie zu fördern, im Bewußtsein der wesentlichen Bedeutung, die dies für den Erfolg der Neuevangelisierung hat. Auch wird die Neuevangelisierung in dem Maße wirksam sein, als sie dazu beiträgt, die kirchliche Gemeinschaft in der Gnade, die aus dem Herzen Christi fließt, zu festigen. Das Gebetsapostolat hat in den eineinhalb Jahrhunderten seines Bestehens unter hunderten Millionen von Gläubigen eine tiefe Gebetsgemeinschaft aufgebaut. Weniger darf man für die Zukunft nicht erhoffen. Die Vereinigung soll auch weiterhin die größtmögliche Zahl von Menschen dazu bringen, gemeinsam nach den Meinungen der Kirche zu beten: zum Vater, im Namen des Sohnes und mit der Gnade des Heiligen Geistes. Diese große Gebetsgemeinschaft wird wirksam zum Aufbau der Weltkirche wie auch der Ortskirchen beitragen. Während ich deshalb dazu auffordere, im Gebet für die dringenden Anliegen der ganzen Kirche zu verharren, möchte ich die Gläubigen einladen, mit ihren Hirten ebenfalls für die Anhegen der Ortskirchen und auch für die einzelnen Gemeinden zu beten. 6. Schließlich danke ich allen, die darum bemüht sind, die Spiritualität des Gebetsapostolats zu nähren - angefangen bei Ihnen, hochwürdiger Pater, doch dann denke ich an die Nationalsekretäre und Diözesanleiter, an die Pfarrer und ihre Mitarbeiter, an die Lehrer und Katecheten -, und erteile allen meinen liebevollen Segen als Unterpfand der Gnaden, die dem Herzen Christi, voll der Liebe und des Erbarmens, entspringen. Aus dem Vatikan am 3. Dezember 1994 Joannes Paulus PP. II Glaube an Christus - Herz der eigenen Kultur Brief an Kardinal Puljic, Erzbischof von Vrhbosna, zur 750-Jahr-Feier der Kathedrale von Sarajevo vom 8. Dezember Die Feier des 750. Jahrestages der alten Kathedrale zum hl. Petrus in Vrhbosna, heute Sarajevo, bietet mir Gelegenheit, mich erneut an die werte katholische Ge- 838 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meinde dieser Erzdiözese zu wenden, die in meinen Gedanken ständig gegenwärtig und meinem Herzen nahe ist. Besonders herzlich grüße ich Sie, ehrwürdiger und lieber Bruder Vinko Puljic, den eifrigen und hochherzigen Hirten, der bei dieser Gelegenheit zum erstenmal den Friedensgruß seiner Gläubigen als Kardinal entgegennimmt. Ich grüße den Weihbischof, Msgr. Pero Sudar, die Priester, die männlichen und weiblichen Ordensleute und das Volk Gottes, das in Bosnien und Herzegowina lebt. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” (Gal 1,3). Ein besonderer Gruß gilt ferner den orthodoxen, jüdischen und muslimischen Mitbürgern, die sich an diesen Feiern beteiligen. Das Jahr 1244, in dem die Kathedrale von Vrhbosna gegründet wurde, ist für die Evangelisierung von Bosnien und Herzegowina ein bezeichnender Abschnitt. Das erste Gebäude, von dem nur der Altar erhalten ist, lebt in der Kathedrale zum Heiligsten Herzen wieder auf als Zeichen der Kirche Gottes, die auf Erden pilgernd unterwegs ist. Doch das Andenken an die ursprüngliche Kathedrale bietet als konkretes Zeugnis des Glaubens der Väter für die Katholiken von heute eine großartige Gelegenheit, ihre eigene Identität zu bekräftigen und mit Hoffnung in die Zukunft zu schauen. Vor allem der Altar, der im Verlauf oft tragischer Ereignisse unversehrt blieb, ist als Zentrum der Kathedrale von Vrhbosna eine Art Mahnung: Er erinnert daran, daß man zum Aufbau einer Zukunft in Frieden, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit das Herz der eigenen Kultur, nämlich den Glauben an Christus, unversehrt bewahren muß. „Ihr seid Gottes Bau” (7 Kor 3,9). Diese Worte des Apostels Paulus unterstreichen treffend den Sinn des heutigen glücklichen Jahrestages. In dem aus Steinen erbauten Tempel haben eure Väter im Glauben ein greifbares Zeichen für die lebendige Kirche als geistliches Gebäude gesehen, dessen Eckstein Christus selbst ist und das von den Aposteln erbaut wurde. Wie uns das II. Vatikanische Konzil in Erinnerung ruft, werden wir „schon auf Erden als lebendige Steine in diesen Bau eingefügt” (Lumen Gentium, Nr. 6). In der Liturgie wendet sich die lebendige Kirche an den Herrn mit den Worten: „Du hast uns die Freude geschenkt, dir mitten unter unseren Häusern eine Wohnung zu errichten, wo du deine Familie, die auf Erden pilgernd unterwegs ist, mit Gunst überschüttest und uns das Zeichen und Werkzeug unserer Gemeinschaft mit dir schenkst. An diesem heiligen Ort erbaust du uns als lebendigen Tempel, führst du uns zusammen und läßt deine in der Welt zerstreute Kirche als Leib des Herrn wachsen, bis sie ihre Fülle erreicht in der Schau des Friedens der himmlischen Stadt, des heiligen Jerusalem” (Präfation der Kirchweihe). Zusammengerufen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes empfängt das Volk Gottes hier das Geschenk des Heiles in den Sakramenten des Glaubens. Durch das Hören des Wortes sowie das „Brechen des Brotes” öffnet es sich 839 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für das Wirken der Liebe Gottes und die Solidarität gegenüber den ärmeren Mitmenschen. Die Gründung der alten Kathedrale von Vrhbosna erinnert auch an den langen Weg des Volkes Gottes in Bosnien und Herzegowina und bezeugt den im Verlauf der Geschichte, selbst in Zeiten der Demütigungen und Verfolgungen, unversehrt bewahrten Glauben. „Fürchte dich nicht, Zion! Laß die Hände nicht sinken! Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt”, verkündet das Wort des Herrn durch den Mund des Propheten Zefanja (3,16-17). Ehrwürdiger und lieber Bruder im Bischofsamt, die jetzigen Feiern bereits an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends mögen für eure Kirche eine Gelegenheit zu erneuter und hochherziger Glaubensantwort auf den Ruf des Herrn sein: Sie sei weiter ein Zeichen der Verständigung und des Dialogs angesichts des Hasses und der Gewaltanwendung, eine Schatzkammer von Berufungen im Dienst der Neuevangelisierung, Zeuge einer mutigen Anhänglichkeit an den Geist der Seligpreisungen. Bei dieser gewiß nicht leichten Aufgabe steht ihr nicht allein: An eurer Seite ist der Nachfolger des Petrus, nahe sind euch die katholische Kirche und zahlreiche Männer und Frauen guten Willens, die Tag für Tag beten und euch mit ihrer tatkräftigen Solidarität begleiten. Ich vertraue eure Gemeinschaft von Vrhbosna, Sarajevo und die ganze Kirche in Bosnien und Herzegowina dem unbefleckten Herzen Mariens, unserer Mutter, an. Ihr empfehle ich die Wunden, die Leiden und Hoffnungen eures Volkes: Möge sie für alle und einen jeden von euch Mutter der Barmherzigkeit und Königin des Friedens sein. Als Unterpfand der treuen Liebe Gottes sowie meiner besonderen Verbundenheit erteile ich von Herzen eurer Erzdiözese, eurem Land, den Katholiken, die gegenwärtig in Sarajevo sind, den vom Haß und Krieg betroffen Familien, den Flüchtlingen und Ausgewanderten, die sehnlichst auf eine Rückkehr in ihre Ursprungsorte hoffen, den tröstenden Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria, 8. Dezember 1994 Joannes Paulus PP. II 840 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auserwählt seit Anbeginn Homilie zum Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria am 8. Dezember Gelobt sei Jesus Christus! 1. „Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus” (Eph 1,3). So lesen wir im Brief des hl. Apostels Paulus an die Epheser, den die Liturgie des heutigen Hochfestes der Unbefleckten Empfängnis uns vorlegt. „Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus... In Ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott” (Eph 1,3-4). Wir sind aufgefordert, hebe Brüder und Schwestern, die Grenze der Geschichte zu überschreiten, um uns in die Richtung dessen zu bewegen, was „vor Erschaffung der Welt” war. Damals schon hat uns Gott, „Er, der war, und ist und kommt” (Offb 4,8), in Liebe vorherbestimmt, „seine Söhne zu werden durch Jesus Christus” (.Eph 1,5). Noch ehe er sich durch das Werk der Schöpfung offenbarte, hat uns der ewige Vater in seinem ewigen Sohn schon geliebt. In Ihm hat er die ganze Schöpfung, und zumal den Menschen geliebt, der nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen wurde (vgl. Gen 1,27). Ausdruck dieser Liebe war „unsere Vorherbestimmung zur Würde von Söhnen Gottes”. Gerade davon spricht der Brief des Paulus an die Epheser. In dieser Vorherbestimmung erreichen Bild und Gleichnis Gottes im Menschen ihren Gipfel. Die Annahme als Söhne nach dem Bild Jesu Christi bildet die Erfüllung alles dessen, was von Anfang an in diesem „Bild und Gleichnis Gottes” enthalten war, nach dem der Mensch geschaffen wurde. 2. Der Apostel erklärt nämlich, was alles in dem Wort „Gnade” enthalten ist, als Geschenk, das der Vater uns in seinem Sohn von Ewigkeit her macht. Dank dieses Geschenkes existiert der Mensch „zum Lob seiner herrlichen Gnade” (Eph 1,6). Der hl. Irenäus wird dies in dem berühmten Wort aussprechen: „Denn Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch, das Leben des Menschen aber ist die Anschauung Gottes” {Adv. haer. IV, 20,7; Des hl. Irenäus fünf Bücher gegen die Häresien, Bd. 2, Bibliothek der Kirchenväter, Kempten/München 1912, S. 66). Die paulinische Erklärung des biblischen Ausdrucks „Gnade” ist unerläßlich zum rechten und angemessenen Verständnis des an das Mädchen und die Jungfrau von Nazaret bei der Verkündigung gerichteten Wortes: „Sei gegrüßt, du Gnadenvolle” {Lk 1,28). Diese „Fülle der Gnade” zeigt die Unbefleckte Empfängnis an: das Geheimnis, welches die Kirche zumal am heutigen Tage verkündet und lebt. 3. „Damit wir heilig und untadelig leben vor Gott” {Eph 1,4). Das Buch Genesis berichtet zumal in den ersten Kapiteln, daß Gott den Menschen „unbefleckt” geschaffen hat. Er lebte in der ganzen Einfachheit seines menschlichen Wesens vor Gott; Adam und Eva sprachen in vollem gegenseitigen Vertrauen mit- 841 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einander, und obwohl sie nackt waren, empfanden sie darüber keine Scham (vgl. Gen 2,25). In diese „ursprüngliche Unschuld” des von Gott geschaffenen Menschen brach freilich die „erste Sünde” ein; und wie in der ersten Lesung der heutigen Liturgie dramatisch beschrieben wird, änderte dies das Verhältnis des Menschen zu Gott vollständig, und das belastet unvermeidlich auch das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Das Buch Genesis zeigt zunächst Gott, der den Menschen sucht. „Wo bist du?” (vgl. Gen 3,9), fragt er ihn; der Mensch aber antwortet: „Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich” ( „In den Dingen, die den Glauben oder das Allgemeinwohl nicht betreffen, wünscht die Kirche nicht eine starre Einheitlichkeit der Form zur Pflicht zu machen, nicht einmal in ihrem Gottesdienst”. <103> Die Kirche, die vielfältige liturgische Formen und Riten gekannt hat und noch kennt, ist der Ansicht, daß diese Vielfalt keineswegs der Einheit Schaden zufügt, sondern sie vielmehr zur Geltung bringt. <104> <102> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 38; vgl. auch Nr. 40, 3. <103> Ebd., Nr. 37. <104> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die kathol. Ostkirchen Oiientalium Ecclesiaram, Nr. 2; Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nrn. 3.4; Katechismus der katholischen Kirche, Nrn. 1200-1206, im besonderen Nrn. 1204-1206. 2. Papst Johannes Paul II. hat in seinem Apostolischen Schreiben Vicesimus quintus annus die Bemühungen, die Liturgie in den verschiedenen Kulturen zu verwurzeln, als eine wichtige Aufgabe der liturgischen Erneuerung bezeichnet. <105> Diese bereits in <105> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Vicesimus quintus annus, 4. Dezember 1988, Nr. 16: AAS 81(1989)912. 1023 KONGREGATIONEN UND RÄTE den früheren Instruktionen und liturgischen Büchern vorgesehene Zielsetzung muß -im Lichte der Erfahrung - weiter angestrebt werden, indem man, wo es notwendig ist, Kulturwerte aufnimmt, „die mit den Erfordernissen des wahren und authentischen Geistes der Liturgie in Einklang gebracht werden können, unter Beachtung der wesentlichen Einheit des römischen Ritus, wie sie in den liturgischen Büchern festgelegt ist”. <106> <106> Ebd. a) Art dieser Instruktion 3. Im Auftrag des Papstes hat die Kongregation für den Gottesdienst und die Sa-kramentenordnung diese Instruktion vorbereitet: darin werden die in den Artikeln 37-40 der Konstitution Sacroscinctum Concilium enthaltenen Normen für die Anpassung der Liturgie an die Eigenart und die Überlieferung der verschiedenen Völker definiert; einige in diesen Artikeln allgemein formulierte Grundsätze werden genauer erläutert, die Vorschriften werden auf angemessenere Weise dargelegt, und schließlich wird die für ihre Einhaltung zu befolgende Reihenfolge klarer festgelegt, so daß diese Materie künftig einzig und allein durch diese Vorschriften in die Praxis umgesetzt wird. Während die theologischen Grundsätze, die sich auf die Fragen von Glaube und Inkulturation beziehen, noch der Vertiefung bedürfen, erschien es diesem Dikasterium empfehlenswert, den Bischöfen und den Bischofskonferenzen zu helfen, die in den liturgischen Büchern vorgesehenen Anpassungen zu beachten bzw. vorschriftsmäßig durchzuführen, die vielleicht bereits bewilligten Umgestaltungen einer kritischen Prüfung zu unterziehen und schließlich, wenn in gewissen Kulturen das pastorale Bedürfnis diese Form der Liturgieanpassung nötig macht, die die Konstitution als „tiefer greifend” bezeichnet und zugleich für „schwieriger” erklärt, ihre Anwendung und praktische Handhabung auf eine angemessenere Weise und den Vorschriften entsprechend zu gestalten. b) Vorbemerkungen 4. Die Konstitution Sacrosanctum Concilium hat von der Anpassung der Liturgie unter Hinweis auf einige ihrer Formen gesprochen. <107> Später hat das Lehramt der Kirche den Begriff „Inkulturation” verwendet, um „die Inkarnation des Evangeliums in den einheimischen Kulturen und zugleich die Eingliederung dieser Kulturen in das Leben der Kirche” <108> <109> <110> genauer zu bezeichnen. ^ Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nrn. 37-40. ^ Vgl. Johannes Paul II., Rundschreiben Slavonim Apostoli, 2. Juni 1985, Nr. 21: AAS 77(1985)802-803; Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur, 17. Januar 1987, Nr. 5: AAS 79(1987)1204-1205. 1024 KONGREGATIONEN UND RÄTE „Die Inkulturation ,bedeutet die innere Umwandlung der authentischen kulturellen Werte durch deren Einfügung ins Christentum und die Verwurzelung des Christentums in den verschiedenen Kulturen’”. <111> Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur, 17. Januar 1987, Nr. 5: Die Änderung der Ausdrucksweise versteht sich auch für den liturgischen Bereich. Das aus der Missions spräche entlehnte Wort „Anpassung” mochte an Veränderungen vor allem punktueller und äußerlicher Art denken lassen. <112> Der Ausdruck „Inkulturation” kann besser dazu dienen, eine Doppelbewegung zu bezeichnen: „Durch die Inkulturation macht die Kirche das Evangelium in den verschiedenen Kulturen lebendig und führt zugleich die Völker mit ihren Kulturen in die kirchliche Gemeinschaft ein”. <113> Einerseits befruchtet die Durchdringung eines bestimmten sozio-kulturellen Milieus mit dem Evangelium „sozusagen von innen her die geistigen Vorzüge und Anlagen eines jeden Volkes (...), festigt, vollendet und erneuert sie in Christus”. <114> Andererseits nimmt die Kirche diese Werte, insofern sie mit dem Evangelium vereinbar sind, auf, „um die Botschaft Christi zu vertiefen und sie in der liturgischen Feier und im Leben der vielgestaltigen Gemeinschaft der Gläubigen vollkommener Gestalt werden zu lassen”. <115> Dieser Doppelvorgang bei der Inkulturation bringt somit einen der Grundvollzüge des Geheimnisses der Inkarnation zum Ausdruck. <116> AAS 79(1987)1204-1205. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 52: AAS 83(1991)300. Vgl. ebd. und Bischofssynode, Schlußbericht Exeunte coetu secundo, 7. Dezember 1985, D 4. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 52: AAS 83(1991)300. <114> Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 58. Ebd. Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Catechesi tradendae, 16. Oktober 1979, Nr. 53: AAS 71(1979)1319. 5. Die so verstandene Inkulturation hat im Gottesdienst wie in den anderen Bereichen des Lebens der Kirche ihren Platz. <117> Sie stellt einen der Gesichtspunkte der Inkulturation des Evangeliums dar, die eine echte Integration <118> mehr der bleibenden Werte einer Kultur als ihrer vergänglichen Ausdrucksformen in das Glaubensleben eines jeden Volkes verlangt. Sie muß daher eng mit einem umfassenden Einsatz verbunden sein, einer abgestimmten Pastoral, die die gesamtmenschliche Situation in den Blick nimmt. <119> Vgl. Codex Canonum Ecclesiamm Orientalium, can. 584 § 2: „Evangelizatio gentium ita fiat, ut servata integritate fidei et morum Evangelium se in cultura singulorum populorum exprimere possit, in catechesi sci-licet, in ritibus propriis liturgicis, in arte sacra, in iure particulari ac demum in tota vita ecclesiali”. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Catechesi tradendae, 16. Oktober 1979, Nr. 53: AAS 71(1979)1320: „... von der Evangelisierung können wir im allgemeinen sagen, daß sie die Kraft des Evangeliums ins Herz der Kultur und der Kulturen einpflanzen soll. (...) Auf diese Weise kann sie diesen Kulturen die Erkenntnis des verborgenen Geheimnisses nahebringen und ihnen helfen, aus ihrer eigenen lebendigen Überlieferung heraus originelle Ausdrucksformen christlichen Lebens, Feierns und Denkens hervorzubringen”. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur^ 17. Januar 1987: „Ich bekräftige mit Nachdruck die Notwendigkeit, die ganze Kirche zu einer schöpferischen Anstrengung für eine erneuerte Evangelisierung der Menschen und Kulturen aufzurufen. Denn nur durch eine vereinte Anstrengung wird sich die Kirche in die Lage versetzen, die Hoffnung Christi in die Kulturen und Denkweisen unserer Zeit hineinzutragen”: AAS 79(1987)1205. 9 10 11 12 13 14 15 16 1025 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wie alle Formen der Evangelisierung erfordert dieses komplexe und Geduld heischende Vorhaben methodische und fortschreitende Anstrengungen der Forschung und Unterscheidung. <120> Die Inkulturation des christlichen Lebens und seiner liturgischen Feiern für ein ganzes Volk kann im übrigen nur die Frucht eines fortschreitenden Reifungsprozesses im Glauben sein. <121> <120> Vgl. auch Päpstliche Bibelkommission, Foi et culture ä la lumiere de la Bible, 1981; und Internationale Theologenkommission, Dokument über Glaube und Inkulturation Commissio theologica, 3.-8. Oktober 1988. ^ Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Bischöfe von Zaire, 12. April 1983, Nr. 5: „Wie sollte es einem so gereiften, tiefen und überzeugten Glauben daher nicht gelingen, sich in einer Sprache, einer Katechese, einer theologischen Reflexion, einem Gebet, einer Liturgie, einer Kunst, in Institutionen auszudrücken, die wirklich der afrikanischen Seele eurer Landsleute entsprechen? Hier befindet sich der Schlüssel des wichtigen und komplexen Problems, das ihr mir bezüglich der Liturgie unterbreitet habt, um heute nur dieses zu erwähnen. Ein zufriedenstellender Fortschritt in diesem Bereich kann nur die Frucht eines fortschreitenden Reifungsprozesses im Glauben sein, der die sprituelle Erkenntnis, die theologische Verstandesschärfe und den Sinn für die Gesamtkirche in einer weitgehenden konzertierten Aktion einbezieht”: AAS 75(1983)620. 6. Die vorliegende Instruktion hat sehr verschiedenartige Situationen im Blick. An erster Stelle stehen die Länder mit nichtchristlicher Tradition, in denen in der Neuzeit das Evangelium von Missionaren verkündet wurde, die gleichzeitig den römischen Ritus mitgebracht haben. Man sieht jetzt klarer, daß „die Kirche, wenn sie mit den Kulturen in Kontakt tritt, alles aufgreifen muß, was in den traditionellen Überlieferungen der Völker mit dem Evangelium vereinbar ist, um ihnen die Reichtümer Christi zu bringen und um selbst durch die vielgestaltige Weisheit der Nationen der Erde bereichert zu werden”. <122> <122> Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur, 17. Januar 1987, Nr. 5: AAS 79(1987)1204: „Wenn die Kirche mit den Kulturen in Kontakt tritt, muß sie alles, was in den traditionellen Überlieferungen der Völker mit dem Evangelium vereinbar ist, aufgreifen, um die Reichtümer Christi dorthin zu bringen und um selbst durch die vielgestaltige Weisheit der Nationen der Erde bereichert zu werden”. 7. Anders Hegen die Verhältnisse in den Ländern mit alter christlich-abendländischer Tradition, in denen die Kultur seit langem vom Glauben und von der Liturgie geprägt wurde, die im römischen Ritus ihren Ausdmck fand. Das hat in diesen Ländern die Annahme der Liturgiereform erleichtert, und die in den liturgischen Büchern vorgesehenen Anpassungsmaßnahmen müßten insgesamt ausreichen, um den berechtigten lokalen Unterschieden zu entsprechen (vgl. unten, Nm. 53-61). Jedoch wird man in einigen Ländern, vor allem wo auf Grund von Einwanderungen mehrere Kulturen neben- oder miteinander existieren, den daraus entstehenden besonderen Problemen Rechnung tragen müssen (vgl. unten, Nr. 49). 8. Ebenso wird man darauf achten müssen, daß sich in den Ländern mit mehr oder weniger christlicher Tradition nach und nach eine Kultur etabliert hat, die von 1026 KONGREGATIONEN UND RÄTE Gleichgültigkeit oder Desinteresse gegenüber der Religion gekennzeichnet ist. <123> Angesichts dieser Situation sollte man nicht von Inkulturation der Liturgie reden, denn es geht in diesem Fall ja weniger darum, vorhandene religiöse Werte zu übernehmen, indem man sie mit dem Evangelium erfüllt, als vielmehr darum, Nachdruck auf die liturgische Bildung <124> zu legen und die geeignetsten Mittel zu finden, um Geist und Herzen der Menschen zu erreichen. Vgl. ebd.: AAS 79(1987)1205; vgl. auch Apostol. Schreiben Vicesimus quintus annus, 4. Dezember 1988, Nr. 17: AAS 81(1989)913-914. Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nrn. 19.35,3. I. Der Inkulturationsprozeß im Verlauf der Heilsgeschichte 9. Die Probleme, die sich bei der Inkulturation des römischen Ritus gegenwärtig stellen, lassen sich anhand der Heilsgeschichte erhellen. In ihr hat es den Inkulturationsprozeß in verschiedenen Formen gegeben. Das Volk Israel hat seine ganze Geschichte hindurch an der Gewißheit festgehalten, das von Gott erwählte Volk, Zeuge seines Handelns und seiner Liebe unter den Nationen zu sein. Es hat von den Nachbarvölkern bestimmte Kultformen übernommen, aber sein Glaube an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs hat diese Entlehnungen, zunächst sinnmäßig und dann oft in der Form, tiefgreifend verändert, um das Gedächtnis der großen Taten Gottes in seiner Geschichte zu feiern, indem es diese Elemente in seine religiöse Praxis aufnahm. Die Begegnung der jüdischen Welt mit der griechischen Weisheit war Anlaß für eine neue Form der Inkulturation: Die Übersetzung der Bibel ins Griechische hat das Wort Gottes in eine ihm bis dahin verschlossene Welt eingeführt und unter göttlicher Inspiration eine Bereicherung der Heiligen Schrift mit sich gebracht. 10. Das Gesetz des Mose, die Propheten und die Psalmen (vgl. Lk 24,27.44) sollten auf das Kommen des Gottessohnes unter die Menschen vorbereiten. Das Alte Testament, das Leben und Kultur des Volkes Israel umfaßt, ist also Heilsgeschichte. Als der Sohn Gottes auf die Erde kam, geboren von einer Frau, geboren als Person des Gesetzes (vgl. Gal 4,4), hat er sich an die soziale und kulturelle Welt des Bundesvolkes, mit dem er lebte und betete, gebunden. <125> In seiner Menschwerdung nahm er also ein Volk, ein Land und eine Epoche an, hat sich aber auf Grund der gemeinsamen menschlichen Natur „gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt”. <126> Denn „wir sind alle in Christus, und die gemeinsame Natur unseres Menschseins gewinnt in ihm wieder Leben. Darum wurde er der neue Adam genannt”. <127> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 10. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. Hl. Cyrill von Alexandrien, In Ioannem, I, 14: PG 73, 162 C. II. Christus, der unser Menschsein teilen wollte (vgl. Hebr 2,14), ist für alle gestorben, um die versprengten Kinder Gottes in Einheit zu sammeln (vgl. Joh 11,52). 1027 KONGREGATIONEN UND RÄTE Durch seinen Tod wollte er die trennende Wand zwischen den Menschen niederreißen und aus Israel und den anderen Nationen ein einziges Volk machen. Durch die Macht seiner Auferstehung zieht er alle Menschen an sich und schafft in seiner Person den einen neuen Menschen (vgl. Eph 2,14-16; Joh 12,32). In ihm ist schon eine neue Welt angebrochen (vgl. 2 Kor 5,16-17), und jeder kann zu einer neuen Schöpfung werden. In ihm muß der Schatten dem Licht weichen, die Verheißung wird Wirklichkeit, und alle religiösen Sehnsüchte der Menschheit finden ihre Erfüllung. Durch die Opfergabe seines Leibes schafft Christus Jesus ein für allemal (vgl. Hebr 10,10) die volle Entfaltung des Gottesdienstes im Geist und in der Wahrheit in der Neuartigkeit, die er für seine Jünger wünschte (vgl. Joh 4,23-24). 12. „In Christus (...) ist uns geschenkt die Fülle des göttlichen Dienstes”. <128> In ihm haben wir den Hohenpriester schlechthin (vgl. Hebr 5,1-5; 10,19-21); dem Fleisch nach wurde er getötet, dem Geist nach lebendig gemacht (vgl. 1 Petr 3,18). Als Christus und Herr hat er das neue Volk „zu Königen und zu Priestern gemacht für Gott seinen Vater” (vgl. Offb 1,6; 5,9-10). <129> Aber bevor er durch sein Blut das Ostermysterium vollzog, <130> das den Wesenskem des christlichen Gottesdienstes bildet, <131> hat er die Eucharistie eingesetzt, das Gedächtnis seines Todes und seiner Auferstehung bis zu seiner Wiederkunft. Hier haben wir den Anfang der christlichen Liturgie und den Kern ihrer rituellen Form. ^ II. Vat. Konzil. Konstitution über die heilige Liturcie Scicroscmctum Concilium, Nr. 5. 96 Vgl. II. Vat. Konzil, Docmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 10. 97 Vgl. Missale Romcmum, Feria VI in Passione Domini, 5: oratio prima: „... per suum cruorem instituit pascale mysterium". Vgl. Paul VI.. Apostol. Schreiben Mysterii paschalis. 14. Februar 1969: AAS 61(1969)222-226. 13. Als er zu seinem Vater aufsteigt, versichert der auferstandene Christus seine Jünger seiner Gegenwart und sendet sie als Boten aus, das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden und alle Völker zu Jüngern zu machen, indem sie sie taufen (vgl. Mt 28,19; Mk 16,15; Apg 1,8). Am Pfingsttag läßt die Herabkunft des Heiligen Geistes die neue Gemeinschaft unter den Menschen entstehen, indem er sie alle zusammenführt, ungeachtet des Zeichens ihrer Trennung: der Sprachen (vgl. Apg 2,1-11). Von da an werden die Wunder Gottes allen Menschen aller Sprachen und aller Kulturen verkündet (vgl. Apg 10,44-48). Die durch das Blut des Lammes freigekauften und in einer geschwisterlichen Gemeinschaft vereinten Menschen (vgl. Apg 2,42) werden aus allen Stämmen und Sprachen, Völkern und Nationen berufen {Offb 5,9). 14. Der Glaube an Christus bietet allen Völkern an, Empfänger der Verheißung zu sein und am Erbe des Bundesvolkes teilzuhaben (vgl. Eph 3,6), ohne ihre eigene Kultur aufzugeben. Unter dem plötzlichen Auftreten des Heiligen Geistes hat - nach dem hl. Petrus (vgl. Apg 10) - auch der hl. Paulus der Kirche den Weg gebahnt (vgl. Gal 2,2-10), ohne das Evangelium auf die Grenzen des mosaischen Gesetzes festzu- 1028 KONGREGATIONEN UND RÄTE legen, aber unter Bewahrung dessen, was er selbst von der vom Herrn stammenden Überlieferung empfangen hatte (vgl. 1 Kor 11,23). Die Kirche hat also von Anfang an, entsprechend dem Beschluß der Apostelversammlung von Jerusalem, von den unbeschnittenen Bekehrten nichts „außer den notwendigen Dingen” verlangt (vgl. Apg 15,28). 15. Wenn die ersten christlichen Gemeinden sich am ersten Tag der Woche, dem Tag des Herrn, versammelten, um das Brot zu brechen (vgl. Apg 20,7; Offb 1,10), befolgten sie damit das Gebot Jesu, der im Rahmen des jüdischen Paschafestes das Gedächtnis seiner Passion einsetzte. In der Kontinuität der einen Heilsgeschichte haben sie von sich aus Formen und Texte des jüdischen Kultes genommen, die sie entsprechend anpaßten, um das radikal Neue des christlichen Kultes zum Ausdruck zu bringen. <132> Unter der Führung des Heiligen Geistes setzte eine Unterscheidung ein zwischen dem, was vom jüdischen kultischen Erbe bewahrt, bzw. dem, was aufgegeben werden konnte oder sollte. Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1096. 16. Die Ausbreitung des Evangeliums in der Welt hat in den aus den heidnischen Völkern hervorgegangenen Kirchen unter dem Einfluß anderer kultureller Traditionen auch zum Entstehen verschiedener ritueller Formen geführt. Bei den aus „heidnischen” Kulturen herrührenden Elementen hat man, stets unter der Führung des Heiligen Geistes, eine Unterscheidung vorgenommen zwischen dem, was mit dem Christentum unvereinbar ist, und dem, was im Einklang mit der apostolischen Überlieferung, in Treue zum Evangelium vom Heil übernommen werden konnte. 17. Die Entstehung und Entwicklung der Formen des christlichen Gottesdienstes gingen je nach den lokalen Gegebenheiten in den großen Kulturräumen, in denen sich die Frohe Botschaft ausbreitete, schrittweise vor sich. So entstanden die verschiedenen Liturgiefamilien des Abendlandes und des christlichen Orients. Ihr reicher Schatz bewahrt treu die Fülle der christlichen Tradition. <133> Die Kirche des Abendlandes schöpfte bisweilen aus diesem Schatz der Liturgiefamilien des Orients Elemente ihrer Liturgie. <134> Die Kirche Roms hat in ihre Liturgie die lebendige Sprache des Volkes, zuerst das Griechische, dann das Lateinische, aufgenommen, und sie hat, wie die anderen lateinischen Kirchen, bedeutsame Elemente des abendländischen Soziallebens in ihren Gottesdienst übernommen, wobei sie ihnen eine christliche Bedeutung gab. Im Laufe der Jahrhunderte hat der römische Ritus wiederholt seine Fähigkeit bewiesen, Texte, Gesänge, Gesten und Riten verschiedener Herkunft zu integrieren <135> und sich auf die lokalen Kulturen in Missionsländem einzu- <133> Vgl. ebd., tim. 1200-1203. <134> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über den Okumenismus Unitatis redintegratio, Nrn. 14-15. <135> Texte: vgl. die Quellen der Orationen, Präfationen und eucharistisehen Hochgebete des Römischen Meßbuches. - Gesänge: z. B. die Antiphonen vom 1. Januar, vom Fest der Taufe des Herrn, vom 8. September, die Improperien vom Karfreitag, die Hymnen der Stundenliturgie. - Gesten: z. B. die Besprengung, die Berauche- 1029 KONGREGATIONEN UND RÄTE stellen, <136> auch wenn es Zeiten gab, wo das Bemühen um liturgische Einheitlichkeit die Oberhand gewann. rung, die Kniebeuge, die gefalteten Hände. - Riten: z. B. Palmprozession, Kreuz Verehrung am Karfreitag, Bittprozessionen. Vgl. in der Vergangenheit Hl. Gregor d. Gr., Brief an Mellitus: Reg. XI, 59: CCL 140 A, 961-962; Johannes VI1L, Bulle Industriae tuae, 26. Juni S80: PL 126, 904; Hl. Kongregation der Propaganda Fide, Instruktion an die apostolischen Vikare Chinas und Indochinas (1654): Collectanea S.C. de Propaganda Fide, I, 1, Rom 1907, Nr. 135; Instruktion Plane compertum, 8. Dezember 1939: AAS 32(1940)24-26. 18. In unserer Zeit hat das II. Vatikanische Konzil daran erinnert, daß die Kirche „Anlagen, Fähigkeiten und Sitten der Völker, soweit sie gut sind, fördert und übernimmt. Bei dieser Übernahme reinigt, kräftigt und hebt es sie aber auch. (...) Ihre Mühe aber bewirkt, daß aller Same des Guten, der sich in Herz und Geist der Menschen oder in den eigenen Riten und Kulturen der Völker findet, nicht nur nicht untergehe, sondern geheilt, erhoben und vollendet werde zur Ehre Gottes, zur Beschämung des Teufels und zur Seligkeit des Menschen”. <137> Die Liturgie der Kirche darf also keinem Land, keinem Volk, keinem einzelnen Menschen fremd bleiben; zugleich geht sie über jeden rassischen und nationalen Partikularismus hinaus. Sie muß in der Lage sein, sich bei Wahrung ihrer Identität, durch treues Festhalten an der Überheferung, die vom Herrn kommt, in jeder Kultur auszudrücken. <138> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nrn. 13.17. Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae, 16. Oktober 1979, Nrn. 52-53: AAS71(1979)1320-1321; Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nrn, 53-54: AAS 83(1991)300-302; Katechismus der katholischen Kirche, Nrn. 1204-1206. 19. Die Liturgie muß - wie das Evangelium - die Kulturen achten, aber gleichzeitig fordert sie sie zur Reinigung und Heiligung auf. Wenn die Juden Christen werden, hören sie nicht auf, dem Alten Testament voll treu zu bleiben, das zu Jesus, dem Messias Israels, hinführt. Sie wissen, daß er den Bund des Mose dadurch erfüllt hat, daß er zum Mittler des Neuen und Ewigen Bundes geworden ist, der durch sein Blut am Kreuz besiegelt wurde. Sie wissen, daß er durch sein einmaliges und vollkommenes Opfer der große wahre Priester und der endgültige Tempel ist (vgl. Hebr 6-10). Darum werden Vorschriften wie die Beschneidung (vgl. Gal 5,1-6), die Einhaltung des Sabbat (vgl. Mt 12,8.Par.) <139> und die Darbringung von Opfern im Tempel (vgl. Hebr 10) relativiert. Vgl. auch Hl. Ignatius von Antiochien, Brief an die Magnesier, 9: Funk 1, 199: „Si igitur, qui in vetere rerum ordine degerunt, ad novam spem pervenerunt non amplius sabbatum colentes, sed iuxta dominicam viventes”. Auf viel radikalere Weise mußten die aus dem Heidentum stammenden Christen bei ihrer Bekehrung zu Christus die Idole, Mythologien und abergläubischen Vorstellungen aufgeben (vgl. Apg 19,18-19; 1 Kor 10,14-22; Kol 2,20-22; 1 Job 5,21). Aber die Christen müssen, welches auch immer ihre ethnische und kulturelle Herkunft sein mag, in der Geschichte Israels die Verheißung, die Prophezeiung und die Geschichte ihres Heiles erkennen. Sie erhalten die Bücher des Alten ebenso wie 1030 KONGREGATIONEN UND RÄTE jene des Neuen Testaments als das Wort Gottes. <140> Sie empfangen die sakramentalen Zeichen, die nur mit Hilfe der Heiligen Schrift und im Leben der Kirche voll und ganz verstanden werden können. <141> <140> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, Nrn. 14-16; Ordo Lectionum Missae, ed. typica altera, Praenotanda, Nr. 5; Katechismus der katholischen Kirche, Nrn. 120-123, 128-130, 1093-1095. -30 Vgl. Katechismus der katholischen Kirche,'Nrn. 1093-1096. 20. Die ersten Christen standen, je nachdem ob sie aus dem auserwählten Volk kamen oder heidnischer Herkunft waren, in einem Geist und aus gegensätzlichen Gründen vor der Herausforderung, die durch den Glauben an Christus erforderlichen Entsagungen in Einklang zu bringen mit der Treue zu der Kultur und den Traditionen des Volkes, dem sie angehörten. Und das wird für die Christen aller Zeiten gelten, wie die Worte des hl. Paulus bezeugen: „Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit” (7 Kor 1,23). Die Unterscheidung, die im Laufe der Kirchengeschichte vorgenommen wurde, bleibt eine unerläßliche Notwendigkeit, damit das von Christus vollbrachte Heilswerk durch die Macht des Geistes über Räume und Zeiten hinweg in den verschiedenen menschlichen Kulturen durch die Liturgie in der Kirche weiterlebe. II. Erfordernisse und Vorbedingungen für die Inkulturation der Liturgie a) Aus dem Wesen der Liturgie erwachsende Forderungen 21. Jedweder Bestrebung einer Inkulturation muß eine Besinnung auf das Wesen der Liturgie selbst vorausgehen. Sie ist „der bevorzugte Ort, an dem die Christen Gott und demjenigen begegnen, den er gesandt hat, Jesus Christus (vgl. Joh 17,3)”. <142> Sie ist zugleich Tun des Priesters Christus und Tun der Kirche, die sein Leib ist, denn um sein Werk der durch wahrnehmbare Zeichen geübten Verherrlichung Gottes und Heiligung der Menschen zu vollbringen, gesellt er sich immer die Kirche zu, die durch ihn und im Heiligen Geist dem Vater die ihm gebührende Verehrung darbringt. <143> <142> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus anmts, 4. Dezember 1988, Nr. 7: AAS 81(1989)903-904. <143> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nrn. 5-7. 22. Das Wesen der Liturgie ist so eng mit dem Wesen der Kirche verbunden, daß vor allem in der Liturgie das Wesen der Kirche offenbar wird. <144> Nun hat aber die Kirche spezifische Merkmale, die sie von jeder anderen Versammlung oder Gemeinschaft unterscheiden. <144> Vgl. ebd., Nr. 2; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus annus, 4. Dezember 1988, Nr. 9: AAS 81(1989)905-906. 1031 KONGREGATIONEN UND RÄTE Sie entsteht nämlich nicht durch einen menschlichen Beschluß, sondern wird von Gott im Heiligen Geist zusammengerufen und antwortet im Glauben auf seinen unverdienten Anruf (ekklesia hängt etymologisch zusammen mit klesis „Aufruf’, „Anruf’). Dieser einzigartige Wesenszug der Kirche wird offenbar durch ihre Versammlung als priesterliches Volk, vor allem am Tag des Herrn, durch das Wort, das Gott an die Seinen richtet, und durch das Dienstamt des Priesters, den das Sakrament des Ordo befähigt, stellvertretend im Namen Christi des Hauptes zu handeln. <145> Weil sie katholisch ist, überwindet die Kirche die Schranken, welche die Menschen trennen: durch die Taufe werden alle zu Kindern Gottes und bilden in Jesus Christus ein einziges Volk, wo „es nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau gibt” (Gal 3,28). Sie ist also aufgerufen, alle Menschen zu versammeln, alle Sprachen zu sprechen, alle Kulturen zu durchdringen. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, Nr. 2. Schließlich pilgert die Kirche auf Erden, fern vom Herrn (vgl. 2 Kor 5,6): Sie trägt in ihren Sakramenten und Einrichtungen die Gestalt dieser Welt, aber sie strebt nach der seligen Hoffnung und dem Offenbarwerden Christi Jesu (vgl. Tit 2,13). <146> Das wird auch durch den Inhalt ihres Bittgebetes erkennbar: während sie auf die Bedürfnisse der Menschen und der Gesellschaft eingeht (vgl. 1 Tim. 2,1-4), bringt sie zum Ausdruck, daß wir unsere Heimat im Himmel haben (vgl. Phil 3,20). <146> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 48; Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nrn. 2 und 8. 23. Die Kirche nährt sich vom Wort Gottes, das im Alten und Neuen Testament schriftlich niedergelegt ist, und nimmt es auch bei seiner Verkündigung in der Liturgie als ein Gegenwärtigsein Christi: „Er selbst spricht, wenn die heiligen Schriften in der Kirche gelesen werden”. <147> Dem Wort Gottes kommt daher in der Feier der Liturgie so große Bedeutung zu, <148> daß die Heilige Schrift durch keinen anderen, noch so ehrwürdigen Text ersetzt werden kann. <149> Die Bibel liefert der Liturgie auch wesentliche Elemente ihrer Sprache, ihrer Zeichen und ihrer Gebete, vor allem in den Psalmen. <150> <147> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 7. <148> Vgl. ebd., Nr. 24. <149> Vgl. Ordo Lectionum Missae, 1981, Praenotanda, Nr. 12. <150> Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nrn. 2585-2589. 24. Wie die Kirche die Frucht des Opfers Christi ist, so ist die Liturgie immer die Feier des Pascha-Mysteriums Christi, Verherrlichung Gottes des Vaters und Heiligung des Menschen durch die Kraft des Heiligen Geistes. <151> Der christliche Gottesdienst findet also seinen wesentlichsten Ausdruck, wenn sich jeden Sonntag auf der ganzen Welt die Christen unter dem Vorsitz des Priesters zur Eucharistiefeier um den Altar versammeln: gemeinsam hören sie das Wort Gottes und begehen das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Christi in Erwartung seiner Wiederkunft <151> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 7. 1032 KONGREGATIONEN UND RATE in Herrlichkeit. <152> Um diesen zentralen Kern verwirklicht sich - mit ganz bestimmten spezifischen Ausformungen - das Ostergeheimnis durch die Feier aller Sakramente des Glaubens hindurch. Vgl. ebd., Nr. 6, 47, 56, 102, 106; Missale Romanum, Institutio generalis, Nrn. 1, 7, 8. 25. Das gesamte liturgische Leben kreist daher zunächst um das eucharistische Opfer und dann um die anderen, von Christus seiner Kirche anvertrauten Sakramente. <153> Sie getreulich und fürsorglich an alle Generationen weiterzugeben, ist die Kirche verpflichtet. Sie kann auf Grund ihrer pastoralen Autorität anordnen, was je nach Umständen, Zeit und Ort dem Wohl der Gläubigen nützlich sein mag. <154> Aber sie hat keine Vollmacht über das, was dem Willen Christi untersteht und den unveränderlichen Teil der Liturgie bildet. <155> Die Verbindung zu zerreißen, die die Sakramente mit Christus, der sie eingesetzt hat, und mit den Gründungsvorgängen der Kirche haben, <156> hätte nichts mehr mit ihrer Inkulturation zu tun, sondern würde sie ihres wesentlichen Inhaltes entleeren. Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilinm, Nr. 6. Vgl. Konzil von Trient, Sessio 21, cap. 2: DS 1728; vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilinm, Nrn. 48 ff.; 62 ff. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 21. Vgl. Hl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Inter insigniores, 15. Oktober 1976: AAS 69(1977)107-108. 26. Die Kirche Christi wird von den Orts- oder Teilkirchen, die sie in der Liturgie in ihrer wahren Wesensart zum Ausdruck bringen, an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit gegenwärtig gemacht. <157> Darum muß jede Teilkirche nicht nur hinsichtlich der Glaubenslehre und der sakramentalen Zeichen, sondern auch hinsichtlich der allgemein üblichen Anwendungsformen der ununterbrochenen apostolischen Überheferung mit der Universalkirche übereinstimmen. <158> Das gilt für das tägliche Gebet, <159> für die Heiligung des Sonntags und für den Wochenzyklus, für das Osterfest und für die Entfaltung des Mysteriums Christi im Kreislauf des liturgischen Jahres, <160> für die Buß- und Fastenpraxis, <161> für die Sakramente der christlichen Initiation, für die Feier des Herrengedächtnisses und für den Zusammenhang zwischen Wortgottesdienst und Eucharistiefeier, für die Sündenvergebung, für das Sakrament der Weihe, für die Feier der Trauung und die Krankensalbung. Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nrn. 28.26. Vgl. Hl. Irenaus, Adversus haereses, III, 2: 211, 24-31; Hl. Augustinus: „lila autem quae non scripta, sed tradita custodimus, quae quidem toto terrarum orbe servantur, datur intellegi vel ab ipsis Apostolis, vel plena-riis conciliis, quorum est in Ecclesia saluberrima auctoritas, commendata atque statuta retineri” (Epistula ad lanuarium, 54,1: PL 33, 200); Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nrn. 53-54: AAS 83(1991)300-302; Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Communio Communionis notio, 28. Mai 1992, Nrn. 7-10: AAS 85(1993)842-844. Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 83. Vgl. ebd., Nrn. 102.106 und Anhang. Vgl. Paul VI., Apostol. Konstitution Paenitemini, 11. Februar 1966: AAS 58(1966)177-198. 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 1033 KONGREGATIONEN UND RÄTE 27. In der Liturgie bringt die Kirche ihren Glauben in einer symbolischen und gemeinschaftlichen Form zum Ausdruck. Das erklärt die Forderung nach Ordnungsbefugnis hinsichtlich der Gestaltung des Gottesdienstes, der Abfassung der Texte und der Durchführung der Riten. <162> Das rechtfertigt auch den bindenden Charakter dieser Gesetzgebung im Laufe der Jahrhunderte bis heute, um die Rechtgläubigkeit des Gottesdienstes sicherzustellen, das heißt nicht nur um Irrtümer zu vermeiden, sondern um den Glauben vollständig und unversehrt weiterzugeben, denn das „Gesetz des Betens” {lex orandi) der Kirche entspricht ihrem „Gesetz des Glaubens” {lex credendi). <163> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nrn. 22.26.28.40,3.128. Codex Iuris Canonici, can. 2 und passim. ^ Vgl. Missale Romanum, Institutio generalis, Prooemium, Nr. 2; Paul VI., Allocutiones ad Consilium ad exsequendam Constitutionem liturgicam, 13. Oktober 1966: AAS 58(1966)1146; 14. Oktober 1968: AAS 60(1968)734. Ganz unabhängig von ihrem Inkulturationsgrad könnte die Liturgie nicht auf eine beständige Form der Regelung und Aufsicht von seiten derer verzichten, die diese Verantwortung in der Kirche erhalten haben: der Apostolische Stuhl und, nach Maßgabe des Rechtes, die Bischofskonferenzen für ein bestimmtes Gebiet, der Bischof für seine Diözese. <164> ^ Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nrn. 22; 36 §§ 3-4; 40, 1-2; 44-46; Codex Iuris Canonici, can. 838. b) Vorbedingungen für die Inkulturation der Liturgie 28. Die missionarische Tradition der Kirche war immer bestrebt, den Menschen das Evangelium in ihrer eigenen Sprache zu verkünden. Häufig waren es sogar die ersten Glaubensboten in einem Land, die bis dahin nur mündlich gebrauchte Sprachen schriftlich festgehalten haben. Und das zu Recht, denn über die Muttersprache als Träger der Mentalität und Kultur kann man die Seele eines Volkes erreichen, ihm den christlichen Geist einprägen und ihm eine stärkere Teilnahme am Gebet der Kirche ermöglichen. <165> ^ Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 53: AAS 83(1991)300-302. Nach der ersten Evangelisierung ist die Verkündigung des Wortes Gottes in der Landessprache für das Volk bei der Liturgiefeier sehr nützlich. Die Übersetzung der Bibel oder zumindest der in der Liturgie verwendeten Bibeltexte ist also notwendigerweise der erste Schritt eines liturgischen Inkulturationsprozesses. <166> Damit es zu einer richtigen und fruchtbaren Aufnahme des Wortes Gottes kommt, „muß jenes innige und lebendige Ergriffensein von der Heiligen Schrift gefördert werden, von dem die ehrwürdige Überlieferung östlicher und westlicher Riten ^ Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nrn. 35 und 36 §§ 2-3; Codex Iuris Canonici, can. 825 § 1. 1034 KONGREGATIONEN UND RÄTE zeugt”. <167> So setzt die Inkulturation der Liturgie zunächst eine Aneignung der Heiligen Schrift durch eine bestimmte Kultur voraus. <168> <167> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 24. <168> Vgl. ebd.\ Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae, 16. Oktober 1979, Nr. 55: AAS 71(1979)1322-1323. 29. Die Verschiedenartigkeit der kirchlichen Situationen ist nicht unwichtig, um den erforderlichen Grad der liturgischen Inkulturation ermessen zu können. Da sind einmal die seit Jahrhunderten evangelisierten Länder, in denen der christliche Glaube weiterhin in der Kultur gegenwärtig ist; ganz anders ist die Situation in jenen Ländern, in denen die Evangelisierung erst in neuer Zeit erfolgte und die kulturelle Wirklichkeit noch nicht tiefer durchdringen konnte. <169> Wieder anders ist die Situation der Kirche dort, wo die Christen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung eine Minderheit bilden. Noch komplizierter können die Verhältnisse sein, wenn die Bevölkerung in einem kulturellen und sprachlichen Pluralismus lebt. Nur eine klare Bewertung der jeweiligen Situation wird den Weg zu befriedigenden Lösungen weisen können. <169> Das hat die Konstitution Sacrosanctum Concilium veranlaßt, in Nrn. 38 und 40 zu betonen: „besonders in den Missionen”. 30. Zur Vorbereitung einer Inkulturation der Riten werden sich die Bischofskonferenzen an Personen wenden müssen, die sowohl in Fragen der liturgischen Tradition des römischen Ritus als auch hinsichtlich der Bewertung der örtlichen kulturellen Werte kompetent sind. Historische, anthropologische, exegetische und theologische Vorstudien sind erforderlich. Sie müssen aber mit der pastoralen Erfahrung insbesondere des einheimischen Ortsklerus konfrontiert werden. <170> Wertvoll wird auch das Urteil der „Weisen” des Landes sein, deren menschliche Weisheit sich im Lichte des Evangeliums entfaltet hat. Desgleichen wird die Inkulturation der Liturgie trachten, den Bedürfnissen der traditionellen Kultur zu entsprechen, <171> indem sie Bevölkerungsgruppen Rechnung trägt, die von der städtischen und industriellen Kultur geprägt sind. <170> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Uber die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nrn. 16.17. <171> Vgl. ebd, Nr. 19. c) Verantwortung der Bischofskonferenz 31. Da es sich um örtliche Kulturen handelt, versteht man, warum die Konstitution Sacrosanctum Concilium in diesem Punkt das Eingreifen „der rechtmäßig konstituierten, für bestimmte Gebiete zuständigen Bischofsvereinigungen verschiedener Art” <172> fordert. So sollen die Bischofskonferenzen „sorgfältig und klug erwägen, <172> I. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 22 § 2; vgl. ebd., Nrn. 39.40,1 u. 2; Codex Iuris Canonici, can. 447-448 ff. 1035 KONGREGATIONEN UND RÄTE welche Elemente aus Überlieferung und geistiger Anlage der einzelnen Völker geeignet sind, zur Liturgie zugelassen zu werden”. <173> <173> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 40. Sie werden mitunter das zulassen können, „was im Brauchtum der Völker nicht unlöslich mit Aberglauben und Irrtum verflochten ist (...), sofern es grundsätzlich mit dem wahren und echten Geist der Liturgie vereinbar ist”. <174> <174> Ebd, Nr. 37. 32. Es obliegt den Bischofskonferenzen zu beurteilen, ob die Einführung von Elementen aus gesellschaftlichen und religiösen Riten der Völker, die gegenwärtig einen lebendigen Teil ihrer Kultur darstellen, in die Liturgie - entsprechend dem weiter unten angegebenen Verfahren (vgl. unten, Nr. 62 und 65-69) - das Verständnis des liturgischen Geschehens zu bereichern vermag, ohne schädliche Rückwirkungen für den Glauben und die Frömmigkeit der Gläubigen hervorzurufen. Sie sollen jedenfalls darauf achten, daß eine derartige Einführung den Gläubigen nicht als Rückfall in einen Zustand vor der Evangelisierung erscheinen könnte (vgl. unten, Nr. 47). Falls Änderungen in den Riten oder Texten für notwendig erachtet werden, müssen diese auf jeden Fall mit dem gesamten liturgischen Leben in Einklang gebracht und vor ihrer praktischen Anwendung - oder gar ihrer Anordnung - zunächst umsichtig dem Klerus und dann den Gläubigen erläutert werden, um die Gefahr zu vermeiden, sie in ungebührlicher Weise zu beunruhigen (vgl. unten, Nr. 46 und 69). III. Prinzipien und praktische Normen für die Inkulturation des römischen Ritus 33. Die Teilkirchen, vor allem die jungen Kirchen, werden durch Vertiefung des überkommenen liturgischen Erbes der römichen Kirche, der sie ihre Entstehung verdanken, bald dazu fähig sein, ihrerseits in ihrer eigenen gewachsenen Kultur, wenn das als nützlich bzw. notwendig angesehen wird, geeignete Formen zu entdecken, um sie in den römischen Ritus einzufügen. Die liturgische Ausbildung der Gläubigen und des Klerus, wie sie die Konstitution Sacrosanctum Concilium fordert, <175> sollte es ermöglichen, den Sinn der in den heutigen liturgischen Büchern enthaltenen Texte und Riten zu verstehen und auf diese Weise häufige Änderungen oder Weglassungen an dem, was aus der Überlieferung des römischen Ritus stammt, zu vermeiden. <175> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nrn. 14-19. a) Allgemeine Prinzipien 34. Bei den Bestrebungen und der Durchführung der Inkulturation des römischen Ritus sind zu beachten: 1. das mit der Inkulturation verbundene Ziel; 2. die wesentliche Einheit des römischen Ritus; 3. die zuständige Autorität. 1036 KONGREGATIONEN UND RÄTE 35. Das Ziel, von dem sich eine Inkulturation des römischen Ritus leiten lassen muß, ist dasselbe, das das II. Vatikanische Konzil der allgemeinen Erneuerung der Liturgie zugrunde gelegt hat: „Bei dieser Erneuerung sollen Texte und Riten so geordnet werden, daß sie das Heilige, dem sie als Zeichen dienen, deutlicher zum Ausdruck bringen, und so, daß das christliche Volk sie möglichst leicht erfassen und in voller, tätiger und gemeinschaftlicher Teilnahme mitfeiem kann”. <176> Ebd., Nr. 21. Wichtig ist auch, daß die Riten „der Fassungskraft der Gläubigen angepaßt seien und im allgemeinen nicht vieler Erklärungen bedürfen sollen”, <177> wobei die Natur der Liturgie, die biblischen und überlieferten Merkmale ihrer Struktur und ihrer Ausdrucksweise, wie sie oben (Nm. 21-27) dargelegt wurden, berücksichtigt werden müssen. <177> Vgl. ebd., Nr. 34. 36. Der Inkulturationsprozeß soll unter Wahrung der wesentlichen Einheit des römischen Ritus erfolgen. <178> Zum Ausdruck kommt diese Einheit gegenwärtig in den unter der Autorität des Papstes als „editio typica” veröffentlichten liturgischen Büchern und in den entsprechenden liturgischen Büchern, die von den Bischofskonferenzen jeweils für ihr Land approbiert und vom Apostolischen Stuhl bestätigt wurden. <179> Das Bemühen um Inkulturation strebt nicht die Schaffung neuer Ritus-Familien an; wenn den Bedürfnissen einer bestimmten Kultur entsprochen werden soll, geht es um Anpassungen im Rahmen des römischen Ritus. <180> <178> Vgl. ebd., Nrn. 37-40. <179> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus annus, 4. Dezember 1988, Nr. 16: AAS 81(1989)912. <180> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, 26. Januar 1991, Nr. 3: „II senso di tale indicazione non e di proporre alle Chiese par-ticolari l’inizio di un nuovo lavoro, successivo all’applicazione della riforma Iiturgica, che sarebbe l’adattamento o l’inculturatione. E neppure e da intendersi l’inculturatione come creazione di riti alternativi (...). Si tratta, pertanto, di collaborare affinche il rito romano, pur mantenendo la propria identitä, possa acco-gliere gli opportuni adattamenti”: AAS 83(1991)940 (dt. Übers.: „Sinn dieses Hinweises ist nicht, den Einzelkirchen den Beginn einer neuen Arbeit anzukündigen, die auf die Durchführung der Liturgiereform folgen würde und die in der Anpassung und Inkulturation der Liturgie bestünde. Die Inkulturation darf auch nicht als Schaffung anderer Riten verstanden werden [...]. Es handelt sich also darum zusammenzuarbeiten, damit der römische Ritus, auch wenn er seine Identität beibehält, die angebrachten Anpassungen aufnehmen kann”). 37. Die Anpassungen des römischen Ritus auch unter dem Aspekt der Inkulturation fallen allein in die Zuständigkeit der kirchlichen Autorität. Diese Autorität steht dem Apostolischen Stuhl zu, der sie durch die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung ausübt; <181> sie steht, innerhalb vom Recht festgelegter Grenzen, <181> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 22 § 1; Codex Iuris Canonici, can. 838 §§ 1 u. 2; Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor Bonus, Nrn. 62; 64 § 3: AAS180(1988)876-877; Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus annus, 4. Dezember 1988, Nr. 19: AAS 81(1989)914-915. 1037 KONGREGATIONEN UND RÄTE auch den Bischofskonferenzen <182> und dem einzelnen Bischof für seine Diözese zu. <183> „Deshalb darf durchaus niemand sonst, auch wenn er Priester wäre, nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern”. <184> Die Inkulturation bleibt also nicht der persönlichen Initiative der zelebrierenden Priester oder der gemeinsamen Initiative einer Gemeinde überlassen. <185> <182> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 22 § 2, und Codex Iuris Canonici, can. 838 § 3; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus annus, 4. Dezember 1988, Nr. 20: AAS 81(1989)916. <183> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 22 § 1, und Codex Iuris Canonici, can. 838 §§ 1 und 4; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus annus, 4. Dezember 1988, Nr. 21: AAS 81(1989)916-917. <184> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 22 § 3. ^ Es handelt sich um eine unterschiedliche Situation, wenn in den liturgischen Büchern, die im Anschluß an die Konstitution veröffentlicht wurden, die Einleitungen und die Rubriken Anpassungen und Auswahlmöglichkeiten vorsehen, die der pastoralen Einschätzung des Vorsitzenden überlassen bleiben, wenn er zum Beispiel sagt: „pro opportunitate”, „his vel similibus verbis”, „potest”, „sive . . . sive”, „laudabiliter”, „de more”, „forma aptior seligatur”. In den ihm zur Auswahl angebotenen Möglichkeiten wird er vor allem das Wohl der Versammlung suchen, indem er der geistlichen Vorbereitung und geistigen Eigenart der Teilnehmer und nicht seinen persönlichen Vorlieben oder der Suche nach Mühelosigkeit Rechnung trägt. Bei Liturgiefeiern für besondere Gruppen, wo die Auswahlmöglichkeiten noch breiter sind, ist Klugheit und Diskretion angeraten, um die Zersplitterung der Ortskirche in „ecclesiolae” (Sprengel), die sich in sich selbst verschließen, zu vermeiden. Ebenso können die einem bestimmten Gebiet gewährten Erlaubnisse nicht ohne die erforderlichen Vollmachten auf andere Regionen übertragen werden, selbst wenn eine Bischofskonferenz der Ansicht wäre, für deren Anwendung in ihrem eigenen Land hinreichende Gründe zu haben. b) Was angepaßt werden kann 38. Bei der Analyse einer liturgischen Handlung im Hinblick auf ihre Inkulturation muß auch der überlieferte Wert der Elemente dieser Handlung, insbesondere ihr biblischer oder patristischer Ursprung, berücksichtigt werden (vgl. oben, Nm. 21-26), denn es genügt nicht zu unterscheiden zwischen dem, was verändert werden kann, und dem, was unveränderlich ist. 39. Die Sprache, für die Menschen das wichtigste Mittel der Kommunikation miteinander, hat in den liturgischen Feiern den Zweck, den Gläubigen die Frohe Botschaft zu verkünden <186> und das Gebet der Kirche zum Herrn zu artikulieren. Auch muß sie immer mit der Wahrhaftigkeit des Glaubens die Größe und Heiligkeit der gefeierten Mysterien ausdrücken. <186> Vgl. Codex Iuris Canonici, cann. 762-772, besonders 769. Man wird daher sorgfältig prüfen müssen, welche Elemente der Volkssprache angemessenerweise in die liturgischen Feiern eingeführt werden können, und besonders, ob es sinnvoll oder gänzlich unangebracht ist, bestimmte Ausdrücke nichtchristlicher Religionen zu verwenden. Wichtig wird es ebenfalls sein, die verschiedenen literarischen Gattungen zu berücksichtigen, die in der Liturgie Verwendung 1038 KONGREGATIONEN UND RÄTE finden: Schriftlesungen, Vorstehergebete, Psalmodie, Akklamationen, Kehrverse, Responsorien, Hymnen, Litaneien. 40. Als Ausdruck der Seele eines Volkes nehmen Musik und Gesang in der Liturgie einen vorrangigen Platz ein. Deshalb soll vor allem das Singen der liturgischen Texte gefördert werden, damit die Stimmen der Gläubigen bei den liturgischen Handlungen selbst erklingen können. <187> „Da die Völker mancher Länder, besonders in der Mission, eine eigene Musiküberlieferung besitzen, die in ihrem religiösen und sozialen Leben große Bedeutung hat, soll dieser Musik gebührende Wertschätzung entgegengebracht und angemessener Raum gewährt werden, und zwar sowohl bei der Formung des religiösen Sinnes dieser Völker als auch bei der Anpassung der Liturgie an ihre Eigenart”. <188> <187> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Conciliwn, Nr. 118; vgl. auch Nr. 54. Auch wenn der Sprache des Landes in den Gesängen der gebührende Raum eingeräumt werden soll, „soll jedoch Vorsorge getroffen werden, daß die Christgläubigen die ihnen zukommenden Teile des Meß-Or-dinariums auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können”, das gilt im besonderen für das Pater noster; vgl. Missale Romanum, Institutio generalis, Nr. 19. <188> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Conciliwn, Nr. 119. Man soll der Tatsache Rechnung tragen, daß sich ein gesungener Text dem Gedächtnis tiefer einprägt als ein gelesener Text; daraus ergeben sich die entsprechenden Anforderungen an die biblische und liturgische Inspiration und an die literatische Qualität der Gesangstexte. Im Gottesdienst dürfen Musikformen, Melodien, Musikinstrumente zugelassen werden, „sofern sie sich für den heiligen Gebrauch eignen und für ihn geeignet gemacht werden können, der Würde des Gotteshauses angemessen sind und die Erbauung der Gläubigen wirklich fördern”. <189> <189> Ebd., Nr. 120. 4L Da die Liturgie eine Ausdruckshandlung ist, kommt den Gesten und Haltungen besondere Bedeutung zu. Unter ihnen sollen jene, die zum wesentlichen Ritus der Sakramente gehören und für deren Gültigkeit erforderlich sind, so beibehalten werden, wie sie allein von der höchsten Autorität der Kirche gebilligt bzw. festgelegt wurden. <190> <190> Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 841. Die Gesten und Haltungen des zelebrierenden Priesters sollen seine eigentliche Funktion ausdrücken: Er steht in der Rolle Christi vor der Gemeinde. <191> Die Gesten und Haltungen der Versammlung fördern - als Zeichen der Gemeinschaft und Einheit - die aktive Beteiligung dadurch, daß sie der geistigen Haltung und Einstellung der Mitfeiemden Ausdruck verleihen. <192> Man soll aus der Kultur eines Landes die Gesten und Körperhaltungen auswählen, die der Situation des Men- <191> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Conciliwn, Nr. 33; Codex Iuris Canonici, can. 899 § 2. <192> Vgl. II. Vat. Konzil. Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Conciliwn, Nr. 30. 1039 KONGREGATIONEN UND RÄTE sehen vor Gott Gestalt geben, und ihnen, wenn möglich in Entsprechung zu den aus der Bibel stammenden Gesten und Haltungen, eine christliche Bedeutung verleihen. 42. Bei manchen Völkern verbinden sich der Gesang wie von selbst mit Händeklatschen, rhythmischem Hin- und Herwiegen oder Tanzbewegungen der Teilnehmer. Solche körperliche Ausdrucksformen können bei diesen Völkern ihren Platz in der liturgischen Handlung haben, vorausgesetzt, daß sie stets Ausdruck eines echten gemeinschaftlichen Gebets - Anbetung, Lobpreis, Hingabe oder Bitte - und nicht ein bloßes Schauspiel sind. 43. Der Gottesdienst wird bereichert durch den Beitrag der Kunst, die den Gläubigen zu feiern, Gott zu begegnen und zu beten hilft. Die Kunst soll in der Kirche aller Völker und aller Nationen frei ausgeübt werden dürfen, sofern sie zur Schönheit der Kirchenräume und der liturgischen Riten mit der gebührenden Ehrfurcht und Ehrerbietung beitragt <193> und wahre Bedeutung im Leben und in der Überlieferung des Volkes besitzt. Das gilt ebenso für die Form, die Anordnung und die Ausstattung des Altars, <194> für die Gestaltung des Ortes der Verkündigung des Wortes Gottes <195> und des Baptisteriums, <196> für die gesamte Einrichtung, für die liturgischen Geräte, Gewänder und Farben. <197> Vgl. ebd., Nrn. 123-124; Codex luns Canonici, can. 1216. <194> Vgl. Missale Romanum, Institutio generalis, Nrn. 259-270; Codex Iuris Canonici, cann. 1235-1239, besonders 1236. <195> Vgl. Missale Romanum, Institutio generalis, Nr. 272. <196> Vgl. De Benedictionibus, Ordo benedictionis Baptisterii seu novi Fontis baptismalis, Nrn. 832-837. <197> Vgl. Missale Romanum, Institutio generalis, Nrn. 287-310. Man wird den in dem Land üblichen Materialien, Formen und Farben den Vorzug geben. 44. Die Konstitution Sacrosanctum Concilium hat an dem ständigen Brauch der Kirche festgehalten, den Gläubigen Bilder von Christus, der Jungfrau Maria und der Heiligen zur Verehrung vor Augen zu stellen, <198> denn „die dem Bild erwiesene Ehre geht auf die abgebildete Person über”. <199> Die Gläubigen in den verschiedenen Kulturen sollen durch den Anblick von Kunstwerken, die das Mysterium dem Wesen des Volkes entsprechend ausdrücken wollen, Hilfe in ihrem Beten und geistlichen Leben erfahren können. <198> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 125; Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 67; Codex Iuris Canonici, can. 1188. Q6 II. Konzil von Nizäa: DS 601; vgl. Hl. Basilius der Große, Über den Heiligen Geist, XVIII, 45: SCh 17, 194; PG 32, 149 C. 45. Neben den liturgischen Feiern und in Verbindung mit ihnen finden sich in den verschiedenen Teilkirchen unterschiedliche Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit. Nachdem sie mitunter von Missionaren im Zuge der ersten Evangelisierung eingeführt worden sind, entwickelten sie sich oft entsprechend den lokalen Bräuchen. 1040 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die Einführung von Andachtsübungen in die liturgischen Feiern kann nicht als eine Inkulturationsmaßnahme zugelassen werden, „denn (die Liturgie) steht von Natur aus weit über ihnen”. <200> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 13. Es ist Sache des Ortsordinarius, <201> solche Frömmigkeitsübungen zu ordnen, sie in ihrer unterstützenden Rolle für Leben und Glauben der Christen zu fördern und sie notfalls zu reinigen, denn sie müssen der Botschaft des Evangeliums angepaßt werden. <202> Er soll auch darauf achten, daß sie nicht liturgische Feiern ersetzen oder sich mit ihnen vermischen. <203> Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 839 § 2. Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus annus, 4. Dezember 1988, Nr. 18: AAS 81(1989)914. Vgl. ebd. c) Die notwendige Klugheit 46. Es „sollen keine Neuerungen eingeführt werden, es sei denn, ein wirklicher und sicher zu erhoffender Nutzen der Kirche verlange es. Dabei ist Sorge zu tragen, daß die neuen Formen aus den schon bestehenden gewissermaßen organisch herauswachsen”. <204> Diese von der Konstitution Sacrosanctum Concilium gegebene Weisung im Hinblick auf die Wiederherstellung der Liturgie wird entsprechend auch auf die Inkulturation des römischen Ritus angewandt. In diesem Bereich braucht es pädagogische Klugheit und Zeit, um gegenüber früheren Formen Haltungen der Ablehnung oder des Widerwillens zu vermeiden. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 23. 47. Da die Liturgie Ausdruck des Glaubens und des christlichen Lebens ist, muß darauf geachtet werden, daß ihre Inkulturation nicht, und sei es auch nur scheinbar, von religiösem Synkretismus gekennzeichnet ist. Dazu könnte es kommen, wenn gottesdienstliche Orte und Gegenstände, liturgische Gewänder, Gesten und Haltungen vermuten ließen, daß beim Gottesdienst der Christen bestimmte Riten dieselbe Bedeutung haben wie vor der Evangelisierung. Noch schlimmer wäre der Synkretismus, würde man biblische Lesungen und Gesänge (vgl. oben, Nr. 23) oder Gebete durch Texte aus anderen Religionen ersetzen wollen, selbst wenn diese einen unleugbaren religiösen und moralischen Wert besitzen. <205> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Dominicas cenae, 24. Februar 1980, Nr. 10: AAS 72(1980)137. Diese Texte können in den Homilien (Predigten) nutzbringend verwendet werden, denn dort lassen sich die ,Annäherungen zwischen der geoffenbarten göttlichen Weisheit und dem edlen menschlichen Denken, das auf verschiedenen Wegen nach der Wahrheit sucht”, leichter aufzeigen. 48. Die Zulassung herkömmlicher Riten oder Gesten bei den Feiern der christlichen Initiation, der Trauung und des Begräbnisses ist ein Schritt der Inkulturation, der 97 98 99 100 101 102 1041 KONGREGATIONEN UND RÄTE bereits in der Konstitution Sacrosanctum Concilium beschrieben wurde. <206> Aber gerade dabei können die Wahrheit des christlichen Ritus und der Ausdruck des Glaubens in den Augen der Gläubigen leicht beeinträchtigt werden. Die Anleihe an den traditionellen Bräuchen verlangt eine Reinigung und, wenn notwendig, auch Brüche. Das gilt zum Beispiel ebenso für die etwaige Christianisierung heidnischer Feste oder heiliger Stätten, für die Übertragung der dem Oberhaupt in der Gesellschaft vorbehaltenen Vollmachtsinsignien an den Priester und für die Ahnenverehrung. Auf jeden Fall soll jede Zweideutigkeit vermieden werden. Es ist völlig unmöglich in die christliche Liturgie Riten aufzunehmen, die sich mit Magie, Aberglauben, Spiritismus, Rache oder sexuellen Vorstellungen verbinden. Vgl. Nr. 65. 77.81; Ordo initiationis christianae adultorum, Praenotanda, Nrn. 30-31, 79-81, 88-89; Ordo celebrandi Matrimonium, editio typica altera, Praenotanda, Nrn. 41-44; Ordo exsequiarum, Praenotanda, Nrn. 21-22. 49. Verschiedentlich bestehen in einem Land mehrere Kulturen nebeneinander. Manchmal durchdringen sie sich gegenseitig so, daß sie nach und nach zu einer neuen Kultur werden. Manchmal sind sie darauf bedacht, sich zu unterscheiden, ja sogar sich gegeneinander zu stellen, um sich selbst besser zu behaupten. Es kann auch Vorkommen, daß gewissen Bräuchen nur noch ein folkloristisches Interesse zukommt. Die Bischofskonferenzen sollen in jedem einzelnen Fall die konkrete Situation sorgfältig prüfen. Sie sollen die Reichtümer jeder Kultur und jene, die sich zu ihren Verteidigern machen, achten und nicht die Kultur einer Minderheit oder eine ihnen nicht vertraute Kultur ignorieren oder unbeachtet lassen; sie sollen auch die Gefahren der Abkapselung der christlichen Gemeinden bzw. der Benutzung der Inkulturation der Liturgie zu politischen Zwecken im Auge behalten. In den Ländern, wo die Kultur von althergebrachten Sitten und Gebräuchen geprägt ist, wird man auch die unterschiedlichen Modemisierungsstufen der Bevölkerung berücksichtigen müssen. 50. Manchmal sind in ein und demselben Land mehrere Sprachen im Gebrauch, wobei jede nur von einer kleinen Gruppe von Menschen oder nur in einem einzigen Stamm gesprochen wird. Man wird also zu einer Ausgewogenheit finden müssen, die die Eigenrechte dieser Gruppen oder Stämme respektiert, ohne deswegen die Spezialisierung der Liturgiefeiem zu übertreiben. Ebenso muß mitunter die mögliche Entwicklung eines Landes hin zu einer Hauptsprache beachtet werden. 51. Um die Inkulturation der Liturgie in einem Kulturraum zu fördern, der über die Grenzen eines Landes hinausreicht, müssen sich die betroffenen Bischofskonferenzen miteinander beraten und gemeinsam Maßnahmen beschließen, damit „nach Möglichkeit verhütet werde, daß sich zwischen den Riten benachbarter Gebiete auffallend starke Unterschiede ergeben”. <207> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 23. 1042 KONGREGATIONEN UND RÄTE IV. Bereiche der Anpassungen im römischen Ritus 52. Die Konstitution Sacrosanctum Concilium hatte eine Inkulturation des römischen Ritus im Auge, wenn sie Normen für die Anpassung der Liturgie an die Eigenart und die Überlieferung der verschiedenen Völker und einige Anpassungen in den liturgischen Büchern festlegte (vgl. unten, Nm. 53-61) sowie schließlich in bestimmten Fällen, besonders in den Missionsländem, tiefer gehende Anpassungen vorsah (vgl. unten, Nm. 63-64). a) Die von den liturgischen Büchern vorgesehenen Anpassungen 53. Die erste und wichtigste Inkulturationsmaßnahme ist die Übersetzung der liturgischen Texte in die Volkssprache. <208> Die Erstellung der Übersetzungen und nötigenfalls ihre Überarbeitung sollen nach den vom Apostolischen Stuhl diesbezügüch gegebenen Hinweisen erfolgen. <209> Unter Wahrung des Inhalts der Texte der lateinischen „editio typica” und gebührender Beachtung der verschiedenen literarischen Gattungen muß die Übersetzung für die Teilnehmer verständlich (vgl. auch oben, Nr. 39) und der Verkündigung und dem Gesang ebenso angemessen sein wie den Antworten und den Akklamationen der Versammlung. Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nrn. 36 §§ 2, 3 und 4; 54; 63. <209> ygj Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Vicesinuis quintas a/mus, 4. Dezember 1988, Nr. 20; AAS 81(1989)916. Selbst wenn alle Völker, die einfachsten inbegriffen, eine für den Ausdruck des Gebets geeignete religiöse Sprache besitzen, so hat die liturgische Sprache ihre eigenen Wesensmerkmale: Sie ist zutiefst von der Bibel geprägt; manche Worte aus der lateinischen Alltagssprache (memoria, sacramentum) haben für den christlichen Glauben einen anderen Sinn angenommen; bisweilen können bestimmte Worte der christlichen Sprache unverändert von einer Sprache in eine andere übertragen werden, wie das in der Vergangenheit zum Beispiel für die Ausdrücke ecclesia, evan-gelium, baptisma, eucharistia geschah. Im übrigen müssen die Übersetzer sorgfältig auf den Zusammenhang des Textes mit der liturgischen Handlung, auf die Erfordernisse der mündlichen Kommunikation und auf die literarischen Eigenschaften der lebendigen Sprache des Volkes achten. Diese hier geforderten Eigenschaften der liturgischen Übersetzungen müssen in etwaige Neuausgaben eingehen. 54. Für die Eucharistiefeier muß das Meßbuch, „wenn es auch, entsprechend der Weisung des II. Vatikanischen Konzils, Raum läßt (...) für berechtigte Unterschiede und Anpassungen, gleichsam ein Zeichen und Instrument der Einheit” <210> des römischen Ritus in der Vielfalt der Sprachen bleiben. Die Allgemeine Einfiihrung in das Meßbuch sieht vor, daß die Bischofskonferenzen „gemäß den Bestimmungen der ^ Vgl. Paul VI., Apostol. Konstitution Missale Romanum, 3. April 1969: AAS 61(1969)221. 1043 KONGREGATIONEN UND RATE Liturgiekonstitution für ihren Bereich Normen festlegen (können), die der Tradition und Eigenart der verschiedenen Völker, Gebiete und Gruppen entsprechen”. <211> Das gilt insbesondere für die Gesten und Haltungen der Gläubigen, <212> für die Verehrung des Altares und des Evangelienbuches, <213> für die Texte der Gesänge zur Eröffnung, <214> zur Gabenbereitung <215> und zur Kommunion, <216> für den Friedensgruß, <217> für die Bedingungen der Kelchkommunion, <218> für das Material des Altares und der liturgischen Geräte, <219> für Material und Form der liturgischen Gefäße <220> und für die liturgischen Gewänder. <221> Die Bischofskonferenzen können auch die Art der Kommunionausteilung festlegen. <222> Missale Romamtm, Institutio generalis, Nr. 6; vgl. auch Ordo Lectionum Missae, editio typica altera, Prae-notanda, Nrn. 111-118. Vgl. Missale Romamun, Institutio generalis, Nr. 22. Vgl. ebd., Nr. 232. Vgl. ebd., Nr. 26. Vgl. ebd., Nr. 50. Vgl. ebd., Nr. 56 i. Vgl. ebd., Nr. 56 b. Vgl. ebd., Nr. 242. Vgl. ebd., Nrn. 263.288. Vgl. ebd., Nr. 290. Vgl. ebd., Nrn. 304.305.308. Vgl. De sacra communione et de cultu mysterii eucharestici extra Missam, Praenotanda, Nr. 21. 55. Für die anderen Sakramente und die Sakramentalien gibt die lateinische „editio typica” jedes Rituale-Faszikels die Anpassungen an, die in die Zuständigkeit der Bischofskonferenzen <223> oder, in bestimmten Fällen, sogar des Bischofs fallen. <224> Diese Anpassungen können Texte, Gesten und manchmal sogar den Aufbau des Ritus betreffen. Wenn die „editio typica” Formulare zur Auswahl vorsieht, können die Bischofskonferenzen beschließen, andere Formulare derselben Gattung vorzusehen. Vgl. Ordo initiationis christianae adultorum, Praenotanda generalia, Nrn. 30-33; Praenotanda, Nrn. 12.20.47.64-65; Ordo, Nr. 312; Appendix, Nr. 12; Ordo Baptismi patvulonim, Praenotanda, Nrn. 8.23-25; Ordo Confinnationis, Praenotanda, Nrn. 11-12.16-17; De sacra communione et de cultu mysterii eucha-ristici extra Missam, Praenotanda, Nr. 12; Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nrn. 35 b, 38; Ordo Unctionis infinnorum eonunque pastoralis curae, Praenotanda, Nrn. 38-39; Ordo celebrandi Matrimonium, editio typica altera, Praenotanda, Nrn. 39-44; De Ordinatione Episcopi, presbyterorum et diaconorum, editio typica altera, Praenotanda, Nr. 11; De Benedictionibus, Praenotanda generalia, Nr. 39. Vgl. Ordo initiationis christianae adultorum, Praenotanda, Nr. 66; Ordo Baptismi panndonun, Praenotanda, Nr. 26; Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 39; Ordo celebrandi Matrimonium, editio typica altera, Praenotanda, Nr. 36. 56. Für die Feiern der christlichen Initiation steht es den Bischofskonferenzen zu, „sorgfältig und klug zu erwägen, welche Elemente aus Überlieferung und geistiger Eigenart der einzelnen Völker in geeigneter Weise aufgenommen werden können”. <225> „In den Missionsländem soll es erlaubt sein, außer den Elementen der Initiation, die in der christlichen Überlieferung enthalten sind, auch jene zuzulassen, Ordo initiationis christianae adultorum, Ordo Baptismi panndonun, Praenotanda generalia, Nr. 30, 2. 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 1044 KONGREGATIONEN UND RÄTE die sich bei den einzelnen Völkern in Gebrauch befinden, sofern sie ... dem christlichen Ritus angepaßt werden können”. <226> Ebd., Nr. 31; vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 65. Dabei ist jedoch zu beachten, daß der Begriff Initiation nicht denselben Sinn hat und nicht dieselbe Tatsache bezeichnet, wenn es sich um Riten der sozialen Initiation bei gewissen Völkern oder aber um den Weg der christlichen Initiation handelt, der über die Riten des Katechumenats zum Christus-Einverleibtwerden in der Kirche durch die Sakramente der Taufe, der Firmung und der Eucharistie führt. 57. Die Feier der Trauung macht vielerorts die größte Anpassung erforderlich, um nicht gegenüber den in einem bestimmten sozialen Rahmen üblichen Gebräuche als völlig fremd empfunden zu werden. Um sie an die ortsüblichen Bräuche und die der Völker anzupassen, hat jede Bischofskonferenz die Vollmacht, ihren eigenen Eheritus auszuarbeiten, wobei sie sich jedoch an das Gesetz hält, das, je nach Fall, vom Geistlichen oder vom assistierenden Laien <227> verlangt, den Konsens der Brautleute zu erfragen und entgegenzunehmen; den Brautleuten soll immer der Segen erteilt werden. <228> Dieser eigene Ritus muß natürlich deutlich den christlichen Sinn der Ehe sowie die Gnade des Sakramentes bezeichnen und die Aufgaben der Eheleute hervorheben. <229> Vgl. Codex Iuris Canonici, cann. 1108 und 1112. Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 77; Ordo celebrandi Matrimonium, editio typica altera, Praenotanda, Nr. 42. Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 77. 58. Bestattungen umfaßten zu allen Zeiten und bei allen Völkern besondere Riten, die oft hohen Ausdruckswert besitzen. Um der jeweiligen Situation in den verschiedenen Ländern zu entsprechen, schlägt das römische Rituale für den Bestattungsritus mehrere verschiedene Formen vor. <230> Es liegt bei den Bischofskonferenzen, die Form auszuwählen, die den lokalen Gewohnheiten und Bräuchen am besten entspricht. <231> Während sie bereitwillig alles beibehalten, was an Familientraditionen und lokalen Bräuchen gut ist, sollen sie darüber wachen, daß die Exequien den österlichen Glauben ausdrücken und wahrhaftig vom Geist des Evangeliums zeugen. <232> Aus dieser Sicht können die Bestattungsriten die Bräuche verschiedener Kulturen übernehmen und so besser den Verhältnissen und Überlieferungen der einzelnen Gebiete entsprechen. <233> Vgl. Ordo exsequiarum, Praenotanda, Nr. 4. Vgl. ebd., Praenotanda, Nrn. 9 u. 21, 1-3. Vgl. ebd., Nr. 2. Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 81. 59. Segnungen von Personen, Orten und Sachen, die den unmittelbaren Bereich des Lebens, der Tätigkeiten und der Sorgen der Gläubigen bilden, bieten gleichfalls Möglichkeiten der Anpassung, der Wahrung lokaler Sitten und Gewohnheiten und 123 124 125 126 127 128 129 130 1045 KONGREGATIONEN UND RÄTE der Zulassung volkstümlicher Bräuche. <234> Die Bischöfe sollen unter sorgfältiger Beachtung der Bedürfnisse des jeweiligen Landes von den vorgesehenen Verfügungen Gebrauch machen können. Vgl. ebd., Nr. 79; De Benedictionibus, Praenotanda generalia, Nr. 39; Ordo Professionis religiosae, Prae-notanda, Nrn. 12-15. 60. Was den liturgischen Kalender betrifft, so ergänzt jede Teilkirche und jede Ordensfamilie die Feiern der Universalkirche, nach Billigung durch den Apostolischen Stuhl, mit ihren eigenen Festen. <235> Die Bischofskonferenzen können auch, mit vorheriger Einwilligung des Apostolischen Stuhls, die Verbindlichkeit bestimmter Feste abschaffen oder sie auf den Sonntag verlegen. <236> Ihnen obliegt es, Zeit und Art für die Abhaltung von Bittprozessionen und Quatemberfeiem zu bestimmen. <237> Vgl. Normae universales de Anno liturgico et de Calendario, Nr. 49, 55; Hl. Kongregation für den Gottesdienst, Instruktion Calendaria particularia, 24. Juni 1970: AAS 62(1970)651-663. Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 1246 § 2. Vgl. Normae universales de Anno liturgico et de Calendario, Nr. 46. 61. Die Stundenliturgie, deren Ziel der Lobpreis Gottes und die Heiligung des Tages und alles menschlichen Tuns durch das Gebet ist, bietet den Bischofskonferenzen Anpassungsmöglichkeiten für die zweite Lesung der Lesehore, die Hymnen und die Bitten sowie für die marianische Schlußantiphon. <238> Liturgia Horarum, Institutio generalis, Nrn. 92.162.178.184. Vorgehensweise für die von den liturgischen Büchern vorgesehenen Anpassungen 62. Bei der Vorbereitung der eigenen Ausgabe der liturgischen Bücher nimmt die Bischofskonferenz nach Maßgabe des Rechts zu der Übersetzung und den vorgesehenen Anpassungen Stellung. <239> Die vom Vorsitzenden und vom Sekretär der Bischofskonferenz Unterzeichneten Akten der Konferenz mit dem Abstimmungsergebnis werden, mit zwei vollständigen Exemplaren des approbierten Entwurfes, der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung zugeleitet. Außerdem sollen bei Übersendung der Gesamtunterlagen: Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 455 § 2 und can. 838 § 3; das gilt auch für eine Neuausgabe: Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus annus, 4. Dezember 1988, Nr. 20: AAS 81(1989)916. a) knapp und präzise die Gründe für die Einführung jeder einzelnen Anpassung dargelegt werden; b) desgleichen soll angegeben werden, welche Teile anderen, bereits approbierten liturgischen Büchern entnommen wurden und welche Teile neu sind. 131 132 133 134 135 136 1046 KONGREGATIONEN UND RÄTE Nach Überprüfung durch den Apostolischen Stuhl gemäß der festgelegten Norm <240> erläßt die Bischofskonferenz ein Promulgationsdekret und legt den Zeitpunkt fest, von dem an der approbierte Text in Kraft tritt. <240> Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 838 § 3. b) Anpassungen gemäß Art. 40 der Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils 63. Trotz der in den liturgischen Büchern nun vorgesehenen Anpassungen kann sich herausstellen, „daß an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Verhältnissen eine tiefer greifende und deswegen schwierigere Anpassung der Liturgie dringlich ist”. <241> Hier handelt es sich nicht mehr um Anpassungen innerhalb des von den Allgemeinen Einführungen und Vorbemerkungen der liturgischen Bücher vorgesehenen Rahmens. <241> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 40. Das setzt voraus, daß eine Bischofskonferenz alle in den liturgischen Büchern gebotenen Möglichkeiten ausgeschöpft, die Brauchbarkeit der bereits vorgenommenen Anpassungen bewertet und sie möglicherweise revidiert hat, bevor sie sich zu einer tiefer greifenden Anpassung entschließt. Die Nützlichkeit bzw. Notwendigkeit einer solchen Anpassung kann sich für einen der oben (vgl. Nm. 53-61) beschriebenen Bereiche ergeben, ohne daß die anderen betroffen wären. Anpassungen dieser Art zielen nicht auf eine Umgestaltung des römischen Ritus ab, sondern haben innerhalb desselben ihren Platz. 64. In diesem Fall können ein oder mehrere Bischöfe die Schwierigkeiten, die wegen der Teilnahme von Gläubigen fortbestehen, den Mitbrüdem ihrer Bischofskonferenz darstellen und mit ihnen die Zweckmäßigkeit tiefer greifender Anpassungen prüfen, wenn das Wohl der Seelen sie tatsächlich erfordert. <242> 1 39 Es ist dann Sache der Bischofskonferenz, entsprechend dem weiter unten festgelegten Vorgehen dem Apostolischen Stuhl die Änderungen vorzuschlagen, die sie vorzunehmen wünscht. <243> Vgl. HI. Kongregation für die Bischöfe, Directorium de pastorali ministerio Episcoponim Ecclesiae imago, 22. Februar 1973, Nr. 84. Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 40, 1. Die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung erklärt sich bereit, die Vorschläge der Bischofskonferenzen entgegenzunehmen, sie im Hinblick auf das Wohl der betroffenen Ortskirchen und das gemeinsame Wohl der ganzen Kirche zu prüfen und dort, wo es nützlich und notwendig ist, den Inkulmrationsprozeß nach den in der vorliegenden Instruktion dargelegten Prinzipien (vgl. oben, Nr. 33-51) in einem Geist vertrauensvoller Zusammenarbeit und gemeinsamer Verantwortung zu betreiben. 1047 KONGREGATIONEN UND RÄTE Vorgehensweise in Anwendung von Art. 40 der Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils 65. Die Bischofskonferenz soll prüfen, was an den liturgischen Feiern auf Grund der Überlieferungen und der geistigen Eigenart des Volkes geändert werden sollte. Sie wird mit der Untersuchung die nationale oder regionale Liturgiekommission beauftragen, die sachkundige Personen um ihre Mitwirkung ersuchen wird, um die verschiedenen Aspekte der Elemente der lokalen Kultur und ihrer möglichen Einfügung in die liturgischen Feiern zu prüfen. Es kann mitunter zweckmäßig sein, das Urteil von Vertretern nichtchristlicher Religionen über den kultischen oder bürgerlichen Wert dieses oder jenes Elementes einzuholen (vgl. oben, Nm. 30-32). Diese Voruntersuchung soll, wenn es der Fall erfordert, in Zusammenarbeit mit den Bischofskonferenzen der Nachbarländer bzw. der Länder desselben Kulturkreises erfolgen (vgl. oben, Nr. 51). 66. Die Bischofskonferenz soll, bevor sie irgendeine Initiative zu Experimenten ergreift, der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung den Entwurf vorlegen. Die Einreichung des Entwurfes muß umfassen: eine Beschreibung der vorgeschlagenen Neuerungen, die Gründe für die Aufnahme, die in Betracht gezogenen Kriterien, die für die Durchführung gewünschten Orte und Zeiten, gegebenenfalls einen Vorversuch und die Angabe der Gruppen, die ihn durchführen sollen, schließlich die Akten der Beratung und Abstimmung der Konferenz über das Thema. Nach einer im Einvernehmen zwischen der Bischofskonferenz und der Kongregation vorgenommenen Prüfung des Entwurfes wird die Kongregation der Bischofskonferenz gegebenenfalls die Vollmacht erteilen, für eine begrenzte Zeit Experiemente zu gestatten. <244> Vgl. ebd., Nr. 40, 2. 67. Die Bischofskonferenz wird über den guten Verlauf des Experimentes wachen, <245> wobei sie normalerweise die Hilfe der nationalen oder regionalen Liturgiekommission in Anspruch nimmt. Die Konferenz wird auch darauf achten, daß der Versuch nicht über die vorgesehenen örtlichen und zeitlichen Grenzen hinaus ausgedehnt wird, daß die Seelsorger und alle Gläubigen über seine vorübergehende und begrenzte Bedeutung informiert werden und daß ihm nicht eine Publizität gegeben wird, die das liturgische Leben des Landes bereits beeinflussen könnte. Am Ende der Versuchsperiode wird die Bischofskonferenz entscheiden, ob der Entwurf dem angestrebten Ziel entspricht oder ob er in einigen Punkten noch einmal überprüft werden muß; sie wird ihre Überlegung zusammen mit den Unterlagen des Versuches der Kongregation mitteilen. Vgl. ebd. 141 142 1048 KONGREGATIONEN UND RÄTE 68. Nach der Prüfung der Unterlagen wird die Kongregation per Dekret, möglicherweise mit zusätzlichen Bemerkungen, ihre Zustimmung erteilen können, daß die verlangten Änderungen für das von der Bischofskonferenz abhängige Gebiet zugelassen werden. 69. Die Gläubigen, Laien und Klerus, sollen über die Veränderungen gut informiert und auf ihre Einführung in die liturgischen Feiern vorbereitet werden. Die praktische Anwendung der Beschlüsse soll erfolgen, je nachdem, wie die Umstände es erfordern, indem man, wenn es angebracht erscheint, eine Übergangsperiode einführt (vgl. oben, Nr. 46). Schluß 70. Die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung legt den Bischofskonferenzen die praktischen Normen vor, welche die vom II. Vatikanischen Konzil vorgesehene Inkulturation auf liturgischem Gebiet leiten sollen, um den pa-storalen Bedürfnissen der Völker verschiedener Kulturen zu entsprechen, und fügt sie sorgfältig in eine Gesamtpastoral ein, um das Evangelium in die Vielfältigkeit menschlicher Wirklichkeiten zu inkulturieren. Sie tut das in der Hoffnung, daß jede Teilkirche, vor allem die jungen Kirchen, erproben können, daß die Verschiedenheit in bestimmten Elementen der liturgischen Feiern eine Quelle der Bereicherung und Vertiefung sein kann, bei aller Achtung der wesentlichen Einheit des römischen Ritus, der Einheit der ganzen Kirche und der Unversehrtheit des überlieferten Glaubens, der den Heiligen ein für allemal anvertraut ist (vgl. Judas 3). Die vorliegende Instruktion wurde von der Kongregation fiir den Gottesdienst und die Sakramentenordnung im Auftrag Seiner Heiligkeit Papst Johannes Pauls II. vorbereitet, der sie gebilligt und ihre Veröffentlichung angeordnet hat. Am Sitz der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, am 25. Januar 1994. Antonio M. Kard. Javierre Ortas Präfekt + Geraldo M. Agnelo Erzbischof, Sekretär 1049 KONGREGATIONEN UND RATE Direktorium für Dienst und Leben der Priester Kongregation für den Klerus vom 31. Januar 1994 Einleitung Die reiche Erfahrung der Kirche mit dem Dienst und dem Leben der Priester, die in verschiedenen Dokumenten des Lehramtes <246> enthalten ist, hat in unseren Tagen dank der Lehraussagen der nachsynodalen Apostolischen Exhortation Pastores dabo vo-bis <247> einen neuen Impuls erhalten. Unter den Dokumenten der letzten Zeit: vgl. II. Vatikanisches Konzil (1962-1965), Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 28; Dekret über die Ausbildung der Priester Optatam totius, Nr. 22; Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus Dominus, Nr. 16; Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis-, Paul VT., Enzyklika Sacerdotalis caelibatus (24. Juni 1967): AAS 59(1967)657-697; Kongregation für den Klerus, Rundschreiben Inter ea (4. November 1969): AlAS 62(1970)123-134; Weltbischofssynode, Dokument über das Amtspriestertum Ultimis temporibus (30. November 1971): AAS 63(1971)898-922; Codex Iuris Canonici, cann. 273-289; 232-264; 1008-1054; Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis (19. März 1985), 101; Johannes Paul II., Schreiben an alle Priester der Kirche zum Gründonnerstag-, Katechese über die Priester, in Generalaudienzen vom 31. März bis 22. September 1993. <247> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis (25. März 1992): AAS 84(1992)657-804. Die Veröffentlichung dieses Dokuments - in welchem der Papst seine Stimme als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus mit jener der Synodenväter vereinen wollte - hat für die Priester und für die ganze Kirche den Beginn eines treuen und fruchtbaren Weges der Vertiefung und der Anwendung seiner Inhalte bedeutet. „Insbesondere die vorrangige pastorale Aufgabe der Neu-Evangelisierung, die das ganze Volk Gottes betrifft und einen neuen Eifer, neue Methoden und eine neue Ausdruckskraft für die Verkündigung und das Zeugnis des Evangeliums fordert, verlangt heute Priester, die radikal und vollständig in das Geheimnis Christi versenkt und fähig sind, einen neuen Stil des pastoralen Lebens zu verwirklichen.” <248> Die ersten Verantwortlichen dieser „Neu-Evangelisierung” des dritten Millenniums sind die Priester, die allerdings, um ihre Sendung verwirklichen zu können, in sich selbst ein Leben pflegen müssen, das reine Transparenz der eigenen Identität zu sein hat. Sie müssen eine Gemeinschaft der Liebe mit Christus, dem ewigen Hohenpriester, dem Haupt und Lehrer, dem Bräutigam und Hirten seiner Kirche leben, sowie die eigene Spiritualität und den eigenen Dienst durch eine dauernde und vollständige Weiterbildung festigen. ^ Ebd., Nr. 18: a.a.O., 685. Dieses Direktorium, das von vielen Bischöfen sowohl während der Synode 1990 als auch bei der von unserer Kongregation veranstalteten Konsultation des gesamten Episkopats verlangt wurde, möchte den genannten Anliegen entsprechen. In die Vorarbeiten sind die Anregungen des gesamten dazu befragten Welt-Episkopats eingeflossen, die Ergebnisse der Plenar-Kongregation, die im Oktober 1993 im 1050 KONGREGATIONEN UND RATE Vatikan stattfand, und schließlich die Gedanken nicht weniger mit heutigen pastora-len Verhältnissen vertrauten Theologen, Kanonisten und Fachleute verschiedenster Herkunft. Es wurde versucht, praktische Elemente anzubieten, die Nährboden für Initiativen sein können und so weit wie möglich auf gemeinschaftlicher Basis getragen werden sollen. Es wurde vermieden, allzusehr auf jene Details einzugehen, die nur die legitime lokale Praxis sowie die konkreten Bedingungen jeder Diözese und Bischofskonferenz der Klugheit und dem Eifer der Hirten vorteilhaft nahelegen können. Unter Berücksichtigung der Natur des vorhegenden Dokuments als Direktorium schien es unter den gegenwärtigen Umständen angebracht, nur jene doktrinären Elemente in Erinnerung zu rufen, die das Fundament der Identität, der Spiritualität und der ständigen Weiterbildung der Priester darstellen. Das Dokument beabsichtigt daher, weder eine umfassende Darlegung über das Priestertum noch eine reine Wiederholung dessen anzubieten, was vom Lehramt der Kirche bereits authentisch zum Ausdruck gebracht wurde. Es möchte vielmehr auf die wichtigsten Fragen doktrinärer, disziplinärer und pastoraler Art antworten, die sich den Priestern beim Einsatz für die Neu-Evangelisierung stellen. So wollte man beispielsweise klären, daß wahre priesterliche Identität, wie sie der göttliche Meister gewollt und die Kirche immer gelebt hat, nicht mit jenen Tendenzen vereinbar ist, welche die Realität des Amtspriestertums aushöhlen und annullieren wollen. Besonderes Augenmerk wollte man auf das spezifische Thema der Communio richten, das heute wegen der Auswirkungen auf das Leben des Priesters als besonders dringlich empfunden wird. Das gleiche gilt für die priesterliche Spiritualität, die in unserer Zeit nicht wenige Rückschläge erlitten hat vor allem aufgrund des Säkularismus und eines irrigen Anthropologismus. Schließlich schien es notwendig, einige Ratschläge für eine geeignete formatio permanens anzubieten, die den Priestern helfen soll, mit Freude und Verantwortung ihre Berufung zu leben. Der Text ist natürlich über die Bischöfe an alle Priester der lateinischen Kirche gerichtet. Die darin enthaltenen Direktiven betreffen in erster Linie die diözesanen Weltpriester, wenn auch viele dieser Richtlinien von den priesterlichen Mitgliedern der Ordensinstitute und der Gemeinschaften apostolischen Lebens - entsprechend angepaßt - genauso beachtet werden müssen. Es bleibt zu wünschen, daß dieses Direktorium für jeden Priester eine Hilfe sein kann, die eigene Identität zu vertiefen und die eigene Spiritualität zu mehren; eine Ermutigung im Dienst und in der Verwirklichung der eigenen Weiterbildung, deren Erstverantwortlicher jeder selbst ist; sowie ein Bezugspunkt für ein reichhaltiges und authentisches Apostolat zum Nutzen der Kirche und der ganzen Welt. Seitens der Kongregation für den Klerus, Gründonnerstag 1994. Jose T. Kard. Sanchez Präfekt + Crescenzio Sepe Tit.-Erzbischof von Grado Sekretär KONGREGATIONEN UND RÄTE I. Kapitel - Identität des Priesters Das Priestertum als Geschenk 1. Der gesamten Kirche wurde an der priesterlichen Salbung Christi im Heiligen Geist Anteil gegeben. In der Kirche bilden „nämlich alle Gläubigen eine heilige und königliche Priesterschaft, bringen geistige Opfer durch Jesus Christus Gott dar und verkünden die Machttaten dessen, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat” (1 Petr 2,5.9). <249> In Christus ist zum Heil aller Menschen sein ganzer mystischer Leib durch den Heiligen Geist mit dem Vater vereint. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 2. Die Kirche kann diese Sendung jedoch nicht allein weiterführen: Ihre gesamte Tätigkeit braucht zuinnerst die Verbundenheit mit Christus, dem Haupt seines Leibes. Sie ist unauflöslich mit dem Herrn vereint und empfängt von Ihm selbst ständig Gnade und Wahrheit, Führung und Unterstützung, damit sie allen und jedem „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung des Menschen mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit” <250> sein kann. Vgl. II. Vat. Konzil, Konst. Lumen Gentium, Nr. 1. Das Amtspriestertum findet seine Daseinsberechtigung in dieser Perspektive der vitalen und wirksamen Einheit mit Christus. Durch diesen Dienst nämlich fährt der Herr fort, inmitten seines Volkes jenes Wirken zu vollbringen, das allein Ihm als Haupt seines Leibes zukommt. Daher macht das Amtspriestertum das eigene Tun Christi, des Hauptes, greifbar und bezeugt damit, daß Christus seine Kirche nicht verlassen hat, sie vielmehr mit seinem immerwährenden Priestertum weiterhin belebt. Deshalb betrachtet die Kirche das Amtspriestertum als Geschenk, das ihr durch den Dienst einiger ihrer Gläubigen vermittelt wird. Dieses Geschenk wurde von Christen eingesetzt, um seine Heilssendung weiterzuführen. Anfänglich den Aposteln verliehen, besteht es durch deren Nachfolger, die Bischöfe, in der Kirche weiter. Sakramentaler Ursprung 2. Durch die sakramentale Weihe, die durch Handauflegung und Weihegebet des Bischofs geschieht, wird im Priester ein „besonderes ontologisches Band” bewirkt, „das den Priester mit Christus, dem Hohenpriester und Guten Hirten, vereint”. <251> Daher leitet sich die Identität des Priesters von der spezifischen Teilhabe am Priestertum Christi ab. In der Kirche und für die Kirche wird der Geweihte ein reales, lebendiges und transparentes Bild des Priesters Christi, „eine sakramentale Vergegenwärtigung Christi, des Hauptes und des Hirten”. <252> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 11: a.a.O., 675. Ebd., Nr. 15: a.a.O., 680. 1052 KONGREGATIONEN UND RÄTE Durch die Weihe erhält der Priester „als Geschenk eine geistliche Vollmacht, die Teilhabe an jener Autorität ist, mit welcher Jesus Christus durch den Heiligen Geist die Kirche leitet”. Diese sakramentale Identifikation mit dem ewigen Hohenpriester fügt den Priester in besonderer Weise ins trinitarische Geheimnis und durch das Geheimnis Christi in die Gemeinschaft des Amtes der Kirche ein, um dem Volk Gottes zu dienen. Trinitarische Dimension In Communio mit dem Vater, dem Sohn und dem Hl. Geist 3. Wie es wahr ist, daß jeder Christ durch die Taufe mit dem einen dreifältigen Gott verbunden ist, so ist es auch wahr, daß der Priester durch das Weihesakrament in eine besondere und spezifische Beziehung mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist hineingestellt wird. Es stimmt: „Unsere Identität hat ihren tiefsten Ursprung in der Liebe des Vaters. Wir sind mit dem von ihm gesandten Sohn, dem Hohenpriester und Guten Hirten, durch den Heiligen Geist im Amtspriestertum sakramental vereint. Leben und Dienst des Priesters sind Weiterführung des Lebens und des Tuns Christi selbst. Das ist unsere Identität, unsere wahre Würde, Quelle unserer Freude und die Gewißheit unseres Lebens”. Identität, Amt und Existenz des Priesters sind also wesenhaft auf die drei göttlichen Personen bezogen, und dies im Hinblick auf den priesterlichen Dienst in der Kirche. In der trinitarischen Heilsdynamik 4. Der Priester ist „als sichtbare Weiterführung und sakramentales Zeichen Christi, der selbst sowohl der Kirche als auch der Welt als dauernder und immer neuer Ursprung des Heils gegenübersteht”, in die trinitarische Heilsdynamik mit einer besonderen Verantwortung eingefügt. Seine Identität entspringt dem „ministerium verbi et sacramentomm”, das wesenhaft in Beziehung steht zum Geheimnis der rettenden Liebe des Vaters (vgl. Joh 17,6-9; 1 Kor 1,1; 2 Kor 1,1), zum priesterlichen Sein Christi, der seinen Diener persönlich beruft und dazu erwählt, mit ihm zu sein (vgl. Mk 3,15), sowie zur Gabe des Geistes (vgl. Joh 20,21), die dem Priester die nötige Kraft zuteilt, um eine Gemeinde von Kindern Gottes ins Leben zu rufen, die als sein einziges Volk bemfen und zum Reich des Vaters unterwegs sind. Vgl. ebd., Nr. 21: a.a.O., 688; II. Vat. Konzil, Dekr. Presbyterorum ordinis, Nrn. 2, 12. ^ Vgl. ebd., Nr. 12 c: a.a.O., 676. ^ Vgl. ebd., Nr. 18: a.a.O., 685-686; Botschaft der Synodenväter an das Volk Gottes: L'Osservatore Romano, 29.-30. Oktober 1990. * ^ Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 16; a.a.O., 682. 1053 KONGREGATIONEN UND RÄTE Innige Beziehung zur Dreifaltigkeit 5. Von daher versteht man die wesentlich „relationale” (vgl. Joh 17,11.21) <253> Charakteristik der Identität des Priesters. Vgl. ebd., Nr. 12: a.a.O., 675-677. Die Gnade und der unauslöschliche Charakter, die mit der sakramentalen Salbung des Heiligen Geistes <254> vermittelt werden, stellen den Priester in eine personale Beziehung zur Dreifaltigkeit, weil sie ja die Quelle des priesterlichen Seins und Tuns sind. Diese Beziehung muß vom Priester notwendigerweise in intimer und personaler Art gelebt werden im anbetenden und hebenden Dialog mit den drei göttlichen Personen und im Bewußtsein, daß ihm das empfangene Geschenk für den Dienst an allen gegeben wurde. <254> Vgl. Konzil von Trient, Sessio XXIII, De sacramento Ordinis: DS, 1763-1778; Johannes Paul II., Nachsyn-odales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 11-18: a.a.O., 673-686; Katechese, Generalaudienz vom 31. März 1993: L’Osservatore Romano, 1. April 1993. Christologische Dimension Spezifische Identität 6. Wie die trinitarische, so leitet sich die christologische Dimension direkt vom Sakrament ab, das ontologisch mit Christus, dem Priester, Lehrer, Heiligen und Hirten seines Volkes konfiguriert. <255> <255> Vgl. II. Vat. Konzil, Konst. Lumen Gentium, Nrn. 18-31; Dekr. Presbyterorum ordinis, Nr. 2; CIC, can. 1008. Den Gläubigen, welche zum Amtspriestertum erwählt und bestellt werden und dabei in das allgemeine Priestertum eingefügt bleiben, ist eine unauslöschliche Teilhabe an demselben und einzigen Priestertum Christi als dem Mittler und Herrn gegeben, und dies im Hinblick auf Heiligung, Lehre und Leitung des ganzen Gottes Volkes. Wenn also einerseits das allgemeine Priestertum der Gläubigen und das hierarchische oder Amtspriestertum aufeinander hingeordnet sind, weil beide auf jeweils eigene Weise am einzigen Priestertum Christi partizipieren, so unterscheiden sie sich andererseits wesenhaft voneinander. <256> ^ Vgl. II. Vat. Konzil, Konst. Lumen Gentium, Nr. 10; Dekr. Presbyterorum ordinis, Nr. 2. In diesem Sinn ist die Identität des Priesters neu im Vergleich mit jener aller Christen, die in ihrer Gesamtheit durch die Taufe am einzigen Priestertum Christi teilhaben und dazu berufen sind, es auf der ganzen Erde zu bezeugen. <257> Die Besonderheit des Amtspriestertums ist die Antwort auf das Bedürfnis aller Gläubigen, der Vermittlung und Herrlichkeit Christi Folge zu leisten, die durch die Ausübung des Amtspriestertums sichtbar gemacht werden. ^ Vgl. II. Vat. Konzil, Dekr. Apostolicam actuositatem, Nr. 3; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), Nr. 14: AAS 81(1989)409-413. In seiner eindeutig christologischen Identität muß sich der Priester bewußt sein, daß sein Leben ein Geheimnis ist, das in einer neuen und spezifischen Art ganz einge- 1054 KONGREGATIONEN UND RÄTE taucht ist in das Mysterium Christi und der Kirche und daß ihn dies im pastoralen Dienst ganz fordert und belohnt. <258> <258> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 13-14: a.a.O., 677-679; Katechese, Generalaudienz vom 31. März 1993: L’Osservatore Romano, 1. April 1993. Im Schoß des Volkes Gottes 7. Christus gibt den Aposteln Anteil an seiner Sendung. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 20,21). In der heiligen Weihe selbst ist die missionarische Dimension ontologisch gegenwärtig. Der Priester ist erwählt, geweiht und gesandt, um diese ewige Sendung Christi, dessen authentischer Repräsentant und Bote er wird, wirksam zu aktualisieren: „Wer euch hört, hört mich; wer euch verachtet, verachtet mich und wer mich verachtet, verachtet den, der mich gesandt hat” (Lfc 10,16). Man kann also sagen, daß die Konfiguration mit Christus durch die sakramentale Weihe den Priester innerhalb des Gottesvolkes definiert und ihn in eigener Weise der heiligenden, lehrenden und pastoralen Vollmacht Jesu Christi selbst teilhaftig werden läßt, des Hauptes und Hirten der Kirche. <259> <259> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 18: a.a.O., 684-686. Indem der Priester „in persona Christi Capitis” handelt, wird er Diener der wesentlichen Heilstaten, vermittelt die zum Heil notwendige Wahrheit, leitet das Volk Gottes und führt es zur Heiligkeit. <260> <260> Vgl. ebd., Nr. 15: a.a.O., 679-681. Pneumatologische Dimension Sakramentaler Charakter 8. In der Priesterweihe hat der Priester das Siegel des Heiligen Geistes empfangen, welches aus ihm einen Menschen gemacht hat, der mit sakramentalem Charakter bezeichnet ist, um für immer Diener Christi und der Kirche zu sein. Mit der versprochenen Zusicherung, der Tröster werde, „für immer mit ihm sein” (Joh 14,16-17), weiß der Priester, daß er nie die Gegenwart und wirksame Macht des Heiligen Geistes verlieren wird, um seinen Dienst auszuüben und die pastorale Liebe als Ganzhingabe für das Heil der eigenen Brüder und Schwestern leben zu können. Personale Communio mit dem Heiligen Geist 9. Wiedemm ist es der Heilige Geist, der dem Priester in der Priesterweihe die prophetische Aufgabe überträgt, das Wort Gottes zu verkünden und mit Autorität zu erläutern. Mit der gesamten Priesterschaft eingefügt in die Gemeinschaft der Kirche, wird der Priester vom Geist der Wahrheit geleitet, den der Vater durch Christus gesandt hat und der ihn alles lehrt und an alles erinnert, was Jesus den Aposteln gesagt hat. Daher entdeckt der Priester mit Hilfe des Hl. Geistes und durch das Studium 1055 KONGREGATIONEN UND RÄTE des Gotteswortes in der Heiligen Schrift im Licht der Überlieferung und des Lehramtes <261> den Reichtum des Wortes, das ihm anvertraut ist, um es der kirchlichen Gemeinde zu verkünden. <261> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, Nr. 10; Dekr. Presbyterorum ordinis, Nr. 4. Anrufung des Heiligen Geistes 10. Durch den sakramentalen Charakter und durch die Identifikation mit der Kirche ist der Priester bei der Feier der Liturgie immer in Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist, vor allem bei der Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente. In jedem Sakrament ist es ja Christus selbst, der zum Wohl der Kirche handelt und zwar durch den Hl. Geist, der in seiner wirksamen Macht vom zelebrierenden Priester „in persona Christi” angerufen wird. <262> <262> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekr. Presbyterorum ordinis, Nr. 5; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1120. Die sakramentale Feier erhält ihre Wirksamkeit durch das Wort Christi, der sie eingesetzt hat, und durch die Kraft des Geistes, den die Kirche in der Epiklese oftmals anruft. Dies ist besonders deutlich im eucharistischen Hochgebet: Der Priester ruft über Brot und Wein die Macht des Heiligen Geistes an, spricht die Worte Jesu und vergegenwärtigt das Geheimnis des Leibes und Blutes des real gegenwärtigen Christus. Kraft zur Gemeindeleitung 11. Schließlich findet der Priester in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes die Kraft, die ihm anvertraute Gemeinde zu leiten und sie in der vom Herrn gewollten Einheit zu bewahren. <263> Das Gebet des Priesters im Heiligen Geist kann sich das priesterliche Gebet Jesu Christi zum Vorbild nehmen (vgl. Joh 17). Daher muß er für die Einheit der Gläubigen beten, damit sie eins seien und die Welt glaube, daß der Vater zum Heil aller den Sohn gesandt hat. <263> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 6. Ekklesiologische Dimension „In” und „gegenüber” der Kirche 12. Christus, der dauernde und immer neue Quell des Heils, ist das ursprüngliche Geheimnis, aus dem das Geheimnis der Kirche hervorgeht. Sie ist sein Leib und seine Braut, die er als Bräutigam berufen hat, Zeichen und Werkzeug der Erlösung zu sein. Durch das den Aposteln und ihren Nachfolgern anvertraute Werk fährt Christus fort, seiner Kirche Leben zu schenken. Durch das Geheimnis Christi ist der Priester in der Ausübung seines vielfältigen Dienstes auch in das Geheimnis der Kirche eingefügt, die „sich im Glauben bewußt 1056 KONGREGATIONEN UND RÄTE wird, nicht aus sich selbst zu sein, sondern aus der Gnade Christi im Heiligen Geist”. <264> So findet sich der Priester zugleich in der Kirche und ihr gegenüber. <265> <264> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 16: a.a.O., 681. <265> Vgl. ebd. In gewisser Weise Teilhaber an Christus, dem Bräutigam 13. Tatsächlich macht das Weihesakrament den Priester nicht nur zum Teilhaber am Geheimnis Christi, des Priesters, Lehrers, Haupt und Hirten, sondern in gewisser Weise auch am Geheimnis Christi, des „Dieners und Bräutigams der Kirche”. <266> Sein „Leib” ist sie, die er gebebt hat und die er bebt bis zur Hingabe seiner selbst für sie (vgl. Eph 5,25); er erneuert und läutert sie ständig durch das Wort Gottes und die Sakramente (vgl. ebd. 5,26); er macht sie immer schöner (vgl. ebd. 5,27) und schbeßlich nährt und umsorgt er sie (vgl. ebd. 5,29). <266> Ebd., Nr. 3: a.a.O., 661. Die Priester bilden als Mitarbeiter der Bischöfe mit ihrem Bischof ein einziges Presbyterium <267> und partizipieren auf untergeordneter Stufe am einzigen Priestertum Christi. Sie partizipieren sogar ähnhch dem Bischof an jener bräutlichen Dimension gegenüber der Kirche, die im Ritus der Bischofsweihe durch die Ringverleihung gut zum Ausdruck kommt. <268> ^ Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 28; Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 7; Dekret Christus Dominus, Nr. 28; Dekret Ad gentes, Nr. 19; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 17: a.a.O., 683. <268> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 28; Pontificale Romanum, Ordinatio Episcoporum, Presbyterorum et Diaconorum, cap. I., n. 51, Ed. typica altera, 1990, 26. Die Priester, die „in den einzelnen Ortsgemeinden der Gläubigen sozusagen den Bischof vergegenwärtigen, mit dem sie vertrauensvob und großmütig geeint sind”, <269> sollen der Braut treu sein und gleichsam als lebendige Ikonen Christi, des Bräutigams, die vielfältige Hingabe Christi an seine Kirche wirksam entfalten. <269> II. Vat. Konzil, Konst. Lumen Gentium, Nr. 28. Wegen dieser Gemeinschaft mit Christus, dem Bräutigam, gründet auch das Amtspriestertum - wie Christus, mit Christus und in Christus - in jenem Geheimnis erlösender Liebe, an der die Ehe unter Christen teilhat. Berufen aus übematürbcher, absolut ungeschuldeter Liebe muß der Priester die Kirche beben, wie Christus sie geliebt hat, indem er ihr all seine Kräfte widmet und sich ihr mit pastoraler Liebe bis zur tägbchen Hingabe seines eigenen Lebens schenkt. Universalität des Priestertums 14. Aus der Weisung des Herrn, zu allen Völkern zu gehen {Mt 28,18-20), ergibt sich, daß der Priester der Kirche auch „gegenüber” steht. <270> Gesandt - „missus” - <270> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 16: a.a.O., 681. 1057 KONGREGATIONEN UND RÄTE vom Vater durch Christus, gehört der Priester „in unmittelbarer Weise” <271> der gesamten Kirche an, die die Sendung hat, die Frohbotschaft „bis an die Enden der Erde” (Apg 1,8) zu verkünden. <272> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Brief über die Kirche als Gemeinschaft Communionis notio (28. Mai 1992), Nr. 10: AAS 85(1993)844. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, Nr. 23 a: AAS 83(1991) 269. „Das geistliche Geschenk, das die Priester in der Weihe empfangen haben, bereitet sie auf eine sehr weite und universale Heilssendung vor”. <273> Durch die Weihe und das übertragene Amt sind ja alle Priester den Bischöfen verbunden und - in hierarchischer Gemeinschaft mit ihnen - dienen sie gemäß ihrer Berufung und Gnade dem Wohl der ganzen Kirche. <274> Daher darf die durch die Inkardination <275> gegebene Zugehörigkeit zu einer Teilkirche den Priester nicht in einer engen und partikularisti-schen Mentalität einschließen. Vielmehr muß er zum Dienst auch an anderen Kirchen offen sein, weil jede Kirche die Verwirklichung eines Teiles der einzigen Kirche Jesu Christi ist. Denn die universale Kirche lebt und vollzieht ihre Sendung in und aus den Teilkirchen, in wirkungsvoller Gemeinschaft miteinander. Daher müssen alle Priester „ein missionarisches Herz und eine ebensolche Mentalität haben und offen sein für die Nöte der Kirche und der Welt”. <276> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 10; Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 32: a.a.O., 709-710. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 28; Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 7. Vgl. CIC, can. 266 § 1. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23; 26; Kongregation für den Klerus, Note dir. Postquam Apostoli (25. März 1980), 5; 14; 23: AAS 72(1980)346-347, 353-354, 360-361; Tertullian, De praescriptione, 20: CCL 1, 201-202. Missionarisches Priestertum 15. Es ist wichtig, daß sich der Priester dieser missionarischen Realität seines Priestertums voll bewußt ist und diese wirklich lebt, und zwar in voller Übereinstimmung mit der Kirche, die es heute wie gestern als nötig erachtet, ihre Diener dorthin zu schicken, wo sie besonders dringend gebraucht werden, und die sich darum bemüht, eine gerechtere Verteilung des Klerus zu erreichen. <277> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23; Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 10; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 32: a.a.O., 709-710; Kongregation ftir den Klerus, Note dir. Postquam Apostoli (25. März 1980): AAS 72(1980)343-364; Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Pastorale Leitlinien für Diözesan-pnester in Missionsgebieten (1. Oktober 1989), Nr. 4; CIC, can. 271. Dieses Lebensbedürfnis der Kirche in der heutigen Welt muß von jedem Priester gespürt und gesehen werden, vor allem und eigentlich als eine Lebensaufgabe inmitten der Institution und zu ihrem Dienst. Daher sind alle jene Meinungen nicht zulässig, die im Namen eines mißverstandenen Respekts vor bestimmten Kulturen dazu neigen, die missionarische Tätigkeit der 30 31 32 33 34 35 36 1058 KONGREGATIONEN UND RÄTE Kirche zu verfälschen, die ja zum universalen Vollzug jenes Heilsgeheimnisses berufen ist, das alle Kulturen übersteigt und beleben muß. <278> <278> Vgl. Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Pastorale Leitlinien fiir Diözesanpriester in Missionsgebieten (1. Oktober 1989); Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris Missio (7. Dezember 1990), Nr. 54.67: AAS 83(1991) 301-302, 315-316. Man muß auch sagen, daß die weltweite Ausdehnung innerlich zum priesterlichen Dienst gehört und deswegen stets unwiderruflich ist. Sie findet eine Entsprechung in den sozio-kulturellen Merkmalen der heutigen Welt, wo man ja die Forderang spürt, Barrieren, die Völker und Nationen teilen, zu beseitigen und vor allem durch Kulturaustausch die Menschen zu verbrüdern, ungeachtet der geographischen Distanzen voneinander. Mehr als je zuvor muß sich deshalb der Klerus heute apostolisch engagiert vorfinden, um alle Menschen in Christus und seiner Kirche zu einen. Autorität als „amoris officium” 16. Ferner stellt sich der Priester der Kirche deutlich als Leiter „gegenüber”, der jene Gläubigen zur Heiligung hinfuhrt, die seinem wesentlich pastoralen Dienst anvertraut sind. Diese mit Demut und Kohärenz zu lebende Realität kann zwei gegensätzlichen Versuchungen ausgesetzt sein. Die erste ist die, den eigenen Dienst herrisch gegenüber der Herde auszuüben (vgl. Lk 22,24-27; 1 Petr 5,1-4), während die zweite jene ist, in einer unrichtigen Vorstellung von „Gemeinschaft” die eigene Gleichgestaltung mit Christus, dem Haupt und Hirten, herabzumindem. Die erste Versuchung war auch für die Jünger sehr stark und erfuhr von Jesus einen deutlichen und wiederholten Verweis: jede Autorität ist im Geiste des Dienstes auszuüben und zwar als „amoris officium” <279> und als vorbehaltlose Hingabe zum Wohl der Herde (vgl. Joh 13,14; 10,11). <279> Vgl. Hl. Augustinus, In Iohannis Evangelium Tractatus, 123, 5: CCL, 36.678. Der Priester muß sich immer daran erinnern, daß der Herr und Meister „nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen” (Mk 10,45), daß er sich niederkniete, um seinen Jüngern die Füße zu waschen (vgl. Joh 13,5), bevor er am Kreuz starb und bevor er sie in die ganze Welt aussandte (vgl. Joh 20,21). Die Priester geben dann authentisches Zeugnis für den auferstandenen Herrn, „dem alle Macht im Himmel und auf der Erde” (vgl. Mt 28,18) gegeben wurde, wenn sie ihre eigene „Vollmacht” im sowohl demütigen als auch bevollmächtigten Dienst an der eigenen Herde ausüben <280> und die Aufgaben respektieren, die Christus und die <280> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 21: a.a.O., 688-690; C/C, can. 274. 1059 KONGREGATIONEN UND RÄTE Kirche sowohl gläubigen Laien <281> als auch im Sinn der evangelischen Räte gottgeweihten Gläubigen <282> anvertrauen. CIC, cann. 275 § 2, 529 § 1. 4 Vgl. ehd., can. 574, § 1. Demokratistische Versuchung 17. Häufig geschieht es, daß man, um die erste Fehlhaltung zu vermeiden, der zweiten verfällt und dazu neigt, jeden Unterschied der Aufgaben zwischen den Gliedern des mystischen Leibes Christi, der die Kirche ist, zu eliminieren und damit faktisch die wahre Lehre der Kirche bezüglich der Unterscheidung von gemeinsamem Priestertum und Priestertum des Dienstes, ablehnt. <283> 2 Vgl. Konzil von Trient. Sessio XXIII, De sacramento Ordinis, cap. I e4, cann. 3, 4, 6: DS, 1763-1776; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 10; Kongregation für die Glaubenslehre, Brief Sacerdotium ministerielle (6. August 1983), Nr. 1: AAS 75(1983)1001. Unter den diversen Zerrbildern, die heute zu verzeichnen sind, findet man den sogenannten „Demokratismus”. Es ziemt sich in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, daß die Kirche all jene Verdienste und Werte anerkennt, die die demokratische Kultur in der zivilen Gesellschaft mit sich gebracht hat. Außerdem hat sich die Kirche immer mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für die Anerkennung der gleichen Würde aller Menschen eingesetzt. Im Sinne dieser kirchlichen Tradition hat sich das Zweite Vatikanische Konzil offen zur gemeinsamen Würde aller Getauften bekannt. <284> ^ Vgl. II. Vat. Konzil, Konst. Lumen Gentium, Nr. 9. Allerdings muß man auch feststellen, daß die Mentalität und Praxis in einigen Strömungen der soziopolitischen Kultur unserer Zeit nicht automatisch auf die Kirche übertragbar sind. Denn die Kirche verdankt ihre Existenz und ihre Struktur dem Heilsplan Gottes. Sie betrachtet sich selbst als Gabe eines wohlwollenden Vaters, der sie durch die Erniedrigung seines Sohnes am Kreuz befreit hat. Die Kirche möchte deshalb - im Heiligen Geist - dem freien und befreienden Willen ihres Herrn Jesus Christus ganz konform und treu sein. Dieses Heilsgeheimnis bewirkt, daß sich die Wirklichkeit der Kirche aufgrund ihrer Eigennatur von einfachen menschlichen Gesellschaften unterscheidet. Es handelt sich daher beim sogenannten „Demokratismus” um eine sehr schwerwiegende Versuchung, weil sie dahin führt, die Autorität und Gnade, die Christus als Haupt zukommen, zu leugnen und die Kirche ihres Wesens zu berauben, als wäre sie nichts anderes als eine menschliche Gesellschaft. Eine solche Sicht berührt die hierarchische Verfassung der Kirche selbst, wie sie von ihrem göttlichen Gründer gewollt worden war, wie sie das Lehramt immer klar gelehrt hat und wie sie die Kirche ununterbrochen gelebt hat. Mitbestimmung in der Kirche gründet auf dem Geheimnis der Gemeinschaft, das seinem Wesen nach in sich selbst die Gegenwart und aktive Funktion der kirchlichen Hierarchie beinhaltet und betrachtet. 1060 KONGREGATIONEN UND RÄTE Demnach ist in der Kirche eine gewisse Mentalität nicht zulässig, die sich bisweilen besonders in einigen Organismen der kirchlichen Mitbestimmung zeigt und die entweder dazu neigt, die Aufgaben der Priester und jene der gläubigen Laien zu verwechseln oder die dem Bischof eigene Autorität von jener der Priester als Mitarbeiter der Bischöfe nicht zu unterscheiden oder die Besonderheit des Petrusamtes im Bischofskollegium zu leugnen. In diesem Zusammenhang soll daran erinnert werden, daß das Presbyterium und der Priesterrat nicht Ausdruck des Assoziationsrechts der Kleriker sind und sie noch weniger nach Betrachtungsweisen gewerkschaftlicher Art angesehen werden können, die das Aufkommen von Forderungen und Teilinteressen verursachen, die der kirchlichen Gemeinschaft fremd sind. <285> <285> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbvterorum ordinis, Nr. 7. Unterschied zwischen gemeinsamem Priestertum und Amtspriestertum 18. Der Unterschied zwischen gemeinsamem Priestertum und Priestertum des Dienstes, weit entfernt davon Trennung oder Teilung zwischen die Mitglieder der christlichen Gemeinde zu bringen, harmonisiert und eint das Leben der Kirche. Sie ist ja als Leib Christi eine organische Gemeinschaft aller Glieder, wo jedes zum gemeinsamen Leben beiträgt, wenn es die eigenen verschiedenartige Rolle und die eigene spezifische Berufung im vollen Sinne lebt (i Kor 12,12 ff.). <286> <286> Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Pastorale Leitlinien für Diözesanpriester in Missionsgebieten (1. Oktober 1989), Nr. 3. Niemandem steht es daher zu, was Christus für seine Kirche gewollt hat, zu verändern. Sie ist unauflöslich an ihren Gründer und ihr Haupt gebunden, der ihr als einziger durch die Macht des Heiligen Geistes Amtsträger zum Dienst an den Gläubigen gibt. An die Stelle Christi, der durch die legitimen Hirten beruft, weiht und sendet, kann sich keine Gemeinde setzen, die sich - womöglich in einer Notlage befindlich - auf andere als von der Kirche vorgesehene Weise ihren eigenen Priester geben möchte. <287> Die Antwort zur Lösung von Notfällen ist das Gebet Jesu: „Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter zur Ernte zu senden” {Mt 9,38). Wenn sich an dieses vom Glauben getragene Gebet das intensive Leben karitativer Gemeinschaft anschließt, dann seien wir sicher, daß es der Herr nicht versäumen wird, Hirten nach seinem Herzen zu schenken (vgl. Jer 3,15). <288> <287> Vgl. Kongr. für die Glaubenslehre, Brief Sacerdotium ministeriale (6. August 1983), II. 3, III. 2: AAS 75(1983)1001-1009; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 875. <288> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 11. Nur Priester sind „pastores ” 19. Eine Form, um nicht der „demokratistischen” Versuchung zu verfallen, besteht darin, die sogenannte „Klerikalisierung” der Laien zu vermeiden, <289> die dazu neigt, <289> Johannes Paul II., Ansprache an den Episkopat der Schweiz (15. Juni 1984): Insegnamenti, VII/1(1984)1784. 1061 KONGREGATIONEN UND RÄTE das Amtspriestertum des Presbyters zu unterdrücken, dem allein aufgrund der vom Bischof empfangenen Priesterweihe im eigentlichen und eindeutigen Sinn der Begriff „Pastor” zukommen kann. Tatsächlich bezieht sich die Bezeichnung „Pastoral” auf die „potestas docendi et sanctificandi” sowie auf die „potestas regendi”. <290> Im übrigen wird daran erinnert, daß solche Tendenzen nicht die wahrhaftige Förderung des Laienstandes begünstigen, da sie oft dazu führen, daß die authentische Berufung und kirchliche Mission der Laien in der Welt vergessen wird. <290> Vgl. Johannes Paul II.. Ansprache an die Teilnehmer des Symposions „Der Priester heute”: Ansprache an die Teilnehmer Symposium „Ins in vita et in missione EcclesiaeL'Osservatore Romano, 29. Mai 1993; 25. April 1993. Priesterliche Gemeinschaft „ Communio ” mit der Dreifaltigkeit und mit Christus 20. Im Licht all dessen, was bereits über die Identität des Priesters gesagt wurde, verwirklicht sich die Gemeinschaft des Priesters vor allem mit dem Vater, dem tiefsten Ursprung jeder Vollmacht, mit dem Sohn, an dessen Erlösersendung er partizipiert, und mit dem Heiligen Geist, der ihm die Kraft schenkt, jene pastorale Liebe zu leben und zu verwirklichen, die ihn priesterlich qualifiziert. Tatsächlich „kann man also das Wesen und die Sendung des Priestertums des Dienstes nur in diesem vielfältigen und reichen Zusammenspiel von Beziehungen bestimmen, die aus der innergöttlichen Trinität kommen und sich in die Gemeinschaft der Kirche als Zeichen und Werkzeug in Christus für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit hinein fortsetzen”. <291> ^ Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 12: a.a.O., 676; Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 1. „ Communio” mit der Kirche 21. Aus dieser fundamentalen Unio-Communio mit Christus und mit der Dreifaltigkeit leitet sich für den Priester seine Communio-Beziehung mit der Kirche im Hinblick auf ihr Mysterium und auf die kirchliche Gemeinschaft ab. <292> ^ Vgl. II. Vat. Konzil, Konst. Lumen Gentium, Nr. 8. Dort im innersten Geheimnis der Kirche, und zwar als Mysterium trinitarischer Gemeinschaft in missionarischer Spannung, ist es ja, wo sich jede christliche Identität offenlegt und deshalb auch die spezifische und personale Identität des Priesters und seines Amtes. Konkret verwirklicht sich die Gemeinschaft des Priesters mit der Kirche in verschiedener Weise. Mit der Priesterweihe tritt er nämlich in besondere Verbundenheit mit dem Papst, mit dem Bischofskollegium, mit dem eigenen Bischof, mit den anderen Priestern und mit den gläubigen Laien. 1062 KONGREGATIONEN UND RATE Hierarchische „ Communio ” 22. Die Communio als Charakteristikum des Priestertums ist auf der Einzigkeit des Hauptes, Hirten und Bräutigams der Kirche, auf Christus, gegründet. <293> Vgl. Hl. Augustinus, Serrno 46, 30: CCL 41,555-557. In solcher Gemeinschaft des Amtes nehmen auch bestimmte Bindungen Form an: zuallererst mit dem Papst, dem Bischofskollegium und dem eigenen Bischof. „Den priesterlichen Dienst gibt es nur in Gemeinschaft mit dem Papst und mit dem Bi-schofskollegium, besonders mit dem eigenen Diözesanbischof; ihnen muß der Priester ,den kindlichen Respekt und den Gehorsam' entgegenbringen, den er im Ritus der Priesterweihe gelobt hat”. <294> Es handelt sich also um eine hierarchische Gemeinschaft, d. h. um eine Communio in jener Hierarchie, wie sie eben in ihrem Innern strukturiert ist. <294> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 28: a.a.O., 701-702. Solche Communio beinhaltet aufgrund der Teilhabe am einen Amtspriestertum auf der den Bischöfen untergeordneten Stufe eine geistliche und organisch-strukturelle Bindung der Priester an den gesamten Stand der Bischöfe sowie an den eigenen Bischof, <295> auch an den Papst, da er Hirte der gesamten Kirche <296> und jeder TeiUdrche ist. Dies wird durch die Tatsache bestärkt, daß der ganze Stand der Bischöfe in seiner Gesamtheit und jeder einzelne Bischof in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Haupt des Kollegiums sein muß. <297> Dieses Kollegium setzt sich nämlich nur aus geweihten Bischöfen zusammen, die in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Haupt und seinen Gliedern stehen. <295> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 28; Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 7.15. <296> Vgl. C/C, cann. 331, 333 § 1. ^ Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 22; Dekret Christus Dominus, Nr. 4; CIC, can. 336. „ Communio ” in der Eucharistiefeier 23. Die hierarchische Gemeinschaft findet man im eucharistischen Hochgebet bedeutungsvoll zum Ausdruck gebracht, wo der Priester für den Papst betet, für die Gemeinschaft der Bischöfe und für den eigenen Bischof, und damit nicht bloß ein Gefühl der Verehrung ausdrückt, sondern die Authentizität seiner Zelebration bezeugt. <298> <298> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Brief über die Kirche als Gemeinschaft Communionis notio (28. Mai 1992), Nr. 14: AAS 85(1993)847. Selbst die Konzelebration unter den vorgesehenen Umständen und Bedingungen, <299> besonders unter dem Vorsitz des Bischofs und unter Mitfeier der Gläubigen, manifestiert gut die Einheit des Priestertums Christi in der Vielheit seiner Ämter, wie <299> Vgl. CIC, can. 902; Kongregation für die Sakramente und den Göttlichen Kult, Dekret part. Promulgato Codice (12. September 1983), II, I, 153: Notitiae 19(1983)542. 1063 KONGREGATIONEN UND RÄTE auch die Einheit des Opfers und des Gottes Volkes. Außerdem trägt sie dazu bei, die Brüderlichkeit des Dienstes unter den Priestern zu stärken. „ Communio ” in der Ausübung des Dienstes 24. Jeder Priester soll der Person des Heiligen Vaters mit tiefer, demütiger und kindlicher Liebe verbunden sein und seinem Petrusamt als Lehrer, Priester und Hirte beispielhaft anhangen. In Treue und in Achtung der Autorität des eigenen Bischofs wird er die für die Ausübung seines Priesteramtes erforderliche Gemeinschaft verwirklichen. Erfahrene Seelsorger stellen leicht die Notwendigkeit fest, jede Art von Subjektivismus in der Amtsausübung zu vermeiden und sich mitverantwortlich an die Pastoralpläne zu halten. Solches Zusammenhalten ist Ausdruck von Reife und trägt zur Auferbauung jener Einheit der Gemeinschaft bei, die für das Werk der Evangelisierung unerläßlich ist. Durch die volle Respektierung der hierarchischen Unterordnung wird der Priester zum Protagonisten einer aufrichtigen Beziehung zum eigenen Bischof, die durch ehrliches Vertrauen, herzliche Freundschaft, Suche nach Einvernehmen und Konvergenz in Ideen und Plänen charakterisiert ist. Überlegte persönliche Initiative und pastoraler Unternehmungsgeist leiden dabei keinen Schaden. „ Communio ” im Presbyterium 25. Aufgrund des Weihesakramentes „ist jeder Priester mit den anderen Mitgliedern des Presbyteriums durch besondere Bande der apostolischen Liebe, des Amtes und der Brüderlichkeit vereint”. Er ist ja eingefügt in den „Ordo Presbyterorum”, der 59 60 61 62 63 64 Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, III, q.82, a.2 ad 2, Sent. IV, d.13, q.l, a 2, q.2; II. Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium, Nrn. 41, 57; Hl. Ritenkongregation, Allgemeines Dekret Ecclesiae semper (7. März 1965): AAS 57(1965)410-412; Instruktion Eucaristicum Mysterium (25. Mai 1965) Nr. 47: AAS 59(1967)565-566. Vgl. Hl. Ritenkongregation, Instruktion Eucharisticum Mysterium (25. Mai 1967) Nr. 47: AAS 59(1967)565-566. Vgl. CIC, can. 273. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 15; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 65.79: a.a.O., 770-772, 796-798. Hl. Ignatius von Antiochien, Ad Ephesios, XX, 1-2: „... Wenn der Herr mir offenbart, daß ihr, jeder einzelne für sich und alle gemeinsam ... dem Bischof und dem Presbyterium in unumstößlicher Ergebenheit herzlich verbunden seid, indem ihr das eine Brot brecht, das Arznei der Unsterblichkeit, Gegengift des Todes ist und vielmehr erwirkt, immer in Jesus Christus zu leben”: Patres Apostolici, ed. F.X. Funk, II, 203-205. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 17: a.a.O., 683; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 28; Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 8; CIC, can. 275 § 1. 1064 KONGREGATIONEN UND RÄTE jene Einheit bildet, die sich als eine wahre Familie verstehen kann, in der die Bande nicht aus Heisch und Blut, sondern aus der Weihegnade kommen. <300> Die Zugehörigkeit zu einem konkreten Presbyterium <301> erfolgt immer im Bereich einer Teilkirche, eines Ordinariates oder einer Personalprälatur. Im Unterschied zum Bischofskollegium scheint es nämlich keine theologische Basis zur Bestätigung der Existenz eines „universalen Presbyteriums” zu geben. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 74: a.a.O., 790; Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Pastorale Leitlinien fiir Diözesanpriester in Missionsgebieten (1. Oktober 1989), Nr. 6. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorwn ordinis, Nr. 8; CIC, cann. 369, 498, 499. Priesterliche Brüderlichkeit und Zugehörigkeit zum Presbyterium sind also den Priester auszeichnende Eigenschaften. Besonders bedeutungsvoll ist diesbezüglich in der Priesterweihe der Ritus der Handauflegung durch den Bischof, an dem alle anwesenden Priester teilnehmen, um sowohl die Teilnahme an der gleichen Amtsstufe anzuzeigen als auch, daß der Priester nicht allein wirken kann, sondern immer nur innerhalb des Presbyteriums, indem er Mitbruder all jener wird, die es bilden. <302> Vgl. Pontificale Romanura, De Ordinatione Episcopi, Presbyterorum et Diaconorum, cap. II, nn. 105, 130: editio typica altera, 1990, 54; 66-67; II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 8. Inkardination in einer Teilkirche 26. Die Inkardination in eine bestimmte Teilkirche <303> bildet eine echte rechtliche Bindung, <304> die auch spirituellen Wert hat, daß sich von ihr „die Beziehung zum Bischof in dem einen Presbyterium, die Teilnahme an seinem Bemühen um die Kirche und die Hingabe an die am Evangelium orientierte Sorge um das Volk Gottes unter den konkreten Bedingungen von Geschichte und Umwelt” <305> ableiten. In dieser Perspektive ist die Bindung an die Teilkirche auch sehr bedeutungsvoll für das pasto-rale Wirken. Vgl. CIC, can. 265. Vgl. Johannes Paul II., Ansprache in der Kathedrale von Quito an Bischöfe, Priester, Ordensleute und Seminaristen (29. Januar 1985): Insegnamenti, VIII/l(1985)247-253. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 31: a.a.O., 708. In diesem Zusammenhang soll nicht vergessen werden, daß in die Diözese nicht in-kardinierte Weltpriester und solche Priester, die als Mitglieder einer Ordensgemeinschaft in der Diözese wohnhaft sind und zu deren Wohl irgendein Amt ausüben, sehr wohl ihrem legitimen Ordinarius unterstehen, jedoch voll oder unter anderem Titel dem Presbyterium der betreffenden Diözese <306> angehören, wo „sie aktives und passives Wahlrecht bei der Bildung des Priesterrates haben”. <307> Besonders die Priester der Ordensgemeinschaften tragen mit vereinten Kräften zum pastoralen Eifer bei, indem sie den Beitrag spezifischer Charismen anbieten und „durch ihre Anwe- Vgl. ebd., Nm. 17.74: a.a.O., 683, 790. Vgl. CIC, can. 498 § 1, § 2. 65 66 67 68 69 70 71 72 1065 KONGREGATIONEN UND RÄTE senheit die Teilkirche dazu anspomen, ihre Öffnung nach allen Seiten intensiver zu leben”. <308> Johannes Paul IL, Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 31: a.a.O., 708-709. Priester schließlich, die einer Diözese inkardiniert, jedoch einer von der zuständigen kirchlichen Autorität anerkannten kirchlichen Bewegung <309> dienen, sollen sich bewußt sein, daß sie Mitglieder des Presbyteriums der Diözese sind, wo sie ihren Dienst verrichten, und daß sie ehrlich mit ihm Zusammenarbeiten sollen. Seinerseits soll der Bischof der Inkardination den durch die Zugehörigkeit zur Bewegung erforderlichen Lebensstil respektieren und nach Maßgabe des Rechts bereit sein, dem Priester zu gestatten, sein Amt in anderen Teilkirchen auszuüben, falls dies zum Charisma der Bewegung gehört. <310> <309> Vgl. ebd., Nrn. 31.41.68: a.a.O., 708, 728-729, 775-777. 7^ Vgl. CIC, can. 271. Presbyterium als Ort der Heiligung 27. Das Presbyterium ist der privilegierte Ort, wo der Priester die entsprechenden Mittel zur Heiligung und Evangelisation finden können müßte und wo er Hilfe erfahren sollte, um besonders heute empfundene menschliche Grenzen und Schwächen zu überwinden. Er soll sich daher in jeder Weise bemühen, sein eigenes Priestertum nicht in einer isolierten und subjektivistischen Art zu leben. Er wird die brüderliche Gemeinschaft zu fördern suchen und zwar durch Geben und Nehmen - von Priester zu Priester -, herzliche Freundschaft, gefühlsmäßige Anteilnahme, Gastfreundschaft, correctio fratema, im Bewußtsein, daß die Weihegnade „die menschlichen, psychologischen, emotionalen, freundschaftlichen und geistlichen Beziehungen erhebt ... und sich verdeutlicht und konkretisiert in den unterschiedlichen Formen gegenseitiger Hilfeleistung, nicht nur geistlicher, sondern auch materieller Art”. <311> All dies ist in der Liturgie der Messe In Coena Domini am Gründonnerstag zum Ausdruck gebracht, welche zeigt, wie die Priester aus der eucharistischen Gemeinschaft - eingesetzt beim letzten Abendmahl - die Fähigkeit empfangen, einander so zu heben, wie sie der Meister hebt. <312> 7^ Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 74: a.a.O., 790. <312> Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 4. August 1993, Nr. 4: L’Osservatore Romano, 5. August 1993. Priesterfreundschaft 28. Der tiefe kirchliche Sinn des Presbyteriums behindert keinesfalls, sondern erleichtert vielmehr das Wahmehmen der persönlichen Verantwortung jedes Priesters in dem Amt, das ihm vom Bischof anvertraut wurde. <313> Die Fähigkeit, reife und tiefe Freundschaftsbeziehungen zu kultivieren und zu leben, macht in der Ausübung des <313> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nm. 12-14. 1066 KONGREGATIONEN UND RATE Amtes Gelassenheit und Freude sichtbar. Sie ist entscheidende Unterstützung in Schwierigkeiten und wertvolle Hilfe beim Wachstum pastoraler Liebe, die der Priester besonders jenen Mitbrüdem zuwenden muß, die sich in Schwierigkeiten befinden, Verständnis, Hilfe und Unterstützung brauchen. <314> „ Vita communis ” Vgl. ebcl., Nr. 8. 29. Ein Zeichen solcher Gemeinschaft ist auch die von der Kirche immer geförderte „vita communis”, <315> die erst unlängst von den Dokumenten des n. Vatikanischen Konzils <316> sowie vom Lehramt <317> neuerlich empfohlen und in nicht wenigen Diözesen positiv praktiziert werden. Vgl. Hl. Augustinus, Sermones 355, 356, De vita et moribus clericonun: PL 39, 1568-1581. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 28 c; Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 8; Dekret Christus Dominus, Nr. 30 a. Vgl. Kongregation für die Bischöfe, Direktorium Ecclesiae Imago (22. Februar 1973), 112; CIC, cann. 280, 245 § 2, 550 § 1; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 81: a.a.O., 799-800. Unter ihren verschiedenen Formen (gemeinsames Haus, Tischgemeinschaft usw.) muß man die gemeinsame Teilnahme am liturgischen Gebet <318> am höchsten einschätzen. Die verschiedenen Modalitäten müssen gemäß den Möglichkeiten und praktischen Vorteilen gefördert werden, ohne deshalb lobenswerte Modelle des Ordenslebens zu kopieren. Besonders sind jene Vereinigungen zu loben, welche die prie-sterliche Brüderlichkeit fördern sowie die Heiligkeit in der Ausübung des Dienstes und die Gemeinschaft mit dem Bischof und mit der ganzen Kirche. <319> Es ist zu wünschen, daß Pfarrer dazu bereit sind, im Pfarrhaus die „vita communis” mit ihren Pfarrvikaren zu fördern, <320> indem sie diese effektiv als Kooperatoren und Teilhaber an der pastoralen Sorge hochachten; ihrerseits müssen die Pfarrvikare zum Gehngen der priesterlichen Gemeinschaft beitragen, indem sie die Autorität des Pfarrers anerkennen und respektieren. <321> <322> „ Communio ” mit den gläubigen Laien Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium, Nrn. 26.99; Institutio Generalis, Litur-gia Horarum, n. 25. Vgl. CIC, can. 278 § 2; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 31.68.81: a.a.O., 708, 777, 799. Vgl. CIC, can. 550 § 2. Vgl. ebd., can. 545, § 1. Vgl. Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 7. Juli 1993: L'Ossenmtore Romano, 8. Juli 1993; II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 15 b. 30. Als Mensch der Gemeinschaft wird der Priester seine Liebe zum Herrn und zur Kirche nicht zum Ausdruck bringen können, ohne sie in eine tatkräftige und bedingungslose Liebe zum christlichen Volk, dem seine pastorale Sorge gilt, umzuset- 79 80 81 82 83 84 85 86 87 1067 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wie Christus muß er diese „in der ihm anvertrauten Herde gleichsam an sich selbst transparent werden lassen”, <323> indem er mit den gläubigen Laien einen positiven und förderlichen Umgang pflegt. Deren Würde als Kinder Gottes anerkennend, fördert er deren eigene Rolle in der Kirche und dient ihnen mit seinem gesamten priester-lichen Dienst und mit seiner pastoralen Liebe. <324> Im Bewußtsein der tiefen Gemeinschaft, die ihn mit den gläubigen Laien und den Ordensleuten verbindet, wird sich der Priester alle Mühe geben, um „die Mitverantwortung für die eine gemeinsame Heilssendung anzuregen und zu entfalten, mit lebhafter und herzlicher Anerkennung aller Charismen und Aufgaben, die der Geist den Gläubigen für die Auferbauung der Kirche schenkt”. <325> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 15: a.a.O., 679-680. RQ Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 9; CIC, cann. 275 § 2, 529 § 2. <325> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 74: a.a.O., 788. Konkret wird also der Pfarrer, der immer um das Gemeinwohl der Kirche bemüht ist, die Vereinigungen und Bewegungen der Gläubigen mit religiösen Zielsetzungen fördern, <326> sie alle aufnehmen und ihnen dabei helfen, untereinander Einheit in den Absichten, im Gebet und im Apostolat zu finden. <326> Vgl. C/C, can. 529 § 2. Insofern er die Familie Gottes vereint und die Kirche als Communio verwirklicht, wird der Priester zum Brückenbauer, der den Menschen mit Gott verbindet und sich zum Bruder der Menschen macht, gerade indem er ihnen Hirte, Vater und Lehrer sein will. <327> Dem heutigen Menschen, der den Sinn seines Lebens sucht, ist er Wegbegleiter zur Christusbegegnung. Diese Begegnung geschieht als Zusage und als zwar noch nicht endgültige, aber doch schon gegenwärtige Realität in der Kirche. So wird sich der zum Dienst am Volk Gottes bestimmte Priester als Experte der Menschlichkeit erweisen, als ein Mensch der Wahrheit und der Gemeinschaft sowie als Zeuge der Sorge des einzigen Hirten für alle und jedes einzelne seiner Schafe. Die Gemeinde wird mit Sicherheit auf seinen Einsatz zählen können, auf seine Verfügbarkeit, auf seine unermüdliche Evangelisierungsarbeit und vor allem auf seine treue und bedingungslose Liebe. <327> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 74: a.a.O., 788; Paul VI., Enzyklika Ecclesiam suam (6. August 1964), III: AAS 56(1964)647. Weiters wird er seine geistliche Aufgabe mit Liebenswürdigkeit und Festigkeit ausüben, mit Demut und Dienstgesinnung, <328> indem er als Mitleid teilnimmt an den Leiden, die den Menschen aufgrund verschiedener Formen der Armut, spiritueller und materieller, alter und neuer, erwachsen. Er wird es auch verstehen, mit Barmherzigkeit den schweren und unsicheren Weg der Bekehrung der Sünder zu begleiten, denen er das Geschenk der Wahrheit und das geduldige und ermutigende Wohlwollen <328> Vgl. Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 7. Juli 1993: L’Osseiyatore Romano, 8. Juli 1993. 1068 KONGREGATIONEN UND RÄTE des Guten Hirten anbietet, der das verirrte Schaf nicht bestraft sondern voller Freude über seine Rückkehr zur Herde auf die Schultern nimmt (vgl. Lk 15,4-7). <329> Vgl. CIC, can. 529 § 1. „ Communio ” mit Ordensleuten 31. Besondere Aufmerksamkeit wird er den Brüdern und Schwestern widmen, die in den verschiedensten Formen des gottgeweihten Lebens engagiert sind, indem er mit ehrlicher Hochachtung und im Geist apostolischer Zusammenarbeit deren spezifische Charismen respektiert und fördert. Er wird außerdem dazu beitragen, daß das gottgeweihte Leben zum Nutzen der ganzen Kirche immer leuchtender erscheint sowie immer überzeugender und anziehender für neue Generationen. Im Sinne solcher Hochschätzung des gottgeweihten Lebens wird sich der Priester besonders um jene Gemeinschaften kümmern, die aus verschiedenen Gründen größeren Bedarf an guter Glaubenslehre, an Hilfestellung und an Ermutigung zur Treue haben. Förderung von Berufungen 32. Jeder Priester wird sich besonders der Förderung von Berufungen widmen, ohne zu versäumen, das Gebet um Berufungen anzuregen, sowie in der Katechese, in der Ausbildung der Ministranten und in sonstigen geeigneten Initiativen durch persönlichen Kontakt darauf zu achten, daß Talente entdeckt werden und daß der Wille Gottes zu einer mutigen Entscheidung für die Nachfolge Christi erkannt wird. <330> Sicherlich bilden auch das klare Bewußtsein der eigenen Identität, die Kohärenz des Lebens, offensichtliche Freude und missionarischer Eifer unerläßliche Elemente einer Pastoral der Berufungen, die in eine organische und allgemein übliche Pastoral zu integrieren sind. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyteronim ordinis, Nr. 11; CIC, can. 233, Mit dem Seminar als Wiege der eigenen Berufung und als Lemstätte erster Erfahrungen gemeinschaftlichen Lebens wird der Priester immer Beziehungen herzlicher Zusammenarbeit und ehrlicher Fürsorge pflegen. „Es ist ein unaufhebbares Erfordernis der pastoralen Liebe”, <331> daß jeder Priester -die Gnade des Heiligen Geistes unterstützend - „sich mit sorgsamem Eifer darum bemüht”, wenigstens einen „Nachfolger im priesterlichen Dienst zu finden”. Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 74 c; a.a.O., 789. Politischer und sozialer Einsatz 33. Der Priester wird als Diener der Kirche, die sich ihrer Universalität und ihrer Katholizität wegen an keine historische Kontingenz binden kann, über jeglichen politischen Parteiungen stehen. Er kann nicht in politischen Parteien oder in der Führung gewerkschaftlicher Vereinigungen aktiv teilnehmen, außer es wäre nach An- 94 95 1069 KONGREGATIONEN UND RÄTE sicht der zuständigen kirchlichen Autorität für die Verteidigung der Rechte der Kirche oder zur Förderung des Gemeinwohls erforderlich. <332> Obwohl nämlich diese Dinge in sich gut sind, so sind sie doch dem Stand der Kleriker nicht angemessen, insofern sie eine schwere Gefahr der Spaltung der kirchlichen Gemeinschaft darstellen können. <333> Vgl. CIC, can. 287 § 2; Kongregation für den Klerus, Dekret Quidam Episcopi (8. März 1982): AAS 74(1982)642-645. <333> Vgl. Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Pastorale Leitlinien für Diözesanpriester in Missionsgebieten (1. Oktober 1989), Nr. 9; Kongregation für den Klerus, Dekret Quidam Episcopi (8. März 1982): AAS 74(1982)642-645. Wie Jesus (vgl. Joh 6,15 ff.) muß der Priester „darauf verzichten, sich in Formen aktiver Politik zu betätigen, vor allem wenn dies fast unvermeidlich auf nur einer Seite geschieht, damit er als Mensch aller seine Schlüsselstellung hinsichtlich spiritueller Brüderlichkeit behalten kann”. <334> Jeder Gläubige muß daher jederzeit zum Priester hingehen können, ohne sich jemals aus irgendeinem Grund ausgeschlossen fühlen zu müssen. <334> Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 28. Juli 1993, Nr. 3: L'Osservatore Romano, 29. Juli 1993; Vgl. II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution Gaudium et spes, Nr. 43; Weltbischofssynode, Dokument über das Amtspriestertum Ultimis temporibus (30. November 1971), II, I, 2 b: AAS 63(1971)912-913; CIC, cann. 285 § 3, 287 § 1. Der Priester wird sich daran erinnern, daß es „nicht Sache der Hirten der Kirche ist, in die politischen Strukturen und in die Organisation des Gesellschaftslebens direkt einzugreifen. Diese Aufgabe gehört zur Sendung der gläubigen Laien, die aus eigenem Ansporn mit ihren Mitbürgern Zusammenarbeiten.” <335> Allerdings wird er nicht versäumen, sich „für die rechte Bildung ihres Gewissens” einzusetzen. <336> Die Reduktion seiner Sendung auf zeitliche Aufgaben, bloß sozial, politisch oder jedenfalls seiner Identität fremd, ist keine Errungenschaft, vielmehr ein schwerer Verlust für die evangelische Fruchtbarkeit der ganzen Kirche. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2442; Vgl. CIC, can. 227. ^ Weltbischofssynode, Dokument über das Amtspriestertum Ultimis temporibus (30. November 1971), II, I, 2 b: AAS 63(1971)913. II. Kapitel - Priesterliche Spiritualität Der historische Kontext der Gegenwart Die Zeichen der Zeit verstehen 34. Leben und Dienst der Priester entwickeln sich immer im historischen Kontext, manchmal voll neuer Probleme und unvermuteter Umstände, in denen die pilgernde Kirche zu leben hat. Das Priestertum erwächst nicht aus der Geschichte, sondern aus dem unveränderlichen Willen des Herrn. Allerdings konfrontiert es sich mit den historischen Umständen und - obgleich es sich selbst immer treu bleibt - gestaltet es sich durch die 1070 KONGREGATIONEN UND RÄTE konkrete Form der Entscheidungen, aber auch durch eine kritische Bezugnahme und eine Suche nach einer dem Evangelium entsprechenden Antwort auf die „Zeichen der Zeit”. Aus diesem Grund haben die Priester die Pflicht, solche „Zeichen” im Licht des Glaubens zu interpretieren und sie einer klugen Unterscheidung zu unterziehen. Jedenfalls können sie diese nicht ignorieren, besonders dann nicht, wenn man das eigene Leben in wirksamer und gehöriger Weise so orientieren möchte, daß Dienst und Zeugnis immer mehr fruchtbar werden für das Reich Gottes. In der gegenwärtigen Lebensphase von Kirche und Gesellschaft sind die Priester gerufen, mit ganzer Tiefe ihren Dienst zu leben angesichts der immer tiefgreifenderen, zahlreicheren und schwierigeren nicht nur pastoralen, sondern auch sozialen und kulturellen Bedürfnisse, die anzugehen sind, <337> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 5: a.a.O., 663-665. Sie sind daher heute in verschiedenen Ebenen des Apostolats engagiert, wo Großzügigkeit und ganze Hingabe, intellektuelle Vorbereitung und vor allem ein reifes und tiefes, in pastoraler Liebe verwurzeltes geistliches Leben verlangt wird. Dies ist ihr spezifischer Weg zur Heftigkeit, und dies stellt im Rahmen der pastoralen Tätigkeit einen authentischen Dienst an den Gläubigen dar. Dringlichkeit der Neu-Evangelisierung 35. Daraus ergibt sich, daß der Priester in ganz besonderer Weise in den Einsatz der gesamten Kirche für die Neu-Evangelisierung einbezogen ist. Ausgehend vom Glauben an Jesus Christus, den Erlöser des Menschen, hat er die Gewähr, daß in Ihm ein „unausschöpflicher Reichtum” (Eph 3,8) da ist, den keine Kultur und keine Epoche je aufbrauchen kann, und aus dem die Menschen immer ihre Bereicherung erfahren. <338> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache in Santo Domingo (12. Oktober 1992), Nr. 24: AAS 85(1993)826. Daher ist dies die Stunde der Erneuerung unseres Glaubens an Jesus Christus, der „gestern, heute und immer” (Hebr 13,8) derselbe ist. Deshalb ist „der Aufruf zur Neu-Evangelisierung zunächst ein Aufruf zur Bekehrung”. <339> Gleichzeitig ist es ein Aufruf zur Hoffnung, „die sich auf die Verheißungen Gottes stützt, auf die Treue zu seinem Wort, und die als unumstößliche Gewißheit die Auferstehung Christi hat -seinen endgültigen Sieg über Sünde und Tod, die erste Botschaft und Begründung jeder Evangelisierung, das Fundament jedes menschlichen Fortschritts, das Prinzip jeder authentischen christlichen Kultur”. <340> Ebd„ Nr. 1: a.a.O., 808-809. Ebd., Nr. 25: a.a.O., 827. In diesem Kontext muß der Priester zunächst seinen Glauben, seine Hoffnung und seine aufrichtige Liebe zum Herrn verlebendigen, damit er Ihn den Gläubigen und allen Menschen veranschaulichen kann, wie Er wahrhaft ist: eine lebendige Person, faszinierend und mehr als alle anderen hebend, weil er sein Leben für uns hingab; 1071 KONGREGATIONEN UND RÄTE „niemand hat eine größere Liebe als der, der sein Leben bingibt für seine Freunde” (Joh 15,13). Gleichzeitig wird der Priester als Antwort auf alle Ängste Jesus Christus verkünden und zwar im Bewußtsein, daß jeder Mensch auf verschiedene Weise eine Liebe sucht, die ihn die engen Grenzen seiner Schwächen, seines Egoismus und schließlich seines Todes überwinden lassen kann. Der Priester ist aufgerufen, in der Neu-Evangelisierung ein Bote der Hoffnung <341> zu sein. <341> Vgl. ebd. Herausforderung durch Sekten und neue Kulte 36. Eine besondere Herausforderung ergibt sich für den pastoralen Dienst aus der Verbreitung von Sekten und neuen Kulten, die sich auch unter gläubigen Katholiken ausbreiten. Dieses Phänomen hat komplexe Ursachen. Jedenfalls wird vom Dienst der Priester verlangt, auf die heute besonders stark vorhandene Suche nach dem Heiligen und nach authentischer Spiritualität entsprechend vorbereitet und gezielt einzugehen. Tatsächlich war in den letzten Jahren feststellbar, daß es insbesondere pastorale Beweggründe sind, die es erforderlich machen, daß der Priester ein Mann Gottes und ein Meister des Gebetes ist. Gleichzeitig erscheint es notwendig, daß die seiner pastoralen Sorge anvertraute Gemeinde eine Atmosphäre bietet, wo sich niemand, der zu ihr gehört, der Anonymität oder der Gleichgültigkeit überlassen erfahren muß. Es handelt sich dabei um eine Verantwortung, die sicherlich alle Gläubigen angeht, aber in besonderer Weise doch den Priester als Mann der Gemeinschaft. Wenn es der Priester versteht, mit Freundlichkeit und Respekt jemanden, der kommt, anzunehmen und als Persönlichkeit ernst zu nehmen, dann entsteht daraus ein Stil authentischer Liebe, der sich schrittweise in der ganzen Gemeinde bemerkbar machen wird. Um der Herausforderung durch Sekten und neue Kulte zu begegnen, bedarf es besonders einer bewährten und umfassenden Katechese, die heute von seiten des Priesters spezielle Anstrengungen verlangt, damit alle seine Gläubigen die Bedeutung der christlichen Berufung und des katholischen Glaubens wirklich kennenlemen. Insbesonders müssen die Gläubigen darüber genau unterrichtet werden, welche Beziehung zwischen ihrer spezifischen Berufung in Christus und ihrer Zugehörigkeit zu seiner Kirche besteht, die sie ergeben und standhaft lieben sollen. All das läßt sich verwirklichen, wenn der Priester in seinem Leben und Dienst alles vermeidet, was Lauheit, Kälte oder bloß selektive Identifikation mit der Kirche her-vorrufen könnte. 1072 KONGREGATIONEN UND RÄTE Licht- und Schattenseiten der Dienstausübung 37. Sehr tröstlich ist festzustellen, daß heute Priester aller Altersstufen in überwiegender Mehrheit mit freudigem Einsatz, der oft Frucht eines stillen Heroismus ist, ihren Dienst ausüben und bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit arbeiten, manchmal ohne die Früchte ihrer Arbeit zu sehen. Durch diesen ihren Einsatz stellen sie heute eine lebendige Verkündigung jener göttlichen Gnade dar, die, im Augenblick der Priesterweihe gespendet, dauernd neue Kraft zum heiligen Dienst schenkt. Diesem Licht, welches das Leben des Priesters erhellt, fehlen freilich nicht die Schatten, die dazu neigen, die Schönheit des Zeugnisses an die Welt abzuschwächen und den Dienst weniger wirksam zu machen. Der pastorale Dienst ist ein faszinierendes, aber auch schwieriges Unternehmen, vielfach dem Unverständnis und der Verdrängung ausgesetzt und heute vor allem der Müdigkeit, der Isolation und manchmal der Einsamkeit. Um gegenüber den Herausforderungen zu bestehen, die sich für den Priester von der verweltlichten Mentalität her ständig ergeben, wird er dem spirituellen Leben, dem Sein mit Christus und dem Leben großmütiger pastoraler Liebe den absoluten Vorrang einräumen sowie die Gemeinschaft mit allen und zuallererst mit den anderen Priestern intensivieren. Mit Christus im Gebet bleiben Primat des geistlichen Lebens 38. Der Priester wurde in jenem langen Gebet sozusagen „konzipiert”, als Jesus zum Vater von seinen Aposteln gesprochen hat und sicherlich von allen, die im Lauf der Jahrhunderte an seiner eigenen Sendung partizipieren würden (vgl. Lk 6,12; Joh 17,15-20). Auch das ganz auf das priesterliche Golgatha-Opfer ausgerichtete Gebet Jesu im Garten von Gethsemane (vgl. Mt 26,36-44 par.) zeigt in paradigmati-scher Weise, „wie unser Priestertum zutiefst an das Gebet gebunden sein muß: verwurzelt im Gebet”. <342> <342> Vgl. Johannes Paul II., Brief an die Priester (Gründonnerstag 1987): AAS 79(1987)1285-1295. Aus diesen Gebeten geboren und zur Erneuerung des von ihnen untrennbaren Opfers berufen, werden die Priester ihren Dienst lebendig erhalten durch ein spirituelles Leben, dem sie den absoluten Vorrang einräumen, indem sie vermeiden, es wegen diverser Aktivitäten zu vernachlässigen. Gerade um den pastoralen Dienst fruchtbar gestalten zu können, braucht der Priester den besonderen und tiefen Einklang mit Christus, dem guten Hirten, der allein der eigentliche Protagonist jeder pastoralen Tätigkeit bleibt. 1073 KONGREGATIONEN UND RÄTE Mittel für das geistliche Leben 39. Ein solches spirituelles Leben muß im Leben jedes Priesters Gestalt annehmen, sowohl durch die Liturgie und durch das persönliche Gebet als auch durch entsprechenden Lebensstil und durch Praxis der christlichen Tugenden, die zum Gehngen der dienstlichen Tätigkeit beitragen. Christus gleichförmig zu werden, verlangt sozusagen klimatische Bedingungen der Freundschaft und der persönlichen Begegnung mit Jesus, dem Herrn, und ebensolche des Dienstes an der Kirche, die sein Leib ist und die der Priester offensichtlich liebt, indem er treu und unermüdlich seine Pflichten im pastoralen Dienst erfüllt. <343> Vgl. C/C, can. 276 § 2, § 1. Daher ist es für den Priester notwendig, sein Gebetsleben dermaßen zu gestalten, daß es folgendes umfaßt: die tägliche Eucharistiefeier <344> mit geeigneter Vorbereitung und Danksagung; die häufige Beichte <345> und die bereits im Seminar praktizierte Seelenführung; <346> die vollständige und eifrige Feier des Stundengebetes, <347> wozu er täglich angehalten ist; <348> die Gewissenserforschung; <349> das stille Gebet in angemessener Weise; <350> die lectio divina; <351> die ausgedehnten Zeiten des Schweigens und des Gesprächs, vor allem in den Exerzitien und in periodischen Einkehrtagen; <352> die kostbaren Ausdrucksformen marianischer Frömmigkeit wie den Rosenkranz; <353> die Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nrn. 5.18; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 23.26.38.46.48: a.a.O., 691-694, 697-700, 720-723, 738-740, 742-745; CIC, cann. 246 § 1, 276 § 2, § 2. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nrn. 5.18; CIC, cann. 246 § 4, 276 § 2, 5; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 26.48: a.a.O., 697-700, 742-745. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 18; CIC, can. 239; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 40.50.81: a.a.O., 724-726, 746-748, 799- 800. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 18; CIC, cann. 246 § 2, 276 § 2, §3; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 26.72: a.a.O., 697-700, 783-797. Vgl. CIC, can. 1174 § 1. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 18; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 26.37-38.47.51.53.72: a.a.O., 697-700, 718-723, 740-742, 748-750, 751-753,783-787. Vgl. CIC, can. 276 § 2, § 5. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nrn. 4.13.18; Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 26.47.53.70.72: a.a.O., 697-700, 740-742, 751-753, 778-782, 783-787. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 18; CIC, can. 276 § 2, §4; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 80: a.a.O., 798-800. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr, 18; CIC, cann. 246 § 3, 276 § 2, §5; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 36.38.45.82: a.a.O., 715-718, 720-723, 736-738, 800-804. 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 1074 KONGREGATIONEN UND RÄTE „Via Crucis” und die übrigen Frömmigkeitsübungen; <354> die lohnende hagiographi-sche Lektüre. <355> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyteronun ordinis, Nr. 18; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 26.37-38.47.51.53.72: a.a.O., 697-700, 718-723, 740-742, 748-750, 751-753, 783-787. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyteronun ordinis, Nr. 18 c. Jedes Jahr, während der hl. Messe des Gründonnerstags, sollen die Priester vor ihrem Bischof und zusammen mit ihm als Zeichen dauernden Treuebemühens die in der Priesterweihe gegebenen Versprechen erneuern. <356> Johannes Paul II., Brief an alle Priester der Kirche Novo incipiente zum Gründonnerstag 1979, 8. April 1979, Nr. 1: AAS 71(1979)394; Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 80: a.a.O., 798-799. Die Sorge um das geistliche lieben muß vom Priester selbst als freudige Pflicht wahrgenommen werden, aber auch als ein Recht der Gläubigen, die in ihm bewußt oder unbewußt den Mann Gottes suchen, den Berater, den Friedensstifter, den treuen und klugen Freund, den sicheren Begleiter, dem man sich in den härtesten Augenblicken des Lebens anvertrauen kann, um Trost und Sicherheit zu finden. <357> Vgl. Possidius, Vita Sancti Aurelii Aiigustini, 31; PL 32,63-66. Das Vorbild des betenden Christus 40. Aufgrund vieler Verpflichtungen, die in hohem Maß mit der pastoralen Tätigkeit zu tun haben, ist das Leben der Priester heute mehr denn je einer Reihe von Anforderungen ausgesetzt, die es in Richtung eines wachsenden äußeren Aktivismus lenken und es manchmal einem frenetischen und Überfordemden Rhythmus unterwerfen könnten. Gegenüber solcher „Versuchung” darf man nicht vergessen, daß die erste Absicht Jesu jene war, Apostel um sich zu sammeln, damit sie vor allem „mit ihm seien” (Mk 3,14). Der Sohn Gottes selbst wollte uns auch das Zeugnis seines Gebetes hinterlassen. Tatsächlich zeigen uns die Evangelien mit großer Häufigkeit Christus im Gebet: bei der Offenbarung seiner Sendung durch den Vater (vgl. Lk 3,21-22), vor der Berufung der Apostel (vgl. Lk 6,12), in der Danksagung an Gott bei der Brotvermehrung (vgl. Mt 14,19; 15,36; Mk 6,41; 8,7; Lk 9,16; Joh 6,11), bei der Verklärung auf dem Berg (vgl. Lk 28-29), als er den Taubstummen heilt (vgl. Mk 7,34) und Lazarus erweckt (vgl. Joh 11,41 ff.), vor dem Petrusbekenntnis (Lk 9,18), als er die Jünger beten lehrt (Lkll,l), und diese dann von ihrer Mission zurückkehren (vgl. Mt 11,25 ff.; Lk 10,21 ff.), bei der Segnung der Kinder (vgl. Mt 19,13) und beim Beten für Petrus (vgl. Lk 22,32). All sein tägliches Wirken kam aus dem Gebet. So zog er sich in die Wüste oder auf den Berg zurück, um zu beten (vgl. Mk 1,35; 6,46; Lk 5,16; Mt 4,1; Mt 14,23), er stand früh am Morgen auf (vgl. Mk 1,35) und verbrachte die ganze Nacht im Gebet mit Gott (vgl. Mt 14,23.25; Mk 6,46.48; Lk 6,12). 1075 KONGREGATIONEN UND RÄTE Bis ans Ende seines Lebens, beim letzten Abendmahl (vgl. Joh 17,1-26), in der Agonie (vgl. Mt 26,36-44 par.) und am Kreuz (vgl. Lk 23,34.46; Mt 27,46; Mk 15,34) hat der göttliche Meister gezeigt, daß das Gebet seinen messianischen Dienst und seinen österlichen Hinübergang beseelte. Auferweckt vom Tod, lebt er für immer und betet für uns (vgl. Hebr 7,25). <358> <359> <358> Vgl. Institutio Generalis, Liturgia Horarwn, nn. 3-4. <359> Vgl. Pontificale Romanum - De ordinatione Episcopi, Presbyteromm et Diaconorum, cap. II, n. 151: Ed. typica altera 1990,87-88. Nach dem Beispiel Christi muß es der Priester verstehen, sich die Lebendigkeit und Fülle der Augenblicke des Schweigens und des Gebetes zu erhalten und darin die eigene existentielle Beziehung mit der lebendigen Person Jesu, des Herrn, zu kultivieren und zu vertiefen. Das Vorbild der betenden Kirche 4L Um seinem engagierten „Mit-Jesus-Sein” treu zu bleiben, soll sich der Priester die betende Kirche zum Vorbild nehmen. Bei der Weitergabe des Wortes Gottes sei der Priester eingedenk der an ihn am Tag seiner Priesterweihe vom Bischof gerichteten Mahnung: „Damit mache das Wort zum Gegenstand deiner ständigen Betrachtung, glaube immer, was du liest, lehre, was du glaubst, verwirkliche im Leben, was du lehrst. So wirst du mit der Glaubenslehre das Volk Gottes nähren und es mit dem guten Beispiel deines Lebens trösten und unterstützen. Du wirst mitbauen am Tempel Gottes, der die Kirche ist.” Ähnliches gilt hinsichtlich der Feier der Sakramente und insbesondere der Eucharistie: „Sei dir daher dessen bewußt, was du tust, ahme nach, was du vollziehst. Nachdem du das Mysterium des Todes und der Auferstehung des Herrn feierst, trage den Tod Christi in deinem Körper und gehe ein in sein neues Leben.” Und schließlich gilt es hinsichtlich der pastoralen Leitung des Gottesvolkes, damit es hingeführt wird zum Vater, durch Christus und im Heiligen Geist: „Damit höre nie auf, den Blick auf Christus, den Guten Hirten, zu richten, der nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und heimsuchend jene zu treffen, die verloren wa-ren. Gebet als „ communio ” 42. Kraft der besonderen Bindung an den Herrn wird der Priester jene Augenblicke zu bestehen wissen, in denen er sich mitten unter den Menschen einsam fühlen könnte; und zwar indem er nachdrücklich sein Sein mit Christus erneuert, der in der Eucharistie sein Zufluchtsort und bester Ruheplatz ist. Wie Jesus, der im Alleinsein ständig mit dem Vater war (vgl. Lk 3,21; Mk 1,35), <360> so muß auch der Priester ein Mensch sein, der in der Einsamkeit die Gemeinschaft <360> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyteromm ordinis, Nr. 18; Weltbischofssynode, Dokument über das Amtspriestertum Ultimis temporibus (30. November 1971), II, 1,3: AAS 63(1971)913-915; Johannes 1076 KONGREGATIONEN UND RÄTE mit Gott findet, um dann mit dem hl. Ambrosius sagen zu können: „Nie bin ich weniger einsam als dann, wenn ich einsam zu sein scheine.” Beim Herrn wird der Priester Kraft und Mittel finden, um die Menschen wieder Gott anzunähem, um ihren Glauben zu entfachen und um Einsatz und Mitarbeit zu erreichen. Pastorale Liebe Zeichen der Liebe Christi 43. Die pastorale Liebe bildet das innere und dynamische Prinzip, das die vielfältigen und verschiedenen pastoralen Tätigkeit des Priesters einen kann. Angesichts des sozio-kulturellen und religiösen Umfeldes, in dem er lebt, ist sie ein unverzichtbares Werkzeug, um die Menschen zum Gnadenleben hinzufuhren. Durchdrungen von solcher Liebe, muß der Dienst eine Bekundung der Liebe Christi sein, deren Einstellungen und Haltungen der Priester erkennen lassen wird, bis zur eigenen Ganzhingabe für die Herde, die ihm anvertraut ist. Die Nachahmung der Hirtenliebe Christi bis zur entsprechenden Gestaltung des eigenen Lebens ist ein Ziel, das vom Priester Bemühungen und fortwährende Opfer verlangt, weil es nicht im Improvisieren besteht noch ein Pausemachen oder ein Ein-für-allemal-Erreichthaben kennt. Der Diener Christi wird sich verpflichtet fühlen, diese Realität immer und überall zu leben und zu bezeugen, auch wenn er aus Altersgründen keine konkreten pastoralen Aufgaben mehr haben sollte. Funktionalismus 44. Die pastorale Liebe läuft vor allem heute Gefahr, durch den sogenannten „Funktionalismus” ihres Sinnes entleert zu werden. Tatsächlich nimmt man nicht selten, auch seitens einiger Priester, den Einfluß einer Mentalität wahr, die irrigerweise dazu neigt, das Amtspriestertum lediglich auf die funktionalen Aspekte zu reduzieren. Den Priester „machen”, einzelne Serviceleistungen anbieten und manche Dienste garantieren, wäre demnach die ganze priesterliche Existenz. Eine derart reduzierte Konzeption von Identität und Amt des Priesters riskiert, dessen Leben in Richtung einer Leere zu drängen, die dann oft mit nicht zum eigenen Amt passenden Lebensformen ausgefüllt wird. Der Priester, der Diener Christi und seiner Braut zu sein weiß, wird im Gebet, im Studium und in der geistlichen Lesung die nötige Kraft finden, auch diese Gefahr zu überwinden. Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 46-47: a.a.O., 738-742; Katechese, Generalaudienz vom 2. Juni 1993, Nr. 3: L’Ossen>atore Romano, 3. Juni 1993. „Numquam enim minus solus sum, quam cum solus esse videor”: Epist. 33 (Maur. 49), CSEL, 82, 229. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterornm ordinis, Nr. 14; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 23: a.a.O., 691-694. 1077 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wortverkündigung Treue zum Wort 45. Christus hat den Aposteln und der Kirche den Auftrag zur Verkündigung der Frohbotschaft an alle Menschen anvertraut. Die Weitergabe des Glaubens ist Aufdecken, Verkünden und Vertiefen der christlichen Berufung; d. h. der Ruf Gottes ergeht an jeden Menschen, dem das Heilsgeheimnis gezeigt wird und damit gleichzeitig der Platz, den er unter Bezugnahme auf jenes Geheimnis als Adoptivsohn im Sohn einnehmen soll. <361> <362> Dieser doppelte Aspekt wird zusammengefaßt im Glaubensbekenntnis hervorgehoben, das eine der bevorzugten Ausdrucksweisen jenes Glaubens ist, mit dem die Kirche immer auf en Ruf Gottes geantwortet hat. <363> Vgl. CIC, can. 279 § 1. <362> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution Dei Verbum, Nr. 5; Katechismus der Katholischen Kirche, Nrn. 1-2, 142. l ™ Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nrn. 150-152.185-187. Nun stellen sich dem priesterlichen Dienst zwei Aufgaben, die gleichsam die beiden Seiten derselben Medaüle sind. Da gibt es zunächst den missionarischen Charakter der Weitergabe des Glaubens. Der Dienst am Wort kann nicht abstrakt und fern vom Leben der Leute sein; im Gegenteil, er muß auf den Lebenssinn des Menschen, jedes Menschen, direkten Bezug nehmen und daher auf die drängendsten Fragen eingehen, die sich dem menschlichen Gewissen stellen. Andererseits ist Authentizität erforderlich sowie Übereinstimmung mit dem Glauben der Kirche, welche die Wahrheit über Gott und über den Menschen bewahrt. Dies muß mit äußerstem Verantwortungsbewußtsein geschehen, geht es doch dabei um die wichtigsten Fragen nach dem Leben und nach dem Sinn der Existenz des Menschen. Für einen fruchtbaren Dienst am Wort wird der Priester in diesem Kontext den Vorrang des gelebten Zeugnisses berücksichtigen, das die Macht der Liebe Gottes entdecken läßt und sein Wort überzeugend macht. Dies gilt ebenso für die verbale Predigt über das Geheimnis Christi an die Gläubigen, an die Nicht-Glaubenden und an die Nicht-Christen; für die Katechese, die eine geordnete und organische Darlegung der Lehre der Kirche ist; für die Anwendung der geoffenbarten Wahrheit zur Lösung konkreter Fälle. <364> <364> Vgl. Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 21. April 1993, Nr. 6: L’Osservatore Romano, 22. April 1993. Das Bewußtsein der absoluten Notwendigkeit, treu und am Wort Gottes sowie an der Tradition verankert zu „bleiben”, um wahrhaft Jünger Christi zu sein und die Wahrheit zu erkennen (vgl. Joh 8,31-32), hat die Geschichte der priesterlichen Spiritualität immer begleitet. Dies wurde auch vom n. Vatikanischen Konzil feierlich bekräftigt. <365> 137 " Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, Nr. 25. 1078 KONGREGATIONEN UND RÄTE Besonders die zeitgenössische Gesellschaft, die vom theoretischen und vom praktischen Materialismus, von Subjektivismus und von Problematizismus gezeichnet ist, hat es notwendig, daß ihr das Evangelium als „die Macht Gottes, die jene retten kann, die glauben,, (vgl. Röm 1,16), angeboten wird. Die Priester, eingedenk dessen, daß „der Glaube von der Predigt abhängig ist und die Predigt ihrerseits durch das Wort Christi geschieht” (Röm 10,17), werden alle ihre Energie aufbringen, um dieser Mission, die in ihrem Dienst vorrangig ist, zu entsprechen. Sie sind ja nicht nur Zeugen, sondern auch Verkünder und Überlieferer des Glaubens. <366> Dieser Dienst - ausgeübt in hierarchischer Gemeinschaft - befähigt sie, mit Autorität den katholischen Glauben darzulegen und den Glauben der Kirche offiziell zu bezeugen. Denn „das Volk Gottes wird an erster Stelle geeint durch das Wort des lebendigen Gottes, das man mit Recht vom Priester verlangt”. <367> Um authentisch zu sein, muß das Wort „ohne Doppelzüngigkeit und ohne jede Verfälschung, aber als offenes Aufzeigen der Wahrheit vor Gott” (2 Kor 4,2) überliefert werden. Der Priester wird es mit gereifter Verantwortung vermeiden, die göttliche Botschaft zu verkehren, zu reduzieren, zu verzerren oder zu verwässern. Seine Aufgabe ist nämlich, „nicht eine eigene Weisheit zu lehren, vielmehr das Wort Gottes zu lehren und alle nachdrücklich zur Bekehrung und zur Heiligkeit einzuladen”. <368> Die Predigt kann sich also nicht darauf beschränken, eigene Gedanken mitzuteilen, die persönliche Erfahrung hervorzukehren und simple Erklärungen psychologischer, <369> soziologischer oder philanthropischer Art anzubieten; genausowenig kann sie exzessiv in faszinierender Rhetorik schwelgen, wie es in Massenmedien oft geschieht. Es geht dämm, ein Wort zu verkünden, worüber nicht willkürlich verfügt werden kann, weil es der Kirche anvertraut ist, damit es gehütet, erforscht und treu überliefert wird. <370> Vgl. CIC, cann. 757, 762, 776. <367> II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 4. <368> Ebd.; vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 26: a.a.O., 697-700. Vgl. Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 21. April 1993: L’Osservatore Romano, 22. April 1993. <370> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution Dei Verbum, Nr. 10; Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 21. April 1993: VOsservatore Romano, 22. April 1993. Wort und Leben 46. Das Bewußtsein der eigenen Sendung als Verkünder des Evangeliums wird immer mehr pastoral konkretisiert werden müssen, damit der Priester im Licht des Wortes Gottes die verschiedensten Situationen und Umfelder, in denen er seinen Dienst ausübt, entsprechend beleben kann. Um wirkungsvoll und glaubhaft sein zu können, ist es daher wichtig, daß der Priester - aus der Sicht seines Glaubens und seines Dienstes - mit konstruktivem kritischem Sinn die Ideologien, die Sprache, die kulturellen Verflechtungen und die Ty- 1079 KONGREGATIONEN UND RÄTE pologien, die von den Massenmedien verbreitet werden und die weithin Geisteshaltungen konditionieren, zu durchschauen vermag. Angeregt vom Apostel, der ausrief: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündigte!” (7 Kor 9,16), wird er alle jene Kommunikationsmittel, die ihm die Wissenschaft und die moderne Technik anbieten, zu nützen wissen. Sicherlich hängt nicht alles von solchen Mitteln oder von menschlichen Fähigkeiten ab, da ja die göttliche Gnade ihren Zweck auch unabhängig vom Werk der Menschen erreichen kann. Aber im Plan Gottes ist die Wortverkündigung normalerweise der privilegierte Weg der Glaubensweitergabe und der Evangelisierung. Für die Vielen, die heute außerhalb oder fern der Christusverkündigung sind, wird der Priester die angstvollen Fragen besonders dringlich und aktuell empfinden: „Wie werden sie glauben können, ohne davon gehört zu haben? Und wie werden sie davon hören können, ohne jemanden, der verkündigt?” (Röm 10,14). Um auf solche Fragen zu antworten, wird er sich persönlich bemüßigt fühlen, durch das Studium einer gesunden, vor allem patristischen Exegese, mit der Heiligen Schrift besonders vertraut umzugehen, auch durch Meditation nach Methoden, die sich in der spirituellen Tradition der Kirche bewährt haben, um sich solchermaßen ein von Liebe beseeltes Verständnis anzueignen. <371> Deshalb hat der Priester die Pflicht, der lang- und kurzfristigen Vorbereitung der liturgischen Homilie besondere Aufmerksamkeit zu widmen hinsichtlich der Inhalte, der Ausgewogenheit zwischen expositiven und applikativen Teilen, der Pädagogik und der Vortragstechnik bis hin zur guten Diktion, die Rücksicht nimmt auf die Würde der Sache und der Adressaten. <372> <371> Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, I, q.43, a.5. <372> Vgl. CIC, can. 769. Wort und Katechese 47. Die Katechese ist ein bedeutsamer Teil jener Sendung zur Evangelisierung und ein besonderes Mittel der Lehre und der Reifung des Glaubens. <373> Der Priester trägt als Mitarbeiter und Beauftragter des Bischofs die Verantwortung dafür, die kate-chetischen Aktivitäten der ihm anvertrauten Gemeinde anzuregen, zu koordinieren und zu leiten. Es ist wichtig, daß er es versteht, solche Aktivitäten in ein organisches Projekt der Evangelisation zu integrieren und dabei vor allem die Einmütigkeit der Katechese der eigenen Gemeinde mit der Person des Bischofs, mit der Ortskirche und mit der Gesamtkirche zu garantieren. <374> <373> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Catechesi Tradendae (16. Oktober 1979), Nr. 18: AAS 71(1979)1291-1292. <374> Vgl. CIC, can. 768. Insbesondere wird er darauf bedacht sein, eine rechte und angemessene Verantwortung und Mitarbeit hinsichtlich der Katechese zu erreichen, sei es bei Mitgliedern von Ordensinstituten und von Gemeinschaften apostolischen Lebens, sei es bei ent- 1080 KONGREGATIONEN UND RÄTE sprechend vorbereiteten gläubigen Laien, <375> denen er Anerkennung und Achtung für die katechetische Aufgabe entgegenbringt. Vgl. CIC, can. 776. Besonderes Bemühen wird er für die Grundausbildung und für die Weiterbildung der Katecheten aufbringen sowie für Vereinigungen und für Bewegungen. Im Rahmen des Mögbchen müßte der Priester der „Katechet der Katecheten” sein, der mit ihnen eine wahre Gemeinschaft der Jünger des Herrn bildet, die als Bezugspunkt für die Katechese-Teilnehmer dient. Als Lehrer <376> und Erzieher <377> des Glaubens wird der Priester sicherstellen, daß die Katechese überhaupt einen privilegierten Teil der christlichen Erziehung in der Familie, im Religionsunterricht, im Ausbildungswesen der apostolischen Bewegungen usw. darstellt und daß sie alle Kategorien von Gläubigen erreicht: Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren. Darüber hinaus wird er es verstehen, katechetische Lehrinhalte weiterzugeben, indem er sämtliche Hilfen benützt wie etwa didaktische Hilfsmittel und Kommunikationsmittel, die wirkungsvoll sein können, damit die Gläubigen entsprechend ihrem Verstehenshorizont, ihren Fähigkeiten, ihrem Lebensalter und ihren praktischen Lebensverhältnissen in die Lage versetzt werden, die christliche Lehre umfassender zu erfahren und sie auf geeignete Weise in die Praxis umzusetzen. <378> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 9. Vgl. ebd., Nr. 6. Vgl. CIC, can. 779. Zu diesem Zweck wird der Priester als hauptsächlichen Bezugspunkt den Katechismus der Katholischen Kirche nicht missen wollen. Dieser Text stellt nämlich die sichere und authentische Norm der kirchlichen Lehre dar. <379> Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Fidei Depositum (11. Oktober 1992), Nr. 4. Das Sakrament der Eucharistie Das eucharistische Geheimnis 48. Wenn der Dienst am Wort das Grundelement des priesterlichen Amtes ist, so bildet dessen Herz und vitales Zentrum ohne Zweifel die Eucharistie, die vor allem die reale Präsenz des einzigen und ewigen Opfers Christi in der Zeit ist. <380> Als sakramentales Gedenken des Todes und der Auferstehung Christi, als reale und wirksame Vergegenwärtigung des einzigen Erlösungsopfers, als Quelle und Gipfelpunkt des christlichen Lebens und aller Evangelisierung <381> ist die Eucharistie der Anfang, die Mitte und das Ziel des priesterlichen Dienstes, denn „alle kirchlichen Dienste und Apostolatswerke sind eng an die Eucharistie gebunden und auf sie hin- Vgl. Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 12. Mai 1993, Nr. 3: L’Osservatore Romano, 14. Mai 1993. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 5. 142 143 144 145 146 147 148 1081 KONGREGATIONEN UND RÄTE geordnet”. <382> Geweiht, um das heilige Opfer weiterhin darzubringen, manifestiert der Priester dabei auf augenfällige Weise seine Identität. Ebd. Es gibt nämlich einen innigen Zusammenhang zwischen der Zentralität der Eucharistie, der pastoralen Liebe und der Einheit des Lebens des Priesters, <383> welcher durch sie entscheidende Weisungen für den Weg der Heiligkeit erhält, die zu erlangen er auf besondere Weise bemfen ist. Vgl. ebd., Nrn. 5.13; Hl. Justinus, Apologia I, 67: PG 6, 429-432; Hl. Augustinus, In Johannis Evangelium Tractatus, 26.13-15: CCL, 36, 266-268. Wenn der Priester durch den eigenen Dienst, Christus, dem ewigen Hohenpriester, Intelligenz, Willen, Stimme und Hände anbietet, damit er dem Vater das sakramentale Opfer der Erlösung darbringen kann, soll er sich die innere Einstellung des Meisters zu eigen machen und wie Er als „Geschenk” für seine eigenen Brüder leben müssen. Deshalb muß er lernen, sich mit der Opfergabe innig zu vereinen, indem er auf dem Opferaltar sein ganzes Leben als sichtbares Zeichen der freien und zuvorkommenden Liebe Gottes darbringt. Feier der hl. Eucharistie 49. Es ist notwendig, an den unersetzlichen Wert zu erinnern, den die tägliche Ze-lebration der hl. Messe <384> für den Priester hat, auch wenn dafür keine Gläubigen Zusammenkommen sollten. Er wird sie als den zentralen Moment des ganzen Tages und des täglichen Dienstes erleben, als Frucht ehrlicher Sehnsucht und als Gelegenheit zur tiefen und wirksamen Begegnung mit Christus. Und er wird sehr darauf achten, sie mit Andacht und inniger Anteilnahme des Geistes und des Herzens zu fei- Vgl. C1C, can. 904. In einer Zivilisation, die immer mehr sensibel ist für die Kommunikation durch Zeichen und Bilder, wird der Priester all dem sein Augenmerk schenken, was Schmuck und Sakralität der eucharistischen Zelebration erhöhen kann. Es ist wichtig, bei der Eucharistie die Eignung und Sauberkeit des Ortes in rechter Weise zu berücksichtigen, die Architektur des Altars und des Tabernakels, <385> die Erhabenheit der Gefäße, der Paramente, <386> des Gesangs, <387> der Musik, <388> das heilige Schweigen <389> usw. All dies sind Elemente, die zu einer besseren Teilnahme am eucharistischen Opfer beitragen können. Zuwenig Aufmerksamkeit nämlich für die symbolischen Aspekte der Liturgie, weiters Auslassungen und Eile, Oberflächlichkeit und Unordnung entleeren die Zeichenhaftigkeit und schwächen das Glaubenswachstum. <390> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium, Nr. 128. Vgl. ebd., Nrn. 122-124. Vgl. ebd., Nrn. 112.114.116. Vgl. ebd., Nr. 120. Vgl. ebd., Nr. 30. Vgl. CIC, can. 899 § 3. 149 150 151 152 153 154 155 156 157 1082 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wer schlecht zelebriert, zeigt damit die Schwachheit seines Glaubens und erzieht andere nicht zum Glauben. Gut zelebrieren dagegen bildet eine erste wichtige Katechese über das heilige Opfer. Dann muß sich der Priester, auch wenn er alle seine Fähigkeiten in den Dienst der Eucharistiefeier stellt, um sie in der Mitfeier aller Gläubigen lebendig zu gestalten, an den festgelegten Ritus halten, gemäß den von den zuständigen Autoritäten approbierten liturgischen Büchern, ohne Hinzufügungen, ohne Weglassungen und ohne irgendwelche Veränderungen. <391> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium, Nr. 22; CIC, can. 846 § 1. Alle Ordinarien, Ordensoberen und Moderatoren der Gemeinschaften apostolischen Lebens haben die ernste Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen und außerdem darüber zu wachen, daß die liturgischen Normen bezüglich der Eucharistiefeier überall treu befolgt werden. Zelebrierende und auch konzelebrierende Priester haben die von den Rubriken vorgeschriebenen heiligen Gewänder anzulegen. <392> Vgl. CIC, can. 929. Missale Romanum, Institutio Generalis, 81, 298; Hl. Ritenkongregation, Liturgicae instaurationes (5. September 1970), 8c: AAS 62(1970)701. Eucharistische Anbetung 50. Die zentrale Stellung der Eucharistie soll nicht nur durch die würdige Feier des Opfers erkennbar sein, sondern auch durch häufige Anbetung des Sakraments in solcher Form, daß der Priester damit der Gemeinde auch Vorbild ist, was fromme Aufmerksamkeit und eifrige Meditation - wo immer es mögüch ist - vor dem im Tabernakel gegenwärtigen Herrn betrifft. Es ist zu wünschen, daß mit Gemeindeleitung beauftragte Priester der gemeinschaftlichen Anbetung breiten Raum geben und dafür sorgen, daß das allerheiligste Sakrament des Altars auch außerhalb der Meßfeier mehr als jeder andere Ritus und Gestus beachtet und in Ehren gehalten wird. „Der Glaube und die Liebe zur Eucharistie können nicht gestatten, daß der im Tabernakel gegenwärtige Christus allein bleibt.” <393> Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 9. Juni 1993, Nr. 6: L’Ossen>atore Romano, 10. Juni 1993; Vgl. Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 48: a.a.O., 744; Hl. Ritenkongregation, Istr. Eiicharisticum Mysterium (25. Mai 1967), Nr. 50: AAS 59(1967)539-573; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1418. Eine privilegierte Zeit der eucharistischen Anbetung kann die Feier des Stundengebetes sein, die während des Tages die echte Fortsetzung des Lob- und Dankopfers darstellt, das in der hl. Messe sein Zentrum und seinen sakramentalen Ursprung hat. In der Feier des Stundengebetes ist der mit Christus vereinte Priester die Stimme der Kirche für die ganze Welt. Die Feier wird, wenn möglich auch gemeinschaftlich, in geeigneter Form so erfolgen, daß sie „Interpret und Übertragungsmittel der univer- 1083 KONGREGATIONEN UND RÄTE salen Stimme ist, die die Herrlichkeit Gottes besingt und das Heil des Menschen erfleht”. <394> <394> Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 2. Juni 1993, Nr. 5: L’Osservatore Romano, 3. Juni 1993; Vgl. TT. Vat. Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium, Nrn. 99-100. Beispielhafte Feierlichkeit soh bei solchen Zelebrationen von den Kapiteln der Kanoniker beachtet werden. Man muß allerdings immer vermeiden, sowohl in der gemeinschaftlichen als auch in der individuellen Feier, sie auf eine bloße Pflicht zu reduzieren, die mechanisch wie eine einfache und hastige Lesung abläuft, ohne die nötige Aufmerksamkeit für den Sinn des Textes. Das Sakrament der Buße Diener der Versöhnung 51. Die Gabe des Auferstandenen an die Apostel ist der Heilige Geist zur Vergebung der Sünden: „Empfangt den Heiligen Geist; wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben und wem ihr sie nicht vergebt, dem sind sie nicht vergeben” (Joh 20,21-23). Christus hat das Werk der Versöhnung des Menschen mit Gott exklusiv seinen Aposteln und ihren Nachfolgern anvertraut. Priester sind daher nach dem Willen Christi die einzigen Ausspender des Sakramentes der Versöhnung. <395> Sie sind wie Christus gesandt, Sünder zur Bekehrung aufzurufen und durch barmherziges Urteil zum Vater zurückzubringen. <395> Ygj Konzil von Trient, Sess. VI, de iustificatione, c. 14: Sess. XIV, de poenitentia, c. 1, 2, 5-7, can. 10; Sess. XXIII, de ordine, c. 1; II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nrn. 2.5; C/C, can. 965. Die sakramentale Versöhnung stellt die Freundschaft mit Gott Vater wieder her und mit allen seinen Kindern in seiner Familie, welche die Kirche ist, die damit verjüngt und in allen ihren Dimensionen auferbaut wird: universal, diözesan, pfarrlich. <396> Trotz der traurigen Feststellung, daß in den Kulturen unserer Zeit der Sinn für die Sünde weithin abhanden gekommen ist, muß der Priester mit Freude und Hingabe den Dienst der Gewissensbildung, der Vergebung und des Friedens ausüben. Ygj Katechismus der Katholischen Kirche, Nrn. 1443-1445. Deshalb soll er sich gewissermaßen mit dem Sakrament zu identifizieren wissen und, sich in Annahme der Haltung Christi wie ein guter Samariter über die verwundete Menschheit beugend, das christlich Neue an der heilsamen Dimension der Buße erkennbar machen, die auf Heilung und Vergebung hinzielt. <397> <397> Vgl. C/C, cann. 966 § 1, 978 § 1, 981; Johannes Paul II., Ansprache an die Apostolische Pönitentiarie vom 27. März 1993: L’Osservatore Romano, 28. März 1993. Hingabe für den Dienst der Versöhnung 52. Der Priester muß aufgrund seines Amtes <398> und aufgrund seiner sakramentalen Weihe zum Beichthören Zeit und Energie aufwenden. Wie die Erfahrung zeigt, <398> Vgl. C/C, can. 986. 1084 KONGREGATIONEN UND RÄTE kommen die Gläubigen gerne zum Sakramentenempfang, wo sie wissen, daß dafür Priester zur Verfügung stehen. Dies gilt überall, aber vor allem für die meistbesuch-ten Kirchen und für die Wallfahrtskirchen, wo eine brüderliche und verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit Ordensangehörigen und älteren Priestern möglich ist. Jeder Priester wird sich an die kirchlichen Normen halten, die den Wert der individuellen Beichte verteidigen und fördern und auch das persönliche umfassende Sün-denbekenntnis im direkten Gespräch mit dem Beichthörenden. <399> Die Vornahme gemeinschaftlicher Beichte und Absolution ist unter bestimmten Bedingungen nur solchen außerordentüchen Fällen Vorbehalten, die in den geltenden Richtlinien genannt sind. <400> Der Beichthörende soll das Gewissen des Pönitenten mit womöglich wenigen, jedoch der konkreten Situation angepaßten Worten erhellen, um derart eine persönliche Neuorientierung in Richtung der Bekehrung zu fördern und tiefgründig auf seinen spirituellen Weg einzugehen, auch durch Auferlegung einer angemessenen Genugtuung. <401> Vgl. ebd., can. 960; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor Hominis, Nr. 20: AAS 71(1979)309-316. Vgl. CIC, cann. 961-963; Paul VI., Ansprache (20. März 1978): AAS 70(1978)328-332; Johannes Paul II., Ansprache (30. Januar 1981): AAS 73(1981)201-204; Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia (2. Dezember 1984), Nr. 33: AAS 77(1985)269-271. <401> Vgl. CIC, cann. 978 § 1, 981. Jedenfalls wird es der Priester verstehen, die Feier der Versöhnung auf der sakramentalen Ebene zu halten und der Gefahr zu begegnen, sie auf eine bloß psychologische oder einfach formalistische Tätigkeit zu reduzieren. Dies wird sich unter anderem auch durch treue Einhaltung der geltenden Disziplin hinsichthch Ort und Beichtstuhl zeigen. <402> Vgl. ebd., can. 964. Beichten als Notwendigkeit 53. Wie jeder gute Gläubige hat es auch der Priester nötig, die eigenen Sünden und Schwächen zu beichten. Er weiß als erster, daß ihn die Praxis dieses Sakraments im Glauben sowie in der Gottes- und Nächstenliebe stärkt. Damit unter besten Bedingungen und wirksam die Schönheit der Buße gezeigt werden kann, ist es wesentlich, daß der Diener des Sakramentes ein persönliches Zeugnis bietet und den anderen Gläubigen in der Erfahrung von Vergebung vorangeht. Dies ist auch die erste Bedingung für eine pastorale Wiederaufwertung des Sakramentes der Versöhnung. In diesem Sinn ist es gut, wenn die Gläubigen wissen und sehen, daß auch ihre Priester regelmäßig beichten gehen: <403> „Die ganze prie-sterliche Existenz würde unweigerlich schweren Schaden nehmen, wenn man es aus Nachlässigkeit oder anderen Gründen unterließe, regelmäßig und mit echtem Glauben und tiefer Frömmigkeit das Bußsakrament zu empfangen. Wenn ein Priester nicht mehr zur Beichte geht oder nicht gut beichtet, so schlägt sich das sehr schnell <403> Vgl. ebd., can. 276, § 2, 5; II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 18b. 1085 KONGREGATIONEN UND RÄTE in seinem priesterlichen Leben und Wirken nieder, und auch die Gemeinde, deren Hirte er ist, wird dessen bald gewahr.” <404> <404> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia (2. Dezember 1984), Nr. 31: AAS 77(1985)266; Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 26: a.a.O., 699. Seelenführung für sich und für andere 54. Parallel zum Sakrament der Versöhnung wird es der Priester auch am Dienst der Seelenführung nicht fehlen lassen. Die Wiederentdeckung und Verbreitung dieser Praxis, auch zu anderen als zu den für die Beichte vorgesehenen Zeiten, ist eine große Wohltat für die Kirche in der gegenwärtigen Zeit. <405> Die großzügige und aktive Einstellung der Priester, die sie praktizieren, ist auch eine wichtige Gelegenheit, Berufungen zum Priester- und Ordensleben auszumachen und zu unterstützen. <405> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia (2. Dezember 1984), Nr. 32: AAS 77(1985)267-269. Um zur Verbesserung ihrer Spiritualität beizutragen, ist es notwendig, daß die Priester selbst die Seelenführung praktizieren. Indem sie die Formung ihrer Seele in die Hände eines weisen Mitbruders legen, werden sie schon von den ersten Schritten im Dienst an ein Bewußtsein entwickeln für die Wichtigkeit, nicht allein die Wege des geistlichen Lebens und des pastoralen Einsatzes zu gehen. Beim Gebrauch dieses in der Kirche so sehr erprobten und wirksamen Mittels der geistlichen Formung werden die Priester volle Freiheit in der Wahl jener Person haben, die sie führen soll. Gemeindeleiter Priester für die Gemeinde 55. Der Priester ist aufgefordert, sich mit den typischen Anforderungen eines weiteren Aspektes seines Amtes auseinanderzusetzen, neben den bereits behandelten. Es handelt sich um die Sorge für das Leben der ihm anvertrauten Gemeinde, die sich vor allem im Zeugnis der Liebe ausdrückt. Als Hirte der Gemeinde existiert und lebt der Priester für sie; für sie betet, studiert, arbeitet er und für sie opfert er sich. Für sie ist er bereit, sein Leben hinzugeben, indem er sie hebt wie Christus und ihr all seine Liebe und Hochachtung entgegenbringt, <406> indem er sich mit allen Kräften und ohne Zeitgrenzen zu setzen für sie verschwendet, um sie gemäß dem Bild der Kirche als Braut Christi zum Wohlgefallen des Vaters immer schöner und der Liebe des Heiligen Geistes würdig erscheinen zu lassen. <406> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nrn. 22-23: a.a.O., 690-694; vgl. Apostolischer Brief Mulieris dignitatem (15. August 1988), Nr. 26: AAS 80(1988)1715-1716. Diese bräutliche Dimension des Priesterlebens als Hirte wird bewirken, daß er seine Gemeinde leiten wird, indem er hingebungsvoll allen und jedem ihrer Mitglieder dient, ihnen ihr Bewußtsein mit dem Licht der geoffenbarten Wahrheit erhellt, mit Vollmacht Sorge trägt für die evangelische Authentizität des christlichen Lebens, 1086 KONGREGATIONEN UND RÄTE Irrtümer korrigiert, verzeiht, Wunden heilt, die Betrübten tröstet und die Brüderlichkeit fördert. <407> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyteromm ordinis, Nr. 6; CIC, can. 529 § 1. Dieses Gesamt heikler und komplexer Anliegen garantiert ein immer mehr transparentes und wirksames Zeugnis der Liebe. Darüber hinaus wird es auch die tiefe Gemeinschaft sichtbar machen, die zwischen dem Priester und seiner Gemeinde entsteht, gleichsam als Fortsetzung und Aktualisierung der Gemeinschaft mit Gott, mit Christus und mit der Kirche. <408> Hl. Johannes Chrysostomus, De sacerdotio, III, 6: PG 48, 643-644: „Die geistige Geburt der Seelen ist ein Privileg der Priester: Diese rufen sie durch die Taufe ins Gnadenleben; mit ihrer Hilfe ziehen wir Christus an, sind wir mit dem Gottessohn gemeinsam begraben und werden wir Mitglieder dieses seligen Hauptes (vgl. Röm 6,1; Gal 3,27). Daher müssen wir sie nicht nur mehr als Könige und Fürsten achten, sondern sie mehr ehren als unsere Eltern. Diese in der Tat haben uns aus dem Blut und dem Willen des Fleisches gezeugt, jene aber gebären uns als Söhne Gottes; sie sind die Werkzeuge unserer seligen Wiedergeburt, unserer Freiheit und unserer Adoption in der Gnadenordnung.” „ Sentire cum ecclesia ” 56. Um ein guter „Leiter” seines Volkes zu sein, wird der Priester darauf achten, die Zeichen der Zeit zu erkennen: jene mehr weitreichenden und tiefgründigen, welche die Gesamtkirche und ihren Weg in der Menschheitsgeschichte betreffen, sowie jene eher nahehegenden, welche die konkrete Situation der einzelnen Gemeinde betreffen. Diese Unterscheidung erfordert die ständige und korrekte Offenheit beim Studium theologischer und pastoraler Probleme sowie die Durchführung einer gewissenhaften Reflexion der sozialen, kulturehen und wissenschaftlichen Daten, die unsere Zeit kennzeichnen. Diese Anforderung werden die Priester in der Ausübung ihres Amtes in eine konstante und ehrliche Haltung des „sentire cum ecclesia” einzubringen wissen, so daß sie stets in verbindhcher Gemeinschaft mit dem Papst arbeiten werden, mit den Bischöfen, mit den anderen Mitbrüdem im Priestertum, mit den Ordensleuten und mit den Laien. Sie werden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit überdies nicht versäumen, um die Mitarbeit von Ordensleuten und gläubigen Laien zu ersuchen, unter Berücksichtigung der legitimen Formen und der jeweiligen Fähigkeiten jeder einzelnen Person. Der Priesterliche Zölibat Fester Wille der Kirche 57. Überzeugt von tiefen theologischen und pastoralen Gründen, welche die Beziehung zwischen Priestertum und Zöhbat unterstützen, und erleuchtet vom Zeugnis, das auch heute trotz schmerzlicher negativer Fälle den spirituellen und evangelischen Wert in so vielen priesterlichen Existenzen bestätigt, hat die Kirche beim 1087 KONGREGATIONEN UND RÄTE II. Vatikanischen Konzil und wiederholt bei späteren päpstlichen Lehraussagen den „festen Willen bekräftigt, das Gesetz beizubehalten, das von den Priesterkandidaten im lateinischen Ritus den frei gewählten und dauernden Zölibat verlangt”. <409> Der Zölibat ist nämlich eine Gabe, welche die Kirche erhalten hat und bewahren will, davon überzeugt, daß er für sie selbst und für die Welt ein hohes Gut ist. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 29; l.c.,704. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 16; Paul VI., Enzyklika Sacerdotalis caelibatus (24. Juni 1967), Nr. 14: AAS 59(1967)662; CIC, can. 277 § 1. Theologisch-spirituelle Begründung des Zölibats 58. Wie jeder evangelische Wert muß der Zölibat als das befreiend Neue gelebt werden, als besonderes Zeugnis der Radikalität in der Nachfolge Christi und als Zeichen eschatologischer Realität. „Nicht alle können es verstehen, sondern nur jene, denen es zugestanden wurde. Es gibt nämlich Eunuchen, die schon als solche von ihrer Mutter geboren wurden; manche wurden von Menschen zu Eunuchen gemacht, und es gibt noch andere, die sich um des Himmelreiches willen zu Eunuchen gemacht haben. Wer es fassen kann, der fasse es” {Mt 19,10-12). <410> Um mit Liebe und Großmut die erhaltene Gabe zu leben, ist es besonders wichtig, daß der Priester schon von der Seminarausbildung an die theologische und spirituelle Begründung der kirchlichen Disziplin des Zölibats versteht. <411> Dieser verlangt als Gabe Gottes und als besonderes Charisma die Einhaltung der Keuschheit, also der vollkommenen und dauernden Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen, damit die geweihten Diener Christus mit ungeteiltem Herzen leichter anhangen und sich freier dem Dienst für Gott und für die Menschen widmen können. <412> Bevor noch jemand seinen Willen bekundet, dazu bereit zu sein, manifestiert die kirchliche Disziplin den Willen der Kirche, der seinen tiefsten Grund im engen Band zwischen Zölibat und heiliger Weihe findet, die den Priester mit Jesus Christus, dem Haupt und Bräutigam der Kirche, konfiguriert. <413> <410> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nr. 22b.c. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Optatam totius, Nr. 10; CIC, can. 247 § 1; Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis (19. März 1985), Nr. 48; Orientamenti educa-tivi per laformazione al celibato sacerdotale (11. April 1974), Nr. 16. <412> Vgl. Johannes Paul II., Brief an alle Priester der Kirche Novo incipiente zum Gründonnerstag 1979 (8. April 1979), Nr. 8: AAS 71(1979)405-409; Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 29: a.a.O., 703-705; CIC, can. 277 § 1. <413> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 16 c; Paul VI., Enzyklika Sacerdotalis caelibatus (24. Juni 1967) Nr. 14: ASS 59(1967)662. Der Brief an die Epheser (vgl. 5,25-27) stellt die priesterliche Gabe Christi (vgl. 5,25) in einen engen Zusammenhang mit der Heiligung der Kirche (vgl. 5,26), welche mit bräutlicher Liebe geliebt wird. Sakramental eingefügt in dieses Priestertum der exklusiven Liebe Christi zur Kirche, seiner treuen Braut, bringt der Priester mit seinem zölibatären Einsatz solche Liebe zum Ausdruck, die auch fruchtbare Quelle pastoraler Wirksamkeit wird. 1088 KONGREGATIONEN UND RÄTE Der Zölibat ist also weder ein Einfluß, der von außen auf den priesterlichen Dienst einwirkt, noch kann er einfach als eine vom Gesetz auferlegte Institution betrachtet werden. Denn wer das Weihesakrament empfängt, hat es voll bewußt und frei angestrebt, <414> nach meinjähriger Vorbereitung, gründlicher Reflexion und eifrigem Gebet. Zur festen Überzeugung gelangt, daß ihm Christus diese Gabe gibt für das Wohl der Kirche und für den Dienst an den anderen, übernimmt der Priester den Zölibat für das ganze Leben und bekräftigt diesen seinen Willen gemäß dem schon während der Diakonatsweihe gegebenen Versprechen. <415> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyteronim ordinis, Nr. 16 c; C/C, cann. 1036, 1037. Vgl. Pontificale Romanum - De ordinatione Episcopi, Presbyterorum et Diaconorum\ cap. III, n. 228: Ed. typica altera, 1990, 134; Johannes Paul II., Brief an alle Priester der Kirche Novo incipiente zum Gründonnerstag 1979 (8. April 1979), Nr. 9: AAS 71(1979)409-411. Aus diesen Gründen bestätigt das kirchliche Gesetz einerseits das Charisma des Zölibats und zeigt auf, wie innig es mit dem heiligen Dienst verbunden ist in jener doppelten Dimension der Beziehung zwischen Christus und der Kirche, andererseits schützt sie die Freiheit dessen, der ihn übernimmt. <416> Der demnach unter einem neuen und hehren Titel <417> Christus geweihte Priester muß sich voll bewußt sein, daß er eine rechtsverbindlich genau festgelegte Gabe erhalten hat, aus der sich eine moralische Verpflichtung zur Einhaltung ergibt. Diese freiwillig übernommene rechtsverbindliche Verpflichtung hat theologischen Charakter. Sie ist Zeichen jener bräutlichen Wirklichkeit, die in der sakramentalen Weihe zum Tragen kommt. Der Priester übernimmt auch jene geistliche und doch reale Vaterschaft, die eine universale Dimension hat und dann besonders gegenüber der ihm anvertrauten Gemeinde konkretisiert wird. <418> Vgl. Weltbischofssynode, Dokument Ultimis temporibus (30. November 1971), II, I, 4c: A4S 63(1971)916-917. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyteronim ordinis, Nr. 16 b. Vgl. ebd. Das Beispiel Jesu 59. Der Zöhbat ist also Sich-selbst-Hingeben „in” und „mit” Christus an seine Kirche und Ausdruck des Priesterdienstes an der Kirche „in” und „mit” dem Herrn. <419> Man würde in einer permanenten Unreife bleiben, wenn man den Zöhbat leben wohte als „einen Tribut, der dem Herrn zu entrichten ist”, um zu den heihgen Weihen zugelassen zu werden, und nicht vielmehr als „Gabe, die man von seiner Barmherzigkeit empfängt”, <420> als freie Wahl und dankbare Annahme einer besonderen Berufung der Liebe zu Gott und zu den Menschen. Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 29: a.a.O., 703-705. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Orientamenti educativi per la foimazione al celibato sacerdotale (11. April 1974), Nr. 16. Das Vorbild ist der Herr selbst, indem er, entgegen der zu seiner Zeit dominierenden Kultur, sich freiwihig entschieden hat, zölibatär zu leben. In seiner Nachfolge ver- 181 182 183 184 185 186 187 1089 KONGREGATIONEN UND RÄTE ließen die Jünger „alles”, um die ihnen anvertraute Mission auszuführen (Lk 18,28-30). Aus diesem Grund wollte die Kirche die Gabe der dauernden Enthaltsamkeit der Kleriker bewahren, und sie ist dazu übergegangen, die Kandidaten für heilige Weihen unter den Zölibatären auszuwählen. <421> Konzil von Elvira (300-305), cann. 27, 33; Bruns Herrn., Canones Apostolorum et Conciliorum saec. IV-VII, II, 5-6; Konzil von Neocesarea (314), can. 1: Pont. Commissio ad redigendum CIC Orientalis, IX, 1/2, 74-82; Konzil von Nizäa I (325), can. 3; Conc. Oecum. Decret, 6; Konzil von Karthago (390): Concilia Africae a. 345-525, CCL 149, 13, 133 ss; Synode von Rom (386): ebd. (im Konzil von Telepte), 58-63; Konzil von Trullo (691), cann. 3, 6, 12, 13, 26, 30, 48: Pont. Commissio ad redigendum CIC Orientalis, IX, 1/1, 125-186; Siricio, decretale Directa (386): PL 13, 1131-1147; Innozenz I., Brief Dominus inter (405): Bruns cit. 274-277. Hl. Leo der Grosse, Brief Rusticus (456): PL 54, 1191. Eusebius von Cesarea, Demonstratio Evangelien, 1, 9: PC, 22, 82 (78-83); Epiphanius von Salamina, Panarion: PG 41, 868. 1024; Expositio Fi-dei: PG 42, 822-826. Schwierigkeiten und Einwände 60. Im aktuellen kulturellen Klima, häufig bedingt von einer Sicht des Menschen ohne Wert und vor allem unfähig, der menschlichen Sexualität einen vollen, positiven und befreienden Sinn zu geben, stellt man immer wieder die Frage nach dem Wert und der Bedeutung des priesterlichen Zölibats oder manchmal danach, wie sehr die Angemessenheit seiner engen Verbindung und seines tiefen Einklangs mit dem Amtspriestertum zu bejahen ist. Schwierigkeiten und Einwände haben im Laufe der Jahrhunderte immer die Entscheidung der lateinischen und mancher orientalischen Kirche begleitet, das Amtspriestertum nur solchen Männern zu übertragen, die von Gott die Gabe der Keuschheit im Zölibat erhalten haben. Die Disziplin der anderen orientalischen Kirchen, die verheiratete Priester zulassen, steht in keinem Widerspruch zur lateinischen Kirche. Immerhin verlangen dieselben orientalischen Kirchen nämlich den Zölibat der Bischöfe. Außerdem gestatten sie nicht die Heirat von Priestern und sie erlauben nicht die Wiederverheiratung von Witwern. Es handelt sich immer und nur um die Weihe bereits verheirateter Männer. Die Schwierigkeiten, die manche auch heute Vorbringen, <422> werden oft mit einem Vorwand als Argument begründet, wie zum Beispiel der Vorwurf eines fleischlosen Spiritualismus oder daß Enthaltsamkeit Mißtrauen und Verachtung der Sexualität mit sich brächten, oder man geht von der Betrachtung von schwierigen und schmerzlichen Fällen aus oder man generalisiert Einzelfälle. Man vergißt allerdings das Zeugnis, das von der überwiegenden Mehrheit der Priester angeboten wird, die den eigenen Zölibat mit innerer Freiheit leben, mit reichhaltiger evangelischer Motivation, mit spiritueller Fruchtbarkeit, in einem Horizont überzeugter Treue und voll Freude über die eigene Berufung und Sendung. <422> Vgl. Johannes Paul II., Schreiben an alle Priester der Kirche zum Gründonnerstag 1993 (8. April 1993): AAS 85(1993)880-883; zur weiteren Vertiefung, vgl. Solo per amore, rißessioni sul celibato sacerdotale, herausgegeben von der Kongregation für den Klerus: Ed. Paoline, 1993; Identitä e missione del Sacerdote, herausgegeben von G. Pittau - C. Sepe: Ed. Cittä Nuova 1994. 1090 KONGREGATIONEN UND RÄTE Um dieser Gabe ein Klima froher Ausgeglichenheit und spirituellen Fortschritts zu sichern und zu bewahren, müssen alle jene Maßnahmen ergriffen werden, die den Priester von möglichen Gefahren femhalten. <423> Hl. Johannes Chrysostomus, De Sacerdotio, VI, 2: PG 48,679: „Die Seele des Priesters muß reiner als die Strahlen der Sonne sein, damit der Heilige Geist ihn nicht verläßt und er sagen kann: Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir (Gal 2,20). Wenn die Anachoreten der Wüste, weit entfernt von Städten, öffentlichen Versammlungsorten und allem dort üblichen Lärm, sich nicht dazu verleiten lassen, auf die Sicherheit ihres derartigen Lebens, wo sie Zuflucht und Stille in vollem Maß genießen, zu bauen und im Gegenteil obendrein unendlich viel mehr Bedachtsamkeit verwenden, indem sie sich nach allen Seiten hin wappnen und sich einüben, alles mit großer Sorgfalt zu tun oder zu sagen, damit sie, soweit das menschenmöglich ist, im Vertrauen und in unbescholtener Reinheit vor das Angesicht Gottes treten können; welche Kraft und Gewalt erscheint dir dann, muß der Priester besitzen, um seine Seele jeder Beschmutzung zu entziehen und ihre geistige Schönheit unbefleckt zu bewahren? Er bedarf sicherlich einer exzellenteren Keuschheit als die Mönche. Und darüber hinaus ist er, der ihrer mehr bedarf, zahlreicheren unvermeidlichen Gelegenheiten ausgesetzt, bei denen er verunreinigt werden kann, wenn er nicht seine Seele mit eifriger Nüchternheit und Wachsamkeit für jene Hinterhalte unnahbar macht. ” Es ist daher notwendig, daß sich Priester mit entsprechender Klugheit im Umgang mit Personen verhalten, mit denen vertraut zu sein die Treue zur Gabe gefährden oder die Gläubigen skandaüsieren könnte. <424> In Einzelfällen muß man sich dem Urteil des Bischofs unterwerfen, der verpflichtet ist, in der Materie genaue Normen zu erlassen. <425> Vgl. CIC, can. 277 § 2. Vgl. ebd., can. 277, § 3. Überdies sollen die Priester jene asketischen Regeln befolgen, die von der Erfahrung der Kirche garantiert sind und die von den heutigen Umständen erst recht eingefordert werden. Daher sollen sie klugerweise vermeiden, gewisse Orte zu frequentieren und Spektakeln beizuwohnen oder sich schlechter Lektüre zu widmen, was immer die Einhaltung der zölibatären Keuschheit gefährden könnte. <426> Beim Gebrauch von sozialen Kommunikationsmitteln, als Mitarbeiter oder als Nutznießer derselben, sollen sie die nötige Diskretion wahren und alles vermeiden, was der Berufung schaden könnte. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyteronim ordinis, Nr. 16 c. Um die empfangene Gabe mit Liebe zu bewahren, müssen sie in der Gemeinschaft mit Christus und mit der Kirche und in der Verehrung der seligen Jungfrau Maria, ebenso wie in der Betrachtung der Beispiele heiliger Priester aller Zeiten, die nötige Kraft zur Überwindung der Schwierigkeiten finden, die ihnen in einem Klima ausgeprägter sexueller Permissivität auf ihrem Weg begegnen und außerdem mit jener Reife agieren, die sie vor der Welt glaubwürdig macht. <427> Vgl. Paul VI., Enzyklika Sacerdotalis caelibatus (24. Juni 1967), Nrn. 79-81: AAS 59(1967)688-689; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 29: a.a.O., 703-705. 190 191 192 193 194 1091 KONGREGATIONEN UND RÄTE Der Gehorsam Fundament des Gehorsams 61. Der Gehorsam ist ein priesterlicher Wert von vorrangiger Wichtigkeit. Das Kreuzesopfer Jesu erwarb selbst Wert und Heilsbedeutung aufgrund seines Gehorsams und seiner Treue zum Willen des Vaters. Er war „gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz” (Phil 2,8). Der Hebräerbrief unterstreicht auch, daß Jesus „durch sein Leiden Gehorsam gelernt hat” (Hebr 5,8). Man kann also sagen, daß der Gehorsam gegenüber dem Vater im Herzen des Priestertums Christi selbst ist. Wie für Christus ist auch für den Priester der Gehorsam Ausdruck vom Willen Gottes, der sich dem Priester durch die legitimen Superioren manifestiert. Solche Bereitschaft muß als wahre Verwirklichung der persönlichen Freiheit verstanden werden und als Konsequenz einer im Gebet vor dem Angesicht Gottes konstant gereiften Entscheidung. Die Tugend des Gehorsams ist in sich im Sakrament und in der hierarchischen Struktur der Kirche verlangt, und sie ist vom Kleriker klar versprochen, zunächst bei der Diakonatsweihe und dann bei der Priesterweihe. Damit verstärkt der Priester seinen Willen zur Unterordnung und so begibt er sich in die Dynamik des Gehorsams Christi, der sich zum Knecht gemacht hat, gehorsam bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,7-8). <428> <428> In der zeitgenössischen Kultur werden die Werte der Subjektivität und der Autonomie der einzelnen Person als Innerstes ihrer Würde unterstrichen. Diese an sich positiven Werte nehmen, wenn sie verabsolutiert und außerhalb des rechtmäßigen Kontextes eingefordert werden, eine negative Bedeutung an. <429> Dies kann sich auch im kirchlichen Bereich und im Leben des Priesters selbst zeigen, so daß es in diesem Falle dazu kommt, daß die Aktivitäten, die er zum Wohl der Gemeinde entwik-kelt, zu einer rein subjektiven Angelegenheit reduziert werden. Vgl. II. Vat. Konzil. Dekret Presbyterorum orclinis, Nr. 15 c; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches In Wirklichkeit befindet sich der Priester aufgrund der eigentlichen Natur seines Amtes im Dienst Christi und der Kirche. Er wird sich also bereitwillig zeigen, anzunehmen, was ihm rechtmäßig von den Vorgesetzten aufgetragen ist, und insbesondere, wenn er nicht legitimerweise gehindert ist, muß er die ihm von seinem Ordinarius anvertraute Aufgabe akzeptieren und treu erfüllen. <430> Schreiben Pastoren dabo vobis, Nr. 27: ci.a.O., 700-701. Hierarchischer Gehorsam 62. Dem Priester obliegt dem Papst und dem eigenen Ordinarius gegenüber „die besondere Pflicht der Ehrfurcht und des Gehorsams”. <431> Aufgrund der Zugehörig- Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nrn. 31.32.106: AAS 85(1993)1159- 196 KONGREGATIONEN UND RÄTE keit zu einem bestimmten Presbyterium ist der Priester sodann dem Dienst in einer Teilkirche zugeordnet. Das Prinzip und Fundament ihrer Einheit ist der Bischof, <432> der dazu über alle für die Ausübung seines pastoralen Amtes nötige, ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt verfügt. <433> Die vom Weihesakrament geforderte hierarchische Unterordnung findet ihre ekklesiologisch-strukturelle Verwirklichung in bezug auf den eigenen Bischof und auf den Papst, der den Primat (principatus) der ordentlichen Gewalt über alle Teilkirchen innehat. <434> Die Verpflichtung, dem Magisterium in Glaubens- und Sittenlehre anzuhangen, ist an alle Funktionen, die der Priester in der Kirche auszuüben hat, zuinnerst gebunden. Dissens in dieser Hinsicht ist als schwerwiegend anzusehen, weil er unter den Gläubigen Skandal und Verwirrung hervorruft. „ <432> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23 a. <433> Vgl. ebcl, Nr. 27 a; CIC, can. 381 § 1. 2^ Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 2 a; Konst. Lumen Gentium, Nr. 22 b; CIC, can. 333 § 1. Niemand ist sich mehr als der Priester der Tatsache bewußt, daß die Kirche Nonnen braucht: da nämlich ihre hierarchische und organische Struktur sichtbar ist, muß die Ausübung der ihr göttlich anvertrauten Funktionen, besonders jene der Leitung und der Sakramentenspendung, entsprechend organisiert sein. <435> <435> Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Scicrcie disciplinae leges (25. Januar 1983): AAS 75(1983)Pars II, XIII; Ansprache an die Teilnehmer des Symposium internationale „Ins in vita et in missione Ecclesiae’’: L’Osservatore Romano, 25. April 1993. Als Diener Christi und seiner Kirche macht sich der Priester großmütig die Aufgabe zu eigen, treu alle und die einzelnen Normen zu erfüllen, indem er jene Formen einer nach subjektiven Kriterien bloß teilweisen Einhaltung vermeidet, die Spaltungen schaffen und mit beträchtlichem pastoralen Schaden Rückwirkungen auf die Gläubigen und auf die öffentliche Meinung haben. In der Tat „verlangen die kanonischen Gesetze naturgemäß deren Einhaltung” und sie erfordern, daß, „was vom Haupt befohlen wird, von den Gliedern ausgeführt werde”. <436> 903 ' Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Sacrae disciplinae leges (25. Januar 1983): AAS 75(I983)Pars 11, Xlll. Indem der Priester der eingesetzten Autorität gehorcht, begünstigt er unter anderem die gegenseitige Liebe innerhalb des Presbyteriums und jene Einheit, die ihr Fundament in der Wahrheit hat. Autorität mit Liebe ausüben 63. Damit die Beobachtung des Gehorsams verwirklicht und der kirchlichen Gemeinschaft von Nutzen sein kann, müssen jene, die als Autorität eingesetzt sind (alle Ordinarien, die Superioren der Orden, die Moderatoren der Gemeinschaften apostolischen Lebens), neben der nötigen und konstanten persönlichen Beispielgebung mit Liebe das eigene institutioneile Charisma ausüben, indem sie in entsprechender Art 1093 KONGREGATIONEN UND RÄTE und zur rechten Zeit das Anhängen an jede Disposition im Bereich des Magisterium und der Disziplin vorsehen und verlangen. <437> Vgl. CIC, can. 392. Solches Anhängen ist Quelle der Freiheit, insofern es die reife Spontaneität des Priesters nicht hindert, sondern stimuliert. Er wird es verstehen, eine frohe und ausgeglichene pastorale Haltung an den Tag zu legen, indem er die Harmonie herbei-fiihrt, in der die persönliche Eigentümlichkeit mit einer Einheit, die auf höherer Ebene hegt, verschmilzt. Beachtung der liturgischen Normen 64. Unter den verschiedenen Aspekten des Problems, die heute häufig aufgezeigt werden, verdient jener hervorgehoben zu werden, der die überzeugte Respektierung liturgischer Normen betrifft. Die Liturgie ist Ausübung des Priestertums Christi, <438> „der Gipfel, auf den das Tun der Kirche hinstrebt und gleichfalls die Quelle, aus der alle ihre Tugenden hervorfließen”. <439> Sie bildet einen Bereich, wo sich der Priester in besonderer Weise bewußt sein muß, daß er Amtsträger ist und daß er der Kirche treu gehorchen muß. „Das Recht, die heilige Liturgie zu ordnen, steht einzig der Autorität der Kirche zu. Diese Autorität liegt beim Apostolischen Stuhl und nach Maßgabe des Rechtes beim Bischof.” <440> Deshalb wird der Priester nach eigenem Gutdünken in dieser Materie nichts hinzufügen, wegnehmen oder ändern. <441> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution Sacrosancnan Concilium, Nr. 7. Ebd., Nr. 10. Vgl. CIC, can. 838. Vgl. II. Vat. Konzil, Konst. Sacrosanctum Concilium, Nr. 22. Dies gilt in besonderer Weise für die Feier der Sakramente, die herausragende Akte Christi und der Kirche sind und die der Priester in der Person Christi und im Namen der Kirche zum Wohl der Gläubigen ausspendet. <442> Diese haben ein wahres Recht darauf, an liturgischen Feiern so teilzunehmen wie sie die Kirche will und nicht nach dem persönlichen Geschmack des einzelnen Amtsträgers, nach partikularistischen Ritualen, die nicht approbiert sind, oder nach den Ausdrucksweisen einzelner Gruppen, die dazu neigen, sich der Universalität des Volkes Gottes zu verschließen. Vgl. CIC, can. 846 § 1. Einheit bei Pastoralplänen 65. Es ist notwendig, daß die Priester in der Ausübung ihres Dienstes nicht nur an der Erstellung von Pastoralplänen, die der Bischof in Zusammenarbeit mit dem Priesterrat <443> vorlegt, verantwortungsbewußt mitarbeiten, sondern auch, daß sie deren praktische Verwirklichung in ihren eigenen Gemeinden danach ausrichten. Vgl. Hl. Kongregation für den Klerus, Brief Omnis Christifideles (25. Januar 1973), Nr. 9. 204 205 206 207 208 209 210 1094 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die der Reife des Priesters entsprechende weise schöpferische Kraft und der Sinn für Initiative werden so nicht abgetötet, sondern im Gegenteil zum Vorteil der pa-storalen Fruchtbarkeit entsprechend gewürdigt. Getrennte Wege auf diesem Gebiet einzuschlagen kann effektiv die Schwächung des Werkes der Neu-Evangelisierung bedeuten. Kirchliche Kleidungsvorschrifien 66. In einer säkularisierten und tendenziell materialistischen Gesellschaft, wo auch äußere Zeichen sakraler und übernatürlicher Wirklichkeiten im Schwinden begriffen sind, wird besonders die Notwendigkeit empfunden, daß der Priester - als Mann Gottes und als Ausspender seiner Geheimnisse - den Augen der Gemeinde auch durch seine Kleidung als unmißverständliches Zeichen seiner Hingabe und seiner Identität als Träger eines öffentlichen Amtes zu erkennen sei. <444> Der Priester muß vor allem durch sein Verhalten erkennbar sein, aber auch durch seine Bekleidung, so daß jedem Gläubigen und überhaupt jedem Menschen <445> seine Identität und seine Zugehörigkeit zu Gott und zur Kirche unmittelbar erkenntlich ist. Vgl. Johannes Paul II., Brief an den Kardinal-Vikar von Rom (8. September 1982): L’Osservatore Romano, 18.-19. Oktober 1982. Vgl. Paul VI., Ansprache (17. Februar 1969; 17. Februar 1972; 10. Februar 1978): AAS 61(1969)190; 64(1972)223; 70(1978)191; Johannes Paul II., Brief Novo incipiente (7. April 1979), Nr. 7: AAS 71(1979)403-405; Ansprache (9. November 1978; 19. April 1979): Insegnamenti 1(1978)116; 11(1979)929. Aus diesem Grund muß der Kleriker gemäß den von der Bischofskonferenz herausgegebenen Normen und gemäß den legitimen lokalen Gewohnheiten eine schickliche kirchliche Kleidung tragen. <446> Dies bedeutet, daß diese Bekleidung, falls sie nicht der Talar ist, verschieden von der Art der Kleidung der Laien zu sein hat und konform der Würde und Sakralität des Amtes. Schnitt und Farbe müssen von der Bischofskonferenz festgelegt werden, immer in Harmonie mit den Dispositionen des allgemeinen Rechts. Vgl. CIC, can. 284. Wegen ihrer Inkohärenz mit dem Geist solcher Disziplin können konträre Praktiken nicht als legitime Gewohnheiten angesehen werden und so müssen sie von den zuständigen Autoritäten abgeschafft werden. <447> Vgl. Paul VI., Motu Proprio Ecclesiae Sanctae, I, 25, 2 d: AAS 58(1966)770; Hl. Kongr. für die Bischöfe, Rundschreiben Per venire incontro (27. Januar 1976); Hl. Kongr. für das Katholische Bildungswesen, Rundschreiben The document (6. Januar 1980): L'Ossematore Romano, suppl., 12. April 1980. Abgesehen von ganz außergewöhnlichen Situationen, kann der Nichtgebrauch der kirchlichen Kleidung seitens des Klerikers einen schwachen Sinn für die eigene Identität als ganz dem Dienst der Kirche ergebener Hirte manifestieren. <448> Vgl. Paul VI., Katechese, Generalaudienz vom 17. September 1969; Ansprache (l.März 1973): Insegnamenti VII( 1969) 1065; XI(1973)176. 211 212 213 214 215 1095 KONGREGATIONEN UND RÄTE Priesterliche Armut Armut als Verfügbarkeit 67. Die Armut Jesu hat einen heilsbezogenen Inhalt. Christus, der reich war, hat sich für uns arm gemacht, damit wir durch seine Armut reich würden (2 Kor 8,9). Der Brief an die Philipper zeigt die Beziehung zwischen Entäußerung seiner selbst und dem Geist des Dienstes, der den pastoralen Amtsträger beseelen muß. Paulus schreibt ja, daß Jesus nicht „daran festhielt, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst erniedrigte und die Gestalt eines Knechtes annahm” (2,6-7). In Wahrheit wird der Priester schwerlich zum wahren Knecht und Diener seiner Brüder werden, wenn er sich allzusehr um seine Annehmlichkeiten und um ein exzessives Wohlergehen kümmert. Durch seine Armutsgestalt zeigt Christus, daß er alles von Ewigkeit her vom Vater empfangen hat und ihm alles bis zur Ganzhingabe seines Lebens zurückgibt. Das Beispiel Christi muß den Priester dahin bringen, ihm gleichförmig zu werden, in innerer Freiheit gegenüber allen Gütern und Reichtümem der Welt. <449> Der Herr lehrt uns, daß das wahre Gut Gott ist und daß der wahre Reichtum im Gewinn des ewigen Lebens besteht: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber dabei seine Seele verliert? Und was könnte ein Mensch jemals zum Tausch für seine Seele anbieten?” (Mk 8,36-37). Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nrn. 17a.d; 20-21. Der Priester, dessen Erbteil der Herr ist (vgl. Num 18,20), weiß darum, daß seine Sendung wie jene der Kirche inmitten der Welt auszuführen ist und daß die geschaffenen Güter für die persönliche Entwicklung des Menschen nötig sind. Er wird jedoch solche Güter mit Sinn für Verantwortung und Bescheidenheit gebrauchen, mit rechter Intention und Abstand, eben wie jemand, der seinen Schatz im Himmel hat und weiß, daß alles zum Aufbau des Reiches Gottes genützt werden muß (Lk 10,7; Mt 10,9-19; 1 Kor 9,14; Gal 6,6). <450> Daher wird er sich gewinnbringender Tätigkeiten enthalten, die nicht seinem Amt entsprechen. <451> Vgl. ebd., Nr. 17a.c; Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 21. Juli 1993, Nr. 3: VOssei-vatore Romano, 22. Juli 1993. Vgl. CIC, cann. 286, 1392. Sich überdies erinnernd, daß das Geschenk, welches er erhalten hat, ungeschuldet ist, sei er bereit, umsonst zu geben {Mt 10,8; Apg 8,18-25) <452> und was er bei der Ausübung seines Amtes erhalten hat, für das Wohl der Kirche und karitative Zwecke einzusetzen, nachdem er für den eigenen angemessenen Unterhalt und für die Erfüllung seiner Standespflichten gesorgt hat. <453> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 17 d. Vgl. ebd., Nr. 17 c; CIC, cann. 282, 222 § 2, 529 § 1. Schließlich ist der Priester, obwohl er Armut nicht durch ein öffentliches Gelübde versprochen hat, an eine einfache Ixbensführung gehalten. Er muß sich all dessen 216 217 218 219 220 1096 KONGREGATIONEN UND RÄTE enthalten, was den Geschmack von „vanitas” hat <454> und so die freiwillige Armut annehmen, um so Christus näher zu folgen. <455> In allem (Wohnung, Transportmittel, Urlaub usw.) vermeide der Priester jede Art von Wählerischsein und Luxus. <456> Als Freund der Ärmsten wird er ihnen die besondere Aufmerksamkeit seiner pasto-ralen Liebe widmen, mit einer bevorzugenden, jedoch weder ausschließlichen noch ausschließenden Option für alle alte und neue Armut, die es tragischerweise auf der Welt gibt. Er erinnert sich immer daran, daß das erste Elend, von dem der Mensch befreit werden muß, die Sünde ist, die tiefste Wurzel jeden Übels. Vgl. C/C, can. 282 § 1. <455> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyteromm ordinis, Nr. 17 d. <456> Vgl. ebd.,Ni. 17 e. Marienverehrung Die Tugenden der Mutter nachahmen 68. Es gibt eine „wesenhafte Beziehung ... zwischen der Mutter Jesu und dem Priestertum der Diener ihres Sohnes”, die aus jener zwischen der Gottesmutterschaft Marias und dem Priestertum Christi hervorgeht. <457> In dieser Beziehung ist die mari-anische Spiritualität jedes Priesters verwurzelt. Priesterliche Spiritualität kann nicht vollständig sein ohne die ernsthafte Erwägung des letzten Willens Christi am Kreuz, der die Mutter dem auserwählten Jünger anvertraute und durch ihn allen Priestern, die zur Fortführung seines Erlösungswerkes berufen sind. <457> Vgl. Johannes Paul II., Katechese, Generalaudienz vom 30. Juni 1993: L Osservatore Romano, 30. Juni-1. Juli 1993. Wie dem Johannes zu Füßen des Kreuzes, so ist in besonderer Weise jedem Priester Maria als Mutter anvertraut (vgl. Joh 19,26-27). Die Priester, die zu den geliebtesten Jüngern des gekreuzigten und auferstandenen Jesus zählen, müssen Maria als ihre Mutter in ihr eigenes Leben aufnehmen und sie zum Objekt ständiger Aufmerksamkeit und Gebets Verbundenheit machen. Die immerwährende Jungfrau wird dann die Mutter, die sie zu Christus hinführt, die sie authentische Liebe zur Kirche lehrt, die für sie eintritt und die sie zum Himmelreich geleitet. Jeder Priester weiß, daß Maria, eben weil sie Mutter ist, auch die hervorragendste Erzieherin in seinem Priestertum ist, ja, daß sie es ist, die sein priesterliches Herz zu formen, ihn vor Gefahren, vor Müdigkeiten und vor Entmutigungen zu schützen weiß sowie mit mütterlichem Eifer wacht, bis er an Weisheit, Alter und Gnade zunimmt, vor Gott und vor den Menschen (vgl. 2,40). Allerdings sind jene keine guten Söhne, welche die Tugenden der Mutter nicht nachzuahmen wissen. Der Priester wird also auf Maria schauen, um ein demütiger Diener zu sein, gehorsam, keusch und um die Liebe in der Ganzhingabe an den Herrn und an die Kirche zu bezeugen. <458> <458> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 18 b. 1097 KONGREGATIONEN UND RÄTE Als erste Frucht des priesterlichen Opfers Christi repräsentiert die hl. Muttergottes die Kirche in reinster Form, „ohne Makel und Runzel”, ganz „heilig und unbefleckt” (Eph 5,27). Diese Betrachtung der seligen Jungfrau stellt dem Priester das Ideal vor Augen, das es im Dienst an der eigenen Gemeinde hochzuhalten gilt, bis auch sie „verherrlichte Kirche” (ebd.) wird durch das priesterliche Geschenk des eigenen Lebens. HI. Kapitel - Ständige Weiterbildung Grundsätze Notwendigkeit von Weiterbildung heute 69. Das Erfordernis der ständigen Weiterbildung entsteht und entwickelt sich vom Empfang des Weihesakramentes an, durch das der Priester nicht nur vom Vater „geheiligt” und vom Sohn „gesandt”, sondern auch vom Fleiligen Geist „beseelt” wird. Es stammt daher aus einer Gnade, deren übernatürliche Kraft dazu bestimmt ist, allmählich immer umfassender und immer tiefer das ganze Leben und Wirken des Priesters in Treue zu der empfangenen Gabe zu erfassen. „Darum rufe ich dir ins Gedächtnis: Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir ... zuteil geworden ist”, schreibt der heilige Paulus an Timotheus (2 Tun 1,6). Es handelt sich dabei um eine Notwendigkeit, die der göttlichen Gnade selbst innewohnt und ständig „belebt” werden muß, damit der Priester seiner Berufung angemessen entsprechen kann. Denn als geschichtlich eingebundener Mensch braucht er Vervollkommnung in allen Bereichen seiner menschlichen und geistlichen Existenz, um zu jener Gleichförmigkeit mit Christus zu gelangen, die das einigende Prinzip von allem ist. Die raschen und vielfältigen Veränderungen und ein oft säkularisiertes soziales Umfeld, wie sie für die Welt von heute typisch sind, stellen weitere Faktoren dar, die dem Priester die unabweisbare Pflicht auferlegen, in angemessener Weise ausgebildet zu sein, um nicht die eigene Identität aufzulösen und um den Anforderungen der Neuevangelisierung entsprechen zu können. Zu dieser an sich schon ernsten Verpflichtung kommt ein ausdrückliches Recht der Gläubigen, auf die sich die gute Ausbildung und die Heiligkeit der Priester positiv auswirken. Fortgesetzte Arbeit an sich selbst 70. Das spirituelle Leben des Priesters und sein pastoraler Dienst müssen mit dieser beständigen Arbeit an sich selbst in einer Weise verknüpft werden, daß sowohl seine spirituelle als auch seine menschliche, intellektuelle und pastorale Formung harmonisch miteinander verschmelzen. Diese Arbeit muß in der Seminarzeit begin- Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 70: a.a.O., 778-782. Vgl. ebd. 1098 KONGREGATIONEN UND RÄTE nen und von den Bischöfen auf verschiedenen Ebenen, der nationalen, der regionalen und vor allem der diözesanen, gefördert werden. Es ist ermutigend, feststellen zu können, daß zahlreiche Diözesen und Bischofskonferenzen bereits vielversprechende Initiativen ergriffen haben, um eine echte Weiterbildung ihrer Priester zu gewährleisten. Es wäre zu wünschen, daß alle Diözesen sich dieser Notwendigkeit stellen. Wo dies jedoch gegenwärtig noch nicht möglich ist, ist es ratsam, daß sie sich untereinander verständigen oder mit jenen Einrichtungen oder Personen Kontakt aufnehmen, die für eine so schwierige Aufgabe besonders vorbereitet sind. <459> Vgl. ebd., Nr. 79: a.a.O., 797. Mittel der Heiligung 71. Die Weiterbildung erweist sich für den Priester von heute als notwendiges Mittel, um den Sinn seiner Berufung zu erfüllen: den Dienst für Gott und sein Volk. Praktisch besteht sie darin, allen Priestern zu helfen, großzügig dem Einsatz zu entsprechen, wie ihn die Würde und die Verantwortung erfordern, die Gott ihnen durch das Weihesakrament übertragen hat; im Bewahren, Verteidigen und Entfalten ihrer spezifischen Identität und Berufung; in der Heiligung ihrer selbst und der anderen durch die Ausübung ihres Dienstes. Dies bedeutet, daß der Priester jeglichen Dualismus zwischen Spiritualität und Amtlichkeit vermeiden muß; er ist die tiefere Ursache mancher Krise. Natürlich müssen, um diese Zielsetzungen übernatürlicher Natur zu erreichen, die allgemeinen Kriterien entdeckt und analysiert werden, nach denen die Weiterbildung der Priester strukturiert werden soll. Diese allgemeinen Kriterien oder Prinzipien der Organisation müssen von der Zielsetzung her entworfen werden, die man sich gesteckt hat, oder - treffender ausgedrückt - sie müssen in ihr gesucht werden. Von der Kirche erteilt 72. Weiterbildung ist Recht und Pflicht des Priesters; sie zu erteilen, ist Recht und Pflicht der Kirche. Dies ist im universalen Recht festgelegt. <460> Wie nämlich die Berufung zum heiligen Dienst in der Kirche empfangen wird, so kommt es allein der Kirche zu, die der Verantwortung dieses Dienstes entsprechende besondere Ausbildung zu erteilen. Weil die Weiterbildung eine Unternehmung ist, die an die Ausübung des Amtspriestertums gebunden ist, gehört sie in die Verantwortung des Papstes und der Bischöfe. Die Kirche hat deshalb die Pflicht und das Recht, die Ausbildung ihrer Diener fortzufiihren, indem sie ihnen hilft, auf das ihnen von Gott gewährte Geschenk immer hochherziger zu antworten. Vgl. C/C, can. 279. 228 229 1099 KONGREGATIONEN UND RÄTE Der Amtsträger hat seinerseits als Erfordernis der mit der Weihe verbundenen Gabe auch das Recht erhalten, von der Kirche die nötige Hilfe zu empfangen, um seinen Dienst wirkungsvoll und heiligmäßig zu erfüllen. Ständige Weiterbildung 73. Die Bildungstätigkeit gründet auf einem dynamischen, dem Charisma des Amtes innewohnenden Anspruch, der in sich selbst fortdauernd und unwiderruflich ist. Sie kann darum niemals als abgeschlossen betrachtet werden, weder von der Kirche, die sie erteilt, noch von dem Amtsträger, der sie erhält. Es ist also notwendig, sie so zu konzipieren und zu entfalten, daß alle Priester sie stets empfangen können und dabei jenen Möglichkeiten und Eigenheiten Rechnung zu tragen ist, die mit der Verschiedenheit in Alter, Lebensbedingungen und anvertrauten Aufgaben verbunden sind. Umfassend 74. Eine solche Ausbildung muß alle Dimensionen der priesterlichen Bildung umfassen und aufeinander abstimmen. Sie muß also darauf ausgerichtet sein, jedem Priester zu helfen: sich zu einer menschlichen Persönlichkeit zu entwickeln, die im Geist des Dienstes an den anderen gereift ist, welche Aufgabe auch immer ihm anvertraut wird; in den theologischen und auch in den Humanwissenschaften, soweit sie mit seinem Dienst verbunden sind, intellektuell ausgebildet zu sein, damit er mit größerer Wirksamkeit seine Aufgabe als Zeuge des Glaubens ausüben kann; ein tiefes geistliches Leben zu führen, das von der Vertrautheit mit Jesus Christus und von der Liebe zur Kirche genährt wird; seinen pastoralen Dienst mit Einsatz und Hingabe auszuüben. Daher muß eine solche Ausbildung umfassend sein: in gleicher Weise menschlich, spirituell, intellektuell, pastoral, systematisch und personal. Menschlich 75. Die menschliche Bildung ist in der heutigen Welt extrem wichtig, wie es ja immer war. Der Priester darf nicht vergessen, daß er ein aus den Menschen ausgewählter Mensch ist mit der Aufgabe, dem Menschen zu dienen. Um sich zu heiligen und um seine priesterliche Sendung zu erfüllen, wird sich der Priester mit einem Bündel menschlicher Tugenden präsentieren müssen, die ihn der Achtung seiner Brüder wert werden lassen. Besonders wird er Herzensgüte praktizieren müssen, Geduld, Liebenswürdigkeit, Charakterfestigkeit, Gerechtigkeitssinn, Ausgeglichenheit, Treue zum gegebenen Wort, Erfüllung freiwillig übernommener Aufgaben usw. Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 76: a.a.O., 793-794. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 3. 1100 KONGREGATIONEN UND RÄTE Ebenso ist es wichtig, daß der Priester über sein soziales Verhalten nachdenkt, über die Korrektheit der verschiedenen Formen menschlicher Beziehungen, über die Werte der Freundschaft, über gute Umgangsformen usw. Spirituell 76. Unter Bezugnahme auf all das, was bereits ausführlich zum geistlichen Leben dargelegt wurde, wird an dieser Stelle lediglich auf einige praktische Methoden der Bildung verwiesen. Vor allem wäre es notwendig, die entscheidenden Aspekte der priesterlichen Existenz zu vertiefen, indem man besonders auf die Lehren der Bibel, der Kirchenväter und der Heiligen zurückgreift. Darin soll sich der Priester ständig auf dem laufenden halten, nicht nur durch die Lektüre guter Bücher, sondern auch durch die Teilnahme an Kursen, Tagungen usw. Besondere Studientage sollten der Sorge um die Feier der Sakramente gewidmet sein, wie auch dem Studium von Fragen der Spiritualität, etwa den christlichen und menschlichen Tugenden, den Formen des Gebets, der Beziehung zwischen geistlichem Leben und liturgischem Dienst, dem Seelsorgsdienst usw. Konkret wäre es wünschenswert, daß jeder Priester, womöglich in zeitlichem Zusammentreffen mit den immer wiederkehrenden geistlichen Exerzitien, einen eigenen Entwurf seines persönlichen Lebens ausarbeitet, eventuell in Absprache mit seinem geistlichen Begleiter. Dafür wollen wir einige Punkte andeuten: 1. Tägliche Meditation über das Wort der Schrift oder ein Glaubensgeheimnis; 2. tägliche Begegnung mit Jesus in der Eucharistie, über die andächtige Feier der Hl. Messe hinaus; 3. marianische Frömmigkeit (Rosenkranz, Weihe, Gespräch); 4. Zeit für Weiterbildung in Theologie und Heiligenkunde; 5. gebührende Ruhepause; 6. erneutes Bemühen um Verwirklichung der Weisungen des eigenen Bischofs und Überprüfung der eigenen überzeugten Zustimmung zum Lehramt und zur Ordnung der Kirche; 7. Pflege von Gemeinschaft und Freundschaft unter den Priestern. Intellektuell 77. Im Blick auf den enormen Einfluß humanistisch-philosophischer Strömungen in der modernen Kultur, und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß einige Priester keine angemessene Ausbildung in diesen Disziplinen erworben haben (vielleicht auch, weil sie von unterschiedlichen schulischen Ausbildungsgängen kommen), ist es notwendig, daß an den Studientagen die hauptsächlichen humanistischen und philosophischen Themen behandelt werden oder jedenfalls diejenigen, die mit den theologischen Wissenschaften verbunden sind, soweit sie im besonderen zur Aus- “ Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyteronim ordinis, Nr. 19; Dekret Optatam totius, Nr. 22; C/C, can. 279 § 2; Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis (19. März 1985), Nr. 101. 1101 KONGREGATIONEN UND RÄTE Übung des seelsorglichen Dienstes beitragen. <461> Diese stellen auch eine wertvolle Hilfe dar, um die Hauptfragen der Dogmatik und der Moraltheologie, der Hl. Schrift, der Liturgie, des Kanonischen Rechts, des Ökumenismus usw. in der richtigen Weise zu behandeln. Dabei ist darauf zu achten, daß die Darlegung dieser Themen weder nur „problematisierend” noch rein theoretisch oder informativ erfolgen, sondern zu einer authentischen Bildung, d. h. zum Gebet, zur Gemeinschaft und zum pastoralen Handeln, führen soll. Vgl. CIC, can. 279 § 3. An den Priestertagen sollen die Dokumente des Lehramtes gemeinsam und unter kompetenter Anleitung vertieft werden, um in der diözesanen Pastoral jene Einheit der Interpretation und der Praxis zu erleichtern, die dem Bemühen um die Evangelisierung so sehr nützt. Besonders wichtig für die intellektuelle Bildung ist die Behandlung aktueller Themen des kulturellen Gesprächs und der pastoralen Praxis, wie z. B. jener, die sich auf die Sozialethik, die Bioethik usw. beziehen. Eine eingehende Behandlung soll ferner jenen Fragen gewidmet sein, die der Fortschritt den Wissenschaften stellt, denn er beeinflußt die Geisteshaltung und das Leben der Menschen von heute zutiefst. Die Priester dürfen sich der Erfordernis nicht entziehen, in angemessener Weise auf dem laufenden und bereit zu sein, auf die Herausforderungen zu antworten, die die Wissenschaft in ihrem Fortschritt stellt. Dabei sollen sie es nicht unterlassen, auf die Beratung gut unterrichteter und zuverlässiger Fachleute zurückzugreifen. Äußerst wichtig ist es ferner, die Soziallehre der Kirche zu studieren, zu vertiefen und zu verbreiten. Den Anregungen des Lehramtes folgend ist es erforderlich, daß das Interesse jedes Priesters - und, durch sie, das Interesse aller Gläubigen - am Wohl der Bedürftigen nicht nur ein frommer Wunsch bleibt, sondern sich in eine konkrete Verpflichtung des Lebens umsetzt. „Heute mehr denn je ist sich die Kirche bewußt, daß ihre soziale Botschaft in erster Linie im Zeugnis der Werke Glaubwürdigkeit erlangt, eher noch als in ihrer Folgerichtigkeit und inneren Logik”. <462> Ein unerläßliches Erfordernis für die intellektuelle Bildung der Priester ist die Kenntnis und der Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel in ihrer Tätigkeit. Diese stellen, wenn sie gut verwendet werden, ein providentielles Instrument der Evangelisierung dar, denn sie können nicht nur eine große Zahl von Gläubigen erreichen, sondern auch tiefgehend auf ihre Geisteshaltung und Verhaltensweisen einwirken. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (I. Mai 1991), Nr. 57: AAS 83(1991)862-863. Dazu wäre es zweckmäßig, daß der Bischof oder die Bischofskonferenz selbst Programme und technische Mittel vorbereiten, die für diesen Zweck geeignet sind. 1102 KONGREGATIONEN UND RATE Pastoral 78. Für eine angemessene pastorale Bildung ist es nötig, Studientage zu veranstalten, die als Hauptziel die Reflexion über den Pastoralplan der Diözese haben sollten. Es sollte auch die Behandlung all jener Fragen nicht fehlen, die zum Leben und zur pastoralen Tätigkeit der Priester gehören, wie z. B. die Fundamentalmoral, die Berufs- und Sozialethik usw. Besondere Sorge soll der Kenntnis des Lebens und der Spiritualität der ständigen Diakone, der Ordensmänner und Ordensfrauen wie auch der Gläubigen im Laienstand gelten. Andere Themen, deren Behandlung besonders nützlich ist, können die Katechese, die Familie, die Priester- und Ordensberufungen, die Jugend, die Alten, die Kranken, der Ökumenismus, die „Fernstehenden” usw. sein. Es ist für die Pastoral unter den gegenwärtigen Bedingungen sehr wichtig, besondere Kurse zu organisieren, um den „Katechismus der Katholischen Kirche” zu vertiefen und sich anzueignen. Dieser stellt ja, besonders für die Priester, ein wertvolles Instrument der Bildung sowohl für die Predigt als auch für die Evangelisierung im allgemeinen dar. Systematisch 79. Damit die Weiterbildung umfassend sei, soll sie entsprechend strukturiert sein, „nicht als etwas Episodisches, sondern als systematisches inhaltliches Angebot, das sich durch verschiedene Etappen hindurch entfaltet und durch präzise Formen bestimmt ist.” Dies macht eine gewisse organisatorische Struktur notwendig, die in zweckmäßiger Weise Mittel, Zeiten und Inhalte für ihre konkrete und adäquate Verwirklichung vorsieht. Dieser organisierten Weiterbildung muß sich das persönliche Studium anschließen, weil auch periodische Kurse von geringem Nutzen wären, wenn sie nicht von der Anwendung im persönlichen Studium begleitet wären. Persönlich 80. Auch wenn sie sich an alle wendet, bleibt das direkte Ziel der Weiterbildung der Dienst an jedem einzelnen, der sie in Anspruch nimmt. Deshalb muß es neben den kollektiven oder gemeinsamen Mitteln auch andere geben, die darauf abzielen, die persönliche Bildung zu einer wirklich personalen zu machen. Aus diesem Grund ist, besonders unter den Verantwortlichen, das Bewußtsein zu fördern, daß jeder Priester persönlich erreicht werden muß, indem man sich um jeden sorgt und sich nicht damit zufrieden gibt, allen die verschiedenen Angebote zur Verfügung zu stellen. Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 79: a.a.O., 797-798. Vgl. ebd. 1103 KONGREGATIONEN UND RÄTE Jeder Priester soll sich seinerseits durch das Wort und das Beispiel seines Bischofs und seiner Mitbrüder im Priesteramt ermutigt fühlen, die Verantwortung für seine Bildung selbst zu übernehmen, weil er der erste Ausbilder seiner selbst ist. <463> Vgl. ebd. Organisation und Mittel Studientage 81. Das Programm der Studientage für Priester soll durch Einheitlichkeit und durch etappenweises Fortschreiten gekennzeichnet sein. Diese Einheitlichkeit soll in die Angleichung an Christus einmünden, so daß die Glaubenswahrheiten, das geistliche Leben und die Ausübung des Dienstes zur fortschreitenden Reifung des gesamten Presbyteriums fuhren. Der einheitliche Bildungsweg ist durch klar definierte Etappen zu gliedern. Dies wird besondere Aufmerksamkeit für die verschiedenen Altersgruppen unter den Priestern erfordern, von denen keine übersehen werden darf, wie auch eine Überprüfung der zurückgelegten Etappen. Dabei ist darauf zu achten, die gemeinsamen Bildungswege mit den persönlichen abzustimmen, ohne die die ersteren nicht zum Erfolg führen könnten. Die Studientage der Priester sind erforderlich für ein Wachstum in der Gemeinschaft, für eine immer größere Bewußtseinsbildung und für eine angemessene Behandlung der jeder Altersgruppe eigenen Probleme. Bezüglich der Inhalte solcher Studientage kann man auf Themen zurückgreifen, die eventuell von nationalen oder regionalen Bischofskonferenzen vorgeschlagen wurden. Auf jeden Fall ist es notwendig, daß diese Inhalte in einer genauen Bildungsplanung der Diözese festgelegt werden, die möglichst jedes Jahr auf den neuesten Stand zu bringen ist. <464> Vgl. ebd. Organisation und Realisierung können vom Bischof in kluger Weise theologischen oder pastoralen Fakultäten oder Instituten anvertraut werden, dem Seminar, Organisationen oder Einrichtungen, die sich der Priesterbildung widmen, <465> oder einem anderen spezialisierten Zentrum oder Institut, das je nach den gegebenen Möglichkeiten ein diözesanes, regionales oder nationales sein kann. Es sollen dabei nur die Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Rechtgläubigkeit und der Treue zum Lehramt und zur kirchlichen Ordnung ebenso wie die wissenschaftliche Kompetenz und die angemessene Kenntnis der wirklichen pastoralen Situationen gewährleistet sein. Vgl. ebd.; II. Vat. Konzil, Dekret Optatam totius, Nr. 22; Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 19 c. 237 238 239 1104 KONGREGATIONEN UND RÄTE Pastoraljahr 82. Es ist Aufgabe des Bischofs, eventuell auch durch eine klug gewählte Zusammenarbeit dafür vorzusorgen, daß in dem auf die Weihe zum Priester oder zum Diakon folgenden Jahr ein sogenanntes Pastoraljahr geplant wird. Dieses soll den Übergang vom unerläßlichen Leben im Seminar zur Ausübung des heiligen Dienstes durch ein stufenweises Vorgehen erleichtern und so eine fortschreitende, harmonische menschliche und spezifisch priesterliche Reifung unterstützen. <466> Während dieses Jahres wird es erforderlich sein, zu vermeiden, daß die Neugeweihten übermäßig schwierigen oder heiklen Situationen ausgesetzt werden. Ebenso sind Einsatzorte zu vermeiden, an denen sie weit entfernt von den Mitbrüdem arbeiten müssen. Es wäre im Gegenteil gut, nach Möglichkeit eine geeignete Form gemeinsamen Lebens zu fördern. Vgl. Paul VI., Ap. Brief Ecclesiae Sanctae (6. August 1966), I, Nr. 7: AAS 58(1966)761; Hl. Kongregation Diese Zeit der Ausbildung könnte in einem eigens dafür vorgesehenen Haus (Wohnhaus für Kleriker) oder an einem Ort verbracht werden, der einen bestimmten und zuverlässigen Bezugspunkt für alle Priester während der Periode der ersten pa-storalen Erfahrungen darstellen könnte. Dies würde das Gespräch und die Begegnung mit dem Bischof und mit den Mitbrüdem, das gemeinsame Gebet (Stundengebet, Konzelebration, eucharistische Anbetung, Rosenkranz usw.), den Austausch von Erfahrungen, die gegenseitige Ermutigung sowie das Aufblühen guter freundschaftlicher Beziehungen erleichtern. Es wäre zweckmäßig, daß der Bischof die Neugeweihten zu Mitbrüdem senden würde, die sich durch beispielhaftes Leben und pastoralen Eifer auszeichnen. Der erste Einsatzort sollte, trotz der oft schweren pastoralen Nöte, vor allem dazu geeignet sein, die jungen Priester in rechter Weise einzuführen. Das Opfer eines Jahres könnte sich für die Zukunft als sehr fruchtbringend erweisen. Es soll auch unterstrichen werden, daß dieses delikate und kostbare Jahr die Bekanntschaft zwischen dem Priester und seinem Bischof zu voller Reife fördern soll, die, im Seminar begonnen, zu einem echten Vater-Sohn-Verhältnis werden muß. In bezug auf die intellektuelle Seite sollte dieses Jahr nicht so sehr eine Zeit des Erlemens neuer Inhalte sein, sondern eher der vertieften Aneignung und Verinnerlichung dessen dienen, was in den vorgeschriebenen Kursen studiert wurde. Auf diese Weise soll die Heranbildung einer Geisteshaltung unterstützt werden, die in der Lage ist, das einzelne im Licht des Heilsplanes Gottes zu deuten. <467> In diesen Zusammenhang können in geeigneter Form Vorlesungen und Seminare über Beichtpraxis, Liturgie, Katechese und Predigt, kanonisches Recht, Spiritualität der Priester, der Laien sowie der Ordensmänner und Ordensfrauen, Soziallehre, für den Klerus, Rundschreiben an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Inter ea (4. November 1969), Nr. 16: AAS 62(1970)130-131; Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Ratio Fundamentalis Insti-tutionis Sacerdotalis (19. März 1985), Nrn. 62.101; CIC, can. 1032 § 2. ^ Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis (19. März 1985), Nr. 63. 1105 KONGREGATIONEN UND RÄTE Kommunikation und ihre Mittel, Kenntnis von Sekten und Formen „neuer Religiosität” usw. eingebaut werden. Praktisch muß das Bemühen um Synthese den Weg des Pastoraljahres darstellen. Jedes seiner Elemente muß dem grundlegenden Plan der Reifung des spirituellen Lebens entsprechen. Der Erfolg des Pastoraljahres ist im übrigen immer vom persönlichen Einsatz des Betroffenen abhängig, der sich jeden Tag um Heiligkeit bemühen muß; dabei wird er ständig nach jenen Mitteln der Heiligung suchen, die ihm bereits im Seminar geholfen haben. „Sabbatzeiten’’ 83. Die Gefahr von Gewöhnung, die körperliche Erschöpfung aufgrund der Arbeitslast, der vor allem heute die Priester bei ihren pastoralen Mühen unterliegen, die psychische Erschöpfung, oft verursacht durch den ständigen Kampf gegen Unverständnis, Mißverständnisse, Vorurteile, das Angehenmüssen gegen organisierte und machtvolle Kräfte, die den Eindruck erwecken wollen, der Priester gehöre heute zu einer kulturell veralteten Minderheit: das alles sind weitere Faktoren, die im Gemüt des Seelsorgers Unbehagen auslösen können. Ungeachtet der pastoralen Dringlichkeiten, ja gerade um ihnen angemessen zu begegnen, ist es angebracht, den Priestern - gemäß den tatsächlichen Möglichkeiten -mehr oder weniger ausgedehnte Zeiten zu gewähren, um ausgiebiger und intensiver mit Jesus, dem Herrn, zusammen sein zu können und dabei wieder Kraft und Mut für die Fortsetzung des Weges der Heiligung zu schöpfen. Um diesem besonderen Erfordernis zu entsprechen, sind in vielen Diözesen verschiedene Initiativen erprobt worden, oft mit vielversprechenden Ergebnissen. Diese Erfahrungen sind wertvoll und können in Erwägung gezogen werden trotz der Schwierigkeiten, die in einigen Gebieten mit größerem Priestermangel auftreten. Für diesen Zweck könnten die Klöster, Wallfahrtsstätten oder andere Gnadenorte eine bedeutende Funktion übernehmen. Sie sollten möglichst außerhalb der Ballungszentren gelegen sein und den Priester von unmittelbaren pastoralen Verantwortlichkeiten befreien. In einigen Fällen könnten diese Aufenthalte zum Studium oder zur Fortbildung in den heiligen Wissenschaften genutzt werden, ohne gleichzeitig dabei den Zweck der geistlichen und apostolischen Wiedererstarkung zu vernachlässigen. In jedem Falle sei sorgfältig die Gefahr vermieden, die Sabbatzeit als Freizeit zu betrachten oder sie als Anrecht einzufordem. Priesterhaus 84. Wo es möglich ist, ist die Errichtung eines „Hauses des Klerus” wünschenswert, in dem nicht nur die erwähnten Zusammenkünfte zur Weiterbildung gehalten werden, sondern das auch Bezugspunkt für zahlreiche andere Gelegenheiten sein 1106 KONGREGATIONEN UND RÄTE könnte. Ein solches Haus müßte alle jene organisatorischen Einrichtungen bieten, die es angenehm und anziehend machen können. Wo es das noch nicht gibt und die Notwendigkeit es nahelegt, ist es empfehlenswert, auf nationaler oder regionaler Ebene geeignete Einrichtungen für die physische, psychische und spirituelle Erholung von Priestern in besonderen Notlagen zu errichten. Einkehrtage und Exerzitien 85. Wie die lange spirituelle Erfahrung der Kirche zeigt, sind geistliche Einkehrtage und Exerzitien das am besten geeignete und wirksame Instrument für eine angemessene und dauernde Fortbildung des Klerus. Sie bewahren auch heute voll ihre Notwendigkeit und Aktualität. Gegen eine Praxis, die dem Menschen alles nehmen will, was Innerlichkeit ist, muß der Priester Gott und sich selbst finden, indem er geistlich innehält, um sich in Meditation und Gebet zu vertiefen. Daher legt das Kirchenrecht fest, daß die Kleriker „zu geistlichen Einkehrtagen gemäß den Vorschriften des Partikularrechtes verpflichtet” sind. Die beiden gebräuchlichsten Arten, die vom Bischof in seiner eigenen Diözese vorgeschrieben werden könnten, sind der Einkehrtag, womöglich monatlich, und die jährlichen Exerzitien. Es ist sehr zweckmäßig, daß der Bischof Einkehrtage und Exerzitien so plant und organisiert, daß jedem Priester die Möglichkeit bleibt, die jährlichen Exerzitien aus jenen zu wählen, die normalerweise innerhalb oder außerhalb der Diözese von beispielhaften Priestern oder von Ordensgemeinschaften, die durch das ihnen eigene Charisma in der geistlichen Ausbildung erfahren sind, oder in Klöstern gehalten werden. Es ist auch empfehlenswert, einen besonderen Einkehrtag für die Priester zu veranstalten, die in den letzten Jahren geweiht wurden; an diesem möge auch der Bischof aktiv teilnehmen. Während solcher Zusammenkünfte ist es wichtig, daß geistliche Themen im Mittelpunkt stehen. Sie sollen weiten Raum für Stille und Gebet bieten. Besondere Sorgfalt soll den liturgischen Feiern, dem Sakrament der Buße, der eucharistischen Anbetung, der geistlichen Führung und der Verehrung der seligen Jungfrau Maria gelten. Um diesen Instrumenten der formatio permanens mehr Bedeutung und Wirksamkeit zu verleihen, könnte der Bischof einen Priester eigens mit der Aufgabe betrauen, die Termine und den Ablauf zu planen. CIC, can. 276 § 2, § 4; vgl. cann. 533 § 2, 550 § 3. 243 Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis (19. März 1985), Nr. 101. 1107 KONGREGATIONEN UND RÄTE Jedenfalls sollen die Einkehrtage und besonders die jährlichen Exerzitien als Zeiten intensiven Gebetes und nicht als Kurse zur theologisch-pastoralen Weiterbildung erlebt werden. Nötige Planung 86. Trotz der Erkenntnis, daß die formatio permanens in der Regel auf Schwierigkeiten stößt, vor allem wegen der zahlreichen und schweren Aufgaben, zu denen die Priester gerufen sind, muß man sagen, daß alle Schwierigkeiten überwindbar sind, wenn man sich dafür mit Verantwortungsbewußtsein einsetzt. Um den Gegebenheiten gewachsen zu bleiben und den Ansprüchen der dringenden Aufgabe der Evangelisierung zu begegnen, ist - neben anderem - ein mutiges pasto-rales Handeln der Leitung notwendig, dessen Ziel die ganz besondere Sorge um die Priester ist. Es ist unverzichtbar, daß die Bischöfe mit der Kraft der Liebe verlangen, daß ihre Priester großherzig die Anordnungen ausführen, die auf diesem Gebiet rechtskräftig erlassen worden sind. Die Existenz eines „Weiterbildungsplanes” bringt es mit sich, daß zu seiner Verwirklichung geeignete Schritte gesetzt werden. Daher ist eine klare Strukturierung der Arbeit nach Zielen, Inhalten und geeigneten Mitteln zu ihrer Realisierung erforderlich. Die Verantwortlichen Der Priester 87. Der erste und wichtigste Verantwortliche der eigenen formatio permanens ist der Presbyter selbst. Tatsächlich hat jeder Priester die Pflicht, der Gabe Gottes und der Dynamik der täghchen Bekehrung treu zu sein, die aus diesem Geschenk kommt. Diese Pflicht beruht auf der Tatsache, daß niemand den einzelnen Presbyter im Achten auf sich selbst (vgl. 1 Tim 4,16) ersetzen kann. In der Teilnahme am einzigen Priestertum Christi ist er nämlich gerufen, gemäß seiner einzigartigen und unwiederholbaren Berufung einige Aspekte des außerordenthchen Reichtums der Gnade, die er empfangen hat, zu offenbaren und umzusetzen. Auf der anderen Seite sind die Bedingungen und Situationen des Lebens jedes einzelnen Priesters so, daß sie auch vom einfach menschlichen Standpunkt aus fordern, daß er sich persönlich so an seiner Weiterbildung beteiligt, um seine eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Entfaltung zu bringen. Er soll daher aktiv an den Zusammenkünften zur Weiterbildung teilnehmen und seinen eigenen Beitrag aufgrund seiner Kompetenzen und konkreten Möglichkeiten leisten. Er soll sich Bücher und Zeitschriften beschaffen und lesen, die der richtigen 244 Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 70: a.a.O., 778-782. 1108 KONGREGATIONEN UND RÄTE Lehre entsprechen und von bewährter Brauchbarkeit für sein geistliches Leben und die fruchtbare Ausübung seines Dienstes sind. Den ersten Platz in der Lektüre müssen die Heilige Schrift, sodann die Kirchenväter, die klassischen und modernen Lehrmeister der Spiritualität und die Dokumente des kirchlichen Lehramtes einnehmen. Sie bilden die Quelle für die formatio permanens, die am meisten maßgebend und auf dem letzten Stand ist. Die Presbyter sollen sie daher direkt und persönlich studieren und vertiefen, um sie in angemessener Weise den gläubigen Laien darlegen zu können. Brüderliche Hilfe 88. In allen Aspekten der priesterlichen Existenz sollen „die besonderen Bande der apostolischen Liebe, des Dienstes und der Brüderlichkeit” sichtbar werden, auf die sich die gegenseitige Hilfe gründet, die die Presbyter einander zukommen lassen. Es ist wünschenswert, daß die Zusammenarbeit aller Priester bei der Sorge um ihr geistliches und menschliches Leben, um den priesterlichen Dienst und um alle Aspekte des täglichen Daseins wächst und sich entwickelt. Die Hilfe, die in diesem Bereich den Priestern gegeben werden muß, kann eine solide Stütze in den verschiedenen Priestervereinigungen finden, die danach streben, eme in ihrem Wesen diözesane Spiritualität zu formen. Es handelt sich um Vereinigungen, die „nach von der zuständigen Autorität gebilligten Statuten, durch eine geeignete und allgemein anerkannte Lebensordnung sowie durch brüderlichen Beistand ihre Heiligkeit in der Ausübung des Dienstes fördern und der Einheit der Kleriker untereinander und mit dem eigenen Bischof dienen”. Aus dieser Sicht ist es erforderlich, sorgfältig das Recht jedes Diözesanpriesters zu respektieren, sein eigenes geistliches Leben in der Weise zu gestalten, die er für am meisten angemessen hält, klarerweise immer im Einklang mit den Merkmalen der eigenen Berufung und den Verbindlichkeiten, die daraus erwachsen. Die Arbeit, die diese Vereinigungen wie auch die approbierten Bewegungen zum Wohl der Priester erfüllen, wird von der Kirche hoch geschätzt. Sie erkennt heute darin ein Zeichen der Lebendigkeit, mit der der Heilige Geist sie fortwährend erneuert. 245 246 247 248 II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum orclinis, Nr. 8. Vgl. ebd. CIC, can. 278 § 2; Vgl. II. Vat. Konzil. Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 8. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 8; CIC, can. 278 § 2; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 81: a.a.O., 799-800. 1109 KONGREGATIONEN UND RÄTE Der Bischof 89. Wie groß und schwierig auch der Anteil des Volkes Gottes sein mag, der dem Bischof anvertraut ist, so muß er doch eine ganz besondere Fürsorge für die forma-tio permanens seiner Presbyter aufwenden. Denn es gibt besondere Beziehungen zwischen ihnen und dem Bischof aufgrund der „Tatsache, daß die Priester durch ihn ihr Priestertum empfangen und mit ihm die pastorale Sorge um das Gottesvolk teilen”. Das legt auch besondere Verantwortlichkeiten des Bischofs im Bereich der priesterlichen Weiterbildung fest. Diese Verantwortlichkeiten bestehen sowohl gegenüber den einzelnen Presbytern in der Weise, daß die Weiterbildung soweit wie möglich personalisiert ist, als auch gegenüber allen, insoweit sie das diözesane Presbyterium bilden. In diesem Sinn wird der Bischof es nicht unterlassen, mit besonderer Sorgfalt die Kommunikation und die Gemeinschaft unter den Presbytern zu pflegen. Im besonderen wird er dafür Sorge tragen, das wahre Wesen der formatio permanens zu bewahren und zu fördern. Er wird das Bewußtsein der Priester für ihre Wichtigkeit und Notwendigkeit verfeinern und schließlich für ihre Planung und Organisation sorgen, indem er einen Weiterbildungsplan festlegt, die notwendigen Einrichtungen schafft und geeignete Personen mit der Realisierung beauftragt. In der Vorsorge für die Weiterbildung seiner Priester ist es notwendig, daß der Bischof sich selbst auf die eigene und persönliche formatio permanens einläßt. Die Erfahrung lehrt, daß, je mehr der Bischof als erster sich um die eigene Weiterbildung bemüht und davon überzeugt ist, er um so mehr es verstehen wird, die Weiterbildung seines Presbyteriums zu fördern und zu unterstützen. Bei dieser delikaten Aufgabe soll der Bischof den Priesterrat um seine Mitarbeit bitten, auch wenn er selbst als Bischof dabei eine unersetzbare, nicht delegierbare Rolle innehat. Der Priesterrat scheint durch sein Wesen und seine Zielsetzung die geeignete Einrichtung, ihn dabei besonders zu unterstützen, was z. B. die Ausarbeitung des Weiterbildungsplanes betrifft. Außerdem wird jeder Bischof in der Bischofskonferenz von den anderen Mitbrüdem im Bischofsamt Unterstützung und Hilfe für seine Aufgabe erfahren. Ausbildung der Weiterbildner 90. Keine Weiterbildung ist möglich, wenn nicht - neben der Person, die sie erhalten soll - auch die Person vorhanden ist, die sie vermittelt. Die Qualität und Wirksamkeit eines Weiterbildungsplanes sind zum Teil von den Strukturen abhängig, in erster Linie aber von den Personen, die Weiterbildung vermitteln. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 16 d. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 79: a.a.O., 797. Vgl. ebd.: a.a.O., 797-798. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Optatam totius, Nr. 22; Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Ratio Fundamentalis Jnstitutionis Sacerdotalis (19. März 1985), Nr. 101. 1110 KONGREGATIONEN UND RÄTE Es liegt auf der Hand, daß die Verantwortung des Bischofs gegenüber diesen Personen besonders delikat und wichtig ist. Es ist daher notwendig, daß der Bischof selbst eine Gruppe von Personen mit der Weiterbildung beauftragt. Diese Personen sollen unter jenen Priestern ausgewählt werden, die durch ihre Ausbildung und menschliche, geistliche, kulturelle und pasto-rale Reife hoch qualifiziert und deswegen sehr geachtet werden. Die mit der Weiterbildung beauftragten Personen müssen vor allem wirklich Menschen des Gebetes sein, Lehrende mit einem starken Sinn für das Übernatürliche, von tiefem geistlichen Leben, einer beispielhaften Lebensführung, mit entsprechender Erfahrung im prie-sterlichen Dienst, mit der Fähigkeit, wie die Kirchenväter und die heiligen Lehrer aller Zeiten die geistlichen Erfordernisse mit den im näheren Sinn menschlichen des Priesters zu verbinden. Sie können auch aus den Mitgliedern der Seminarien, der von der kirchlichen Autorität approbierten akademischen Zentren oder Institutionen ausgewählt werden sowie innerhalb jener Gemeinschaften, deren Charisma sich gerade auf Leben und Spiritualität des Priesters bezieht. Auf jeden Fall müssen die Rechtgläubigkeit der Lehre und die Treue zur kirchlichen Ordnung garantiert sein. Die Personen, die mit der Weiterbildung betraut sind, müssen überdies für den Bischof Mitarbeiter seines Vertrauens sein; der Bischof bleibt der Letztverantwortliche für die Weiterbildung seiner kostbarsten Mitarbeiter. Zweckmäßig ist es, eine Gruppe für die Planung und Verwirklichung zu bilden, die dem Bischof hilft, die Inhalte festzulegen, die jährlich in jedem Bereich der formatio permanens zu entwickeln sind; sie soll die notwendigen Hilfsmittel vorbereiten; die Kurse, Sitzungen, Zusammenkünfte und Einkehrtage festlegen; die Termine in der Weise organisieren, daß für die Vertretung der abwesenden Presbyter vorgesorgt wird etc. Um ein gutes Programm zu erhalten, kann auch der Rat von Fachleuten in besonderen Themenbereichen in Anspruch genommen werden. Während es ausreicht, daß eine Gruppe von Personen mit der Weiterbildung beauftragt ist, können - wenn notwendig - verschiedene Gruppen für die Planung und Realisierung bestehen. Zusammenarbeit der Kirchen 91. Vor allem bei den gemeinsamen Einrichtungen kann die Planung der verschiedenen Mittel der ständigen Weiterbildung und ihrer konkreten Inhalte durch gemeinsame Übereinkunft unter verschiedenen Teilkirchen sowohl auf nationaler und regionaler Ebene durch die betreffenden Bischofskonferenzen als auch vor allem zwischen benachbarten oder nahe beieinander liegenden Diözesen festgelegt werden. So könnte man zum Beispiel - wenn man sie für geeignet hält - interdiözesane Einrichtungen, wie die Fakultäten und die theologischen und pastoralen Institute sowie die in der Priesterausbildung engagierten Organe und Vereinigungen, nutzen. Eine solche Zusammenfassung der Kräfte könnte neben der Verwirklichung einer au- 1111 KONGREGATIONEN UND RÄTE ken und verfügbar sein, wann immer man sie um den Dienst bittet, „selbst wertvolle Lehrer und Ausbilder anderer Priester zu werden”. Priester in besonderen Situationen 96. Unabhängig vom Lebensalter können sich Priester in „einem Zustand physischer Schwächung oder moralischer Müdigkeit” vorfinden. Sie tragen mit der Aufopferung ihres Leidens in hervorragender Weise zum Erlösungswerk bei, indem sie „ein Zeugnis geben, das von der entschiedenen Annahme des Kreuzes in Hoffnung und Osterfreude gezeichnet ist”. Die Weiterbildung muß solchen Priestern Anregungen bieten, „gelassen und stark-mütig ihren Dienst an der Kirche fortzusetzen” und beredtes Zeichen für den Primat des Seins über das Handeln, der Inhalte über die Techniken, der Gnade über den äußeren Erfolg zu sein. So könnten sie die Erfahrung des hl. Paulus leben: „Ich bin guter Dinge in den Leiden, die ich euretwegen ertrage und ergänze in meinem Fleisch, was an den Leiden Christi fehlt, zum Nutzen seines Leibes, der die Kirche ist” {Kol 1,24). Der Bischof und die Mitbrüder dürfen periodische Besuche bei diesen kranken Mit-brüdem nicht versäumen, die man über die Vorgänge in der Diözese auf dem laufenden halten kann, um sie spüren zu lassen, daß sie Mitglieder des Presbyteriums der Gesamtkirche sind, die sie mit ihren Leiden aufbauen. Mit ganz besonderer und liebevoller Aufmerksamkeit müssen die Priester umgeben werden, die ihre Erdentage bald beschließen, die sie im Dienst an Gott für das Heil der Mitmenschen verbracht haben. Dem dauernden Glaubensbeistand und der erwünschten Spendung der Sakramente wird dann die Fürbitte des gesamten Presbyteriums folgen. Einsamkeit des Priesters 97. Der Priester kann in jedem Lebensalter und in jedweder Situation das Gefühl der Einsamkeit verspüren. Dies kann, ohne es als psychologische Isolierung zu deuten, ganz normal und Konsequenz des ehrlichen Bemühens um Nachfolge im Sinn des Evangeliums sein und eine kostbare Dimension des eigenen Lebens bilden. In einigen Fällen aber könnte es auf spezielle Schwierigkeiten zurückzuführen sein, wie etwa Ausgrenzung, Unverständnis, Abwege, Verlassenheit, Torheiten, charakterliche Grenzen bei sich selbst und bei anderen, Verleumdungen, Demütigungen usw. Daraus kann sich ein bohrendes Gefühl der Frustration entwickeln, das extrem schädlich wäre. 258 259 260 261 262 Ebd. Ebd. Ebd., Nr. 41: a.a.O., 727. Ebd., Nr. 77: a.a.O., 794. Vgl. ebd., Nr. 74: a.a.O., 794. 1114 KONGREGATIONEN UND RÄTE Aber auch diese schwierigen Momente können mit der Hilfe des Herrn privilegierte Möglichkeiten des Wachstums auf dem Weg der Heiligkeit und des Apostolates werden. In ihnen kann der Priester entdecken, daß es sich um „eine von der Gegenwart des Herrn bewohnte Einsamkeit handelt”. Selbstverständlich darf dies nicht die schwere Verantwortung des Bischofs und des gesamten Presbyteriums vergessen lassen, jede durch Nachlässigkeit in der priester-lichen Gemeinschaft entstehende Einsamkeit zu vermeiden. Man darf schließlich jene Mitbrüder nicht vergessen, die ihr Amt aufgegeben haben und denen die nötige Hilfe anzubieten ist, vor allem in Gebet und Buße. Die ihnen geschuldete verständnisvolle Haltung soll aber nicht zu Überlegungen führen, ihnen etwa kirchliche Aufgaben anzuvertrauen, was gerade wegen ihrer Situation besonders unter den Gläubigen eher Konfusion und Unruhe hervorrufen könnte. Schluß Der Herr der Ernte, der die Arbeiter ruft und zur Arbeit auf sein Feld schickt (vgl. Mt 9,38), hat mit ewiger Treue versprochen: „Ich gebe euch Hirten nach meinem Herzen” (Jer 3,15). Auf dieser Treue in der Kirche Gottes, die lebt und wirkt, beruht die Hoffnung, ausreichend viele und heilige Priesterberufungen zu empfangen, was sich übrigens in vielen Ländern bereits abzeichnet. Auf ihr beruht auch die Gewißheit, daß es der Herr seiner Kirche nicht am nötigen Licht mangeln lassen wird, um das begeisternde Abenteuer anzugehen, die Netze auszuwerfen. Dem Geschenk Gottes antwortet die Kirche mit Danksagung, Treue, Horchen auf den Geist, demütigem und inständigem Gebet. Um seine apostolische Sendung zu verwirklichen, wird jeder Priester in seinem eigenen Herzen die Worte Jesu eingemeißelt tragen: „Vater, ich habe dich auf Erden verherrlicht und das Werk vollbracht, das du mir aufgetragen hast, den Menschen ewiges Leben zu geben” (Joh 17,2-4). Deshalb wird er sein eigenes Leben für die Brüder hingeben als Zeichen übernatürlicher Liebe, in Gehorsam, in zölibatärer Keuschheit, in der Einfachheit des Lebens und im Respektieren der Ordnung der Kirche als Communio. In seinem Evangelisierungswerk transzendiert der Priester die natürliche Ordnung, um sich beständig „den Gott betreffenden Dingen” zuzuwenden (Hebr 5,1). Er ist nämlich berufen, den Menschen zu erhöhen, indem er ihn zum göttlichen Leben und ihn darin bis zur Fülle Christi wachsen läßt. Genau deshalb stellt ein echter Priester, der in seiner Treue zu Christus und zur Kirche motiviert ist, wirklich eine unvergleichliche Kraft wahren Fortschritts für die ganze Welt dar. 263 264 Ebd. Vgl. ebd., Nr. 82: a.a.0., 800. 1115 KONGREGATIONEN UND RÄTE „Die Neu-Evangelisierung braucht neue Verkünder, und das sind die Priester, die sich verpflichten, ihr Priestertum als besonderen Weg zur Heiligkeit zu leben”. Die Werke Gottes vollbringen die Menschen Gottes! Wie Christus muß sich der Priester der Welt als Modell übernatürlichen Lebens darstellen: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr tut, was ich an euch getan habe” (Joh 13,15). Das durch das Leben gegebene Zeugnis qualifiziert den Priester und ist seine überzeugendste Predigt. Die kirchliche Disziplin, die mit authentischer innerer Motivation gelebt wird, erweist sich als brauchbarer Dienst zum Leben der eigenen Identität, zur Förderung der Liebe und zur Leuchtkraft des Zeugnisses, ohne das jedwede kulturelle Bildung und rigorose Planung bloß eine Illusion wäre. Zu nichts nützt das „Machen”, wenn das „Sein mit Christus” fehlt. Hier ist der Horizont der Identität, des Lebens, des Dienstes und der Weiterbildung des Priesters. Es ist eine immense, offene, mutige, vom Glauben erleuchtete, von Hoffnung getragene und in der Liebe verwurzelte Arbeitsaufgabe. Bei diesem sowohl notwendigen als auch dringlichen Werk ist niemand allein. Es ist nötig, daß den Priestern geholfen wird durch den exemplarischen, maßgebenden und kraftvollen pastoralen Leitungsdienst der eigenen Bischöfe in offensichtlicher Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl und durch die brüderliche Zusammenarbeit mit dem gesamten Presbyterium und mit dem ganzen Volk Gottes. Jeder Priester vertraue sich Maria an, der Mutter des Vertrauens. In ihr, „die in ihrem Leben das Beispiel jener mütterlichen Liebe war, von der alle beseelt sein müssen, die in der apostoüschen Sendung der Kirche zur Wiedergeburt der Menschen mitwirken”, werden die Priester dauerhaft Schutz und Hilfe für die Erneuerung des eigenen Lebens finden, damit aus ihrem Priestertum an der Schwelle zum dritten Millennium der Erlösung ein ganz intensiver und erneuerter Evangehsierungsschub entsteht. Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. hat am 31. Januar 1994 das vorliegende Direktorium approbiert und seine Veröffentlichung autorisiert. Jose T. Card. Sanchez Präfekt + Crescenzio Sepe Tit.-Erzbischof von Grado Sekretär Ebd., Nr. 82: a.a.O., 801. II. Vat. Konzil (1962-1965), Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 65. 1116 KONGREGATIONEN UND RATE Gebet zu Maria MARIA, Mutter Jesu Christi und Mutter der Priester, nimm diesen Namen entgegen, den wir Dir erkoren, um Deine Mutterschaft zu feiern und um mit Dir das Priestertum Deines Sohnes und Deiner Söhne zu betrachten, oh Heilige Gottesmutter. Mutter Christi, dem Messias und Hohenpriester hast Du durch die Kraft des Heiligen Geistes, zum Heil der Armen und im Herzen Betrübten einen menschlichen Leib geschenkt: behüte die Priester in Deinem Herzen und in der Kirche, oh Mutter des Erlösers. Mutter des Glaubens, Du hast den Menschensohn zum Tempel geleitet, in Erfüllung der den Vätern gegebenen Verheißung: empfiehl die Priester Deines Sohnes dem Vater zu seiner Verherrlichung, oh Arche des Bundes. Mutter der Kirche, inmitten der Jünger im Abendmahlssaal hast Du für das Neue Volk und seine Hirten zum Heiligen Geist gebetet: erhalte dem Priesterstand die Fülle der Gaben, oh Königin der Apostel. Mutter Jesu Christi, Du warst bei Ihm in den Anfängen seines Lebens und seiner Sendung. Ihn, den Meister, hast Du in der Menschenmenge gesucht, Ihm bist Du beigestanden, als er von der Erde erhöht wurde und sich hingab als das eine und ewige Opfer; Du hattest Johannes bei Dir, Deinen Sohn: nimm Dich von Anfang an der Bemfenen an, schütze ihr Wachsen, begleite Deine Söhne in ihrem Leben und Dienst, oh Mutter der Priester. Amen! Johannes Paul II.. Pastores dabo vobis. Nr. 82: a.a.O., 803-804. 267 KONGREGATIONEN UND RÄTE Das brüderliche und schwesterliche Leben in Gemeinschaft „Congregavit nos in unum Christi amor” Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens vom 2. Februar 1994 N.B. Die Verwendung der Begriffe „Bruder, brüderlich” folgt dem italienischen Text und meint, wo und wie dieser, beide Geschlechter. Einleitung „ Congregavit nos in unum Christi amor” 1. Die Liebe Christi hat eine große Zahl von Jüngern zusammengeführt, damit sie untereinander eins seien, und damit sie, wie Er und durch Ihn, im Geist, über die Jahrhunderte hin eine Antwort auf die Liebe des Vaters geben, indem sie „aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und mit allen ihren Kräften” (vgl. Dtn 6,5) Ihn lieben, und den Nächsten „wie sich selbst” (vgl. Mt 22,39). Unter diesen Jüngern stellen jene, die in den Ordensgemeinschaften Zusammenleben, Männer und Frauen „aus allen Sprachen, Rassen, Völkern und Stämmen” (vgl. Ojfb 7,9), bis heute einen besonders aussagekräftigen Ausdruck dieser großen, grenzenlosen Liebe dar. Nicht „aus dem Willen des Fleisches oder Blutes”, nicht aus persönlicher Sympathie oder aus menschlichen Motiven, sondern „von Gott” (vgl. Joh 1,13), von einer göttlichen Berufung angezogen, sind die Ordensgemeinschaften ein lebendiges Zeichen für den Vorrang der Liebe Gottes, der Wunderbares wirkt, und für die Liebe zu Gott und den Brüdern und Schwestern, so wie Christus sie aufgezeigt und vorgelebt hat. Angesichts ihrer Bedeutung für das Leben und für die Heiligkeit der Kirche ist es wichtig, das Leben der konkreten Ordensgemeinschaften zu überprüfen, seien sie monastisch und kontemplativ oder apostolisch tätig, und zwar unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Eigenart. Was hier über die Ordensgemeinschaften gesagt wird, gilt gleicherweise auch für die Gemeinschaften der Gesellschaften des apostolischen Lebens, immer unter Berücksichtigung ihrer Eigenart und Rechtsordnung. a) Das Thema dieses Dokumentes geht von einer Tatsache aus: In vielen Ländern hat sich das Erscheinungsbild des „brüderlichen, gemeinsamen Lebens”, im Vergleich zur Vergangenheit, in vielem verändert. Diese Veränderungen wie auch die Hoffnungen und Enttäuschungen, die bis heute diesen Wandlungsprozeß begleiten, rufen nach einer Neubesinnung im Lichte des II. Vatikanischen Konzils. Sie haben zu positiven, aber auch zu umstrittenen Ergebnissen geführt. Sie haben nicht wenige Werte des Evangeliums neu ins Licht gerückt und den Ordensgemeinschaften neue Vitalität geschenkt. Sie haben jedoch auch Fragen geweckt, weil sie einige der typischen Elemente des brüderlichen Lebens in Gemeinschaft verdunkelt haben. In eini- 1118 KONGREGATIONEN UND RATE gen Gegenden scheint die Ordensgemeinschaft sogar in den Augen der Ordensmänner und Ordensfrauen an Bedeutung verloren zu haben und womöglich nicht mehr ein erstrebenswertes Ideal zu sein. Mit der Gelassenheit und Unruhe dessen, der den Willen Gottes sucht, wollten viele Ordensgemeinschaften diesen Wandlungsprozeß auswerten, um der eigenen Berufung im Gottesvolk besser zu entsprechen. b) Viele Faktoren haben diese Veränderungen mitbestimmt, und dies vor unseren Augen: - Die „ständige Rückkehr zu den Quellen jedes christlichen Lebens und zum Geist des Ursprungs der einzelnen Institute”, oder anders gesagt, die tiefere und umfassendere Begegnung mit dem Evangelium und mit dem ersten Aufbrechen des Gründungscharismas war ein kraftvoller Anstoß zur Aneignung des wahren Geistes der Brüderlichkeit, und zu jenen Strukturen und Verhaltensweisen, die ihn überzeugend ausdrücken sollen. Dort, wo die Begegnung mit diesen Quellen und mit der ursprünglichen Inspiration nur unvollständig oder mit halbem Herzen geschah, war das brüderliche Leben vielfach gefährdet und verblaßte. - Dieser Prozeß hat sich jedoch auch innerhalb allgemeinerer Entwicklungen abgespielt, die den größeren Rahmen dazu bilden, und deren Einflüssen sich das Ordensleben nicht entziehen konnte. Das Ordensleben ist ein lebendiger Teil der Kirche, und es lebt in der Welt. Die Werte und Gegenwerte, die in einer Epoche oder in einem Kulturkreis gären, und die gesellschaftlichen Strukturen, die sie offenlegen, bedrängen das Leben aller, einschließlich das der Kirche und ihrer Ordensgemeinschaften. Letztere werden entweder ein evangelischer Sauerteig in der Gesellschaft sein, Verkündigung der Frohen Botschaft inmitten der Welt, Ankündigung des himmlischen Jerusalems in der Zeit, oder sie werden in einer längeren oder kürzeren Agonie erliegen, einfach deshalb, weil sie sich der Welt angeglichen haben. Darum müssen das Nachdenken und die neuen Vorschläge bezüglich des „brüderlichen Lebens in Gemeinschaft” diese äußeren Rahmenbedingungen berücksichtigen. - Aber auch die eigene Entwicklung der Kirche hat tief auf die Ordensgemeinschaften eingewirkt. Das II. Vatikanische Konzil, das ein Ereignis der Gnade und einen höchsten Ausdruck der pastoralen Führung der Kirche in diesem Jahrhundert darstellt, hatte einen entscheidenden Einfluß auf das Ordensleben; nicht nur durch das Dekret Perfectae caritatis, das ihm gewidmet ist, sondern auch durch die konziliare Ekklesiologie und durch ein jedes seiner Dokumente. Aus den genannten Gründen beginnt das vorliegende Dokument, bevor es zur Sache kommt, mit einem kurzen Blick auf die Veränderungen in jenen Bereichen, die un- 1 2 II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965, Nr. 2. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965, Nrn. 2-4. KONGREGATIONEN UND RÄTE mittelbarer die Qualität des brüderlichen Lebens und der Formen seiner Verwirklichung in den verschiedenen Ordensgemeinschaften beeinflußt haben. Die Theologische Entwicklung 2. Das II. Vatikanische Konzil hat einen grundlegenden Beitrag für die Neubewertung des „brüderlichen Lebens in Gemeinschaft” und für ein neues Verständnis der Ordensgemeinschaften geleistet. Es war die Entwicklung der Ekklesiologie, die mehr als andere Faktoren die Entfaltung des Verständnisses der Ordensgemeinschaften beeinflußt hat. Das II. Vatikanum betonte, daß das Ordensleben „unerschütterlich” (inconcusse) zum Leben und zur Heihgkeit der Kirche gehört, und hat es im Herzen ihres Geheimnisses der communio und der Heiligkeit beheimatet. <468> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, 1964, Nr. 44d. Die Ordensgemeinschaft hat also Anteil an einem erneuerten und vertieften Verständnis der Kirche. Daraus folgert: a) Von der Kirche als Geheimnis zur geheimnisbezogenen Dimension der Ordensgemeinschaft. Die Ordensgemeinschaft ist nicht einfachhin ein Zusammenschluß von Christen, die ihre persönliche Vollkommenheit suchen. Sie ist in ihrer Tiefe vielmehr Teilhabe und qualifiziertes Zeugnis für die Kirche als einem Geheimnis, denn sie ist lebendiger Ausdruck und wesensgemäße Verwirklichung ihrer besonderen „communio”, der großen trinitarischen „koinonia”, an welcher der Vater den Menschen Teilhabe gewähren wollte durch den Sohn im Heiligen Geist. b) Von der Kirche als Geheimnis zur brüderlichen und gemeinschaftsbezogenen Dimension der Ordensgemeinschaft. Die Ordensgemeinschaft macht durch ihre Struktur, durch ihre Motivationen, durch ihre charakteristischen Werte jene Gabe der Brüderlichkeit öffentlich sichtbar und fortwährend erfahrbar, die Christus der ganzen Kirche geschenkt hat. Eben deshalb ist es ihre unverzichtbare Aufgabe und ihre Sendung, eine Zelle intensiv gelebter gemeinschaftlicher Brüderlichkeit zu sein, die Zeichen und Ansporn ist für alle Getauften. <469> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Peifectae caritatis, 1965, Nr. 15a; II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium. 1964, Nr. 44c. c) Von der Kirche, die von den Charismen beseelt ist, zur charismatischen Dimension der Ordensgemeinschaft. Die Ordensgemeinschaft ist eine Zelle brüderlicher Gemeinschaft, die ihr Leben von ihrem Gründungscharisma her empfängt; sie ist Teil der organischen communio der 1120 KONGREGATIONEN UND RÄTE ganzen Kirche, die der Geist fortwährend mit den verschiedensten Diensten und Charismen erfüllt. Um einer solchen Gemeinschaft anzugehören ist die besondere Gnade einer Berufung erforderlich. Konkret heißt dies, daß die Mitglieder einer Ordensgemeinschaft untereinander durch einen gemeinsamen Ruf Gottes im Sinne des Charismas der Gründung verbunden sind, durch eine typische kirchliche Lebensweihe und durch eine gemeinschaftliche Antwort, die in der Teilhabe an „der Erfahrung des Geistes” besteht, die vom Gründer gelebt und an seine Sendung in der Kirche weitergegeben wurde. <470> Vgl. Mutuae Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978, Nr. 11. Sie will auch die „schlichteren und allgemeineren” <471> Gnadengaben dankbar annehmen, die Gott in ihren Mitgliedern zum Wohle des ganzen Leibes erweckt. Die Ordensgemeinschaft existiert für die Kirche, um sie darzustellen, sie zu bereichern <472> und sie für ihre Sendung fähiger zu machen. ^ II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, 1964, Nr. 12. <472> Vgl. Mutuae Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978, Nr. 14. d) Von der Kirche als Sakrament der Einheit zur apostolischen Dimension der Ordens gemeinscha.fi. Der Sinn des Apostolates liegt darin, die Menschheit zur Vereinigung mit Gott und zu ihrer Einheit zu führen, und dies durch die göttliche Liebe. Das brüderliche Leben in Gemeinschaft als ein Ausdruck der durch Gottes Liebe bewirkten Einheit ist, neben seinem wesentlichen Zeugnischarakter im Dienste der Evangelisierung, auch für das apostolische Wirken und für dessen letzte Zielsetzung von großer Bedeutung. Von hier empfängt die Ordensgemeinschaft die Kraft eines Zeichens und eines Instruments der Brüderlichkeit. Die brüderliche Gemeinschaft steht in der Tat am Anfang und am Ende des Apostolates. Das Lehramt hat seit dem Konzil dieses neue Verständnis der Ordensgemeinschaft vertieft und durch neue Beiträge bereichert. <473> g w VgJ. Apostolische Ermahnung Evangelica Testificatio, Paul VI., 1971, Nrn. 30-39; Mutuae Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978, Nrn. 2-3.10.14; Elementi essenziali dell’insegnamento della Chiesa sulla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben), Dokument der CRIS, 1983, 18-22; Potissimum Institutioni (Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten), Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (CIVCSVA), 1990, 25-28; vgl. auch CIC, can. 602. Die Kirchenrechtliche Entwicklung 3. Das Kirchenrecht (1983) konkretisiert und verdeutlicht jene Weisungen des Konzils, die das Gemeinschaftsleben betreffen. 1121 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wenn von „gemeinsamem Leben” gesprochen wird, sind zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden. Während der Kodex von 1917 <474> den Eindruck erweckt, sich auf äußerliche Elemente und auf die Einheitlichkeit des Lebensstiles zu konzentrieren, bestehen das II. Vatikanum <475> und der neue Kodex <476> ausdrücklich auf der spirituellen Dimension und auf dem Band der Brüderlichkeit, das alle Mitglieder untereinander in Liebe verbinden muß. Der neue Kodex hat beide Gesichtspunkte zusammengefaßt, wenn er von einem „brüderlichen Leben” spricht, das „in Gemeinschaft” zu führen ist. <477> <474> Vgl. CIC, can. 594 § 1. <475> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965, Nr. 15. <476> Vgl. CIC, cann. 602.619. <477> CIC, can. 607 § 2. Man kann somit im Gemeinschaftsleben zwei Elemente der Gemeinschaft und der Einheit unter den Mitgliedern unterscheiden: - ein mehr spirituelles: es ist die „Brüderlichkeit”, oder „brüderliche Gemeinschaft”, die vom Herzen ausgeht und von der Liebe beseelt wird. Es betont eher die „Lebensgemeinschaft” und die Beziehung unter den Personen. <478> <478> Vgl. CIC, can. 602. - ein mehr äußerliches: es ist das „Leben in Gemeinschaft” oder das „Leben als Gemeinschaft”, das sich verwirklicht „im Wohnen im eigenen, rechtmäßig errichteten Ordenshaus” und in „gemeinsamer Lebensführung” durch Treue zu denselben Regeln, durch Teilnahme an den gemeinsamen Übungen und durch Mitarbeit in den gemeinsamen Diensten. <479> <479> Vgl. CIC, cann. 608.665 § 1. Dies alles wird in den verschiedenen Gemeinschaften jeweils „gemäß der eigenen Lebensordnung” <480> verwirklicht, also auf eine dem Charisma und dem Eigenrecht des Instituts entsprechende Weise. <481> Hierin hegt die Bedeutung des Eigenrechtes, das das Erbgut eines jeden Institutes auf das Gemeinschaftsleben wie auch auf die Mittel zu dessen Verwirklichung anwenden muß. <482> <480> CIC, can. 731 § 1. <481> Vgl. CIC, can. 607 § 2; auch can. 602. <482> Vgl. CIC, can. 587. Es versteht sich, daß das „brüderliche Leben” nicht automatisch schon mit der Einhaltung jener Normen gegeben ist, die das Leben in Gemeinschaft regeln; doch ist es ebenso einleuchtend, daß es Ziel des Lebens in Gemeinschaft ist, das Leben in Brüderlichkeit intensiv zu fördern. Die Gesellschaftliche Entwicklung 4. Die Gesellschaft befindet sich in ständiger Entwicklung, und die Ordensleute, die nicht von der Welt sind, aber dennoch in ihr leben, werden davon beeinflußt. 1122 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wir erinnern hier lediglich an einige Aspekte, die einen unmittelbareren Einfluß auf das Ordensleben ganz allgemein, in besonderer Weise jedoch auf die Ordensgemeinschaften ausgeübt haben. a) Die politischen und sozialen Emanzipationsbewegungen in der Dritten Welt und das Anwachsen der Industrialisierung führten in den letzten Jahrzehnten zu großen sozialen Veränderungen, zu einer besonderen Sensibilisierung für die „Entwicklung der Völker” und für die Situationen der Armut und des Elends. Angesichts dieser Entwicklung haben die Ortskirchen mit großer Lebhaftigkeit reagiert. Besonders in Lateinamerika wurde durch die Generalversammlungen der dortigen Bischöfe in Medellin, Puebla und Santo Domingo, die „evangeliumsgemäße und vorrangige Option für die Armen” <483> in den Vordergrund gerückt, mit einer nachträglichen Verschiebung des Akzentes auf den sozialen Einsatz. Santo Domingo, Schlußfolgerungen der IV. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, 1992, 178 und 180. Die Ordensgemeinschaften wurden davon sehr stark betroffen, und viele von ihnen begannen, die Bedingungen für ihre Präsenz in der Gesellschaft in Richtung auf einen unmittelbareren Dienst an den Armen neu zu überdenken, bis hin zur Eingliederung (inserimento) unter ihnen. Das beeindruckende Anwachsen des Elends am Rande der Großstädte und die Verarmung der Landbevölkerung beschleunigten in nicht wenigen Ordensgesellschaften den Prozeß des „Umzugs” in solche Gebiete des armen Volkes. Überall stellt sich das Problem der Inkulturation. Die Kulturen, die Traditionen, die Mentalität eines Landes, sie alle prägen die Gestalt des brüderlichen Lebens in den Ordensgemeinschaften. Dazu kommt, daß die jüngsten, weiträumigen Wanderungsbewegungen das Problem des Zusammenlebens verschiedener Kulturen stellen, sowie jenes der rassenfeindlichen Reaktionen. Dies alles ist auch in den immer zahlreicher werdenden, kulturell und rassisch gemischten Ordensgemeinschaften spürbar. b) Die Forderung nach persönlicher Freiheit und nach den Menschenrechten stand am Anfang eines umfassenden Demokratisierungsprozesses, der die wirtschaftliche Entwicklung und das Wachstum der zivilen Gesellschaft gefördert hat. Unmittelbar nach dem Konzil hat dieser Prozeß - vor allem im Westen - eine Beschleunigung erfahren, die zuweilen von Versammlungssucht und von antiautoritären Verhaltensmustem geprägt war. Vor der Infragestellung der Autorität blieben auch die Kirche und das Ordensleben nicht verschont, was deutliche Auswirkungen auch auf das gemeinsame Leben hatte. Die einseitige und überzogene Betonung der Freiheit hat im Westen zur Verbreitung einer Kultur des Individualismus beigetragen und die Ideale des Gemeinschaftslebens und des Einsatzes für gemeinschaftliche Vorhaben geschwächt. 1123 KONGREGATIONEN UND RATE Auch andere, ebenso einseitige Reaktionen sind hier zu nennen, wie z. B. die auf blindes Vertrauen in eine beruhigende Führung gründende Flucht in sichere Autoritäts-Strukturen. c) Die Stärkung der Rolle der Frau - nach Papst Johannes XXIII. eines der Zeichen der Zeit - hat im Leben der christlichen Gemeinschaften in verschiedenen Ländern kein geringes Echo gefunden. Selbst wenn in einigen Gegenden der Einfluß extremistischer Strömungen des Feminismus das Ordensleben tief berührt, so sind die weiblichen Ordensgemeinschaffen doch fast überall auf der positiven Suche nach Formen des Gemeinschaftslebens, von denen man annimmt, daß sie einem erneuerten Bewußtsein von der Identität, der Würde und der Rolle der Frau in Gesellschaft, Kirche und Ordensleben mehr entsprechen. d) Die Explosion der Kommunikationsmittel hat seit den 60er-Jahren beachtlich, zuweilen geradezu dramatisch, den allgemeinen Informationsstand, das soziale und apostolische Verantwortungsbewußtsein, die apostolische Beweglichkeit und die Qualität der Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft beeinflußt, ganz zu schweigen vom konkreten Lebensstil und vom Klima der Sammlung, die eine Ordensgemeinschaft kennzeichnen sollten. e) Der Konsumismus und Hedonismus, verbunden mit einer Schwächung des Glaubens, die dem Säkularismus eigen ist, blieb in vielen Gegenden nicht ohne Einfluß auf die Ordensgemeinschaften und hat bei einzelnen von ihnen die Fähigkeit, „dem Bösen zu widerstehen”, auf eine harte Probe gestellt, andererseits aber doch auch zu neuen, persönlichen und gemeinschaftlichen Lebensstilen geführt, die ein unverfälschtes evangelisches Zeugnis für unsere Welt darstellen. Dies alles ist eine Herausforderung und ein Anruf, mit verstärkter Willenskraft die evangelischen Räte zu leben, und dies auch, um die gesamte christliche Gemeinschaft in ihrem Zeugnis zu bestärken. Änderungen im Ordensleben 5. In diesen Jahren haben sich Wandlungen vollzogen, die auf die Ordensgemeinschaften einen einschneidenden Einfluß ausgeübt haben. a) Neue Lebensgestaltung in den Ordensgemeinschaften. Gleichzeitig mit dem Rückgang der Berufe haben in vielen Ländern die zunehmenden Aktivitäten des Staates in Bereichen, in denen die Ordensgemeinschaften tätig waren, wie z. B. in Fürsorge, Schule und Gesundheitswesen, zu einer Verminderung der Präsenz der Ordensleute in den für apostolisch tätige Institute typischen Werken geführt. So werden jene großen Ordensgemeinschaften weniger, die in solchen äußeren Apostolatswerken eingebunden waren, die lange Zeit das Erscheinungsbild der verschiedenen Institute geprägt haben. Vgl. Mulieris dignitatem: vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 1965, Nrn. 9.60. 19 KONGREGATIONEN UND RÄTE Gleichzeitig werden in einigen Gegenden die kleineren Gemeinschaften bevorzugt, die von Ordensleuten gebildet werden, die sich in nicht institutseigene, jedoch oft auf der Linie des Charismas des Instituts hegende Werke einbringen. Dies hat beachtliche Folgen für die Form des Gemeinschaftslebens und verlangt Änderungen im traditionellen Lebensrhythmus. Der ehrliche Wille, der Kirche zu dienen, das Festhalten an Werken des Instituts, sowie die drängenden Anfragen der Ortskirche können manchmal die Ordensleute leicht dazu veranlassen, sich mit Arbeit zu überladen, was dann zu einer zeitlichen Verringerung ihrer Verfügbarkeit für das Gemeinschaftsleben führt. b) Auf die zunehmenden Anfragen um Hilfe in den drängendsten Nöten unserer Zeit (Arme, Drogenabhängige, Flüchtlinge, Randgruppen, Behinderte, Kranke) antworteten die Orden mit einem bewundernswerten und auch anerkannten Engagement. Dies machte jedoch auch Änderungen im traditionellen Erscheinungsbild der Ordensgemeinschaften notwendig, die von einigen für ungeeignet gehalten wurden, um solchen neuen Umständen zu begegnen. c) Das Verständnis und die Realisierung der eigenen Arbeit, die — besonders in einem säkularisierten Umfeld - eher als schlichte Ausübung eines bestimmten Berufes und nicht als die Entfaltung einer Sendung im Dienste des Evangeliums angesehen wird, hat zuweilen die Wirklichkeit der Weihe an Gott und die geistliche Dimension des Ordenslebens derart in den Schatten gestellt, daß das Gemeinschaftsleben als ein Hindernis für dieses Apostolat angesehen wurde oder als ein rein funktionales Mittel zum Zweck. d) Im unmittelbaren Gefolge des Konzils entwickelte sich ein neues Verständnis der Person, verbunden mit einer starken Betonung der Einzelperson und ihrer Initiativen. Im Anschluß daran erwachte ein feineres Gespür für Gemeinschaft im Sinne eines brüderlichen Lebens, das mehr auf der Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen als auf den formalen Aspekten einer satzungsmäßigen Observanz gründet. Diese Akzentuierung wurde hier und da radikalisiert (daher rühren die einander entgegengesetzten Tendenzen des Individualismus und des Kommunitarismus), ohne bislang zu einer befriedigenden Synthese gefunden zu haben. e) Die neuen Leitungsstrukturen, die aus den erneuerten Konstitutionen hervorgegangen sind, verlangen nach einer erheblich stärkeren Einbeziehung der Ordensmitglieder. Das führte zu einer anderen Weise, den Problemen durch gemeinschaftliches Gespräch, durch Mitverantwortung und durch Subsidiarität zu begegnen. Sämtliche Mitglieder werden in die Fragen der Gemeinschaft miteinbezogen. Dies ändert nicht unerheblich die zwischenmenschlichen Beziehungen und hat Folgen auch für das Verständnis der Autorität. Nicht selten tut sich diese im praktischen Alltag schwer, im neuen Gefüge ihren eigenen Ort wiederzufmden. 1125 KONGREGATIONEN UND RÄTE Alle die oben angeführten Veränderungen und Tendenzen haben auf das Erscheinungsbild der Ordensgemeinschaften einen tiefgehenden, wenngleich differenzierten Einfluß ausgeübt. Die oft beachtlichen Differenzierungen sind - wie leicht zu verstehen ist - bedingt durch die Verschiedenheit der Kulturen und der Kontinente, durch die Geschlechterverschiedenheit der Gemeinschaften, durch die Eigenart des Ordenslebens und des Instituts, durch die unterschiedlichen Werke und das entsprechende neue Verständnis und die neue Aktualisierung des Gründercharismas, durch die unterschiedliche Art, der Gesellschaft und der Kirche zu begegnen, durch die unterschiedliche Aufnahme der vom Konzil formulierten Werte, durch die verschiedenen Traditionen und Formen im Gemeinschaftsleben, durch die Unterschiede in der Ausübung der Autorität und in dem Bemühen um die Erneuerung der beständigen Weiterbildung. Diese Probleme sind in Wirklichkeit nur zum Teil gemeinsame Probleme, und sie differenzieren sich immer mehr. Ziele des Dokuments 6. Angesichts dieser neuen Situation will das vorliegende Dokument vor allem die Anstrengungen unterstützen, die von vielen männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften zur Verbesserung ihres brüderlichen und schwesterlichen Lebens gemacht werden. Dazu möchte es einige Unterscheidungs-Kriterien anbieten, die für eine authentische Erneuerung aus dem Geist des Evangelium hilfreich sein können. Vorliegendes Dokument will außerdem all jenen einige Anregungen zum Nachdenken anbieten, die sich vom Ideal des Gemeinschaftslebens entfernt haben, damit sie bei ihrer Selbstbesinnung auch ernsthaft bedenken, wie unverzichtbar das brüderliche Leben in Gemeinschaft für alle jene ist, die sich in einem Ordensinstitut dem Herrn geweiht oder einer Gesellschaft des apostolischen Lebens angeschlossen haben. 7. Dazu wird im folgenden dargelegt: a) Die Ordensgemeinschaft als Geschenk: noch bevor es menschlicher Plan zu sein beginnt, ist das brüderliche Leben in Gemeinschaft Teil des Planes Gottes, der sein Leben mitteilen will. b) Die Ordensgemeinschaff als Ort, wo man Bruder und Schwester wird: die angemessensten Wege für die Ordensgemeinschaft, zur christlichen Brüderlichkeit zu gelangen. c) Die Ordensgemeinschaft als Ort und Trägerin der Sendung-, die konkreten Entscheidungen, die eine Ordensgemeinschaft in den unterschiedlichen Gegebenheiten zu treffen hat, und die wichtigsten Kriterien für die Entscheidungsfindung. Um in das Geheimnis der communio und der Brüderlichkeit einzutreten, und bevor wir die nicht einfachen Unterscheidungen anstellen, die für eine Erneuerung unserer Gemeinschaften im Lichte des Evangeliums notwendig sind, wollen wir in Beschei- 1126 KONGREGATIONEN UND RATE denheit den Heiligen Geist anrufen, damit er bewirke, was ihm allein möglich ist: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz aus Heisch ... Dann werdet ihr mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein” (Ez 36,26-28). Kapitel I Das Geschenk der communio und der Gemeinschaft 8. Noch bevor die Ordensgemeinschaft ein Gebilde des Menschen ist, ist sie eine Gabe des Geistes. Aus der Liebe Gottes, die durch den Geist in die Herzen eingegossen ist, nimmt die Ordensgemeinschaft ihren Ursprung, und aus ihr wird sie auferbaut zu einer wahren Familie, die im Namen des Herrn versammelt ist. <484> <484> Die Ordensgemeinschaft kann also nicht verstanden werden, wenn man sie nicht als ein Geschenk von Oben betrachtet und von ihrem innersten Geheimnis ausgeht: von ihrer Verwurzelung im Herzen der heiligen und heiligmachenden Dreifaltigkeit, die sie teilhaben läßt am Geheimnis der Kirche, für das Leben der Welt. Die Kirche als communio 9. Indem Gott den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis erschuf, hat er ihn auf Gemeinschaft hin erschaffen. Der Schöpfer, der sich als Liebe, Dreifaltigkeit, Gemeinschaft geoffenbart hat, hat den Menschen dazu berufen, in engste Beziehung zu Ihm und zur Gemeinschaft zwischen den Menschen einzutreten, d. h. zur allumfassenden Liebe. <485> <485> Die höchste Berufung des Menschen besteht darin, mit Gott und mit den Mitmenschen, seinen Brüdern und Schwestern, in eine persönliche Beziehung zu treten. Dieser Plan Gottes wurde durch die Sünde belastet, die jede Form von Beziehung zerstört hat: die Beziehung zwischen Mensch und Gott, zwischen Mann und Frau, zwischen Geschwistern, zwischen den Völkern, zwischen der Menschheit und der Schöpfung. In seiner großen Liebe sandte der Vater seinen Sohn, damit Er, der neue Adam, die gesamte Schöpfung wiederherstelle und zu ihrer vollen Einheit zurückführe. Er, der in unsere Mitte kam, hat den Anfang des neuen Gottesvolkes gebildet, indem er Apostel und Jünger, Männer und Frauen, um sich sammelte als ein lebendiges Abbild der in sich geeinten Menschheitsfamilie. Ihnen hat er die universale Brüderlichkeit im Vater verkündet, der uns zu seiner Familie gemacht hat, zu seinen Kindern und zu Geschwistern untereinander. So hat er die Gleichheit durch Brüderlichkeit gelehrt, und Versöhnung durch gegenseitige Vergebung. Er hat die Strukturen der Macht und der Herrschaft auf den Kopf gestellt, indem er selbst das Beispiel gab, Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965, Nr. 15a; CIC, can. 602. Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 1965, Nr. 3. KONGREGATIONEN UND RÄTE wie man dienen und sich an den letzten Platz stellen soll. Beim letzten Abendmahl hat er seinen Jüngern das neue Gebot der gegenseitigen Liebe anvertraut: „Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander hebt; wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben” (Joh 13,34; 15,12); er hat die Eucharistie eingesetzt, die uns zur gegenseitigen Liebe befähigt, indem sie uns durch das eine Brot und den einen Kelch nährt. Dann hat er sich an den Vater gewandt und von ihm, als Summe seines Wollens, die Einheit aller nach dem Vorbild der dreifältigen Einheit erbeten: „... daß alle eins seien, wie Du, Vater, in mir und ich in dir” (Joh 17,21). Indem er sich dem Willen des Vaters anheimgab, hat er im Ostergeheimnis jene Einheit vollendet, die er vom Vater erbeten und die zu leben er seine Jünger angewiesen hatte. Mit seinem Kreuzestod hat er die Mauer niedergerissen, die Völker trennt, und hat alle in der Einheit versöhnt (vgl. Eph 2,14-16); so hat er uns gezeigt, daß Gemeinschaft und Einheit Früchte aus der Teilhabe am Geheimnis seines Todes sind. Die Herabkunft des Heiligen Geistes, der ersten Gabe an jene, die glauben, hat die von Christus gewollte Einheit verwirklicht. Ausgegossen über die im Abendmahlsaal mit Maria versammelten Jünger, machte der Geist die Kirche sichtbar, die sich von ihrem ersten Augenblick an darstellt als brüderliche Gemeinschaft in der Einheit des Herzens und der Seele (vgl. Apg 4,32). Diese Gemeinschaft ist das Band der Liebe, das alle Glieder des Leibes Christi untereinander verbindet, und den Leib mit seinem Haupt. Die lebenspendende Gegenwart des Heiligen Geistes <486> selbst schafft in Christus die organische Einheit: Er eint die Kirche in der communio und im Geheimnis, er ordnet und leitet sie durch verschiedene, sich gegenseitig ergänzende hierarchische und charismatische Gaben, er schmückt sie mit seinen Früchten. <487> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, 1964, Nr. 7. Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, 1964, Nr. 4; Mutuae Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation fiir die Bischöfe und der CRIS, 1978, Nr. 2. Auf ihrem Weg durch die Zeit ist die eine und heilige Kirche ständig geprägt von jenem oft leidvollen Ringen um tatsächliche Einheit. Auf ihrem geschichtlichen Weg wurde sie sich immer stärker bewußt, daß sie Volk und Familie Gottes ist, Leib Christi, Tempel des Geistes, Sakrament der tiefsten Einheit des Menschengeschlechtes, Gemeinschaft, Abbild der Dreifaltigkeit. Das II. Vatikanische Konzil hat diese geheimnishafte und gemeinschaftsbezogene Dimension der Kirche betont. Die Ordensgemeinschaft als Ausdruck der kirchlichen communio 10. Das Ordensleben hat von seinem Anbeginn an dieses innerste Wesen des Christentums aufgegriffen. So fühlte sich die Ordensgemeinschaft in Kontinuität mit jener Schar, die dem Herrn folgte. Er hatte sie einzeln beim Namen gerufen, damit sie in Gemeinschaft mit ihm und den anderen Jüngern lebten, damit sie sein Leben und 1128 KONGREGATIONEN UND RÄTE sein Schicksal teilten (vgl. Mk 3,13-15), um dadurch Zeichen für jenes Leben und jene Gemeinschaft zu werden, die er begründet hat. Die ersten Mönchsgemeinschaften betrachteten die Gemeinschaft der Jünger, die Jesus folgten, und die Gemeinschaft von Jerusalem als ein Idealbild des Lebens. Dem Beispiel der jungen Kirche folgend, haben die Mönche sich in der Einheit des Herzens und des Geistes um einen geistlichen Führer, den Abt, geschart, um eine radikale Gemeinschaft der materiellen und geistlichen Güter und die von Christus gegründete Einheit zu verwirklichen. Sie findet ihr Urbild und ihre einheitstiftende Kraft im Leben der Einheit unter den Personen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden unter dem charismatischen Wirken des Geistes vielfältige Formen von Gemeinschaften. Er, der das menschliche Herz erforscht, geht ihm entgegen und antwortet auf seine Bedürfnisse. Er bringt Männer und Frauen hervor, die vom Evangelium erleuchtet und sensibel für die Zeichen der Zeit, neue Ordensfamilien ins Leben rufen, und dadurch auch neue Formen der Verwirklichung der einzigen communio in der Verschiedenheit der Dienste und der Gemeinschaften. <488> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritcitis, 1965, Nr. 1; Elementi essenziali deU'insegncimento della Es ist nicht möglich, den Begriff „Ordensgemeinschaft” in einer einzigen Bedeutung anzuwenden. Die Geschichte des Ordenslebens bezeugt unterschiedliche Formen, wie die eine communio entsprechend der Eigenart der einzelnen Institute gelebt werden kann. So können wir heute die „wunderbare Vielfalt” der Ordensfamilien bewundern, die die Kirche bereichern und sie für jegliches gute Werk ausrüsten. <489> Dennoch erschien das brüderliche Leben in Gemeinschaft in seinem Formenreichtum immer als eine konsequente Verwirklichung jener gemeinsamen brüderlichen Gesinnung, die alle Christen untereinander verbindet. Die Ordensgemeinschaft ist Gestaltwerdung jener communio, auf der die Kirche gründet, und gleichzeitig Prophetie jener Einheit, die sie als ihr Ziel erstrebt. „Als ,Experten des gemeinschaftlichen Lebens’ sind die Ordensleute dazu bemfen, in der Kirche, der kirchlichen Gemeinschaft und in der Welt Zeugen und Baumeister im Sinne jenes göttlichen Planes für Gemeinschaft zu sein, der die Geschichte der Menschen krönen soll. Vor allem werden sie durch das Leben nach den evangelischen Räten, das die Liebe von jedem Hindernis befreit, gemeinsam zu einem prophetischen Zeichen der innigsten Vereinigung mit dem über alles geliebten Gott. Durch die tägliche Erfahrung eines Lebens in Gemeinschaft, des Gebets und Apostolates als eines wesentlichen und unterscheidenden Elements ihrer Form gottgeweihten Lebens werden sie ferner zum ,Zeichen brüderlicher Gemeinschaft’, denn sie bezeugen in einer oft so tief entzweiten Welt und vor all ihren Glaubensbrüdem die Fähigkeit zur Gütergemeinschaft, zu brüderlicher Zuneigung sowie zu einem Plan ihres Lebens und Tuns. Dies wird ihnen dadurch möglich, daß sie den Anruf zu freierer und engerer Nachfolge Christi Chiesa sulla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben), Dokument der CRIS, 1983,18-22. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965. Nr. 1. 1129 KONGREGATIONEN UND RÄTE angenommen haben, der vom Vater gesandt wurde, um als Erstgeborener unter vielen Brüdern eine neue Gemeinschaft aufzubauen durch das Geschenk seines Geistes”. <490> <490> Religiosi e promozione umana (Das Ordensleben und die Förderung des Menschen), Dokument der CRIS, 1980, Nr. 24. Dies wird um so sichtbarer sein, je mehr sie nicht nur mit und in der Kirche fühlen, sondern auch die Kirche selbst erfühlen und sich mit ihr identifizieren in vollständiger Übereinstimmung mit ihrer Lehre, ihrem Leben, ihren Hirten, ihren Gläubigen und mit ihrer Sendung in der Welt. <491> <491> Vgl. Potissimum Institutioni {Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten), Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (CIVCSVA), 1990,21-22. Besonders bedeutsam ist das Zeugnis der kontemplativen Ordensleute. Für sie bezeichnet das brüderliche Leben viel weitere und tiefere Dimensionen, die von den Grundbedürfnissen einer solchen speziellen Berufung herriihen, d. h. von der ausschließlichen Suche nach Gott in Schweigen und Gebet. Ihre beständige Bereitschaft für Gott macht ihre Bereitschaft für die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft empfindsamer und feinfühliger, und die Kontemplation wird zu einer Kraft, die von jeder Form des Egoismus frei macht. Das brüderliche Leben in Gemeinschaft muß in einem Kloster lebendiges Zeichen des Geheimnisses der Kirche sein: je größer das Geheimnis der Gnade, um so reicher die Früchte des Heiles. Der Geist des Herrn, der die ersten Gläubigen versammelt hat und die Kirche beständig zu einer einzigen Familie zusammenruft, ruft und nährt so auch die Ordensfamilien, die die Aufgabe haben, durch ihre über die Erde zerstreuten Gemeinschaften besonders verständliche Zeichen für die tiefe Einheit zu sein, die die Kirche beseelt und erbaut, und Stütze zu sein für die Verwirklichung des Planes Gottes. Kapitel II Die Ordensgemeinschaft als Ort, wo man Bruder und Schwester wird 11. Aus dem Geschenk der communio entspringt die Aufgabe der Verwirklichung der Gemeinschaft, d. h. Bruder und Schwester zu werden in der konkreten Gemeinschaft, mit der zu leben man berufen ist. Aus der hochherzigen und dankbaren Annahme der Gemeinschaft mit Gott, die armen Geschöpfen zuteil wird, erwächst die Überzeugung, dazu verpflichtet zu sein, diese göttliche Gemeinschaft durch den Aufbau von Gemeinschaften, die „von Freude und vom Heiligen Geist” (Apg 13,52) erfüllt sind, sichtbar zu machen. Auch in unserer Zeit, und für sie, ist es notwendig, dieses zugleich „göttliche und menschliche” Werk der Bildung von brüderlichen und schwesterlichen Gemein- 1130 KONGREGATIONEN UND RÄTE schäften anzugehen, im klaren Wissen um die Besonderheiten unserer Zeit, in der eine theologische, kirchenrechtliche, soziale und strukturelle Emeuemng das Erscheinungsbild der Ordensgemeinschaft einschneidend beeinflußt hat. Von einigen konkreten Gegebenheiten ausgehend wollen wir nützliche Hinweise anbieten, mit dem Ziel, die Bemühungen um eine beständige Erneuerung der Gemeinschaften aus dem Geist des Evangeliums zu unterstützen. Spiritualität und gemeinsames Beten 12. Ihrem vornehmsten, mystischen Sein nach ist jede Ordensgemeinschaft tatsächlich „in sich selbst eine übernatürliche Wirklichkeit, und als solche Gegenstand der Kontemplation”. <492> Daraus folgt, daß die Ordensgemeinschaft in erster Linie ein Geheimnis ist, das mit dankbarem Herzen in einer lauteren Haltung des Glaubens betrachtet und angenommen wird. <492> La demensione contemplativa della vita religiosa (Die kontemplative Dimension des Ordenslebens), Dokument der Kongregation für die Ordens- und Säkularinstitute (CRIS), 1980, Nr. 15. Wenn diese mystische und theologale Dimension vergessen wird, die sie zum Kontakt mit dem Geheimnis der in der Gemeinschaft anwesenden und ihr mitgeteilten göttlichen communio hinführt, dann vergißt man zwangsläufig auch die tiefen Gründe für das „gemeinsame Tun” und für das geduldige Auferbauen des brüderlichen Lebens. Dieses scheint zuweilen menschliche Kräfte zu übersteigen, ganz abgesehen davon, daß es manchmal, besonders von sehr aktiven und individualistisch geprägten Menschen, als unnütze Vergeudung von Energien angesehen wird. Derselbe Christus, der sie bemfen hat, ruft täglich seine Brüder und Schwestern zusammen, um mit ihnen zu sprechen und sie durch die Eucharistie mit sich und untereinander zu verbinden, damit sie immer mehr zu seinem lebendigen und sichtbaren Leib werden, der vom Geist beseelt ist und unterwegs ist zum Vater. Das gemeinsame Beten, das stets als das Fundament jedes Gemeinschaftslebens betrachtet wurde, beginnt mit der Betrachtung des großen und erhabenen Geheimnisses Gottes, mit dem Staunen vor seiner Gegenwart, die in den großen Augenblicken unserer Ordensfamilien ebenso wirkt wie im gewöhnlichen Alltag unserer Gemeinschaften. 13. Als Antwort auf die Aufforderung des Herrn: „Wachet und Betet” (Lk 21,36) hat die Ordensgemeinschaft wachsam zu sein und muß sich für die Gestaltung ihres Lebens die nötige Zeit nehmen. Zuweilen haben die Ordensleute „keine Zeit”, und ihr Alltag läuft Gefahr, zu umtriebig und sorgenvoll zu sein und so in Müdigkeit und Leere zu enden. Eine Ordensgemeinschaft wird richtigerweise von einem Tagesplan geführt, der dem Gebet seine bestimmten Zeiten zuweist, und es so leichter ermöglicht, für Gott Zeit zu haben (vacare Deo). Das Gebet ist auch zu verstehen als eine Zeit des Verweilens beim Herrn, damit er in uns wirke und bei allen Ablenkungen und Mühen dennoch unser Leben durch- 1131 KONGREGATIONEN UND RÄTE dringe, es stärke und es leite. So kann schließlich unsere ganze Existenz tatsächlich Ihm angehören. 14. Eine der kostbarsten, und von allen geschätzten Errungenschaften der letzten Jahrzehnte liegt in der Wiederentdeckung des liturgischen Gebetes durch die Or-densfamilien. Die gemeinsame Feier des Stundengebets, oder wenigstens seiner Teile, hat in nicht wenigen Gemeinschaften das Beten neu verlebendigt, und sie dadurch zu einem lebendigeren Kontakt zum Wort Gottes und zum Gebet der Kirche hingeführt. <493> Niemand darf also in seiner Überzeugung nachlassen, daß die Gemeinschaft sich von der Liturgie her aufbaut, besonders von der Feier der Eucharistie <494> und von den anderen Sakramenten. Unter diesen verdient das Bußsakrament, durch das der Herr uns wieder mit sich und unseren Brüdern und Schwestern verbindet, eine neue Aufmerksamkeit. Vgl. CIC, cann. 663 § 3 und 608. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, 1965, Nr. 6; II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965, Nr. 6. Nach dem Beispiel der ersten Gemeinde von Jerusalem (vgl. Apg 2,42) sind es das Wort, die Eucharistie, das gemeinsame Beten sowie die Treue zur Lehre der Apostel und deren Nachfolger, die den Kontakt zu den großen Werken Gottes hersteilen, die in diesem Zusammenhang aufleuchten und Lob, Dank und Freude, Einheit der Herzen, Beistand in den allgemeinen Nöten des täglichen Zusammenlebens und gegenseitige Bestärkung im Glauben hervorbringen. Leider kann mancherorts der Mangel an Priestern die tägliche Teilnahme an der hl. Messe unmöglich machen. Dies führt zwangsläufig zu einem tieferen Verständnis des großen Geschenkes der Eucharistie und dazu, das Geheimnis des Leibes und Blutes Christi, das in der Gemeinschaft lebendig und gegenwärtig ist, um sie auf dem Weg zum Vater zu kräftigen und zu beleben, zur Mitte des Lebens zu machen. Von hierher rührt auch die Notwendigkeit, daß jedes Ordenshaus seinen Gebetsraum habe, <495> in dem es möglich ist, die eigene eucharistische Spiritualität durch Gebet und Anbetung zu nähren. Vgl. C/C, can. 608. Um die gefeierte oder angebetete Eucharistie, „Höhepunkt und Quelle” jeglichen Wirkens der Kirche, erbaut sich jene Einheit des Geistes, die Voraussetzung ist für alles Wachsen in der Brüderlichkeit. „Von ihr muß darum alle Erziehung zum Geist der Gemeinschaft ihren Anfang nehmen”. <496> II. Vat. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, 1965, Nr. 6. 15. Das gemeinschaftliche Gebet erreicht seine ganze Wirkkraft, wenn es zutiefst mit dem persönlichen Gebet verbunden ist. Das gemeinschaftliche Gebet und das persönliche Gebet stehen in einer engen Beziehung zueinander und ergänzen sich gegenseitig. Überall, besonders aber in bestimmten Gegenden und Kulturen, muß die Betonung vermehrt auf die Bedeutung 1132 KONGREGATIONEN UND RÄTE der Innerlichkeit gelegt werden, auf das kindliche Verhältnis zum Vater, auf den innerlichen, bräutlichen Dialog mit Christus, auf die persönliche Vertiefung dessen, was im gemeinsamen Gebet gefeiert und erlebt wurde, und auch auf das innere und äußere Schweigen, das dem Wort und dem Geist Raum gewährt, damit sie die verborgensten Tiefen mit Leben erfüllen können. Die gottgeweihte Person, die in einer Gemeinschaft lebt, nährt ihre Lebensweihe durch die beständige persönliche Zwiesprache mit Gott und durch das gemeinsame Lobpreisen und Bitten. 16. Das gemeinsame Gebet wurde in den letzten Jahren durch verschiedene Formen des Ausdrucks und der Beteiligung bereichert. Besonders fruchtbar waren für viele Gemeinschaften die gemeinsame Schriftlesung und der gemeinsame Austausch über das Wort Gottes und über die apostolischen Anhegen. Verschiedenheiten in Alter, Bildungsstand und Charakter raten zur Klugheit, falls man sie unterschiedslos von der ganzen Gemeinschaft erwartet: Es sei daran erinnert, daß deren Einführung nicht überstürzt werden darf. Dort, wo sie in Spontaneität und mit gemeinsamer Zustimmung durchgeführt wird, dort stärkt sie Glauben und Hoffnung ebenso wie das gegenseitige Vertrauen, sie fördert die Versöhnung und nährt die brüderliche Verbundenheit im Gebet. 17. Die Worte des Herrn: „Betet ohne Unterlaß!” {Lk 18,1; vgl. 1 Thess 5,17) gelten in gleicher Weise für das persönliche wie auch für das gemeinsame Beten. Die Ordensgemeinschaft lebt in der Tat vor dem Angesicht ihres Herrn, dessen Gegenwart ihr stets vor Augen stehen muß. Dennoch hat das Beten in Gemeinschaft seinen (täglichen, wöchentlichen, monatlichen oder jährlichen) Rhythmus, der im Eigenrecht eines jeden Institutes festgelegt ist. Das Beten in Gemeinschaft, das die treue Einhaltung einer Zeitordnung voraussetzt, verlangt vor allem auch Beharrlichkeit: „Damit wir durch Geduld und durch den Trost der Schrift Hoffnung haben (...) und Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, einträchtig und mit einem Munde preisen” (Röm 15,4-6). Treue und Beharrlichkeit werden auch dazu beitragen, kreativ und klug die für einige Institute typischen Schwierigkeiten zu überwinden, wie z. B. unterschiedliche Aufgaben und Arbeitszeiten, Streß und verschiedene Formen der Ermüdung. 18. Das Gebet zur Jungfrau Maria, das von der Liebe zu ihr, unserem Vorbild, beseelt ist, wird erreichen, daß ihre beispielhafte und mütterliche Gegenwart für die tägliche Gebetstreue eine große Hilfe (vgl. Apg 1,14) und für die Ordensgemeinschaft ein einigendes Band sein wird. <497> Vgl. CIC, can. 663 § 4. Die Mutter des Herrn wird mithelfen, die Ordensgemeinschaften nach dem Beispiel „ihrer” Familie, der Familie von Nazareth, zu gestalten, jenem Ort, wohin sich die Ordensgemeinschaften geistig oft hinbegeben sollten, weil dort das Evangelium der Gemeinschaft und der Brüderlichkeit auf wunderbare Weise vorgelebt wurde. 33 1133 KONGREGATIONEN UND RÄTE 19. Auch der apostolische Eifer wird vom gemeinschaftlichen Gebet gefördert und gekräftigt. Einerseits ist das Gebet eine geheimnisvolle Kraft, die sämtliche Wirklichkeiten berührt, um die Welt zu erlösen und ihr eine Ordnung zu geben. Andererseits wird es durch den apostolischen Dienst angeregt: durch dessen Freuden wie auch durch dessen alltägliche Schwierigkeiten. Diese werden so zu einer Gelegenheit, die Gegenwart und das Wirken des Herrn zu suchen und zu linden. 20. Die apostolisch am meisten tätigen und vom Evangelium am tiefsten beseelten Ordensgemeinschaften - seien sie nun kontemplativ oder aktiv - sind jene, die in ihrem Gebetsleben eine reiche Erfahrung aufweisen. In einer Zeit wie der unsrigen, in der die Suche nach dem Transzendenten gewissermaßen neu erwacht ist, können die Ordensgemeinschaften bevorzugte Orte sein, an denen die Wege zu Gott erfahrbar werden. „Als im Namen des Herrn vereinte Familie ist die Ordensgemeinschaft ihrer Natur nach der Ort, wo es in besonderer Weise möglich sein muß, zur Gotteserfahrung in ihrer ganzen Fülle zu gelangen und sie den anderen mitzuteilen”: <498> vor allen andern den Mitgliedern der eigenen Gemeinschaft. La demensione contemplativa della vita religiosa (Die kontemplative Dimension des Ordenslebens), Dokument der Kongregation für die Ordens- und Säkularinstitute (CRIS), 1980, Nr. 15. Die Ordensleute, Männer wie Frauen, verfehlen diesen historischen Augenblick, wenn sie dem heutigen Menschen auf seine „Frage nach Gott” keine Antwort geben, sondern ihn bei seiner Suche, den Hunger nach dem Absoluten zu stillen, anderswohin verweisen, womöglich sogar auf Abwege. Persönliche Freiheit und Verwirklichung der Brüderlichkeit 21. „Einer trage des andern Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen” 0Gal 6,2). In dieser ganzen, gemeinschaftlichen Dynamik bleibt Christus in seinem österlichen Geheimnis das Vorbild, wie die Einheit zu schaffen ist. Das Gebot der gegenseitigen Liebe hat in ihm seinen Ursprung, sein Vorbild und sein Maß: wir müssen einander lieben, wie er uns gebebt hat. Und er hat uns geliebt bis zur Hingabe seines Lebens. Unser Leben ist Teilnahme an der Liebe Christ, an seiner Liebe zum Vater und zu den Brüdern und Schwestern, die eine ganz und gar selbstlose Liebe ist. Doch entspricht dies alles nicht der Natur des „alten Menschen”, der zwar sehr wohl Gemeinschaft und Einheit wünscht, sich jedoch nicht müßig fühlt, den Preis dafür durch seinen persönlichen Einsatz zu bezahlen. Der Weg vom alten Menschen, der gerne auf sich selbst bezogen ist, zum neuen Menschen, der sich den anderen schenkt, ist lang und beschwerbch. Die heiligen Gründer haben ohne Illusionen auf die Schwierigkeiten und auf die Klippen dieses Weges hingewiesen, wohl wissend, daß man eine Gemeinschaft nicht improvisieren kann. Sie ist keine spontane Wirklichkeit und kann nicht in kurzer Zeit bewerkstelhgt werden. 1134 KONGREGATIONEN UND RÄTE Ein Leben als Brüder und Schwestern verlangt einen echten Weg innerer Befreiung. Wie das aus Ägypten befreite Israel nach seinem langen Zug durch die Wüste unter der Führung des Moses zum Volk Gottes wurde, so wird die in die Kirche, in das Volk Gottes eingegliederte Gemeinschaft durch Menschen erbaut, die von Christus freigemacht wurden und die er befähigt hat, durch das Geschenk seiner befreienden Liebe sowie durch die aufrichtige Annahme der von ihm eingesetzten Führer, so zu heben, wie er selbst geliebt hat. Die in unsere Herzen eingesenkte Liebe Christi drängt dazu, die Brüder und Schwestern zu lieben bis zur Annahme auch ihrer Schwächen, Probleme und Schwierigkeiten. Mit einem Wort: bis zur Hingabe unser selbst. 22. Christus schenkt den Menschen zwei grundlegende Gewißheiten: Die Gewißheit, grenzenlos geliebt zu sein, und die Gewißheit, selbst zur grenzenlosen Liebe fähig zu sein. Nur das Kreuz vermag so umfassend und endgültig diese Gewißheit zu schenken und die Freiheit, die aus dieser Gewißheit folgt. Durch sie befreit sich der gottgeweihte Mensch schrittweise vom Bedürfnis, sich selbst in den Mittelpunkt zu rücken und den anderen zu besitzen, und von der Furcht vor der Selbsthingabe für die Brüder; er lernt vielmehr, zu lieben, wie Christus ihn geliebt hat, mit jener Liebe, die jetzt in seinem Herzen wohnt und ihn fähig macht, sich selbst zu vergessen und sich so zu verschenken, wie sein Herr es getan hat. Aus der Kraft dieser Liebe wächst die Gemeinschaft als ein Zusammenschluß von freien und durch das Kreuz Christi befreiten Menschen. 23. Ein derartiger Weg der Befreiung, der zur vollen communio und zur Freiheit der Kinder Gottes führt, verlangt jedoch den Mut zum Verzicht seiner selbst durch die Annahme und Bejahung des anderen samt seiner Begrenztheit, angefangen bei den Trägem von Autorität. Wiederholt wurde bemerkt, daß hier eine der Schwachstellen in der Emeuerungspe-riode der vergangenen Jahre hegt. Man hat sich Wissen angeeignet, man hat die unterschiedlichen Aspekte des Gemeinschaftslebens erforscht, aber man hat weniger auf jenes asketische Bemühen gebaut, das für jede Form von Befreiung notwendig und unverzichtbar ist, und das fähig ist, aus einer Gruppe von Menschen eine christliche Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern zu machen. Die Gemeinschaft ist eine Gabe, die zur Antwort herausfordert, zu einem geduldigen Streben und Kämpfen, um die Launen und Schwankungen der Wünsche zu überwinden. Das so hohe Ideal der Gemeinschaft verlangt notwendigerweise eine Abkehr von jeglichem Verhalten, das eine wahre communio behindert. Wenn die Gemeinschaft nicht mystisch ist, fehlt ihr die Seele; ist sie nicht aszetisch, fehlt ihr der Leib. Es ist ein „Zusammenwirken” (synergia) der Gabe Gottes und der persönlichen Anstrengung erforderlich, um die konkrete Gemeinschaft zu schaffen und dadurch der Gnade und dem Geschenk der brüderlichen Gemeinschaft Heisch und greifbare Gestalt zu geben. 1135 KONGREGATIONEN UND RÄTE 24. Man muß zugeben, daß ein solches Denken heutzutage bei Jung und Alt Schwierigkeiten hervorruft. Oft entstammen die Jungen einer Kultur, die die Subjektivität und Selbstverwirklichung zu hoch einschätzt, während manchmal die Erwachsenen entweder an Strukturen der Vergangenheit kleben oder ein gewisses Mißbehagen gegenüber der „Versammlungssucht” der zurückliegenden Jahre empfinden, die Unsicherheit und viele Worte gezeitigt hat. Wenn es zutrifft, daß die communio nicht ohne den Beitrag jedes einzelnen entsteht, dann muß man von Anfang an jene Illusionen ausräumen, die davon ausgehen, alles müsse von den andern kommen, und man muß wieder dankbar erkennen, was man alles schon von den anderen empfangen hat und noch empfängt. Es ist gut, die einzelnen von Anfang an darauf vorzubereiten, daß sie Miterbauer und nicht nur Konsumenten der Gemeinschaft sind, mitverantwortlich für das gegenseitige Wachstum, sowie daß sie lernen, in offener Bereitschaft den anderen und das Geschenk seiner Person anzunehmen und fähig werden, zu helfen und sich helfen zu lassen, zu stützen und gestützt zu werden. Das Ideal eines echten, brüderlichen Gemeinschaftslebens übt auf junge Leute zunächst eine natürliche Faszination aus, aber das Durchhalten in den realen Lebensumständen kann dann als eine schwere Last erscheinen. Die Anfangsausbildung muß also stets sowohl zu einem Bewußtsein der vom Gemeinschaftsleben geforderten Opfer hinführen und zu deren Annahme im Blick auf eine frohe und echte brüderliche Beziehung, als auch zu allen anderen, einen innerlich freien Menschen auszeichnenden Verhaltensweisen. <499> Denn wer sich für die Brüder verliert, findet sich selbst. <499> Vgl. Potissimum lnstilutioni {Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten), Dokument der Kongre-gation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (CIVCSVA), 1990. 32-34.87. 25. Zudem bedarf es einer beständigen Erinnerung daran, daß die Selbstverwirklichung einer gottgeweihten Person auf dem Weg der Gemeinschaft geschieht. Wer ein von der Gemeinschaft unabhängiges Leben sucht, befindet sich gewiß nicht auf dem sicheren Weg zur Heiligkeit seines Standes. Während die westliche Gesellschaft die unabhängige Person feiert, die sich selbst verwirklicht, also den selbstsicheren Individualisten, ruft das Evangelium nach Menschen, die, wie das Weizenkom, sich selbst sterben, damit brüderliches Leben entstehe. <500> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, 1964, Nr. 46b. So wird die Gemeinschaft zu einer „Schola Amoris” für Jung und Alt. In dieser Schule lernt man Gott zu lieben, lernt man die Brüder und Schwestern zu heben, mit denen man lebt, lernt die Menschheit zu heben, die des Erbarmens Gottes und der brüderlichen Solidarität bedarf. 26. Das Ideal der Gemeinschaft darf jedoch nicht vergessen machen, daß jede christliche Wirklichkeit auf der menschlichen Schwachheit aufbaut. Die vollkom- 1136 KONGREGATIONEN UND RÄTE mene „ideale Gemeinschaft” gibt es noch nicht: die vollkommene Gemeinschaft der Heiligen ist unser Ziel im Himmel, Wir leben in der Zeit des beständigen Aufbaus und Wachsens: immer ist es möglich, besser zu werden und gemeinsam auf jene Gemeinschaft zuzugehen, die Vergebung und Liebe in die Praxis umsetzt. In der Tat können die Gemeinschaften nicht alle Konflikte vermeiden. Die Einheit, zu deren Verwirklichung sie gerufen sind, ist eine Einheit, die auf Vergebung und Versöhnung aufbaut. <501> Der Zustand der Unvollkommenheit der Gemeinschaften darf jedoch nicht entmutigen. Vgl. C/C, can. 602: II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritcitis, 1965, Nr. 15a. Tatsächlich machen sich die Gemeinschaften Tag für Tag neu auf den. Weg, getragen von der Lehre der Apostel: „Seid herzlich zueinander in brüderlicher Liebe, mit Achtung einander zuvorkommend” (Röm 12,10); „Seid eines Sinnes untereinander” (.Röm 12,16); „Darum nehme einer den anderen an, wie auch Christus euch angenommen hat” (Röm 15,7); „Ihr seid fähig, euch selbst gegenseitig zurechtzuweisen” (Röm 15,14); „Wartet aufeinander” (1 Kor 11,33); „Dient einander in Liebe” (Gal 5,13); „Erbaut einander” (1 Thess 5,11); „Ertragt einander in Liebe” (Eph 4,2); „Seid gütig zueinander, barmherzig, einander verzeihend” (Eph 4,32); „... einander sich unterordnend in der Furcht Christi” (Eph 5,21); „Betet füreinander” (Jak 5,16); „Tretet einander in Demut gegenüber” (1 Petr 5,5); „Wir haben Gemeinschaft miteinander” (1 Joh 1,7); „Laßt uns also nicht müde werden, Gutes zu tun an allen, vorzüglich aber an den Glaubensgenossen” (Gal 6,9-10). 27. Um die Gemeinschaft des Geistes und der Herzen jener zu fördern, die zum Zusammenleben in einer Gemeinschaft gerufen sind, scheint es auch angebracht, an die Notwendigkeit jener Eigenschaften zu erinnern, die in allen menschlichen Beziehungen gefordert sind: Höflichkeit, Anstand, Aufrichtigkeit, Selbstbeherrschung, Humor, Bereitschaft zum Teilen. Die Dokumente des Lehramtes dieser Jahre bieten eine Fülle von Anregungen und verweisen auf gemeinschaftsfördemde Verhaltensweisen wie: frohe Bescheidenheit, <502> Offenheit und Vertrauen zueinander, <503> Dialogfähigkeit, <504> aufrichtige Bejahung einer wohltuenden Gemeinschaftsdisziplin. <505> <502> Vgl. Apostolische Ermahnung Evangelica Testificatio, Paul VI., 1971, Nr. 39. <503> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965, Nr. 14. <504> Vgl. CIC, can. 619. 44 Vgl. Apostolische Ermahnung Evangelica Testificatio, Paul VI., 1971, Nr. 39; Elementi essenziali dell'insegnamento della Chiesa sitlla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben), Dokument der CRIS, 1983,19. 28. Schließlich darf nicht vergessen werden, daß der Friede und die Freude am Gemeinschaftsleben eines der Zeichen des Gottesreiches sind. Inmitten der Schwierigkeiten des menschlichen und geistlichen Lebensweges und der täglichen Eintönigkeit gehört zu jenem Reich auch eine gewisse Lebensfreude. Diese Freude ist eine Frucht des Geistes und erhellt die Schlichtheit des Lebens wie die Eintönigkeit des 1137 KONGREGATIONEN UND RATE Alltags. Eine Brüderlichkeit ohne Freude ist eine Brüderlichkeit, die am Erlöschen ist. Bald werden die Mitgheder das, was sie in ihrer Gemeinschaft nicht finden, anderswo suchen. Eine frohe Gemeinschaft dagegen steht ein wirkliches Geschenk von Oben dar für jene Brüder und Schwestern, die es zu erbitten verstehen, und die sich in vollem Vertrauen in das Wirken des Geistes für ihre Gemeinschaft einsetzen. So werden die Psalmworte Wirklichkeit: „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen. Denn dort spendet der Herr Segen und Leben in Ewigkeit” (Ps 133,1.3), „denn wenn sie brüderlich Zusammenleben, vereinigen sie sich in der Versammlung der Kirche und wissen sich eins in der Liebe und im gemeinsamen Wollen”. <506> Hl. Hilarius, Tract. in Ps 132, PL (Suppl.) 1, 244. Ein solches Zeugnis der Freude schenkt dem Ordensleben eine starke Anziehungskraft, es ist eine Quelle neuer Berufe und eine Hilfe zur Beharrlichkeit. Es ist sehr wichtig, diese Freude in der Ordensgemeinschaft zu pflegen: Überarbeitung kann sie auslöschen, Übereifer für bestimmte Dinge kann sie in Vergessenheit geraten lassen, das unaufhörliche Infragestellen der eigenen Identität und der eigenen Zukunftsperspektiven können sie verdunkeln. Doch richtig miteinander feiern, sich Zeiten persönlicher und gemeinsamer Entspannung gönnen, gelegentlich Abstand nehmen von der eigenen Arbeit, teilnehmen an der Freude des andern, lächeln über eigene und fremde Fehler, aufmerksam sein für die Bedürfnisse des Bruders und der Schwester, im Apostolat ernsthaft und vertrauensvoll miteinander arbeiten, den Umständen mit Barmherzigkeit begegnen, dem Morgen entgegengehen in der Hoffnung, immer und überall dem Herrn zu begegnen: dies alles stärkt die Gelassenheit, den Frieden und die Freude. Und es wird zu einer Kraft in der Arbeit des Apostolates. Die Freude ist ein strahlendes Zeugnis dafür, daß eine Ordensgemeinschaft dem Evangelium entspricht; die Freude ist ja das Ziel eines nicht unbeschwerlichen, jedoch dann immer möglichen Weges, wenn er vom Gebet begleitet wird: „Froh in der Hoffnung, in Drangsal geduldig, im Beten beharrlich” (Röm 12,12). Miteinander Wachsen durch gegenseitigen Austausch 29. In der Erneuerung dieser Jahre wird deutlich, wie der gemeinsame Austausch einer jener menschlichen Faktoren zu sein scheint, dem wachsende Bedeutung für das Leben der Ordensgemeinschaft zukommt. Aus der tief empfundenen Notwendigkeit einer stärkeren Pflege des gemeinschaftlichen Lebens folgert auch das entsprechende Bedürfnis nach einem umfassenderen und intensiveren gemeinsamen Austausch. Um Bruder und Schwester zu werden ist es notwendig, sich zu kennen. Um sich kennen zu lernen ist jedoch ein umfassenderer und tieferer Austausch untereinander erforderlich. Man schenkt heute den verschiedenen Aspekten des gegenseitigen 42 KONGREGATIONEN UND RÄTE Austausches größere Aufmerksamkeit, auch wenn sie in den einzelnen Instituten und Gegenden der Welt hinsichtlich Stärke und Form verschieden ist. 30. Der Austausch innerhalb der Institute erfuhr eine starke Entwicklung. Regelmäßige Treffen der Mitglieder auf zentraler, regionaler und provinzieller Ebene haben zugenommen; die Obern verschicken gewöhnlich Rundbriefe und Anregungen; sie besuchen häufiger die Gemeinschaften; der Versand von Informationen und internen Zeitschriften hat zugenommen. Ein derart umfassender und angeregter Austausch auf den verschiedenen Ebenen und unter Berücksichtung der Eigenheiten des Instituts schafft gewöhnlich engere Beziehungen, nährt den Familiengeist und die Teilnahme an den Vorgängen innerhalb des Institutes, macht sensibel für allgemeine Probleme und bindet die Ordensleute an die gemeinsame Sendung. 31. Auch auf Gemeinschaftsebene erweisen sich die regelmäßigen, oft wöchentlichen Treffen, auf denen die Ordensleute die Probleme der Gemeinschaft, des Instituts, der Kirche und deren wichtigste Verlautbarungen besprechen, als äußerst positiv. Diese Momente sind nützlich, auch um die anderen anzuhören, eigene Gedanken mitzuteilen, den zurückgelegten Weg zu überprüfen und auszuwerten, gemeinsam zu planen. Das brüderliche Leben braucht diese Zeiten für sein Wachstum, besonders in größeren Gemeinschaften. Es sind Zeiten, die von allen anderen Verpflichtungen freigehalten werden müssen; es sind wichtige Momente der Kommunikation untereinander auch in Bezug auf eine Einbeziehung in die Mitverantwortung sowie für die Einordnung der eigenen Arbeit in den größeren Zusammenhang des Ordenslebens und des Lebens der Kirche und der Welt, in die wir gesandt sind, ganz abgesehen einmal vom Gemeinschaftsleben selbst. Dieser Weg wird von allen Gemeinschaften beschritten, wobei Häufigkeit und Gestaltung den Gemeinschaften und ihren Aufgaben angepaßt sind. Unter den kontemplativen Gemeinschaften erfordert dies besondere Rücksichtnahme auf den je eigenen Lebensstil. 32. Dies ist jedoch noch nicht alles. Vielerorts spürt man die Notwendigkeit eines vertiefteren Austausches unter den Mitgliedern derselben Gemeinschaft. Das Fehlen und die Armseligkeit des gegenseitigen Austausches verursachen für gewöhnlich eine Schwächung der Brüderlichkeit, weil man die Lebenserfahrung des Mitbruders nicht kennt, was diesen Mitbruder fremd und die Beziehung zu ihm anonym macht und zudem echte Zustände der Isolation und Einsamkeit schafft. In einigen Gemeinschaften beklagt man die Unzulänglichkeit des elementaren geistlichen Austausches: man redet über Nebensächliches, und nur selten teilt man sich das mit, was auf dem Weg der Lebens weihe lebensnotwendig und von erstrangiger Bedeutung ist. Die Folgen daraus können schmerzvoll sein, da die geistliche Erfahrung dann ganz unbemerkt individualistische Züge annimmt. Auch eine Haltung der Verselbständigung wird dadurch gefördert, verbunden mit einem mangelnden Gespür für den an- 1139 KONGREGATIONEN UND RÄTE deren, während die wichtigen Beziehungen nach und nach außerhalb der Gemeinschaft gesucht werden. Dieses Problem soll ganz offen angegangen werden: einerseits mit Takt und Aufmerksamkeit, und ohne etwas zu erzwingen; andererseits jedoch, indem mit Mut und Kreativität nach Formen und Mitteln gesucht wird, die es allen erlauben, schrittweise und in brüderlicher Einfachheit den gegenseitigen Austausch der Gaben des Geistes zu erlernen, damit diese wirklich allen gehören und der Erbauung aller dienen (vgl. 1 Kor 12,7). Gemeinschaft entsteht gerade durch die Mitteilung der Gaben des Geistes, durch ein Mitteilen des Glaubens und im Glauben, wobei das Band der Brüderlichkeit um so stärker ist, je zentraler und vitaler das ist, was man miteinander teilt. Ein derartiger Austausch hilft auch einen Kommunikationsstil zu erlernen, der es einem später im Apostolat ermöglicht, in schlichten und verständlichen Worten „seinen Glauben zu bekennen”, damit alle ihn verstehen und sich an ihm erbauen. Die Formen für den Austausch der Gaben des Geistes können unterschiedlich sein. Neben den bereits angeführten - Miteinander Teilen des Wortes Gottes und der Gotteserfahrung, gemeinschaftliche Beratung, gemeinsames Planen - <507> darf auch an die brüderliche Zurechtweisung erinnert werden, an die Revision des Lebens und an andere typische Formen der Tradition. Es handelt sich hier um konkrete Wege, den anderen zu dienen und in der Gemeinschaft jene überreichen Gaben zu verbreiten, die der Geist für deren Auferbauung und für deren Sendung in der Welt spendet. <507> s.o. Nrn. 14.16.28.31. Dies alles erhält noch größere Bedeutung im gegenwärtigen Augenblick, da in ein und derselben Gemeinschaft Ordensleute beieinander wohnen, die sich nicht nur durch Alter, sondern auch durch Rasse, sowie durch kulturelle und theologische Bildung unterscheiden; Ordensleute, die in den vergangenen, bewegten und vom Pluralismus gezeichneten Jahren ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben. Wo Austausch und Zuhören vernachlässigt werden, dort besteht die Gefahr, aneinander vorbei zu leben, was wirklich weit entfernt wäre vom Ideal echter Brüderlichkeit. 33. Eine jede Form des Sich-Mitteilens birgt Verwicklungen und besondere psychologische Schwierigkeiten in sich, denen auch mit Hilfe der Humanwissenschaften positiv begegnet werden kann. Einige Gemeinschaften haben z. B. mit Nutzen die Hilfe von Kommunikationsexperten und von Fachleuten in Psychologie oder Soziologie in Anspruch genommen. Es handelt sich um außergewöhnliche Mittel, die klug ausgewählt werden müssen und maßvoll von Gemeinschaften eingesetzt werden können, die jene Mauern der Trennung niederreißen möchten, die zuweilen in ihrem Innern bestehen. Die rein menschlichen Techniken erweisen sich als hilfreich, aber sie sind nicht ausreichend. Es ist vielmehr notwendig, daß allen das Wohl des Mitbruders am Herzen liegt, und sie vom Evangelium her jene Fähigkeit entwickeln, von den anderen all das anzu- 1140 KONGREGATIONEN UND RÄTE nehmen, was diese schenken und mitteilen wollen und auch tatsächlich allein schon durch ihr Dasein mitteilen. „Habt untereinander dasselbe Empfinden und dasselbe Herz. Seid herzlich und menschlich. Haltet in großer Demut die anderen für besser als euch selbst. Verfolgt die Interessen der anderen, nicht nur die eurigen. Eure Beziehungen zueinander seien darauf gegründet, daß ihr an Jesus Christus gebunden seid” (Phil 2,2-5). In einem solchen Klima bringen die mit dem Ordensleben zu vereinbarenden Kommunikationsmethoden und -techniken jene Früchte, die einem Wachsen in der Brüderlichkeit förderlich sind. 34. Der beachtliche Einfluß der Massenmedien auf das Leben und die Mentalität unserer Zeitgenossen berührt auch die Ordensgemeinschaften und bestimmt nicht selten ihren internen Gedankenaustausch. Angesichts deren Einflusses erzieht sich eine Gemeinschaft dahin, mit der evangeliumsgemäßen Klarheit und inneren Freiheit dessen, der gelernt hat, Christus zu kennen (vgl. Gal 4,17-23), diese Mittel zum persönlichen und gemeinschaftlichen Wachstum zu nutzen. Tatsächlich setzen diese Medien eine bestimmte Mentalität und eine Einstellung zum Leben voraus - und drängen sie oftmals geradezu auf -die ständig mit dem Evangelium konfrontiert werden müssen. Von vielen Seiten wird hier nach einer eingehenderen Schulung zur kritischen und nützlichen Rezeption und Anwendung solcher Mittel gerufen. Warum könnten diese Fragen nicht auch bei den regelmäßigen Gemeinschaftstreffen zum Gegenstand der Bewertung, Überprüfung und Planung gemacht werden? Besonders wenn das Fernsehen zur einzigen Form der Freizeitgestaltung wird, behindert, und manchmal verhindert, es den Kontakt zwischen den Personen, reduziert das brüderliche Gespräch und kann sogar dem geweihten Leben selbst Schaden zufügen. Ein ausgewogenes Gleichgewicht ist gefordert: der mäßige und weise Gebrauch der Kommunikationsmittel, <508> begleitet von einer gemeinsamen Überprüfung, kann für die Gemeinschaft von Nutzen sein, um die Komplexität der Welt der Kultur besser zu verstehen; er kann eine überprüfte und kritische Rezeption ermöglichen und schließlich ihren wirkungsvolleren Einsatz im Bück auf die verschiedenen Dienste für das Evangeüum erleichtern. Vgl. La demensione contemplativa della vita religiosa (Die kontemplative Dimension des Ordenslebens), Dokument der Kongregation für die Ordens- und Säkularinstitute (CRIS). 1980. Nr. 14 und Potissimum Institut! oni (Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten), Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (CIVCSVA), 1990, 13; C/C, can. 666. In Übereinstimmung mit dem von ihnen gewählten, besonderen und sich durch eine deutlichere Trennung von der Welt auszeichnenden Lebensstand sollten sich die kontemplativen Ordensgemeinschaften stärker zur Bewahrung einer Atmosphäre der Sammlung verpflichtet fühlen und jene Normen ihrer Konstitutionen einhalten, die den Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel regeln. 1141 KONGREGATIONEN UND RÄTE Ordensgemeinschaft und Reifung der Person 35. Weil sie eine „Schola Amoris” ist, die hilft, in der Liebe zu Gott und den Brüdern zu wachsen, wird die Ordensgemeinschaft auch zu einem Ort des menschlichen Reifens. Der Weg dahin ist anspruchsvoll, beinhaltet er doch den Verzicht auf unbestreitbar hohe Güter; <509> er ist jedoch nicht unmöglich, wie es die große Schar der Heiligen und jener wunderbaren Gestalten von Ordensleuten beweist, die deutlich machten, wie die Lebensweihe an Christus „nicht dem wahren Fortschritt der menschlichen Person widerspricht, sondern in sich selbst eine große Hilfe dazu darstellt”. <510> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, 1964, Nr. 46. Ebd. Der Weg zur menschlichen Reife, die ja Bedingung ist für ein Leben mit evangelischer Ausstrahlung, ist ein Prozeß ohne Ende, da er eine ständige „Bereicherung” nicht nur mit den geistlichen Werten bedeutet, sondern auch mit jenen des psychologischen, kulturellen und sozialen Bereiches. <511> Vgl. Elementi essenziali delVinsegnamento della Chiesa sulla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben), Dokument der CRIS, 1983,45. Die starken Veränderungen in Kultur und Verhalten, die im Grunde eher auf materielle Dinge ausgerichtet sind als auf geistige, verlangen besondere Aufmerksamkeit in einigen Bereichen, in denen die Ordensleute heute besonders verwundbar zu sein scheinen. 36. Die Identität Der Reifungprozeß des Menschen vollzieht sich in der eigenen Identifikation mit dem Berufensein von Gott. Eine unsichere Identität kann besonders in schwierigeren Situationen zu einer falsch verstandenen Selbstverwirklichung führen, verbunden mit einem extremen Bedürfnis nach Erfolg und nach Anerkennung und mit einer übertriebenen Angst vor dem Scheitern, sowie mit Depressionen im Gefolge von Mißerfolgen. Die Identität des Gottgeweihten hängt von einem geistigen Reifungsprozeß ab: sie ist ein Werk des Geistes, der den Betreffenden dazu drängt, Christus gleichförmig zu werden, entsprechend jener besonderen Weise, wie sie dem Institut durch das „Ursprungscharisma” geschenkt ist, das eine „Vermittlung des Evangeliums an die Mitglieder eines Institutes” darstellt. <512> Der Beistand eines geistlichen Führers, der die Spiritualität und die Sendung eines Institutes gut kennt und sie achtet, ist also von großer Bedeutung, um „das Wirken Gottes zu erkennen, den Mitbruder auf den Wegen des Herrn zu begleiten und das Leben durch eine solide Lehre und lebendiges Gebet zu nähren”. <513> Eine solche Begleitung, die besonders notwendig ist in der Ebd. Elementi essenziali delVinsegnamento della Chiesa sulla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben), Dokument der CRIS, 1983,47. 45 46 47 48 49 1142 KONGREGATIONEN UND RÄTE Phase der ersten Ausbildung, ist auch im weiteren Leben für das „Wachsen in Christus” hilfreich. Auch der kulturelle Reifungsprozeß hilft mit, sich den Herausfordemngen der Sendung zu stellen und die dazu erforderlichen Hilfsmittel anzuwenden, um den Weg in die Zukunft zu erkennen und um die richtigen Antworten zu entwickeln, durch die das Evangelium ständig eine Alternative zu den Angeboten der Welt wird, indem es die positiven Kräfte einbindet und sie von den Keimen des Bösen reinigt. In dieser Dynamik werden die gottgeweihte Person und die Ordensgemeinschaft zu einer dem Evangelium entsprechenden Einladung, die die Gegenwart Christi in der Welt offenbar macht. <514> <514> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, 1964, Nr. 44. 37. Die Affektivität Das brüderliche Leben in Gemeinschaft verlangt von allen ein stabiles seelisches Gleichgewicht, innerhalb dessen das affektive Leben des einzelnen reifen kann. Wesentlicher Bestandteil dieses Reifungsprozesses ist die oben erwähnte affektive Freiheit, aufgrund derer der gottgeweihte Mensch seine Berufung hebt, und nach ihren Maßstäben hebt. Gerade diese Freiheit und Reife ermöglichen es, innerhalb wie außerhalb der Gemeinschaft eine gesunde Affektivität zu leben. Seine eigene Berufung zu heben, sie als gültige Lebensbasis zu erfahren, seine Lebensweihe als eine wahre, schöne und gute Wirklichkeit zu verstehen, die auch die eigene Existenz wahr, schön und gut macht: dies alles macht einen Menschen stark, autonom und selbstsicher; es bedarf keiner anderen, auch keiner affektiven Stütze. Eine solche Haltung festigt zugleich das Band, das den Gottgeweihten an jene bindet, die mit ihm dieselbe Berufung teilen. Vor allem mit ihnen fühlt er sich zu lebendigen Beziehungen der Brüderlichkeit und Freundschaft berufen. Die Berufung heben, das heißt, die Kirche heben, das heißt, das eigene Institut heben und die Gemeinschaft wirklich als die eigene Familie zu betrachten. Der eigenen Berufung entsprechend zu heben bedeutet, zu heben im Stil eines Menschen, der in jeder zwischenmenschlichen Beziehung ein reines Zeichen der Liebe Gottes sein möchte, der niemanden überrumpelt und nicht in Besitz nimmt, sondern es gut meint und das Beste des anderen sucht mit jenem Wohlwollen, das Gott uns entgegenbringt. Es bedarf also einer besonderen Erziehung der Affektivität, die den menschlichen Aspekt mit dem mehr geistigen in Einklang bringt. Hier scheinen besonders jene Hinweise von Potissimum Institutioni angebracht, die die Prüfung „der Ausgeglichenheit der Affektivität, besonders auch im geschlechtlichen Bereich”, sowie die Prüfung der „Fähigkeit zum Gemeinschaftsleben” betreffen. <515> <515> Potissimum Institutioni (Richtlinien fiir die Ausbildung in den Ordensinstituten'}, Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (CIVCSVA), 1990, 43. 1143 KONGREGATIONEN UND RÄTE Trotzdem sind die Schwierigkeiten in diesem Bereich oft nur ein Echo von Problemen, die anderswo ihren Ursprung haben: eine Affektivität-Sexualität, die mit nar-zistisch-jugendlichem oder stark verdrängendem Verhalten gelebt wird, kann eine Folge von negativen Erfahrungen sein, die dem Ordenseintritt vorausgingen, aber auch ein Folge von Ungereimtheiten in der Gemeinschaft oder im Apostolat. Wichtig ist hier also ein reiches und herzliches brüderliches Leben, das die „Last” des verwundeten und hilfsbedürftigen Bruders mitträgt. Wenn also für ein Leben in Gemeinschaft eine gewisse Reife vorausgesetzt werden muß, so ist ein herzliches, brüderliches Miteinander für die Reifung des Ordensmitgliedes nicht minder gefordert. Wo im Mitbruder oder in der Mitschwester eine verminderte affektive Selbständigkeit festgestellt wird, sollte die Antwort der Gemeinschaft in Form einer reichen, menschlichen Liebe nach dem Beispiel Jesu und vieler heiliger Ordensleute nicht ausbleiben, einer Liebe, die Ängste und Freuden, Schwierigkeiten und Hoffnungen mit jener Wärme teilt, die das neue Herz auszeichnet, das den ganzen Menschen anzunehmen vermag. Eine solche besorgte, taktvolle, nicht Besitz ergreifende, selbstlose Liebe wird dem einzelnen die Liebe des Herrn nahebringen, jene Liebe, die den Sohn Gottes dazu führte, uns durch sein Kreuz zu sagen, daß man nicht daran zweifeln kann, von der Ewigen Liebe gebebt zu sein. 38. Unstimmigkeiten Das Zusammenleben mit leidenden Menschen, mit solchen, die sich in der Gemeinschaft nicht wohlfühlen und die deshalb Ursache von Leid für die Mitbrüder sind und das Gemeinschaftsleben stören, stellen eine besondere Gelegenheit für das menschliche Wachsen und das christhche Reifen dar. Vor allem ist hier zu fragen, woher solches Leiden rührt: von charakterlichen Mängeln, von Verpflichtungen, die als zu beschwerlich empfunden werden, von großen Lücken in der Ausbildung, von den zu raschen und zu zahlreichen Veränderungen dieser Jahre, von zu autoritärem Leitungsstil, von Schwierigkeiten im geistbchen Leben. Es gibt auch verschiedene Situationen, in denen die Autorität daran erinnern muß, daß das Gemeinschaftsleben manchmal Opfer abverlangt und zu einer Form von „maximci poenitentia” werden kami. Dennoch gibt es Situationen und Fäbe, in denen ein Rückgriff auf die Humanwissenschaften erforderhch ist, besonders dann, wenn einzelne eindeutig zu einem Leben in Gemeinschaft unfähig sind, sei es aufgrund mangelnder Reife, psychologischer Labihtät oder anderer Faktoren vorwiegend pathologischer Art. Der Rückgriff auf solche Maßnahmen erwies sich nicht nur in der Therapie schwererer oder leichterer psychopathischer Fälle als nützlich, sondern auch zu deren Vorbeugung, um eine angemessene Auslese der Kandidaten zu erleichtern und um 1144 KONGREGATIONEN UND RÄTE in einigen Fällen die Ausbildungsverantwortlichen in ihrem Verhalten bei speziellen pädagogisch-formativen Problemen zu beraten. <516> Vgl. Potissimum Institutioni (Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten), Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (CIVCSVA), 1990, 43,51.63. In jedem Falle ist bei der Auswahl dieser Spezialisten ein gläubiger Mensch und ein Kenner des Ordenslebens vorzuziehen. Noch besser ist es, wenn er selbst ein gott-geweihter Mensch ist. Der Gebrauch dieser Hilfsmittel wird schließlich dann wirklich hilfreich sein, wenn sie mit einer gewissen Zurückhaltung und auf den jeweiligen Fall bezogen angewandt werden; dies allein schon deshalb, weil sie nicht alle Probleme lösen können und demzufolge „nicht an die Stelle einer echten geistlichen Begleitung treten können”. <517> <517> Potissimum Institutioni (Richtlinien fiir die Ausbildung in den Ordensinstituten), Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (CIVCSVA), 1990, 52. Vom Ich zum Wir 39. Die Achtung der Person, vom Konzil und in den nachfolgenden Dokumenten <518> empfohlen, hat einen positiven Einfluß auf das konkrete Gemeinschaftsleben ausgeübt. <518> II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965, Nr. 14 c; CIC, can. 618; Elementi essenziali dell’insegnamento della Chiesa sulla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben). Dokument der CRIS, 1983,49. Gleichzeitig hat sich jedoch mit geringerer oder stärkerer Intensität, je nach den verschiedenen Erdteilen, auch der Individualismus ausgebreitet unter den vielfältigsten Formen, wie Profiliersucht, Überbetonung des physischen, psychischen und beruflichen Wohlbefindens, Bevorzugung einer eigenständigen Arbeit oder einer renommierten und profilierten Tätigkeit, absoluter Vorrang der persönlichen Interessen und des individuellen Lebensweges ohne Rücksicht auf die anderen und ohne Beziehung zur Gemeinschaft. Dagegen ist es jedoch dringend erforderlich, jenes rechte und nicht immer leicht zu erzielende Gleichgewicht zu suchen zwischen der Achtung der Person und dem Gemeinwohl, zwischen den Ansprüchen und Bedürfnissen der einzelnen und jenen der Gemeinschaft, zwischen dem persönlichen Charisma und dem apostolischen Entwurf der Gemeinschaft. Dies sollte fern von jedem zerstörenden Individualismus sowie von jedem nivellierenden Kommunitarismus geschehen. Die Ordensgemeinschaft ist der Ort, wo sich der tägliche und geduldige Übergang vom „Ich” zum „Du”, von meiner Aufgabe zur Aufgabe der Gemeinschaft, von der Suche dessen, „was mein ist”, zur Suche dessen, „was Christi ist”, vollzieht. Dann wird die Ordensgemeinschaft der Ort, wo man täglich lernt, sich jenes neue Denken anzueignen, das es ermöglicht, brüderliche Gemeinschaft in der Vielfalt der 1145 KONGREGATIONEN UND RÄTE unterschiedlichen Gaben zu leben, und das gleichzeitig eben diese Gaben auf die Brüderlichkeit und die Mitverantwortung im apostolischen Ziel hin ausrichtet. 40. Ein derartiger gemeinschaftlicher und apostolischer „Einklang” erfordert: a) Miteinander das gemeinsame Geschenk der Berufung und Sendung dankbar zu feiern, ein Geschenk, das hoch über jedweden individuellen und kulturellen Unterschieden steht. Eine kontemplative Haltung gegenüber der Weisheit Gottes zu fördern, der gerade diese Brüder oder Schwestern in einer Gemeinschaft zusammengeführt hat, damit sie sich gegenseitig als Geschenk geben und annehmen. Gott zu loben für das, was jeder Bruder oder jede Schwester von der Gegenwart und vom Wort Christi mitteilt. b) Die Pflege jener gegenseitigen Achtung, mit der man den langsameren Weg der Schwächeren annimmt und gleichzeitig das Wachstum reicherer Persönlichkeiten nicht erstickt. Eine Achtung, die einerseits Kreativität fördert, andererseits jedoch an die Mitverantwortung und Solidarität anderen gegenüber appelliert. c) Eine Ausrichtung auf die gemeinsame Sendung hin: ein jedes Institut hat seine eigene Sendung, an der jeder seinen Gaben entsprechend mitarbeiten muß. Der Weg einer gottgeweihten Person besteht gerade darin, dem Herrn zunehmend all das darzubringen, was sie ist und was sie hat, zum Wohl der Sendung ihrer Ordensfamilie. d) Eine Erinnerung daran, daß die apostolische Sendung in erster Linie der Gemeinschaft anvertraut ist, und daß sie deshalb oft den Unterhalt gemeinschaftseigener Werke mit sich bringt. Die Hingabe an ein solches gemeinschaftliches Apostolat läßt die gottgeweihte Person reifen und auf ihrem besonderen Weg zur Heiligkeit wachsen. e) Eine innere Einstellung, aus der heraus die einzelnen Ordensleute, die im Gehorsam persönliche Aufgaben übertragen bekommen haben, sich selbst als von der Gemeinschaft Beauftragte verstehen. Diese trage ihrerseits Sorge für deren satzungsmäßige Erneuerung und beziehe sie in die Überprüfung der apostolischen Verpflichtungen der Gemeinschaft mit ein. Während der Ausbildungszeit kann es Vorkommen, daß es trotz allen guten Willens unmöglich ist, die besonderen Gaben einer gottgeweihten Person mit dem brüderlichen Leben in Gemeinschaft und der gemeinsamen Sendung in Einklang zu bringen. Dann ist die Frage zu stellen: „Tragen die Gaben Gottes in dieser Person (...) zur Einheit und Vertiefung der Gemeinschaft bei? Wenn ja, dann können sie gerne angenommen werden. Im gegenteiligen Falle sind sie nicht für dieses bestimmte Institut geeignet, so wertvoll diese Gaben auch in sich selbst sein und so erstrebenswert sie einigen Mitbrüdem erscheinen mögen. Es ist wirklich nicht vernünftig, stark ab- 1146 KONGREGATIONEN UND RÄTE weichende Entwicklungen zu dulden, die für die Einheit im Institut kein gediegenes Fundament bieten”. <519> Elementi essenziali delVinsegnamento della Chiesa sulla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben), Dokument der CR1S, 1983,22; vgl. auch Mutucie Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978, Nr. 12. 41. In den vergangenen Jahren wuchs die Zahl der Gemeinschaften mit nur wenigen Mitgliedern, vor allem aus Gründen des Apostolates. Diese Gemeinschaften können auch förderlich sein für die Entwicklung engerer Beziehungen unter den Ordensleuten, für ein intensiveres Gebetsleben und für eine gegenseitige und noch brüderlichere Übernahme von Verantwortung. <520> Vgl. Apostolische Ermahnung Evangelien Testificatio, Paul VI., 1971, Nr. 40. Keinesfalls jedoch fehlen auch fragwürdige Gründe, wie z. B. die Übereinstimmung von Interessen und Mentalitäten. In einem solchen Falle mag es leicht geschehen, daß eine Gemeinschaft sich abkapselt und so weit kommen kann, ihre Mitglieder selbst auszuwählen und einen vom Obern versetzten Mitbruder anzunehmen oder abzulehnen. Solches widerspricht der Natur der Ordensgemeinschaft und ihrer Zei-chenhaftigkeit. Eine selektive Homogenität hindert die apostolische Beweglichkeit und schwächt außerdem die pneumatische Wirklichkeit der Gemeinschaft, sie entzieht der sie bestimmenden geistigen Wirklichkeit ihre Zeugniskraft. Jenes, für heterogene Gemeinschaften so charakteristische Bemühen, sich gegenseitig anzunehmen, wie auch die Anstrengungen zur Überwindung diesbezüglicher Schwierigkeiten, sind ein Beweis für die Transzendenz ihres Seinsgrundes, nämlich für „die Kraft Gottes, die sich in der Schwachheit des Menschen offenbart” (vgl. 2 Kor 12,9-10). In einer Gemeinschaft lebt man zusammen, nicht weil man sich gegenseitig ausgesucht hat, sondern weil der Herr einen dazu erwählt hat. 42. Wenn die westlich geprägte Kultur zum Individualismus neigt, der ein brüderliches Leben in Gemeinschaft erschwert, so können andere Kulturen ihrerseits zum Kommunitarismus führen, der die Wertschätzung der menschlichen Person schwieriger macht. Jede dieser kulturellen Formen muß evangelisiert werden. Die Präsenz von Ordensgemeinschaften, die auf dem Weg hin zu einem brüderlichen Leben sind, in dem der einzelne für die Mitbrüder verfügbar ist oder in dem die „Gruppe” den einzelnen fördert, ist ein Zeichen der verändernden Kraft des Evangeliums und der Ankunft des Gottesreiches. Die internationalen Institute, in denen Miglieder aus verschiedenen Kulturen Zusammenleben, können zu einem Austausch der Gaben beitragen, durch die sie sich gegenseitig bereichern und korrigieren im gemeinsamen Bestreben, immer intensiver das Evangelium der Freiheit der Person und der brüderlichen Gemeinschaft zu leben. 1147 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die Ordensgemeinschaft in beständiger Weiterbildung 43. Die gemeinschaftliche Erneuerung hat aus der beständigen Weiterbildung großen Nutzen gezogen. Sie wird in ihren Grundzügen vom Dokument Potissimum In-stitutioni empfohlen und Umrissen <521> und wird von allen Verantwortlichen der Ordensinstitute als bedeutungsvoll für das Überleben betrachtet. Vgl. Potissimum Institutioni {Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten), Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (CIVCSVA), 1990, 66-69. Trotz einiger Unsicherheiten (z. B. die Schwierigkeit einer Synthese ihrer unterschiedlichen Aspekte; die Schwierigkeit, alle Mitglieder einer Gemeinschaft für die Weiterbildung zu interessieren; die Ansprüche des Apostolates; das rechte Gleichgewicht von Aktivität und Ausbildung) hat die Mehrzahl der Ordensinstitute diesbezügliche Initiativen auf zentraler und lokaler Ebene ins Leben gerufen. Ein Ziel dieser Initiativen besteht darin, reife, evangeliumsgemäße und brüderliche Gemeinschaften zu bilden, die fähig sind, die beständige Weiterbildung im Alltag fortzusetzen. Die Ordensgemeinschaft ist tatsächlich der Ort, wo die großen Orientierungen dank einer geduldigen und beharrlichen, täglichen Vermittlung wirksam werden. Die Ordensgemeinschaft ist der Ort und das natürliche Umfeld des Wachstumsprozesses aller, wo ein jeder für das Wachstum des anderen mitverantwortlich wird. Die Ordensgemeinschaft ist außerdem der Ort, wo man sich Tag für Tag gegenseitig hilft, als gottgeweihter Mensch und als Träger desselben Charismas auf die Bedürfnisse der Ärmsten und Letzten ebenso wie auf die Herausforderungen der neuen Gesellschaft zu antworten. Nicht selten mögen die Antworten auf diese Probleme unterschiedlich sein, mit deutlichen Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Leben. Dies führt zu der Feststellung, daß ein besonders vordringliches Bedürfnis heute darin besteht, Menschen unterschiedlicher Bildung und unterschiedlicher apostolischer Ausrichtung in ein und dasselbe gemeinschaftliche Leben zu integrieren, in dem die Unterschiede nicht mehr Anlaß zu Gegensätzen bieten, sondern Gelegenheit zur gegenseitigen Bereicherung. In diesen veränderten und sich verändernden Umständen wird die einigende Rolle der für die Gemeinschaft Verantwortlichen immer wichtiger; angesichts deren Aufgabe, das brüderliche und apostolische Leben einer Gemeinschaft zu animieren, sollte die beständige Weiterbildung für sie besondere Hilfen vorsehen. Aus der Erfahrung der vergangenen lahre verdienen hier zwei Gesichtspunkte besondere Beachtung: Die gemeinschaftsbezogene Dimension der evangelischen Räte und das Charisma. 44. Die gemeinschaftsbezogene Dimension der evangelischen Räte Die Ordensprofeß stellt einen Ausdruck der Selbsthingabe an Gott und die Kirche dar, eine Hingabe jedoch, die innerhalb der Gemeinschaft einer Ordensfamilie ge- 1148 KONGREGATIONEN UND RÄTE lebt wird. Die Ordensperson ist nicht nur durch ihre individuelle Berufung „gerufen”, sondern sie ist „zusammengerufen”, ist in eine Gemeinschaft mit anderen gerufen, wo sie ihre tägliche Existenz „mit anderen teilt”. In diesem „Ja” zu Gott liegt jene Übereinstimmung, die die verschiedenen Ordensleute untereinander zu ein und derselben Lebensgemeinschaft verbindet. Als gemeinsam Geweihte, als in demselben „Ja” Geeinte, als im Heiligen Geist untereinander Verbundene entdecken die Ordensleute täglich, daß ihre Nachfolge des „gehorsamen, armen und keuschen” Christus in der Brüderlichkeit gelebt wird, wie es die Jünger taten, die Jesus in seinem Wirken nachfolgten. Sie sind mit Christus verbunden, und deshalb sind sie berufen, auch untereinander verbunden zu sein. Sie sind untereinander verbunden durch die Sendung, sich in prophetischer Weise dem Götzenkult der Macht, des Besitzes und des Vergnügens zu widersetzen. <522> Auf diese Weise bindet und eint der Gehorsam das unterschiedlich ausgerichtete Wollen innerhalb ein und derselben brüderlichen Gemeinschaft, die in der Kirche eine besondere Sendung zu erfüllen hat. <522> Vgl. Religiosi e promozione umana (Das Ordensleben und die Förderung des Menschen), Dokument der CRIS, 1980, Nr. 25. Der Gehorsam stellt ein „Ja” zum Plan Gottes dar, der einer Personengruppe eine besondere Aufgabe anvertraut hat. Der Gehorsam steht in Verbindung mit der Sendung, aber auch mit der Gemeinschaft, die hier und jetzt gemeinschaftlich ihre Sendung zu verwirklichen hat; der Gehorsam verlangt außerdem eine durch den Glauben erleuchtete Sicht der Rolle der Obern, die „ihre Aufgabe des Dienstes und der Führung” <523> wahmehmen und die Übereinstimmung von apostolischer Arbeit und Sendung zu schützen haben. Der allein heilsstiftende Wille Gottes muß so in Gemeinschaft mit den Obern verwirklicht werden. <523> Mutuae Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978, Nr. 13. Die Armut: Das Teilen des Besitzes - auch des geistlichen - bildet von Anbeginn an das Fundament der brüderlichen Gemeinschaft. Die Armut des einzelnen, die einen schlichten und fast herben Lebensstil mit sich bringt, macht nicht nur von jenen Sorgen frei, die mit persönlichem Besitz verbunden sind, sondern sie hat stets auch die Gemeinschaft bereichert, die sich dadurch wirksamer dem Dienst an Gott und den Armen widmen konnte. Die Armut beinhaltet auch einen wirtschaftlichen Aspekt: es verletzt und schwächt das brüderliche Leben, wer für sich selbst oder für die eigenen Angehörigen über Geld verfügt, als ob es das eigene wäre, und wer einen Lebensstil pflegt, der sich zu stark von jenem der Mitbrüder und von der Armut seines sozialen Umfeldes abhebt. Auch die „Armut des Geistes”, die Demut, die Einfachheit, das Anerkennen der Gaben der anderen, die Hochachtung der Vorgaben des Evangeliums, wie z. B. „ein mit Christus in Gott verborgenes Leben”, die Liebe zum Opfer im Verborgenen, die Wertschätzung der Letzten, das Aufgehen in Dingen, die nicht belohnt oder nicht 1149 KONGREGATIONEN UND RÄTE anerkannt werden...; dies alles sind Faktoren, die einigend auf das brüderliche Leben wirken und aus der gelobten Armut hervorgehen. Weil eine Gemeinschaft von „Armen” auf ganz konkrete Weise die verändernde Kraft der Sehgpreisungen vergegenwärtigt, ist sie auch imstande, mit den Armen solidarisch zu sein und deutlich zu machen, worin das Wesen der Evangelisierung besteht. Die gottgeweihte Keuschheit, die auch eine hohe Reinheit des Geistes, des Herzens und des Leibes entschließt, bringt im Hinbhck auf die Gemeinschaft eine große Freiheit zum Ausdruck, die Freiheit nämlich, Gott und alles, was sein ist, mit ungeteilter Liebe zu heben. Sie steht deshalb eine vorbehaltlose Bereitschaft dar, ahe Menschen zu heben und für sie da zu sein, und so die Liebe Christi zu vergegenwärtigen. Eine solche Liebe, die nicht egoistisch ist, niemanden ausschheßt, niemanden in Besitz nimmt und von der Leidenschaft nicht beherrscht wird, sondern allumfassend ist und selbstlos, selbst frei und befreiend, und die so wesentlich ist für die Sendung, eine solche Liebe wird durch ein brüderliches Leben in ihrem Wachsen gefördert. So rufen alle, die in gottgeweihter Ehelosigkeit leben, „jenen wunderbaren Ehebund in Erinnerung, den Gott begründet hat und der erst in der kommenden Welt ganz offenbar wird, den Ehebund der Kirche mit Christus, ihrem einzigen Bräutigam”. <524> II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965, Nr. 12; vgl. CIC, can. 607. Diese gemeinschaftsbezogene Dimension der Gelübde bedarf jener beständigen Pflege und Vertiefung, die charakteristische Ziele der beständigen Weiterbildung darstellen. 45. Das Charisma Es ist das zweite Element, das im Rahmen der beständigen Weiterbildung hinsichtlich des Wachsens des brüderlichen Lebens hervorgehoben werden muß. „Die Ordensweihe stiftet eine besondere Gemeinschaft zwischen Gott und der Ordensperson und, in Ihm, zwischen den Mitgliedern ein und desselben Instituts (...). Ihr Fundament ist jene Gemeinschaft in Christus, die im einmaligen Ursprungs-Charisma festgelegt ist”. <525> ^ Elementi essenziali dell’insegnamento della Chiesa sulla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben), Dokument der CRIS, 1983,18; vgl. Mutuae Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978, Nm. 11-12. Der Hinweis auf die eigene Gründergestalt und auf das von ihr gelebte und weitergegebene Charisma, das durch die ganze Lebensspanne des Instituts bewahrt und entfaltet wurde, <526> ist demnach ein grundlegendes Element für die Einheit der Gemeinschaft. ^ Vgl. Mutuae Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978, Nr. 11. 1150 KONGREGATIONEN UND RÄTE In Gemeinschaft leben heißt also, miteinander den Willen Gottes zu leben, gemäß jener Orientierung durch das Geschenk des Charismas, das der Gründer von Gott empfing, und das er auf seine Schüler und Nachfahren übertragen hat. Indem die Erneuerung dieser Jahre die Bedeutung des Ursprungs-Charismas auch durch eine reiche theologische Reflexion hervorgehoben hat, <527> hat sie die Einheit der Gemeinschaft gefestigt, die als Trägerin derselben Gabe des Geistes verstanden wurde, die sie mit den Brüdern teilen soll, und mit der sie die Kirche beschenken kann „für das Leben der Welt”. Darum sind jene Bildungs-Programme so hilfreich, die regelmäßige Kurse für Studium und betendes Überdenken der Gründergestalt, des Charismas und der Konstitutionen beinhalten. Vgl. Mutiiae Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978, Nm. 11-12; Elementi es-senziali dell’insegnamento della Chiesa sidla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben), Dokument der CRIS, 1983,11,4L Das vertiefte Verständnis des Charismas führt zu einer klaren Sicht der eigenen Identität, um die herum sich Einheit und Gemeinschaft leichter verwirklichen lassen. Es ermöglicht außerdem eine kreative Anpassung an die neuen Situationen, was einem Institut wiederum positive Zukunftsperspektiven bietet. Das Fehlen einer solchen Klarheit kann auch leicht Unsicherheit bezüglich der Ziele hervorrufen sowie Verwundungen durch die Bedingungen des Umfeldes, die kulturellen Strömungen, ja selbst die verschiedenen apostolischen Erfordernisse, und zudem jede Anpassung und jede Erneuerung vereiteln. 46. Die charismatische Identität ist also zu fördern, und dies nicht zuletzt, weil eine Verallgemeinerung für die Vitalität der Ordensgemeinschaft eine echte Gefahr darstellt. In diesem Zusammenhang wurde auch auf einige Situationen hingewiesen, die in diesen Jahren die Ordensgemeinschaften verwundet haben und noch immer verwunden: - die „verallgemeinernde” Betrachtungsweise - d. h. ohne Einbeziehung des eigenen Charismas - gewisser Richtlinien der Teilkirche oder gewisser Anregungen, die aus anderen Spiritualitäten stammen; - eine Form von Einbindung in kirchliche Bewegungen, die das einzelne Ordensmitglied dem fragwürdigen Phänomen einer „doppelten Zugehörigkeit” aussetzt; - eine gewisse Anpassung an die Lebensweise der Laien in den sicherlich notwendigen und oft fruchtbaren Beziehungen zu ihnen, besonders zu Mitarbeitern. So „tarnt” man sich als Laie, indem man ihre Urteils- und Handlungsweise annimmt und den Beitrag der eigenen Weihe an Gott herabsetzt, anstatt das eigene religiöse Zeugnis als ein brüderliches Geschenk anzubieten, das die Echtheit ihres christlichen Lebens durchdringen sollte; 1151 KONGREGATIONEN UND RÄTE - ein übermäßiges Nachgeben gegenüber den Ansprüchen der Familie, den Idealen der Nation, der Rasse, des Stammes oder der sozialen Gruppe, was das Charisma auf einseitige Positionen und Interessen hin umzubiegen droht; Die Verallgemeinerung, die das Ordensleben auf einen farblosen, kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert, führt zur Zerstörung von Schönheit und Fruchtbarkeit jener Vielfalt von Charismen, die vom Geist ins Leben gerufen sind. Die Autorität im Dienste der Brüderlichkeit 47. Allgemein besteht der Eindruck, die Entwicklung dieser Jahre habe das brüderliche Leben in den Gemeinschaften reifer gemacht. In vielen Gemeinschaften ist das Klima des Zusammenlebens besser geworden: man gab mehr Raum für die aktive Beteiligung aller, man ging von einem zu stark auf Observanz gründenden Gemeinschaftsleben über zu einem Leben, das die Bedürfnisse des einzelnen besser berücksichtigt und aufmerksamer ist in menschlichen Belangen. Das Bemühen, Gemeinschaften zu schaffen, die leichter lebbar sind, weniger formalistisch, weniger autoritär, die brüderlicher und verinnerlichter sind, wird allgemein als eine der auffallendsten Früchte der Erneuerung der letzten Jahre angesehen. 48. Diese positive Entwicklung war manchmal in Gefahr, durch ein Gefühl des Mißtrauens gegenüber der Autorität verfälscht zu werden. Das Verlangen nach einer tieferen communio unter den Mitgliedern und die verständliche Reaktion gegen Strukturen, die als zu autoritär und zu starr empfunden wurden, führte dazu, die Rolle der Autorität in ihrer ganzen Tragweite zu verkennen, die von einigen als schlechthin überflüssig für das Gemeinschaftsleben bezeichnet, von anderen dagegen lediglich auf die Aufgabe der Koordinierung der Initiativen der Mitglieder eingeschränkt wurde. Auf diese Weise gelangten einige Gemeinschaften dahin, ohne verantwortlichen Leiter zu leben, während andere sämtliche Entscheidungen gemeinschaftlich trafen. Dies alles birgt die nicht nur hypothetische Gefahr eines Auseinanderbrechens des Gemeinschaftslebens in sich, was dann unausweichlich dazu führt, Einzelgängertum zu fördern und gleichzeitig die Rolle der Autorität zu verdunkeln, eine Rolle, die nicht nur für den geistlichen Weg der gottgeweihten Person notwendig ist, sondern auch für das Wachsen des brüderlichen Lebens in Gemeinschaft. Andererseits führen die Ergebnisse dieser Experimente schrittweise hin zur Wiederentdeckung der Notwendigkeit und der Bedeutung einer persönlichen Autorität, was in Kontinuität mit der ganzen Tradition des Ordenslebens steht. Wenn das verbreitete Klima der Demokratisierung auch das Wachsen der Mitverantwortlichkeit und der Teilnahme aller an Entscheidungsprozessen innerhalb der Ordensgemeinschaft gefördert haben mag, so darf man doch nicht vergessen, daß Brüderlichkeit nicht nur ein Ergebnis menschlichen Bemühens ist, sondern auch, und ganz besonders, ein Geschenk Gottes. Sie ist ein Geschenk, das dem Gehorsam gegenüber Gottes Wort entspringt, und im Ordensleben auch dem Gehorsam gegen- 1152 KONGREGATIONEN UND RÄTE über der Autorität, die an dieses Wort erinnert und es mit den konkreten Situationen verbindet, ganz gemäß dem Geist des Instituts. „Wir bitten euch aber, Brüder, anerkennt jene, die unter euch sich mühen, die eure Vorsteher sind im Herrn und euch ermahnen. Schätzt sie besonders hoch in Liebe, wegen ihres Wirkens” (1 Thess 5,12-13). Die christliche Gemeinschaft ist wirklich kein anonymes Kollektiv, sondern ihr sind von Anfang an Vorsteher geschenkt, für die der Apostel um Rücksicht, Achtung und Liebe bittet. In den Ordensgemeinschaften ist diese Autorität, der Aufmerksamkeit und Respekt auch kraft des gelobten Gehorsams geschuldet wird, auch in den Dienst der zu verwirklichenden Brüderlichkeit sowie der Erreichung ihrer geistlichen und apostolischen Zielsetzungen gestellt. 49. Die Emeuerungsbewegung dieser Jahre hat dazu beigetragen, das Bild der Autorität neu zu zeichnen, in der Absicht, diese enger mit ihren evangelischen Wurzeln zu verbinden und damit mit dem Dienst für den geistlichen Fortschritt des einzelnen und für den Aufbau des brüderlichen Lebens in der Gemeinschaft. Jede Gemeinschaft hat ihre eigene Sendung. Der Dienst der Autorität richtet sich also auf eine Gemeinschaft, die eine besondere, ihr vom Institut und dessen Charisma übertragene und umschriebene Sendung zu erfüllen hat. Aus der Verschiedenheit der Sendungen ergeben sich unterschiedliche Formen von Gemeinschaften, und demzufolge auch von Diensten der Autorität. Auch dies ist ein Grund dafür, daß es innerhalb des Ordenslebens verschiedene, vom Eigenrecht festgelegte Arten gibt, Autorität zu verstehen und auszuüben. Immer jedoch stellt die evangeliumsgemäße Autorität einen Dienst dar. 50. Die Erneuerung dieser Jahre betont einige Aspekte der Autorität. a) Eine geistliche Autorität Wenn die gottgeweihten Personen sich dem umfassenden Dienste Gottes widmen, dann fördert und stützt die Autorität diese ihre Weihe. In gewisser Weise kann die Autorität verstanden werden als „Dienerin der Diener Gottes”. Der Autorität kommt die vomehmliche Aufgabe zu, zusammen mit ihren Brüdern und Schwestern „brüderliche Gemeinschaften aufzubauen, in der Gott vor allem gesucht und geüebt wird”. <528> Es ist also erforderlich, daß sie vor allem anderen eine geistlich geprägte Person sei, überzeugt vom Primat des Geistlichen sowohl im persönlichen Leben wie auch in der Verwirklichung des brüderlichen Lebens, d. h. daß sie sich bewußt sei, daß die Herzen sich desto enger untereinander verbinden, je mehr die Liebe zu Gott in ihnen wächst. CIC, can. 619. Die vorrangige Aufgabe der Autorität wird also in der geistlichen, gemeinschaftlichen und apostolischen Motivierung ihrer Gemeinschaft liegen. 64 1153 KONGREGATIONEN UND RÄTE b) Eine Autorität, die Einheit bewirkt Eine Autorität, die Einheit bewirkt, ist jene, die sich bemüht, ein günstiges Klima für Austausch und Mitverantwortung zu schaffen; die den Beitrag aller hinsichtlich der gemeinsamen Interessen anregt; die die Mitbrüder zur Übernahme von Verantwortung ermutigt und sie respektiert; die „den Gehorsam der Mitbrüder fördert in Achtung vor der menschlichen Person”; <529> die gerne auf die Mitbrüder hört und deren einträchtiges Wirken zum Wohl des Instituts und der Kirche fördert; <530> die den Dialog praktiziert und angemessene Gelegenheit zur Begegnung schafft; die in schwierigen Momenten Mut und Hoffnung zu vermitteln versteht; die nach vorne schaut, um der Sendung neue Horizonte zu erschließen. Und weiter: eine Autorität, die die verschiedenen Aspekte des Gemeinschaftslebens im Gleichgewicht zu halten bemüht ist: Gleichgewicht von Gebet und Arbeit, von Apostolat und Ausbildung, von Tätigkeit und Erholung. CIC, can. 618. Vgl. ebd. Die Autorität des Obern und der Oberin dient also dazu, daß das Ordenshaus nicht einfach ein Aufenthaltsort, ein Agglomerat von Einzelgängern sei, von denen jeder seine eigene Geschichte lebt, sondern eine „brüderliche Gemeinschaft in Christus”. <531> CIC, can. 619. c) Eine Autorität, die die letzte Entscheidung trifft und deren Ausführung sichert Die gemeinsame Entscheidungsfindung ist gewiß ein nützliches Verfahren, auch wenn es nicht leicht und nicht selbstverständlich ist, da es menschliche Kompetenz, geistliche Weisheit und Zurücknahme der eigenen Person erfordert. Dort, wo sie ernsthaft und gläubig praktiziert wird, schafft sie der Autorität die besten Bedingungen für die notwendigen Entscheidungen zum Wohl des brüderlichen Lebens und der Sendung. Wenn dann einmal eine Entscheidung gemäß den Vorschriften des Eigenrechtes getroffen ist, dann sind Beharrlichkeit und Kraft seitens des Obern gefordert, damit die Beschlüsse nicht nur auf dem Papier bleiben. 51. Es ist außerdem unabdingbar, daß das Eigenrecht möglichst präzise die verschiedenen Kompetenzen der Gemeinschaften, der Räte, der Amtsträger und des Obern umschreibt. Unklarheiten in diesem Bereich bieten oft Anlaß zu Konfusion und zu Konflikten. Auch die „gemeinschaftlichen Projekte”, die einer Beteiligung am Gemeinschaftsleben und seiner unterschiedlichen Aufgaben nützen können, sollten sorgsam darauf bedacht sein, die Aufgabe und Kompetenz der Autorität in Übereinstimmung mit den Konstitutionen klar festzulegen. 65 66 67 1154 KONGREGATIONEN UND RÄTE 52. Eine brüderliche und geeinte Gemeinschaft ist immer mehr dazu berufen, ein wichtiges und zeichenhaftes Element der Gegenkultur des Evangehums zu sein, Salz der Erde und Licht der Welt. So kann die Ordensgemeinschaft beispielsweise in der westhchen, vom Individualismus beherrschten Gesellschaft, ein prophetisches Zeichen dafür sein, daß es möghch ist, in Christus Brüderlichkeit und Solidarität zu verwirklichen, während sie in den von Autoritarismus oder Kommunitarismus geprägten Kulturen ein Zeichen für die Achtung und Entwicklung der menschlichen Person und für eine, dem Wißen Gottes gemäße Ausübung der Autorität sein kann. In der Tat, während die Ordensgemeinschaft die Kultur des jeweihgen Ortes annehmen soll, ist es gleichzeitig auch ihre Aufgabe, diese durch das Salz und das Licht des Evangehums zu reinigen und zu erheben, indem sie in ihrer realen Brüdergemeinschaft eine konkrete Synthese dessen aufzeigt, was nicht nur eine Evangelisierung der Kultur, sondern auch eine evangehsierende Inkulturation und eine inkul-turierte Evangelisierung ist. 53. Schließlich darf nicht vergessen werden, daß in dieser ganzen, delikaten, komplexen und off leidvollen Frage der Glaube eine entscheidende Rohe spielt, der es ermöglicht, das Heilsgeheimnis des Gehorsams zu begreifen. <532> So, wie durch den Ungehorsam eines Menschen die menschliche Familie auseinanderbrach, und wie durch den Gehorsam des neuen Menschen ihre Zusammenführung begann (vgl. Röm 5,19), ebenso wird die Haltung des Gehorsams für jedes Leben in einer Familie immer eine unverzichtbare Kraft darstehen. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965, Nr. 14; Elementi essenziali delVinsegnamento della Chiesa sulla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben), Dokument der CRIS, 1983,49. Das Ordensleben hat immer aus dieser Glaubensüberzeugung gelebt, und auch heute noch ist es gerufen, sie mutig zu leben, um in seinem Bemühen um brüderhche Beziehungen nicht ins Leere zu laufen und in der Kirche und der Gesellschaft eine dem Evangelium entsprechende, bedeutsame Wirklichkeit darzustellen. Die Brüderlichkeit als Zeichen 54. Besonders in den Instituten mit apostolischen Aufgaben waren die Beziehungen zwischen brüderhchem Leben und apostohscher Tätigkeit nicht immer geklärt und haben öfters zu Spannungen im einzelnen wie auch in der Gemeinschaft geführt. Manch einer empfand das „auf Gemeinschaft machen” als ein Hindernis für die Sendung, als eine Zeitverschwendung mit Nebensächlichkeiten. Allen muß ins Gedächtnis gerufen werden, daß die brüderhche Gemeinschaft als solche bereits ein Apostolat ist und unmittelbar zur Evangelisierung beiträgt. Das herausragende Zeichen, das der Herr hinterlassen hat, ist nämlich das der gelebten Brüderlichkeit: „Daran sohen sie erkennen, daß ihr meine Jünger seid, daß ihr einander hebt” (.loh 13,35). 1155 KONGREGATIONEN UND RATE Neben dem Auftrag, das Evangelium aller Kreatur zu verkünden (vgl. Mt 28,19-20), hat der Herr seine Jünger dazu ausgesandt, als Brüder miteinander zu leben, „damit die Welt glaubt”, daß Jesus der Gesandte des Vaters ist, und daß ihm die volle Zustimmung des Glaubens gebührt (vgl. Joh 17,21). Dem Zeichen der Brüderlichkeit kommt also höchste Bedeutung zu, denn es ist jenes Zeichen, das den göttlichen Ursprung der christlichen Botschaft aufzeigt und die Kraft besitzt, die Herzen für den Glauben zu öffnen. Darum kann auch gesagt werden, daß „die ganze Fruchtbarkeit des Ordenslebens von der Qualität des brüderlichen Lebens in Gemeinschaft abhängig ist”. <533> Johannes Paul II. vor der Plenaria der CIVCSVA (20. 11. 1992). Nr. 3: OR. 21.11.1992. 55. Je nachdem, wie die Ordensgemeinschaft das brüderliche Leben in ihrer Mitte pflegt, vergegenwärtigt sie fortwährend und erkennbar dieses „Zeichen”, dessen die Kirche vor allem in der Aufgabe der Neuevangelisierung bedarf. Auch aus diesem Grunde hegt der Kirche das brüderliche Leben der Ordensgemeinschaften am Herzen: je stärker die brüderliche Liebe ist, um so größer ist die Glaubwürdigkeit der verkündeten Botschaft, und um so klarer wird die Bedeutung des innersten Geheimnisses der Kirche als Sakrament und der Verbindung der Menschen mit Gott und untereinander. <534> Vgl. II. Val. Konzil, Dogmatische Konstitution Linnen Gentium, 1964, Nr. 1. Ohne bereits das „Ganze” der Sendung der Kirche sein zu wohen, ist das brüderliche Leben doch ein wesentlicher Teil davon. Das brüderliche Leben ist genauso wichtig wie die apostolische Tätigkeit. Man kann sich also nicht auf die Notwendigkeiten des apostolischen Dienstes berufen, um Mängel im Gemeinschaftsleben zuzulassen oder zu rechtfertigen. Die Tätigkeit der Ordensleute muß eine Tätigkeit von Menschen sein, die gemeinsam leben, die ihr Tun durch eine gemeinschaftliche Gesinnung prägen, die den Geist der Gemeinschaft durch Wort, Tat und Beispiel verbreiten. Besondere Umstände, die im folgenden behandelt werden, können Anpassungen erforderlich machen, die jedoch nicht dazu führen dürfen, die Ordensperson von der communio und dem Geist der eigenen Gemeinschaft zu entfremden. 56. Wenn die Ordensgemeinschaft sich ihrer Verantwortung gegenüber der großen brüderlich-schwesterlichen Gemeinschaft, die die Kirche darstellt, bewußt ist, dann beweist sie auch, daß es möglich ist, die christliche Brüderlichkeit zu leben, und sie zeigt den Preis, den die Verwirklichung einer jeglichen Form von brüderlichem Leben erfordert. Inmitten der Gesellschaften dieser Erde, die von Leidenschaften und entgegengesetzten Interessen geprägt und zerrissen sind, die sich nach Einheit sehnen, die jedoch unsicher sind bezüglich des Weges, der zu ihr führt, inmitten dieser Gesellschaften stellt die Anwesenheit von Gemeinschaften, in denen sich Menschen unterschiedlichen Alters, Sprache und Kultur als Brüder und Schwestern begegnen und 69 70 KONGREGATIONEN UND RÄTE die trotz der unvermeidlichen Konflikte und Schwierigkeiten, die das Gemeinschaftsleben mit sich bringt, untereinander verbunden bleiben, bereits ein Zeichen dar, das auf etwas Höheres hinweist und die Blicke nach oben richtet. „Die Ordensgemeinschaften, die durch ihr Leben die Freude und den menschlichen und übernatürlichen Wert der christlichen Brüderlichkeit verkünden, bezeugen vor unserer Gesellschaft durch die Sprache der Fakten die verändernde Kraft der Frohen Botschaft”. <535> Johannes Paul II. vor der Plenaria der CIVCSVA (20. 11. 1992), Nr. 4: OR. 21.11.1992. „Über allem stehe die Liebe; sie ist das Band der Vollkommheit” (Kol 3,14), jene Liebe, die von Christus gelehrt und gelebt und durch seinen Geist uns mitgeteilt worden ist. Diese Liebe ist es, die einig macht und die dazu drängt, die Erfahrung der Gemeinschaft mit Gott und den Brüdern auch anderen mitzuteilen. Sie macht also zu Aposteln, indem sie die Gemeinschaften zur Sendung hindrängt, ob diese nun in der Kontemplation, in der Verkündigung des Wortes oder in karitativem Dienst bestehe. Die Liebe Gottes möchte in die Welt einbrechen: so wird die brüderliche Gemeinschaft zur Missionarin für diese Liebe und zum prophetischen Zeichen ihrer einigenden Kraft. 57. Die Qualität des brüderlichen Lebens hat auch einen bedeutenden Einfluß auf die Beharrlichkeit der einzelnen Ordensperson. So wie Mängel im brüderlichen Leben häufig als Motiv für Austritte angegeben werden, stellt die gelebte Brüderlichkeit bis heute eine wirksame Stütze dar für die Ausdauer vieler. In einer wirklich brüderlichen Gemeinschaft fühlt ein jeder sich mitverantwortlich für die Treue des anderen; jeder leistet seinen Beitrag zu einer gelösten Atmosphäre echter Lebensgemeinschaft, die gekennzeichnet ist von Verständnis und gegenseitiger Hilfe; jeder ist sensibel für Müdigkeit, Leid, Einsamkeit und Mutlosigkeit des Mitbruders; jeder hilft dem durch Prüfungen und Schwierigkeiten Bedrängten. Auf diese Weise wird eine Ordensgemeinschaff, die die Beharrlichkeit ihrer Mitglieder stützt, auch zum Zeichen für die fortwährende Treue Gottes, und somit zu einer Stütze für Glauben und Treue der Christen, die in einer Welt leben müssen, die den Wert der Treue immer weniger zu kennen scheint. Kapitel III Die Ordensgemeinschaft als Ort und Trägerin der Sendung 58. Wie der Heilige Geist die Kirche schon im Abendmahlsaal gesalbt hat, um sie zur Verkündigung der Frohen Botschaft in die Welt zu senden, so ist jede Ordensgemeinschaft, insofern sie echte, geisterfüllte Gemeinschaft des Auferstandenen ist, ihrer Eigenart entsprechend eine apostolische Gemeinschaft. 1157 KONGREGATIONEN UND RÄTE Es ist wahr: „Die communio schafft communio und stellt sich wesentlich als missionarische comimmio dar... communio und Sendung sind zutiefst miteinander verbunden; sie durchdringen und bedingen einander, so daß die communio zugleich Quelle und Frucht der Sendung ist: die communio ist missionarisch und die Sendung gilt der communio”. <536> Apostolische Ermahnung Christifideles laici; Johannes Paul II., 1989, Nr. 32; vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Presbxterorum ordinis, 1965, Nr. 2. Jede Ordensgemeinschaft:, auch die rein kontemplative, ist nicht auf sich selbst bezogen, sondern sie wird Verkündigung, Diakonie und prophetisches Zeugnis. Der Auferstandene, der in ihr lebt und ihr seinen Geist mitteilt, macht sie zum Zeugen seiner Auferstehung. Ordensgemeinschaft und Sendung Es ist angebracht, hier über die besondere Beziehung zwischen den verschiedenen Formen von Ordensgemeinschaft und deren Sendung nachzudenken, bevor wir uns einigen speziellen Situationen zuwenden, denen sich die Ordensgemeinschaften heutzutage in den unterschiedlichen Verhältnissen der Welt stellen müssen, um ihrer besonderen Sendung treu zu bleiben. 59. a) Das II. Vatikanische Konzil sagt: „Die Ordensleute sollen sorgfältig darauf achten, daß durch sie die Kirche wirklich von Tag zu Tag mehr den Gläubigen wie den Ungläubigen Christus sichtbar mache, wie er auf dem Berg in der Beschauung weilt oder wie er den Scharen das Reich Gottes verkündigt oder wie er die Kranken und Schwachen heilt oder wie er die Kinder segnet und allen Wohltaten erweist, immer aber dem Willen des Vaters gehorsam ist, der ihn gesandt hat”. <537> Aus der Teilhabe an den verschiedenen Formen der Sendung Christi läßt der Geist verschiedene Ordensfamilien entstehen, die durch unterschiedliche Sendungen und deshalb auch durch unterschiedliche Gemeinschaftsformen geprägt sind. <537> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, 1964, Nr. 46a. b) Die Form der monastisch-kontemplativen Gemeinschaft (die Christus auf dem Berg darstellt) ist auf die Vereinigung mit Gott und auf'die Einheit der Mitglieder untereinander ausgerichtet. Sie hat eine höchst wirkungsvolle apostolische Zielsetzung, die jedoch zum guten Teil im Geheimnis verborgen bleibt. Die „apostolische” Gemeinschaft (die Christus unter der Menge darstellt) ist dem aktiven, durch ein besonderes Charisma geprägten Dienst am Nächsten geweiht. Unter den „apostolischen Gemeinschaften” sind einige mehr auf das gemeinsame Leben ausgerichtet, so daß das Apostolat von der Fähigkeit zum Gemeinschaftsleben abhängt; andere sind entschieden auf die missionarische Tätigkeit hin ausgerichtet, weshalb die Form der Gemeinschaft von der Form der missionarischen Tätigkeit bedingt wird. Die ausgesprochen auf die verschiedenen Arten des apostolischen Dienstes orientierten Institute betonen die Priorität der ganzen Ordensfamilie, die als 1158 KONGREGATIONEN UND RÄTE ein einziger apostolischer Körper und als eine große Gemeinschaft vom Geist eine Sendung in der Kirche empfangen hat. Die communio, die die ganze Familie belebt und eint, wird konkret in den einzelnen Hausgemeinschaften gelebt, denen die Ausführung der Sendung gemäß den unterschiedlichen Erfordernissen anvertaut ist. Es gibt also unterschiedliche, durch Jahrhunderte überlieferte Formen von Ordensgemeinschaften, wie die monastische Gemeinschaft, die Konventual-Gemeinschaft und die aktive oder „diakonale” Ordensgemeinschaft. „Das gemeinsame Leben in Gemeinschaft” hat also nicht für alle Ordensleute dieselbe Bedeutung. Mönche, Konventualen und aktiv tätige Ordensleute unterscheiden sich zu Recht dadurch, wie sie die Ordensgemeinschaft verstehen und leben. Diese Verschiedenheit findet sich in den Konstitutionen, die gleichzeitig mit dem Charakter des Instituts auch jenen der Ordensgemeinschaft beschreiben. c) Allgemein wird betont, daß es besonders für die in apostolischen Werken tätigen Ordensgemeinschaften ziemlich schwierig sei, im praktischen Alltag das Gleichgewicht von Gemeinschaft und apostolischem Einsatz zu wahren. Wenn es gefährlich ist, diese beiden Aspekte einander entgegenzustellen, so ist es doch schwierig, sie miteinander in Einklang zu bringen. Auch hierin liegt eine der fruchtbaren Spannungen des Ordenslebens, dessen Aufgabe es ist, gleichzeitig sowohl das Wachstum des Jüngers’ zu fördern, der mit Christus und mit der Schar derer, die ihm nachfol-gen, lebt, als auchjenes des Apostels’, der an der Sendung des Herrn teilnimmt. d) Die Verschiedenheit der apostolischen Erfordernisse führte in den vergangenen Jahren oft zur Koexistenz sehr unterschiedlicher Gemeinschaften innerhalb ein und desselben Instituts: große, fest strukturierte Gemeinschaften, und kleine, beweglichere Gemeinschaften, ohne deshalb jedoch die charakteristischen Merkmale einer Ordensgemeinschaft zu verlieren. Dies alles beeinflußt nicht unerheblich das Leben eines Instituts und dessen Charakter, der nicht mehr, wie einst, eng Umrissen ist, sondern sich formenreicher zeigt und verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten für die Ordensgemeinschaft offenläßt. e) In manchen Instituten hat die Tendenz, die apostolische Tätigkeit stärker als das Gemeinschaftsleben zu betonen, oder die Vielfalt der Einheit vorzuziehen, das gemeinsame brüderliche Leben tief beeinflußt, bis zu dem Punkt, daß es manchmal geradezu zu einer Option wurde anstatt ein integrierender Bestandteil des Ordenslebens zu sein. Die sicherlich nicht positiven Folgen geben Anlaß, diesen Weg ernsthaft in Frage zu stellen, und legen eher nahe, die enge Verbindung von Gemeinschaft und Sendung neu zu entdecken, um so kreativ jene Einseitigkeiten zu überwinden, die den Reichtum des Ordenslebens immer mehr verarmen lassen. 1159 KONGREGATIONEN UND RÄTE In der Ortskirche 60. Was ihre missionarische Präsenz anbetrifft, so steht eine Ordensgemeinschaft innerhalb einer bestimmten Ortskirche, der sie den Reichtum ihrer Lebensweihe, ihres brüderlichen Lebens und ihres Charismas schenkt. Durch ihre schlichte Gegenwart birgt sie in sich nicht nur den Reichtum des christlichen Lebens, sondern stellt gleichzeitig eine besonders wirkungsvolle Verkündigung der christlichen Botschaft dar. Man kann sagen, sie ist eine fortwährende und lebendige Verkündigung. Diese objektive Gegebenheit schärft ganz offenkundig das Verantwortungsbewußtsein der Ordensleute, indem sie sie in die Pflicht nimmt, dieser ihrer erstrangigen Sendung treu zu bleiben und alles zu verbessern oder auszumerzen, was die Attraktivität dieses ihres Erscheinungsbildes schwächt oder verwässert, und sie macht deren Anwesenheit in der Ortskirche sehr erwünscht und wertvoll, unabhängig von jeder anderen Überlegung. Da die Liebe das höchste aller Charismen darstellt (vgl. 1 Kor 13,13), bereichert eine Ordensgemeinschaft die Kirche, deren lebendiger Teil sie ist, in erster Linie durch ihre Liebe. Die Ordensgemeinschaft liebt zugleich die universale Kirche und die konkrete Ortskirche, zu der sie gehört, weil sie innerhalb der Kirche steht und als Kirche sich in Beziehung zur Gemeinschaft der heiligsten und heiligmachenden Dreifaltigkeit weiß, der Quelle jeglichen Gutes. So wird sie zu einem hervorragenden Ausdruck des innersten Wesens der Kirche selbst. Sie liebt ihre Ortskirche, sie bereichert diese mit ihren Charismen und öffnet sie auf eine universalere Dimension hin. Die komplexen Beziehungen zwischen den pasto-ralen Erfordernissen der Ortskirche und den charismatischen Besonderheiten der Ordensgemeinschaft wurden in dem Dokument Mutuae Relationes behandelt, das mit seinen theologischen und pastoralen Richtlinien einen gewichtigen Beitrag für eine herzlichere und bessere Zusammenarbeit geboten hat. Es ist an der Zeit, dieses Dokument erneut aufzugreifen, um den Geist wahrer Gemeinschaft zwischen Ordensgemeinschaft und Ortskirche neu anzuregen. Die zunehmenden Schwierigkeiten, die die Verwirklichung der Sendung und der Mangel an Personal mit sich bringen, können für Ordensgemeinschaften und Ortskirche eine Versuchung zur Isolation darstellen, was sicherlich weder dem gegenseitigen Verstehen noch der Zusammenarbeit dienlich ist. So läuft einerseits die Ordensgemeinschaft Gefahr, in der Ortskirche ohne organischen Bezug zu deren Leben und Pastoral präsent zu sein, während man andererseits dabei ist, die Ordensgemeinschaft auf die Wahrnehmung rein pastoraler Aufgaben zu beschränken. Noch einmal: während das Ordensleben immer stärker die eigene, charismatische Identität betont, fordert die Ortskirche oftmals mit Nachdruck Kräfte für die diözesane oder pfarrliche Pastoral an, die nicht immer ganz angemessen eingesetzt werden. Mutuae Relationes ist weit davon entfernt, die Ordensgemeinschaften in ihrem Verhältnis zur Ortskirche zu isolieren und sie von ihr 1160 KONGREGATIONEN UND RÄTE loszubinden, ist aber ebenso davon entfernt, sie in den Belangen der Ortskirche praktisch aufgehen zu lassen. Wie die Ordensgemeinschaft weder unabhängig noch alternativ, und schon gar nicht gegen die pastoralen Direktiven der Ortskirche handeln kann, ebenso kann die Ortskirche nicht nach ihrem Gutdünken und nach ihren Bedürfnissen über die Ordensgemeinschaft oder deren Mitgüeder verfugen. Es sei daran erinnert, daß eine zu geringe Berücksichtigung des Charismas einer Ordensgemeinschaft weder für die Ortskirche noch für die Ordensgemeinschaft selbst vorteilhaft ist. Nur eine Ordensgemeinschaft mit klarem Charisma kann sich in die „Gesamtpastoral” einordnen und diese durch ihren Beitrag bereichern, ohne sich selbst zu verfälschen. Es darf nicht vergessen werden, daß jedes Charisma aus der Kirche und für die Welt heranwächst, daß es beständig auf seine Ursprünge und auf seine Ziele zurückge-führt werden muß und in dem Maße lebt, in welchem es diesen treu bleibt. Kirche und Welt ermöglichen seine Deutung und spornen es an zu einer wachsenden Aktualität und Vitalität. Charisma und Ortskirche sind nicht geschaffen, sich gegenseitig zu behindern, sondern um sich zu stützen und zu ergänzen, und dies besonders im gegenwärtigen Augenblick, in dem der Verwirklichung des Charismas und seiner Einordnung in veränderte Umstände nicht wenige Probleme entgegenstehen. Eine unvollständige gegenseitige Kenntnis der Ortskirche und des Ordenslebens sowie der Aufgaben des Bischofs ihnen gegenüber ist oft Ursache für viele Mißverständnisse. Dringend wird empfohlen, in den theologischen Seminaren der Diözesen einen speziellen Kurs über die Theologie des geweihten Lebens vorzusehen, wo diese besonders in ihren dogmatischen, juridischen und pastoralen Aspekten vertieft werde. Ebenso soll den Ordensleuten eine angemessene theologische Ausbildung über die Ortskirche nicht vorenthalten werden. <538> <538> Vgl. Mutuae Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978, Nrn. 30b.47. Vor allem aber möge eine brüderliche Ordensgemeinschaft dafür sorgen, jenes Klima der Gemeinsamkeit zu verbreiten, das der ganzen christlichen Gemeinde hilft, sich als „Familie der Kinder Gottes” zu fühlen. 61. Die Pfarrgemeinde In den Pfarrgemeinden ist es manchmal schwer, das Leben der Pfarrei mit jenem der Gemeinschaft zu verbinden. In einigen Gegenden verursacht die Schwierigkeit, neben dem Dienst in der Pfarrei auch noch ein Gemeinschaftsleben zu führen, bei den Ordenspriestem nicht geringe Spannungen. Der vielfältige Einsatz in der Pfarrpastoral geschieht oft auf Kosten des Charismas des Instituts und des Gemeinschaftslebens. Dies kann dazu führen, 1161 KONGREGATIONEN UND RATE daß die Gläubigen, der Diözesanklerus und die Ordensleute selbst das Gespür für die Besonderheit des Ordenslebens verlieren. Die drängenden pastoralen Erfordernisse dürfen nicht vergessen lassen, daß der beste Dienst, den eine Ordensgemeinschaft der Kirche leisten kann, darin besteht, ihrem Charisma treu zu sein. Dies äußert sich auch in der Übernahme und Leitung von Pfarreien: jene Pfarrgemeinden sind zu bevorzugen, die weiterhin ein Gemeinschaftsleben gestatten und die Verwirklichung des eigenen Charismas ermöglichen. Auch die weiblichen Ordensgemeinschaften, die oft aufgefordert werden, in der Pfarrseelsorge unmittelbarer präsent zu sein, erfahren ähnliche Schwierigkeiten. Auch hier - es sei wiederholt - wird deren Einbindung in die Pfarrgemeinde um so fruchtbarer sein, je stärker die Ordensgemeinschaft durch die Eigenart ihres Charismas präsent sein kann. <539> Dies mag von großem Nutzen sein für die Ordensgemeinschaft wie für die Pastoral selbst, in der die Ordensfrauen für gewöhnlich gut angenommen und geschätzt sind. <539> Vgl. Mutucie Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978, Nrn. 49-50. 62. Die kirchlichen Bewegungen Die kirchlichen Bewegungen im weitesten Sinne des Wortes, die von einer lebendigen Spiritualität und apostolischen Vitalität gekennzeichnet sind, haben die Aufmerksamkeit einiger Ordensleute auf sich gezogen, die an ihnen teilnahmen, manchmal mit dem Erfolg einer geistlichen Erneuemng, neuen apostolischen Eifers und einer Verlebendigung ihrer Berufung. Zuweilen jedoch haben sie auch Spaltung in die Gemeinschaft hineingetragen. Dazu ist folgendes zu bemerken: a) Einige dieser Bewegungen dienen schlicht der geistlichen Anregung, andere dagegen unterhalten eigene apostolische Projekte, die unvereinbar sein können mit jenen der eigenen Ordensgemeinschaft. Ebenso schwankt auch der Grad der Einbeziehung der Ordensleute: einige stehen mehr am Rande, andere sind Gelegenheitsteilnehmer, andere wiederum sind feste Mitglieder, doch in völliger Übereinstimmung mit der eigenen Gemeinschaft und Spiritualität. Diejenigen jedoch, die eine vorrangige Zugehörigkeit zur Bewegung zu erkennen geben, verbunden mit einer psychologischen Entfremdung vom eigenen Institut, stellen ein Problem dar, da sie in einem inneren Zwiespalt leben: sie wohnen in der Gemeinschaft, leben aber gemäß den pastoralen Absichten und Richtlinien der Bewegung. Es ist demzufolge scharf zwischen den jeweiligen Bewegungen wie auch zwischen den jeweiligen Formen der Beteiligung eines Ordensmitgliedes zu unterscheiden. b) Die Bewegungen können eine fruchtbare Herausforderung für die Ordensgemein-schaft darstellen, an ihre geistliche Spannkraft, an die Qualität ihres Betens, an die 1162 KONGREGATIONEN UND RÄTE Prägnanz ihrer apostolischen Initiativen, an ihre Treue zur Kirche, an die Tiefe ihres brüderlichen Lebens. Die Ordensgemeinschaft müßte für die Begegnung mit den Bewegungen offen sein in einer Haltung gegenseitigen Verstehens, des Dialogs und des Austausches der Gaben. Die große aszetische und mystische Tradition des Ordenslebens und eines Instituts kann auch für die neuen Bewegungen von Nutzen sein. c) Das Grundproblem in den Beziehungen zu Bewegungen bleibt die Identität der einzelnen Ordensperson: ist diese stabil, wird die Beziehung beiden Gewinn bringen. Jene Ordensleute, die mehr in der Bewegung und für sie zu leben scheinen, als in der eigenen Ordensgemeinschaft und für diese, seien daran erinnert, was Potissi-mum Institutioni sagt: „Ein Institut besitzt eine innere Kohärenz, die ihm aus seiner Natur, seiner Zielsetzung, seinem Geist, seiner Anlage und seinen Überlieferungen erwächst. Dieses ganze Erbgut stellt den Grundpfeiler sowohl für die Identität und die Einheit des Instituts selbst, als auch für die Einheit des Lebens jedes Mitgliedes dar. Es ist ein Geschenk des Geistes an die Kirche, das keinerlei Einmischung, Überlagerung oder Trübung erfahren darf. Der Dialog und die Teilnahme innerhalb der Kirche setzen voraus, daß sich jeder dessen bewußt ist, was er ist. Ein Kandidat für das Ordensleben (...) kann nicht gleichzeitig von einem Verantwortlichen außerhalb des Instituts abhängig sein (...) und von den Obern des Instituts. Diese Forderungen bleiben über die Ordensweihe hinaus gültig, um jeder Form von ,Mehrfachzugehörigkeiten’ im persönlichen geistlichen Leben wie auch in der Sendung des Ordensangehörigen vorzubeugen”. <540> <540> Potissimum Institutioni (Richtlinien fiir die Ausbildung in den Ordensinstituten), Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (CIVCSVA), 1990, 93. Die Teilnahme an einer Bewegung wird für die Ordensperson dann fruchtbar sein, wenn sie deren charakteristische Identität bestärkt. Einige besondere Fragen 63 Einbindung in das Leben der Armen Zusammen mit vielen anderen Brüdern und Schwestern im Glauben gehören die Or-densgemeinschaften zu den ersten, die sich auf immer neue Weise der materiellen und geistigen Nöte ihrer Zeit angenommen haben. Die Armut war in den vergangenen Jahren eines der Themen, die die Herzen der Ordensleute am leidenschaftlichsten bewegt haben. Das Ordensleben hat sich ernsthaft gefragt, wie es sich in den Dienst des „evangelizare pauperibus” (die Armen evangelisieren) stellen könne; es hat jedoch auch nach dem „evangelizari a paupe- 1163 KONGREGATIONEN UND RÄTE ribus” gefragt, d. h. wie es selbst durch den Kontakt mit der Welt der Armen evan-gelisiert werden könne. In diesem großen Aufbruch, in dem die Ordensleute es sich zum Programm gemacht haben, „alle für die Armen”, „viele mit den Armen”, „einige wie die Armen” zu leben, seien hier einige Unternehmungen angeführt, die jene betreffen, die selbst „wie die Armen” sein wollen. Angesichts der Verarmung großer Volksschichten, besonders in den verlassenen Randgebieten der Großstädte und in den vergessenen ländlichen Gegenden sind „inserierte Ordensgemeinschaften” entstanden als eine der Ausdrucksformen der evangeliumsgemäßen vorrangigen und solidarischen Option für die Armen mit dem Ziel, diese in ihrem ganzheitlichen Befreiungsprozeß zu begleiten. Zugleich sind sie aber auch eine Frucht des Bestrebens, den armen Christus im gesellschaftlich ausgestoßenen Bruder zu entdecken, um Ihm zu dienen und Ihm gleichförmig zu werden. a) Die „Insertion” als Ideal und Kriterium des Ordenslebens entfaltet sich im Umfeld einer Hinwendung des Glaubens und der Solidarität der Ordensgemeinschaften mit den Ärmsten. Diese Wirklichkeit muß Bewunderung hervorrufen für die Kraft des persönlichen Einsatzes und für die damit verbundenen großen Opfer; für die Liebe zu den Armen, die dazu drängt, deren tatsächliche, bittere Armut zu teilen; für das Bemühen, das Evangelium unter Menschen ohne Hoffnung anzusiedeln, um sie dem Wort Gottes näher zu bringen, damit sie sich als lebendiger Teil der Kirche fühlen. <541> Diese Gemeinschaften finden sich oft an Orten, die stark durch ein Klima der Gewalt geprägt sind, das Unsicherheit mit sich bringt und manchmal auch Verfolgung bis zur Bedrohung des Lebens. Ihr Mut ist groß und stellt ein deutliches Zeugnis dar für die Hoffnung, daß man als Geschwister leben kann, allem Leid und aller Ungerechtigkeit zum Trotz. Vgl. Santo Domingo, Schlußfolgerungen der IV. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, 1992, 85. Solche Ordensgemeinschaften, die oft an die Frontlinien der Mission entsandt wurden, und die nicht selten Zeugnis ablegen von der apostolischen Kreativität der Gründer, müssen auf das Wohlwollen und das brüderliche Gebet der übrigen Mitglieder des Instituts ebenso vertrauen können, wie auf die besondere Fürsorge seitens der Obern. <542> <542> Vgl. Religiosi e promozione umana (Das Ordensleben und die Förderung des Menschen), Dokument der CRIS. 1980, Nr. 6; Apostolische Ermahnung Evangelii nuntiandi\ Paul VI., 1975, Nr. 69; Santo Domingo, Schlußfolgerungen der IV. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, 1992, 92. b) Diese Ordensgemeinschaften dürfen nicht sich selbst überlassen bleiben, sondern es muß ihnen geholfen werden, damit ihnen ein Gemeinschaftsleben gelinge, d. h. damit sie Raum finden für Gebet und für das gemeinsame Leben; damit sie nicht verleitet werden, die charismatische Originalität des Instituts zugunsten eines unter- 1164 KONGREGATIONEN UND RÄTE schiedslosen Dienstes an den Armen zu relativieren; damit ihr Zeugnis für das Evangelium nicht durch einseitige Ausdeutung oder Vereinnahmung gestört werde. <543> <543> Vgl. Potissimum Institutioni (Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten), Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (CIVCSVA), 1990, 28. Die Obern werden auch Sorge tragen, geeignete Personen auszuwählen und solche Gemeinschaften gezielt vorzubereiten, damit ihre Verbindung zu den anderen Gemeinschaften des Instituts gewährleistet bleibe und dadurch ihre Kontinuität sicher-gestellt werde. c) Anerkennung verdienen auch die anderen Ordensgemeinschaften, die sich tatkräftig der Armen annehmen, sei es auf traditionelle Weise, sei es in neuen, der neuen Armut angemesseneren Formen, sei es schließlich durch eine Sensibilisierung aller für die Probleme der Armut, indem sie bei den Laien Hilfsbereitschaft, Berufe für sozialen und politischen Einsatz, für Hilfsaktionen und Volontariat wecken. Das alles gibt Zeugnis davon, daß in der Kirche der Glaube lebt, und daß die Liebe zu Christus wirkt, der im Armen gegenwärtig ist: „Was ihr einem der Geringsten von diesen meinen Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan” (Mt 25,40). Dort, wo die Eingliederung unter die Armen - sowohl für sie wie auch für die Gemeinschaft selbst - zu einer wirklichen Erfahrung Gottes wurde, hat sich die Wahrheit bestätigt, daß die Armen evangelisiert werden und daß die Armen selbst auch evangelisieren. 64. Kleine Gemeinschaften a) Auch andere soziale Faktoren haben einen Einfluß auf die Gemeinschaften ausgeübt. In einigen wirtschaftlich besser entwickelten Gegenden hat der Staat seine Aktivität im Bereich des Schulwesens, des Gesundheitswesens und der Versorgung oft auf eine solche Weise ausgedehnt, daß für andere Träger, auch für die Ordensgemeinschaften, kein Raum mehr bleibt. Andererseits haben der Rückgang der Zahl der Ordensmitglieder, und mancherorts auch ein unvollständiges Verständnis der Präsenz der Katholiken im sozialen Bereich, die oft eher als eine Zutat, denn als eine wesensgemäße Äußerung der christlichen Liebe betrachtet wird, die Weiterführung großangelegter Apostolatswerke erschwert. Dies ist ein Grund für die zunehmende Auflösung traditioneller Apostolatswerke, die lange Zeit von großen und homogenen Gemeinschaften getragen wurden, und für die Zunahme von kleinen Gemeinschaften mit einem neuen Angebot von Diensten, die in den meisten Fällen mit dem Charisma des Instituts übereinstimmen. b) Die kleinen Gemeinschaften haben sich auch ausgebreitet aufgrund der bewußten Entscheidung einiger Institute, in der Absicht, die brüderliche Einheit und Zusam- 1165 KONGREGATIONEN UND RÄTE menarbeit durch engere persönliche Beziehungen sowie durch gegenseitige und gemeinsam übernommene Verantwortung zu fördern. Nach Evangelica Testificatio <544> sind solche Gemeinschaften durchaus möglich, selbst wenn sie an ihre Mitglieder höhere Anforderungen stellen. Vgl. Apostolische Ermahnung Evangelica Testificatio, Paul VI., 1971, Nr. 40. c) Die kleinen Gemeinschaften, die oft in engem Kontakt mit dem Alltagsleben und den Problemen der Menschen stehen, allerdings aber auch einem säkularisierten Denken stärker ausgesetzt sind, haben die große Aufgabe, deutlich sichtbare Stätten herzlicher Brüderlichkeit, frohen Eifers und übernatürlicher Hoffnung zu sein. Es ist also erforderlich, daß diese kleinen Gemeinschaften sich ein tragkräftiges Lebensprogramm geben, das gleichzeitig beweglich und verbindlich ist, das von der zuständigen Autorität gutgeheißen ist und dem Apostolat seine gemeinschaftsbezogene Dimension sichert. Ein derartiges Programm wird den Personen und den Bedingungen der Sendung angepaßt sein, damit es den Ausgleich von Gebet und Arbeit, von gemeinschaftlicher Zurückgezogenheit und apostolischer Tätigkeit gewährleiste. Es wird außerdem regelmäßige Treffen mit den anderen Gemeinschaften desselben Instituts vorsehen, eben um die Gefahr der Isolierung und der Absonderung von der großen Gemeinschaft des Instituts zu vermeiden. d) Auch wenn die kleinen Gemeinschaften ihre Vorzüge haben können, so ist es in der Regel doch nicht empfehlenswert, daß ein Institut lediglich aus kleinen Gemeinschaften besteht. Die größeren Gemeinschaften sind notwendig. Sie können dem gesamten Institut wie auch den kleinen Gemeinschaften wertvolle Dienste leisten: sie können ein intensiveres und reicheres Gebetsleben pflegen und die Feste entsprechend gestalten, sie können bevorzugte Orte für Studium und Besinnung sein, sie können den Mitgliedern, die an den schwierigeren Fronten der Evangelisierung arbeiten, Möglichkeiten zur Einkehr und Erholung bieten. Dieser Austausch zwischen den Gemeinschaften wird dann fruchtbar, wenn er in einer Atmosphäre des Wohlwollens und der Offenheit stattfindet. Alle Gemeinschaften sollen vor allem an ihrer brüderlichen Liebe erkennbar sein, an ihrem einfachen Lebensstil, an der Sendung im Namen des Instituts, an ihrer beharrlichen Treue zum eigenen Charisma und an der beständigen Verbreitung des „Wohlgeruchs Christi” (2 Kor 2,15), und so in den unterschiedlichsten Verhältnissen dem verirrten und von der gegenwärtigen Gesellschaft zerrissenen Menschen die „Wege des Friedens” weisen. 65. Ordensleute auf Einzelposten Zuweilen begegnet man auch dem Phänomen, daß Ordensleute alleine leben. Das gemeinsame Leben in einem Haus des Instituts gehört wesentlich zum Ordensleben. „Die Ordensleute wohnen im eigenen Ordenshaus und führen ein gemeinsames Le- 1166 KONGREGATIONEN UND RÄTE ben. Sie dürfen nicht ohne ernsthaften Grund allein leben, besonders dann, wenn sich in der Nähe eine Gemeinschaft ihres Instituts befindet”. <545> Es gibt jedoch Ausnahmen, die vom Obern geprüft werden müssen und von ihm erlaubt werden können, <546> und zwar aus Gründen des Apostolats im Namen des Instituts (wie z. B. Aufträge im Namen der Kirche, außergewöhnliche Aufgaben, große Entfernungen in Missionsgebieten, allmähliche Reduzierung einer Gemeinschaft auf ein einzelnes Mitglied in einem institutseigenen Werk), aus Gesundheitsgründen und zum Studium. <545> Elementi essenziali dell'insegnamento della Chiesa sulla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben), Dokument der CRIS, 1983, III, 12. <546> Vgl. CIC, can. 665 § 1. Während es Pflicht der Obern ist, häufige Kontakte mit den Mitgliedern auf Einzelposten zu pflegen, ist es gleichzeitig Pflicht dieser Mitglieder, in sich selbst das Bewußtsein der Zugehörigkeit zum Institut und der Gemeinschaft mit deren Mitgliedern lebendig zu erhalten und kein Mittel ungenützt zu lassen, das die Festigung der brüderlichen Bande fördern kann. Man schaffe deshalb „Zeiten starker Gemeinschaftserfahrung”, man plane regelmäßige Zusammenkünfte mit den andern zur Weiterbildung, zu mitbrüderlichem Austausch, zu Neuorientierung und Gebet, zum Durchatmen in einem Klima familiärer Geborgenheit. Wo immer sich das Mitglied eines Institutes jedoch befindet, muß es Träger des Charismas seiner Ordensfamilie sein. Eine „alleinlebende” Ordensperson stellt niemals ein Ideal dar. In der Regel ist sie eingebunden in eine brüderliche Gemeinschaft: in diesem gemeinsamen Leben hat sie sich Gott geweiht, innerhalb dieser Lebensform übt sie für gewöhnlich ihr Apostolat aus, zu diesem Leben kehrt sie mit Leib und Seele jedesmal wieder zurück, wenn die Umstände sie für kürzere oder längere Zeit zu einem Leben fern der Gemeinschaft gezwungen haben. a) Die Erfordernisse eines bestimmten Apostolatswerkes, z. B. eines Diözesanwer-kes, veranlaßten verschiedene Institute, eines ihrer Mitglieder in die Zusammenarbeit mit Mitgliedern aus verschiedenen Instituten zu entsenden. Man hat gute Erfahrungen damit gemacht, daß Ordensfrauen, die in einem Werk an einem Ort Zusammenarbeiten, an dem keine Gemeinschaften des eigenen Instituts bestehen, anstatt allein zu wohnen, gemeinsam in einem Haus Zusammenleben, miteinander beten, das Wort Gottes bedenken und Mahlzeiten und Hausarbeiten miteinander teilen usw. Immer vorausgesetzt, daß dies keinen Ersatz für eine lebendige Verbindung mit dem eigenen Institut darstellt, kann auch diese Form von „gemeinsamem Leben” zum Nutzen für ein Werk und für die Ordensfrauen selbst sein. Die Ordensleute seien klug bei der Übernahme von Arbeiten, die im Regelfall ein Leben außerhalb einer Gemeinschaft erfordern; ebenso klug seien auch die Obern, wenn sie ihnen eine solche Arbeit übertragen. 1167 KONGREGATIONEN UND RÄTE b) Auch die Bitte, den alten und kranken Eltern beizustehen, was oft lange Abwesenheiten von der Gemeinschaft bedingt, erfordert aufmerksames Prüfen, und möglicherweise kann ihr durch andere Lösungen entsprochen werden, um zu lange Abwesenheiten des Sohnes oder der Tochter zu verhindern. c) Es ist festzuhalten, daß ein Ordensmitglied, das ohne Auftrag oder Erlaubnis seines Obern allein lebt, sich der Verpflichtung zum gemeinsamen Leben entzieht. Es genügt auch nicht, an gelegentlichen Treffen oder Feiern teilzunehmen, um wirklich Ordensmitglied zu sein. Solche Zustände, die für Ordensleute rechtswidrig und unzulässig sind, müssen schrittweise beseitigt werden. d) Jedenfalls ist die Erinnerung daran nützlich, daß ein Ordensmann oder eine Ordensfrau - selbst wenn sie außerhalb ihrer Gemeinschaft leben - in allem, was ihr Apostolat betrifft, <547> der Autorität des Bischofs unterstellt sind, der von ihrem Aufenthalt in seiner Diözese unterrichtet werden muß. Vgl. CIC, can. 678 § 1. e) Sollte es jedoch bedauerlicherweise Instimte geben, in denen die Mehrzahl der Mitglieder nicht mehr in Gemeinschaften leben, dann dürften solche Institute nicht mehr als wirkliche Ordensinstitute angesehen werden. Obere und Mitglieder sind aufgefordert, ernsthaft über diese schmerzliche Möglichkeit sowie über die Wichtigkeit einer energischen Wiederaufnahme des brüderlichen Lebens in Gemeinschaft nachzudenken. 66. ln den Missionsgebieten Das brüderliche Leben in Gemeinschaft ist von besonderem Wert in den Missionen ad gentes, weil es dort einer vor allem nicht-christlichen Welt das „Neue” des Christentums zeigt, das heißt jene Liebe, die fähig ist, durch Rasse, Farbe oder Stammeszugehörigkeit bedingte Trennungen zu überwinden. In einigen Gegenden, in denen eine Verkündigung des Evangeliums unmöglich ist, bleiben die Ordensgemeinschaften fast das einzige Zeichen und das stille und wirksame Zeugnis für Christus und die Kirche. Doch nicht selten sind es gerade die Missionsländer, wo beachtliche Schwierigkeiten für die Errichtung von stabilen und lebensfähigen Ordensgemeinschaften bestehen: die Entfernungen, die eine große Mobilität und weitzerstreute Niederlassungen erfordern, die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Rassen, Stämmen und Kulturen, die Notwendigkeit der Ausbildung in von mehreren Instituten getragenen Gemeinschaffszentren. Diese und weitere Ursachen können dem Gemeinschaftsideal hinderlich sein. Wichtig ist, daß die Mitglieder der Institute sich des Außergewöhnlichen einer solchen Situation bewußt sind, einen häufigen Austausch untereinander pflegen, sich regelmäßig treffen und daß sie, so bald wie nur möglich, brüderlich und missiona- 83 1168 KONGREGATIONEN UND RÄTE risch geprägte Gemeinschaften bilden, damit das hervorstechendste aller missionarischen Zeichen errichtet werden kann: „daß (...) alle eins seien, damit die Welt glaubt” (Joh 17,21). 67. Die Neuordnung der Apostolatswerke Die Veränderungen der kulturellen und kirchlichen Gegebenheiten, die inneren Faktoren in der Entwicklung der Institute sowie deren schwankende Einkommen können - besonders in einigen Regionen des Westens - eine Neuorganisierung der Werke und der Präsenz der Ordensgemeinschaften erforderlich machen. Diese nicht einfache Aufgabe bringt konkrete Auswirkungen auf das Gemeinschaftsleben mit sich. Es handelt sich dabei im allgemeinen um Werke, für welche viele Mitbrüder und Mitschwestem ihre besten apostolischen Kräfte eingesetzt haben, und mit denen sie durch besondere psychische und geistliche Beziehungen verbunden sind. Die Zukunft dieser Werke, ihre apostolische Zeichenhaftigkeit und ihre Neustrukturierung verlangen Studium, Auseinandersetzung und kritisches Abwägen. Dies alles kann zu einer Schule werden, in der gemeinsam der Wille Gottes gesucht und angenommen wird, es kann gleichzeitig aber auch Anlaß zu schmerzhaften und nur schwer zu überwindenden Konflikten sein. Folgende Kriterien dürfen dabei nicht vergessen werden, die die Gemeinschaften im Moment der manchmal kühnen und schmerzhaften Entscheidungen leiten können: das Bemühen, die Zeichenhaftigkeit des eigenen Charismas in einem bestimmten Umfeld zu wahren; die Sorge um die Erhaltung eines lebendigen und echt brüderlichen Lebens; die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Ortskirche. Es ist also ein vertrauensvoller und beständiger Dialog mit der Ortskirche zu führen und eine wirksame Verbindung mit den entsprechenden Institutionen der Orden zu unterhalten. Neben der Rücksicht auf die Bedürfnisse der Ortskirche muß die Ordensgemeinschaft sich auch mitbetroffen fühlen von all dem, was die Welt vernachlässigt, d. h. von der neuen Armut und dem neuen Elend, die in vielerlei Formen in verschiedenen Teilen der Erde bestehen. Diese Umstrukturierung wird kreativ sein und prophetisch wirken, wenn sie bemüht ist, Signale einer neuen Präsenz zu setzen - sei es auch in bescheidener Anzahl -, um durch sie auf die neuen Bedürfnisse zu antworten, besonders auf jene der am meisten verlassenen und vergessenen Gegenden. 68. Die alten Ordensleute Das Gemeinschaftsleben sieht sich heute immer häufiger dem Faktum des steigenden Alters seiner Mitglieder gegenüber. Der Prozeß der Überalterung hat durch die Abnahme neuer Berufe und durch die Fortschritte der Medizin besondere Bedeutung erhalten. 1169 KONGREGATIONEN UND RÄTE Für die Gemeinschaft beinhaltet diese Tatsache einerseits das Bemühen, die alten Mitbrüder und Mitschwestem und die Dienste, die sie noch anzubieten vermögen, in ihrer Mitte als wertvoll anzunehmen, und andererseits die Aufmerksamkeit, brüderlich und dem Stil des Ordenslebens entsprechend jene geistlichen und materiellen Hilfen zu gewährleisten, auf die alte Leute angewiesen sind. Die Anwesenheit von alten Menschen in den Gemeinschaften kann sehr positiv sein. Ein altes Ordensmitglied, das sich nicht von den Unpäßlichkeiten und Beschränkungen seines Alters unterkriegen läßt, sondern die Freude, die Liebe und die Hoffnung in sich wach hält, bedeutet für die jungen Leute eine unschätzbare Hilfe. Sein Zeugnis, seine Weisheit und sein Beten stellen eine ständige Ermutigung dar auf ihrem geistlichen und apostolischen Weg. Andererseits trägt ein Ordensmitglied, das sich um seine alten Mitbrüder oder Mitschwestem sorgt, zur evangelischen Glaubwürdigkeit seines Instituts bei als einer „wahren Familie, die im Namen des Herrn beisammen ist”. <548> II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965, Nr. 15a. Es ist angebracht, daß auch die Ordensleute sich frühzeitig auf das Alter vorbereiten und ihre „aktive” Zeit verlängern, indem sie lernen, wie sie auf die ihnen eigene Weise Gemeinschaft bilden und an der gemeinsamen Sendung teilnehmen können, und indem sie durch eine positive Annahme der Herausforderungen des Alters, in geistiger und kultureller Lebendigkeit, durch ihr Gebet und durch ihr Aushalten im Arbeitsbereich solange es nur geht, ihre - wenngleich beschränkten - Dienste leisten. Die Obern mögen Kurse und Treffen veranlassen, die einer persönlichen Vorbereitung dienen und ein möglichst langes Verbleiben im gewohnten Arbeitsbereich wertvoll machen. Wenn sie dann tatsächlich ihre Selbständigkeit verlieren oder besonderer Pflege bedürfen, muß das Institut, selbst wenn diese Pflege durch Laien geschieht, mit großer Sorgfalt sich um ihre geistige Betreuung kümmern, damit die alten Menschen spüren, daß sie ins Leben des Instituts eingebunden, an dessen Sendung beteiligt, in seine apostolische Dynamik einbezogen, in der Einsamkeit gestützt und im Leiden ermutigt sind. Denn tatsächlich stehen sie nicht außerhalb der Sendung, sondern sind in deren Mitte hineingenommen und haben an ihr auf eine neue und wirksame Weise Anteil. Ihre obgleich unsichtbare Fruchtbarkeit steht jener der aktiveren Gemeinschaften nicht nach. Denn diese schöpfen Kraft und Fruchtbarkeit aus dem Gebet, dem Leiden und der scheinbaren Unwirksamkeit der ersteren. Die Sendung bedarf beider: die Früchte werden offenbar, wenn der Herr mit seinen Engeln in Herrlichkeit kommt. 69. Die Probleme der zunehmenden Zahl der alten Ordensleute werden noch drängender in einigen Klöstern, die schon durch das Ausbleiben neuer Berufe geschwächt sind. Da ein Kloster gewöhnlich eine autonome Gemeinschaft darstellt, tut es sich schwer damit, diesen Problemen allein zu begegnen. Deshalb sei an die 1170 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wichtigkeit gemeinsamer Strukturen erinnert, wie z. B. der Föderationen, die bei der Bewältigung solcher Zustände personellen Rückgangs helfen können. Die Treue zum kontemplativen Leben der Mitglieder eines Klosters verlangt die Union mit einem anderen Kloster desselben Ordens immer dann, wenn eine mona-stische Gemeinschaft aus Gründen der Zahl, des Alters oder des Ausbleibens von Berufen dem eigenen Erlöschen entgegensieht. Auch in den schmerzhaften Fällen jener Gemeinschaften, denen es nicht gelingt, ihrer eigenen Berufung gemäß zu leben, die ausgebrannt sind durch ihre praktische Arbeit, oder sich in der Betreuung ihrer Alten und Kranken erschöpfen, wird es erforderlich sein, innerhalb desselben Ordens Verstärkung für sie zu suchen oder eine Union oder Fusion mit einem anderen Kloster anzustreben. <549> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1965, Nrn. 21.22. 70. Ein neues Verhältnis zu den Laien Die Ekklesiologie des Konzils hat die gegenseitige Ergänzung der verschiedenen Berufungen in der Kirche herausgestellt, deren Auftrag es ist, miteinander, überall und auf jede Weise Zeugen des auferstandenen Flerm zu sein. Die Begegnung und Zusammenarbeit von Ordensmännem, Ordensfrauen und besonders auch von gläubigen Laien stellt gleichsam ein Muster kirchlicher Gemeinschaft dar und verstärkt die apostolischen Kräfte für die Evangelisierung der Welt. Eine angemessene Verbindung zwischen den Werten der Berufung der Laien, zu denen z. B. die realistische Kenntnis des Lebens in der Welt, in Kultur, Politik und Wirtschaft usw. gehört, und den typischen Werten des Ordenslebens, wie der vorbehaltlosen Nachfolge Christi, der kontemplativen und eschatologischen Dimension der christlichen Existenz usw., kann zwischen Laien und Ordensgemeinschaften zu einem fruchtbaren Austausch ihrer Gaben führen. Die Zusammenarbeit und der Austausch der Gaben wird um so intensiver, wenn die Laiengruppen kraft ihrer Berufung und auf die ihnen eigene Weise inmitten derselben geistlichen Familie am Charisma und an der Sendung des Instituts teilhaben. Dann werden fruchtbare Beziehungen entstehen, die auf einer reifen Mitverantwortung gründen und durch geeignete Einführung in die Spiritualität des Instituts gestärkt werden. Um zu diesem Ziel zu gelangen, bedarf es jedoch solcher Ordensgemeinschaften, die über eine klare, innerlich angenommene und gelebte charismatische Identität verfügen, d. h. die imstande sind, diese auch an andere weiterzugeben und sie mit anderen zu teilen; Ordensgemeinschaften sind notwendig, die tief ihre Spiritualität leben und Freude an ihrer Sendung ausstrahlen, damit sie dadurch denselben Geist und denselben evangelisierenden Schwung weitergeben können; Ordensgemeinschaften sind nötig, die es verstehen, die Laien zu motivieren und dazu zu ermutigen, das Charisma des Instituts entsprechend ihrem welthaften Charakter und gemäß ihrem eigenen Lebensstil anzunehmen, und die diese einladen, neue Formen der 1171 KONGREGATIONEN UND RÄTE Verwirklichung desselben Charismas und derselben Sendung zu entdecken. Auf diese Weise kann die Ordensgemeinschaft zu einem Zentrum werden, das geistliche Kraft ausstrahlt und motiviert, das eine Brüderlichkeit ausstrahlt, die selbst wieder Brüderlichkeit schafft, zu einem Ort gelebter kirchlicher communio und Zusammenarbeit, in der die verschiedenen Beiträge zur Erbauung des Leibes Christi, der die Kirche ist, zusammengeführt werden. Es versteht sich, daß diese engere Zusammenarbeit unter Respektierung der verschiedenen Berufungen und der unterschiedlichen Lebensstile der Ordensleute und der Laien geschehen muß. Die Ordensgemeinschaft hat ihre eigenen Bedürfnisse, was geistliche Anregung, Zeitplan, Disziplin und Zurückgezogenheit <550> betrifft. Diese machen jene Formen der Zusammenarbeit unzumutbar, die eine Wohngemeinschaft und ein Zusammenleben von Ordensleuten und Laien mit sich bringen, denn auch die Laien haben ihre eigenen Bedürfnisse, die zu respektieren sind. Vgl. CIC, cann. 667, 607 § 3. Die Ordens gemeinschaft würde sonst ihren eigenen Charakter verlieren, den sie sich durch die Pflege des eigenen Gemeinschaftslebens bewahren muß. Schlußbemerkung 71. Als ein Ausdruck von Kirche ist die Ordensgemeinschaft eine Frucht des Geistes und Teilhabe an der trinitarischen Gemeinschaft. Hier gründet für jede einzelne Ordensperson und für alle zusammen die Pflicht, sich mitverantwortlich zu fühlen für das brüderliche Leben in Gemeinschaft, damit es unverkennbar die Zugehörigkeit zu Christus bezeuge, der Brüder und Schwestern zum gemeinsamen Leben ,in seinem Namen’ erwählt und beruft. „Die ganze Fruchtbarkeit des Ordenslebens hängt von der Qualität des brüderlichen Lebens in Gemeinschaft ab. Mehr noch: die gegenwärtige Erneuerung in der Kirche und im Ordensleben ist geprägt von einer Suche nach communio und Gemeinschaft”. <551> Johannes Paul II. vor der Plenaria der CIVCSVA (20. 11. 1992). Nr. 3, OK 21. 11. 1992. Für einzelne Ordensleute und für manche Gemeinschaft mag es als ein hartes und fast aussichtsloses Unterfangen erscheinen, die Auferbauung eines brüderlichen Lebens in Gemeinschaft neu in Angriff zu nehmen. Angesichts einiger Wunden aus der Vergangenheit, der Schwierigkeiten der Gegenwart und einer Zukunft, die im Dunkeln liegt, kann diese Aufgabe die schwachen, menschlichen Kräfte zu übersteigen scheinen. Es geht dämm, die gläubig gelebte Bedeutung des brüderlichen Lebens in Gemeinschaft neu zu bedenken und fest davon überzeugt zu sein, daß sich das Zeugnis der Weihe an Gott durch dieses brüderliche Leben verwirklicht. 1172 KONGREGATIONEN UND RÄTE „Die Antwort auf diese Einladung, gemeinsam mit dem Herrn die Gemeinschaft in täglicher Geduld aufzuerbauen - fährt der Hl. Vater fort - führt auf den Weg des Kreuzes, und verlangt häufigen Selbstverzicht...” <552> Ebd., Nr. 2. Vereint mit Maria, der Mutter Jesu, beten unsere Gemeinschaften zum Heiligen Geist, zu dem, der die Macht hat, Gemeinschaften zu schaffen, die die Freude des Evangeliums auszustrahlen und neue Jünger anzuziehen vermögen, indem sie dem Beispiel der Urgemeinde nachfolgen, die „in der Lehre der Apostel beharrte, in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet” (Apg 2,42), und in welcher „mehr und mehr die Zahl derer wuchs, die an den Herrn glaubten” (Apg 5,14). Möge Maria die Ordensgemeinschaften um sich vereinen und ihnen täglich in der Anrufung des Geistes beistehen, der das einigende Band, die Quelle und die innerste Triebkraft jeder brüderlichen und schwesterlichen Gemeinschaft ist. Am 15. Januar 1994 hat der Heilige Vater vorstehendes Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens gutgeheißen und dessen Veröffentlichung zugestimmt. Rom, am 2. Februar 1994, am Fest der Darstellung des Herrn. Eduardo Card. Martlnez Somalo Präfekt + Francisco Javier Erräzuriz Ossa Titular-Erzbischof von Holar Sekretär 88 1173 KONGREGATIONEN UND RÄTE Werte der Familie — Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen Grußbotschaft des Präsidenten des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Francis Kardinal Arinze, zum Id Al-Fitr am Ende des Ramadan 1414/1994, veröffentlicht am 5. März Muslimische Freunde! Wieder ist das Fest Id Al-Fitr gekommen, eine Zeit der Freude. Wenn das Leben als Pilgerweg zu Gott betrachtet werden kann, dann werden die religiösen Feste zu Ruhepausen, wo wir eingeladen sind, Bestandsaufnahme zu machen, Kraft zu schöpfen und unseren Entschluß zu erneuern, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Bitte nehmt meine herzlichsten Wünsche entgegen, während ihr das Ramadan-Fasten beendet und das Fest Id Al-Fitr feiert. Dieses Fest ist, wie ihr wißt, ein Familienereignis. Die Familien unterbrechen das Fasten und feiern gemeinsam dieses Fest. Während ihr es in diesem Jahr tut, möchte ich gern, daß ihr euch mit mir vereint, um Gott zu loben und zu preisen für das Geschenk der Familie. Ich betone diese familiäre Dimension, denn 1994 wurde von den Vereinten Nationen als das Internationale Jahr der Familie proklamiert. Ich möchte diese Botschaft gern zum Anlaß nehmen, um mit euch über die Bedeutung der Familie nachzudenken und über die Gefahren, denen sie heute ausgesetzt ist, sowie darüber, was wir zusammen tun können, um die Werte der Familie hochzuhalten. Gott, der Schöpfer, hat die Menschen untereinander verbunden, um dem Menschengeschlecht Dauer zu verleihen. Dies geschieht nach dem Willen Gottes in der Ehe und Familie. Deshalb ist die Familie für uns Gläubige eine heilige Institution. Je mehr eine Familie Gott als ihren Ursprung und ihre Quelle erkennt, um so glücklicher wird sie. Glück und Harmonie in der Familie sind an ein authentisches sittliches Leben jedes ihrer Glieder gebunden. Von Gott geschaffen, besitzt die menschliche Person eine grundlegende soziale Dimension. Diese findet ihren ersten lebendigen Ausdruck in der Familie, welche das normale Umfeld für die volle Entfaltung der Persönlichkeit ist. Denn die Familie ist am besten dazu geeignet, die kulturellen, ethischen, sozialen und religiösen Werte zu lehren und weiterzugeben, durch welche der Mensch zur Persönlichkeit heranreift. In der Familie wird der Mensch zuerst genährt mit jener göttlichen Liebe und Barmherzigkeit, welche der Einzelne seinerseits den anderen gegenüber bezeigen soll in dem Bemühen, das ganze Menschengeschlecht zur Familie Gottes auf Erden zu machen. Familie und Gesellschaft sind eng miteinander verbunden. Die Familie ist der natürliche Zusammenschluß, der vor dem Staat und auch vor jeder anderen Gemeinschaft 1174 KONGREGATIONEN UND RÄTE besteht. Als soziale Wirklichkeit formt sie die grundlegende Einheit der Gesellschaft. Die Familie festigen heißt deshalb die Gesellschaft selbst festigen. Während wir die Bedeutung der Familie leicht erkennen, dürfen wir die Wirklichkeit, die uns umgibt, nicht außer acht lassen. An einigen Orten ist die auf der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründete Institution Familie selbst in Frage gestellt. In vielen Teilen der Welt sind die Familien gezwungen, in Armutssituationen zu leben, die sie daran hindern, ihre Aufgabe mit Würde zu erfüllen. Wir können nicht umhin, die Lage der außerehelich geborenen Kinder zu beklagen, die der notwendigen Sorge und der unerläßlichen Liebe der Eltern entbehren. Die vielen Waisen, die vielen Kinder, die gezwungen sind, zu arbeiten, die Behinderten und die Alten, die an Einsamkeit leiden, alle rufen uns mit lauter Stimme zu Hilfe. Wer wird ihre Klage hören? Lind die Opfer der Gewalt in der Familie? Und die Obdachlosen und all jene, die vom Krieg, von Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen betroffen sind? Auch sie warten auf Hilfe, und es wird nicht genügen, auf die komplexe Natur der Ursachen dieser Verluste hinzuweisen, ohne konkrete Aktionen einzuleiten. Ist das nicht eine Gelegenheit zur Zusammenarbeit zwischen Muslimen und Christen? Als Menschen, die an Gott, den barmherzigen und mitleidvollen Gott glauben, der sich um den Schwachen und Unterdrückten sorgt, laßt uns versprechen, gemeinsam für die Festigung des Familienlebens zu wirken. Wir können zunehmende Kontakte zwischen Christen und Muslimen fördern mit einem Austausch über die Werte der Familie. Als Glieder der einen Menschheitsfamilie können wir solidarisch arbeiten, um den Notleidenden zu helfen. Während wir das tun, wollen wir dem göttlichen Mitleid menschlichen Ausdruck verleihen. Laßt uns beten, daß Gott uns bei dieser Aufgabe helfe, denn nichts ist unmöglich für den, der auf Gott vertraut. Noch einmal entbiete ich euch herzliche Grüße zum Abschluß des Fastens. 1175 KONGREGATIONEN UND RÄTE Demo graphische Entwicklungen. Ihre ethischen und pastoralen Dimensionen Instrumentum laboris - Arbeitspapier zu den Themen der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo Päpstlicher Rat für die Familie vom 25. März EINFÜHRUNG 1. Mit der Veröffentlichung dieses Textes möchte der Päpstliche Rat für die Familie Elemente zum Nachdenken über die auf dem Gebiet der Bevölkerung charakteristischen Verhältnisse beisteuern. Der erste Teil dieses Dokuments prüft die demographischen Entwicklungen. Der zweite Teil beschreibt die Haltungen gegenüber den demographischen Tatsachen. Der dritte Teil legt die ethischen Grundsätze dar, in deren Licht die Kirche die demographischen Verhältnisse untersucht; diese Klärung begründet schließlich die vorgeschlagenen pastoralen Weisungen. 2. Die demographischen Entwicklungen bilden tatsächlich das Objekt von Überlegungen, Studien und Tagungen auf internationaler sowie auf regionaler und nationaler Ebene, welche die konkreten Situationen besser verstehen möchten. Dieses Dokument wird den Bischofskonferenzen und den katholischen Organisationen eine bessere Information über diese Wirklichkeiten bieten; davon ausgehend können dann Richtlinien für das pastorale Vorgehen erarbeitet werden. 3. Dieses vom Päpstlichen Rat für die Familie vorbereitete Arbeitspapier ist die Frucht einer geduldigen Arbeit im Anschluß an Beratungen und Dialog mit Fachleuten - Theologen, Hirten und Demographen. Es möchte den Menschen Werte bewußt machen, auf denen sich ein wirklich menschliches Verständnis der demographischen Tatsachen gründen muß. Diese Werte sind die Würde der menschlichen Person, ihre Transzendenz, die Bedeutung der Familie als grundlegende Zelle der Gesellschaft, die Solidarität unter den Völkern und Nationen und die Berufung der Menschheit zum Heil. Der Päpstliche Rat für die Familie, der in demographischen Fragen die ethische und pastorale Kompetenz besitzt, legt das vorliegende Dokument als Orientierungshilfe für die Pastoral der Kirche vor. Die ethischen Grundsätze müssen vor allem im Bereich der Demographie die Pastoral leiten, weil die demographischen Fragen sich auf die Familie auswirken, was die Freiheit und Verantwortlichkeit der Eheleute bei ihrer Aufgabe betrifft, das Leben weiterzugeben. Die Kirche erkennt realistisch die schweren Probleme an, die mit dem demographischen Wachstum, wie es sich in verschiedenen Teilen der Welt zeigt, verbunden sind, und die moralischen Auswirkungen, die sich daraus ergeben.1 Zugleich muß aber die Pastoral der Kirche die Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 31; AAS 74(1982)117. 1176 KONGREGATIONEN UND RÄTE verschiedenen derzeitigen und künftigen Wirkungen des Rückgangs der Geburtenrate in vielen Ländern bedenken. Es gilt also, mit einer objektiven und unbeschwerten Prüfung der unterschiedlichen demographischen Entwicklungen zu beginnen. ERSTER TEIL DIE HEUTIGEN DEMOGRAPHISCHEN VERHÄLTNISSE Kapitel I DIE UNTERSCHIEDLICHEN ENTWICKLUNGEN 4. Im Verlauf dieses Jahrhunderts hat sich die Zahl der Menschen auf der Erde ständig vermehrt. Für Mitte 1993 wurde sie auf 5.506.000.000 geschätzt. <553> Das Wachstum der Bevölkerung muß im Licht der richtig erkannten und verstandenen Faktoren gedeutet werden. Der wichtigste dieser Faktoren ist in der Geschichte der Menschheit noch nicht veröffentlicht: der Anstieg der mittleren Lebenserwartung. Sie hat sich innerhalb eines Jahrhunderts in zahlreichen Ländern mehr als verdoppelt. Diese Steigerung geht auf die Verbesserung des Gesundheitswesens und des Lebensstandards zurück, auf eine bessere Nahrungsmittelproduktion und wirksamere politische Maßnahmen. In weniger als zwei Jahrhunderten sind wir Zeugen eines fast allgemeinen Rückgangs der Rate der Kindersterblichkeit geworden, die in vielen Ländern über 90% gefallen ist. Zugleich hat sich die Sterblichkeit der Mütter in ungewöhnlichem Maße verringert. Vgl. Population Reference Bureau, Word Population Data Sheet, 1993. 1. Wachstum und Verteilung der Bevölkerung 5. Von 1950 bis 1991 hat sich die Weltbevölkerung verdoppelt. Dennoch sinkt die Wachstumsrate, nachdem sie in den Jahren 1965-1970 ihren Höhepunkt erreicht hatte. <554> Diese verminderte Geschwindigkeit der Entwicklung der Weltbevölkerung paßt zu dem, was die Bevölkerungswissenschaft den „demographischen Übergang” nennt oder die sinkende Zahl der Todesfälle und der Geburten, denn den Ländern kommen die angemesseneren Gesundheits- und/oder Wirtschaftsverhältnisse zugute, die das demographische Wachstum erheblich verändern. Daniel Noin, Atlas de la population mondiale, Paris, Reclus, La Dokumentation francaise,\99\, 22. Es ist freilich zu bedenken, daß sich die demographischen Entwicklungen nach Ländern sehr verschieden darbieten. In den sogenannten entwickelten Ländern hat man erhebliche Rückgänge des synthetischen Fruchtbarkeitsindexes <555> erlebt. In fast allen diesen Ländern liegt der Index unter dem derzeit notwendigen, um den einfa- Der synthetische Fruchtbarkeitsindex wird berechnet, indem man die Fruchtbarkeitsrate nach dem Alter zusammenstellt. Er gestattet es, in Zeit und Raum das Fruchtbarkeitsverhalten zu vergleichen, denn er schaltet praktisch die Wirkungen aus, die mit der unterschiedlichen Alterszusammensetzung der Bevölkerung verbunden sind. 1177 KONGREGATIONEN UND RÄTE chen Ersatz der Generationen sicherzustellen. Umgekehrt ist der gleiche Index in den sogenannten Entwicklungsländern auf einem Niveau, das den Ersatz der Generationen gestattet, auch wenn man ihre Gesundheitsverhältnisse und ihre Sterblichkeitsrate berücksichtigt. Doch selbst wenn diese Entwicklungen seit den 60er Jahren bis heute sehr gegensätzlich sind, läßt sich der Rückgang der Fruchtbarkeit, der fast in allen Gegenden der Erde beträchtlich ist, unmißverständlich an den Daten beobachten, die die Organisationen veröffentlichen. Dennoch wird er häufig verkannt. 6. Eine weitere wichtige Entwicklung ist die Bevölkerungsverteilung. Man beobachtet hier, vor allem in den Entwicklungsländern, eine zunehmende Verstädterung. Diese ist eine Folge der Landflucht sowie der internationalen Wanderungsströme, die fast immer die Stadtgebiete zum Ziel haben. Es stimmt, daß gewisse politische Entscheidungen - vor allem in der Steuer- und/oder Landwirtschaftspolitik - die nationale und/oder internationale Instanzen treffen, sich auf die Entwicklung auf dem Land nachteilig auswirken. Die Verstädterung erklärt sich ferner durch die Entwicklung der Produktionsstrukturen und durch den Wunsch, breitere Möglichkeiten der Beschäftigung zu haben sowie Zugang zu den Produktionsmärkten, zu den Geschäften, den Bildungseinrichtungen, den gesundheitlichen Einrichtungen, zu Freizeitbeschäftigungen und weiteren Vorteilen, welche die Stadt bietet. 7. Das Verständnis der demographischen Entwicklungen erfordert weiter das Studium der Migrationen. Verschiedene Faktoren gestatten das Verständnis ihrer Wichtigkeit. Die politische Wirklichkeit lehrt uns leider jeden Tag, daß Menschen zur Migration gezwungen sind, um Kriegen und Massakern zu entgehen: das führt manchmal zu massiven Auswanderungen. <556> Andere Menschen hoffen, ihre Lebensverhältnisse zu verbessern und wandern aus wirtschaftlichen Gründen aus, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen und eine besser bezahlte Arbeit zu finden. Wegen der strukturellen Wandlungen in den Produktionsprozessen stehen wirtschaftliche Situationen ebenfalls am Anfang wichtiger Migrationsströme: die Abwanderung vom Land, aus früher industrialisierten Gegenden, ferner die Auswanderung in Gebiete, die als Träger von Zukunft betrachtet werden. Die Migrationsströme wirken sich auf die Gestalt der Länder aus, auf ihre Entwicklung und die geographische Verteilung ihrer Bevölkerung, und das gilt gleichermaßen für die Auswander- wie für die Einwanderländer. <556> Vgl. Päpstlicher Rat „COR UNUM”, Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, Die Flüchtlinge, eine Herausforderung zur Solidarität, Vatikanstadt 1992. 2. Eine „zweite demographische Revolution” 8. Wie soll man die Entwicklung der Verhaltensweisen gegenüber Geburten in den „entwickelten” Ländern verstehen? Der bedeutende Rückgang der Fruchtbarkeit veranlaßt manche, von einer „zweiten demographischen Revolution” zu sprechen. 1178 KONGREGATIONEN UND RÄTE Es handelt sich um einen ebenso beträchtlichen Wandel, aber im entgegengesetzten Sinn, wie bei der „ersten demographischen Revolution”. Letztere hatte irgendwie gestattet, die Sterblichkeit in den Griff zu bekommen, und insbesondere die drei Sterblichkeitsgrößen, welche die demographischen Rhythmen bestimmen: die Sterblichkeit bei der Entbindung, die Kindersterblichkeit und die der Jugendlichen. 9. Diese „Zweite demographische Revolution” hat unterschiedliche Gründe, die zunächst moralischer und kultureller Art sind. Sie sind im Materialismus, im Individualismus und in der Säkularisierung zu suchen. In deren Gefolge sind viele Frauen gezwungen, immer mehr außerhalb ihres Hauses zu arbeiten. <557> Daraus ergibt sich ein Ungleichgewicht der Altersstrukturen, das seinerseits heute politische, wirtschaftliche und soziale Probleme mit sich bringt. Doch laufen diese Probleme Gefahr, letztlich nicht richtig erfaßt zu werden, denn die demographischen Entwicklungen erfolgen langfristig. Eine immer größere Zahl von alten Menschen will zum Beispiel Pensionen erhalten, die nur durch die Arbeit einer aktiven Bevölkerung gesichert werden können. Zur gleichen Zeit geht diese aber nach den demographischen Darstellungen mit ziemlicher Sicherheit zurück. In verschiedenen fortgeschrittenen Ländern gibt es schon einen „demographischen Winter”, der immer strenger wird. Die Autoritäten werden darüber unruhig: Es gibt heute mehr Bahren als Wiegen, mehr Alte als Kinder. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Laborem exercens, 14. September 1981, Nr. 19; AAS173(1981)625. 10. Eine der schlimmsten Folgen der Überalterung der Bevölkerung droht das Schwinden der Solidarität zwischen den Generationen zu werden, und es könnte zu Konflikten um die Verteilung der wirtschaftlichen Güter führen. Die Diskussionen um die Euthanasie hängen vielleicht mit diesen sich entwickelnden Konflikten zusammen. 11. Diese „zweite demographische Revolution” wird aus drei Gründen häufig schlecht verstanden. Vor allem weil die Gesellschaften, die von den Gewinnen aus Zeiten leben, als die Fruchtbarkeitsrate ausreichend war, weiter von der günstigen Altersstruktur ihrer aktiven Bevölkerung profitieren. Dies macht unter anderem bis heute eine hohe Produktivität möglich. Die negativen Auswirkungen einer geringeren Geburtenrate für die Bereiche der Wirtschaft und des Sozialen machen sich nur langsam bemerkbar. Ferner trägt in diesen Gesellschaften die Präsenz von eingewanderten Arbeitern ebenfalls dazu bei, den Rückgang der Fruchtbarkeitsrate und die sich daraus möglicherweise ergebenden Folgen langsamer zu erfassen. Schließlich ist der Geburtenrückgang zu nennen, der sich in geringeren Investitionen in menschlichen Kräften auswirkt und damit in der Ausbildung. Er spart kurzfristig finanzielle Mittel, die als 1179 KONGREGATIONEN UND RÄTE Vorteil erfahren werden, aber die heutigen Generationen profitieren davon zum Schaden für die Zukunft J 12. Wie sieht es hier in Osteuropa nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems aus? Man stellt allgemein sehr spürbare Rückgänge der Geburtenraten fest, die in bestimmten Ländern die gleichen Folgen zeigen, die man in einigen Gebieten Westeuropas feststellt; es gibt also weniger Geburten als Todesfälle. Die Völker Osteuropas haben mehrere Jahrzehnte hindurch eine unterschiedliche demographische Politik erlebt, die oft vor der menschlichen Person keine Achtung hatte. Sie war zuweilen sehr autoritär und von den Vorurteilen der marxistisch-leninistischen Ideologie sowie von den Imperativen geprägt, die man den geschichtlichen „Notwendigkeiten” zuschrieb. Man kann ihre derzeitigen demographischen Verhaltensweisen nicht verstehen, wenn man nicht das gebliebene Klima berücksichtigt, in das sie eingetaucht sind. Außerdem sind diese Länder dem Einfluß der Konsummodelle ausgesetzt, die aus Westeuropa kommen. 3. Die Kontinente in Entwicklung 13. Nach den gängigsten Schätzungen ist Afrika ein Kontinent mit einer hohen Fruchtbarkeitsrate, aber zugleich ein wenig bevölkerter Erdteil: im überwiegenden Teil des Territoriums ist die Bevölkerungsdichte gering. Außerdem ist der ungewisse Charakter bestimmter demographischer Gegebenheiten gerade auf diesem Kontinent besonders deutlich geworden. <558> Die gesundheitlichen und politischen Verhältnisse in einigen Ländern Afrikas tragen nicht unbedingt immer zum Rückgang der Sterblichkeit bei. <559> Ferner ist die Aufmerksamkeit auf die künftigen demographischen Folgen von Aids zu richten, die in bestimmten Gebieten dramatisch werden könnten. Dieses Phänomen ist in den verschiedenen Ländern Europas zu beobachten: zumal in Italien, Frankreich, Deutschland und Spanien. Von den Beobachtern als zuverlässig betrachtet, hat die Zählung vom November in dem Land Afrikas mit den meisten Einwohnern, Nigeria, 88,5 Millionen Einwohner ergeben, während die offiziellen Zahlen 122,5 Millionen Einwohner angaben, also 34 Millionen zu viel! Man kann dies in verschiedenen Ländern beobachten. Doch in dem kleinen Rwanda gibt es eine sehr starke demographische Konzentration infolge der Einwanderung in ein fruchtbares Gebiet, verbunden mit einer hohen Geburtenrate. In Nordafrika erscheint der Rückgang der Fruchtbarkeit als ein eingebürgertes Phänomen, auch wenn das den demographischen Problemen eigene Trägheitsgesetz eine Wachstumsmöglichkeit der Bevölkerung mit einer sehr jungen Altersstruktur verbirgt. 14. Betrachtet man Lateinamerika im Verhältnis zu anderen Kontinenten auf dem Weg der Entwicklung, besteht eine erste Eigenart in sehr geringen Sterblichkeitsraten, verbunden mit nicht so hohen Geburtenraten im Südamerika mit gemäßigtem Klima wie im tropischen Südamerika und in Zentralamerika. 1180 KONGREGATIONEN UND RÄTE Eine weitere Besonderheit in einigen dieser Länder liegt in einem geringeren Prozentsatz von verheirateten Frauen im Vergleich zu Asien und Afrika. Dies hat natürlich eine hohe Zahl außerehelicher Geburten zur Folge. <560> Die Wichtigkeit des Verhältnisses Fruchtbarkeit-Bevölkerungsdichte scheint zum Beispiel in Bolivien auf, das die höchste Fruchtbarkeitsrate von Lateinamerika hat, zugleich aber am wenigsten dicht bevölkert ist. Die niedrige Fruchtbarkeitsrate, allgemein verbunden mit einer niedrigen Sterblichkeitsrate, worauf eben hingewiesen wurde, bringt ein geringeres demographisches Wachstum sowohl im Vergleich zu dem in Asien (die ehemaüge UdSSR nicht eingerechnet) als auch zu dem in Afrika mit sich. 15. Was den unermeßlichen Kontinent Asien angeht, umfaßt er vor allem den Großteil der russischen Föderation und zwei der bevölkerungsreichsten Staaten der Welt, China und Indien. Während die demographische Entwicklung Rußlands in einem gewissen Maße mit der von Westeuropa vergleichbar erscheint, ist die Situation in den übrigen Ländern Asiens sehr unterschiedlich, nicht nur von einem Staat zum anderen, sondern auch im Inneren der Staaten. Die Länder Asiens, die man als „neue Industrieländer” bezeichnet, scheinen in die „zweite demographische Revolution” einzutreten. Andere haben noch nicht die Phase der „ersten demographischen Revolution” hinter sich und verbinden eine ziemlich hohe Fruchtbarkeitsrate mit einer ebenfalls hohen Sterblichkeitsrate. Innerhalb der globalen Entwicklung, die von einer niedrigen Fruchtbarkeitsrate im Gefolge einer niedrigeren Sterblichkeitsrate gekennzeichnet ist, weist Asien eine sehr große demographische Differenz auf. Auch im Inneren von China und Indien kann die Fruchtbarkeit um das Doppelte des sonst Üblichen variieren, während die Verstädterungsraten dort zweimal geringer sind als in Europa. 16. Man kann also die Entwicklung der Weltbevölkerung nicht prüfen, ohne eine fast allgemeine Gegebenheit zu berücksichtigen, nämlich das Verhältnis zwischen Fruchtbarkeits- und Sterblichkeitsrate, <561> und ohne ferner sehr starke demographische Kontraste zu berücksichtigen, die nicht nur zwischen den Kontinenten bestehen, sondern auch innerhalb der Kontinente und Staaten selbst, wo man zuweilen auf sehr große regionale Unterschiede stößt. Will man daher umfassend über die Weltbevölkerung sprechen, so muß man die Verschiedenheit der Sterblichkeitsraten, die unterschiedlichen Migrationsbewegungen und die Verschiedenheit der Wachstumsraten der Bevölkerung bedenken, die in gewissen Gebieten sogar negativ sind. Ohne die Kenntnis dieser Unterschiede kann man die Wirklichkeit der demographischen Entwicklungen nur verkennen. In der „ersten demographischen Revolution” in den nicht entwickelten Ländern vermindern die Fortschritte der Medizin die allgemeine Sterblichkeit, und die Geburtenzahl steigt (umgekehrtes Verhältnis). Tn der „zweiten demographischen Revolution”, die etwa im Augenblick in Europa abläuft, vermindert die Medizin weiter die Sterblichkeit, aber die Geburten nehmen ebenfalls ab. 1181 KONGREGATIONEN UND RÄTE Kapitel II BEVÖLKERUNG UND GESELLSCHAFT 17. Berücksichtigt man die von den großen statistischen Instituten gebotenen Zahlen und die Faktoren, die bei einer statistischen Schätzung der Entwicklungen eine Rolle spielen, dann sind die demographischen Verhältnisse je nach Gegenden sehr verschieden; sie sind zudem sehr komplex. <562> Vgl. zum Beispiel, World Population Monitoring, 1991, Population Studies, Nr. 126, Vereinte Nationen, New York 1992; The Sex and Age Distributions of Population, The 1990 Revision of the United Nations Global Population Estimates and Projections, Population Studies, Nr. 122, Vereinte Nationen, New York 1991 und 1991 Annuaire demographique, Vereinte Nationen, New York 1993. Jede Bevölkerungsstudie muß darüber hinaus die Geschichte der betrachteten Völker bedenken, die Wandlungen im demographischen Bereich sowie die manchmal erheblichen Unterschiede von einem Ort zum anderen. Dennoch glauben viele von denen, deren Erfahrung auf das Leben in den Städten beschränkt ist, es gäbe eine „Krise der Weltbevölkerung”. Um die „demographische Kontrolle” zu rechtfertigen, hat man auch von einer „demographischen Bombe”, von einer „demographischen Explosion” oder von einer „übervölkerten Welt” gesprochen, dabei aber nur über unweigerlich begrenzte Informationen verfügt. Man sagt, es gäbe „weltweite Übereinstimmung” über die Dringlichkeit der Situation. Die über diese Themen verbreiteten Schlagworte halten aber einer Untersuchung nicht stand, weil die Geschichte der Entwicklung der Menschheit zeigt, wie sehr die Behauptung vereinfacht, nach der es notwendig wäre, das Wachstum der Bevölkerung zu kontrollieren, um ein gewisses Wohlstandsniveau zu erreichen oder aufrechtzuerhalten. Es gilt also, die demographischen Entwicklungen ernsthaft und genau zu prüfen. 1. Demographisches Wachstum und Lebensstandard 18. Die Schwierigkeiten der Entwicklung in den betroffenen Ländern darf man nicht einzig in der steigenden Einwohnerzahl suchen. Viele von diesen Ländern besitzen beachtliche Bodenschätze, die es oft erlaubten, noch viel mehr Menschen als derzeit vorhanden das Leben zu sichern. Leider wird dieses Potential derzeit oft zu wenig oder falsch genutzt. Ganz allgemein: Die Erde besitzt Elemente, die dank der Erfindungskraft des Menschen sich im Verlauf der Geschichte als für den Fortschritt der Menschheit entscheidende Hilfsquellen erweisen. Der Ursprung der Schwierigkeiten in den Ländern der sogenannten Dritten Welt ist zunächst in den internationalen Beziehungen zu suchen. Diese Schwierigkeiten sind oft studiert und auch von der Kirche kritisiert worden. <563> Angesichts dieser Ursachen für das Problem der Entwicklung erweist sich Solidarität als notwendig. Doch diese setzt einen Wandel in der Politik der entwickelten Nationen voraus. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, 30. Dezember 1987, Nrn. 11-26, AAS 80(1988)525-547. 1182 KONGREGATIONEN UND RÄTE Es gibt ferner Gründe im Inneren der Entwicklungsländer: der geringe Lebensstandard und die mangelnde Versorgung mit Lebensmitteln, die zur Hungersnot führen kann, können das Ergebnis schlechter politischer und wirtschaftlicher Führung sein, wobei oft Korruption mitspielt. Dazu kommen die überhöhten Militärbudgets, die im Gegensatz zur geringen Höhe der Budgets für die Erziehung stehen; Kriege, die zuweilen durch andere Nationen ausgelöst werden, oder brudermörderische Konflikte; schreiende Ungerechtigkeiten in der Verteilung der Einkommen; die Konzentration der Produktionsmittel zugunsten einer Gruppe von Privilegierten; die Diskriminierung der Minderheiten; die lähmende Last der Auslandsverschuldung, begleitet von Kapitalflucht; das Gewicht bestimmter negativer kultureller Praktiken; ein ungleicher Zugang zum Eigentum; Bürokratien, die Initiativen und Erneuerung blockieren usw. Wenn aber tatsächlich objektive Verhältnisse die Unterentwicklung in gewissen Regionen der Welt erklären, ist die Nicht-Entwicklung kein Schicksal, weil man ja alle Ursachen beseitigen kann, wenn man entsprechende Maßnahmen ergreift, auch wenn es schwierig bleibt. 2. Ernährung, Ressourcen und Bevölkerung 19. Hätte ein Wachstum der Bevölkerung unausweichlich Not und Armut zur Folge, weil gewisse Leute feststellen, die Lebensmittelvorräte und andere Ressourcen der Welt wären begrenzt? Man muß hier bedenken, daß der Umfang der Hilfsmittel, über die unser Planet verfügt, weder im Voraus feststeht, noch unveränderlich ist. Die Geschichte der Gesellschaften und der Zivilisationen zeigt, daß die Völker es in bestimmten Epochen der Geschichte verstanden, Bodenschätze zu nutzen, die frühere Generationen nicht genutzt oder verkannt hatten. Daher haben im Verlauf der Jahrhunderte die Rohstoffe der Menschheit weder stagniert noch abgenommen; sie haben sich vielmehr vermehrt und wurden in unterschiedlichen Formen verwendet. Mit dem Anbau von Pflanzen wie der Kartoffel kam es zu einer wirklichen Revolution in der Ernährung, mit der Verwendung von neuen Techniken wie der Bewässerung der Reisfelder oder der Anbau im Treibhaus, mit der Fähigkeit, die bis dahin ungenutzten Bodenschätze wie Kohle, Erdöl, Düngemittel, Uran und Sand zu verwenden, haben die Menschen ihre verfügbaren Ressourcen vermehrt. Diese Fortschritte sind ebenso in den Bereichen der Landwirtschaft und Viehzucht greifbar, wo moderne Methoden die Möglichkeiten vervielfachen. Von der heute weithin zu wenig ausgenützten Sonnenenergie bis zu den Unterwasserkraftwerken, über die Zentren der „grünen Revolution”, die von den Agronomen angekündigt wird, wenn man vor allem die Fortschritte der Gentechnologie im Bereich der Pflanzen und Tiere bedenkt, verfügen die Menschen noch über gewaltige Möglichkeiten, diesen Planeten zu entwickeln. <564> Die Päpstliche Akademie der Wissenschaften hat 1991 die Frage des Verhältnisses Hilfsquellen/Bevölkerung studiert, vgl. unten Nr. 56-57. 1183 KONGREGATIONEN UND RÄTE 20. Wenn man ferner den Einsatz von Landwirtschaftstechniken in den fortgeschrittenen Ländern bedenkt, stellt man fest, daß die Menschen schon heute die Fähigkeit besitzen, genügend Lebensmittel für die Weltbevölkerung zu produzieren, selbst wenn Hypothesen Wirklichkeit würden, die von internationalen Organisationen bei ihren höchsten Schätzungen zur Weltbevölkerung vorgetragen werden; und das ohne Berücksichtigung künftiger technischer Fortschritte. <565> Jeder sieht ein, daß wenn man von einer landwirtschaftlichen „Krise” in den USA oder in der europäischen Gemeinschaft spricht, es sich um keine Krise der Unter-, sondern der Überproduktion handelt. Dies bestätigt die Tatsache, daß die kritischsten Mangelerscheinungen bei den Lebensmitteln beseitigt werden können, weil die Menschen die Fähigkeit besitzen, damit fertig zu werden, wenn sie der Wille zur Solidarität treibt. <566> Der Lebensmittelmangel, der in den letzten Jahren in den Medien herausgestellt wurde, ist das Ergebnis der Kriege oder brudermörderischen Kämpfe, wie man derzeit in verschiedenen Ländern beobachten kann, oder auch der schlechten Amtsführung von staatlicher oder privater Seite. ^ Vgl. Declaration mondiale sur la nutrition, Internationale Konferenz über die Ernährung, Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft, Weltgesundheitsbehörde, 12. Dezember 1992. Ungünstiges Klima oder andere natürliche Ursachen sind weniger ausschlaggebend. 3. Umwelt und Bevölkerung 21. Nach einer oft wiederholten Feststellung wäre die Zahl der Erdbewohner Ursache einer wachsenden Verschmutzung oder Zerstörung der Umwelt. Die Umweltfrage kam seit der Weltkonferenz der Vereinten Nationen über Bevölkerungsfragen (1974) auf. <567> Sie wurde erneut auf der Weltkonferenz über Bevölkerungsfragen in Mexiko (1984) <568> und dann auf der Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio (1992) behandelt. <569> Man hat aber nie einen unmittelbaren Bericht über Ursache und Wirkung zwischen Bevölkerungswachstum und Umweltzerstörung vorgelegt. Außerdem weisen die entwickelten Länder mit großer Bevölkerungsdichte einen geringeren Verschmutzungsgrad auf im Gegensatz zu dem sehr hohen Grad der Länder, die lange unter kommunistischer Herrschaft standen. <570> In diesen Ländern hat das Produktionssystem äußerst umweltverschmutzend gearbeitet. Es sind die Produktionsweisen und Konsumgewohnheiten sowie die Arten der wirtschaftlichen Tätigkeiten, die die Qualität der Umwelt bestimmen. Die Schäden gehen oft auf eine verfehlte Politik zurück, die durch vernünftige Bemühungen korrigiert werden kann und muß, und zwar in Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Sektoren. ^ Vgl. Rapport de la Conference Mondiale des Nations-Unies sur la Population, Bukarest, 19.-30. August 1974, Vereinte Nationen, New York 1975, Resolution IX, 45-46. <568> Vgl. Declaration de Mexique sur la population et le developpement, Empfehlung 4, Rappoit de la Conference internationale sur la population, 1984, Vereinte Nationen 1984,16. <569> Vgl. Declaration de Rio sur Venvironnement et le developpement, Rapport de la Conference des Nations-Unies sur VEnvironnement et le Developpement, Rio de Janeiro, 3.-14. Juni 1992, Vereinte Nationen, New York 1992, Vol. I, 8-12. <570> Zum Beispiel die Katastrophe von Tschernobyl im Jahre 1986. 1184 KONGREGATIONEN UND RÄTE 22. Nicht weniger wahr bleibt, daß in den entwickelten Gesellschaften bestimmte Weisen des Konsums geändert werden müßten, welche die Umwelt nicht achten und die Verantwortung der heutigen Zeitgenossen gegenüber den künftigen Generationen nicht berücksichtigen. 23. Das Problem der Umwelt muß immer im Licht der menschlichen Entwicklung betrachtet werden und deren wirtschaftliche und soziale Aspekte im Auge haben. Deswegen besitzen diese Fragen ethische Auswirkungen. Die Tatsachen bestätigen, daß die industrialisierten Länder sich wirklich um den Schutz der Umwelt bemühen und dazu bereit sind. Das erfordert von ihrer Seite den Einsatz von umweltfreundlichen Produktionstechniken und einen gesteigerten Sinn für ihre Verantwortung. Das Umweltproblem stellt sich gleicherweise in den Entwicklungsländern. Im letzteren Fall kommen die größten Probleme von der schlecht kontrollierten Ausbeutung der Schätze der Natur her, von der Verwendung veralteter landwirtschaftlicher Methoden, welche die Böden auslaugen, oder von der anarchischen Ansiedlung von Firmen - oft aus dem Ausland - die die Umwelt sehr verschmutzen. In diesen Gegenden könnte die Verwendung geeigneter Techniken der Zerstörung der Umwelt zuvorkommen. In jedem Fall wäre es zu einfach, die Bevölkerung dieser Gegenden anzuklagen, sie wären für den sauren Regen oder andere Phänomene verantwortlich, die da und dort in bezug auf das ökologische Gleichgewicht des Planeten hervorgerufen werden. ZWEITER TEIL DIE HALTUNGEN GEGENÜBER DEN DEMOGRAPHISCHEN VERHÄLTNISSEN Kapitel I BEVÖLKERUNGSKONTROLLE UND ENTWICKLUNG 24. Der Hinweis auf die Ziffern der Bevölkerungsentwicklung weckt häufig eine heftige Reaktion; man stellt blanke Zahlen in den Vordergrund, die das Verhältnis zwischen Bevölkerungswachstum und Geburtenhäufigkeit aufzeigen. Wenn man so denkt, wird die Geburtenkontrolle zur unerläßlichen Vorbedingung für eine „dauerhafte Entwicklung” der armen Länder. Man versteht dabei unter „dauerhafter Entwicklung” eine Entwicklung, bei der die verschiedenen Faktoren (Ernährung, Gesundheit, Bildung, Technik, Bevölkerung, Umwelt usw.), harmonisiert werden, um Ungleichgewichte beim Wachstum und eine Verschwendung der Rohstoffe zu vermeiden. Es sind die entwickelten Länder, die für die anderen Länder bestimmen, was von ihrem Standpunkt aus eine „dauerhafte Entwicklung” sein soll. Dies erklärt, daß einige reiche Länder und große internationale Organisationen zwar bereit sind, diesen 1185 KONGREGATIONEN UND RÄTE Ländern wirtschaftlich zu helfen, doch unter einer Bedingung: daß sie Programme der systematischen Geburtenkontrolle übernehmen. Wer so reagiert, hat ganz allgemein nicht die Logik der demographischen Mechanismen erkannt und insbesondere nicht das Phänomen der Selbstregelung, das die Zahlen erweisen. Sie verkennen oder unterschätzen daher sowohl die Bedeutung des Rückgangs der Fruchtbarkeit, der in den Entwicklungsländern festzustellen ist, als auch den demographischen Rückgang in den Industrieländern. 25. In der Geschichte würde man schwerlich das Beispiel eines Landes finden, das eine längere Zeit (über 25 Jahre hindurch) des Bevölkerungsrückgangs gekannt und sich zugleich einer substantiellen wirtschaftlichen Entwicklung hätte erfreuen können. Man hat sogar nachgewiesen, daß demographisches Wachstum oft dem wirtschaftlichen Wachstum vorausging. Da sie für die heutigen Gegebenheiten wie auch für die Lehren der Geschichte aufgeschlossen ist, kann die Kirche es nicht akzeptieren, daß man die ärmsten Bevölkerungsgruppen als „Sündenböcke” für die Unterentwicklung hinstellt. Die Kirche betrachtet diese Haltung als besonders unangebracht, da man hier Länder mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten nimmt, die zugleich eine geringe Bevölkerungsdichte aufweisen, aber große Rohstoffvorkommen besitzen. Außerdem kann die Kirche die negativen demographischen Entwicklungen der Industrieländer nicht ignorieren, zumal die Auswirkungen dieser Entwicklung nicht ohne Folgen sein können. Gleichzeitig wünscht die Kirche mit jenen einen konstruktiven Dialog zu führen, die von der Notwendigkeit überzeugt sind, eine Kontrolle der Bevölkerung durchführen zu müssen, aber auch mit den Regierungen und Institutionen, die für die Bevölkerungspolitik Sorge tragen, denn es gibt wirkliche demographische Probleme, auch wenn sie oft aus einer verfehlten Sicht heraus betrachtet werden und man zu ihrer Lösung oft verfehlte Wege vorschlägt. 26. Es ist nun an der Zeit, die hauptsächlichen Methoden derer zu betrachten, die das Bevölkerungswachstum einschränken wollen und darin eine der wichtigsten Vorbedingungen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sehen. Wenn man diese Methoden aufzählt, muß man besonders auf das Problem der Abtreibung achten. Kapitel II DIE METHODEN DER BEVÖLKERUNGSKONTROLLE 27. Es ist eine bekannte Tatsache, daß es ein umfangreiches internationales Netz von finanziell gut ausgestatteten Organisationen gibt, die eine Reduzierung der Bevölkerung anstreben. Diese Organisationen teilen in verschiedenem Grad eine ähnliche Sicht und fördern eine geburtenfeindliche Politik. Bestimmte Organisationen handeln recht oft in Verbindung mit Firmen, die kontrazeptive Substanzen oder Mittel (wie Spiralen usw.) erarbeiten, produzieren und verbreiten und die Sterilisation oder sogar die Abtreibung empfehlen. Diese Organisationen raten sehr verschiedene 1186 KONGREGATIONEN UND RÄTE Methoden zur Reduzierung der Bevölkerung an, verbreiten sie und führen sie oft auch durch. 28. Der Papst hat diese „systematischen Kampagnen zur Geburtenkontrolle” <571> kritisiert. Gewisse Kampagnen werden tatsächlich von öffentlichen oder privaten internationalen Organisationen entwickelt und finanziert und oft ihrerseits wieder von Regierungen geleitet. Diese Kampagnen erfolgen häufig im Namen der Gesundheit und des Wohls der Frau, und sie richten sich mit Programmen zur geburtenfeindlichen sexuellen Erziehung auch an die Jugendlichen. Hier ist nebenbei zu bemerken, daß es unter den Faktoren, welche die Bevölkerungsentwicklung kontrollieren, in mehreren Ländern einen mittelbaren gibt, der aber deswegen nicht weniger wichtig ist - es geht um den fehlenden entsprechenden Wohnraum für die Familien. Wie dem auch sei, die zur direkten Geburtenkontrolle entwickelten Methoden sind derzeit die Hauptmittel, die bei der Bevölkerungskontrolle eingesetzt werden. Johannes Paul II., Sollicitudo rei socialis, Nr. 25; AAS 80(1988)543. Hier werden im wesentlichen Methoden behandelt, die in jüngster Zeit entwickelt wurden, und es sei bemerkt, daß die „traditionellen” Methoden (mechanische, unterbrochener Geschlechtsverkehr) immer noch weithin verwendet werden. Diese künstlichen Methoden stellen wichtige ethische Probleme dar, was das menschliche Leben, aber auch die Rechte der Person und der Familie angeht. 1. Die hormonale Empfängnisverhütung 29. Unter den modernen Methoden der Bevölkerungsbeschränkung, die international in großem Umfang verbreitet sind, befindet sich die hormonale Empfängnisverhütung. Gewisse Berichte von internationalen Organisationen veröffentlichen regelmäßig Statistiken über die Zahl der Frauen, die zu dieser Art von Empfängnisverhütung Zugang haben. Andere Berichte legen ferner die Initiativen dar, die von einigen dieser Organisationen unternommen werden, um die Forschungen zu diesen Produkten zu fördern und zu finanzieren und sie in großem Umfang zu verbreiten. 30. Bei bestimmten dieser jüngeren Anwendungen stellt die hormonale Empfängnisverhütung vor neue Probleme. Man weiß nämlich, daß die Pillen der ersten Generation - Östroprogestative - eine wesentlich empfängnisverhütende Wirkung haben: Sie machen die Empfängnis unmöglich, indem sie den Eisprung verhindern. Nun befinden sich aber unter den derzeit als empfängnisverhütend angebotenen Pillen einige, die je nachdem mehrere Wirkungen haben. <572> So wirkt die Pille einerseits empfängnisverhütend und verhindert andererseits zudem die Einnistung des befruch- 1. Sie verändern die Struktur des mucus cerxncalis und machen ihn für die Spermatozoen undurchdringlich. 2. Sie verändern das Bewegungsvermögen des Fallopschen Follikels und behindern den Übergang der befruchteten Eizelle aus dem Follikel in die Gebärmutterhöhle. 3. Sie behindern die normale Entwicklung des Endometers und machen ihn ungeeignet für die Einpflanzung des Embryos. Diese beiden letzten Wirkungen sind abtreibend und wiegen vor, wenn die östroprogestative Pille den Eisprung nicht verhindern kann und deshalb nicht empfängnisverhütend wirkt. 1187 KONGREGATIONEN UND RÄTE teten Eis, also eines menschlichen Individuums. In diesem letzteren Fall rufen diese Pillen trotz der verwendeten beschönigenden Sprache eine Abtreibung des befruchteten Eies hervor. <573> Die Frau, die eine Pille dieser Art oder bestimmte andere neue Methoden der hormonalen Empfängnisverhütung verwendet, kann daher nie genau wissen, was geschieht, noch im einzelnen wissen, ob sie abtreibt. <573> Außer der östroprogestativen Pille sind andere hormonale Produkte auf dem Markt, die zu Unrecht als empfängnisverhütend bezeichnet werden. Sie verhindern den Fortgang der Schwangerschaft und lassen sie in der Abtreibung enden. Es geht um eine Pille oder um Substanzen, die eingespritzt oder eingepflanzt werden können (wie das Norplant). den Endometer und die Bewegungsfähigkeit der Follikel verändern, ohne den Eisprung zu verhindern. Sie wirken also abtreibend. Solche Substanzen können der Frau ständig eingegeben werden, oder im Fall von vermutlich fruchtbaren Beziehungen („die Pille danach”). 2. Die Sterilisierung 31. Eine weitere Methode der demographischen Kontrolle ist die Sterilisierung der Frau oder des Mannes, die ebenfalls in zahlreichen Ländern weithin angeraten wird. Die Art, wie die Sterilisation empfohlen wird, wirft schwerwiegende Fragen zu den Menschenrechten und zur Achtung vor der Person auf. Diese Fragen betreffen insbesondere die Ehrenhaftigkeit und Qualität der Information, die zur Sterilisation und ihren Folgen gegeben wird, ferner den Grad der erklärten freien Zustimmung der betroffenen Personen. Die Frage der wissentlichen Zustimmung stellt sich häufig, wenn diese Personen einen höheren Bildungsgrad besitzen. Hier wie in anderen Fällen greift man häufig auf beschönigende Ausdrücke zurück. Zum Beispiel spricht man bei der Unterbindung der Eileiter von „freiwilliger chirurgischer Empfängnisverhütung bei der Frau”. Moralisch betrachtet verletzt die Sterilisation, weil sie eine bewußte Beseitigung der Zeugungsfähigkeit ist, nicht nur die menschliche Würde, sie beseitigt auch alle Verantwortung im Bereich der Sexualität und Zeugung. Sterilisationsprogramme haben bereits zu zahlreichen und heftigen Protesten geführt, die in bestimmten Fällen direkte politische Auswirkungen hatten. Wegen der Tatsache, daß sie gewöhnlich unumkehrbar ist, kann die chirurgische Sterilisation langfristig deutlichere demographische Auswirkungen haben als die Empfängnisverhütung oder die Abtreibung. 3. Die Abtreibung 32. Trotz gewisser Dementis wird die chirurgische oder pharmakologische Abtreibung offen oder verhüllt als Methode der Bevölkerungskontrolle hingestellt. Diese Tendenz ist sogar in Institutionen zu beobachten, die ursprünglich die Abtreibung nicht in ihrem Programm stehen hatten. Man kann sich fragen, in welchem Maß nach der internationalen Konferenz von Mexiko über Bevölkerungsfragen (1984) die von der Konferenz gebilligte Empfehlung angewandt worden ist, die die Abtreibung als Methode der demographischen Kontrolle abgelehnt hat. 1188 KONGREGATIONEN UND RÄTE 33. Die Empfehlung 18 dieser Konferenz sagt: „Es darf keine Mühe gescheut werden, um die häufigen Krankheitsfälle und die Sterblichkeit der Mütter zu vermindern”. Zur Gesundheit der Frauen fügt sie hinzu: „Die Regierungen sind dringend aufgefordert (...), geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Frauen bei der Vermeidung der Abtreibung zu helfen, die in keinem Fall als eine Methode der Familienplanung gefördert werden darf. In jedem nur möglichen Maß sollen jene Frauen menschlich behandelt werden, die zur Abtreibung gegriffen haben. Man soll ihnen Beratung anbieten.” <574> A.a.O., Rapport de la Conference Internationale sur la Population 1984, Empfehlung 18, 21 und 22. Im französischen Text fehlt der folgende Satz: „In keinem Fall darf sie als Methode der Familienplanung empfohlen werden/’ 34. Diese Empfehlung wurde von der Gesamtheit der an der Konferenz teilnehmenden Nationen angenommen. Sie richtete sich an die Regierungen, von denen einige den Organisationen für Bevölkerungskontrolle Geld beschaffen. Doch beweist die Forschungstätigkeit einer Reihe von diesen Organisationen, daß sie in der Praxis die Empfehlung 18 nicht anwenden. Viele von diesen Organisationen empfehlen wenigstens de facto unter den Methoden der Familienplanung auch die Abtreibung. 35. In den entwickelten Gesellschaften betrachten bestimmte Frauen die Abtreibung als nachträgliche Lösung in Fällen, wo die Empfängnisverhütung keinen Erfolg hatte. In den Entwicklungsländern besteht die Tendenz, den Zugang zur Abtreibung als wirksamer Methode der Bevölkerungskontrolle zu erleichtern, zumal in den ärmsten Bevölkerungskreisen. 36. Über verschiedene chirurgische Methoden hinaus sind chemische Methoden entwickelt worden, um die Abtreibung hervorzurufen. Man kann hier die Anti-Schwangerschaftsimpfungen erwähnen, <575> die Injektionen auf der Grundlage von Progestativen wie Depo-Provera oder Noristerat, <576> die Prostaglandine, die Verabreichung von hohen Dosen von östroprogestativen Substanzen (gewöhnlich als die „Pille danach” bezeichnet) oder auch die abtreibende Pille RU 486, die eine Filiale von Höchst, nämlich das Laboratorium Roussel-Uclaff hergestellt hat. Ferner kann man im Zusammenhang mit der Frühabtreibung hier Intrauterinpessare einschließen (Spirale). <575> Impfstoffe: Anti-hcq oder Anti-gonadotrophine chononique humaine. ^ Depo-Provera = Acetate de Medroxyprogesterone. Noriste rat = Enanthate de Noretisterone. 4. Der Kindesmord 37. Schließlich ist daran zu erinnern, daß in bestimmten Ländern immer noch der Kindesmord praktiziert wird, um so das Bevölkerungswachstum zu kontrollieren. Die Mädchen sind am häufigsten seine unschuldigen Opfer. 1189 KONGREGATIONEN UND RÄTE DRITTER TEIL DIE ETHISCHE UND PASTORATE STELLUNGNAHME DER KATHOLISCHEN KIRCHE 38. Weit davon entfernt, den verschiedenen demographischen Entwicklungen gleichgültig gegenüberzustehen, befaßt sich die Kirche im Gegenteil in vollem Maße damit und kennt ihren komplexen Charakter. Sie fühlt sich dennoch zur Feststellung verpflichtet, daß nicht alle Haltungen, die man diesem Problem gegenüber einnehmen kann, moralisch vertretbar sind. Die Stellungnahme der Kirche zum Thema darf in keiner Weise von einfachen quantitativen Überlegungen diktiert werden. Sie ergibt sich vor allem aus der Wahrheit über den Menschen, <577> und aus einer bestimmten Auffassung von der menschlichen Person und Gemeinschaft. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus, 1. Mai 1991, Nrn. 25.29; AAS 83(1991)822-824.829, wo der Papst die Wahrheit über den Menschen im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime vorlegt. 39. In den großen Linien soll hier nun diese Position der Kirche dargelegt werden. Zunächst fassen wir die Lehre der Päpste zu diesem Thema zusammen. Dann untersuchen wir, welche Prinzipien die Kirche anbietet, um ihren Beitrag zum Verständnis der zur Bevölkerung vorliegenden Daten zu leisten. Schließlich wollen wir Aktionsmodelle vorlegen, die man angemessenerweise ins Auge fassen und fördern sollte. Kapitel I DIE LEHRE DER PÄPSTE 40. Die Lehre der Päpste über Fragen der Moral zum Bevölkerungsproblem ist Teil eines Lehrgebäudes mit mehreren Seiten: die Lehre zu Sexualität und Familie, aber auch die Lehre über die Gesellschaft und öffentlichen Autoritäten. Dieses Lehrgebäude wird selbst wieder getragen von der ganzen Sicht des Menschen als Mittelpunkt der Schöpfung und zum Heil Berufener. Die Kirche hat immer vertreten, daß die organisierte Geburtenkontrolle mit der Anwendung von Mitteln, die direkt oder indirekt Zwang ausüben, um die Bevölkerung zahlenmäßig zu beschränken, nicht zu einer authentischen menschlichen Entwicklung beiträgt. Ferner haben sich die Päpste unter Vorwegnahme gewisser heutiger Kritik der Theorien und Praxis einer solchen Kontrolle umsichtig mit dem befaßt, was man zuweilen „Bevölkerungskrise” nennt. Wir müssen freilich notwendig feststellen, daß die Päpste für die demographischen Entwicklungen derart aufmerksam waren, daß sie mit gleichem Interesse sowohl das demographische Wachstum, wie es in bestimmten Regionen zu beobachten ist, als auch den anderswo zu beobachtenden Rückgang verfolgt haben. Zugleich haben sich die Päpste nachdrücklich um die Förderung der Gerechtigkeit, des Friedens und der Entwicklung bemüht. Sie 1190 KONGREGATIONEN UND RATE wollten damit zur Lösung der Probleme der Armut und des Hungers beitragen, indem sie diese an ihren Wurzeln angriffen. Diese Lehre der Päpste ist in verschiedenen Dokumenten dargelegt. Hier werden nur die bedeutendsten erwähnt, und wir beschränken uns ferner auf die letzten Päpste und das H. Vatikanische Konzil. 1. Von Johannes XXIII. bis zu Paul VI. 4L In seiner Enzyklika Mater et magistra griff Papst Johannes XXIII. im Jahre 1961 die Emährungsprobleme und demographische Fragen auf. Er schrieb: „Bei Behandlung und Lösung dieser Fragen darf der Mensch weder Wege gehen noch Mittel anwenden, die in Widerspruch zu seiner Würde stehen, wie sie von jenen un-gescheut angeboten werden, die vom Menschen und seinem Leben rein materialistisch denken.” <578> Johannes XXIII., Enzyklika Mater et magistra, 15. Mai 1961, Nr. 191; AAS 53(1961)447. 42. Die Väter des H. Vatikanischen Konzils haben in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (1965) Fragen der demographischen Entwicklung aufgegriffen und erneut die Rechte der Familie bekräftigt, dagegen die entehrenden Lösungen wie Abtreibung und Kindesmord abgewiesen. <579> Sie haben sich ebenfalls zu Anwälten des Rechts und der Pflicht zu „verantwortlicher Elternschaft” bekannt, deren Anspruch nur innerhalb der Ehe erfüllt werden kann. „In ihrer Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben und zu erziehen, die als die nur ihnen zukommende Sendung zu betrachten ist, wissen sich die Eheleute als mitwirkend mit der Liebe Gottes des Schöpfers und gleichsam als Interpreten dieser Liebe. Vgl. II. Vatikanisches Konzil., Gaudium et spes (1965), Nrn. 5.8.47.51. Daher müssen sie in menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit ihre Aufgabe erfüllen und in einer auf Gott hinhörenden Ehrfurcht durch gemeinsame Überlegung versuchen, sich ein sachgerechtes Urteil zu bilden. Hierbei müssen sie auf ihr eigenes Wohl wie auf das ihrer Kinder - der schon geborenen oder zu erwartenden -achten; sie müssen die materiellen und geistigen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens zu erkennen suchen und schließlich auch das Wohl der Gesamtfamilie, der weltlichen Gesellschaft und der Kirche berücksichtigen. Dieses Urteil müssen im Angesicht Gottes die Eheleute letztüch selbst fällen.” <580> Ebd., Nr. 50. 43. Das gleiche Konzilsdokument widmet wichtige Ausführungen auch dem demographischen Wachstum bestimmter Nationen. Die Konzilsväter sagen: „Besonders drängend wird die internationale Zusammenarbeit im Hinblick auf jene Völker, die (...) vor allem durch jenes (Problem) bedrängt werden, das aus dem raschen Bevölkerungswachstum entsteht. Es ist dringend erforderlich, daß alle Nationen, besonders die wohlhabenden in umfassender und gründlicher Zusammenarbeit Wege su- 28 29 30 1191 KONGREGATIONEN UND RÄTE chen, wie die zum Lebensunterhalt und zur angemessenen Ausbildung nötigen Mittel bereitgestellt und der ganzen Menschheit zugänglich gemacht werden können.” <581> Das Konzil erinnert schließhch an die Grenzen des Eingreifens der „öffentlichen Autorität” und „richtet an alle die Mahnung, sich vor öffentlich oder privat empfohlenen, manchmal auch aufgenötigten Lösungen zu hüten, die dem Sittengesetz widersprechen”. <582> Ebd., Nr. 87. <582> Ebd. 44. In seiner historischen Ansprache vor der Versammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1965 sagte Papst Paul VI.: „Was ihr hier verkündet, sind die grundlegenden Rechte und Pflichten des Menschen, seine Würde, seine Freiheit und vor allem die Religionsfreiheit. Wir meinen, daß ihr die Interpreten dessen seid, was es in der menschlichen Weisheit an höchsten Einsichten gibt. Wir möchten geradezu sagen: seines sakralen Charakters. Es geht nämlich vor allem um das Leben des Menschen, und dieses Leben ist heilig; niemand darf wagen, es anzugreifen. In eurer Versammlung muß die Achtung vor dem Leben, auch sofern es sich um das große Problem der Geburtenhäufigkeit handelt, seine höchste Vertretung und seine vernünftigste Verteidigung finden. Eure Aufgabe ist, dafür zu sorgen, daß das Brot auf dem Tisch der Menschheit in genügend reichem Maße vorhanden ist, nicht aber dafür, daß eine künstliche Geburtenkontrolle gefördert wird, die irrational wäre, weil sie die Zahl der Tischgenossen am Festmahl des Lebens vermindert.” <583> <583> Paul VI., Ansprache an die Versammlung der UNO, 4. Oktober 1965, Nr. 6; AAS 57(1965)883. 45. In seiner Enzyklika Populorum progressio schrieb Paul VI. im Jahre 1967 zu den demographischen Verhältnissen: „Der Staat hat zweifellos innerhalb der Grenzen seiner Zuständigkeit das Recht, hier einzugreifen, eine zweckmäßige Aufklärung durchzuführen und geeignete Maßnahmen zu treffen, vorausgesetzt, daß diese in Übereinstimmung mit dem Sittengesetz sind und die Freiheit der Eheleute nicht antasten. Ohne das unabdingbare Recht auf Ehe und Zeugung gibt es keine Würde des Menschen. Die letzte Entscheidung über die Kinderzahl hegt bei den Eltern. Sie haben es reiflich zu überlegen. Sie müssen die Verantwortung vor Gott übernehmen, vor sich selbst, vor den Kindern, die sie bereits haben, vor der Gemeinschaft, zu der sie gehören, nach ihrem Gewissen, das sie entsprechend dem authentisch interpretierten Gesetz Gottes gebildet haben und im Vertrauen auf ihn stärken.” <584> <584> Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 26. März 1967, Nr. 37; AAS 59(1967)276. 46. Papst Paul VI. hat diese Lehren in seiner Enzyklika Humanae vitae (1968) bekräftigt. Er erläuterte die „verantwortliche Elternschaft” wie folgt: „Deshalb verlangt die eheliche Liebe von den Ehegatten das Bewußtsein ihrer Sendung zu .verantwortlicher Elternschaft’. Auf sie legt man heute mit gutem Recht ganz besonderen Wert. Auch sie muß richtig verstanden werden. Verantwortliche Elternschaft 1192 KONGREGATIONEN UND RATE wird deshalb unter verschiedenen berechtigten und miteinander in Beziehung stehenden Gesichtspunkten betrachtet. Im Zusammenhang mit den biologischen Abläufen besagt verantwortliche Elternschaft Kenntnis und Achtung ihrer Funktionen. Der Verstand entdeckt in der Fähigkeit das Leben zu geben, biologische Gesetze, die zur menschlichen Person gehören. In Hinsicht auf die instinkthaften Triebe und Leidenschaften bedeutet verantwortliche Elternschaft die notwendige Beherrschung, die Vernunft und Wille über sie ausüben müssen. Im Hinblick auf die physischen, wirtschaftlichen, psychologischen und sozialen Verhältnisse wird verantwortliche Elternschaft sowohl in dem abgewogenen und großherzigen Entschluß ausgeübt, eine kinderreiche Familie aufzuziehen, als auch in der aus schwerwiegenden Motiven und unter Beobachtung des Sittengesetzes getroffenen Entscheidung, zeitweise oder auf unbegrenzte Zeit die Geburt weiterer Kinder zu vermeiden. Verantwortliche Elternschaft bringt zudem und vor allem eine noch tiefere Beziehung zur objektiven Sittenordnung mit sich, die von Gott geschaffen ist und die das rechte Gewissen getreu auslegt. Die Ausübung verantwortlicher Elternschaft schließt demnach mit ein, daß die Ehegatten ihre Pflichten gegenüber Gott, sich selbst, ihrer Familie und der Gesellschaft voll und ganz in einer richtigen Rangordnung der Werte anerkennen. Bei der Aufgabe, das Leben weiterzugeben, haben die Eheleute daher nicht die Freiheit, nach eigenem Gutdünken vorzugehen, als ob sie in ganz eigenständiger Weise die zu beschreitenden sittlich erlaubten Wege festlegen könnten. Sie müssen vielmehr in ihrem Handeln mit dem göttlichen Schöpferwillen übereinstimmen, der durch das Wesen der Ehe und ihrer Akte zum Ausdruck kommt, und sich in der stets gleichbleibenden Lehrverkündigung der Kirche kundtut.” <585> Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 25. Juli 1968, Nr. 10; A45 60(1968)487-488. Die verantwortliche Vater-/Mutterschaft umfaßt nicht nur kluge Entscheidungen des Ehepaares, sondern auch die Ablehnung künstlicher Methoden der Geburtenkontrolle, und wenn ernsthafte Gründe vorhegen, die Entscheidung für die natürliche Regelung der Fruchtbarkeit. <586> Vgl. ebd., Nrn. 11-16; AAS 60(1968)488-492; vgl. unten Nr. 76. 47. In Humanae vitae hat Papst Paul VI. die Aufmerksamkeit auf die Tatsache gerichtet, daß die öffentlichen Autoritäten versucht sein könnten, den Menschen künstliche Methoden der Geburtenkontrolle aufzuerlegen. <587> Aus diesem Grund richtet er einen Aufruf an diese Autoritäten: „Den Regierungen, die für das Gemeinwohl hauptverantwortlich und im Stande sind, sehr viel für den Schutz der Sittlichkeit zu tun, möchten wir nahelegen: Laßt nicht zu, daß die Sittlichkeit eurer Völker abgleitet; nehmt es nicht einfach hin, daß sich auf legale Weise in jene Urzelle, die die Familie ist, Praktiken eindrängen, die im Gegensatz zum Naturgesetz und zum göttlichen Gesetz stehen. Ein ganz anderer Weg ist es, auf dem die staatlichen Behörden zur Lösung des Bevölkerungsproblems beitragen sollen und müssen: es ist der Weg Vgl. ebd., Nr. 17; AAS 60(1968)493. 35 36 37 1193 KONGREGATIONEN UND RÄTE einer vorausschauenden Familienpolitik, einer weitblickenden Erziehung des Volkes, die das Sittengesetz und die Freiheit der Bürger achtet.” <588> Ebd., Nr. 23; AAS 60(1968)497. 48. In seinem Apostolischen Schreiben von 1971, Octogesima adveniens, <589> untersucht Paul VI. das Phänomen der Verstädterung. Zum Bevölkerungswachstum schreibt er: „Es ist beunruhigend, auf diesem Gebiet eine Art Fatalismus feststellen zu müssen, der sich selbst der Verantwortlichen bemächtigt. Eine solche Einstellung führt zuweilen zu Lösungen im Sinne von Malthus, die durch eine aktive Propaganda für die Empfängnisverhütung und Abtreibung provoziert werden. In dieser kritischen Lage ist es im Gegenteil notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Familie, ohne die keine Gesellschaft Bestand haben kann, Recht auf Unterstützung hat, wodurch ihr die Voraussetzungen zu einer gesunden Entwicklung gewährleistet werden.” <590> <589> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Octogesima adveniens, 14. Mai 1971, Nrn. 10-12; AAS 63(1971)408-410. <590> Ebd., Nr. 18; AAS 63(1971)414-415. 49. In den 60er Jahren wurde klar, daß reiche Nationen der Auffassung waren, die Bevölkerungskontrolle sei der unerläßliche Weg zur Entwicklung. Am 9. November 1974 wandte sich daher Papst Paul VI. an die Teilnehmer der Weltkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) und kritisierte „ein unvernünftiges und einseitiges Vorgehen gegen das Bevölkerungswachstum”. Er fügte mit Nachdruck hinzu: „Es kann nicht hingenommen werden, daß jene, welche die Kontrolle über die Güter und Rohstoffe der Menschheit besitzen, das Problem des Hungers zu lösen versuchen, indem sie den Armen verbieten, geboren zu werden, oder indem sie die Kinder vor Hunger sterben lassen, deren Eltern nicht bei den theoretischen Plänen mitmachen, die sich auf reine Hypothesen über die Zukunft der Menschheit stützen. Früher, zu Zeiten, die hoffentlich überwunden sind, haben Nationen Krieg geführt, um sich der Reichtümer ihrer Nachbarn zu bemächtigen. Aber liegt nun nicht eine neue Form des Krieges vor, wenn man Nationen eine einschränkende Bevölkerungspolitik auferlegt, damit sie nicht ihren gerechten Anteil an den Gütern der Erde beanspruchen?” <591> <591> Paul VI., Ansprache an die Teilnehmer der Weltkonferenz über Ernährung, 9. November 1974, Nr. 6; AAS 66(1974)649. 2. Johannes Paul n. 50. Dieser Lehre der Päpste kann man die Botschaft an die christlichen Familien beifügen, welche die Bischöfe bei der Synode über die Familie 1980 in Rom an sie gerichtet haben. In dieser Botschaft schreiben die Synodenväter unter anderem: „Oft üben Regierungen und internationale Organisationen Druck auf die Familien aus (...). Diese sind gezwungen, - und wir müssen dem heftig widersprechen - zur Lösung der demogra- 1194 KONGREGATIONEN UND RATE phischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme unmoralische Mittel wie die Empfängnisverhütung zu verwenden, oder schlimmstenfalls Sterilisation, Abtreibung und Euthanasie. Deswegen empfiehlt die Synode nachdrücklich die Abfassung einer Charta der Familienrechte, die ihre Rechte überall in der Welt garantiert.” <592> Botschaft der VI. Bischofssynode an die christlichen Familien der heutigen Welt, 24. Oktober 1980, Nr. 5. 51. In seinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio von 1982 untersuchte Papst Johannes Paul II. die Entstehung einer in der Welt verbreiteten und dem Leben entgegengesetzten Mentalität: „Man denke zum Beispiel an eine gewisse Panik, die von demographischen Studien der Ökologen und Futurologen ausgelöst wird, die manchmal die Gefährdung der Lebensqualität durch das BevölkerungsWachstum übertreiben. Aber die Kirche ist fest überzeugt, daß das menschliche Leben, auch das schwache und leidende, immer ein herrliches Geschenk der göttlichen Güte ist. Gegen Pessimismus und Egoismus, die die Welt verdunkeln, steht die Kirche auf der Seite des Lebens (...). Deshalb verurteilt die Kirche als schwere Beleidigung der menschlichen Würde und der Gerechtigkeit alle Aktivitäten von Regierungen oder anderen öffentlichen Autoritäten, die in irgendeiner Weise die Freiheit der Ehegatten, über Nachkommenschaft zu entscheiden, zu beschränken versuchen. Dementsprechend ist jede gewaltsame Maßnahme dieser Autoritäten zugunsten der Empfängnisverhütung oder gar der Sterilisation und der Abtreibung völlig zu verurteilen und mit aller Kraft zurückzuweisen. Auf die gleiche Weise ist die Tatsache als schweres Unrecht zu bezeichnen, daß in den internationalen Beziehungen die Wirtschaftshilfe zur Förderung der unterentwickelten Völker von Programmen zur Empfängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung abhängig gemacht wird. Gewiß ist sich die Kirche der zahlreichen und vielschichtigen Probleme bewußt, vor denen heute in vielen Ländern die Eheleute bei ihrem Auftrag, das Leben verantwortlich weiterzugeben, stehen. Sie erkennt durchaus das schwere Problem der Bevölkerungszunahme, wie es sich in verschiedenen Teilen der Welt stellt, und die damit gegebenen sittlichen Fragen an. Sie ist jedoch der Meinung, daß eine vertiefte und allseitige Sicht dieser Probleme die Richtigkeit der authentischen Lehre über die Geburtenregelung, wie sie vom II. Vatikanischen Konzil und von der Enzyklika Humanae vitae wieder vorgelegt wurde, in neuer und stärkerer Weise bestätigen kann.” <593> Johannes Paul II., Familiaris consortio, Nrn. 30.31; AAS 74(1982)116-117. 52. Der Papst hat das Thema 1984 erneut aufgegriffen in einer Ansprache an den Sekretär der Internationalen Konferenz von Mexiko über die Bevölkerung. Er hat die Rechte des einzelnen, der Familie, der Frauen und der Jugendlichen mit den Worten verteidigt: „Die Erfahrungen und Tendenzen der letzten Jahre zeigen klar die weithin negativen Auswirkungen der Programme zur Empfängnisverhütung. Diese Programme haben die sexuelle Freizügigkeit gesteigert und unverantwortliches Verhalten gefördert mit schweren Folgen vor allem für die Erziehung der Ju- 42 43 KONGREGATIONEN UND RÄTE gend und die Würde der Frau. Selbst der Begriff verantwortliche Elternschaft’ und Famihenplanung wurde mißachtet durch die Verteilung von empfängnisverhütenden Mitteln an Heranwachsende. Außerdem ist man von den Programmen zur Empfängnisverhütung oftmals zur Praxis der Sterilisierung und Abtreibung übergegangen, die von Regierungen und internationalen Organisationen finanziert werden.” <594> Die Delegation des Heiligen Stuhles bei dieser Konferenz hat eine Entschließung vorgelegt, die angenommen wurde und die Regierungen drängte, „geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Frauen bei der Vermeidung der Abtreibung zu helfen, die in keinem Fall als Methode der Famihenplanung empfohlen werden dürfte”. <595> <594> Johannes Paul II., Ansprache an Mr. Rafael M. Salas, Generalsekretär der internationalen Konferenz 1984 über die Bevölkerung und Exekutivdirektor des Fonds der Vereinten Nationen für die Bevölkerung, 7. Juni 1984, Nr. 2; Insegnamenti di Giovanni Paolo II, VII. 1(1984)1628. ^ A.a.O., Rapport de la Conference Internationale sur la Population, 1984, Empfehlung 18.20-21; vgl. oben Nrn. 32 und 34. 53. Mit ausdrücklicher Billigung von Papst Johannes Paul II. erschien ferner im Jahre 1987 die Instruktion Donum vitae. Das Studium der durch neue biomedizinische Praktiken gestellten Probleme bot die Gelegenheit, das Recht der Gesellschaft bei der Weitergabe des menschlichen Lebens zu überprüfen. Dieses muß in einem interpersonalen Kontext der Liebe geschenkt werden. Es gilt daher, die Zelle der Familie zu schützen. Im Licht des Prinzips der Subsidiarität ist ferner zu betonen, daß die öffentlichen Autoritäten zum Schutz der Familie verpflichtet sind. Weit davon entfernt, mißbräuchlich in die Kontrolle der Weitergabe des Lebens einzugreifen, müssen sie sich im Gegenteil dafür einsetzen, daß es von Anfang an geachtet wird <596> ^ Vgl. Instntktion der Kongregation für die Glaubenslehre (Donum vitae), über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung. Antworten auf einige aktuelle Fragen, 10. März 1987, Kapitel III; AAS 80(1988)98-100. 54. In seiner Enzyklika von 1987, Sollicitudo rei socialis, schreibt Johannes Paul II.: „Unleugbar gibt es, vor allem im Süden unseres Planeten, ein derartiges demographisches Problem, daß es Schwierigkeiten für die Entwicklung bereitet. Es ist aber angebracht, gleich hinzuzufügen, daß sich dieses Problem im Norden mit umgekehrten Vorzeichen darstellt: Was hier Sorgen macht, ist der Abfall der Geburtenziffer mit Auswirkungen auf die Altersstruktur der Bevölkerung, die sogar unfähig wird, sich biologisch zu erneuern. Auch dieses Phänomen ist von sich aus geeignet, die Entwicklung zu behindern. Wie es ungenau ist zu behaupten, solche Schwierigkeiten kämen nur vom Bevölkerungswachstum her, so ist es auch nicht erwiesen, daß jegliches Bevölkerungswachstum unvereinbar ist mit einer geordneten Entwicklung. Andererseits erscheint es sehr alarmierend, in vielen Ländern auf Initiative ihrer Regierungen die Propagierung von systematischen Kampagnen zur Geburtenkontrolle festzustellen, und das im Gegensatz nicht nur zur kulturellen und religiösen Identität der Länder selbst, sondern auch zum Wesen einer echten Entwicklung. Oft geschieht es, daß diese Kampagnen unter Druck zustande kommen 1196 KONGREGATIONEN UND RATE und durch Kapital aus dem Ausland finanziert werden, ja, daß wirtschaftliche und finanzielle Hilfe und Unterstützung ihnen manchmal sogar untergeordnet werden. In jedem Fall handelt es sich um einen absoluten Mangel an Respekt vor der Entscheidungsfreiheit der betroffenen Personen, Männer und Frauen, die nicht selten unerträglichem Druck, auch wirtschaftlicher Art, ausgesetzt sind, um sie für diese neue Form der Unterdrückung gefügig zu machen. Gerade die ärmsten Völker erleiden diese Mißhandlungen; und es endet mitunter damit, daß die Tendenz zu einem gewissen Rassismus geweckt oder die Anwendung gewisser Formen von Eugenik gefördert werden, die gleichermaßen rassistisch sind. Auch diese Vorgänge, die auf das energischste zu verurteilen sind, sind Zeichen eines irrigen und entarteten Begriffes von echter menschlicher Entwicklung.” <597> Johannes Paul II., Sollicitudo rei Socialis, Nr 25; AAS 80(1988)543-544. 55. Weiter schreibt Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Centesimus annus 1991 zur Hundertjahrfeier von Rerum novarum zum Bevölkerungsproblem: „Der Geist des Menschen scheint auf diesem Gebiet mehr darauf bedacht zu sein, die Quellen des Lebens zu beschränken, zu unterdrücken und zu vernichten, bis hin zur leider so weltweit verbreiteten Abtreibung, als die Möglichkeiten des Lebens selbst zu verteidigen und zu eröffnen. In der Enzyklika Sollicitudo rei socialis wurden die systematischen Kampagnen zur Geburtenkontrolle mit aller Klarheit kritisiert. Aufgrund einer entstellten Auffassung des demographischen Problems und im Klima des ,absoluten Mangels an Respekt vor der Entscheidungsfreiheit der betroffenen Personen’ werden diese oft einem .unerträglichen Druck’ ausgesetzt, (...) ,um sie für diese neue Form der Unterdrückung’ gefügig zu machen. Es handelt sich hier um eine Politik, die mit Hilfe neuer Techniken ihren Aktionsradius bis hin zu einem .Krieg mit chemischen Waffen’ ausweitet, um das Leben von Millionen schutzloser Menschen zu vergiften.” <598> Johannes Paul II., Centesimus annus, Nr. 39; AAS 83(1991)842. Mit seinen Worten „chemische Kriege” greift der Papst den kräftigen Ausdruck von Paul VI. auf, Ansprache an die Teilnehmer der Weltkonferenz fiir Ernährung, a.a.O., Nr. 49. 56. Man sollte auch nicht die Ansprache vergessen, die der Papst am 22. November 1991 bei der Audienz gehalten hat, die er der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften gewährte. Die Akademie hatte eine Studienwoche über das Verhältnis von „Rohstoffen und Bevölkerung” hinter sich. Der Papst sagte: „Verbreitet ist die Meinung, die Geburtenkontrolle sei die leichteste Methode zur Lösung des Grundproblems angesichts der Tatsache, daß die Neuordnung des Produktionsprozesses und der Verteilung der Rohstoffe auf Weltebene eine enorm lange Zeit brauchen würde und unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen hätte. Die Kirche ist sich der Vielschichtigkeit des Problems, auf das unverzüglich geantwortet werden muß, bewußt. Man muß dabei freilich die unterschiedlichen und zuweilen sogar gegensätzlichen regionalen Verhältnisse berücksichtigen. Es gibt Länder mit einem starken Bevölkerungswachstum und andere, die eine steigende Über- 47 48 KONGREGATIONEN UND RÄTE alterung ihrer Bevölkerung erleben. Es sind oft die letzteren, die mit ihrem Konsum die Hauptverantwortlichen für den Niedergang der Umwelt sind. Wenn man ein Eingreifen vorschlägt, dürfte die Dringlichkeit freilich nicht zu Irrtü-mem führen: zur Anwendung von nicht mit der wahren Natur des Menschen vereinbaren Methoden, die tatsächlich dramatische Wirkungen hervorrufen. Daher erkennt die Kirche als ,Expertin in Menschlichkeit’ (vgl. Paul VI.) den Grundsatz der verantwortlichen Vater- und Mutterschaft an, betrachtet es aber als wesentliche Pflicht, die Aufmerksamkeit nachdrücklich auf die Moralität der Methoden zu richten, die immer die Person und ihre unveräußerlichen Rechte beachten muß. Das Wachstum und die erzwungene Verminderung der Bevölkemng gehen zum Teil auf das Fehlen von sozialen Institutionen zurück; die Veränderung der Umwelt und das Ungenügen der natürlichen Rohstoffe haben oft Irrtümer der Menschen als Ursache. Obwohl man in der Welt genügend Lebensmittel für alle produziert, leiden Hunderte von Milhonen von Menschen Hunger, während man anderswo offenkundige Beispiele der Verschwendung von Lebensmitteln vorfindet. Angesichts der zahlreichen und verschiedenen unrichtigen menschlichen Verhaltensweisen muß man sich notwendig vor allem mit denen beschäftigen, die für diese Mangelerscheinungen am meisten verantwortlich sind. Dem Bevölkerungswachstum darf man nicht nur mit der Ausübung der verantwortlichen Vater- und Mutterschaft in Achtung vor dem Gesetz Gottes begegnen, sondern auch mit wirtschaftlichen Maßnahmen, welche die sozialen Institutionen tiefgreifend beeinflussen. Vor allem in den Entwicklungsländern, wo ein großer Teil der Bevölkerung jung ist, kann das sehr umfangreiche Ungenügen von erzieherischen Strukturen durch Unterricht, die Verbreitung der Kultur und Berufsausbildung beseitigt werden. Gefördert werden muß die Lage der Frau als wesentliches Element der Modernisierung der Gesellschaft.” <599> <599> Johannes Paul II., „Solo nel rispetto della dignitä della persona l'umanitä sara in grado di afirontare la sfida demografica”, Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, Nrn. 4-6, 22. November 1991, in UOsservatore Romano, 23. November 1991, 4/5. 57. Indem er zu einer verantwortlichen Haltung gegenüber der Zeugung aufforderte, erklärte der Papst: „Dank der Fortschritte in der Medizin, die die Kindersterblichkeit vermindert und die mittlere Lebenserwartung gesteigert haben, dank auch der Entwicklung der Technik ist es zu einem wirklichen Wandel in den Lebensverhältnissen gekommen. Diesen neuen Verhältnissen gilt es nicht nur mit wissenschaftlicher Reflexion zu begegnen, vielmehr - und das ist wichtiger - indem man auf alle intellektuellen und geistigen Energien zurückgreift, die verfügbar sind. Die Menschen müssen die moralische Bedeutung der Achtung vor den Grenzen neu entdecken; sie müssen wachsen und reifen im Sinn für ihre Verantwortung gegenüber jedem einzelnen Aspekt 1198 KONGREGATIONEN UND RÄTE des Lebens (vgl. Mater et magistra, Nr. 195; Humanae vitae, passim; Gaudium et spes, Nm. 51-52) (...). Wenn die Menschheitsfamilie in dieser Richtung keine Maßnahmen ergreift, könnte sie sehr wohl zum Opfer einer zerstörerischen Tyrannei werden, die einen grundlegenden Aspekt der Bedeutung der menschlichen Existenz verletzten würde, nämlich das Leben an neue menschliche Wesen weiterzugeben und sie zur Reife zu führen (-). Es ist daher eine der Aufgaben der öffentlichen Mächte, Regelungen zu treffen, die die Geburtenpolitik mit der Achtung vor dem freien und persönlichen Sinn für Verantwortung verbindet (vgl. Gaudium et spes, Nr. 87). Ein politisches Eingreifen, das die Natur des Menschen berücksichtigt, kann nämlich die demographischen Entwicklungen beeinflussen, doch muß es zugleich eine neue Verteilung der wirtschaftlichen Güter unter den Bürgern sicherstellen. Andernfalls läuft man Gefahr, mit solchen Verfügungen vor allem die Schwächsten und Ärmsten zu belasten und zur einen Ungerechtigkeit eine weitere hinzuzufügen.” Der Papst schloß: „Der Mensch - das einzige Geschöpf auf der Erde, das Gott um seiner selbst willen gewollt hat (Gaudium et spes, Nr. 24) -, ist das Subjekt von grundlegenden Rechten und Pflichten, die den Vorrang vor jenen haben, die sich aus dem sozialen und politischen Leben ergeben (vgl. Pacem in terris, Nm. 5.35). Die menschliche Person ist,Wurzelgrund, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen’ (Gaudium et spes, Nr. 25), und aus diesem Grund müssen sich die Autoritäten immer die Grenzen ihrer eigenen Zuständigkeit vor Augen halten. Die Kirche lädt ihrerseits die Menschheitsfamilie ein, ihre Zukunft zu planen, aber sich dabei nicht nur von materiellen Anliegen, sondern auch und vor allem von der Achtung vor der Ordnung leiten zu lassen, die Gott in die Schöpfung hineingelegt hat.” <600> JU Ebd., Nr. 6. 58. Im Jahre 1992 fand in Rio de laneiro die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung statt. In seinem Beitrag vom 13. Juni erklärte Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano: „Man kann die Haltung eines Teils der Welt moralisch nicht rechtfertigen, der zwar die Menschenrechte verkündet, es aber zugleich wagt, die Rechte jener Personen mit Füßen zu treten, die sich in weniger vorteilhaften Situationen befinden, und ,nach Art eines zerstörerischen Diktats’ (Johannes Paul II., Ansprache vom 22. November 1991 an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, Nr. 6) die Zahl der Kinder bestimmt, die diese Personen haben dürfen und ihnen droht, die für ihre Entwicklung bestimmten Hilfen von der Beachtung dieser Entscheidungen abhängig zu machen.” <601> 5^ Angelo Kardinal Sodano, Environnement et Developpement dans la Vision chretienne, in L'Osservatore Romano, französische Ausgabe, 25 (23. Juni 1992), 7. 59. Im Jahre 1992 haben die Bischöfe von Lateinamerika die Lehren von Johannes Paul II. aufgegriffen und sie auf die aktuellen Situationen ihrer Länder angewandt. 1199 KONGREGATIONEN UND RÄTE Während der Arbeiten der vierten Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopates in Santo Domingo haben gegen zweihundert teilnehmende Bischöfe an die Vereinten Nationen und ihre verschiedenen Organe eine Botschaft zum Schutz des Lebens gesandt und besonders die systematischen Kampagnen zur Geburtenbeschränkung kritisiert, die von internationalen Institutionen und Regierungen durchgeführt werden. <602> Vgl. Message de UEpiscopat latino-americain ä ('Organisation des Nations-Unies, in L’Osser\>atore Romano, französische Ausgabe, 51 (22. Dezember 1992), 7. „Notwendig ist die Verstärkung einer Kultur des Lebens gegen eine Kultur des Todes, die unter unseren Völkern zahlreiche Opfer hervorruft. Es wird nie einen echten, des Menschen würdigen Fortschritt geben ohne Achtung vor der menschlichen Person. Es muß dringend und unmißverständlich der ganzen Menschheit verkündet werden: Achten wir das sakrale Geschenk des Lebens! Dieser Ruf erhebt sich mit neuer Kraft im Herzen unserer Völker, die vor 500 Jahren das Evangelium Jesu Christi empfangen haben (...). Für einen echt menschlichen Fortschritt ist es unerläßlich, sich klaren Geistes die ethische Dimension in ihrer Dringlichkeit vor Augen zu halten, die von »einer Wahrung der moralischen Bedingungen einer glaubwürdigen Humanökologie abhängt’ (Centesimus annus, Nr. 38). Es ist zu bedauern, daß man eine wirtschaftliche Entwicklung anstrebt, die am Ende die Quellen des Lebens versiegen läßt und zu einer Kultur des Todes wird.” 3. Menschenwürde und Gerechtigkeit 60. Wenn es die demographischen Entwicklungen prüft, betont das Lehramt der Kirche die sakrale Natur des menschlichen Lebens, die verantwortliche Weitergabe des Lebens, die mit der Vater- und Mutterschaft gegebenen Rechte, die Werte der Ehe und des Familienlebens, in denen die Kinder ein Geschenk des Schöpfergottes sind. <603> Gegenüber den Vertretern der Bevölkerungskontrolle und ohne die Realitäten der menschlichen Situationen zu leugnen, steht die Kirche auf der Seite der Gerechtigkeit: Sie verteidigt die Rechte der Frauen und Männer, der Familien und der Jugendlichen sowie die Rechte derjenigen, die man mit dem schönen Wort nascituri bezeichnet, also der Kinder, die geboren werden sollen und müssen. Während sie feststellen, daß die Bevölkerungskontrolle in keiner Weise einen Ersatz für echte Entwicklung bilden kann, betonen die Päpste das Recht aller Menschen, an den reichen Schätzen der Erde und der menschlichen Intelligenz Anteil zu haben. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Nr. 50. 61. Die Päpste können den alarmierenden Äußerungen zu den unterschiedlichen demographischen Entwicklungen in der Welt nicht zustimmen. In dem Maß, wie die Jahre verfließen, zeigen die Fakten, daß man dieses alarmbestimmte Verständnis von Grund auf überprüfen muß. Die Ideologien, welche die Möglichkeit leugnen, die Menschen zu einer verantwortlichen Regelung ihrer Fruchtbarkeit hinzuführen und Unsicherheit und Angst schüren, die bevorstehendes Elend und/oder die Zerstörung der Umwelt Voraussagen, scheinen die Unterschiedlichkeit und Vielschichtigkeit der verschiedenen Aspekte der demographischen Verhältnisse zu übersehen. Diese Ideologien unterschätzen nicht nur die natürlichen Mittel, sondern vor allem die Fähigkeit des Menschen, sie sachgemäßer zu nutzen - angefangen bei den menschlichen Kräften - sie besser zu verteilen und die menschliche Gesellschaft mit 1200 KONGREGATIONEN UND RÄTE Institutionen auszurüsten, die zugleich wirksam und für die Erfordernisse der Gerechtigkeit aufgeschlossen sind. Kapitel II ETHISCHE PRINZIPIEN FÜR EINE PASTORALE STELLUNGNAHME 62. Die Besorgnis derer, die ständig von einer „weltweiten demographischen Krise” sprechen, scheint nicht gerechtfertigt durch die wirklich festgestellten unterschiedlichen Entwicklungen der Bevölkerungen in den verschiedenen Ländern der Welt. Diese Besorgnis stellt nämlich eine Art Ideologie der Angst vor der Zukunft und des Mißtrauens gegenüber dem Menschen dar. Diese Sicherheitshaltung findet sich in verschiedenen Abschnitten der Geschichte unter unterschiedlichen, aber im Grund übereinkommenden Formen wieder. Sie belastet die Solidarität unter den Generationen und Nationen. Die Kirche muß daher die Menschen aufklären und ihnen beim Nachdenken über diese Ideologie helfen, die oft durch die Medien verbreitet wird. 1. Der Beitrag der Soziallehre der Kirche 63. Die Kirche richtet vor allem die Aufmerksamkeit nachdrücklich auf das tückische Entstehen einer neuen Form der Armut. Diese neue Form der Armut kommt gerade in den negativen Haltungen gegenüber dem Leben und der Familie zum Ausdruck. Diese Haltungen führen zum Schwinden der Solidarität; sie treiben die Menschen in die Einsamkeit; sie sind nicht genügend aufnahmebereit für die künftigen Generationen noch genügend aufgeschlossen für den Mangel an Menschen. Diese Haltungen offenbaren die schlimmste Form der Armut: die moralische Armut. 64. Die positiven Errungenschaften, die von den früheren Generationen durch Weitergabe ererbt wurden, drohen aufs Spiel gesetzt zu werden, wenn nicht zum Teil verloren zu gehen, weil niemand mehr in der Lage ist, sie weiterzugeben. Die Übermittlung des gemeinsamen Erbes der Menschheit, das in moralischen und religiösen Werten, Kultur- und Kunstschätzen, wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften besteht, ist in Gefahr. Dieses Erbe kann nur übermittelt und bereichert werden durch den Beitrag von neuen Generationen von Menschen. Die ersten, die unter dieser Verarmung und diesem Niedergang zu leiden haben werden, sind gerade die schutzlosesten Menschen, weil die wohlhabenden, aber überalterten Gesellschaften in einem ausgeprägten Egoismus zu versinken drohen. Die Kirche muß also ohne Unterlaß ihre bevorzugte, wenn auch nicht ausschließliche Option für die am meisten Verwundbaren zum Ausdruck bringen. <604> Vgl. Johannes Paul II., Centesimus anmis, Nrn. 38-40.49.51; AAS 83(1991)840-843.854-856.856-857. 65. Die Kirche ist sich ebenso der Wirklichkeit der demographischen Entwicklungen in den Entwicklungsländern bewußt. Sie betont, daß jeder Mensch und jedes 1201 KONGREGATIONEN UND RÄTE Volk zur Entwicklung aufgerufen ist. Dabei gibt es Mittel, die Ungleichheiten der Lebensverhältnisse, des Habens, Wissens und Könnens zu beseitigen. Unterentwicklung ist nie ein Schicksal. Es ist möglich, Entwicklungsprozesse in Gang zu setzen, die jedem Menschen und jedem Volk gestatten, seine potentiellen Fähigkeiten einzusetzen und damit die Unterentwicklung zu überwinden. Unter anderem ist der Zugang zum Wissen für alle eine absolute Priorität, damit alle Menschen und alle Nationen in der Lage sind, selbständig und befriedigend die elementaren Probleme des Lebensunterhalts und der Entwicklung im Rahmen der internationalen Solidarität zu lösen. <605> 33 Vgl. ebd., Nrn. 32-34; AAS 83(1991)832-836. 66. Was die demographischen Verhältnisse angeht, wird das Suchen nach einer menschlichen Haltung bei den gebotenen Antworten durch die Lehre der Kirche über das Gemeinwohl, den Überfluß und die universale Bestimmung der Güter für alle erhellt. <606> Eine Sicht des universalen Gemeinwohls, die eine wirksame Solidarität unter den Völkern fordern würde, könnte die Bemühungen eines jeden zum Wohle aller leiten. <606> ebd., Nr. 30; AAS 83(1991)830-831. Kein einzelner und keine Nation darf seine bzw. ihre eigenen Interessen über die Erfordernisse des Gemeinwohls der Menschheitsfamilie stellen. 67. Die Kirche lehrt ferner: Die Gerechtigkeit fordert, daß die am meisten Bevorzugten ihren Überfluß mit jenen teilen, denen die zum Leben notwendigen Güter fehlen. <607> CH II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Nr. 69; Johannes Paul II., Sollicitudo rei socialis, Nrn. 28.31; AAS 80(1988)548-550.553-556; Centesimus annus, Nr. 58; AAS 83(1991)863-864. 68. Was die Lehre zur universalen Bestimmung der Güter angeht, so erinnert sie daran, daß nach dem Plan des Schöpfers die Gesamtheit der Güter der Menschheit -eingeschlossen die geistigen und intellektuellen Güter - der gegenwärtigen und künftigen Gemeinschaft der Menschen verfügbar sein soll und daß jede Generation sich als ihr verantwortlicher Verwalter verhalten muß. <608> Vgl. Johannes Paul II., Centesimus annus, Nr. 31; AAS 83(1991)831-832. 69. Das Prinzip der Solidarität gilt auch im Bereich der Bevölkerung. So haben die letzten Päpste zwar darauf hingewiesen, daß die Kirche den öffentlichen Autoritäten im Rahmen ihrer Zuständigkeit hier ein Recht zuerkennt, aber sie betonten ebenso, daß sich der Staat auf diesem Gebiet nicht eine Verantwortung anmaßen darf, die dann den Ehepaaren nicht mehr zukäme. Erst recht darf der Staat keinen Druck und Zwang oder Gewalt anwenden, um die Ehepaare zu veranlassen, sich seinen Auflagen in diesem Bereich zu unterwerfen. <609> Jede autoritäre Bevölkerungspolitik versteckter oder offener Art ist unannehmbar. Es kommt dem Staat im Gegenteil zu, die Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an Mr. Rafael M. Salas, Generalsekretär der internationalen Konferenz 1984 über die Bevölkerung und Exekutivdirektor des Fonds der Vereinten Nationen für die Bevölkerung, 2; Insegnamenti di Giovanni Paolo II, VII.,1(1984)1626-1628; a.a.O. Nrn. 45-49.51.54.55.57.58. 1202 KONGREGATIONEN UND RÄTE Familie und die Freiheit der Eheleute zu schützen, das Leben der Unschuldigen zu garantieren und der Frau, zumal in ihrer Würde als Mutter, Achtung zu verschaffen. <610> Auf diese erstrangigen Aufgaben müssen der Staat und die öffentlichen Autoritäten im allgemeinen ihre Politik ausrichten, insbesondere die Steuer- und Erziehungspolitik. Johannes Paul II., Centesimus annus, Nrn. 39.47.49; AAS 83(1991)841-843.851-852.854-856. 70. Das Subsidiaritätsprinzip gilt ferner für die öffentlichen internationalen Institutionen. Keine von ihnen darf Druck auf die Staaten oder nationalen Gemeinschaften ausüben, um ihnen eine Politik aufzuzwingen, die mit der Achtung vor den Personen und Familien sowie vor der nationalen Unabhängigkeit unvereinbar ist. Diese Institutionen sind aus dem Wunsch entstanden, in Freiheit die Bemühungen aller Nationen um eine gerechtere Gesellschaft zu vereinigen. Sie müssen daher die berechtigte Souveränität der Nationen ebenso achten wie die berechtigte Autonomie der Ehepaare. Es folgt daraus, daß diese Institutionen ihre Zuständigkeit überschreiten würden, wenn sie Staaten dazu veranlaßten, eine demographische Politik zu übernehmen, die sie selbst bestimmt haben, und wenn sie dieser Politik Druckmaßnahmen hinzufügten, um ihre Durchführung zu erleichtern. 71. Man muß auch darauf achten, daß diese Institutionen nicht in den Dienst mächtiger Nationen gestellt werden. Es besteht ferner die Gefahr, daß in den armen Nationen der Verdacht entsteht, daß bestimmte Nationen, die sich der von diesen Institutionen zur Verfügung gestellten Mittel bedienen, auf Weltebene ihre Macht auszuüben suchen. Die Kirche erinnert also an die internationale Pflicht zur Solidarität: die Hilfe für die Armen der ganzen Welt ist für die reichen Völker eine Pflicht der Gerechtigkeit. Sie betont ferner, es wäre ein Skandal, wenn diese Hilfe zwangsmäßig mit unmoralischen Bedingungen verbunden würde, die eine Oberhoheit über das menschliche Leben mit sich bringen könnten. Sie betont weiter, es wäre ein schwerwiegender Mißbrauch der intellektuellen, moralischen und politischen Macht, Antigeburtenkampagnen zu starten - zuweilen mit moralischer oder physischer Gewaltanwendung - als beste Formen der Hilfe von seiten der reichen Nationen für die ärmeren. <611> Man könnte noch die Botschaft an die Organisation der Vereinten Nationen von seiten der Bischöfe Lateinamerikas erwähnen {a.a.O. 59): „Wir sind uns der Tatsache bewußt, daß es in einigen unserer Länder ein Bevölkerungsproblem gibt, aber es ist unannehmbar, zu seiner Überwindung Wege zu beschreiten, die der Ethik widersprechen. Wir können nicht die systematischen Kampagnen zur Geburtenbeschränkung annehmen, die von internationalen und regierungsamtlichen Instituten unternommen werden - recht oft mit Druckmaßnahmen verbunden - die der kulturellen und religiösen Identität unserer Nationen zuwiderlaufen.” 72. Ähnliche Warnungen gelten den privaten internationalen Institutionen. Diese dürften nicht den besonderen Interessen privater Gruppen den Vorrang geben vor den unveräußerlichen Rechten aller Menschen auf Leben, physische Integrität, Erziehung, verantwortliche Freiheit und vor den Rechten aller Völker auf Autonomie und auf eine menschliche Entwicklung in Solidarität. 1203 KONGREGATIONEN UND RÄTE 2. Für Leben und Familie 73. Zwei weitere ethische Prinzipien verdienen Erwähnung, denn von ihnen ausgehend spricht sich die Kirche über demographische Entwicklungen aus: das erste betrifft die sakrale Natur des menschlichen Lebens und die Verantwortung der Eheleute für die Weitergabe des Lebens. Nach dem Bild und Gleichnis Gottes, des Ursprungs allen Lebens geschaffen, sind Männer und Frauen aufgerufen, in der Weitergabe des sakralen Geschenkes des menschlichen Lebens Partner des Schöpfers zu sein. Innerhalb der Gemeinschaft des Lebens und der Liebe, der Ehe nämlich, bilden sie die Familie, die Grundzelle der Gesellschaft. <612> Es entspricht nicht dem Plan Gottes, daß die Eheleute ihre Fruchtbarkeit lähmen oder zerstören durch künstliche Geburtenverhütung oder Sterilisation, und erst recht nicht, daß sie zur Abtreibung greifen, um ihre Kinder vor der Geburt noch zu beseitigen. <613> Vgl. Johannes Paul II., Familiaris consoriio, Nrn. 11.14.28; AAS 74(1982)91-93.96-97.114. ^ Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Nr. 51; Paul VI., Humanae vitae, Nrn. 12-14; AAS 60(1968)488-491; Johannes Paul II., Familiaris consortio, Nrn. 29-31; AAS 74(1982)114-120. Wirklich verantwortliche Vater- und Mutterschaft beginnen mit der Übernahme der Verantwortung des Ehepaares gegenüber dem Urheber und Herrn des Lebens; diese gründet sich daher auf der Hochherzigkeit innerhalb der Ehe und auf der Achtung des Rechtes des ungeborenen Kindes auf Leben. 74. Das zweite Prinzip betrifft das zur Natur der Ehe gehörende Recht auf Elternschaft. In der Charta der Familienrechte stellt die Kirche fest: „Die Eheleute haben das unveräußerliche Recht, eine Familie zu gründen und über den zeitlichen Abstand der Geburten und die Zahl ihrer Kinder zu entscheiden; dabei müssen sie ihre Verpflichtungen gegenüber sich selbst, den bereits geborenen Kindern, der Familie und der Gesellschaft voll berücksichtigen, und dies in einer rechten Hierarchie der Werte und in Übereinstimmung mit der objektiven moralischen Ordnung, die Empfängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung ausschließt.” <614> <614> Charta der Familienrechte, vom Heiligen Stuhl vorgelegt, 22. Oktober 1983, Artikel 3. 75. In dem Maße daher, wie internationale Agenturen auf Zwang oder Täuschung zurückgreifen, verletzen sie nicht nur die Rechte der Männer und Frauen als einzelne, sondern auch die Rechte der Familie. Die Charta der Familienrechte sagt dazu: ,,a) Die Aktivitäten öffentlicher Autoritäten und privater Organisationen, die in irgendeiner Weise versuchen, die Freiheit der Ehepaare in der Entscheidung über die Zahl ihrer Kinder einzuschränken, stellen eine schwere Verletzung der menschlichen Würde und Gerechtigkeit dar. b) In den internationalen Beziehungen darf Wirtschaftshilfe für die Entwicklung der Völker nicht an die Annahme von Programmen für Empfängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung gebunden werden, c) Die Familie hat ein Recht auf Unterstützung durch die Gesellschaft bei der Geburt und Erziehung von Kindern. Jene Ehepaare, die eine große Familie haben, ha- 1204 KONGREGATIONEN UND RÄTE ben ein Recht auf angemessene Hilfe und sollten keiner Diskrimination ausgesetzt werden.” <615> <615> Ebd., Artikel 3a-c. Es wäre nützlich, wenn die Vereinten Nationen eine Charta der Familienrechte veröffentlichen würden. Wie es auch immer im einzelnen um die moralische Erlaubtheit der Politik, die sie verfolgen, bestellt sein mag, die Regierungen besitzen keinerlei Recht, an Stelle der Eheleute über die Zahl der Kinder zu entscheiden, die sie haben können und müssen. Nur die Entdeckung des inneren Wertes der menschlichen Person, der Ehe und der Familie, kann die Menschen ermuntern, für die Annahme von Kindern im Hinblick auf die kommende Welt aufgeschlossen zu sein. 3. Die verantwortliche Entscheidung 76. Frei in der Entscheidung über die Zahl ihrer Kinder, müssen die Eheleute ebenso frei sein, natürliche Methoden der Regelung der Fruchtbarkeit in verantwortlicher Weise und in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche anzuwenden, wenn es ernsthafte Gründe dafür gibt. Diese sind ihrerseits verschieden und verdienen Kenntnis und Verbreitung: <616> Man muß daher den Ehepaaren die Möglichkeit anbieten, ihre verantwortliche Mutter- und Vaterschaft auszuüben. Die künstlichen Mittel der Geburtenkontrolle wie die Sterilisation achten nicht die menschliche Person der Frau und des Mannes, denn sie heben die Fruchtbarkeit auf oder behindern sie, die ein integraler Teil der Person ist. ^ Vgl. Johannes Paul II., Familiaris consortio, Nr. 35; AAS 74(1982)125.126; siehe auch die Schlußerklärung über die natürlichen Methoden der Regelung der Fruchtbarkeit, L'Osservcitore Romano, französische Ausgabe, 2 (12. Januar 1993), 9. Die zu dieser Tagung zusammengekommenen Fachleute sagten: „Die natürlichen Methoden sind leicht zu lehren und zu verstehen. Sie passen sich an alle sozialen Kontexte an und hängen keineswegs vom Niveau der Alphabetisierung ab. Die Gesundheit der Mutter und des Kindes wird gefördert durch einen natürlichen Abstand zwischen den Geburten, der weder die Mutter noch das Kind schädigt. Die natürlichen Methoden bringen auch die Gesundheit des Ehepaares nicht in Gefahr. Die Freiheit und die Rechte der Frau und des Mannes werden dank dieser Methoden geachtet, die sich auf die Frau konzentrieren, und sie gründen sich auf der Achtung vor der Integrität ihres Leibes.” Deshalb hat Papst Johannes Paul II. 1994 in seinem Brief an die Familien zum internationalen Jahr der Familie diese verantwortliche Mutter- und Vaterschaft des Ehepaares wie folgt erklärt: „Sie erleben wegen der mit dem ehelichen Akt verbundenen Zeugungsfähigkeit einen Augenblick besonderer Verantwortung. Die Ehegatten können in jenem Augenblick Vater und Mutter werden, indem sie die Entstehung einer neuen menschlichen Existenz hervorrufen, die sich dann im Schoß der Frau entwickeln wird. Wenn die Frau als erste bemerkt, daß sie Mutter geworden ist, so erfährt durch ihr Zeugnis der Mann, mit dem sie sich zu ,einem Heisch’ vereinigt hat, seinerseits, daß er Vater geworden ist. Für die mögliche und in der Folge tatsächliche Vater- bzw. Mutterschaft sind beide verantwortlich.” <617> ^ Johannes Paul II., Brief an die Familien, 1. Februar 1994, Nr. 12; Katechismus der Katholischen Kirche, Nrn. 2366-2379. 1205 KONGREGATIONEN UND RÄTE Kapitel Kl WEISUNGEN FÜR DIE PRAXIS 77. Zahlreiche über die demographischen Verhältnisse verbreitete Informationen sind mit Vorsicht zu betrachten, d. h. irrig. Angesichts der Zurückhaltung, die diese Informationen erfordern, und angesichts der moralisch unzulässigen Programme zur Bevölkerungskontrolle kann die Kirche weder schweigen noch untätig bleiben. Sie begnügt sich aber auch nicht mit der Übernahme einer grundsätzlichen Haltung gegenüber diesen Mißbräuchen; sie antwortet positiv darauf und handelt in Übereinstimmung mit ihrer Sendung zum Dienst für die Familie, „das Heiligtum des Lebens”. Die Christen müssen vor allem die Wahrheit fördern, zumal wenn diese durch weit verbreitete Schlagworte verdunkelt wird, die keine Grundlage besitzen. 78. Alle sind aufgefordert, sich gegenüber Praktiken als wachsam zu erweisen, die die menschliche Person nicht achten. Wie weit wird in jeder konkreten Situation das Thema der Umwelt ausgebeutet, um eine erzwungene Bevölkerungskontrolle zu rechtfertigen? Wie steht es um die Familienpolitikl Sichert sie wirklich den Ehepaaren eine wahre Freiheit zu? Werden die Fälle kritisiert, wo internationale oder nationale, öffentliche oder private Organisationen die Rechte der einzelnen oder die der Familie verletzen unter dem falschen Vorwand „demographischer Imperative”? In welchem Ausmaß üben internationale Organisationen auf die Staaten Druck aus, um ihre Zustimmung zu einer Politik der Bevölkerungskontrolle zu erhalten, die mit der berechtigten Souveränität der Nationen unvereinbar ist? 79. Bestimmte Prioritäten legen sich zweifellos nahe. Sie erfordern ein rasches Handeln: - Die vielfältigen Versuche der Ideologie der „Bevölkerungskrise”, die internationale Instanzen und Regierungsstellen beeinflussen möchten; - Die Anrufung der sogenannten neuen „Rechte der Frau” unter Mißachtung ihrer Berufung, das Leben zu schenken; - Die übertriebene, also mißbräuchliche Berufung auf Umweltprobleme, um eine erzwungene Bevölkerungskontrolle zu rechtfertigen; - Die Versuche, Produkte zur Abtreibung wie RU 486 zu verbreiten, nicht nur in den sogenannten entwickelten Ländern, sondern vor allem in den armen Ländern; - Die allgemeine Verbreitung der Sterilisation; - Die Banalisierung und Verbreitung von Mitteln gegen das Leben wie die Intrauterinpessare („Spirale”); - Die Verletzungen der unveräußerlichen und unverbrüchlichen Rechte der einzelnen und der Familie; - und im allgemeinen: der Mißbrauch der intellektuellen, moralischen und politischen Macht. 1206 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die Kirche erinnert ferner an die Notwendigkeit eines vorrangigen Eintretens gegen unheilvolle Praktiken: Herausforderungen gegen das Leben wie Droge, Pornographie, Gewaltanwendung usw. 1. Eine richtige Kenntnis der Tatsachen 80. Die Christen und alle Menschen guten Willens müssen sich informieren, um zu verstehen, wie sehr die Bevölkerungen in ihrem Zustand und in ihrer Entwicklung verschieden sind. Sie müssen sich gegenüber der Ideologie der „Bevölkerungskrise” kritisch verhalten. Angesichts des Einhämmems über die Medien, das zahlreiche Bewegungen praktizieren, um eine Bevölkerungskontrolle zu erzwingen, sind die Christen und alle Menschen guten Willens dringend aufgefordert, mehr die Tatsache zu berücksichtigen, daß die angewandte Taktik sich ständig auf wirtschaftliche und demographische Informationen beruft, die vereinfacht sind. Sie legen ferner nur Schätzwerte vor, die also ungenau sind. <618> Diese Informationen sind oft vorläufig; es ist daher notwendig, sie zu überprüfen und ständig zu aktualisieren unter Berücksichtigung der Verschiedenheit der aktuellen Situationen in den verschiedenen Ländern und Regionen. Man muß sich ferner der mangelnden Genauigkeit der demographischen Prognosen bewußt sein, die zum Beispiel eine Abweichung von 660 Millionen Einwohnern bei der Schätzung der Weltbevölkerung in zwanzig Jahren dulden. 81. Die Kirche ermuntert alle betroffenen Fachleute und insbesondere die Demographen, Wirtschaftsexperten und Politiker, die wissenschaftlichen Forschungen über die demographischen Verhältnisse zu vertiefen. Alle Verbände und Organisationen, die sich mit der Achtung der menschlichen Person und der Familie befassen, müssen in ihren Überlegungen und Aktionen Raum schaffen für eine richtige Kenntnis der demographischen Gegebenheiten und Verschiedenheiten. Sie müssen sich mit Argumenten der Ideologie entgegenstellen, die Furcht vor dem Leben und der Zukunft verbreitet. Dies betrifft ebenso die Organisationen, die sich in Solidarität für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen. Alle Bildungsinstitute sind ihrerseits eingeladen, in ihre Programme auch eine systematische und kritische Reflexion über die demographischen Verhältnisse aufzunehmen. Diese Bemühungen müssen vervollständigt werden durch den Willen zu objektiver Informierung der Meinungsführer, der Medien und ebenso der öffentlichen Meinung. 2. Familienpolitik 82. Jede territoriale Autorität, also auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene, muß eine Familienpolitik besitzen, die den Familien eine freie Übernahme ihrer Verantwortung in der Gesellschaft von heute und in der Folge der Generationen erlaubt. Diese Familienpolitik muß verschiedene Mittel für die Regelung der 1207 KONGREGATIONEN UND RÄTE Arbeit, die Anpassung der Steuerpolitik, den Zugang zu einer Wohnung, zur Erziehung usw. anwenden. Zu dieser Familienpolitik muß außerdem der Kampf gegen den „geburtenfeindlichen Imperialismus” gehören, den die Delegation des Heiligen Stuhles schon 1974 auf der internationalen Konferenz über Bevölkerungsfragen in Bukarest kritisiert hat. Dieser „geburtenfeindliche Imperialismus”, der die religiösen und kulturellen Traditionen des Familienlebens verletzt, tut der Freiheit der Personen und der Ehepaare Gewalt an und beeinträchtigt durch sie die Familien und die Nationen. 83. Für die Förderung einer gerechten Familienpolitik sind ebenfalls die nationalen oder internationalen Verbände und Organisationen öffentlicher oder privater Art verantwortlich. Im Interesse einer Verbreitung von solidarischen menschlichen Gemeinschaften ist die Familienpolitik unerläßlich, wenn diese Grundzellen, die die Familien sind, zur Entwicklung der ganzen Gemeinschaft der Menschen beitragen sollen. Subjekte und Vorkämpfer einer echten Familienpolitik sind nicht nur die Politiker und Gesetzgeber, sondern in besonderer Weise auch die Eltern und Familien selbst. <619> Vgl. Johannes Paul II., Familiaris consortio, Nrn. 47.48; AAS 74(1982)139.140. 3. Gerechtigkeit für die Frauen 84. Die Kirche empfiehlt ferner die Einführung einer Politik, welche die Achtung vor der menschlichen Eigenart der Frau als Person, Gattin und Mutter achtet. Die Frauen leiden als erste psychisch und physisch unter den Kampagnen, die sich von der Ideologie der demographischen Angst leiten lassen. In solchen Kampagnen wird ein falscher Begriff von der „zeugungsbezogenen Gesundheit” der Frau verwendet, um verschiedene Methoden der Empfängnisverhütung oder der Abtreibung zu fördern, die nicht nur das Leben des ungeborenen Kindes beseitigen, sondern auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit der Frauen haben und sogar ihr Leben in Gefahr bringen können. Die Ideologie der demographischen Angst schreibt der Frau in ihrer mütterlichen Dimension Schuld zu und verschweigt die Tatsache, daß sie gerade durch diese Dimension ihren wesentlichen und unersetzlichen Beitrag für die Gesellschaft leistet. Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich nämlich in ihrer Achtung vor der Frau. Eine Gesellschaft, welche die Annahme des Kindes verachtet, verachtet das Leben und die Frau. Aus diesem Grund muß alles geschehen, damit die Frauen ihrer Verantwortung nachkommen und nach ihrem eigenen Verständnis ihre familiären, beruflichen, verbandlichen und sozialen Aufgaben in Übereinstimmung bringen können. Das ist aber nur möglich, wenn die gleiche Würde von Mann und Frau tatsächlich anerkannt wird. Vor allem müssen sich die Frauen ausdrücken und Bewegungen 1208 KONGREGATIONEN UND RÄTE ins Leben rufen können, um so in der Gesellschaft mehr Anerkennung zu erreichen und ihren Platz besser auszufüllen. <620> <620> Johannes Paul II., Laborem exercens, Nr. 19; AAS 73( 1981 )625; Familiaris consortio, Nrn. 22-24; /1,1V 74( 1982) 106-110; Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, 15. August 1988, Nrn. 19.30; AAS 80(1988)1693-1697 1724-1727. 4. Kein Kompromiß möglich 85. Es kommt vor, daß Organisationen für die Bevölkerungskontrolle mit unerlaubten Mitteln bewußt die Christen in ihren Tätigkeiten bloßstellen. So kann es sein, daß Christen zur Beteiligung an Projekten oder Aktionsprogrammen eingeladen werden, die sehr allgemein formulierte Anliegen, wie zum Beispiel die Entwicklung oder die Umwelt fördern wollen. Das eigentliche Ziel dieser Initiativen ist jedoch die Förderang der Ideologie der Furcht vor dem Leben („antilife-mentality”). Die Christen sollen so irregeleitet oder in „ungleiche Gespanne” eingefügt werden. <621> Sie müssen sich daher als wachsam, klug und mutig erweisen. Sie müssen zum Zeugnisgeben bis zum Martyrium bereit sein für den Wert, den jeder Mensch in den Augen Gottes besitzt. <622> <621> Vgl. 2 Kor 6,14- <622> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor, 6. August 1993, Nrn. 90-94; AAS 85(1993)1205-1208. Hirtenbriefe können den Gläubigen bei der Erkenntnis der moralischen Probleme helfen, die in diesem Zusammenhang die demographischen Entwicklungen stellen, und sie können dann ihr Handeln dementsprechend gestalten. SCHLUSS 1. Entwicklung, Ressourcen und Bevölkerung 86. Die Verschiedenheit und Vielschichtigkeit der demographischen Entwicklungen der verschiedenen Völker der Welt läßt sich nicht, wie es allzuoft geschieht, in einprägsamen aber summarischen Formeln zusammenfassen. Im übrigen trägt die Wachstumsrate der Weltbevölkerung, die ein Durchschnittswert darstellt, ihrer Natur nach nicht der Verschiedenheit der Situationen Rechnung. Sie geht zudem zurück, nachdem sie ihren Höhepunkt in den Jahren 1965-1970 erreicht hatte. Die durchschnittlichen Prognosen für das 21. Jahrhundert der Organisationen sprechen im übrigen, wenn man die Gesamtheit der Bevölkerung der verschiedenen Länder betrachtet, von einem dreimal niedrigere Wachstum gegenüber dem, das für das 20. Jahrhundert festgestellt wurde. Dies zeigt, daß die Möglichkeiten der Erde weithin ausreichen, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Papst Johannes Paul II. hat nachdrücklich betont: „Die wichtigste Ressource des Menschen ist in der Tat zusammen mit der Erde der Mensch selbst. Sein Verstand entdeckt die Produktivkraft der Erde und die Vielfalt der Formen, wie die 1209 KONGREGATIONEN UND RÄTE menschlichen Bedürfnisse befriedigt werden können.” <623> Der Papst verdeutlicht dann seinen Gedanken und faßt ihn zusammen: „Der Mensch ist sich selbst von Gott geschenkt worden.” <624> Es liegt also beim Menschen, der verantwortliche und kreative Verwalter der Güter zu sein, die der Schöpfer ihm zur Verfügung gestellt hat. Johannes Paul II., Centesimus annus, Nr. 32; AAS 83(1991)833. Ebd., Nr. 38; AAS 83(1991)841. 87. In ihrer Lehre berücksichtigt die Kirche die Tatsache der demographischen Entwicklungen. Doch die Kampagnen, die Angst vor der Zukunft erzeugen, sind eine Anfrage an sie. Die Förderer dieser Kampagnen haben aber nicht die Logik der langfristigen demographischen Mechanismen erkannt, und vor allem nicht das, was die Demographie den „demographischen Übergang” nennt. <625> Angesichts dieser Kampagnen befaßt sich die Kirche vor allem sehr ernsthaft mit der Förderung der Gerechtigkeit zugunsten der am meisten Schutzlosen. Bestimmte Gruppen fördern die Bevölkerungskontrolle als Zwangsmaßnahme durch Empfängnisverhütung, Sterilisierung und sogar durch Abtreibung; sie glauben, in diesen Praktiken „die Lösung” der Probleme zu besitzen, die sich durch die verschiedenen Formen der Unterentwicklung stellen. Da diese Empfehlung von den wohlhabenden Nationen herkommt, erscheint sie als Ausdruck der Ablehnung der Reichen, die eigentlichen Gründe der Unterentwicklung zu beseitigen. Die zur Verminderung der Geburten empfohlenen Methoden rufen zudem noch schädlichere Wirkungen hervor als die Übel, für die sie eine Heilung anzubieten beanspruchen. Dieser Schaden läßt sich vor allem auf der Ebene der Menschen- und Familienrechte feststellen. A.a.O., Nr. 5. 2. Solidarität mit der Familie 88. Erst wenn die Rechte der Familie anerkannt und gefördert werden, kann es eine echte Entwicklung geben, die die Frauen und Kinder achtet und der reichen Verschiedenheit der Kulturen gerecht wird. Im Rahmen dieser echt menschlichen Entwicklung bleibt es eine grundlegende moralische Wahrheit, die sich weder durch Gesetze noch durch demographische Politik, ob sie nun offen erklärt oder heimlich durchgeführt wird, ändern läßt. Diese gmndlegende Wahrheit lautet: Menschliches Leben muß von seiner Empfängnis an bis zu seinem natürlichen Tod geachtet werden. Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich nicht nur in der Achtung, die sie der Frau entgegenbringt; sie zeigt sich auch in der Achtung oder Verachtung, die sie dem Leben und der Würde des Menschen gegenüber erweist. In Centesimus annus hat Johannes Paul II. verdeutlicht, daß diese Achtung für das Leben in der Familie herrschen muß. „Die Familie muß wieder als das Heiligtum des Lebens angesehen werden. Sie ist in der Tat heilig: Sie ist der Ort, an dem das 1210 KONGREGATIONEN UND RATE Leben, Gabe Gottes, in angemessener Weise angenommen und gegen die vielfältigen Angriffe, denen es ausgesetzt ist, geschützt wird und wo es sich entsprechend den Forderungen eines echten menschlichen Wachstums entfalten kann. Gegen die sogenannte Kultur des Todes stellt die Familie den Sitz der Kultur des Lebens dar.” <626> Johannes Paul II., Centesimus annus, Nr. 39; AAS 83(1991)842. 89. Wenn sie die Familie als „Heiligtum des Lebens” und „Sitz der Kultur des Lebens” entdecken, können Männer und Frauen sich von der „Kultur des Todes” frei machen. Diese beginnt mit der „kinderfeindlichen Mentalität”, die in der Ideologie der aufgezwungenen Bevölkerungskontrolle so weiterentwickelt wurde. Die Ehepaare und die Gesellschaft müssen in jedem Kind ein erwünschtes Geschenk sehen, das ihnen der Schöpfer macht, ein kostbares Geschenk, das sie in Freude annehmen und heben müssen. <627> <627> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Nr. 50. Zugleich mit den Bemühungen um Einleitung einer Familienpolitik muß der jedem Kind innerlich anhaftende Wert als menschliches Wesen betont werden. Angesichts der demographischen Entwicklungen ist der Mensch aufgefordert, die Talente auszunützen, die der Schöpfer einem jeden zu seiner persönlichen Entwicklung gegeben hat, um zugleich in einzigartiger Weise zur Entwicklung der Gesellschaft beizutragen. Letztlich hat Gott den Menschen nur geschaffen, um ihn in seinen Plan des Lebens und der Liebe einzufügen. Die oben zitierten Worte von Paul VI. müssen die Verantwortlichen der Nationen weiter ansprechen: „Eure Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, daß das Brot auf dem Tisch der Menschheit genügend reichlich vorhanden ist, nicht aber eine künstliche Geburtenkontrolle zu fördern, die irrational wäre, weil sie die Zahl der Tischgenossen am Mahl des Lebens vermindert.” <628> <628> ° Paul VI., Ansprache vor der Versammlung der UNO, Nr. 6; AAS 57(1965)883. Alfonso Kardinal Lopez Trujillo Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie Bischof Elio Sgreccia Sekretär KONGREGATIONEN UND RÄTE Die Präsenz der Kirche an der Universität und in der universitären Kultur Kongregation für das katholische Bildungswesen, Päpstlicher Rat für die Laien, Päpstlicher Rat für die Kultur vom 22. Mai 1994 Vorbemerkung: Natur, Ziel, Adressaten Die Universität und die universitäre Kultur im weiteren Sinn stellen eine Wirklichkeit von entscheidender Bedeutung dar. In diesem Milieu geht es um vitale Fragen; tiefgehende kulturelle Veränderungen rufen neue Herausforderungen hervor. Die Kirche muß auf diese Herausforderungen in ihrer Sendung, das Evangelium zu verkünden, antworten. <629> Ein Beispiel für diese pastorale Sorge des Lehramtes des Lehramtes der Kirche sind die Ansprachen Seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. an die Universitäten. Vgl. Giovanni Paolo II: Discorsi alle Universitä, Camerino 1991. Für eine besonders bedeutsame Zusammenfassung in dieser Hinsicht siehe die Ansprache an die Teilnehmer des Arbeitstreffens über das Thema der Hochschulseelsorge, in: Insegnamenti di Giovanni Paolo II, V/l, 1982, pp.771-781. Im Lauf ihrer Ad-limina-Besuche haben viele Bischöfe ihre Sorge ausgedrückt sowie ihren Wunsch geäußert, Hilfen zu erhalten, um sich bislang unbekannten Problemen stellen zu können, deren Neuheit und Schärfe manchmal die Verantwortlichen überraschen, die üblichen pastoralen Methoden oft unwirksam machen und den hochherzigsten Eifer entmutigen. Verschiedene Diözesen und Bischofskonferenzen haben Überlegungen und pastorale Initiativen entwickelt, die bereits Elemente für Antworten bereitstellen. Darüber hinaus stellen sich religiöse Gemeinschaften und apostolische Bewegungen mit erneuerter Bereitschaft den Herausforderungen der Seelsorge an der Universität. Um diese Initiativen der Allgemeinheit zugänglich zu machen und umfassende Maßnahmen angesichts dieser Herausforderung zu ergreifen, haben die Kongregation für das Katholische Bildungswesen, der Päpstliche Rat für die Laien und der Päpstliche Rat für die Kultur erneut Bischofskonferenzen, Ordensinstitute und kirchliche Organisationen und Bewegungen konsultiert. Eine erste Zusammenfassung dieser Konsultation wurde am 28. Oktober 1987 auf der Bischofssynode über Berufung und Sendung der Laien in der Kirche und in der Welt vorgestellt. <630> Diese Dokumentation wurde durch zahlreiche Treffen, wie auch durch die Reaktionen der betroffenen Institutionen auf den publizierten Text und durch die Veröffentlichung von Arbeiten und Forschungen über die Tätigkeit der Christen in der Welt der Universität bereichert. Diese Zusammenfassung, die von Kardinal Paul Poupard im Namen der drei Dikasterien öffentlich vorgestellt wurde, ist am 25. März 1988 publiziert und in verschiedenen Sprachen veröffentlicht worden. Vgl. La Documentaüon CathoUque, n. 1964, 19 juin 1988, pp.623-628; Origins, vol. 18, n. 7, june 30, 1988, pp. 109-112; Ecclesia, n. 2381, 23 de julio 1988, pp.1105-1110; La Civilta Cattolica, an. 139, 21 maggio 1988, n. 3310, pp.364-374. 1212 KONGREGATIONEN UND RÄTE All dies hat es ermöglicht, eine Anzahl von Konstanten festzustellen, genaue Fragen zu formulieren und, ausgehend vom apostolischen Leben der im universitären Milieu engagierten Personen, einige Orientierungslinien zu entwerfen. Das vorliegende Dokument versteht sich, indem es die bedeutendsten Fragen und Initiativen aufgreift, als Reflexions- und Arbeitshilfe im Dienst an den Ortskirchen. Die ersten Adressaten sind die Bischofskonferenzen, vor allem jene Bischöfe, die direkt von der Tätigkeit von Universitäten oder Hochschulen in ihrer Diözese betroffen sind. Aber die Feststellungen und die vorgelegten Orientierungen richten sich in gleicher Weise an all jene, die unter der Leitung der Bischöfe an der Seelsorge an der Universität teilhaben: Priester, Laien, Orden, kirchliche Bewegungen. Indem dieses Dokument Vorschläge für die „Neu-Evangelisierung” macht, will es eine vertiefte Reflexion seitens aller betroffenen Personen und eine erneuerte Pastoral anregen. Eine dringende Notwendigkeit Seit ihren Anfängen ist die Universität eine der bedeutendsten Formen, in denen sich die pastorale Sorge der Kirche ausdrückt. Ihre Entstehung ist mit der Entwicklung von Schulen verbunden, die im Mittelalter von Bischöfen großer Diözesen errichtet wurden. Während die frühe Geschichte der Universität zu einer immer größeren Verselbständigung der „Universitas magistrorum et scholarium” führte, hat die Kirche ihr nicht weniger jene Sorge weiter zugewandt, die am Anfang dieser Institution stand. <631> In der Tat, die Präsenz der Kirche an der Universität ist niemals ein Ziel, das mit der Sendung der Kirche, den Glauben zu verkünden, nur äußerlich zu tun hätte. „Die Synthese zwischen Kultur und Glaube ist nicht nur ein Eifordernis der Kultur, sondern auch des Glaubens ... Ein Glaube, der nicht Kultur wird, ist kein voll angenommener, ganz durchdachter und treu gelebter Glaube”.4 Der Glaube, den die Kirche verkündet, ist ,fides quaerens intellectum”, ein Glaube, der danach verlangt, Denken und Herz des Menschen zu durchdringen, durchdacht zu werden, damit er gelebt werden kann. Die kirchliche Präsenz wird sich deshalb nicht auf kulturelle und wissenschaftliche Initiativen beschränken. Sie muß sich als wirksame Möglichkeit einer Begegnung mit Christus darbieten. Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Ex Corde Ecclesiae, 15. August 1990, Nr. 1. Johannes Paul II., Schreiben zur Errichtung des Päpstlichen Rates für die Kultur, 20. Mai 1982; AAS 74(1983)683-688. Die Präsenz und die Sendung der Kirche in der universitären Kultur nehmen, konkret gesagt, unterschiedliche und einander ergänzende Formen an. In erster Linie stellt sich die Aufgabe, die Katholiken, die an der Universität als Professoren, Studenten, Forscher oder Mitarbeiter engagiert sind, zu unterstützen. Die Kirche sorgt sich darum, das Evangelium all jenen an der Universität zu verkünden, die es noch nicht kennen und bereit sind, es frei anzunehmen. Ihre Tätigkeit wird auch in einem 1213 KONGREGATIONEN UND RÄTE ehrlichen Dialog und einer echten Zusammenarbeit mit all den Mitgliedern der universitären Gemeinschaft wirksam, die sich um die kulturelle Förderung des Menschen und die kulturelle Entwicklung der Völker sorgen. Eine solche Perspektive verlangt von den Trägem der Seelsorge, die Universität als ein spezifisches Milieu mit den ihm eigenen Problemen zu begreifen. Der Erfolg ihres Engagements hängt in der Tat zu einem großen Teil von den Beziehungen ab, die sie zu diesem Milieu unterhalten, Beziehungen, die sich manchmal erst im Anfangsstadium befinden. Die Seelsorge an der Universität verbleibt faktisch oft am Rand der ordentlichen Seelsorge. So ist es auch notwendig, daß die ganze christliche Gemeinschaft sich ihrer pastoralen und missionarischen Verantwortung gegenüber der Welt der Universität bewußt wird. I. Die Situation der Universität Im Lauf eines halben Jahrhunderts hat die Institution der Universität eine bemerkenswerte Veränderung durchgemacht, deren Charakteristika dennoch weder für alle Länder zu verallgemeinern noch gleichermaßen auf alle akademischen Zentren derselben Region anzuwenden sind. Denn jede Universität ist abhängig von ihrem historischen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und poütischen Kontext. Diese große Vielfalt erfordert eine kluge Anpassung der Formen kirchlicher Präsenz. 1. In zahlreichen Ländern, besonders in bestimmten entwickelten Ländern, zeigen sich nach der Protestbewegung der Jahre 1968-1970 und der institutionellen Krise, die die Universität in eine gewisse Verwirrung gestürzt hat, mehrere positive und negative Tendenzen. Konfrontationen und Krisen, im besonderen der Zusammenbruch von einstmals herrschenden Ideologien und Utopien, haben tiefe Spuren hinterlassen. War die Universität noch vor kurzer Zeit für Privilegierte reserviert, so hat sie sich weithin einer breiten Allgemeinheit geöffnet, sowohl im Grundstudium wie in der Weiterbildung. Dies ist ein wichtiges und bedeutendes Zeichen der Demokratisierung des sozialen und kulturellen Lebens. In vielen Fällen ist der Zustrom von Studenten so stark, daß sich die Infrastruktur, die Mittel und selbst die traditionellen Methoden des Unterrichts als ungenügend erweisen. Darüber hinaus haben Phänomene unterschiedlicher Natur in bestimmten kulturellen Kontexten wesentliche Veränderungen in der Position der Lehrenden bewirkt, die zwischen Isolierung und Kollegialität, Vielfalt des professionellen Engagements und Familienleben, ihre akademische und soziale Stellung, ihre Autorität und ihre Sicherheit schwinden sehen. Auch die konkrete Situation der Studenten erweckt tiefe Beunruhigung. In der Tat fehlen oft Strukturen der Aufnahme, der Begleitung und des gemeinsamen Lebens. Deshalb leiden viele von ihnen, fern von ihren Familien in einer ihnen kaum bekannten Stadt, unter Einsamkeit. Außerdem sind in vielen Fällen die Beziehungen zu den Professoren sehr reduziert, und die Studenten sehen sich vor Orientierungsprobleme gestellt, die sie überfordem. Manchmal ist das Milieu, in das sie sich einfügen müs- 1214 KONGREGATIONEN UND RÄTE sen, vom Einfluß sozio-politischer Verhaltensweisen und von der Forderung nach unbegrenzter Freiheit in allen Bereichen der Forschung und des wissenschaftlichen Experimentierens gekennzeichnet. Schließlich sind die jungen Studenten in vielen Lebensbereichen mit der Ausbreitung eines relativistischen Liberalismus konfrontiert, eines wissenschaftlichen Positivismus sowie eines gewissen Pessimismus hinsichtlich ihrer beruflichen Perspektiven, die durch die ökonomische Krise unsicher geworden sind. 2. Anderswo hat die Universität einen Teil ihres Ansehens verloren. Die Zunahme an Universitäten und ihre Spezialisierung haben eine sehr unausgewogene Situation geschaffen: bestimmte Universitäten erfreuen sich eines ungebrochenen Ansehens, andere bieten mit Mühe einen mittelmäßigen Unterricht. Die Universität hat nicht mehr das Monopol der Forschung in Bereichen, in denen sich spezialisierte Institute und private oder öffentliche Forschungszentren auszeichnen. All dies fügt sich in jeder Hinsicht in ein bestimmtes kulturelles Klima ein, in die „akademische Kultur” nämlich, die eine charakteristische , forma mentis” erzeugt: die Bedeutung, die der argumentativen Kraft der Beweisführung zuerkannt wird, die Entwicklung eines kritischen Geistes, ein hoher Grad an fachspezifischen Informationen und zugleich Mangel an einer Synthese, selbst innerhalb begrenzter Perspektiven. 3. In dieser in Veränderung begriffenen Kultur mit einem Wahrheitsanspruch und einer Haltung des Dienstes zu leben, die dem christlichen Ideal entsprechen, ist manchmal schwierig geworden. War es früher ein unbestreitbarer sozialer Aufstieg, wenn man Student oder, mehr noch, Professor wurde, so entfalten sich heute die universitären Studien in einem Kontext, der oft durch neue materielle oder moralische Schwierigkeiten gekennzeichnet ist, die sich rasch zu menschlichen und geistigen Problemen mit unvorhergesehenen Konsequenzen umformen. 4. In zahlreichen Ländern begegnet die Universität großen Schwierigkeiten in ihrem Bemühen um unaufhörliche Erneuerung, das von der Evolution der Gesellschaft, der Entwicklung neuer Bereiche des Wissens und von den Anforderungen einer Ökonomie in der Krise hervorgerufen wird. Die Gesellschaft wünscht eine Universität, die ihren spezifischen Bedürfnissen, besonders jenem, Arbeit für alle zu finden, entspricht. Auf diese Weise hält die industrielle Welt mit ihren spezifischen Erfordernissen rascher und sicherer technischer Leistung auf bemerkenswerte Weise Einzug in die Universität. Diese „Professionalisierung”, deren positive Auswirkungen nicht geleugnet werden können, fügt sich jedoch nicht immer in eine „universitäre” Ausbildung ein, im Hinblick auf den Sinn für Werte, die Berufsethik und die Konfrontation mit anderen Disziplinen, die die notwendige Spezialisierung ergänzen. 5. Im Gegensatz zur „Professionalisierung” bestimmter Institute begnügen sich zahlreiche Fakultäten, besonders die für Geschichte und Sprachen, Philosophie, politische Wissenschaften oder Recht, damit, eine allgemeine Ausbildung in 1215 KONGREGATIONEN UND RÄTE ihrer eigenen Disziplin anzubieten, ohne sich um eventuelle berufliche Aussichten ihrer Studenten zu kümmern. In nicht wenigen Ländern einer mittleren Entwicklungsstufe benützen die Regierungen die Universitäten als Abstellplätze”, um die durch die Jugendarbeitslosigkeit entstandenen Spannungen zu verringern. 6. Außerdem drängt sich eine Feststellung auf. In zahlreichen Ländern sieht sich die Universität, die von ihrem Sinn her berufen ist, eine erstrangige Rolle in der Entwicklung der Kultur zu spielen, vor zwei sich widerstreitende Risiken gestellt: entweder passiv die herrschenden kulturellen Einflüsse über sich ergehen zu lassen, oder in bezug auf die herrschende Kultur an den Rand gedrängt zu werden. Es ist für die Universität schwierig, dieser Situation zu begegnen, weil sie oft aufgehört hat, eine „Gemeinschaft von Studierenden und Lehrenden auf der Suche nach Wahrheit” zu sein, um vielmehr ein reines Instrument in den Händen des Staates und der herrschenden wirtschaftlichen Kräfte zu werden, mit dem ausschließlichen Ziel, die technische und professionelle Vorbereitung von Spezialisten sicherzustellen, ohne der erzieherischen Bildung der Person jenen zentralen Platz einzuräumen, der ihr zusteht. Außerdem - und diese Situation bleibt nicht ohne schwerwiegende Folgen - besuchen viele Studenten die Universität, ohne dort eine menschliche Formung vorzufinden, die in der Lage wäre, ihnen zur notwendigen Unterscheidungsgabe im Hinblick auf den Sinn des Lebens, die Begründung und die Verwirklichung von Werten und Idealen zu verhelfen. So leben sie in einer Unsicherheit, die von der Sorge um ihre Zukunft noch verstärkt wird. 7. In den Ländern, die einer materialistischen und atheistischen Ideologie unterworfen waren oder es noch immer sind, hat diese die Forschung und die Lehre durchdrungen, besonders in den Bereichen der Humanwissenschaften, der Philosophie und der Geschichte. Aus diesem Grund hat das Denken selbst in bestimmten Ländern, die radikale Veränderungen auf politischer Ebene erlebt haben, sich nicht die genügende Freiheit erworben, um die erforderlichen Unterscheidungen bezüglich der herrschenden geistigen Strömungen zu treffen und sich über die oft verborgene Anwesenheit eines relativistischen Liberalismus im klaren zu sein. Es verbreitet sich sogar ein gewisser Skeptizismus hinsichtlich der Idee der Wahrheit selbst. 8. Überall läßt sich eine große Vervielfältigung der Wissensgebiete feststellen. Die verschiedenen Disziplinen haben es erreicht, ihr eigenes Feld für ihre Untersuchungen und ihre Aussagen abzugrenzen und die legitime Komplexität und die Vielfalt ihrer Methoden anzuerkennen. Ein Risiko zeichnet sich immer mehr ab: daß sich nämlich Forscher, Professoren und Studenten in ihren eigenen Wissensbereich einschließen und sich mit einem fragmentarischen Ausschnitt der Wirklichkeit begnügen. 9. In bestimmten Disziplinen gewinnt ein neuer Positivismus ohne ethischen Bezug an Einfluß: Wissenschaft um der Wissenschaft willen. Die „utilitaristische” Ausbildung hat Vorrang vor einem ganzheitlichen Humanismus. Dies führt dazu, daß die 1216 KONGREGATIONEN UND RÄTE Bedürfnisse und die Erwartungen der Person vernachlässigt und die entscheidendsten Fragen ihrer personalen und sozialen Existenz unterdrückt oder totgeschwiegen werden. Die Entwicklung der technischen Wissenschaften im Bereich der Biologie, der Kommunikation und der Mechanisierung ruft neue und entscheidende ethische Fragen hervor. Je mehr der Mensch fähig wird, die Natur zu beherrschen, desto mehr wird er von der Technik abhängig, und um so mehr hat er es nötig, um seine eigene Freiheit zu ringen. Dies stellt neue Anfragen an die Perspektiven und die epi-stemologischen Kriterien der verschiedenen Wissenschaften. 10. Die Verbreitung von Skeptizismus und Indifferenz, die durch ein säkularisiertes Umfeld verursacht werden, geht gleichzeitig einher mit einer neuen religiösen Frage mit unbestimmten Konturen. In diesem Klima, das durch Unsicherheiten der geistigen Orientierung von Professoren und Studenten gekennzeichnet ist, stellt die Universität manchmal ein Milieu dar, in dem sich aggressive nationalistische Verhaltensweisen entwickeln. Doch weicht in manchen Situationen das Klima des Protestes einem Klima des Konformismus. 11. Die Entwicklung von Formen des universitären „Fernunterrichts” oder von „F er nsehkollegs” macht Informationen einer größeren Zahl zugänglich, aber der persönliche Kontakt zwischen Professor und Student läuft Gefahr, zugleich mit der menschlichen Formung, die an diese unersetzliche Beziehung gebunden ist, zu verschwinden. Manche gemischte Formen verbinden auf kluge Weise Fernunterricht und gelegentliche Beziehungen zwischen Professor und Student und könnten ein gutes Mittel sein, um die universitäre Bildung weiterzuentwickeln. 12. Die inter-universitäre und die internationale Zusammenarbeit kennt einen echten Fortschritt, wobei die entwickelteren akademischen Zentren den weniger fortgeschrittenen helfen können, manchmal, aber nicht immer, zum Vorteil der letzteren. Die großen Universitäten können in der Tat eine gewisse technische, aber auch ideologische „Einwirkung” über die Grenzen ihres Landes hinaus ausüben, zum Nachteil der weniger begünstigten Länder. 13. Die Stellung, die von Frauen an der Universität eingenommen wird, sowie der allgemein möglich gewordene Zugang zur Universität stellen in bestimmten Ländern bereits eine gut eingeführte Tradition dar; aber anderswo erscheint dies als neue Errungenschaft, als außerordentliche Chance der Erneuerung und als Bereicherung des universitären Lebens. 14. Die zentrale Rolle der Universität in den Entwicklungsprogrammen wird von einer Spannung zwischen dem Streben nach einer neuen, an der Modernität ausgerichteten Kultur, und der Bewahrung und Förderung der traditionellen Kulturen begleitet. Deshalb fehlt der Universität, damit sie ihrer Berufung entsprechen kann, eine „leitende Idee”, ein roter Faden bei ihren vielfältigen Aktivitäten. Hier ist die aktuelle Krise der Identität und der Finalität einer Institution begründet, die ihrem Wesen nach auf die Suche nach der Wahrheit ausgerichtet ist. Die Verwirrung des 1217 KONGREGATIONEN UND RÄTE Denkens und der Mangel an grundlegenden Kriterien verhindern das Zustandekommen von Bildungsvorschlägen, die geeignet sind, sich mit den neuen Problemen auseinanderzusetzen. Trotz ihrer Unvollkommenheiten bleibt die Universität, von ihrer Berufung her, gemeinsam mit anderen Hochschulinstitutionen ein privilegierter Ort der Ausarbeitung des Wissens und der Bildung. Sie spielt eine grundlegende Rolle bei der Vorbereitung der leitenden Gesellschaftsschichten des 21. Jahrhunderts. 15. Ein neuer pastoraler Außoruch. Die Präsenz der Katholiken an der Universität stellt bereits als solche ein Motiv der Anfrage und der Hoffnung für die Kirche dar: In zahlreichen Ländern ist diese Präsenz in der Tat beeindruckend durch die Zahl und dennoch von relativ bescheidener Wirksamkeit, weil zu viele Professoren und Studenten ihren Glauben als strikte Privatsache betrachten oder den Einfluß ihres universitären Lebens auf ihre christliche Existenz nicht begreifen. Ihre Anwesenheit an der Universität erscheint wie eine „Ausklammerung” aus ihrem Glaubensleben. Manche, selbst Priester oder Ordensleute, gehen so weit, sich im Namen der universitären Autonomie jeder expliziten Bezeugung ihres Glaubens zu enthalten. Andere nützen diese Autonomie, um Lehrmeinungen zu propagieren, die im Widerspruch zur Lehre der Kirche stehen. Der Mangel an Theologen, die in den empirischen Wissenschaften und in der Technik kompetent sind, und an wissenschaftlich spezialisierten Professoren, die über eine gute theologische Ausbildung verfügen, erschwert noch diese Situation. Dies verlangt ganz offenkundig nach einem erneuerten Bewußtsein für einen neuen pastoralen Aufbruch. Außerdem drängt sich, bei aller Wertschätzung lobenswerter Initiativen, die so ziemlich überall unternommen werden, eine Feststellung auf: Die christliche Präsenz an der Universität scheint sich oft auf isoüerte Gmppen, sporadische Initiativen, das gelegentliche Zeugnis bekannter Personen und die Aktivität dieser oder jener Bewegung zu beschränken. II. Die Präsenz der Kirche für die Universität und für die universitäre Kultur 1. Die Präsenz in den Strukturen der Universität Von Christus zu allen Menschen in allen Kulturen gesandt, bemüht sich die Kirche, ihnen die Frohe Botschaft des Heiles mitzuteilen. Als Verwalterin der durch Christus über Gott und den Menschen geoffenbarten Wahrheit ist sie gesandt, durch ihre Verkündigung der Wahrheit den Weg zur authentischen Freiheit zu eröffnen. Gegründet auf den Auftrag Christi bemüht sie sich dämm, die Werte und die kulturellen Ausdmcksweisen zu erhellen, sie im Licht des Glaubens, wenn notwendig, zu läutern und zu reinigen, um sie zu ihrer Sinnfülle zu führen. <632> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis Splendor, Nm. 30-31. 5 1218 KONGREGATIONEN UND RÄTE In der Universität bringt die pastorale Aktivität der Kirche in ihrer reichhaltigen Komplexität vor allem einen subjektiven Aspekt mit sich: die Evangelisierung der Personen. Aus dieser Sicht tritt die Kirche mit konkreten Personen in Dialog: mit Männern und Frauen, Professoren, Studenten, Angestellten, und durch sie auch mit den kulturellen Strömungen, die dieses Milieu charakterisieren. Auch der objektive Aspekt, d. h. der Dialog zwischen dem Glauben und den verschiedenen Wissenschaften, ist dabei nicht zu vergessen. In der Tat ist im Kontext der Universität das Erscheinen neuer kultureller Strömungen eng mit den großen Fragen des Menschen verbunden, mit seinem Wert, mit dem Sinn seines Seins und seines Handelns, und besonders mit seinem Gewissen und seiner Freiheit. Auf dieser Ebene wird es für die katholischen Intellektuellen zur vorrangigen Aufgabe, eine erneuerte und lebendige Synthese zwischen Glaube und Kultur voranzutreiben. Die Kirche darf nicht vergessen, daß sie ihre Aktivität in der je besonderen Situation jedes universitären Zentrums ausübt und daß ihre Präsenz an der Universität ein Dienst ist, den sie den Menschen in ihrer zweifachen Dimension, der persönlichen und der sozialen, leistet. Deshalb unterscheidet sich die Art dieser Präsenz in den verschiedenen Ländern, die ja durch unterschiedliche historische, kulturelle, religiöse und juridische Traditionen gekennzeichnet sind. Im besonderen wird die Kirche dort, wo die Gesetzgebung dies zuläßt, nicht auf ihre institutioneile Aktivität in der Universität verzichten. Sie ist darauf bedacht, die Lehre der Theologie überall, wo sie es kann, zu unterstützen und zu fördern. Auf institutioneller Ebene erhält dabei die Hochschulgemeinde eine besondere Bedeutung in der Universität selbst. Indem sie ein breites Spektrum an intellektueller und zugleich spiritueller Bildung anbietet, stellt sie in der Tat eine bedeutende Hilfe für die Verkündigung des Evangeliums dar. Durch die Aktivitäten der Anregung und der Bewußtseinsbildung, die in der Hochschulgemeinde durchgeführt werden, kann die Universitätsseelsorge darauf hoffen, ihr Ziel zu erreichen, d. h. im universitären Milieu eine christliche Gemeinschaft und ein Engagement missionarischen Glaubens ins Leben zu rufen. Die Orden und die religiösen Kongregationen sichern eine spezifische Präsenz in den Universitäten und tragen durch den Reichtum und die Verschiedenheit ihrer Charismen - vor allem ihres pädagogischen Charismas - zur christlichen Bildung der Lehrenden und der Studierenden bei. In ihren pastoralen Entscheidungen sollen diese religiösen Gemeinschaften, die sehr vom Unterricht im primären und sekundären Bildungsbereich in Anspruch genommen sind, bedenken, was mit ihrer Präsenz an den Hochschulen auf dem Spiel steht, und sich vor jeder Form des Rückzugs hüten, unter dem Vorwand, anderen jene Sendung anzuvertrauen, die ihrer Berufung entspricht. Um akzeptiert zu werden und wirksam zu sein, muß die institutionelle Präsenz der Kirche in der universitären Kultur qualitativ hochstehend sein; oft mangelt es jedoch an Personal und manchmal auch an den erforderlichen finanziellen Mitteln. Diese 1219 KONGREGATIONEN UND RÄTE Situation verlangt eine kreative Anpassung und einen entsprechenden pastoralen Einsatz. 2. Die katholische Universität Unter den verschiedenen institutioneilen Formen, in denen die Kirche in der universitären Welt präsent ist, muß die katholische Universität hervorgehoben werden, die selbst eine Institution der Kirche ist. Die Existenz einer Anzahl wichtiger katholischer Universitäten - äußerst unterschiedlich nach Regionen und Ländern, angefangen von einer breiten Streuung bis hin zum gänzlichen Fehlen - ist in sich selbst ein Reichtum und ein wesentlicher Faktor der Präsenz der Kirche in der universitären Kultur. Dennoch ist dieses „Kapital” oft weit davon entfernt, die Früchte zu bringen, die legitimerweise erwartet werden. Wichtige Hinweise, um die spezifische Rolle der katholischen Universität zu fördern, wurden in der Apostolischen Konstitution „Ex Corde Ecclesiae”, veröffentlicht am 15. August 1990, vorgelegt. Darin wird klargestellt: die institutionelle Identität der katholischen Universität hängt von der gleichzeitigen Verwirklichung ihrer Charakteristika als „Universitär und als „katholisch” ab. Sie gelangt nur dann zu ihrer vollen Verwirklichung, wenn sie es erreicht, ein Zeugnis der Ernsthaftigkeit und des Einsatzes als Mitglied der internationalen Gemeinschaft der Wissenschaften zu geben und zugleich ihre katholische Identität in expliziter Verbundenheit mit der Kirche auf der lokalen wie auf der universalen Ebene auszudrücken, eine Identität, die das Leben, die Dienstleistungen und die Programme der universitären Gemeinschaft konkret bestimmt. So verwirklicht die katholische Universität das Ziel, in institutioneller Form eine christliche Präsenz in der universitären Welt sicherzustellen. Von daher kommt ihre spezifische Sendung, die durch verschiedene, untrennbar verbundene Aspekte gekennzeichnet ist. Um ihre spezifische Aufgabe für die Kirche und für die Gesellschaft zu erfüllen, muß die katholische Universität die wichtigen Probleme unserer Zeit studieren und Lösungsvorschläge erarbeiten, die jene ethischen und religiösen Werte, die einer christlichen Sicht des Menschen entsprechen, konkretisieren. Es folgt sofort die Hochschulseelsorge im eigentlichen Sinn. In dieser Hinsicht ist die katholische Universität kaum mit wesentlich anderen Problemen konfrontiert als mit solchen, mit denen sich auch andere akademische Zentren auseinandersetzen müssen. Dennoch ist es notwendig zu unterstreichen, daß die Frage der Hochschulseelsorge eine akademische Institution, die sich als „katholisch” definiert, in einer ebenso tiefen Weise betrifft, wie es die Ziele selbst sind, die sie sich zu erreichen vornimmt, nämlich die umfassende Bildung der Personen, Männer und Frauen, die im akademischen Kontext zur aktiven Teilnahme am Leben der Gesellschaft und der Kirche gerufen sind. 1220 KONGREGATIONEN UND RÄTE Ein weiterer Aspekt der Sendung der katholischen Universität ist schließlich das Engagement im Dialog zwischen Glaube und Kultur sowie die Entwicklung einer Kultur, die im Glauben verwurzelt ist. Auch wenn darauf hinzuweisen ist, daß überall, wo Getaufte im Leben der Universität engagiert sind, sich eine Kultur in Übereinstimmung mit dem Glauben entwickeln soll, so ist dies im Kontext einer katholischen Universität ein Erfordernis von noch höherer Dringlichkeit. Denn diese ist ja in besonderer Weise aufgerufen, ein bedeutender Gesprächspartner in der akademischen, kulturellen und wissenschaftlichen Welt zu werden. Wie sich deutlich zeigt, findet die Kirche in ihrer Sorge für die Universität - in der Form des unmittelbaren Dienstes an den Personen wie der Evangelisierung der Kultur - in der Einrichtung der katholischen Universität einen unverzichtbaren Bezugspunkt. Die entscheidende Forderung nach einer qualifizierten Präsenz der Getauften in der universitären Kultur wird so zu einem an die ganze Kirche gerichteten Appell, daß sie sich der spezifischen Sendung der katholischen Universität immer klarer bewußt wird und ihre Entwicklung als wirksames Instrument ihres Auftrags zur Evangelisierung fördert. 3. Bereits verwirklichte fruchtbare Initiativen Um auf die Anforderungen zu antworten, die von der universitären Kultur gestellt werden, haben zahlreiche Ortskirchen verschiedene geeignete Maßnahmen getroffen: 1. Die Ernennung von Hochschulseelsorgem durch die Bischofskonferenz, mit einer geeigneten Ausbildung und angemessener Unterstützung. 2. Die Schaffung von vielfältigen diözesanen Arbeitsgruppen für die Hochschulseelsorge, in denen die den Laien eigene Verantwortung wie auch der diözesane Charakter dieser apostolischen Gruppen zur Geltung kommt. 3. Erste Schritte einer pastoralen Bemühung, die sich an die Rektoren der Universitäten und die Professoren der Fakultäten richtet, deren Lebenswelt oft von technisch-professionellen Aspekten beherrscht wird. 4. Initiativen zur Schaffung von Fachbereichen für „religiöse Wissenschaften”, die geeignet sind, neue Perspektiven für die Lehrenden und für die Studenten in Übereinstimmung mit der Förderung der Sendung der Kirche zu eröffnen. In diesen Fachbereichen sollen die Katholiken eine erstrangige Rolle spielen, besonders wenn in der universitären Struktur theologische Fakultäten fehlen. 5. Einrichtung von regulären Vorlesungen über allgemeine Ethik und über Berufsethik an berufsbildenden Schulen und den höheren Bildungseinrichtungen. 6. Förderung dynamischer kirchlicher Bewegungen. Die Hochschulseelsorge erreicht bessere Ergebnisse, wenn sie sich auf Gruppen oder Bewegungen und Verei- 1221 KONGREGATIONEN UND RÄTE nigungen stützt, die manchmal von nur geringer Zahl, aber qualitativ hochstehend sind und die von den Diözesen und den Bischofskonferenzen unterstützt werden. 7. Suche nach einer Hochschulseelsorge, die sich nicht auf eine allgemeine und undifferenzierte Jugendpastoral beschränkt, sondern die von der Tatsache ausgeht, daß zahlreiche Jugendliche von der universitären Umgebung tief beeinflußt werden. Eben dort ereignet sich in großem Maß ihre Begegnung mit Christus und ihr Zeugnis als Christen. Diese Pastoral setzt sich daher zum Ziel, die Jugendlichen zu erziehen und zu begleiten, die ja im Glauben der konkreten Wirklichkeit ihres Umfelds und ihrer Aktivitäten, in denen sie engagiert sind, begegnen müssen. 8. Förderung eines Dialogs zwischen Theologen, Philosophen und Wissenschaftlern, der die Denkweisen tiefgehend zu erneuern und neuen, fruchtbaren Beziehungen zwischen dem christlichen Glauben, der Theologie, der Philosophie und den empirischen Wissenschaften in ihrer konkreten Suche nach der Wahrheit Raum zu geben vermag. Die Erfahrung zeigt es: Die Universitätsangehörigen, Priester und vor allem Laien, befinden sich in vorderster Linie, wenn es gilt, die kulturelle Diskussion über die großen Fragen, die den Menschen, die Wissenschaft und die Gesellschaft betreffen, sowie über die neuen Herausforderungen, die sich dem menschlichen Geist stellen, aufrechtzuerhalten und zu fördern. Im besonderen kommt es den katholischen Lehrenden und ihren Vereinigungen zu, interdisziplinäre Initiativen und kulturelle Begegnungen innerhalb und außerhalb der Universität zu fördern, dabei kritische Methode und Vertrauen in die Vernunft zu verbinden, um so metaphysische Gegebenheiten und wissenschaftliche Ergebnisse mit den Aussagen des Glaubens -in der Sprache der verschiedenen Kulturen - zu konfrontieren. III. Pastorale Vorschläge und Orientierungen 1. Von den Ortskirchen vorgelegte pastorale Vorschläge 1. Eine von bischöflichen Kommissionen dazu durchgeführte Konsultation würde es erlauben, die verschiedenen Initiativen der Hochschulseelsorge und der Präsenz der Christen an der Universität besser zu kennen und ein Dokument mit Orientierungen vorzubereiten, das fruchtbare apostolische Initiativen unterstützt und jene fördert, die sich als notwendig erwiesen haben. 2. Die Errichtung einer nationalen Kommission für Fragen der Universität und der Kultur würde den Ortskirchen helfen, ihre Erfahrungen und Fähigkeiten der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Aufgabe dieser Kommission wäre es, ein Programm von Aktivitäten, Überlegungen und Begegnungen zur Frage Evangelisierung und Kultur für die Seminarien und für die Bildungszentren für Ordensleute und Laien zu erstellen, mit einem ausdrücklich der universitären Kultur gewidmeten Teil. 3. Auf diözesaner Ebene, in den Universitätsorten, wäre die Errichtung einer spezialisierten Kommission angemessen, die aus Priestern, katholischen Universitäts- 1222 KONGREGATIONEN UND RÄTE lehrem und Studenten besteht, die befähigt sind, nützliche Hinweise für die Hochschulseelsorge und die Aktivität der Christen im Bereich der Lehre und der Forschung zu geben. Diese Kommission würde dem Bischof helfen, die ihm eigene Sendung der Anregung und der authentischen Anerkennung der verschiedenen di-özesanen Initiativen auszuüben und sie mit nationalen oder internationalen Initiativen in Verbindung zu bringen. Der Diözesanbischof, dem der pastorale Dienst für seine Ortskirche anvertraut wurde, ist der Erstverantwortliche für die Präsenz und die Seelsorge der Kirche in den staatlichen wie in den katholischen Universitäten sowie in anderen privaten Institutionen. 4. Auf pfarrlicher Ebene wäre es wünschenswert, wenn die christlichen Gemeinschaften, Priester, Ordensleute und alle Gläubigen den Studenten und den Lehrenden größere Aufmerksamkeit schenkten, ebenso wie dem von den Hochschulgemeinden ausgeübten Apostolat. Die Pfarrei ist durch ihre Natur eine Gemeinschaft, in der sich fruchtbringende Beziehungen für einen wirksameren Dienst am Evangelium entwickeln können. Sie spielt eine hochzuschätzende Rolle durch ihre Fähigkeit zur Fürsorge, besonders wenn sie die Gründung und den Betrieb von Studentenheimen und Studentenwohnungen unterstützt. Der Erfolg der Evangelisierung der Universität und der universitären Kultur hängt zu einem großen Teil vom Engagement der gesamten Ortskirche ab. 5. Die Universitätspfarrei ist in verschiedener Hinsicht eine Institution, die noch nie so notwendig war wie heute. Sie setzt die aktive Präsenz eines oder mehrerer Priester voraus, die gut auf dieses spezifische Apostolat vorbereitet wurden. Diese Pfarrei ist ein einzigartiger Ort der Kommunikation mit der akademischen Welt in ihrer ganzen Breite. Sie erlaubt es, Beziehungen mit Persönlichkeiten aus Kultur, Kunst und Wissenschaft zu unterhalten, und stellt zugleich das Hineinwirken der Kirche in dieses Milieu, das in seiner vielgestaltigen Einzigartigkeit so komplex ist, sicher. Als Ort der Begegnung, der christlichen Reflexion und der Bildung, eröffnet sie den Jugendlichen den Zugang zu einer bis dahin unbekannten oder wenig bekannten Kirche und öffnet die Kirche der studierenden Jugend, ihren Fragen und ihrer apostolischen Dynamik. Als privilegierter Ort der liturgischen Feier der Sakramente ist sie vor allem Ort der Eucharistie, Zentrum der ganzen christlichen Gemeinschaft sowie Quelle und Höhepunkt des gesamten Apostolats. 6. Überall, wo es möglich ist, sollte die Hochschulseelsorge fruchtbringende Beziehungen zwischen kathoüschen Universitäten oder Fakultäten und allen anderen Bereichen universitären Lebens durch verschiedene Formen der Zusammenarbeit schaffen oder intensivieren. 7. Die aktuelle Situation stellt einen dringlichen Appell dar, die Ausbildung von qualifiziertem Seelsorgepersonal in den Pfarreien und in den katholischen Bewegungen und Vereinigungen zu organisieren. Sie ruft eindringlich dazu auf, eine langfristige Strategie zu erstellen; denn die kulturelle und theologische Ausbildung ver- 1223 KONGREGATIONEN UND RÄTE langt eine angemessene Vorbereitung. Konkret sind viele Diözesen nicht in der Lage, eine solche Ausbildung auf universitärem Niveau einzurichten und zum Ziel zu fuhren. Werden aber Ressourcen von Diözesen, von spezialisierten Ordensinstituten und Laiengruppen allgemein verfügbar gemacht, wird es möglich sein, diesem Erfordernis zu entsprechen. 8. In allen Situationen geht es darum, die „Präsenz” der Kirche als „plantatio”, d. h. als „Einpflanzung” der christlichen Gemeinschaft in das universitäre Milieu zu verstehen, durch ihr Zeugnis, die Verkündigung des Evangeliums und den Dienst der Liebe. Diese Präsenz wird die „christifideles” reifen lassen und dazu helfen, jenen nahezukommen, die von Jesus Christus fern sind. Aus dieser Sicht erscheint es wichtig, folgendes zu entwickeln und zu fördern: - eine katechetische Pädagogik von „gemeinschaftsstiftendem” Charakter, die unterschiedliche Vorschläge anbietet, und die Möglichkeit differenzierter Wege und Antworten, die den wirklichen Bedürfnissen der konkreten Personen angemessen sind; - eine Pädagogik der persönlichen Begleitung, die gekennzeichnet ist durch Annahme, Verfügbarkeit, Freundschaft, gegenseitige persönliche Beziehungen sowie durch kluge Beurteilung der Situationen, in denen die Studenten leben, und der konkreten Mittel, um diese zu verbessern; - eine Pädagogik der Vertiefung des Glaubens und des geistlichen Lebens, die im Wort Gottes verwurzelt ist sowie im sakramentalen und liturgischen Leben vertieft und mit anderen geteilt wird. 9. Schließlich verlangt die Präsenz der Kirche in der Universität nach einem gemeinsamen Zeugnis aller Christen. Dieses von seiner missionarischen Dimension untrennbare ökumenische Zeugnis stellt einen wichtigen Beitrag für die Einheit der Christen dar. Gemäß den Formen und in den Grenzen, die von der Kirche festgelegt sind, und ohne daß die den katholischen Gläubigen zustehende pastorale Sorge Schaden nimmt, wird diese ökumenische Zusammenarbeit, die eine entsprechende Vorbereitung voraussetzt, in besonderer Weise beim Studium sozialer Fragen und allgemein in der Vertiefung all jener Fragen fruchtbringend sein, die mit dem Menschen und dem Sinn seiner Existenz und seines Handelns verbunden sind. <633> Vgl. Päpstl. Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus, Vatikanstadt 1993, Nrn. 211-216. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über das Apostolat der Laien Apostolicam Actuositatem, Nr. 2. 2. Entwicklung des Apostolats der Laien, besonders der Lehrenden „Die christliche Berufung ist ihrer Natur nach auch eine Berufung zum Apostolat.”1 Diese Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils, angewandt auf die Hochschulseelsorge, ist ein eindringlicher Appell an die Verantwortung der katholischen Lehrenden, Intellektuellen und Studenten. Das apostolische Engagement der Gläu- 1224 KONGREGATIONEN UND RÄTE bigen ist ein Zeichen der Vitalität und des geistlichen Fortschritts der ganzen Kirche. Dieses Bewußtsein einer apostolischen Verpflichtung der Universitätsangehörigen weiterzuentwickeln, geht in die von den pastoralen Orientierungen des Zweiten Vatikanischen Konzils aufgezeigte Richtung. So soll der Glaube im Zentrum der universitären Gemeinschaft zur wirksamen Quelle eines neuen Lebens und einer authentischen christlichen Kultur werden. Die gläubigen Laien erfreuen sich einer legitimen Autonomie, um ihre spezifische apostolische Berufung auszuüben. Um diese zu fördern, sind die Hirten eingeladen, diese Besonderheit nicht nur anzuerkennen, sondern sie eifrig zu unterstützen. Dieses Apostolat entsteht und entwickelt sich ausgehend von beruflichen Beziehungen, von gemeinsamen kulturellen Interessen und vom täglichen gemeinsamen Leben in den verschiedenen Bereichen der universitären Aktivitäten. Das persönliche Apostolat der katholischen Laien ist „Ursprung und Voraussetzung jedes Apostolates der Laien, auch des gemeinschaftlichen, und kann durch nichts ersetzt werden”. <634> Dennoch bleibt es notwendig und dringend, daß die Katholiken, die in der Universität präsent sind, ein Zeugnis der Gemeinschaft und der Einheit geben. In dieser Hinsicht sind die kirchlichen Bewegungen besonders wertvoll. Ebd., Nr. 16. Die katholischen Universitätslehrer spielen eine fundamentale Rolle für die Präsenz der Kirche in der universitären Kultur. Ihre Qualität und ihre Bereitschaft können sogar in manchen Fällen die Unvollkommenheiten der Strukturen ersetzen. Indem das apostolische Engagement des katholischen Lehrers der Wertschätzung der Personen und dem Dienst an ihnen, Kollegen wie Studenten, Priorität einräumt, bezeugt er ihnen den neuen Menschen, „der stets bereit ist, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die ihn erfüllt, aber bescheiden und ehrfürchtig” (vgl. 7 Petr 3,15-16). Die Universität ist sicher ein begrenzter Sektor der Gesellschaft, aber sie übt dort einen Einfluß aus, der ihre quantitative Dimension qualitativ weit übersteigt. Im Gegensatz dazu scheint jedoch die Gestalt des katholischen Intellektuellen aus verschiedenen universitären Bereichen fast verschwunden zu sein, wodurch es den Studenten schmerzlich an echten Lehrmeistern mangelt, deren verläßliche Anwesenheit und Verfügbarkeit für die Studenten eine qualitativ hochstehende kameradschaftliche Begleitung garantiert. Das Zeugnis des katholischen Lehrers besteht sicher nicht darin, daß er die Wissenschaften, die er unterrichtet, mit konfessionellen Themen überlagert, sondern darin, den Horizont für letzte und grundlegende Fragen zu öffnen durch die stimulierende Bereitschaft, dem oft unausgesprochenen Verlangen der Jugendlichen nach Anhaltspunkten und Sicherheit, nach Orientierung und Zielen aktiv nahe zu sein. Ihr zukünftiges Leben in der Gesellschaft hängt davon ab. Mit noch größerem Recht erwarten Kirche und Universität von den Priestern, die als Professoren an der Univer- 1225 KONGREGATIONEN UND RÄTE sität lehren, eine Kompetenz auf hohem Niveau und die aufrichtige Gemeinschaft mit der Kirche. Die Einheit entfaltet sich in der Verschiedenheit, ohne dabei der Versuchung zu erliegen, alle Aktivitäten vereinheitlichen oder gleichschalten zu wollen: Die Unterschiedlichkeit der Anregungen und der apostolischen Mittel ist weit davon entfernt, im Gegensatz zur kirchlichen Einheit zu stehen, sondern fordert und bereichert sie vielmehr. Die Hirten werden den legitimen Charakteristika des universitären Geistes Rechnung tragen: Verschiedenheit und Spontaneität, Respekt vor der persönlichen Freiheit und Verantwortung, Widerstand gegen jede Form aufgezwungener Vereinheitlichung. Es ist richtig, die katholischen Bewegungen oder Gruppen zu ermutigen, die gerufen sind, sich zu vermehren und zu entwickeln, aber es ist ebenso wichtig, die katholischen Laienvereinigungen anzuerkennen und zu beleben, deren universitäres Apostolat sich durch eine lange und fruchtbare Tradition empfiehlt. Ausgeübt durch die Laien, ist das Apostolat in dem Maß fruchtbringend, in dem es kirchlich ist. Bei den Kriterien für eine diesbezügliche Bewertung wird jenes der Kohärenz der verschiedenen Engagements mit der katholischen Lehre und Identität noch durch das der moralischen und beruflichen Vorbildhaftigkeit ergänzt, die eine wirksame Authentizität des Laienapostolates verbürgen, dessen Unterpfand das geistliche Leben ist. Schlußüberlegung Unter den vielen Feldern des Apostolates und der Aktivitäten, für die die Kirche Verantwortung trägt, gehört die universitäre Kultur zu den vielversprechendsten, aber auch zu den schwierigsten. Die apostolische Präsenz und Aktivität der Kirche in diesem besonderen Umfeld - mit einem solchen Einfluß auf das soziale und kulturelle Leben der Nationen, daß von ihm in hohem Maß die Zukunft der Kirche und der Gesellschaft abhängt -, werden auf institutioneller wie auf persönlicher Ebene, und zwar mit entsprechender Unterstützung durch Priester und Laien, durch das Verwaltungspersonal, durch Lehrende und Studierende, ausgeübt. Die Konsultation und die Begegnungen mit zahlreichen Bischöfen und Universitätsangehörigen haben die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen interessierten kirchlichen Stellen klar aufgezeigt. Die Kongregation für das Katholische Bildungswesen, der Päpstliche Rat für die Laien und der Päpstliche Rat für die Kultur erklären erneut ihre Bereitschaft, einen solchen Austausch zu unterstützen und Begegnungen zu fördern, auf der Ebene von Bischofskonferenzen und internationalen katholischen Organisationen, wie auch von Kommissionen für Unterricht, für Erziehung und für Kultur, die in diesem besonderen Bereich tätig sind. Als Dienst an den Personen, die in der Universität engagiert sind, und durch sie als Dienst an der Gesellschaft, fügt sich die Präsenz der Kirche im universitären Milieu in den Prozeß der Inkulturation des Glaubens als Erfordernis der Evangelisierung 1226 KONGREGATIONEN UND RÄTE ein. An der Schwelle eines neuen Jahrtausends, für das die universitäre Kultur eine sehr bedeutsame Komponente darstellen wird, ist die Verpflichtung, das Evangelium zu verkünden, noch dringlicher geworden. Sie ruft nach Glaubensgemeinschaften, die fähig sind, die Frohe Botschaft Christi all jenen zu übermitteln, die sich im Kontext der universitären Kultur bilden, dort lehren und ihre Tätigkeit ausüben. Die Dringlichkeit dieses apostolischen Einsatzes ist groß, denn die Universität ist einer der fruchtbarsten Orte, an denen Kultur geschaffen wird. „Die Kirche weiß um die dringende pastorale Notwendigkeit, der Kultur besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Sie fordert darum die Laien auf, sich mutig und kreativ an den privilegierten Orten der Kultur, wie der Welt der Schulen und Universitäten, der Milieus wissenschaftlicher und technischer Forschung, den Orten des künstlerischen Schaffens und humanistischen Nachdenkens eine Präsenz zu verschaffen. Diese Präsenz soll nicht nur die Elemente der gegenwärtigen Kultur erkennen, kritisch beurteilen und gegebenenfalls läutern, sondern sie mit Hilfe des ursprünglichen Reichtums des Evangeliums und des christlichen Glaubens auf eine höhere Ebene erheben. ” <635> <635> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Cluistifideles laici, Uber die Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt, 30. Dezember 1988, Nr. 44. Vatikanstadt, den 22. Mai, am Pfingstfest 1994 Pio Kard. Laghi Präfekt der Kongregation für das Katholische Bildungswesen Eduardo Kard. Pironio Präsident das Päpstlichen Rates für die Laien Paul Kard. Poupard Präsident das Päpstlichen Rates für die Kultur 1227 KONGREGATIONEN UND RÄTE Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen Kongregation für die Glaubenslehre vom 14. September Exzellenz! 1. Das Internationale Jahr der Familie bietet eine wichtige Gelegenheit, die Zeugnisse der Liebe und der Sorge der Kirche für die Familie wiederzuentdecken <636> und zugleich die unschätzbaren Reichtümer der christlichen Ehe, die das Fundament der Familie bildet, erneut vorzulegen. Vgl. Johannes Paul II., Brief an die Familien (2. Februar 1994), Nr. 3. 2. Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusammenhang die Schwierigkeiten und Leiden jener Gläubigen, die sich in einer irregulären ehelichen Situation <637> befinden. Die Hirten sind aufgerufen, die Liebe Christi und die mütterliche Nähe der Kirche spüren zu lassen; sie sollen sich ihrer in Liebe annehmen, sie ermahnen, auf die Barmherzigkeit Gottes zu vertrauen, und ihnen in kluger und taktvoller Weise konkrete Wege der Umkehr und der Teilnahme am Leben der kirchlichen Gemeinschaft aufzeigen. <638> Vgl. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Familiaris consonio, Nm. 79-84: AAS 74(1982)180-186. Vgl. Ebd., Nr. 84: AAS174(1982)185; Brief an die Familien, Nr. 5; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1651. 3. Im Wissen darum, daß wahres Verständnis und echte Barmherzigkeit niemals von der Wahrheit getrennt sind, <639> haben die Hirten die Pflicht, diesen Gläubigen die Lehre der Kirche bezüglich der Feier der Sakramente, besonders hinsichtlich des Kommunionempfangs, in Erinnerung zu rufen. In diesem Anliegen wurden in den letzten Jahren in verschiedenen Gegenden unterschiedliche pastorale Lösungen vorgeschlagen, denen zufolge zwar eine allgemeine Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zur heiligen Kommunion nicht möglich wäre, sie aber in bestimmten Fällen zum Tisch des Herrn hinzutreten könnten, sofern sie sich in ihrem Gewissensurteil dazu ermächtigt hielten. So zum Beispiel, wenn sie ganz zu Unrecht verlassen worden wären, obwohl sie sich aufrichtig bemüht hätten, die vorausgehende Ehe zu retten, oder wenn sie von der Ungültigkeit ihrer vorausgehenden Ehe überzeugt wären, dies aber im äußeren Bereich nicht aufzeigen könnten, oder wenn sie schon einen längeren Weg der Besinnung und der Buße zurückgelegt hätten, oder auch wenn sie aus moralisch ernsthaften Gründen der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen könnten. Vgl. Paul VI., Enzykl. Humanae vitae, Nr. 29: AAS 60(1968)501; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia, Nr. 34: AAS 77(1985)272; Enzyklika Veritatis splendor, Nr. 95: AAS 85(1993)1208. 1228 KONGREGATIONEN UND RÄTE Gewissen Meinungen zufolge müßten die geschiedenen Wiederverheirateten ein Gespräch mit einem klugen und erfahrenen Priester suchen, um ihre tatsächliche Situation objektiv zu prüfen. Dieser Priester hätte aber ihre mögliche Gewissensentscheidung, zur Eucharistie hinzuzutreten, zu respektieren, ohne daß dies eine Zulassung von amtlicher Seite einschlösse. In diesem und ähnlichen Fällen würde es sich um eine tolerante und wohlwollende pastorale Lösung handeln, um den unterschiedlichen Situationen der wiederverheirateten Geschiedenen gerecht werden zu können. 4. Obwohl bekannt ist, daß von manchen Kirchenvätern ähnliche pastorale Lösungen vorgeschlagen und auch in der Praxis angewandt worden sind, stellten diese doch nie einen Konsens der Väter dar, bildeten in keiner Weise eine gemeinsame Lehre der Kirche und bestimmten nicht deren Disziplin. Es kommt dem universalen Lehramt der Kirche zu, in Treue zur Hl. Schrift und zur Tradition das Glaubensgut zu verkünden und authentisch auszulegen. In Anbetracht der neuen, oben erwähnten pastoralen Vorschläge weiß sich diese Kongregation verpflichtet, die Lehre und Praxis der Kirche auf diesem Gebiet erneut in Erinnerung zu rufen. In Treue gegenüber dem Wort Jesu <640> hält die Kirche daran fest, daß sie eine neue Verbindung nicht als gültig anerkennen kann, falls die vorausgehende Ehe gültig war. Wenn Geschiedene zivil wiederverheiratet sind, befinden sie sich in einer Situation, die dem Gesetz Gottes objektiv widerspricht. Darum dürfen sie, solange diese Situation andauert, nicht die Kommunion empfangen. <641> Diese Norm hat nicht den Charakter einer Strafe oder irgendeiner Diskriminierung der wiederverheirateten Geschiedenen, sie bringt vielmehr eine objektive Situation zum Ausdruck, die als solche den Hinzutritt zur heiligen Kommunion unmöglich macht: „Sie stehen insofern selbst ihrer Zulassung im Weg, als ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche sind, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht. Darüber hinaus gibt es noch einen besonderen Grund pastoraler Natur: Ließe man solche Menschen zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung.” <642> <643> <640> Mk 10,11-12: „Wer seine Frau aus der Ehe entläßt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch., wenn sie ihren Mann aus der Ehe entläßt und einen anderen heiratet.” ^ Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1650; vgl. auch ehd., Nr. 1640, und Konzil von Trient, 24. Sitzung: DS 1797-1812. ^ Apost. Schreiben Familiaris consortio, Nr. 84: AAS 74(1982)185-186. Für die Gläubigen, die in einer solchen ehelichen Situation leben, wird der Hinzutritt zur heiligen Kommunion ausschließlich durch die sakramentale Lossprechung eröffnet, die „nur denen gewährt werden kann, welche die Verletzung des Zeichens des Bundes mit Christus und der Treue zu ihm bereut und die aufrichtige Bereitschaft zu einem Leben haben, das nicht mehr im Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe 1229 KONGREGATIONEN UND RÄTE steht. Das heißt konkret, daß, wenn die beiden Partner aus ernsthaften Gründen -zum Beispiel wegen der Erziehung der Kinder - der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können, ,sie sich verpflichten, völlig enthaltsam zu leben, das heißt, sich der Akte zu enthalten, welche Eheleuten Vorbehalten sind’”. <644> In diesem Fall können sie zur heiligen Kommunion hinzutreten, wobei die Pflicht aufrecht erhalten bleibt, Ärgernis zu vermeiden. ^ Apost. Schreiben Familiaris consortio, Nr. 84: AAS 74(1982)185-186. 5. Die Lehre und Disziplin der Kirche auf diesem Gebiet sind in der Zeit nach dem Konzil ausführlich im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio vorgelegt worden. Das Mahnschreiben ruft den Hirten unter anderem ins Gedächtnis, daß sie um der Liebe zur Wahrheit willen verpflichtet sind, die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden; es ermahnt sie, die wiederverheirateten Geschiedenen zu ermutigen, an verschiedenen Lebensvollzügen der Kirche teilzunehmen; zugleich bekräftigt es die beständige und allgemeine „auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zur eucharistischen Kommunion zuzulassen” <645>, und gibt die Gründe dafür an. Die Struktur des Mahnschreibens und der Tenor seiner Worte zeigen klar, daß diese in verbindlicher Weise vorgelegte Praxis nicht aufgrund der verschiedenen Situationen modifiziert werden kann. Ebd., Nr. 84: AAS 74(1982)186; vgl. Johannes Paul II., Homilie zum Abschluß der VI. Bischofssynode, Nr. 7: AAS 72(1980)1082. Q Apost. Schreiben Familiaris consortio, Nr. 84: AAS 74(1982)185. 6. Gläubige, die wie in der Ehe mit einer Person Zusammenleben, die nicht ihre rechtmäßige Ehegattin oder ihr rechtmäßiger Ehegatte ist, dürfen nicht zur heiligen Kommunion hinzutreten. Im Falle, daß sie dies für möglich hielten, haben die Hirten und Beichtväter wegen der Schwere der Materie und der Forderungen des geistlichen Wohls der betreffenden Personen <646> und des Allgemeinwohls der Kirche die ernste Pflicht, sie zu ermahnen, daß ein solches Gewissensurteil in offenem Gegensatz zur Lehre der Kirche steht. <647> Sie müssen diese Lehre zudem allen ihnen anvertrauten Gläubigen in Erinnerung rufen. <646> Vgl. 1 Kor 11,27-29. * * Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 978, § 2. Dies bedeutet nicht, daß der Kirche die Situation dieser Gläubigen nicht am Herzen liege, die im übrigen nicht von der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen sind. Die Kirche bemüht sich um ihre pastorale Begleitung und lädt sie ein, am kirchlichen Leben innerhalb der Grenzen teilzunehmen, in denen dies mit den Vorraussetzungen des göttlichen Rechts vereinbar ist, über welche die Kirche keinerlei Dispensgewalt besitzt. <648> Andererseits ist es notwendig, den betreffenden Gläubigen klarzumachen, daß ihre Teilnahme am Leben der Kirche nicht allein auf die Frage des Kommunionempfangs reduziert werden darf. Den Gläubigen muß geholfen werden, zu einem tieferen Verständnis vom Wert der Teilnahme am eucharistischen Op- <648> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1640. 1230 KONGREGATIONEN UND RÄTE fer Christi, der geistlichen Kommunion, <649> des Gebetes, der Betrachtung des Wortes Gottes, der Werke der Nächstenhebe und der Gerechtigkeit zu gelangen. <650> 1 3 Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Fragen bezüglich des Dieners der Eucharistie, III/4: AAS 75(1983)1007; hl. Theresia von Avila, Weg der Vollkommenheit, 35, 1; hl. Alfons M. von Liguori, Besuchungen des Allerheiligsten Altarssakramentes und der Gottesmutter. ^ Vgl. Apost. Schreiben Familiaris consortio, Nr. 84: AAS 74(1982)185. 7. Die irrige Überzeugung von wiederverheirateten Geschiedenen, zum eucharisti-schen Tisch hinzutreten zu dürfen, setzt normalerweise voraus, daß dem persönlichen Gewissen die Macht zugeschrieben wird, in letzter Instanz auf der Grundlage der eigenen Überzeugung <651> über das Bestehen oder Nichtbestehen der vorausgehenden Ehe und über den Wert der neuen Verbindung zu entscheiden. Eine solche Auffassung ist jedoch unzulässig. <652> Die Ehe steht nämlich wesenthch eine öffentliche Wirklichkeit dar, weh sie das Abbüd der bräuthchen Vereinigung zwischen Christus und seiner Kirche ist und die Urzelle und einen wichtigen Faktor im Leben der staatlichen Gesellschaft büdet. ^ Vgl. Enzykl. Veritatis splendor, Nr. 55: AAS 85(1993)1178. ^ Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 1085, § 2. 8. Es ist gewiß, daß das Urteil, ob die Voraussetzungen für einen Hinzutritt zur Eucharistie gegeben sind, vom richtig geformten Gewissen getroffen werden muß. Es ist aber ebenso wahr, daß der Konsens, der die Ehe konstituiert, nicht eine bloße Privatentscheidung ist, weil er für jeden Partner und das Ehepaar eine spezifisch kirchliche und soziale Situation konstituiert. Das Gewissensurteil über die eigene ehehche Situation betrifft daher rächt nur die unmittelbare Beziehung zwischen Mensch und Gott, als ob man ohne die kirchliche Vermittlung, die auch die im Gewissen verbindhchen kanonischen Normen einschheßt, auskommen könnte. Diesen wichtigen Aspekt nicht zu beachten, würde bedeuten, die Ehe faktisch als Wirklichkeit der Kirche, das heißt als Sakrament, zu leugnen. 9. Indem das Apostolische Schreiben Familiaris consortio die Hirten darüber hinaus einlädt, die verschiedenen Situationen der wiederverheirateten Geschiedenen gut zu unterscheiden, erinnert es auch an den Zustand jener, die die subjektive Gewissenentscheidung haben, daß die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war. <653> Es ist unbedingt auf dem von der Kirche festgelegten Weg des äußeren Bereichs zu prüfen, ob es sich objektiv um eine ungültige Ehe handelt. Während die Disziplin der Kirche die ausschließliche Kompetenz der Ehegerichte bezüglich der Prüfung zur Gültigkeit der Ehe von Katholiken bekräftigt, bietet sie auch neue Wege, um die Ungültigkeit einer vorausgehenden Verbindung zu beweisen, und zwar mit dem Ziel, jede Abweichung der Wahrheit, die im prozessualen Weg nachweisbar ist, von ^ Vgl. Apost. Schreiben Familiaris consortio, Nr. 84: AAS 74(1982)185. 1231 KONGREGATIONEN UND RATE der objektiven, vom rechten Gewissen erkannten Wahrheit so weit wie möglich auszuschließen. <654> <654> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, cann. 1536 § 2 und 1679 sowie Codex für die Orientalischen Kirchen, cann. 1217 § 2 und 1365 über die Beweiskraft, die die Erklärungen der Parteien in solchen Prozessen haben. Das Befolgen des Urteils der Kirche und die Beobachtung der geltenden Disziplin bezüglich der Verbindlichkeit der für eine gültige Ehe unter Katholiken notwendigen kanonischen Form ist das, was dem geistlichen Wohl der betroffenen Gläubigen wahrhaft nützt. Die Kirche ist nämlich der Leib Christi, und Leben in der kirchlichen Gemeinschaft ist Leben im Leib Christi und Sich-Nähren vom Leib Christi. Beim Empfang des Sakramentes der Eucharistie kann die Gemeinschaft mit Christus, dem Haupt, niemals von der Gemeinschaft mit seinen Gliedern, d. h. mit seiner Kirche, getrennt werden. Deshalb ist das Sakrament unserer Vereinigung mit Christus auch das Sakrament der Einheit der Kirche. Ein Kommunionempfang im Gegensatz zu den Normen der kirchlichen Gemeinschaft ist deshalb ein in sich widersprüchlicher Akt. Die sakramentale Gemeinschaft mit Christus beinhaltet den Gehorsam gegenüber der Ordnung der kirchlichen Gemeinschaft, auch wenn dies manchmal schwierig sein kann, und setzt diesen voraus; sie kann nicht in rechter und fruchtbarer Weise erfolgen, wenn ein Glaubender, der sich Christus direkt nähern möchte, diese Ordnung nicht wahrt. 10. In Übereinstimmung mit dem bisher Gesagten soll ohne Einschränkung der Wunsch der Bischofssynode verwirklicht werden, den sich Papst Johannes Paul II. zu eigen gemacht hat und der mit Einsatz und lobenswerten Initiativen von seiten der Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien aufgegriffen worden ist: nämlich in fürsorgender Liebe alles zu tun, was die Gläubigen, die sich in einer irregulären ehelichen Situation befinden, in der Liebe zu Christus und zur Kirche bestärken kann. Nur so wird es ihnen möglich sein, die Botschaft von der christlichen Ehe uneingeschränkt anzuerkennen und die Not ihrer Situation aus dem Glauben zu bestehen. Die Pastoral wird alle Kräfte einsetzen müssen, um glaubhaft zu machen, daß es nicht um Diskriminierung geht, sondern einzig um uneingeschränkte Treue zum Willen Christi, der uns die Unauflöslichkeit der Ehe als Gabe des Schöpfers zurückgegeben und neu anvertraut hat. Das Mit-Leiden und Mit-Lieben der Hirten und der Gemeinschaft der Gläubigen ist nötig, damit die betroffenen Menschen auch in ihrer Last das süße Joch und die leichte Bürde Jesu erkennen können. <655> Süß und leicht ist ihre Bürde nicht dadurch, daß sie gering und unbedeutend wäre, sondern sie wird dadurch leicht, daß der Herr - und mit ihm die ganze Kirche - sie mitträgt. Zu dieser eigentlichen, in der Wahrheit wie in der Liebe gleichermaßen gründenden Hilfe hinzuführen ist die Aufgabe der Pastoral, die mit aller Hingabe angegangen werden muß. <655> Vgl. Mt 11,30. 1232 KONGREGATIONEN UND RÄTE Verbunden im kollegialen Einsatz, die Wahrheit Jesu Christi im Leben und in der Praxis der Kirche aufleuchten zu lassen, bin ich in Christus Ihr Joseph Kardinal Ratzinger Präfekt Alberto Bovone Titularerzbischof von Cäsarea in Numidien Sekretär 1233 VI. Anhang ANHANG Alle sind zum Frieden verpflichtet: Die Familie als Quelle des Friedens Ansprache von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano zum 27. Weltfriedenstag in Wien am 25. Januar Herr Bundespräsident, Eminenzen, Exzellenzen, meine Damen und Herren! Eine der acht Seligpreisungen, die Christus in seinem Evangelium verkündet hat scheint sich in ganz besonderem Maße an Politiker und Diplomaten zu richten: „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden” (Mt 5,9). In dieser zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich die römischen Päpste nach dem unmenschlichen Unheil des letzten tragischen Weltkonflikts verpflichtet gefühlt, mit besonderem Nachdruck auf der Pflicht zu bestehen, für den Frieden zu arbeiten. Seit 2000 Jahren läßt die Kirche in der Welt diese Worte Jesu hören und fordert in besonderer Weise die für das Leben der Nationen Verantwortlichen auf, Erbauer des Friedens zu sein und Brücken zwischen den Völkern zu schlagen. Nur so werden die Menschen es verdienen können, Kinder Gottes genannt zu werden, jenes Gottes, der Schöpfer aller und Vater aller ist. Und so hat Paul VI. ehrwürdigen Angedenkens 1968 die Christen und alle Menschen guten Willens aufgerufen, zu Beginn eines jeden Jahres einen „Friedenstag” zu begehen. In einem Geist des Dienstes an der Welt wollte die Kirche die Menschheit wachrütteln und daran erinnern, daß bewaffnete Konflikte kein tragisches Schicksal sind und daß es, wenn wir wirklich wollen, möglich ist, der Geschichte eine geordnetere und friedlichere Entwicklung zu geben. In diesem Sinne sind die Friedenstage entstanden, die sich jedes Jahr mit einem besonderen Thema beschäftigt haben, um das Gewissen nach den großen Idealen des menschlichen Zusammenlebens zu bilden. Und so kam es zu den großen, allen bekannten Themen: - Der Friede ist möglich. - Der Friede hängt auch von dir ab. - Willst du den Frieden, erziehe zum Frieden. - Willst du den Frieden, achte die Freiheit. - Willst du den Frieden, verteidige das Leben. - Willst du den Frieden, arbeite für die Gerechtigkeit. Mit diesen Botschaften, von denen eine die andere an Eindringlichkeit übertrifft, möchte die Kirche dazu beitragen, die Grundlage für die Eintracht unter den Völkern zu schaffen ... 1237 ANHANG Im Grande wollen alle Themen der 27 bislang gefeierten Friedenstage an jene großen Werte erinnern, die Gott als Grundpfeiler der menschlichen Gesellschaft festgesetzt hat. Noch vor Papst Paul VI. und dem derzeitigen Papst Johannes Paul II. hat Papst Johannes XXIII. 1963 in der Enzyklika Pacem in terris daran erinnert, daß „der Friede auf Erden ... allein auf der absoluten Achtung der von Gott errichteten Ordnung begründet und gefestigt werden kann” (AAS 55[1963]257). Die Kirche weiß, daß sie, um den Frieden zu fördern, in diesem unermeßlichen Werk der Bewußtseinserziehung die von Gott errichtete Ordnung fördern muß. Die Kirche weiß, daß sie, wenn sie den Frieden fördern will, die Wahrheit, die Freiheit und die Liebe fördern muß. Dies ist zweifellos ein außerordentliches, mutiges Werk, das oftmals verlangt, gegen den Strom zu schwimmen, und das manchmal auch die öffentliche Meinung in Frage stellt. Es ist ein schwieriges Unternehmen, doch am Ende werden die Waffen der Wahrheit siegen, nicht die der Lüge, des Hasses und des Egoismus von einzelnen oder von Völkern. Am Ende wird, wie Papst Johannes Paul II. zu Anfang seiner Enzyklika Veritatis splendor sehr schön schreibt, der „Glanz der Wahrheit” siegen! Aus der Familie geht der Frieden hervor Für den diesjährigen Weltfriedenstag hat Papst Johannes Paul II. das Thema gewählt: „Aus der Familie erwächst der Friede für die Menschheitsfamilie”. Mit dieser Wahl möchte der Papst uns alle an das enge Band erinnern, das zwischen dem Frieden und einem festen Familienleben besteht. Zweifellos trägt die Familie zum Frieden und der Friede zum Wohl der Familie bei. Der Papst hat dieses Thema gewählt, da er den Aufruf der Vereinten Nationen vor Augen hatte, das Jahr 1994 zum Jahr der Familie zu machen. Wie bekannt, wurde dieser Aufruf im Beschluß 44/82 vom 8. Dezember 1989 auf der Generalversammlung deutlich gemacht. Zu seinen Zielsetzungen zählt der Wunsch, die Bedeutung der Familie herauszustellen, ein besseres Verständnis für ihre Ziele und Zwecke und für ihre Probleme zu fördern und die Aufmerksamkeit auf die Rechte und Verantwortlichkeiten aller ihrer Mitglieder zu lenken. In einer Botschaft vom 6. Juni 1993 hatte der Papst bereits seine Wertschätzung für die Initiative der Vereinten Nationen zum Ausdruck gebracht: „Die Kirche begrüßt diese Initiative von Herzen und stimmt ihr mit all der Liebe bei, die sie für jede menschliche Familie hat. So möchte ich (...) eine für das ganze Christenvolk besondere Initiative ankündigen. Ausgehend vom diesjährigen Fest der Heiligen Familie bis hin zum selben Fest im Jahr 1994, werden wir auch innerhalb der katholischen Kirche in Zusammenarbeit mit anderen zuständigen Organismen das Internationale Jahr der Familie feiern.” (vgl. Predigt bei der Eucharistiefeier für die Fokolar-Bewegung, 6. Juni 1993). 1238 ANHANG Der Kirche obliegt es, „die Frohe Botschaft von der Familie mit Freude und Überzeugung zu verkünden; denn es ist für die Familie unbedingt notwendig, jene authentischen Worte immer wieder neu zu hören und immer tiefer zu verstehen, die ihr die eigene Identität, ihre inneren Kraftquellen und die Bedeutung ihrer Sendung in der Stadt der Menschen und der Stadt Gottes gültig offenbaren” (Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, Nr. 86). Das Internationale Jahr der Familie wird gewiß die geeignete Gelegenheit sein, die wesenthchen Werte dieser natürlichen Einrichtung besser kennenzulemen und zu verstärken. Eine bessere Kenntnis und eine größere Anerkennung der Stellung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft werden sicherlich zur Verwirklichung einer Welt beitragen, die sich durch Brüderlichkeit und Solidarität auszeichnet. In diesem Sinne können wir uns selbst vier Fragen stellen: I. Welches sind die Natur und das Ziel der menschlichen Familie? II. Welches ist ihre Rolle in der Gesellschaft? III. Wie kann die Familie zum Frieden in der Welt beitragen? IV. Welche Pflichten hat die Menschheit dieser natürlichen Gemeinschaft gegenüber? I. Die Natur der Familie Das vorbereitende Dokument Die Errichtung der kleinsten Demokratie, das von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Familie veröffentlicht worden ist, macht folgende Aussage: „Es gibt keine einfache Betrachtungsweise der Familie und auch keine einfache Definition von Familienpolitik; auf die eine oder andere Weise berührt jedwede Politik die Familien” (III, A, 11). Seinerseits hat der Hl. Stuhl bereits verschiedene Dokumente über die Familie und ihre Natur veröffentlicht. So lesen wir beispielsweise in der Charta der Familienrechte von 1983 folgende eindeutige Definition: „Die Familie hat ihre Grundlage in der Ehe, dieser innigen Lebensgemeinschaft in gegenseitiger Ergänzung von Mann und Frau, die durch das frei übernommene und öffentlich bekundete unauflösliche Eheband gebildet wird und offen ist für die Weitergabe des Lebens” (ebd., Präambel, B). „Die Familie ist viel mehr als eine bloße juridische, soziale und ökonomische Einheit. Sie bildet eine Gemeinschaft der Liebe und der Solidarität, die in einzigartiger Weise geeignet ist, kulturelle, ethische, soziale, geistige und religiöse Werte zu lehren und zu übermitteln, wie sie wesentlich sind für die Entwicklung und das Wohlergehen ihrer eigenen Mitglieder und der ganzen Gesellschaft” (ebd., Präambel, E). Eine Familie ist demnach eine Lebens- und Liebesgemeinschaft, die sich auf der vom Schöpfer des Lebens gewollten Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gründet, um über die Zukunft der Menschheit in der Schöpfung zu wachen. Sie ist „die Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft” (Apostolicam actuositatem, Nr. 11). 1239 ANHANG „Mit der Geburt von Kindern wird die Ehe im vollen und eigentlichen Sinn zur Familie” (Familiaris consortio, Nr. 69). II. Die Rolle der Familie in der Gesellschaft Als Personengemeinschaft nimmt die Familie eine soziale Dimension an und hat eine integrierende und vereinigende Funktion. Auf diese Weise bleiben, solange die Familien vereint sind, auch die Gesellschaft und die Menschheit vereint. Diese grundlegende und wesentliche Gemeinschaft „ist der bevorzugte Träger für die Weitergabe von religiösen und kulturellen Werten ... Sie trägt die Zukunft der Gesellschaft in sich” (Botschaft des Papstes zum Weltfriedenstag, 1994, Nr. 2). Aus diesem Grund müssen die Gesellschaft und insbesondere der Staat und die Internationalen Organisationen die Familie schützen durch politische, wirtschaftliche, soziale und rechtliche Maßnahmen, die die Einheit und Stabilität der Familie festigen, damit sie die ihr eigene Funktion ausüben kann. Im übrigen ist diese Einstellung stets Teil unserer Kultur gewesen, und bereits vor Christus hat das Römische Recht die Familie als „Pflanzschule” der Republik („seminarium rei publicae”) bezeichnet, als Grundlage der Stadt („principium ur-bis”) und als Miniaturrepublik („pusilla res publica”). HL Der Beitrag der Familie zum Frieden Vielsagend ist die Bedeutung, die die diesjährige Papstbotschaft zum Weltfriedenstag dieser Auffassung beigemessen hat. „Der Beitrag, den die Familie auch zur Wahrung und Förderung des Friedens anbieten kann, ist so entscheidend, daß ich die mir vom Internationalen Jahr der Familie gebotene Gelegenheit ergreifen will, um diese Botschaft am Weltfriedenstag der Betrachtung über die enge Beziehung, die zwischen der Familie und dem Frieden besteht, zu widmen” (Botschaft, Nr. 1). Heute sind wir in vielen Teilen der Welt Zeugen von Konflikten zwischen Nationen, Völkern und unterschiedlichen Volksgruppen. In Europa sind wir, wenig mehr als 300 km entfernt von Wien, Zeugen einer tragischen Aufeinanderfolge von Tötungen und Zerstörungen, von Greueln und Ungerechtigkeiten aller Art. Zu den Opfern zählen Frauen, alte Leute, Kinder, wehrlose Bürger und Familien, die der Krieg auseinandergerissen hat. Wie viele Versuche sind unternommen worden, um diesen Konflikt zu beenden und den Frieden zu erlangen! Wir wissen jedoch, daß der Friede allein auf den Werten der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Freiheit und der Liebe errichtet werden kann. Und wo kann die Ausübung von solch grundlegenden Werten erlernt werden? Die Familie ist die erste Schule, in der ein Mensch lernt, mit den anderen zu leben, und wo er den Plan des Schöpfers entdeckt. Hier lernt er, sich den anderen zu geben und zum Gemeinwohl beizutragen. Daher bekräftigt der Papst in seiner Botschaft, daß 1240 ANHANG dieses Jahr für die „Kirchen, religiösen Organismen, Vereinigungen, Regierungen und internationalen Behörden eine nützliche Gelegenheit darstellt, um gemeinsam zu untersuchen, wie der Familie geholfen werden kann, ihre unersetzliche Aufgabe als Baumeisterin des Friedens voll zu erfüllen” (Botschaft, Nr. 1). Während die Familie den Weiterbestand und die Zukunft der Gesellschaft sichert, ist sie auch dazu aufgerufen, sowohl mit Hilfe der Werte, die sie innerhalb ihrer selbst zum Ausdruck bringt und vermittelt, als auch durch die Teilnahme eines jeden ihrer Mitglieder am Leben der Gesellschaft aktiv den Frieden zu errichten. IV Die Pflichten der Menschheit gegenüber der Familie Jeder Weltbürger hat die Pflicht, den Bestand der Familie zu schützen, da sie als Keimzelle der Gesellschaft das Recht auf größtmögliche Unterstützung von seiten des Staates hat, um ihre Sendung voll erfüllen zu können. Die schwerwiegende Verantwortung der Eltern, ihren Kindern moralische Werte nahezubringen, wird zuweilen ernsthaft behindert, wenn sie nicht einmal über das mindeste verfügen, was für ein menschenwürdiges Leben unerläßlich ist, wie Nahrung, Wohnstätte und Arbeit. Die Staatsgesetze müssen also das Wohl der Familie fördern und ihr helfen, die ihr obliegenden Pflichten zu erfüllen und sowohl ihre natürliche Beschaffenheit als auch ihre unveräußerlichen Rechte zu schützen. Ihrerseits bietet die Kirche der Familie, damit sie weiterhin die für den Bestand der Gesellschaft nötigen Werte vermitteln kann, auch ferner ihre moralische Unterstützung an. Nun bleibt nur der Wunsch, diese klaren Auffassungen über die Natur der Familie und über ihre Stellung in der Gesellschaft mögen dazu beizutragen, daß das Internationale Jahr der Familie zu einer neuen Wertschätzung und Unterstützung dieser natürlichen Einrichtung führt. Durch die Familie können alle für den Frieden und die Harmonie in der Gesellschaft und in der Welt tätig sein: Eltern, Kinder, Männer und Frauen sollten keine Angst haben, sich für den Frieden einzusetzen und ihn durch die Familie zu vermitteln. Schlußfolgerung Um zu meiner anfänglichen Aussäge zurückzukehren, möchte ich zum Abschluß daran erinnern, daß die Kirche, wenn sie die Würde der Familie hervorhebt, zur Errichtung einer geordneten und friedlichen Welt beitragen will. In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 1994 hat der Papst der ganzen Welt den schon früher in seinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio verlauteten Aufruf wiederholt: „Familie, werde, was du bist! ” „Familie” - so sagt uns der Papst - „du hast eine Sendung von wesentlicher Bedeutung: nämlich beizutragen zum Aufbau des Friedens ... Familie, verlange nach diesem Frieden, bete um diesen Frieden, arbeite für diesen Frieden!” (Botschaft, Nr. 6). 1241 ANHANG Dies ist der Aufruf, den ich den Familien Österreichs und aller Länder übergeben will, die hier von den anwesenden Botschaftern würdig vertreten sind: Familien, arbeitet für den Frieden, und betet um den Frieden! In jedem Teil der Welt und auch hier in Europa stehen wir noch einmal vor tragischen Kriegsereignissen. Doch Männer und Frauen guten Willens dürfen den Mut nicht verlieren. Wenn wir für den Frieden arbeiten, ist der Friede möglich. Wenn wir den allmächtigen und barmherzigen Gott um den Frieden bitten, so ist er möglich! Es ist unsere Pflicht, für den Frieden zu arbeiten und um ihn zu beten: Er ist kein Traum! Der Friede kann Wirklichkeit werden! Und wenn wir es wirklich wollen, so wird der Friede das letzte Wort der Menschheitsgeschichte sein! Verhältnis von Kostenaufwand und Gewinnspanne kann nicht alleiniger Maßstab für Zusammenarbeit sein Beitrag des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls, Erzbischof Alois Wagner, auf der 17. Sitzungsperiode des Exekutivrats des Internationalen Agrarentwicklungsfonds in Rom am 27. Januar Herr Präsident! Herr Präsident der IFAD, meine Herrn Gouverneure! 1. Zunächst möchte ich im Namen des Hl. Stuhls diesem Exekutivrat für die Gelegenheit danken, im Rahmen der Beiträge der Mitgliedstaaten des Internationalen Agrarentwicklungsfonds das Wort ergreifen zu können. Ich möchte Ihnen, Herr Präsident, zu Ihrer Wahl als Vorsitzender dieses Rates für die kommenden zwei Jahre gratulieren. Ich bin sicher, daß durch Ihre persönlichen Fähigkeiten und Ihre wohlbekannte Erfahrung die erfolgreiche Arbeit im Interesse der IFAD, ihrer Ziele und ihrer Mitgliedstaaten gewährleistet sein wird. Ebenso ist es mir eine Freude, dem Präsidenten des Internationalen Agrarentwicklungsfonds, Herrn Fawsi Hamad al-Sultan, die besten Wünsche des Hl. Stuhls zu vermitteln, für seine Arbeit, die mehr und mehr mit den Bestrebungen dieser Organisation zur Förderung eines umfassenden landwirtschaftlichen Fortschritts der Entwicklungsländer im Einklang steht. Bekanntlich war der Hl. Stuhl direkt an der Gründung des Fonds 1977 beteiligt, und während seiner ersten Sitzungsperiode beschloß der Gouvemeursrat, einen Vertreter des Hl. Stuhls als Ständigen Beobachter des Internationalen Agrarentwicklungsfonds zuzulassen. Dieser Sonderstatus berücksichtigt, daß der Hl. Stuhl in seinem ausschließlich institutionellen Charakter als oberstes Regierungsorgan der katholischen Kirche, als dem Internationalen Recht unterstehend und als Mitglied der Internationalen Gemeinschaft anerkannt ist. Aber es ist klar, daß die Zielsetzungen und Tätigkeiten des Hl. Stuhls in erster Linie von geistiger Natur sind, für den 1242 ANHANG Dienst an allen Menschen zum Schutz der dringenden Anforderungen und der konkreten Erwartungen der Ärmsten. Aufgrund seiner besonderen Natur und Bestrebungen, verfolgt der Hl. Stuhl ständig die Arbeit des Internationalen Agrarentwicklungsfonds, die sich vor allem mit der Finanzierung von Entwicklungsprogrammen für die Landbevölkerung befaßt. Diese spezielle Aufrnerksamkeit für die in ländlichen Gebieten lebenden „Ärmsten der Armen” zeugt von besonderer Sensibilität in der Erkenntnis, daß die mit Hunger und Unterernährung verbundenen Probleme in der Entwicklungshilfe nicht getrennt behandelt werden sollten. Hunger und Unterernährung resultieren schließlich aus dem Zustand absoluter Armut. 2. Bedauerlicherweise muß jedoch berücksichtigt werden, daß, trotz der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft in den letzten Jahren, Millionen von Menschen die „Armutsgrenze” nicht überschreiten. Im Gegenteil, ihre Lage scheint sich täglich zu verschlechtern. Wir müssen die Verhaltensweise des Menschen zu den natürlichen Ursachen der Armut hinzuzählen, was insbesondere jene Projekte zur wirtschaftlichen Angleichung deutlich zeigen, die die Armen vom Wirtschaftsleben femhalten und sie von Entwicklungsprozessen und Initiativen internationaler Zusammenarbeit ausschließen, die vor allem in den ärmsten Ländern ein wesentliches Wachstum erzielen könnten. In der Tat tendieren die Entwicklungsparadigmen dazu, das Einkommen der ländlichen Gebiete durch eine großangelegte Produktion zu erhöhen: die Tatsachen haben aber gezeigt, daß diese Sicht von den wirklichen Bedürfnissen der Landbevölkerung weit entfernt ist. Die Unhaltbarkeit dieser Form von Entwicklung zeigte sich effektiv in der Debatte im Anschluß an die Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio und die Internationale Emährungskonferenz. Eine gleichmäßige Entwicklung erfordert nicht nur die Steigerung des Produktionsindexes, sondern auch einen vorteilhafteren Aufbau der Erzeugung, und insbesondere bessere Bedingungen für alle, die arbeitsmäßig am Produktionsprozeß beteiligt sind. In einer Sichtweise, welche die Armut als einen strukturell bedingten Aspekt der Wirtschaftslage in den Entwicklungsländern betrachtet, erscheint es außerdem notwendig, nicht nur die Zahl der Armen oder ihre potentielle Ertragsfähigkeit zu berücksichtigen, sondern auch die Nutzung dieses Potentials im Rahmen der Wirtschaftspolitik jedes einzelnen Landes: die Armen sollten Protagonisten sein, so heißt es in der IFAD-Studie Die Armut der Landbevölkerung in der Welt. Aber zur Verwirklichung dieses Vorsatzes wird sowohl auf interner als auch auf internationaler Ebene im entwicklungspolitischen Bereich einiges geändert werden müssen. Insbesondere das Verhältnis zwischen Kostenaufwand und Gewinnspanne, das kennzeichnend ist für die Entwicklungstheorie und internationale Initiativen, sollte sich den verschiedenen Situationen anpassen und sich nicht anmaßen, der einzige Maßstab für die Beurteilung des Engagements zur Kooperation zu sein. In dieser Hinsicht sind die vom Internationalen Agrarentwicklungsfonds finanzierten oder ge- 1243 ANHANG förderten Projekte ein Beispiel für das gesamte System der Vereinten Nationen, denn in seinen Bearbeitungs- und Bewertungskriterien zeigt sich eine konstante Berücksichtigung des menschlichen Faktors. Diese Tendenz weist darauf hin, daß Entwicklung nicht nur an Produktion und Ertragssteigerung gemessen werden kann, sondern dem Ziel entsprechen sollte, „die Lebensqualität” jedes Menschen und jeder Gemeinschaft zu verbessern. Das bedeutet, daß wirtschaftliche Entwicklung nicht von sozialem Fortschritt getrennt werden kann. Das gemeinsame Ziel dieser zu einer Einheit verbundenen Elemente ist die Bestimmung jener Bedingungen, die jedem einzelnen erlauben, seine Würde als Mensch voll zu verwirklichen: Die grundlegenden Rechte auf Leben und Nahrung sind die Basis für diese Verwirklichung. In diesem Sinne können wirtschaftliche Entwicklung und sozialer Fortschritt nicht auf abstrakte oder rein theoretische Art und Weise behandelt werden, sondern sie sollten sich vielmehr mit der menschlichen Person in seiner individuellen und gemeinschaftlichen Dimension befassen. Daher wird die Verbindung von wirtschaftlicher Entwicklung und sozialem Fortschritt zu einem Synonym für Bildung, Gesundheitsfürsorge, technische und berufliche Ausbildung und Schulung, für die Beteiligung an der wirtschaftlichen und politischen Führung der eigenen Gemeinschaft. Wenn wir diesen Aspekt auf den ländlichen Bereich übertragen, wird deutlich, daß Hunger und Unterernährung die Ableugnung der menschlichen Würde sind, denn sie sind die Folgen von mangelndem sozialen Fortschritt, der durch das Fehlen von Dienstleistungen und Strukturen, lokalen Einrichtungen und jeder Art von Beteiligung der Bevölkerung zum Ausdruck kommt. Angesichts dieser Situation ist der Internationale Agrarentwicklungsfonds aufgerufen, seine Arbeit zur Finanzierung von Projekten für die Linderung der Armut fortzusetzen. Er sollte zunächst vor allem an den Unterstützungsempfänger selbst denken und die ländlichen Gebiete mit Infrastrukturen und sozialen Einrichtungen ausstatten und schließlich auf die Notwendigkeit von institutionellen und verwaltungsmäßigen Instanzen hinweisen. Herr Präsident! 3. Überdies ist im ruralen Bereich das Hunger- und Unteremährungsproblem auf direkte Weise mit der Zerstörung der Umwelt verbunden. Desertifikation, Abforstung, Wasser- und Luftverschmutzung sind eindeutige Beispiele, die auf die kritische Situation der enormen Naturressourcen der Schöpfung hinweisen. Die Menschheit scheint vergessen zu haben, daß viele dieser Naturgüter weder unerschöpflich noch regenerierungsfähig sind und sie daher nicht nur im Hinblick auf die heutigen sondern auch auf die zukünftigen Bedürfnisse der Menschheit geschützt werden sollten. Das Konzept einer vertretbaren Entwicklung ist eines der Ziele des UNO-Programms für das 4. Entwicklungsjahrzehnt, das auch dem Internationalen Agrarentwicklungsfonds konkrete Anregungen gibt, was die bisher geleistete Arbeit und die Vorschläge für die Zukunft erkennen lassen. Aber es ist eine stets größere Notwendigkeit, daß diese Sicht auch von den ärmsten Ländern geteilt wird, die oft 1244 ANHANG unter dem Druck ihrer dringenden Probleme in bezug auf ihren Fortbestand und die Gefahren, die die Erhaltung ihrer Bodenschätze und ihrer Umwelt bedrohen, handeln. Nehmen wir das Beispiel der Wälder: Der Grund für die Abforstung ist oft die Notwendigkeit, den Boden für landwirtschaftliche Zwecke nutzen zu müssen, oder um über ausreichende finanzielle Mittel zum Ankauf von Nahrungsmitteln auf dem internationalen Markt zu verfügen. Oder die Desertifikation, die nicht nur durch schlechte klimatische Bedingungen verursacht wird, sondern auch durch intensive Produktion und die Umsiedlung der Bevölkerung aus ländlichen Bereichen in Stadtgebiete. Das demographische Problem, das im allgemeinen als einer der größten Risikofaktoren für die Umwelt angesehen wird, ist häufig die Folgeerscheinung wirklicher Unterentwicklung und absoluter Armut, die den Voraussetzungen für die Förderung einer verantwortungsvollen Elternschaft und der Gewährleistung einer freien Ausübung dieses grundlegenden Rechts des Eltempaares nicht entgegenkommen (vgl. Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Internationale Ernährungskonferenz, O.R. dt. Wochenausgabe, 16. Dezember 1992). 4. Angesichts dieser Probleme vertritt der Hl. Stuhl die Meinung, daß die durch den Fonds gegebene Orientierung, vor allem durch die besonderen Projekte für Landwirtschaftsdarlehen und die Einbeziehung der Bevölkerung sowie das für die ärmsten Länder besonders günstige Kreditsystem, beibehalten werden sollte, um die besondere Natur dieser Organisation zu wahren. Daher sind nun, anläßlich der vierten Ergänzung der Finanzbestände des Fonds, die Mitgliedstaaten aus den Kategorien der Hauptbeitragsländer aufgefordert, den gesetzlichen Verpflichtungen entsprechend, ihre Solidarität gegenüber den Ländern der III. Kategorie, den Empfängern der Initiativen des Fonds, zu erneuern. Herr Präsident! Der Hl. Stuhl ist der Ansicht, daß dieser Aufruf zu Solidarität und konkreten Maßnahmen, insbesondere in dieser Zeit großer internationaler Unbeständigkeit und innerstaatlicher Konflikte, von äußerster Wichtigkeit ist. In der Tat kann nur eine von gerechten Voraussetzungen ausgehende Solidarität zum Aufbau internationaler Beziehungen beitragen, deren Ziel es ist, die Kluft zwischen Reich und Arm, zwischen hochentwickelten Industriestaaten und Entwicklungsländern abzubauen. Es ist mehr und mehr eine dringende Notwendigkeit, daß die Völkergemeinschaft das grundlegende Prinzip der Gerechtigkeit, demnach: je mehr man hat, um so mehr muß man geben, und somit: die, die am wenigsten haben, sollten am meisten bekommen, anerkennt und anwendet. Der Internationale Agrarentwicklungsfonds ist durch das gleichwertige Engagement seiner Mitgliedstaaten, der reichen wie der armen, durch seinen Aufbau, seine Initiativen und Grundsätze ein konkretes Beispiel dieser Auffassung. Herr Präsident, Ich danke Ihnen. 1245 ANHANG Die Bosporus-Erklärung zum Abschluß der interreligiösen Konferenz für Frieden und Toleranz vom 7. bis 9. Februar in Istanbul „Der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien ist kein Religionskrieg und der Mißbrauch religiöser Symbole bei von aggessivem Nationalismus geprägten Phänomenen ist ein Verrat an der Universalität des Glaubens”, erklärten die Teilnehmer der Konferenz für Frieden und Toleranz, die vom 7. bis 9. Februar in Istanbul stattfand. Am Ende des interreligiösen Treffens, das auch die Anwendung von Gewalt in Georgien, Armenien, Aserbaidschan und Tadschikistan verurteilte, wurde die sog. „Bosporus-Erklärung” abgegeben. 1. Die Teilnehmer der Konferenz für Frieden und Toleranz danken der türkischen Regierung für ihre hebenswürdige Gastfreundschaft, die uns ermöglicht hat, über wesentliche Fragen wie Frieden und Toleranz zu beraten. Die Konferenz begrüßt die Beiträge von Präsident Clinton, Präsident Demirel, Generalsekretär Boutros Boutros Ghali und allen anderen religiösen und politischen Verantwortlichen, die ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht haben. In dieser Erklärung verweisen wir insbesondere auf die Beme-Erklärung vom 26. November 1992, die uns als Grundlage diente. In diesem Dokument wird ausdrücklich darauf hingewiesen, „daß ein im Namen der Religion begangenes Verbrechen ein gegen die Religion verübtes Verbrechen ist”. Seit dem 26. November 1992 haben wir zahlreiche im Namen der Religion verübte Verbrechen erlebt, und als Konferenzteilnehmer sind wir entschlossen, sie entschieden zu verurteilen. Auch in jüngster Zeit hat sich gezeigt, daß in Bosnien, Arme-nien/Aserbaidschan, Georgien und Tadschikistan weiterhin Verbrechen an der Menschheit verübt werden. Grausamkeiten werden ungehindert fortgesetzt, und wir fordern die Einstellung dieser brutalen Auseinandersetzungen. Wir, die Unterzeichner, weisen jeden Versuch zurück, die Grundsätze unseres Glaubens durch falsche Interpretation und uneingeschränkten Nationalismus zu zerstören. Strengstens verurteilen wir jene, die die Heiligkeit des menschlichen Lebens verletzen und eine die moralischen Werte verachtende Politik betreiben. Wir lehnen jene Auffassung ab, die im Namen Gottes verübte Aktionen bei bewaffneten Auseinandersetzungen rechtfertigt. Wir möchten alle Gläubigen nachdrücklich daran erinnern, daß die Heiligen Schriften aller drei monotheistischen Religionen Frieden eindeutig als höchstes Gut betrachten. „Gepriesen seien die, die für den Frieden eintreten, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden”. „Allah ruft uns im Haus Friedens zusammen”. „Seine Wege sind die des Friedens”. 2. Erneut wiederholen wir, daß der Krieg im ehemaligen Jugoslawien kein Religionskrieg ist und daß die Berufung auf religiöse Symbole und ihr Mißbrauch zur Förderung von aggressivem Nationalismus ein Verrat an der Universalität des religiösen Glaubens ist. Wir betonen den Anspruch auf Gewissens- und Religionsfreiheit jeder Minderheit. Wir fordern, die Konfiszierung, Entweihung und Zerstörung 1246 ANHANG von Kultstätten wie heiliger und geweihter Orte aller Religionen einzustellen. Zutiefst verabscheuen und verurteilen wir jede Form von ethnischer Säuberung und die Vergewaltigung und Ermordung von Frauen und Kindern. Wir fordern die Beseitigung jener Hindernisse, die humanitäre Hilfsaktionen daran hindern, die notleidende Bevölkerung zu erreichen. Wir verurteilen die Anwendung von Gewalt in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die Konflikte in Georgien, Armenien/Aserbaidschan und Tadschikistan müssen unmittelbar beendet und die noch ausstehenden Fragen auf andere Art und Weise gelöst werden. Zweifellos sind alle Leidtragenden als Opfer zu betrachten, aber die ärmsten und unschuldigsten unter ihnen sind die Kinder. 3. Wir fordern unsere Glaubensgemeinschaften auf, Kindern aus den von Konflikten heimgesuchten Gebieten die Liebe Gottes zu vermitteln und allen notleidenden Kindern jede Art von Unterstützung zu gewähren, um ihnen geistige, psychologische und physische Heilung zu ermöglichen. Wir können nicht oft genug betonen, daß geistige Nahrung eine wesentliche Erfordernis ist; Glaubensgemeinschaften brauchen Unterstützung. Ferner haben wir festgestellt, daß alle von Konfliktsituationen betroffenen Länder eine lange, dunkle, kommunistisch geprägte Zeit hinter sich haben, in der nur wenig oder gar keine religiöse Erziehung möglich war. Wir bestärken alle Glaubensgemeinschaften, sich intensiv für die geistige Führung aller Benachteiligten einzusetzen. Ferner möchten wir auf die Spannungen in verschiedenen Religionen hinweisen und die Verantwortlichen dieser Glaubensgemeinschaften drängen, sich um friedliche Lösungen der kontroversen Fragen zu bemühen. 4. Ebenso wie alle anderen, die diese tragischen Konfliktsituationen verfolgt haben, beobachten auch die Konferenzteilnehmer mit Entsetzen den endlosen Strom von Flüchtlingen, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Zu Tausenden sind sie vertrieben worden oder von Zwangsumsiedlung bedroht. Daher rufen wir alle Religionen auf, sich klar und entschlossen gegen diese Phänomene auszusprechen. Wir verurteilen jene, die Familien entwurzeln, Kinder ihren Eltern entreißen und Eheleute im Namen falscher nationalistischer Bestrebungen voneinander trennen. Wir erwarten von den Leitern aller Glaubensgemeinschaften, sich entschlossen zum Schutz all jener einzusetzen, die Gefahr laufen, gegen ihren Willen die Heimat verlassen zu müssen, ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit oder ethnischen Abstammung. Wir fordern, daß alle Flüchtlinge, die ihre Heimat gezwungenermaßen verlassen mußten, die Möglichkeit haben, mit Würde und Ehre zurückzukehren; daß die Glaubensgemeinschaften ihre der Aufnahme, Unterstützung und Beschützung von Flüchtlingen aller Religionen dienenden Einrichtungen erweitern, daß religiöse und weltliche Hilfsorganisationen Maßnahmen zur Koordinierung ihrer Initiativen entwickeln. Solange keine Beilegung der Konflikte erreicht werden kann, bestärken wir alle Länder, den Opfern vorübergehend Aufnahme zu gewähren und diejenigen 1247 ANHANG als Flüchtlinge anzuerkennen, die sich aufrichtig um diesen Status bemühen; die für Hilfsaktionen bereitgestellten Mittel zu erhöhen und mit all jenen zusammenzuarbeiten, die sich aufrichtig für die Beendigung der Feindseligkeiten einsetzen. 5. Die Teilnehmer der Konferenz für Frieden und Toleranz haben sich einstimmig für die Verurteilung von Krieg und bewaffneten Konflikten ausgesprochen; sie fordern die Einstellung aller im Namen der Religion gegen friedliche Minderheiten oder Regionen gerichteten feindseligen Handlungen; sie fordern die Anbahnung konstruktiver Dialoge zur Lösung ungeklärter Fragen zwischen verschiedenen Glaubensgemeinschaften; sie fordern das Recht, ihren Glauben auf uneingeschränkte und würdige Art und Weise leben zu können. 6. Wir haben uns eingehend mit dem Thema befaßt und stimmen darin überein, daß das mutwillige Töten ein Ende finden muß; daß all jene Verbrecher sind, die weiterhin an dieser abscheulichen Verhaltensweise festhalten, und daß, obwohl wir weder Kriegswaffen noch Kampftruppen haben, wir dennoch über eine größere Kraft verfügen, die Kraft geistiger Macht. Entschieden verurteilen wir diejenigen, die für Brutalität, Mord, Vergewaltigung, Verstümmelung, Deportation und grobe Mißhandlung verantwortlich sind. 7. Wir, die Konferenzteilnehmer, haben die Gründung einer „Appeal of Conscience Conflict Resolution Commission” beschlossen, die sich mit ethnischen Konflikten beschäftigen wird. Dieser Kommission werden Vertreter aller Glaubensgemeinschaften und aller bei dieser Konferenz anwesenden Länder angehören. Aufgabe der Einrichtung wird es sein, die Mitglieder zu informieren und Mittel und Wege zur Bekämpfung extrem nationalistischer Haltungen und ethnischer Konflikte vorzuschlagen. Rabbi Arthur Schneier Präsident der Stiftung Bartholomaios I Ökumenischer Patriarch Mehmet Nuri Yilmaz Präsident des Amtes für Glaubensangelegenheiten der türkischen Republik Roger Kardinal Etchegaray Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden und „Cor Unum”. 1248 ANHANG Wahre Religion kann nicht intolerant sein Ansprache des Leiters der Delegation des Hl. Stuhls, Msgr. Paul F. Tabet, bei der Sitzung der UNO-Menschenrechts-Kommission in Genf am 14. Februar Herr Präsident! Wer immer das Wohlergehen des Menschen und seine umfassende Entwicklung im Auge hat, kann seine religiöse Dimension nicht ausklammem. Er kann ihr auch nicht mißtrauisch begegnen, als sei die Religion als solche eine Quelle der Diskriminierung, die Intoleranz fördert. Eine solche negative Einstellung liefe auf eine praktische Leugnung des Rechtes auf Religionsfreiheit hinaus, das zu den grundlegenden Menschenrechten gehört. Tatsächlich kann die Person nur dann wahrhaft Mensch sein, wenn sie alle Aspekte ihres Daseins, auch die geistigen und religiösen, entfalten darf. Die Erfahrung zeigt, daß durch das freiheitliche Ja zu einer Religion Männer wie Frauen nicht nur ihrem Leben einen Sinn geben, sondern dort auch ethische Werte finden, die edelstes Streben im Menschen wecken können. Die echten religiösen Werte verfälschen weder den Verstand noch den Willen noch das Empfinden des Menschen. Im Gegenteil: Sie werten diese auf und erhöhen sie durch die Tatsache, daß sie eine wahrhafte Dimension des Menschen entwickeln. Daher kann wahre Religion nicht intolerant sein, denn das widerspräche ihrem Wesen. Intoleranz kann nur das Ergebnis einer Perversion der Religion sein in dem Maße, wie sie zum Schaden des Menschen angewandt wird und sie als Entschuldigung für Ungerechtigkeit und Gewalt herhalten soll. Intoleranz kann aber ebenso von jenen kommen, die die Religionsfreiheit ablehnen oder einschränken und dadurch den Menschen daran hindern, seine elementarsten Rechte zu genießen. Der achte Bericht, den der Sonderberichterstatter dieser Kommission vorgelegt hat, ist ein weiterer Beleg hierfür. Außerdem darf sich kein soziales Projekt über ethische und geistige Werte hinwegsetzen. Die kulturelle Entwicklung wird ihre Echtheit und Dauerhaftigkeit verlieren, wenn sie nicht jede Dimension - also auch die religiöse - berücksichtigt. Aus diesem Grande müssen die Verantwortlichen den Religionen gestatten, unter Achtung des Pluralismus und der Freiheit ihren Beitrag zum Aufbau einer menschlichen Gesellschaft zu leisten. Die Glaubenden müssen sich im Kostbarsten, was sie besitzen, nämlich im Glauben, anerkannt fühlen. Erst das wird es ihnen ermöglichen, sich mit Vertrauen am Leben der Gesellschaft zu beteiligen. Diese Forderung muß verstärkt in jenen Gegenden gelten, wo sie sich in einer Minderheitensituation befinden. Der Staat muß daher eine zweifache Gefahr vermeiden. Die erste besteht in der Auferlegung eines einzigen religiösen Systems, das die übrigen Religionen aus dem Leben der Nation ausschließt und das individuelle Gewissen der minderheitlichen 1249 ANHANG Gläubigen nicht achtet. Die zweite liegt darin, die Religion als für die nationale Gemeinschaft schädlich zu betrachten. In diesem Falle würde der Staat die Grenzen seiner Zuständigkeit und Verantwortung überschreiten und wäre nicht mehr Garant der grundlegenden und unveräußerlichen Rechte seiner Bürger. Herr Präsident, der Hl. Stuhl hat sich im Laufe des vergangenen Jahres mehrmals zu Wort gemeldet, um die allzu zahlreichen Fälle, wo Gläubige Gegenstand schwerster Diskriminierung gewesen sind, anzuzeigen und zu verurteilen. Sie kommen zu den vielen Fällen hinzu, die vom Sonderberichterstatter untersucht worden sind. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich einige der damit zusammenhängenden Sorgen nennen. Es gibt immer noch zu viele Regionen, wo jede Äußerung des Glaubens und der Zugehörigkeit zu bestimmten religiösen Gemeinschaften verboten ist. Die Gläubigen dürfen sich nicht zum Gottesdienst versammeln oder ihre religiösen Schriften frei verbreiten; manchmal müssen sie im Untergrund arbeiten oder sogar Verfolgung und Verhaftung erdulden. Nicht selten begegnet man Personen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession benachteiligt und praktisch als Bürger zweiter Klasse betrachtet werden; zuweilen werden sie sogar gefoltert oder zum Tode verurteilt, wenn sie konvertieren. Der Hl. Stuhl beklagt, daß gewisse minderheitliche Gemeinschaften daran gehindert werden, Gotteshäuser zu bauen oder sogar sich zum Gebet in ihren Häusern zu versammeln, sich frei nach ihren Gesetzen zu organisieren und - was die katholische Kirche betrifft - normale Kontakte zum Hl. Stuhl zu unterhalten. Es kommt soweit, daß die Freiheit der Eltern, über die religiöse Erziehung ihrer Kinder zu entscheiden, in der Praxis verwehrt wird, obwohl die Gesetze des Landes ihnen dieses Grundrecht zugestehen. Außerdem gibt es Situationen, wo die Bewegungsfreiheit der Personen aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen eingeschränkt wird. Wir erleben Zwangsumsiedlungen der Bevölkerung, die auch religiös motiviert sind oder den Vorwand der Religion ausnutzen, um diese Maßnahmen zu rechtfertigen. Zu bedauern ist ferner, daß - selbst dann, wenn die Religionsfreiheit in vernünftigem Maß garantiert ist - die Behörden zum Erlassen von Gesetzen und Verfügungen neigen, die den Gläubigen und Religionsgemeinschaften immer mehr Einschränkungen auferlegen. Es kommt auch vor, daß die Verantwortlichen der religiösen Gemeinschaften sich nicht zu den Problemen der Gesellschaft äußern können, ohne sofort des Verrats an der Nation verdächtigt zu werden, obwohl sie sich ja in Wirklichkeit dafür einset-zen, meistens sogar mutig und loyal. Die Gesellschaften bestehen in der Tat aus Menschen, die gläubig sein können und die ihre Eigenschaft als Bürger nicht von ihrer Eigenschaft als Gläubige trennen wollen, die staatlichen Einrichtungen aber trotzdem achten. Solche Praktiken stehen im Gegensatz zur Erklärung über die Beseitigung sämtlicher Formen der Intoleranz und Diskriminierung aufgrund von Religion oder Gewis- 1250 ANHANG sensüberzeugung. Sie stellen eine schwere Verletzung der Grundsätze der Gerechtigkeit dar. Zu Recht hat der Sonderberichterstatter in seinen „Schlußfolgerungen und Empfehlungen” darauf hingewiesen, daß die Anwendung der Erklärung über die Beseitigung sämtlicher Formen der Intoleranz und Diskriminierung aufgrund von Religion oder Gewissensüberzeugung nicht von der allgemeinen Frage der Achtung aller Menschenrechte getrennt werden kann. Es geht nämlich in Wirklichkeit um die Achtung des Menschen, ohne ihm irgendeine seiner Dimensionen zu berauben, um so mehr, als die Menschenrechte und die Grundfreiheiten von niemandem gewährt zu werden brauchen. Sie stehen über dem positiven Recht, das nur ihre Ausdrucksform ist. Gewiß steht der Staat vor schwierigen Herausfordemngen, wenn er Gruppierungen mit unterschiedlichen, ja manchmal sogar gegensätzlichen Auffassungen in Einklang bringen soll. Auf dieser Ebene müssen die Staaten darum bemüht sein, sich beim Aufbau ihrer Rechtsordnung von Prinzipien und Regeln leiten zu lassen, die inzwischen ein Teil des gemeinsamen Erbes der internationalen Gemeinschaft geworden sind; sie fordern, daß jeder Mensch gleich behandelt wird, unabhängig von seiner ethnischen, sprachlichen, kulturellen oder religiösen Herkunft. Vor allem müssen die Gläubigen mit Minderheitenstatus geachtet werden, ohne daß dies als Zugeständnis für sie oder als Ergebnis eines Eingriffs oder Drucks von außen aufgefaßt wird. Diese Prinzipien und Regeln sind in den internationalen Abmachungen enthalten, die die verschiedenen Aspekte des Rechtes auf Religionsfreiheit absichem. Sie bestätigen, daß Religionsfreiheit nicht auf bloße Gewissensfreiheit oder Glaubensfreiheit, und auch nicht auf Kultfreiheit beschränkt werden darf. Zur Religionsfreiheit gehört auch, daß kein Mensch - was immer seine religiöse Zugehörigkeit auch sein mag -bei der Ausübung seiner weiteren Rechte und Freiheiten diskriminiert werden darf. Es ist daher nicht möglich, daß ein Staat sich auf die ihm vorbehaltene Herrschaftsgewalt beruft, um die Wirkungen der internationalen Regelungen zum Schutz der Grundrechte — darunter vor allem der Religionsfreiheit - einzuschränken. Der Hl. Stuhl ist sich der gewaltigen Herausforderungen bewußt, die sich den Staaten und den verschiedenen Religionen stellen, damit das Recht auf Religionsfreiheit im Kontext einer pluralistischen Welt richtig verstanden und geachtet wird. Alle werden einen Geist der Toleranz und Sinn für den Dialog brauchen, um Lösungen zu finden, die nur dann akzeptabel sind, wenn sie sich von der Gerechtigkeit und dem Recht inspirieren lassen. In diesem Geist wollte der Hl. Stuhl seinen spezifischen Beitrag zu dieser wichtigen Auseinandersetzung über die Anwendung der Erklärung über die Beseitigung sämtlicher Formen der Intoleranz und Diskriminierung aufgrund von Religion oder Gewissensüberzeugung leisten. Ich danke Ihnen. Genf, 14. Februar 1994 1251 ANHANG Werte und Rechte der Familie achten Beitrag von Msgr. Tabet, Chef der Delegation des Hl. Stuhls bei der 50. Sitzung der Kommission der Vereinten Nationen für die Menschenrechte im Februar in Genf Herr Präsident! Wenn die Vereinten Nationen es für gut hielten, das Internationale Jahr der Familie auszurafen, wollten sie damit nicht auf die mehr und mehr sichtbar werdenden Sorgen um das Thema Familie antworten? Die Lage, in der sich die Familie in der Welt von heute befindet, bietet in der Tat Aspekte, die sich für ihr Wohlergehen als negativ erweisen und dazu beitragen können, sie zerbrechlicher zu machen oder gar aufzulösen. Äußere Faktoren, die auf die Armut oder Arbeitslosigkeit zurückgehen und ein ungesichertes Leben mit sich bringen - dazu ungenügende Wohnverhältnisse bewirken, daß es den Familien an den grundlegenden Möglichkeiten zum Überleben fehlt. Doch lassen gewisse Hinweise einen Besorgnis erregenden Niedergang grundlegender Werte voraussehen, die in allen Kulturen diese naturgegebene Institution kennzeichnen und ihre Festigkeit sicherstellen. Es genügt der Hinweis auf das immer häufigere Zerbrechen der Familien, die nicht mehr in der Lage zu sein scheinen, den individualistischen Tendenzen ihrer Mitglieder zu widerstehen, aber auch auf die konkrete Schwierigkeit, die viele Eltern bei der Weitergabe ihrer Werte an die neuen Generationen haben. Bringen diese Faktoren nicht die Gefahr mit sich, auf lange Sicht selbst die Existenz der Familie zu bedrohen? Aus diesem Grund war der Hl. Stuhl über die Initiative der Vereinten Nationen glücklich, die damit die Wichtigkeit der Familie betonen, ein besseres Verständnis ihrer Ziele und Probleme fördern und erneut die Aufmerksamkeit auf die Rechte und Pflichten all ihrer Mitglieder hinlenken wollte. Es war daher passend, daß die Kommission für die Menschenrechte diese Frage der Familie, die durch die Universale Erklärung der Menschenrechte als „natürliches und grundlegendes Element der Gesellschaft” bezeichnet wurde und „ein Recht auf den Schutz der Gesellschaft und des Staates hat” (Art. 18,3), auf ihre Tagesordnung setzte. In diesem gleichen Geist hat Papst Johannes Paul II. seinerseits alle Mitglieder der katholischen Kirche aufgefordert, dieses Internationale Jahr zu begehen. Die zahlreichen Initiativen, die bereits ergriffen wurden und noch von den internationalen und örtlichen Einrichtungen der Kirche ergriffen werden, haben eine Vertiefung des Familiensinnes zum Ziel. Die jüngste Initiative am 22. dieses Monats ist die Veröffentlichung des Briefes, den Papst Johannes Paul II. an alle Familien der Welt gerichtet hat. Unter den Beiträgen des Hl. Stuhles zu diesem Thema sei an die Charta der Rechte der Familie erinnert, die 1983 nach ausführlicher Beratung durch besondere Fachleute auf diesem Gebiet und Vertreter verschiedener Kulturen erarbeitet wurde. Sie bietet eine möglichst vollständige und geordnete Formulierung der der Familie eige- 1252 ANHANG nen Grandrechte. Diese sind in das Gewissen des Menschenwesens und der Menschheit eingeschrieben, wie es weithin auch die Erfahrung der verschiedenen Kulturen im Verlauf ihrer Geschichte erwiesen wurde. Diese Rechte sind in einer klaren Definition der Familie verwurzelt, wie man sie in der Präambel B dieser Charta nachlesen kann: „Die Familie hat ihre Grundlage in der Ehe, dieser innigen Lebensgemeinschaft in gegenseitiger Ergänzung von Mann und Frau, die durch das frei übernommene und öffentlich bekundete unauflösliche Eheband gebildet wird und offen ist für die Weitergabe des Lebens. ” Präambel E fügt hinzu: „Die Familie ist viel mehr als eine bloße juridische, soziale und ökonomische Einheit; sie bildet eine Gemeinschaft der Liebe und der Solidarität, die in einzigartiger Weise geeignet ist, kulturelle, ethische, soziale, geistige und religiöse Werte zu lehren und zu übermitteln, wie sie wesentlich sind für die Entwicklung und das Wohlergehen ihrer eigenen Mitglieder und der ganzen Gesellschaft.” Tatsächlich vermag niemand die Wichtigkeit der Familie für das Wohlergehen und das Gleichgewicht der einzelnen zu übersehen. Die Ehepaare finden in einer beständigen Einheit eine Quelle ihrer physischen, geistigen, moralischen und geistlichen Entfaltung. Für die Kinder und Jugendlichen nimmt die Familie eine zentrale Stellung ein durch ihre Erziehung, ihre Sozialisierung, die Übergabe der Kultur und ihrer Werte. Sie werden herangebildet und erzogen von ihren Eltern, von denen sie mit Recht die Befriedigung ihrer materiellen und psychologischen, affektiven und geistigen Bedürfnisse erwarten. Durch den Weggang des einen oder anderen Eltem-teils oder die Trennung der Eltern werden die Kinder schwer in Mitleidenschaft gezogen. Das Wohl der Eltern aber darf nicht um einen unmenschlichen und egoistischen Preis erkauft werden, der einen Angriff auf die grundlegendsten Rechte der Kinder darstellt. Deswegen ist es wichtig, daß alle, die Anteil an der Verantwortung für das Gemeinwohl haben, über die besonderen und unveräußerlichen Rechte der Familie informiert sind und weiterhin darüber, daß diese weit vor dem Staat und jeder anderen Gemeinschaft besteht. So sagt auch Artikel 6 der Charta der Familienrechte: „Die Familie hat das Recht, als Familie zu leben und sich zu entfalten.” Dies ist um so dringlicher, als aus inneren oder äußeren Gründen oft sogar die Existenz der Familie auf dem Spiele steht. Jede Person hat ein Recht auf freie Wahl ihres Lebensstandes und daher auch, sich zu verheiraten und eine Familie zu gründen. Die Ehe kann nur mit der freien Zustimmung der Ehegatten eingegangen werden. Diese besitzen das unveräußerliche Recht, eine Familie zu gründen und frei zu entscheiden, ihren Kindern das Leben zu schenken. Das menschliche Leben ist absolut zu achten. Die Eltern haben das ursprüngliche Recht und die Pflicht, ihre Kinder zu erziehen: sie Müssen als ihre ersten und hauptsächlichen Erzieher anerkannt werden, weil sie am besten geeignet sind, sie in ihrer physischen, geistigen, geistlichen und religiösen Entwicklung zu begleiten; sie müssen auch bei dieser Aufgabe unterstützt werden. 1253 ANHANG Jede Familie besitzt das Recht, sich frei zu entscheiden, was ihre religiösen Überzeugungen angeht, wie auch ihre soziale und politische Funktion beim Aufbau der Gesellschaft wahrzunehmen. Daher sind die Staaten dafür verantwortlich, die Gesamtheit ihrer Rechte zu garantieren, den Familien sogar einen besonderen Schutz zukommen zu lassen, zumal den schwächsten und den kinderreichen Familien. Die Familie muß nämlich mit einer angemessenen Familienpolitik auf juridischem, wirtschaftlichem, sozialem und steuerlichem Gebiet ohne jede Diskriminierung rechnen können. Sie besitzt ebenso das Recht auf eine Sozial- und Wirtschaftsordnung, die ihrer Einheit, ihrem Wohlergehen und ihrer Festigkeit keine Hindernisse in den Weg legt. Der Staat und die internationalen Organisationen müssen diese Rechte auch berücksichtigen, wenn sie Maßnahmen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und juridischen Charakters treffen, so daß die Einheit und der Zusammenhalt der Familie gefestigt und geschützt werden und sie ihre spezifische Aufgabe ausüben kann. Das Wohl der Familie ist ein wesentlicher Faktor für die Bewertung von gesetzgeberischen und verwaltungstechnischen Verfügungen. Die wirtschaftliche Hilfe, die ihrer Entwicklung gewährt wird, darf nicht von Programmen abhängig gemacht werden, die eine freie Wahl der Familien in ihren Eigenbereichen einschränken. Wie Papst Johannes Paul II. ferner in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 1994 in Erinnerung gerufen hat, spielt die Familie eine wesentliche Rolle für den Aufbau der Gesellschaft, und zwar in dem Maße, wie im Schoß der Familie die Werte der Liebe, des Verständnisses und der Achtung des anderen vorgelebt, geschätzt und weitergegeben werden, die den Kitt einer jeden freien, solidarischen und friedlichen Gesellschaft bilden. Die Familie besitzt eine Funktion der Integration und der Einheit der Gesellschaft, weil sie deren Grundzelle ist. Sie hat deswegen eine unersetzliche Aufgabe sowohl für ihre Mitglieder wie für die Gesellschaft. Wenn sie die Werte und Rechte der Familie achten und für die Förderung einer wirksamen Familienpolitik arbeiten, tragen die Staaten am besten zum Finden von Lösungen für die moralische Krise bei, welche die Welt von heute erfaßt hat. Da die Familie tatsächlich das günstigste Gebiet für die wirksame Achtung und Anwendung der Rechte einer jeden Person ist, spricht der Hl. Stuhl den Wunsch aus, daß die Kommission für die Menschenrechte dem Schutz der Interessen und der Rechte der Familie jene Stellung einräumt, die diesen im Ganzen ihrer Arbeit zukommt. Ich danke Ihnen. 1254 ANHANG Ungleiche Begriffe: Familienplanung - Geburtenverhütung Erklärung von Msgr. Diarmuid Martin, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls in New York bei der 3. Sitzung des Vorbereitungskomitees für die Internationale Konferenz über Bevölkerungs- und Entwicklungsffagen in Kairo am 5. April Bis zu diesem Augenbbck hat der Hl. Stuhl mit Interesse die ganze Vorbereitungsphase für die Konferenz in Kairo verfolgt. Mit Freude hat er vor allem an den regionalen Vorbereitungskonferenzen teilgenommen wie auch an den früheren Sitzungen dieses Vorbereitungskomitees und den Versammlungen der Bevölkerungskommission. Die Anwesenheit des Hl. Stuhls bei diesen Aktivitäten ist ein Zeichen für die Bedeutung, die er den Themen beimißt, die hier in den nächsten Tagen und zu einem späteren Zeitpunkt dieses Jahres in Kairo zur Diskussion stehen. Ein Gesamtüberblick über die Einstellung des Hl. Stuhls findet sich in der Botschaft, die Papst Johannes Paul II. kürzlich der Generalsekretärin der Konferenz, Frau Nafis Sadik, bei ihrem Besuch im Vatikan überreichte. (Siehe O.R. dt. Nr. 18 v. 6.5.94, S. 4, Anm. d. Red.) Der Text dieser Botschaft steht allen Delegationen zur Verfügung. Das Thema der Kairoer Konferenz „Bevölkerungs- und Entwicklungsfragen” ist wie Papst Johannes Paul II. in dieser Botschaft bemerkte, „von lebenswichtiger Bedeutung für das Wohlergehen und den Fortschritt der Menschenfamilie”. „Bei keinem der zur Diskussion stehenden Themen”, so fuhr er fort, „handelt es sich lediglich um wirtschaftliche Belange, sondern jedes ist im Grunde eine Frage von tiefer moralischer Bedeutung mit weitreichenden Auswirkungen.” In erster Linie ist es wichtig, bei der intensiven Arbeit und den Besprechungen in diesen Wochen nie den Kontakt mit den tiefsten Aspekten der anstehenden Themen und ihrer Bedeutung für die menschliche Person und die Gesellschaft zu verlieren. Themen, die so unmittelbar das Wohl und die Sorge für das Wohlergehen der Menschheit betreffen - wie die Weitergabe und den Schutz des menschlichen Lebens, so grundlegende Institutionen wie Ehe und Familie, verantwortungsbewußte Verwaltung der Ressourcen der Erde und Umweltfragen -, müssen mit Umsicht ja mit Ehrfurcht und Achtung angegangen werden. Wir leben in einer Welt, die allzu oft gekennzeichnet ist durch vorherrschend utilitaristische Bewertungen. Entscheidungen über die Person des Menschen jedoch dürfen nicht nur und auch nicht erstrangig nach utilitaristischen Gesichtspunkten getroffen werden. Wenn wir verkünden - wie es in den dem Dokument von Rio entnommenen Prinzipien im Entwurf zum Schlußdokument zu Recht geschieht -, daß „die Menschen im Mittelpunkt der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung stehen”, dann stellen wir bereits klar, welche Vorstellung wir von der Entwicklung haben, die wir fördern möchten. Auf den Menschen konzentrierte Entwicklung, auf die Person konzentrierte Entwicklung ist ganzheitlich, konzentriert auf ein integrales Verständnis der Bestim- 1255 ANHANG mung und der Möglichkeiten der Person und gleichzeitig die zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Beziehungen berücksichtigend. Die ethischen und moralischen Dimensionen der Verantwortlichkeiten von Personen und ihrem Verhalten, von ihren Rechten und Pflichten gehören eindeutig in solche integrale Betrachtung. Die Ethik ist eine reale Dimension des menschlichen Daseins, die sich nicht nach ökonomischen oder utilitaristischen Gesichtspunkten bemessen läßt, ohne die aber die menschliche Person und die menschliche Gesellschaft niemals zur vollen Entwicklung gelangen können. Eine der hauptsächlichsten Sorgen der Delegation des Hl. Stuhls hinsichtlich des Entwurfs zum Schlußdokument ist das Fehlen einer klaren ethischen Sicht. Es ist nicht einfach eine Frage verschiedener ethischer Bewertung der einen oder anderen Situation oder eines Umstandes. Das Dokument ist in der Tat gekennzeichnet von einem äußerst individualistischen Verständnis der Person und der menschlichen Sexualität. Es akzeptiert fast als ein uneingeschränktes Recht, daß jeder Mensch - einschließlich Heranwachsende von einem sehr frühen Alter an - „sexuell aktiv” sein dürfe. Während der Entwurf zum Schlußdokument die negativen Folgen erkennt, die manche kürzlich erfolgten sozialen Umschichtungen mit sich gebracht haben, weist es als einzige Antwort nur auf die möglichen Mittel hin, mit Hilfe derer Schwangerschaft oder sexuell übertragene Krankheiten vermieden werden können. Es wird kein Hinweis darauf gegeben, wie die Gesellschaft eine Verhaltensweise zu verhindern suchen soll, von der der Text selbst sagt, daß sie ein „großes Risiko” hinsichtlich der Gesundheit von Menschen bedeutet. Es wird kein Hinwies dafür gegeben, wie jungen Menschen verständlich gemacht werden kann, daß reifes Sexualverhalten eine Wertschätzung der tieferen zwischenmenschlichen Dimensionen erfordert und eine Selbstbeherrschung, die notwendig ist, um dem anderen Menschen Achtung und Liebe entgegenzubringen. Bei der Reflexion über die Rechte und Pflichten von Ehepaaren, wenn sie Entscheidungen treffen über die Anzahl ihrer Kinder und den zeitlichen Abstand zwischen den Geburten, werden oft die Formulierungen der Menschenrechtskonferenz in Teheran zitiert. In den etwa 25 Jahren seit dieser Konferenz wurde jedoch versäumt, über einen Aspekt dieses Textes nachzudenken: „Eltern haben”, so heißt es darin, „ein grundlegendes menschliches Recht, frei und verantwortlich über die Anzahl ihrer Kinder und die Abstände zwischen den Geburten zu entscheiden ... Gerade in diesen Jahren hatte man wohl Scheu davor, deutlicher klarzustellen, was mit dieser Vorstellung von Verantwortlichkeit gemeint war. Ethische Forderungen und Verantwortung dürfen nicht durch eine oberflächliche Analyse der gängigen Verhaltensmuster bestimmt werden, vor allem, wenn manche dieser Verhaltensweisen allgemein als unreif oder gar unverantworthch beurteilt werden. Die Gesellschaft darf sich nicht ihrer Verantwortung entledigen, hinzuweisen auf die Grundüberzeugungen von dem, was verantwortungsbewußtes Verhalten ist, und gerade von jungen Menschen zu fordern, daß sie zu persönlicher und 1256 ANHANG menschlicher Reife kommen, was zwangsläufig ein respektvolleres Verhalten andern gegenüber erfordert. Wenn man den Entwurf zum Schlußdokument ließt, kann man den Eindruck gewinnen, es sei gekennzeichnet von jener Zurückhaltung gegenüber einer klaren ethischen Anschauung, wie sie für gewisse Industrieländer charakteristisch ist. Er scheint nicht in Bedacht zu ziehen oder nicht ganz zu begreifen, in welchem Ausmaß kulturelle, ethische, spirituelle und religiöse Werte tief in den Traditionen anderer Völker verwurzelt sind, vor allem in Entwicklungsländern. Daß einem Dokument, das sich mit Grundfragen über die Zukunft der Menschheit beschäftigt, die Untermauerung durch eine klare ethische Anschauung fehlt, ist äußerst besorgniserregend. In solch einem ethischen Vakuum versucht das Dokument Prinzipien aufzustellen, die manchmal ideologischer Natur, manchmal funktionsorientiert sind. Eine Gesellschaft, eine internationale Gemeinschaft, die auf Prinzipien ohne klare Vorstellungen, ohne philosophische Untermauerung gegründet ist, ist zur Auflösung verurteilt. In ähnlicher Weise wäre es äußerst gefährlich für die internationale Gemeinschaft, neue „grundlegende Menschenrechte” zu verkünden, die, statt auf dem begründet zu sein, was wesentlich ist für die Würde der menschüchen Person und für das Gemeinwohl der Menschheit, sich auf persönliche Vorliebe oder eine spezielle Ideologie gründen. Die internationale Gemeinschaft war zu Recht sehr sparsam im Schaffen „neuer Rechte” oder im Erweitern der Anwendung der anerkannten Menschenrechte. Den Inhalt der Menschenrechte zu verwässern bedeutet eine bedenkliche Abschwächung ihres Einflusses und der Fähigkeit der internationalen Gemeinschaft, ihre absolute Respektierung zu fordern. Die Delegation des Hl. Stuhls möchte daher den genauen Inhalt, den Umfang und die Grenzen des vorgeschlagenen Konzepts der „Fortpflanzungsrechte” klarer umschrieben sehen. Meine Delegation schätzt den Wert und die Notwendigkeit der Gesundheit auf dem Gebiet der Fortpflanzung als Teil des gesamten Wohlbefindens eines Menschen, sowohl des Mannes wie der Frau. Das schließt eine Verpflichtung ein, alle jene physischen, psychologischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Faktoren zu fördern, die sicherstellen, daß für Frauen Empfängnis, Schwangerschaft, Geburt und Ernährung des Kindes unter optimalen Bedingungen garantiert sind. Diese Anhegen würden natürlich auch entsprechende Erziehungsmaßnahmen umfassen - die moralische Erziehung eingeschlossen -, die junge Menschen zu reifem Sexualverhalten und achtungsvollen Familienbeziehungen fuhren. Sie umfassen ferner Bemühungen zur Ausmerzung sexueller Gewalt und anderer Mißbräuche und Verstümmlungen, besonders von Frauen. Einzuschließen wären ebenfalls entsprechende Behandlung der Unfruchtbarkeit und deren Vorbeugung. Der Hl. Stuhl wird eine so verstandene „Fortpflanzungsgesundheit” („reproductive health”) unterstützen: nämlich eine, die offen ist zur Schaffung einer Umgebung, in der Frauen und Männer freie und verantwortliche Entscheidungen treffen können, die sie zur Fort- 1257 ANHANG Pflanzung befähigen, ohne ihre eigene Gesundheit oder die der Kinder, die sie zur Welt bringen, zu gefährden. Der Hl. Stuhl kann jedoch keine Auffassung von „Fortpflanzungsrechten” unterstützen, die die Abtreibung als angemessene Art der Familienplanung oder die Vorstellung von einem international anerkannten Grundrecht zur Abtreibung einschließen würden. Ebenso findet der Hl. Stuhl es nicht annehmbar, daß in dem Dokument fortlaufend Familienplanung und Empfängnisverhütung als gleichbedeutende Begriffe verwendet werden. Das wird noch unterstrichen durch die Tatsache, daß in dem Entwurf zum Schlußdokument jeder Hinweis auf natürliche Familienplanung fehlt. Der Hl. Stuhl unterstützt die Anwendung der natürlichen Methoden zur Regulierung der Fmchtbarkeit nicht nur aus ethischen Gründen, sondern weil diese nicht kostspieligen Methoden die Gesundheit von Frauen und Männern respektieren durch das Vermeiden von gefährlichen Nebenwirkungen, die auftreten können, und die volle Beteiligung und Verpflichtung des Mannes in Anspruch nehmen. Im Verlauf der Diskussionen ist die Delegation des Hl. Stuhls gern bereit, in diesen Treffen mit anderen Delegationen bei der Darstellung und Ausarbeitung von Formulierungen in angemessener Sprache zusammenzuarbeiten und Abschnitte, die der Entwurf zum Schlußdokument enthält, weiterzuentwickeln oder zu klären. Das gleiche, Herr Vorsitzender, trifft zu für andere Aspekte des besprochenen Dokumentes, die ich jetzt nicht weiter ausführen möchte. Auf einen Großteil dieser Bereiche wurde in der Botschaft hingewiesen, die Papst Johannes Paul II. an die Generalsekretärin gerichtet hat, wie z. B. die Beziehung der Bevölkerungspolitik zur Entwicklungspolitik im allgemeinen, die Zentralstellung der Familie und ihr Recht auf Unterstützung durch Gesellschaft und Staat, die Würde der Frauen und die Notwendigkeit, daß Männer mehr Verantwortung für das Familienleben übernehmen. Das Ziel der Interventionen meiner Delegation wird vor allem sein, das Bewußtsein zu vertiefen, das unser Schluß dokument hinsichtlich der ethischen Wahrheiten aufweisen soll, die mit unseren Überlegungen verbunden sind. Wir stehen vor ernsten Fragen über die Zukunft der Menschheit. Sie fordern uns heraus zu überzeugenden Antworten. Aber wir müssen auch, wie ich sagte, solche Fragen mit einer gewissen Ehrfurcht und Achtung angehen und uns bewußt sein, daß die Beiträge, die selbst eine so bedeutende Konferenz erbringen kann, bescheiden und begrenzt sind. 1258 ANHANG Sonderversammlung der Bischofssynode fiir Afrika BOTSCHAFT DER SYNODE veröffentlicht am 6. Mai Die von einer Gruppe von Synodenvätern erarbeitete „Botschaft der Synode” wurde am 2. Mai im Plenum vorgestellt und anschließend diskutiert. Die Veröffentlichung erfolgte am 6. Mai. Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Christus ist auferstanden, Halleluja! 1. Wie Maria Magdalena am Morgen nach der Auferstehung, wie die Jünger von Emmaus mit brennendem Herzen und erleuchtetem Geist, so verkündet die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika: Christus, unsere Hoffnung, ist auferstanden, er ist zu uns gekommen und mit uns gegangen. Er öffnete uns die Augen für das Verständnis der Schrift und sagte: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt” (Offb 1,17-18). 2. Von der ersten Sitzung an, am Montag, dem 11. April 1994, prägte Christus persönlich die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika und gab ihr ihre tiefe Bedeutung: Synode der Auferstehung, Synode der Hoffnung. Wie. der heilige Johannes auf Patmos in besonders schwierigen Zeiten hoffnungsvolle Prophezeiungen für das Volk Gottes erhielt, so verkünden auch wir die Hoffnung. Zu diesem Zeitpunkt, da so viel durch politische Interessen geschürter Bruderhaß unsere Völker spaltet, in einer Zeit, in der die Last der hohen Auslandsverschuldung oder der Geldentwertung sie erdrückt, wollen wir, die Bischöfe Afrikas, gemeinsam mit allen Teilnehmern dieser heiligen Synode, in Einheit mit dem Heiligen Vater und all unseren Brüdern im Bischofsamt, die uns gewählt haben, dir, Familie Gottes in Afrika, dir, Familie Gottes in aller Welt, ein Wort der Zuversicht und des Trostes widmen: Christus, unsere Hoffnung, lebt, auch wir werden leben! 3. In dieser Zeit des besonderen himmlischen Wohlgefallens gegenüber dem afrikanischen Erdteil, den Paul VI. im Anschluß an das Konzil prophetisch als „das neue Vaterland Christi” bezeichnete, ist unser ganzes Dasein nichts als ein einziger Ausruf der Freude und des Dankes, den wir zum lebendigen Gott für das große Geschenk dieser Synode erheben: Zum Vater, dessen Familie wir sind, zum Sohn, dessen Bruderliebe wir verkörpern, die den Bruderhaß überwindet, zum Geist der Liebe, der uns nach dem Abbild der Heiligen Dreifaltigkeit formt. 4. Dem obersten Hirten, Seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. - auf dessen Initiative hin diese Synode einberufen wurde -, der bis zu seinem Unfall als eifriger, aufmerksamer, herzlicher und aufmuntemder Teilnehmer allen Generalversammlungen beiwohnte -: Wir kommen nicht umhin, ihm zu sagen, daß wir wissen, wie sehr 1259 ANHANG er Afrika in väterlicher, tiefer und tatkräftiger Liebe verbunden ist. Unser Herz weiß es und ist voller Dankbarkeit. 5. Und du, Volk Gottes in Afrika, in Madagaskar und auf den Inseln, wir sprechen dir unsere Anerkennung aus! Du hast diese Synode aktiv und mit erleuchtetem Eifer vorbereitet durch die Beantwortung der Fragen des Entwurfdokuments (.Lineamenta) und das Nachdenken über das Arbeitsdokument (Jnstrumentum labo-ris). Außerdem hast du sie durch dein Gebet für ihren erfolgreichen Ausgang unterstützt. Und ein Erfolg war sie, denn wir haben in der Tat in dir solche Aspekte erkannt, die dich uns nähergebracht und uns für das Werk der Evangelisierung unseres Kontinents stärker angeregt haben. 6. Seit der Eröffnungsfeier am Sonntag, dem 10. April, unter dem Vorsitz des Heiligen Vaters, umgeben von 35 Kardinälen, einem Patriarchen, 39 Erzbischöfen, 146 Bischöfen und 90 Priestern, konnte diese Universalität in einer Liturgie erlebt werden, die den Inkulturationsprozeß auf dem Schwarzen Kontinent widerspiegelte. Afrika hat zu dieser historischen Begegnung den spürbarsten Ausdruck seiner Inkulturationsbemühungen mitgebracht, an denen das gesamte Volk sich aktiv beteiligt. Es war hier mit all seiner Freude, seinem Vertrauen in das Leben. In der Petersbasilika erklangen Tamtams und Xylophone, Kastagnetten und Gongs, die bei uns die rhythmische Begleitung für den Kampf zwischen Leben und Tod sind. An diesem zweiten Sonntag der Osterzeit, als Christus den Tod besiegte, erhielt dies eine besonders tiefe Bedeutung, die Papst Johannes Paul II. in seiner Predigt so zum Ausdruck brachte: Afrika, der Schwarze Erdteil, den Gott liebt. 7. Die nun zu Ende gehende Synode hat uns Gelegenheit gegeben, in der Familie Brüderlichkeit, Kollegialität und kirchliche Communio zu erleben. Die Universalität der Kirche, die nicht Gleichförmigkeit, sondern Gemeinschaft der mit dem Evangelium zu vereinbarenden Unterschiede ist, haben alle Bischöfe erlebt. Alle waren sich bewußt, daß sie „als Glieder des in der Nachfolge des Apostelkollegiums stehenden Episkopates nicht nur für eine bestimmte Diözese, sondern für das Heil der ganzen Welt die Weihe empfangen” {Ad gentes, Nr. 38). Evangelisierung 8. Die ersten beiden Wochen haben uns die Möglichkeit gegeben, den Kirchen Afrikas zuzuhören, die durch die Wortmeldungen der Synodenväter zum zentralen Thema: „Die Kirche in Afrika und ihre Sendung zur Evangelisierung bis zum Jahr 2000: ,Ihr werdet meine Zeugen sein’ {Apg 1,8)” Stellung nahmen. Das Hauptthema ist wiederum in fünf Punkte gegliedert: Verkündigung, Inkulturation, Dialog, Gerechtigkeit und Frieden sowie die sozialen Kommunikationsmittel. 1260 ANHANG Evangelisierung als Verkündigung 9. Evangelisierung ist die Verkündigung der Frohbotschaft der in Jesus Christus verwirklichten und allen Menschen angebotenen Erlösung. Die Erstverkündigung muß Christus zum Mittelpunkt haben - derselbe gestern und heute ständige Neuheit der Güte Gottes für uns. In ihm wird uns der Geist gegeben für die Vollendung unserer Heiligung und die Umwandlung der Welt. Unwandelbar in ihrem Inhalt, der Christus ist, wird sie „neu sein in ihrer Triebkraft, in ihrer Methode und ihrem Ausdruck” (Johannes Paul II.). Sie ist nicht in erster Linie eine Theorie, sondern Leben, eine Begegnung der Liebe, die unser Dasein verändert, heute wie in den Anfängen der Kirche. Der Geist, der die Kraft verleiht, für den gestorbenen und auferstandenen Christus Zeugnis abzulegen, führt den Apostel auf den Weg der Mission: Er ist es auch, der die gesamte Menschheit auf dieses Treffen mit Christus vorbereitet, um seine Kirche aufzubauen, die Sein Wort vereint und die durch Seine Sakramente genährt wird. Die Erstverkündigung muß demnach das Ziel haben, dieses erschütternde und begeisternde Erleben Christi, das uns anzieht und mitreißt, schließlich in ein Abenteuer des Glaubens zu verwandeln. In dieser Erfahrung ist der unwiderstehliche Wunsch der Beteiligung enthalten. Sie muß weitergegeben werden, denn viele Menschen auf dem Schwarzen Kontinent und in der Welt haben die Frohbotschaft noch nicht vernommen. Der Glaube bringt eine missionarische Anforderung mit sich. Die Gewißheit, in Jesus „die kostbare Perle” des göttlichen Reiches entdeckt zu haben, bewirkt jene Wandlung, die ein neues Leben mit sich bringt; sie erzeugt eine Loslösung, verunsichert und führt auf den Weg der Mission innerhalb des eigenen Landes wie auch bis an die Grenzen der Welt. Diese erste grundlegende Zeit der christlichen Erfahrung wird durch die Sakramente der christlichen Initiation besiegelt. Die Katechese führt sie auf systematischere Weise fort, ins Herz der gestifteten Kirche. Diese entwickelt ihre pastorale Tätigkeit, organisiert das liturgische und sakramentale Leben wie auch den Missionsauftrag, die alle Formen der Evangelisation sind. Evangelisieren bedeutet, zu einem Leben in Jesus Christus, dem alleinigen Erlöser der Menschheit, hinftihren. Die Kirche Afrikas muß an diesem Wendepunkt der Geschichte mehr denn je in Christus den Mittelpunkt sehen und sich der Triebkraft seines Geistes anvertrauen, der in jedem einzelnen Menschen und in der bereits errichteten Kirche das Werk Christi erfüllt. Dieser Geist drängt uns, allen Völkern das Wort Gottes zu verkündigen. Der Hauptgrund für die Einberufung dieser Bischofssynode ist, diese Grunderfahrung der Kirche wieder in den Mittelpunkt zurückzubringen. Würdigung der Missionare 10. Für diese Verkündigung verdient der Einsatz der Missionare, Männer und Frauen, die seit Generationen auf dem afrikanischen Kontinent tätig waren, Aner- 1261 ANHANG kennung und Dankbarkeit. Sie haben viel gelitten, sie haben ein beschwerliches Leben, Hunger, Durst, Krankheiten, die Gewißheit einer sehr kurzen Lebensspanne, den Tod selbst, hingenommen, um uns das zu geben, was ihnen am kostbarsten war: Jesus Christus. Sie haben einen hohen Preis zahlen müssen, um uns zu Kindern Gottes zu machen. Ihr hingabevoller Glauben, ihre Dynamik und ihr glühender Eifer haben es ermöglicht, daß wir heute als Kirchenfamilie zum Lob und Ruhm Gottes bestehen. Schon bald danach nahmen zahlreiche Söhne und Töchter Afrikas als Katechisten, Dolmetscher und sonstige Mitarbeiter an ihrem Zeugnis teil. 11. Möge ihr Beispiel nicht nur unsere Jungen und Mädchen anregen, die heute in großer Zahl von den Instituten für die Evangelisierung aller Völker angeworben werden, sondern auch die Ortskirchen, die sie gründeten. Wenn diese Kirchen aus ihrer Mitte jene Einrichtungen hervorgehen sehen, die in der Lage sind, ihre Sorge für alle Kirchen zum Ausdruck zu bringen, und mit Entschlossenheit das Evangelium in die noch nicht evangelisierte Welt tragen, dann wird die Arbeit der Missionsinstitute ihren wahren Zweck erreicht haben. Ihr Werk geht weiter als Zusammenarbeit unter den Kirchen (vgl. Redemptoris missio, Nr. 39.85). 12. Durch ihren herzlichen Dialog und durch die Zusammenarbeit mit den auf dem Schwarzen Kontinent tätigen Missionsinstituten und in der Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri zeigen jene Kirchen Afrikas und Madagaskars, die die Initiative zur Gründung von Ordens- und Missionsinstituten ergreifen, daß eine neue Phase begonnen hat. Bis gestern waren es nur die missionarischen Einrichtungen aus dem Norden, die die Evangelisierung Afrikas in die Hand nahmen. Ein Jahrhundert später weisen die Statistiken auf eine eindeutige Entwicklung hin: 95 Millionen Katholiken. Aber das sind nur 14 Prozent der Gesamtbevölkerung des afrikanischen Erdteils. Daraus geht hervor, daß die Erstverkündigung nach wie vor ihre Dringlichkeit und Notwendigkeit beibehält, besonders seit andere spirituelle und religiöse Kräfte an Boden gewinnen. Die begonnene neue Phase verlangt von unseren Kirchen authentische Tatkraft und Kreativität. Diesen wohlüberlegten und im Gebet reiflich geprüften Initiativen wird diese heilige Synode sicherlich nicht ihre Unterstützung vorenthalten. Unsere Ortskirchen müssen ohne Ausnahme von missionarischem Eifer erfüllt sein. 13. Dies war und bleibt die Verkündigung, die die Apostel mit ihren Nachfolgern im Laufe der vergangenen zwanzig Jahrhunderte verbunden hat. Bei jeder Wende in der Geschichte, bei den Griechen wie bei den Römern, bei den Angelsachsen, den Germanen und den Slawen, um nur einige zu nennen, hat die Verkündigung stets eine tiefgreifende Umwandlung des einzelnen Menschen und der Völker bewirkt, was einer Neuschöpfung gleichkommt. Es war das treue Festhalten an der biblischen Struktur der Offenbarung. Daher zeigte die Evangelisierung im Rahmen der Synode allen deutlich ihren zweifachen Aspekt der Verkündigung der Erlösungsbotschaft und der Inkulturation. Die doppelte Zeugnispflicht, die daraus für jede Teilkirche und jeden Getauften entsteht, ist die Aufnahme der Frohbotschaft bis zu den 1262 ANHANG Wurzeln unserer Kulturen und ihre Weitergabe an alle Völker bis an die Grenzen der Welt. Eine lediglich auf die Verkündigungsdimension beschränkte Evangelisierung wäre eine Entstellung, denn sie ist ein Dialog der Liebe, in dem die Inkulturation der Botschaft der zweite notwendige Schritt ist. Evangelisierung, Inkulturation und Heiligkeit 14. Dieser Dialog der Liebe mit Gott, dem Heiligen und Einzigen, stellt eine unerläßliche Forderung, die alle spüren und die viele mit Nachdruck und theologischer Tiefgründigkeit zum Ausdruck gebracht haben: die Helligkeit. Wenn das Wort unsere Natur annimmt, sie reinigt und sie mit seiner grundlegenden und schönsten Eigenschaft, der Heiligkeit, ausstattet. Wenn sie sich festigt, weckt sie alle Energien der ersten Schöpfung, die die Kultur zum Ausdruck bringt, und schenkt ihr seine Erlösungskraft. 15. Aber die Kultur, die unserem Volk ihre Identität gegeben hat, ist in einer schweren Krise. Ein erstes Bedürfnis an der Schwelle dieses 21. Jahrhunderts, in dem unsere Identität durch die Umklammerung einer grausamen Geschichtsepoche vernichtet wird, sind jene Propheten, die im Namen Gottes von der Hoffnung für das Entstehen einer neuen Identität sprechen. Afrika braucht heilige Propheten. Zeugen sein 16. Wie die Menschwerdung so erreicht auch die Inkulturation den Höhepunkt im Ostergeheimnis, in dem Christus sogar mit seinem Blut Zeuge der Wahrheit ist und am Kreuz all das zusammenfaßt, was in den Kulturen wahr und heilig ist, damit in ihnen die Allerheiligste Dreifaltigkeit offenbart werden kann. Er ist der erste Zeuge. 17. Der Getaufte, dem der auferstandene Christus den Auftrag erteilt, die Evangelisierung zu Ende zu führen, und der diesem Auftrag entspricht, wird wiedemm seinerseits zum Zeugen. Er evangelisiert seine eigenen kulturellen Wurzeln wie die seiner Gemeinschaft und nimmt die sozioökonomischen und politischen Herausforderungen an, um die Botschaft ihrer Aussage entsprechend und in einer neuen Dynamik zur Wandlung von Kultur und Gesellschaft aufzugreifen. Bereiche der Inkulturation 18. Das Feld der Inkulturation ist sehr breit, und die Synodenväter, die so eindringlich ihre spirituelle Dimension betont haben, fordern, daß keine ihrer Dimensionen außer acht gelassen wird: die theologische, die liturgische, die katechetische, die pastorale, die rechtliche, die politische, die anthropologische oder die der Medien. Das gesamte christliche Leben verlangt nach Inkulturation. Ganz besondere Aufmerksamkeit muß der liturgischen und sakramentalen Inkulturation gewidmet wer- 1263 ANHANG den, da sie unmittelbar das ganze Volk betrifft, das schon dazu seinen Beitrag leistet. Unter den anderen grundlegenden Bedingungen, die das Leben des Volkes berühren, zählt die Übersetzung der Bibel in alle afrikanischen Sprachen und die Förderung der individuellen und gemeinschaftlichen Lektüre im afrikanischen Kontext und im Geist der Tradition. 19. Eine auf das gesamte Leben ausgedehnte Inkulturation hat viele konkrete Bereiche berührt: die Verehrung der Vorfahren, Gesundheit, Krankheiten und Heilung nach unseren traditionellen Methoden, Ehe, Witwenstand und noch andere Bereiche. Dialog 20. Die Kirche als Familie hat ihren Ursprung in der Heiligen Dreifaltigkeit, in der der Heilige Geist das Band der Gemeinschaft ist. Sie ist sich bewußt, daß die Qualität der Verbindung, die eine Gemeinschaft ermöglicht, Ausdruck ihres inneren Wertes ist. Diese Synode ruft mit Nachdruck zu einem Dialog innerhalb der Kirche und zwischen den Rehgionen auf. Aufruf zum Dialog mit der traditionellen Religion (TAR) 21. Unsere Bräuche und rehgiösen Traditionen sollten ganz besondere Beachtung finden, denn sie sind ein kulturelles Erbe. Es handelt sich um mündlich überlieferte Kulturen, und für ihr Schicksal ist insbesondere der Dialog zwischen den Generationen entscheidend, durch den sie weitergegeben werden. Die Vertreter der Körperschaften; weise Denker, die ihre Garanten sind, werden wichtige Gesprächspartner in dieser Phase der tiefgreifenden Umwandlung unserer Kulturen sein. In unseren Ortskirchen wird ein Dialog über das religiöse und kulturelle Erbe mit den Garanten unserer kulturellen Werte und unserer traditionellen Religion wärmstens empfohlen. Dialog mit unseren christlichen Brüdern 22. Wir hoffen, daß sich der Dialog und die ökumenische Zusammenarbeit mit unseren Brüdern der alten afrikanischen Kirchen in Ägypten und Äthiopien wie auch mit den anglikanischen und protestantischen Brüdern intensiver gestalten wird. Wh wollen gemeinsam die Zeugen Christi sein und das Evangelium in allen Sprachen Afrikas und Madagaskars verkünden. Die Anwesenheit unserer Brüder aus den afrikanischen Kirchen und Kirchengemeinden bei dieser Synode ist von allen sehr geschätzt worden, und wir danken ihnen für ihre Ansprachen an die Versammlung und für ihre Teilnahme an den Arbeiten. 1264 ANHANG Dialog mit den Muslimen 23. Wir versichern unseren muslimischen Brüdern, die sich gerne auf den Glauben Abrahams (vgl. Nostra aetate, Nr. 3) berufen, daß wir gemeinsam mit ihnen auf dem ganzen Kontinent die Zusammenarbeit für Frieden und Gerechtigkeit fördern wollen, denn nur so können wir Gott unsere Dankbarkeit erweisen. Der lebendige Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde und Herr der Geschichte, ist der Vater der großen Menschenfamilie, der wir alle angehören. Er will, daß wir seine Zeugen sind, indem wir den Glauben, die Werte und religiösen Traditionen eines jeden Menschen achten. Er will, daß wir gemeinsam für die Förderung des Menschen und die Entwicklung auf allen Ebenen arbeiten, dem Gemeinwohl dienen und die wechselseitige Achtung der Religionsfreiheit der einzelnen Personen und der Gemeinschaften garantieren (vgl. Redemptoris missio, Nr. 39). Er will kein Idol sein, in dessen Namen Menschen getötet werden. Er will vielmehr, daß wir im Dienst am Leben im Namen von Gerechtigkeit und Frieden Zusammenarbeiten. Als Diener Seines Lebens im Herzen der Menschen und der menschlichen Gemeinschaft sind wir berufen - die einen den anderen -, das Beste unseres Glaubens an Gott, unseren gemeinsamen Vater, zu vermitteln. An die Ortskirche, die Kirche als Familie 24. Vor allem euch; den Kirchen Afrikas, dem in aller Welt vereinten Volk Gottes, verkünden wir Jesus Christus (vgl. 1 Kor 1,23), und von euch erwarten wir die Antwort, die uns sagt, daß er tot war und doch lebt, daß er der Welt das Leben, das Leben im Überfluß schenkt. Die Synode hat gezeigt, daß ihr die Familie Gottes seid. Von der Kirche als Familie ist Gott Vater ausgegangen, als er Adam erschuf, sie hat Christus, der Neue Adam und Erbe der Nationen, durch das Opfer seines Leibes und Blutes ins Leben gerufen, sie ist es, die vor aller Welt den Geist offenbart, den der Sohn vom Vater gesandt hat, damit alle eins seien. Jesus Christus, der einzige und geliebte Sohn, ist gekommen, alle Völker und jeden einzelnen Menschen zu erlösen. Er ist gekommen, um jedem auf seinem kulturellen Weg dort zu begegnen, wo ihn seine Vorfahren geführt haben. Er geht mit ihm, um ihm seine Traditionen und seine Bräuche zu erklären und ihm zu offenbaren, daß sie seine entfernten, aber sicheren Vorstellungen sind, die des Neuen Adam, des Erstgeborenen einer Vielzahl von Brüdern, die wir sind. 25. Gier, Eifersucht und die Verlogenheit des Teufels haben Rassismus, ethnischen Partikularismus und verborgene Gewalttätigkeit in all ihren Formen in die Menschenfamilie gebracht. Sie haben zu Kriegen und zur Spaltung der Welt geführt, einer Welt ersten, zweiten, dritten und vierten Ranges; sie sind dafür verantwortlich, daß Geld mehr bedeutet als das Leben eines Bruders, sie haben Konflikte und endlose Kämpfe zur Erlangung und Erhaltung der Macht und Bereicherung durch den Mord an den Brüdern verursacht. Aber Christus ist gekommen, um eine geeinte 1265 ANHANG Welt zu errichten, eine Menschheitsfamilie, die nach dem Bild der dreieinigen Familie gestaltet ist. Wir alle sind Mitglieder der Familie Gottes: Das ist die Frohe Botschaft! In unseren Adern fließt das gleiche Blut, das Blut Christi; es ist der gleiche Geist, der Heilige Geist, der uns beseelt, die grenzenlose Fruchtbarkeit der göttlichen Liebe. Aber für den Aufbau einer solchen Kirche brauchen wir Priester, die ihr Hirtenamt zutiefst als Berufung zur spirituellen Vaterschaft leben, christliche Familien, die wahre „Hauskirchen” sind und wirklich lebendige Kirchengemeinden. Darum hat sich die Synode intensiv mit der Qualität dieser wichtigen pastoralen Mitarbeiter und ihrer Ausbildung beschäftigt. Sie appelliert vor allem an die Diözesanpriester, ihre ersten Mitarbeiter bei der Evangelisierung. An die Diözesanpriester 26. Euch Priester erinnern wir daran, daß das Sakrament der Priesterweihe euch zu Stellvertretern Christi, des Hauptes, Hirten und Bräutigams seiner Kirche, gemacht hat. Die Synode, die sich mit dem Mysterium der Kirche befaßt hat, dankt Gott für das große Geschenk, das ihr verkörpert. Sie dankt euch, denn ihr habt es auf hochherzige Weise angenommen, um es zugunsten der kirchlichen Familie zu leben. Die Synodenväter laden euch somit ein, im Bewußtsein jener Gnade zu leben, die euch zuteil geworden ist, und sie in euch wirken zu lassen. Ihr seid berufen, in euch mit Christus die vollkommene Einheit nachzuvollziehen, die ihn mit dem Vater verbindet, dessen allmächtige Schöpferhebe treu, geduldig, barmherzig und unentgeltlicher Quell der Fülle ist. In eurer Pfarrgemeinde, in der es keine Unterschiede zwischen den Menschen geben darf, seid ihr berufen, im Namen des Sohnes für das gesamte Werk des Vaters die Verantwortung zu tragen. Die Pfarrei ist in der Tat der konkrete Bereich, in dem ihr der weltweiten Mission dient, an der einige von euch als Priester fielei donum teilnehmen. In euren Bemühungen um die Einheit der prie-sterlichen Gemeinschaft werdet ihr euren Mitbrüdem im Priesterdienst die notwendige Unterstützung und Liebe entgegenbringen im Bewußtsein, eurerseits geliebt und manchmal auch unterstützt zu werden. Ihr werdet pastorale Nächstenliebe auf intensive Weise leben, in tiefer Sorge für alle Menschen. Die treue Einhaltung des priesterlichen Zölibats, das untrennbar mit der Enthaltsamkeit verbunden ist, entspringt, wie ihr aus Erfahrung wißt, einer tiefen Liebe zu Christus. Haltet am Leben im Gebet und an jenen spirituellen Kampf fest, die diese Liebe erhalten und stärken. Das ist die Bedingung für die Glaubwürdigkeit eurer priesterlichen Aufopferung; innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft. Verfehlt den wunderbaren Plan Gottes nicht, der uns zu seiner Familie machen will. Ihr dürft Afrika, wo das Familienleben geliebt und die Figur des Vaters verehrt wird, nicht enttäuschen. Die Kirche zählt auf euch für die treue Verwirklichung dieser spirituellen Vaterschaft, ohne Rücksicht auf eure Person. 1266 ANHANG Die christliche Familie 27. Andererseits kann die Lebenskraft der Kirche als Familie, so wie sie die Synode dargestellt hat, erst dann voll wirksam werden, wenn alle unsere christlichen Familien authentische „Hauskirchen” geworden sind. In ihrem Kreis nämlich leben Väter, Mütter und Kinder, dem Beispiel der Heiligen Familie folgend, jene Fülle der Liebe, die wir im Herzen Gottes finden. Hier lernen sie, zu teilen und in der Liebe Gottes und der Menschen zu wachsen. Die große afrikanische Familie ist der heilige Ort, in dem das reiche Gut unserer Tradition zusammenfließt. Es ist daher die Aufgabe der christlichen Familie, an das Herz dieser großen Familie jenes Zeugnis heranzutragen, das von innen heraus unsere Weltanschauung wandelt, angefangen vom Geist der Seligpreisungen, ohne all jene Aufgaben außer acht zu lassen, die die bürgerliche Gesellschaft betreffen. Kirche als Familie und lebendige Kirchengemeinschaft 28. Die Kirche als Familie Gottes setzt die Bildung kleiner Gemeinschaften von Menschen voraus, lebendige kirchliche Gemeinschaften oder kirchliche Basisgemeinschaften. In solchen Gemeinschaften, den Keimzellen der kirchlichen Familie, wird darauf vorbereitet, auf konkrete und authentische Weise die Erfahrung der Brüderlichkeit zu leben. Hier sind Unentgeltlichkeit, Solidarität, ein gemeinsames Schicksal maßgebend; jeder ist für den Aufbau der Gottesfamilie motiviert, jener Familie, die vollkommen offen ist für die Welt und absolut niemanden ausschließt. Solche Gemeinschaften sind der beste Weg, um den Ethnozentrismus innerhalb der Kirche selbst und, im weiteren Sinne, in unseren Ländern zu bekämpfen. Diese Familien Gottes haben die Pflicht, sich für die Umwandlung der bürgerlichen Gesellschaft einzusetzen. Die Bewahrung der Familie 29. Dieses internationale Jahr der Familie ist auch das Jahr, in dem der Reifungsprozeß des kirchlichen Bewußtseins in Afrika - begonnen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil - im Lauf dieser Synode die wunderbare Frucht der Kirche als Familie Gottes (vgl. Lumen Gentium, Nr. 6) hervorgebracht hat. 30. Während dieser Synode haben wir von einigen Verfügungen des Vorbereitungsdokuments der Konferenz in Kairo erfahren. Aus ihnen geht die feste Entschlossenheit hervor, allen Ländern der Welt, unter großem Kostenaufwand, die Liberalisierung der Abtreibung, die Förderung eines Lebensstils ohne moralische Anhaltspunkte, die Zerstörung der von Gott geplanten Familie aufzuzwingen. Wir alle verurteilen diese individualistische und freizügige Kultur, die die Abtreibung liberalisiert und den Tod eines Kindes lediglich von der bloßen Entscheidung der Mutter abhängig macht; wir verurteilen die Versklavung der Menschen durch 1267 ANHANG den neuen Gott „Geld”, mit dem man die armen Länder unter Druck setzt, um sie zu bewegen, sich in Kairo gegen das Leben und gegen die Moralität zu entscheiden. Wir appellieren an alle Menschen guten Willens, dieses Projekt gegen das Leben mit Entschlossenheit zurückzuweisen, und an alle Gläubigen, sich uns in einem unablässigen Gebet anzuschließen, damit dieses Vorhaben nicht realisiert wird. Die Kirche, deren Anhegen die Förderung des Menschen und der Entwicklung der Völker war und ist, arbeitet mit den Vereinten Nationen für den Erfolg des internationalen Jahres der Familie. Die Synodenväter, in Einheit mit dem Heiligen Vater und der Weltkirche, appellieren an die 53 afrikanischen Nationen und an ahe Unterzeichnerstaaten der Universalen Erklärung der Menschenrechte, die auf der bevorstehenden Weltkonferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo anwesend sein werden: „Laßt nicht zu, daß die afrikanische Familie gerade in ihrer eigenen Heimat betrogen wird! Laßt nicht zu, daß das internationale Jahr der Familie zu einem Jahr der Zerstörung der Familie wird!” Die Kirche als Familie im Dienst der Gesellschaft: Gerechtigkeit und Frieden 31. Die Synode hat sich in diesen entscheidenden Jahren, die von Unsicherheit und Verwirrung, von Zerrüttung und Aufruhr gekennzeichnet sind, ausgiebig mit den schwerwiegenden kulturehen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Problemen des Kontinents befaßt. Sie möchte allen Söhnen und Töchtern Afrikas erneut sagen, daß der Erlöser der Menschheit inmitten all dieser Stürme unsere einzige Hoffnung ist, sie zu überstehen; denn er schenkt uns seinen Geist, damit wir unser Schicksal mit Entschlossenheit selbst in die Hand nehmen. 32. Der Erlöser hat uns diese beiden großen Gaben des Reiches Gottes geschenkt, dieses Reiches, das er selbst verkörpert: Gerechtigkeit und Frieden. Die Synode fordert mehr Gerechtigkeit zwischen Norden und Süden. Man müßte endlich aufhören, uns auf dem Weltschauplatz als lächerlich und unbedeutend zu betrachten, nachdem ein strukturelles Ungleichgewicht erzeugt und auffechterhalten wurde und ungerechte Handelsbedingungen beibehalten worden sind! Die ungerechten Preise verursachen eine für unsere Länder demütigende Anhäufung der Auslandsverschuldung, die ihnen das unangenehme Gefühl der Unfähigkeit und der Hilfsbedürftigkeit verleiht. Im Namen unserer Völker weisen wir dieses Schuldbewußtsein zurück, das man uns aufdrängen möchte. Gleichzeitig aber möchten wir alle unsere afrikanischen Brüder, die öffentliche Gelder veruntreut haben, daran erinnern, das an unseren Völkern verübte Unrecht wiedergutzumachen. 33. Es läßt sich aber auch nicht abstreiten, daß wir als Hirten ebenso verantwortlich sind. Wir haben nicht alles in unserer Macht Stehende getan, um die Laien für das Leben in der Gesellschaft vorzubereiten, um ihnen eine christliche Auffassung von Politik und Wirtschaft zu geben. Die lange Abwesenheit der gläubigen Laien in die- 1268 ANHANG sen Bereichen hat zu der Überzeugung geführt, daß der Glaube nichts mit Politik zu tun hat. Die Synode bestärkt alle Christen mit den notwendigen Fähigkeiten, sich im politischen Bereich zu engagieren, und fordert uns alle, ohne Ausnahme, auf, uns zu demokratischem Denken zu erziehen. Die Heiligung der zeitlichen Dinge ist die der weltlichen Berufung des Laien eigene Charakteristik (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31). Wir brauchen Propheten in unserer Zeit, die ganze Kirche muß prophetisch werden. 34. Wenn wir Frieden wollen, müssen wir uns alle für Gerechtigkeit einsetzen und den Rechtsstaat fördern. Vielerorts hat sich das Volk an die Kirche gewandt, damit sie es in den Anfängen des Demokratisierungsprozesses begleite. Folglich muß die Demokratie einer der wichtigsten Wege werden, den Kirche und Volk gemeinsam gehen. Die Erziehung zum Gemeinwohl und zur Achtung des Pluralismus wird eine der vorrangigen pastoralen Aufgaben unserer Zeit sein. Der christliche Laie, der, dem Geist des Evangeliums folgend, für die Verwirklichung der Demokratie kämpft, ist das Kennzeichen einer Kirche, die überall in Afrika am Aufbau des Rechtsstaates mitwirken möchte. Aufruf an die verantwortlichen Politiker 35. Die „Fülle der Liebe” (vgl. Eph 3,15-19), die Heiügkeit ist, sollte auch in der Politik gesucht werden, die Pius XI. als „die höchste Form der „Nächstenhebe” be-zeichnete. Die Synodenväter beten, damit Afrika fromme Politiker und fromme Staatsoberhäupter hervorbringen möge, Menschen, die ihr Volk bis zum Äußersten heben und die bereit sind, zu dienen, anstatt sich seiner zu bedienen. Es ist ihre Pflicht, sich für die Wiederherstellung der Würde unserer Länder und die Förderung der Brüderlichkeit einzusetzen. Sie müssen das gierige Machtstreben von innen und von außen überwinden, denn es ist der Nährboden für die Keime der Spaltung und des Hasses, aus denen Kriege entstehen. Wir danken unseren Brüdern, den Soldaten, für den Dienst, den sie im Namen unserer Nationen verrichten. Wir wollen sie aber auch daran erinnern, daß sie jede Gewalttat, die an unschuldigen Menschenleben verübt wird, unmittelbar vor Gott verantworten müssen. 36. Mit großer Freude begrüßen wir die Anbahnung des demokratischen Prozesses in vielen Ländern des Erdteils. In der Hoffnung auf die Festigung der Demokratie teilen wir ganz besonders die große Freude Südafrikas nach so vielen Jahrzehnten des Leids und des Nichtverstehens. Gleichzeitig teilen wir die Pein vieler anderer Völker, die noch immer auf das Entstehen eines Rechtsstaats in ihrem Land hoffen. Wir beten, damit alsbald durch die Zusammenarbeit aller maßgebüchen Beteiligten und ihren Sinn für das Gemeinwohl alle Hindernisse und Widerstände beseitigt werden, die der Schaffung eines solchen Staates im Wege stehen. Mögen die Spannungen durch den brüderlichen Dialog und nicht durch Waffengewalt beigelegt werden! Die Synode verurteilt und prangert mit Nachdruck jedes Machtstreben, jede Art von Gewinnsucht und die übermäßige Verherrlichung des Stammesdenkens an, die zu 1269 ANHANG Bruderkriegen führen: Sie sind in der Art dafür verantwortlich, daß Afrika sich schämen muß, der Kontinent mit den meisten Flüchtlingen und Vertriebenen zu sein. Unterstützung der vom Krieg betroffenen Völker, der Flüchtlinge und der Vertriebenen 37. Ein großer Teil des afrikanischen Kontinents ist von Kriegen heimgesucht. Der Aufschrei der Bevölkerung in Ruanda, im Sudan, in Angola, in Liberia, in Sierra Leone, in Somalia und in Zentralafrika trifft unsere Herzen. Gemeinsam mit Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen fordern wir die Vereinten Nationen zum Eingreifen auf, um den Frieden wiederherzustellen. Durch Diktaturen und Gewalttätigkeiten aller Art sind viele unserer Brüder und Schwestern zahlreicher Länder des Kontinents aus ihrer Heimat vertrieben worden, und es wird ihnen verwehrt, ihre Fähigkeiten für die Gerechtigkeit, die Sicherheit und den Frieden ihres Volkes zur Verfügung zu stellen. Die Synodenväter versichern allen ihren Beistand im Herzen wie im Gebet und bestärken sie, ihre Hoffnung in Christus zu setzen, der all ihr Leid auf sich genommen hat und immer wieder auf sich nimmt für einen neuen Himmel und eine neue Erde. Mögen sie erkennen, daß die „Hoffnung nie trügt”, und ihr Leid als inbrünstiges Gebet für den Frieden in Afrika darbringen. An alle Armen, an die Kranken und die von Aids Betroffenen 38. Euch allen, Brüdern und Schwestern, deren Würde durch Armut, Krankheit und sonstige Leiden moralischer oder körperlicher Natur, insbesondere von Aids - die auf unserem Kontinent viele Opfer fordert -, verletzt wird, versichern wir unsere Anteilnahme und beten inständig für euch zum Vater der Barmherzigkeit und des Trostes. Möge er in seiner Güte an der Seite der Witwen und Waisen gegenwärtig sein! Anerkennung für die Sozialarbeiter und die Entwicklungshelfer 39. Auf ganz besondere Weise möchten wir all denjenigen danken, in erster Linie den Ordensschwestern, die sich für die vom Leid geprüften Mitglieder unserer afrikanischen Familie einsetzen. Sie sind das Antlitz Christi, der seine Liebe den Kranken und Behinderten unablässig kundtut. Unsere Anerkennung gilt auch allen Christen und allen Menschen guten Willens, die auf dem Gebiet der Fürsorge und der Entwicklungsförderung gemeinsam mit der Caritas und unseren Entwicklungsorganisationen tätig sind. Ihre Arbeit gibt uns Grund zu hoffen, denn sie hilft zahlreichen Familien, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. 1270 ANHANG Aufruf an die christlichen Brüder und Schwestern im Norden 40. In tiefer apostolischer Überzeugung wenden wir uns an unsere christlichen Brüder und alle Menschen guten Willens der nördlichen Hemisphäre. Wir rufen sie auf, sich an die verantwortlichen Politiker und die Sachverständigen der Wirtschaft ihrer Länder und der internationalen Organisationen zu wenden: Es muß gelingen, den Waffenverkauf an die sich bekämpfenden feindüchen Gruppen in Afrika zu verhindern. 41. Es ist dringend notwendig, eine gerechte Lösung für das Problem der hohen Verschuldung zu finden, das die meisten Völker des afrikanischen Kontinents bedrängt und das jeden Sanierungsversuch der Wirtschaft zum Scheitern verurteilt. Gemeinsam mit dem Heiligen Vater und dem Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden fordern wir einen wenn auch nicht vollständigen, so doch mindestens wesentlichen Erlaß der Schulden; gleichzeitig weisen wir auf die Notwendigkeit einer gerechteren internationalen Wirtschaftsordnung hin, damit unsere Nationen schließlich als würdige Partner Anerkennung finden. Der Kontinent leidet auch unter der ständigen Verschlechterung der Handelsbeziehungen, dem Mißbrauch Afrikas als Reserve der Industriegesellschaften, unter wirtschaftlichen und sozialen Bestimmungen und einer der Würde nicht nur des afrikanischen Menschen, sondern aller Männer und Frauen entgegengesetzten Lebensführung, die von außen unseren Gesellschaften aufgezwungen wird. Wir fordern unsere Brüder und Schwestern der anderen Kontinente auf, Afrika und den Afrikanern - einschließlich denjenigen, die in den Norden ausgewandert sind mehr Achtung entgegenzubringen. Das ist die Bedingung für die Zukunft der Familie des Planeten Erde; uns alle hat der Schöpfer berufen, sie gemeinsam auf dieser Erde aufzubauen, die er uns geschenkt hat und die wir für das Wohl der ganzen Menschheit verwalten sollen. 42. Wir sind unseren Mitbrüdem, den Bischöfen der Sondersynode für Europa, dankbar für den Aufruf, den sie unlängst zum gleichen Zweck an die Allgemeinheit gerichtet haben: „Der Schrei des leidenden Christus erreicht uns heute mit besonderer Stärke aus den südlichen Weltteilen, wo die ärmsten Völker wagnisbereite und wirksame Solidarität fordern gegen Hunger, vielfältige Schwierigkeiten und Unrecht, die sie bedrängen. Diesem Schrei muß man mit konkreten Entscheidungen antworten, die sich auf die Unterbindung des Waffenhandels, die Öffnung unserer Märkte, eine gerechtere Lösung der internationalen Verschuldung beziehen; zugleich geht es um alles, was in diesen Regionen das Wachstum der Kultur und der Wirtschaft zugleich mit demokratischen Lebensformen fördern kann. Im übrigen schöpft Europa selbst aus den Schätzen anderer Völker und Kulturen großen Reichtum” (Schlußerklärung der Bischofssynode für Europa, 11). Mögen ihre Stimmen von den Verantwortlichen ihrer Länder, aber auch von denen der Vereinten Nationen gehört werden! 1271 ANHANG Gewissenserforschung der Kirchen Afrikas 43. Die afrikanischen Kirchen geben zu, daß auch ihr Verhalten nicht immer gerecht war gegenüber denen, die in ihrem Dienst stehen. Die Kirche muß ein Beispiel der Gerechtigkeit sein, und deshalb erkennt sie an, daß jeder, der es wagt, zu den Menschen von Gerechtigkeit zu sprechen, sich selbst bemühen muß, in ihren Augen gerecht zu sein. Aus diesem Grund müssen die Verfahrensweisen, die Güter und die Lebensführung der Kirche überprüft werden. 44. Die Synode hat auch eine ernsthafte Prüfung der finanziellen Selbstverwaltung unserer Kirchen vorgenommen. Jeder treue Katholik sollte sich diese Gewissenserforschung zu eigen machen. Unsere Würde verlangt, daß wir uns alle umgehend für die Verwirklichung unseres eigenen finanziellen Unterhalts einsetzen. Der erste Schritt in dieser Richtung ist eine transparente Verwaltung und ein einfacher Lebensstil, der nicht im Gegensatz steht zu der Armut oder dem Elend unserer Bevölkerung. Diese direkte Verantwortungsübemahme darf jedoch nie mit einer Abkapselung verwechselt werden. Hingegen möchten wir die Gelegenheit wahmehmen und dem Päpstlichen Missionswerk, unseren Schwesterkirchen, den Ordensinstituten wie den Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO), die uns bisher geholfen haben, danken und sie bitten, das weiterzuführen, was sie begonnen haben, denn es ist der Ausdruck ihrer Gemeinschaft mit uns. Wir wären keine Kirche Christi mehr, wenn wir uns wieder in uns selbst verschließen würden. Die Kirche als Familie zeichnet sich durch den freien und großzügigen Austausch von Gütern und Personen aus. Die sozialen Kommunikationsmittel 45. Die Synode hat den Massenmedien große Aufmerksamkeit gewidmet. Einige wichtige, sich ergänzende Aspekte sind hervorgehoben worden: ihre Rolle als aufkommendes Kulturphänomen, als eine Gesamtheit von Mitteln im Dienst der Kommunikation. 46. Sie sind in erster Linie eine neue Kultur mit eigener Sprache und eigenen spezifischen Werten. Daher müssen sie, wie jede andere Kultur, evangelisiert werden. Die Synode fordert, daß alle für die Evangelisierung Tätigen darauf vorbereitet werden und daß diejenigen, die sich dieser Arbeit intensiv widmen, weitgehend von ihren Seelsorgern unterstützt werden, die für ihre spirituelle Belebung Sorge tragen. 47. Wenn diese Medienwelt der „erste Areopag der Neuzeit” ist, müssen notwendigerweise Apostel ausgebildet werden, die für sie Zeugnis ablegen und die mit Sachkenntnis vom Wort der Wahrheit und des Lebens sprechen, das der beste Kommunikator schlechthin ist. Die Kirche muß die Kreativität auf dieser Ebene fördern: So lange wir auf diesem Gebiet Konsumenten bleiben, laufen wir Gefahr, ohne es zu wollen und ohne es zu merken, unsere Kultur zu ändern. 1272 ANHANG 48. Die Medien sind auch, wie bereits ihr Name sagt, traditionelle oder moderne Mittel in den Händen der Kommunikatoren. Aus diesem Grund empfiehlt die Synode, daß die Kirchen alles daransetzen, um ihre Handhabung für den Dienst der Verkündigung zu fördern. Sie müssen die Gläubigen und vor allem die Jugendlichen zur kritischen Beurteilung der Medienproduktion erziehen. Es wäre gut, wenn die Ortskirchen im regionalen und nationalen Sendebereich auf vernünftige Weise die ihnen zur Verfügung stehenden Sendezeiten nützen würden. Ausbildung 49. Das Bildungsprogramm, wie diese Synode es sich wünscht, ist nichts weiter als eine auf den Weg der Heiligkeit entschlossen ausgerichtete Bildung. Sein Ziel ist die Erziehung vollkommener Menschen, die ganz in ihren Lebensbereich eingegliedert und Zeugen vom Kommen des Reiches Gottes sind, sowohl durch die Evangelisierung als auch durch die Inkulturation, durch den Dialog, das Bemühen um Gerechtigkeit und Frieden wie auch durch ihre Präsenz in der neuen Kultur, die die Medienwelt prägt. 50. Es ist notwendig, daß in den Ausbildungsprogrammen und -Stätten, insbesondere in den Seminaren und den Noviziaten, die Sorge dieser Synode hinsichtlich einer ernsthaften Einstellung gegenüber der Inkulturation und der Soziallehre der Kirche zum Ausdruck gebracht wird. Erzieher in den Seminaren und den Noviziaten 51. Es ist wahrhaft die Wirkung der Gnade, daß die Berufungen zum Priesteramt wie auch zum geweihten Leben überall in Afrika zunehmen. Wir müssen uns dieser Gnade mit dem größten Verantwortungsbewußtsein öffnen, indem wir auf die Qualität der Berufungen achten und Aufnahme- und Begleitungskriterien für den Ausbildungsprozeß festlegen. Den Seminaren müssen Geistliche zur Verfügung stehen, die in der Lage sind, das Ausbildungsprogramm erfolgreich durchzuführen. Mit Nachdruck bitten wir die Bischofskonferenzen und unsere Mitbrüder, die über solche Erzieher verfügen, sie bereitwillig in den Dienst dieser wichtigen Arbeit zu stellen. 52. Euch, hebe Brüder und Freunde, auf denen die direkte Verantwortung für die Formung der zukünftigen Priester lastet, übermitteln die Synodenväter ihre tiefe Dankbarkeit. Ihr Bischöfe wißt, daß ihr ständig aktiv tätig sein müßt, damit dem Volk Gottes niemals jene Diener fehlen, die wirkliche Männer Gottes sind, fähig, schlicht „allen alles zu werden” (vgl. I Kor 9,22). Eure Aufgabe ist für die Kirche des Kontinents von großer Bedeutung. Von eurer guten Lebensführung und der treuen Erfüllung eures Dienstes hängt die Glaubwürdigkeit dessen ab, was ihr die Seminaristen lehrt, und der gute Erfolg der Ausbildung, die ihr ihnen vermittelt. Wenn ihr eure geistigen Fähigkeiten nicht in den Dienst eines heiligen Lebens stellt, 1273 ANHANG werdet ihr Priesterfunktionäre für die Kirche ausbilden, die der Welt nicht das Wesentliche geben können, das sie von ihnen erwartet: Gott. Das werdet ihr selbst erfahren. Vergeht die Worte Pauls VI. nicht, die Papst Johannes Paul II. aufgegriffen hat: „Der heutige Mensch glaubt mehr den Zeugen als den Lehrern, mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten als den Theorien” (Redemptoris missio, Nr. 42; vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 41). An unsere Schulen, an die Kultur- und Forschungszentren, an die Institute und die Universitäten 53. In einer sich ununterbrochen und schnell verändernden globalen Welt sind das die Einrichtungen, die die Anpassungsformen unserer Gesellschaften an die internationale Szene bestimmen und die auf Grund der Forschung, der Bildung und der Erziehung der Jugend für die Zukunft offen stehen. Diese große, schwierige, aber zugleich aufregende Aufgabe, die die Synode ihnen anvertraut, ist die genaue Beschreibung und die wirksame Vermittlung unserer Kulturen für alles, was entwicklungsfähig und übertragbar ist, unter Berücksichtigung aller möglichen Berührungspunkte mit anderen Kulturen. Das, was sie in unserer heutigen Zeit kennzeichnen sollte, ist die Entwicklung eines Kooperationssystems mit jenem Reichtum, den die Menschen des Erdteils verkörpern, die weisen Träger und Garanten unserer Traditionen. 54. Wenn unsere Nationen einerseits von diesen Einrichtungen erwarten, daß sie zu Hochburgen der Wissenschaft und der Technik für die Entwicklung werden, so erwarten sie aber auch, daß sie in Anbetracht der Herausforderung der modernen Rationalität gleichzeitig zu bevorzugten Stätten der Erneuerung unserer traditionellen Kulturen werden, damit der Fortschritt sich nicht gegen das Leben auswirken möge. 55. Die Kirche Afrikas hofft ihrerseits, daß sich diese Einrichtungen für die Heiligung der geistigen Fähigkeiten einsetzen und mit ihrer Hilfe die rationalen Kriterien für eine dauerhafte und breite Inkulturation entwickeln mögen. An die afrikanischen Theologen 56. Eure Sendung ist ein großer und edler Auftrag im Dienst der Inkulturation, jener großen Werkstatt, in der die afrikanische Theologie entsteht. Ihr habt bereits mit einer afrikanischen Auslegung des Mysteriums Christi begonnen. Das Konzept der „Kirche als Familie” und das der „Kirche als brüderliche Gemeinschaft” sind auch die Frucht eurer Arbeit in Verbindung mit der christlichen Erfahrung des Gottes Volkes in Afrika. Die Synode weiß, daß ohne die verantwortungsbewußte und hingabevolle Ausübung eurer Tätigkeit ein wesentlicher Aspekt gefehlt hätte. Sie bringt ihre tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck und bestärkt euch, auch weiterhin in euren jeweiligen unterschiedlichen Funktionen, aber gemeinsam mit euren Hirten zu arbeiten, 1274 ANHANG damit der Reichtum der Lehre, der aus dieser Synode hervorgeht, zugunsten unserer Teilkirchen und der Weltkirche vertieft wird. An die gläubigen Laien 57. Die Kirche als Familie ist auf den Aufbau einer Gesellschaft hingeordnet, die sie im Geist der Seligpreisungen beleben möchte. Es ist Aufgabe des gläubigen Laien, der durch Taufe und Firmung Anteil an den drei wesentlichen Ämtern Christi - als Priester, Prophet und König - hat, Salz und Licht des täglichen Lebens zu sein, insbesondere überall dort, wo nur er allein eindringen kann. Eine gewisse Vorstellung von der Kirche hat eine zu passive Haltung des Laien bewirkt. Die Kirche als Familie ist eine Kirche der Gemeinschaft. Alle Oberhirten sind aufgerufen, eine Pastoral zu entwickeln, in der der Laie sich voll identifizieren und entfalten kann. Ihr aber, Hebe Söhne und Töchter, konzentriert euch entschlossen auf die Gnade, die euch durch die Sakramente der Taufe und der Firmung geschenkt wurde, und entfaltet aHe mögHchen Initiativen, die der Heihge Geist euch eingibt, damit unsere Kirche ihrer Aufgabe gewachsen sein kann. An die Ordensleute: Priester, Brüder und Schwestern 58. Ihr habt durch die vollkommene Hingabe eurer selbst Afrika und der ganzen Welt die Schönheit und die Herriichkeit des kirchlichen Lebens und seine Zielsetzung zum Ausdruck gebracht. Das Ordensleben, ob kontemplativ oder aktiv, hat einen ganz besonderen SteHenwert für die Vermittlung der Heiligkeit der Kirche. Die Inkulturation des afrikanischen Ordenslebens wird .euch nur dann gehngen, wenn ihr durch Vorwegnahme und Verkörperung jene tiefgreifenden Werte anerkennt, die unsere Kulturen beleben und die das Ziel unserer Bevölkerung zum Ausdruck bringen, um dem keuschen, armen und gehorsamen Christus kulturelle Gastfreundschaft zu schenken, denn er ist nicht gekommen, um zu zerstören, sondern um zu erfüllen. Die treue Einhaltung eures Ordensversprechens und eure Gemeinschaft mit der Ortskirche sind in den Augen aller die Zeichen des Reiches Gottes. An die Katechisten 59. Eure Aufgabe ist es, für die tägHche Organisation der Kirchengemeinden in den Dörfern und den Stadtvierteln zu sorgen, damit sie lebendige brüderliche Gemeinden, Keimzellen der großen kirchHchen Famihe, werden können. Ihr seid die wichtigsten Mitarbeiter der Priester in ihrem Dienst der Evangehsierung. Die Synodenväter, die die Freude hatten, der Seügsprechung von einem aus eurer Mitte, Isidore Bakanja, beizuwohnen, hoffen, daß ihr eine Ausbildung erhalten und weitergeben werdet, deren Mittelpunkt wirklich Christus ist und die euch und alle, die durch euch zur Kirche kommen, zu authentischen Zeugen des Glaubens macht. 1275 ANHANG An die Seminaristen und die Novizen 60. Auf der Schwelle des dritten Jahrtausends betrifft euch das Synodenthema: „Ihr werdet meine Zeugen sein ...” in ganz besonderer Weise. Die Kirche zählt auf euch, daß ihr die Reichtümer dieser Synode voll erntet und lebt. Macht euch auf hochherzige Weise jenes Ideal zu eigen, das euch angeboten wird. Seid überzeugt, daß die spirituelle, apostolische und missionarische Ausbildung der Schlüssel für den gesamten übrigen Teil eurer Bildung ist. 61. Ein intensives Gebetsleben und tiefgehendes spirituelles Ringen wird euch erlauben, eure Berufung; eindeutig zu erkennen und Zeugen zu sein, die wissen, „wem sie Glauben geschenkt haben” (vgl. 2 Tim 1,12). Evangelisierung und Inkulturation, deren innere Verbindung; das Zeugnis ist, müssen jene richtungweisenden Lichter sein, die das kommende Jahrhundert, euer Jahrhundert, erleuchten. Möge die Disziplin des Seminars eure Selbstdisziplin werden und eure Reife zum Ausdruck bringen. Strebt nach dem einfachen Leben der Arbeiter des Evangeliums in solidarischer Haltung mit allen Armen unseres Kontinents, und schließt euch durch tatkräftige Unterstützung den Bemühungen der nach Selbstverwaltung strebenden Ortskirchen An die Jugend 62. Die Synode ist sich der wichtigen Rolle der jungen Menschen in Afrika und der Ortskirchen durchaus bewußt. Sie erkennt in Christus die Urquelle dieser Jugendlichkeit. Die Synodenväter sehen in eurer Jugend eine Quelle der Lebenskraft und der Erneuerung. Eure große zahlenmäßige Stärke ist ein Zeichen des göttlichen Segens für Afrika, das das Leben liebt und es gerne an die kommenden Generationen weitergibt; euer Verlangen nach Mitbeteiligung zeigt ein frühzeitiges Verantwortungsbewußtsein, das für uns ein Grund des Dankens ist. 63. Die Aufgaben der Verkündigung, der Inkulturation, des Dialogs, der Gerechtigkeit, des Friedens und der sozialen Kommunikationsmittel, die die Aufmerksamkeit der Synode in ganz besonderer Weise auf sich gelenkt haben, können ohne euren großzügigen Einsatz nicht in vollem Maße verwirklicht werden. Aber wie wäre dies ohne den Dialog mit euch möglich? Der Aufruf zum Dialog war somit eines der fundamentalen Anliegen der Synode. Wir wollen den Dialog mit euch intensiver gestalten. Ihr verkörpert weit über die Hälfte der Bevölkerung Afrikas. Ihr seid ein Segen für eure Völker. Die Synode hofft, daß sich innerhalb der einzelnen Länder eine Lösung finden läßt, die eurem Verlangen, am Leben des Staates und der Kirche teilzunehmen, entgegenkomme. Ihrerseits richtet sie folgenden Aufruf an euch: Setzt euch für die Entwicklung eurer Länder ein, liebt die Kultur eures Volkes, und verwendet euch für ihre Wiederbelebung durch die treue Bewahrung eures kulturellen Erbes, 1276 ANHANG den Geist für Wissenschaft und Technik und vor allem durch den christlichen Glauben. 64. Die Synode der Hoffnung ist sich durchaus bewußt, daß ihr, junge Menschen mit einem hohen Bildungsgrad, aber ohne Arbeit, in einer schwierigen Situation steht. Wir werden für euch beten und eure Kirchen und die Verantwortlichen eurer Länder bitten, neue Entwicklungsmodelle zu suchen, die das von euch verkörperte enorme Potential einbeziehen, ein Potential, das aber anscheinend nicht in das gegenwärtige wirtschaftlich und materialistisch orientierte Gesellschaftssystem zu integrieren ist. Die Synodenväter teilen ebenso das Leid aller jungen Afrikaner, die zu Studienzwecken in den nördlichen Ländern verstreut sind und aufgrund der Arbeitslosigkeit nicht zurückkehren können, um ihre Fähigkeiten den Heimatländern zur Verfügung zu stellen. An die Frauen 65. Ehre unseren Müttern und Schwestern! Diese Synode der Hoffnung hat über die Entfremdung nachgedacht, die auf euch lastet und die auf die fehlende Begegnung zwischen eurer traditionellen Weltanschauung und der Modernität zurückzuführen ist. So zeigt die Entfremdung einen der wesentlichen Aspekte jener sündhaften Struktur, die unsere afrikanischen Gesellschaften kennzeichnet. Aber auch der ungerechte Aufbau der heutigen Welt ist für sie verantwortlich. 66. Die Synode fordert eine qualifizierte Ausbildung der Frauen, die sie in erster Linie auf ihre Verantwortung als Ehefrauen und Mütter vorbereitet, die ihnen aber auch die Türe zu allen gesellschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten öffnet, von denen die traditionelle wie auch die moderne Gesellschaft sie ohne Grund ausschließt. Die Synode verlangt, daß der Frau eine Rolle wiedergegeben wird, die im Einklang steht mit ihrer wirklichen Bedeutung, die von jener Verantwortung ausgeht, die sie bereits zu tragen hat. 67. In der Überzeugung, daß „eine Frau erziehen ein Volk erziehen bedeutet”, sind unsere Bischöfe und alle Teilnehmer dieser heiligen Synode entschlossen, in jeder möglichen Form für die volle Achtung eurer Würde einzutreten. Während dieser Synode hat der Heilige Vater zwei Familienmütter, Elisabetta Canori Mora und Gianna Beretta Molla, seliggesprochen, und euch gegenüber wollen wir uns seinen Worten der Würdigung anschließen: „Wir wollen alle mutigen Mütter ehren, die sich ohne Vorbehalt der eigenen Familie widmen, die leiden, um ihre eigenen Kinder zur Welt zu bringen, und dann bereit sind, jede Mühe auf sich zu nehmen und jedes Opfer zu bringen, um ihnen das Beste weiterzugeben, was sie in sich tragen (...) Wie ungewöhnlich ist doch zuweilen ihre Beteiligung an der Sorge des Guten Hirten!” (Homilie des Heiligen Vaters anläßlich der Seligsprechung von Isidoro 1277 ANHANG Bakanja, Elisabetta Canori Mora und Cianna Beretta Molla am 24. April 1994, O.R.dt., Nr. 18, S. 12). 68. Mit Hochachtung grüßen wir auch alle Ordensfrauen in Afrika, in Madagaskar wie in aller Welt. Wir bestärken sie, an ihrer heiligen Berufung festzuhalten und mit Freude die Gnade der geistlichen Mutterschaft anzunehmen, die Christus ihnen in der Kirche anbietet, denn je größer der Wert der Frau ist, der Ordensfrau wie der Familienmutter, desto größer ist auch der Wert der Kirche als Familie. 69. Durch euren Beitrag für die ganzheitliche Förderung der Menschheit seid ihr in dieser Stunde der Not des Kontinents eine mögliche Quelle der Hoffnung, wenn ihr dem Beispiel Marias, der neuen Eva, der Mutter Christi, des Erlösers der Menschheit, zu folgen versteht. Danksagung 70. In unserer Danksagung für das Geschenk des Glaubens blicken wir voller Freude auf das Jahr 2000, an dessen Schwelle wir nun stehen. Wir sind voller Zuversicht und entschlossen, die Frohbotschaft der Erlösung in Jesus Christus mit allen zu teilen. Aus diesem Grund verharren wir im Gebet und rufen die ganze Familie Gottes auf, mit uns und Maria, dem Urbild der Kirche, für ein neues Pfingsten zu beten. An Maria 71. O Maria, Mutter Gottes und Mutter der Kirche, dank sei dir im Morgengrauen der Verkündigung! Das ganze Menschengeschlecht mit all seinen Kulturen hat voller Freude erkannt, für das Evangeliums bereit zu sein. Am Vorabend eines neuen Pfingsten für die Kirchen in Afrika, Madagaskar und auf den Inseln, zusammen mit dem uns anvertrauten Volk, gemeinsam mit dem Heiligen Vater sind wir mit Dir vereint, damit die Ausgießung des Heiligen Geistes unsere Kulturen in ihren verschiedenen Ausdrucksformen zu Stätten der Gemeinschaft und uns alle zur Familie des Vaters, zur brüderlichen Gemeinschaft des Sohnes, zum Ebenbild der Dreifaltigkeit mache in Vorwegnahme des Gottesreiches und in Zusammenarbeit mit allen - in der Gesellschaft, deren Baumeister Gott ist, der Gesellschaft der Gerechtigkeit und des Friedens. Amen! 1278 ANHANG Zur universalen Dimension der sozialen Gerechtigkeit Beitrag von Erzbischof Tauran, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls bei der 81. Sitzung der Internationalen Arbeitskonferenz im Juni in Genf 1. Es ist für mich eine besondere Freude, dieser Versammlung die guten Wünsche Seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. zu überbringen. Der Papst hat mich dazu beauftragt, weil Sie den 75. Jahrestag der Internationalen Arbeitsorganisation und den 50. Jahrestag der Erklärung von Philadelphia begehen. Auf Sie alle wie auch auf Ihre Arbeiten ruft der Heilige Vater Gottes Segen herab. Seit 1919 ist die Zusammenarbeit zwischen Ihrer Organisation und dem Hl. Stuhl nie unterbrochen worden. Allein schon die zahlreichen Botschaften der Päpste wie auch die Besuche der Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. beim Sitz in Genf zeigen, welche Hochachtung die katholische Kirche für die grundlegenden Gedanken hegt, die dem Wirken der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Richtung gegeben haben: Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter durch sozialen Dialog, Freiheit der Gewerkschaften, Abschaffung der Kinderarbeit, Harmonisierung der Arbeit mit dem Familienleben, um nur die Hauptschwerpunkte Ihrer Arbeit zu nennen. 2. Angesichts der Schwere der sozialen Probleme von heute ist es tatsächlich wichtig, das Ziel der Organisation nicht aus dem Auge zu verlieren. Das Thema des Berichtes des Herrn Generaldirektors des Internationalen Arbeitsamtes, das Ihre Diskussionen anregt, legt es passend nahe: „Werte, die zu bewahren, und Wandlungen, die einzuleiten sind.” Heute wie gestern, das wissen wir alle, braucht die Welt der Arbeit Männer und Frauen, die von starken politischen, humanen und religiösen Überzeugungen erfüllt sind, um dahin zu wirken, daß die Gesellschaften geschwisterlicher werden, daß jeder die Möglichkeit bekommt, seine Talente in der Ausübung seiner beruflichen Aufgaben zu entfalten, und niemand Mangel und Elend leidet. Dies zu gestatten bedeutet in der Tat, seinen Brüdern und Schwestern den größten Dienst zu erweisen. Dem Menschen die Möglichkeit einer Arbeit unter guten Bedingungen anbieten bedeutet die Anerkennung seiner Würde. So erlaubt man ihm zugleich, seinen Beitrag zur Beherrschung der Welt zu leisten, denn die Arbeit trägt zur Herrschaft über die Natur bei und zur Umwandlung der Dinge in nützliche Güter für den Menschen. 3. Seit 75 Jahren bemüht sich die Internationale Arbeitsorganisation mit Recht, sich in den Dienst des Menschen zu stellen und, dank der Erarbeitung internationaler Normen für die Arbeit und dank vielfältiger Aktivitäten technischer Zusammenarbeit zugunsten der Arbeiter der ganzen Welt, jeder Nation zu helfen, ihre soziale Politik zu formulieren. Dieser reiche Schatz an Texten und Initiativen ist vielleicht der breiten Öffentlichkeit nicht genügend bekannt. Eine bessere Verbreitung dieses Erbes könnte all jenen helfen, die in aller Welt - und es sind mehr als man meinen 1279 ANHANG möchte - bemüht sind, dem Gemeinwohl den Vorrang zu geben vor augenblicklichen Interessen, eine ausgewogene Solidarität zu fördern und die verschiedenen Partner in der Welt der Arbeit an ihre Verantwortung zu erinnern. Es gilt tatsächlich, allzu leichte unmittelbare Lösungen zu vermeiden, die keineswegs die Grundprobleme lösen. Mit einem Wort: Auch die Arbeit muß „moralisiert” werden. Auf diesem Gebiet können die Religionen eine große Hilfe sein, sowohl für die Arbeiter wie auch für die Verantwortlichen der Gesellschaften. Zumal die katholische Kirche hat sich immer bemüht, mit ihrer Soziallehre alle daran zu erinnern: „Die Arbeit ist für den Menschen da, und nicht der Mensch für die Arbeit. Das Kapital ist für die Arbeit da, und nicht die Arbeit für das Kapital” (vgl. Lciborem exercens, Nr. 6). 4. An der Schwelle des 21. Jahrhunderts muß die Internationale Arbeitsorganisation mehr denn je „das soziale Gewissen der Welt” sein. Dazu möchte der Hl. Stuhl Ihrer Überlegung drei Prioritäten unterbreiten, die Ihre schon lobenswerten Bemühungen noch fruchtbarer machen könnten: a) Die Verantwortlichen der Regierungen müssen die so mühsam erarbeiteten Grundsätze für den sozialen Schutz der Arbeiter, die ihrer Sorge anvertraut sind, aufrechterhalten und festigen. Von dieser Sicherheit hängt in der Tat deren menschliche Entwicklung und das Wohlergehen ihrer Familien ab. b) Den Unternehmen obliegt die schwere Aufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen, ohne einer erbarmungslosen Konkurrenz zu erliegen. Das prioritäre Anhegen der Unternehmen ist nicht nur die Vermehrung der produzierten Güter, sondern das Schaffen von Wohlstand für alle. c) Die sozialen Bewegungen spielen immer eine unerläßliche Rolle in der Förderung der Rechte und Pflichten der Arbeiter und derer, die sie anstellen. Wichtig bleibt, sich immer daran zu erinnern: „Es ist ein Kennzeichen der Arbeit, daß sie die Menschen vor allem eint; darin besteht ihre soziale Kraft: Sie bildet Gemeinschaft” (.Laborem exercens, Nr. 20). 5. Herr Präsident, mit Befriedigung können wir feststellen, daß die Kontinuität der während dieser letzten 75 Jahre unternommenen Aktionen der Organisation die Förderung eines wirklichen Dialogs mit den Mitgliedstaaten über die sozialen Probleme gestattet hat, die das tägliche Leben der Bürger berühren. Der globale Trend der Weltwirtschaft, wie er im Bericht des Generaldirektors treffend analysiert wurde, bringt die schwere Gefahr einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen mit sich. Daher scheint es wichtig, die Aufmerksamkeit dieser Versammlung auf die universale Dimension der sozialen Gerechtigkeit zu lenken. Für alle Länder gemeinsame Standards und Regelungsmaßnahmen, denen alle Partner zustimmen, müßten dazu beitragen, sicherzustellen, daß überall der Mensch das Kriterium des sozialen Wirkens wird. Dann wird es leichter möglich sein, Situationen der Ungerechtigkeit umzuwandeln, ohne das zu zerstören, was man zu schützen sucht. Dies setzt die gegen- 1280 ANHANG seitige Kenntnis und den beharrlichen Dialog unter den Regierungsverantwortlichen, den Unternehmen und den Arbeiterbewegungen voraus. Bei dieser Frage hat die Internationale Arbeitsorganisation die große Chance, in multilateralem Rahmen direkten Kontakt mit den hauptsächlichen Sozialpartnern zu haben und aus der Arbeit mit drei Parteien einen unvergleichlichen praktischen Nutzen zu ziehen. Das heißt, Ihnen als privilegierten Beauftragten der Welt der Arbeit und berufenen Regulatoren kommt es zu, der initiative und aktive Teil dieser neuen Etappe zu sein in enger Zusammenarbeit mit dem Ganzen der internationalen Institutionen. 6. Herr Präsident, es ist nicht die Aufgabe der katholischen Kirche, für diese Probleme technische Lösungen vorzulegen. Doch alle ihre Söhne und Töchter - und mit ihnen zahlreiche Gläubige - sind sich lebhaft bewußt, daß Gott von einem jeden von Ihnen erwartet, mit seinen Brüdern und Schwestern in der Menschheit solidarisch zu sein, so daß Egoismus, Gleichgültigkeit und zuweilen sogar der Haß nicht das letzte Wort behalten. Von einem jeden von Ihnen, von einem jeden von uns hängt es ab, daß die Tür der Hoffnung immer offen bleibt! Ruander, beginnt ein neues Kapitel in eurer Geschichte! Botschaft von Roger Kardinal Etchegaray an die Bürger von Ruanda, verlesen am 26. und am 28. Juni Liebe Ruander! Vor einem Jahr hat mich Papst Johannes Paul II. als seinen Boten des Friedens zu euch gesandt. Heute weile ich wieder bei euch mit der gleichen Botschaft: aber seid ihr noch das gleiche Volk von Ruanda? Nach all dem, was ich in eurem Land gesehen habe, das zu einem Land von Schlamm und Asche geworden ist, verstehe ich nicht, und niemand in der Welt kann es verstehen, und zweifellos versteht auch ihr selber nicht, was ihr geworden seid. Volk von Ruanda, was bist du heute? Ich erkenne dich nicht wieder. Vielleicht hast du bisher aus Scham oder Berechnung verborgen, was dein Gemeinschaftsleben schwierig gemacht hat. Doch nun, nachdem du die letzte Tiefe des Schreckens erreicht hast, kannst du nichts mehr von deinem Elend verbergen. Darum komme ich, um dir zu sagen: Werde nicht mutlos, aber bekehre dich innerlich, lerne aus dieser schrecklichen Lehre deiner Geschichte, welche vielleicht deine letzte Möglichkeit bietet, zu verstehen, wie weit deine Bekehrung reichen muß. Dann wirst du erkennen, wer du wirklich bist: ein Volk von Brüdern, nicht aber der Spaltung, ein Volk des Lebens und nicht des Todes. Doch wie lang ist der Weg der Rückkehr zu dir selbst, der Weg der Rückkehr zu deinem Gott! Es genügt nicht, zu sagen: Ich will den Frieden (ich höre nichts anderes unter euch); der Friede muß hergestellt und der Preis dafür gezahlt werden, der in Ruanda sehr 1281 ANHANG hoch ist. Vor allem muß dieser wahnsinnige Krieg aulhören; aber er wird nicht von selbst aufhören. Ich bitte daher alle politisch und militärisch Verantwortlichen, erneut zusammenzutreffen, um den Waffenstillstand zu erklären und ihn um jeden Preis einzuhalten. Es gibt keinen einsichtigen Grund, noch länger zu warten. Waffenstillstand heißt, kein Angriff mit Macheten mehr, kein Angriff mit Lanzen mehr; jeder Bürger von Ruanda ist aufgerufen, seinerseits Frieden zu halten. Nach so vielen „verabscheuungswürdigen Massakern” (das ist ein Ausdruck des Papstes) sogar in euren Kirchen, die zum Schauplatz des Massakers von Unschuldigen geworden sind, nach der Zerstörung eurer Häuser, eurer Schulen und eurer Sozialzentren wird immer mehr euer Herz verletzt, und euer Geist entartet. Um die Seele eures Landes neu zu schaffen, braucht ihr ein erhebliches Maß gegenseitigen Verzeihens, aber nur Gott kann es euch schenken, wenn ihr ihn demütig darum bittet. Wie immer es um die Schuld des anderen bestellt sein mag, ein jeder möge den ersten Schritt auf ihn hin tun, im Gedanken an seine eigene Schuld. Ich bin im Namen von Papst Johannes Paul II. zu euch gekommen, um eine geschwächte, zerstreute und wegen der Tötung von drei Bischöfen, gegen hundert Priestern sowie zahlreichen Ordensleuten enthauptete Kirche erneut zu stärken. Ihr braucht einen großen Glauben, um eurer Kirche auch bei ihren Schwächen treu zu bleiben. Doch schaut sie euch gut an! In ihr ist immer noch der Geist des Evangeliums lebendig: Wieviele von euch haben dem Bösen widerstanden und heroische Akte der Liebe vollbracht! Eines Tages werdet ihr die Berechtigung des Wortes feststellen, das die Kirche von Jahrhundert zu Jahrhundert weiterleben läßt: „Das Blut der Märtyrer ist der Same für neue Christen”. Volk von Ruanda, in deinem Land kann morgen nichts mehr so sein wie gestern. Du bist von Gott aufgerufen, eine neue Seite deiner Geschichte aufzuschlagen, geschrieben von all deinen Brüdern und Schwestern, die im Glanz des gegenseitigen Verzeihens hervorleuchten. Glaub es uns, es ist möglich, es geht um deine christliche und menschliche Ehre! Roger Kard. Etchegaray 1282 ANHANG Achtung vor dem Leben und vor der Entwicklung der Völker in Solidarität Standpunkt des Hl. Stuhls an der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung in Kairo - Wortmeldung des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen in New York und Chef der Delegation des Hl. Stuhls bei der Konferenz in Kairo, Erzbischof Renato Martino, am 7. September Herr Präsident! Die Delegation des Heiligen Stuhles möchte zunächst ihre besondere Wertschätzung dem Präsidenten, der Regierung und dem Volk von Ägypten aussprechen für die Aufnahme, die wir alle in dieser Stadt Kairo erhalten haben, und für die ausgezeichnete Vorbereitungsarbeit, die für die Konferenz geleistet worden ist. Unser Treffen in diesen Tagen ist der Höhepunkt einer Zeit intensiven Nachdenkens und Wirkens von seiten der internationalen Gemeinschaft über eine Anzahl von wichtigen Aufgaben, die wir alle in den kommenden Jahren aufzugreifen haben. Papst Johannes Paul II. hat mit Recht betont, daß diese Aufgaben entscheidende Anliegen betreffen. Es geht um die Zukunft der Menschheit. Die Zeit der Vorbereitung, die eine Reihe von Jahren dauerte, hat gezeigt, daß es bei der Bevölkerungspolitik - wenn diese den Aufgaben gerecht werden soll - nicht bloß um Zahlen gehen kann. Sie muß sich mit den Lebensbedingungen befassen, mit denen alle Völker der Welt sich auseinandersetzen müssen. Es geht um die Solidarität, die unter den Völkern gefördert werden soll, so daß die Menschheit mehr und mehr eine wirkliche Familie werden kann. Der Heilige Stuhl hat bei der Vorbereitung der Konferenz eine aktive und konstruktive Rolle gespielt; er hat die Verfahrensweisen der Konferenz vollständig beachtet und mit den verschiedenen Teilnehmern auf allen Ebenen das Gespräch aufgenommen; dabei ist er seiner besonderen Position und seinem Status in der internationalen Gemeinschaft treu geblieben. 1. Diese Konferenz befaßt sich nicht nur mit allgemeinen Statistiken oder der komplizierten Frage der Zuwachsraten des Bevölkerungswachstums, die in den letzten Jahren erheblich abgenommen haben. Schon der Titel „Internationale Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung” zeigt, daß unsere Aufgabe auch das Suchen nach einer besseren Nutzung und ausgewogeneren Verteilung der Güter dieser Erde umfaßt, die nach Gottes Plan als gemeinsames Erbe aller geteilt werden sollen. Die Bevölkerungspolitik muß immer als Teil einer umfassenderen Entwicklungspolitik gesehen werden. Denn beide befassen sich ja mit der gleichen Wirklichkeit, nämlich der zentralen Stellung der menschlichen Person und der Verantwortung aller dafür, sicherzustellen, daß jeder einzelne Mensch in einer Weise leben kann, die seine Würde als Mann oder Frau achtet. Die große biblische Überlieferung sagt vom Menschen, er sei nach nichts Geringerem als „nach dem Bild Gottes” geschaffen. 1283 ANHANG Das Anliegen dieser Konferenz sollte daher sein, sicherzustellen, daß jeder Mensch auf dieser Erde in Verhältnissen leben kann, die wirklich dieser Würde gerecht werden. Während in den verschiedenen Kapiteln der Endfassung des Dokuments zahlreiche Entwicklungsfragen behandelt werden, findet der Heilige Stuhl, daß das Kapitel, das ausdrücklich über das Verhältnis zwischen Bevölkerung und Entwicklung handelt, im Verhältnis zum Dokument als Ganzem unverhältnismäßig kurz ausgefallen ist. Bevölkerungszunahme oder -abnahme betrifft das Leben vom Menschen, die in Würde und Sicherheit leben möchten, aber durch schwache politische und sozio-ökonomische Strukturen daran gehindert werden. EntwicklungsStrategien erfordern daher Gerechtigkeit in der Verteilung der Ressourcen und Technologie innerhalb der internationalen Gemeinschaft und Zugang zu den internationalen Märkten. Die Deckung der Außenverschuldung durch die ärmsten Länder erstickt aber deren soziale Entwicklung. Daher sind Maßnahmen gefordert, die ihnen vor allem die Technik zur Verbesserung ihrer Landwirtschaft, zur Bereitstellung sauberen Wassers und sicherer Nahrungsbeschaffung und -Verteilung sowie für die Gesundheitsfürsorge zur Verfügung stellen, um zumal jene Infektionskrankheiten zu überwinden, die in hohem Maße für die Mütter- und Kindersterblichkeit verantwortlich sind. Plädoyer für Frauen und Kinder 2. Diese Konferenz behandelt besonders die Stellung der Frau innerhalb der Bevöl-kerungs- und Entwicklungspolitik. Der Heilige Stuhl hat bereits vor zehn Jahren bei der Bevölkerungskonferenz von Mexiko betont, daß die Bevölkerungspolitik vor allem die Hebung des Bildungsniveaus und die gesundheitliche Betreuung der Frauen ins Auge fassen muß, zumal die grundlegende gesundheitliche Betreuung. Sowohl in entwickelten Nationen als auch in Entwicklungsländern war und ist die katholische Kirche im Angebot einer weitgespannten Reihe von Büdungs- und Gesundheitsdiensten engagiert, wobei Frauen und Kinder, zumal die armen, besonders berücksichtigt werden. In der ganzen Welt, auch in Ländern mit einer nur kleinen Minderheit katholischer Bevölkerung, führt die katholische Kirche Tausende von Hospitälern, Kliniken, Apotheken und anderen Institutionen für die gesundheitliche Betreuung von Mutter und Kind sowie für die Betreuung der Alten - oder katholische Stellen beschaffen wenigstens das nötige Geld. Solche Angebote für die gesundheitliche Betreuung tragen in Verbindung mit Strukturen der Kirche für direkte und indirekte Ausbildung zur Förderung der Frau in einer Weise bei, daß ihre aktive Beteiligung am Entwicklungsprozeß gefördert, dagegen die oft übergroßen Belastungen beseitigt werden, die Frauen in Entwicklungsländern tragen müssen. Viel bleibt auf diesem Gebiet noch zu tun, und der Heilige Stuhl ist ebenso wie Mitglieder der Kirche in allen möglichen Teilen der Welt zur Zusammenarbeit bereit, um dieses Ziel zu erreichen. 1284 ANHANG 3. Die Bevölkerungspolitik spielt besonders bei der Entwicklungspolitik eine Rolle, weil hier gleichzeitig umfassende Fragen und der höchst intime Bereich des Lebens von Mann und Frau betroffen sind: der verantwortungsvolle Umgang mit ihrer Sexualität und ihre gegenseitige Verantwortung für die menschliche Fortpflanzung. Verantwortliche Entscheidungen über die Zahl der Kinder und die Zeitabschnitte zwischen den Geburten sind Sache der Eltern, die von jedem Zwang und Druck durch staatliche Stellen frei sein müssen. Doch sollten diese Stellen sicherstellen, daß den Bürgern genaue Informationen über die verschiedenen, hier relevanten demographischen Faktoren verfügbar sind. Der Heiüge Stuhl begrüßt entsprechend seiner hergebrachten und schlüssigen Position die Feststellung dieser Konferenz, daß bei allen Aspekten der Bevölkerungspolitik Zwang ausgeschlossen sein muß. Wir wollen hoffen, daß diese Aussage von allen hier teilnehmenden Nationen gewissenhaft durchgeführt wird und daß diese Nationen wie auch die internationale Gemeinschaft darüber wachen, daß Mißbräuche bei Programmen zur Familienpla-nung abgestellt werden. Absage an jeden Zwang und Druck In der Vergangenheit war die Bevölkerungspolitik so strukturiert, daß sie oft auf Zwang und Druck hinauslief, zumal durch Festsetzung von Quoten je Eltempaar. Die Frauen waren die ersten Opfer. Verfeinerte Formen von Zwang und Druck ergaben sich auch aus einer falschen Darstellung demographischer Zahlen, die Furcht und Angst für die Zukunft hervorgerufen haben. Diese Konferenz müßte daher zum Anlaß einer neuen und tiefer reichenden Reflexion über die Bevölkerungspolitik werden. Achtung vor dem Leben und der Würde der menschlichen Person müßte die letztlich leitende Norm einer solchen Politik sein. Diese Politik sollte die auf der Ehe beruhende Familie fördern und den Eltern, Vätern und Müttern bei ihren gemeinsamen und verantwortlichen Entscheidungen zur Zeugung und Heranbildung von Kindern zur Seite stehen. Der Entwurf des Schlußdokuments macht in der Tat auf die Notwendigkeit aufmerksam, die Stabilität der Familie zu fördern wegen der positiven Auswirkungen, die eine solche Stabilität der Gesellschaft bringt. Der Heilige Stuhl unterstützt nicht die Idee der Zeugung um jeden Preis. Seine Achtung vor der geistlichen Bedeutung der Weitergabe menschlichen Lebens läßt ihn sogar mehr als andere die Verantwortung betonen, welche die Entscheidungen der Eltern kennzeichnen muß, ob sie in einem gegebenen Augenblick ein Kind wollen oder nicht. Diese Verantwortlichkeit betrifft nicht nur ihre eigene persönliche Erfüllung, sondern auch ihre Verantwortung vor Gott und für das neue Leben, das sie gemeinsam zur Welt bringen als Gefährten für die schon vorhandenen Kinder und ihre Familie, aber auch für die Gesellschaft, wobei eine korrekte Hierarchie moralischer Werte zu beachten ist. 1285 ANHANG Das Fehlen von Verantwortung auf dem Gebiet der menschlichen Sexualität kann uns alle nur mit Sorge erfüllen. Frauen und Kinder sind am meisten die Hauptopfer eines derartigen unverantwortlichen Verhaltens. Viel bleibt noch zu tun, um die Menschen zu einem verantwortungsbewußteren Verhalten und zu ihrer eigenen Mitverantwortung für die Zeugung und Heranbildung von Kindern zu erziehen und auszubilden. Fehlen von Verantwortung im sexuellen Verhalten geht auch darauf zurück, daß heute Haltungen sexueller Permissivität gefördert werden, bei der vor allem das persönliche Vergnügen und die individuelle Befriedigung im Mittelpunkt stehen. Eine der großen Sorgen des Heiligen Stuhles hinsichtlich des Entwurfes des Schlußdokuments liegt darin, daß er einerseits ein Verhalten, das der Text selbst als mit „hohem Risiko verbunden” oder unerwünscht betrachtet, herausstellt, sich dann aber hauptsächlich auf Empfehlungen beschränkt, wie die Risiken vermindert oder eingeschränkt werden können. Der Text scheut sich dagegen, eine Änderung solchen Verhaltens an der Wurzel vorzuschlagen. Niemand kann leugnen, daß sich die Gesellschaft der gesundheitlichen Folgen eines unverantwortlichen oder unreifen Verhaltens bewußt sein muß, doch man sollte sich fragen: Welches werden die langfristigen Folgen sein, wenn die Gesellschaft ihre Verantwortung beiseiteschiebt, solche unerwünschten Verhaltensformen anzuprangem und ihre Änderung anzustreben? Ja, noch mehr: Was geschieht, wenn die Gesellschaft schweigend solch unverantwortliches Verhalten als normal hinnimmt? Die Stellungnahme der Kirche zur verantwortlichen Elternschaft ist wohlbekannt, obwohl sie zuweilen mißverstanden wird. Einige Anwesende mögen sie für zu anspruchsvoll für Männer und Frauen von heute betrachten. Doch am Ende ist kein Weg der Förderung tiefster Achtung vor dem menschlichen Leben und den Vorgängen bei seiner Übermittlung leicht. Verantwortung bringt Belastungen mit sich. Verantwortung verlangt Disziplin und Selbstbeherrschung. Grundrecht auf Leben 4. Menschliches Leben ist so bedeutend, daß seine Weitergabe nicht einfach einer Reihe von mechanischen biologischen Prozessen anvertraut werden kann. Neues Leben hat von seinem Anfang an das Recht, hochherzig willkommen geheißen zu werden innerhalb der liebevollen und festen Gemeinschaft der Familie, der natürlichen und grundlegenden Keimzelle der Gesellschaft. Die Familie gehört zum Erbe der Menschheit, gerade weil sie der Ort ist, wo das feste Verhältnis von Mann und Frau zur sorgenden Institution, zur verantwortungsvollen Weitergabe und Heranbildung neuen Lebens wird. Die Probleme, vor denen Familien stehen, sind allgemein bekannt. Es ist auch ein Gemeinplatz, viele Probleme des gesellschaftlichen Verfalls dem Zerbrechen der Familienstrukturen zuzuschreiben. Doch nur wenige haben den Mut, kreative Programme zu entwickeln, um die Familie zu festigen und den Eltern bei der Ausübung 1286 ANHANG ihrer Rechte und bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten und Verantwortung konkret beizustehen. Die Gesellschaft muß zunächst den außerordentlichen Beitrag anerkennen, den Eltern zum eigenen Wohl der Gesellschaft leisten, und diese Anerkennung dann in wirksame Unterstützung auf dem Gebiet der Kultur-, Steuer- und Sozialpolitik umsetzen. Der Heilige Stuhl lehnt alle Versuche scharf ab, die Familie aufzuweichen oder eine radikale Neuordnung ihrer Struktur einzuführen, und so zum Beispiel anderen Formen des Lebensstils den Familienstatus zuzuerkennen. 5. Die Weitergabe des Lebens beginnt mit der innigen Begegnung der Eltern, und sie ist der elterlichen Liebe anvertraut. Die verantwortliche Weitergabe des Lebens und die liebevolle Sorge der Eltern gehören zusammen. Daher kann der Heilige Stuhl keine Methoden der Familienplanung billigen, die im Grunde diese beiden wesentlichen Dimensionen der menschlichen Sexualität trennen; und er wird seine Stellungnahme zu solchen Methoden in einem entsprechenden Vorbehalt formulieren. Der Heilige Stuhl ist ferner über einige besondere Methoden der Familienplanung besorgt - und er muß das auch aussprechen die zwar nicht ausdrücklich in den Texten der Konferenz behandelt werden, doch offensichtlich unter dem allgemeinen Ausdruck „Dienste der Familienplanung” mitgemeint sind. Diese Sorge gilt vor allem Programmen der Sterilisierung, eine Methode der Familienplanung, die im allgemeinen unumkehrbar ist und damit einen Wandel der Entscheidungen ausschließt, Kinder auszutragen. Diese Methode öffnet Tür und Tor dem Mißbrauch grundlegender Menschenrechte, zumal wenn sie unter Armen und Analphabeten gefördert wird. Die natürlichen Methoden der Familienplanung werden im Entwurf des Aktionsplanes nur beiläufig erwähnt, und zwar trotz der Tatsache, daß eine erhebliche Zahl von Familien diese Methoden zu verwenden wünscht, nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch weil sie wissenschaftlich wirksam, billig und ohne Nebenwirkungen sind, die sich oft mit hormonalen und technischen Methoden verbinden, und weil sie auf einzigartige Weise das Zusammenwirken und die gegenseitige Achtung beider Partner fördern, zumal hier eine größere Mitverantwortung von seiten des Mannes verlangt wird. Nein zur Abtreibung 6. Der Heilige Stuhl ist sehr besorgt über die Art, wie die Frage der Abtreibung bei der Vorbereitung dieser Konferenz behandelt wurde. Die international allgemein akzeptierte Formulierung drängt die Regierungen, „geeignete Schritte zu ergreifen, um Frauen zu helfen, Abtreibung zu vermeiden, die in keiner Weise als eine Methode der Familienplanung empfohlen werden sollte, und wenn immer möglich mögen sie für die menschliche Behandlung und Beratung von Frauen sorgen, die die Abtreibung bereits durchgeführt haben”. Der Heilige Stuhl hofft, daß die Konferenz diesen Grundsatz bekräftigt. 1287 ANHANG Während es im Dokument zahlreiche Texte gibt, die deutlich den Wunsch von Nationen nahelegen, die Zahl der Abtreibungen zu vermindern und Verhältnisse zu beseitigen, die Frauen veranlassen, zur Abtreibung Zuflucht zu nehmen, haben sich einige Mächte Mühe gegeben, den Begriff des „Rechts auf Abtreibung” zu empfehlen und Abtreibung als ein wesentliches Element der Bevölkerungspolitik einzuführen. Texte, die gegenwärtig verhandelt werden, fordern, daß die Länder ihre Gesetzgebung über die Abtreibung überprüfen, und sie werden in ähnlichen Texten gedrängt, in den kommenden Jahren dafür zu sorgen, daß Menschen „jeden Alters” Dienste für die „Beendigung der Schwangerschaft” zur Verfügung stehen. Sollten derzeit kursierende verschleierte Texte gebilligt werden, so würde damit eine „Beendigung der Schwangerschaft” unterstützt, ohne daß irgendwelche Grenzen gesetzt oder Kriterien angeboten werden oder sonstige Einschränkungen dieser Praktiken aufscheinen, und das alles als wesentlicher Teil der Gesundheitsdienste im Bereich der Fortpflanzung dastehen. Durch die mögliche Billigung anderer verschleierter Formulierungen, die der gesamten internationalen Gemeinschaft vorgelegt werden, würde ein derart uneingeschränkter Zugang zur Abtreibung in den Rang eines Rechtes erhoben werden. Keine von diesen neuen Tendenzen ist bei den regionalen Vorbereitungskonferenzen aufgetaucht Der Begriff des „Rechts auf Abtreibung” wäre eine Neuheit innerhalb der internationalen Gemeinschaft; er stünde im Gegensatz zu verfassungs- und gesetzgeberischen Positionen vieler Staaten, und er wäre auch gegen das Empfinden sehr vieler Gläubiger ebenso wie Nichtgläubiger. 7. Der Heilige Stuhl unterstützt Bemühungen, die sich aus dieser Konferenz vielleicht ergeben, für eine Verringerung der Mütter- und Kindersterblichkeit zu sorgen und sicherzustellen, daß die Verhältnisse für die Gesundheitsbetreuung von Frauen und das Überleben der Kinder verbessert werden. Sie sind in sich selbst wichtig, denn es steht die Würde einzelner Personen auf dem Spiel. Das Weiterbestehen hoher Sterblichkeitsraten bei Müttern und Kindern, wo immer auf der Welt es sein mag, ist eine Wunde im Bild der modernen Welt, die sich des hohen Standards ihres materiellen, wissenschaftlichen und technischen Fortschritts rühmt. Zugleich müssen die Beratungsdienste verbessert werden, um Frauen zu helfen, die mit ihrer Schwangerschaft vor Schwierigkeiten stehen, und für eine menschliche Behandlung im Anschluß an die negativen Folgen durchgeführter Abtreibungen zu sorgen. Bei vielen Gelegenheiten während der Vorbereitung dieser Konferenz hat der Heilige Stuhl betont, daß er mithelfen und dazu beitragen will, einen Begriff der „Gesundheit im Bereich der Fortpflanzung” in die Praxis umzusetzen, der als eine ganzheitliche Sicht von Gesundheitsfragen im Bereich der Fortpflanzung verstanden wird, das heißt als eine Sicht, die Mann und Frau in der Ganzheit ihrer Persönlichkeit, ihres Geistes und ihres Körpers, umfaßt und auf einen reifen und verantwortungsvollen Umgang mit der Sexualität hingeordnet bleibt. 1288 ANHANG Während ein solcher Begriff das Wohl jedes einzelnen im Auge haben muß, darf er nicht die Tatsache übersehen, daß menschliche Sexualität ihrem Wesen nach interpersonal ist. Reproduktionsgesundheit („Reproductive health”, Anm. d. Red.) muß daher die Information und Bildung der Menschen in den betroffenen Ländern berücksichtigen, um sie anzuleiten, verantwortungsbewußt und in gegenseitiger Achtung zu leben. Der vorliegende Text ist in seinem Denken weithin individualistisch und droht damit in der Einschätzung des eigentlichen Wesens menschlicher Sexualität mangelhaft zu bleiben. 8. In der Welt von heute, wo es zahlreiche Probleme durch unverantwortliches Verhalten auf dem Gebiet der Sexualität gibt und wo vor allem Frauen ausgebeutet werden, ist die Hinführung der Jugendlichen zu reifem und verantwortlichem sexuellen Verhalten wesentlich. Die Hauptverantwortung auf diesem Gebiet fällt den Eltern zu, deren Rechte in zahlreichen internationalen Verlautbarungen anerkannt sind. Es muß daher alles geschehen, den Eltern die volle Ausübung dieser Rechte zu garantieren und ihnen zu helfen, daß sie ihrer Verantwortung und ihren Pflichten gerecht werden können. Die Aufgabe, Kinder großzuziehen, obliegt an erster Stelle den Eltern, nicht dem Staat. Der Heilige Stuhl hofft, daß die in Vorbereitung befindlichen Texte klar die Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten der Eltern auf diesem Gebiet betonen, daß sie die Aufmerksamkeit auf die negativen Aspekte für junge Menschen bei vorzeitiger sexueller Betätigung hinlenken und bemüht sind, ein reifes Verhalten der Jugendlichen zu fördern. Herr Präsident! Zu Beginn meines Beitrags habe ich unterstrichen, daß der Heilige Stuhl die Vorbereitungszeit für diese Konferenz in Kairo mit großer Aufmerksamkeit und in respektvollem Dialog mit allen Teilnehmern verfolgt hat. Ich kann Ihnen versichern, immer wenn das Wohl der Menschen auf dieser Erde auf dem Spiel steht, werden der Heilige Stuhl und die Institutionen der katholischen Kirche in der ganzen Welt weiter in Zusammenarbeit mit den Nationen der internationalen Gemeinschaft ihren spezifischen Beitrag leisten; ja sie wollen ihren traditionellen konkreten Dienst in der grundlegenden Erziehung und Betreuung sogar verstärken in voller Achtung vor dem menschlichen Leben und für die Entwicklung der Völker in Solidarität. 1289 ANHANG Mehr Achtung vor der religiösen und kulturellen Überzeugung Andersdenkender Wortmeldung des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen in New York und Chef der Delegation des Hl. Stuhls bei der Konferenz in Kairo, Erzbischof Renato Martino, am 13. September Herr Präsident! Meine Delegation möchte Ihnen für Ihre Sitzungsleitung bei unserer Arbeit und für die uns entgegengebrachte Aufnahme danken. Unsere Konferenz, an der viele Vertreter verschiedener Traditionen und Kulturbereiche mit stark von einander abweichenden Standpunkten teilgenommen haben, konnte ihr Arbeitsprogramm in einer friedlichen und respektvollen Atmosphäre ausführen. Der Heilige Stuhl begrüßt zwar die in diesen Tagen gemachten Fortschritte, ist aber auch der Meinung, daß einige seiner Erwartungen nicht erfüllt worden sind. Ich bin sicher, daß die meisten Delegationen ähnlicher Ansicht sind. Der Heilige Stuhl ist sich durchaus bewußt, daß andere hier anwesende Delegationen einige seiner Standpunkte nicht teilen. Aber viele - Gläubige ebenso wie Nichtgläubige in allen Ländern der Welt - stimmen mit den von uns zum Ausdruck gebrachten Ansichten überein. Der Heilige Stuhl schätzt die Art und Weise, mit der die Delegationen auch jene Anschauungen aufmerksam verfolgt und berücksichtigt haben, die sie nicht immer teilen konnten. Aber die Konferenz wäre um einiges ärmer, wenn diese Standpunkte nicht vorgebracht worden wären. Eine internationale Konferenz, die keine unterschiedlichen Meinungen zuläßt, ist wohl kaum eine „Konsens-Konferenz”. Wie Sie wissen, konnte der Heilige Stuhl den Konferenzen von Bukarest und Mexiko City aufgrund einiger grundlegender Einwände nicht zustimmen. Aber nun ist hier in Kairo erstmalig das Thema Entwicklung als wichtiger Punkt im Zusammenhang mit der Bevölkerungsfrage in Verbindung gebracht worden. Der gegenwärtige Aktionsplan öffnet indes einige neue Wege für die zukünftige Bevölkerungspolitik. Ein bemerkenswerter Aspekt des Dokuments ist seine ablehnende Haltung gegenüber jeder Form von Zwang in der Bevölkerungspolitik. Sorgfältig ausgearbeitete Prinzipien, die auf den wichtigsten Dokumenten der Internationalen Gemeinschaft beruhen, erläutern und erklären die folgenden Kapitel. Das Dokument erkennt die Notwendigkeit, die grundlegende Einheit der Gesellschaft, die auf der Ehe begründete Familie, zu schützen und zu unterstützen. Betont wird auch die Förderung der Frau und die Verbesserung ihrer Stellung durch Bildung und bessere gesundheitliche Betreuung. Das Migrationsproblem, ein Thema der Bevölkerungspolitik, das allzuoft vergessen wird, ist erörtert worden. Die Konferenz hat deutlich die Sorge der gesamten internationalen Gemeinschaft hinsichtlich jener Gefahren zum Ausdruck gebracht, die 1290 ANHANG die Gesundheit der Frau bedrohen. Auch wurde zu größerer Achtung der religiösen und kulturellen Überzeugung von Personen und Gemeinschaften aufgerufen. Ja zur Familie als grundlegende Keimzelle unserer Gesellschaft Aber anderen Aspekten des Schlußdokuments kann der Heilige Stuhl nicht zustimmen. Gemeinsam mit zahlreichen Menschen überall auf der Welt bekräftigt er, daß das menschliche Leben im Augenblick der Zeugung beginnt. Dieses Leben muß verteidigt und geschützt werden. Der Heilige Stuhl kann daher niemals die Abtreibung oder eine sie befürwortende Politik gutheißen. Das Schlußdokument, im Gegensatz zu den früheren Dokumenten von Bukarest und Mexiko City, betrachtet die Abtreibung als eine Dimension der Bevölkerungspolitik, ja sogar als eine Dimension grundlegender Gesundheitsbetreuung, obwohl betont wird, daß Abtreibung nicht als ein Mittel zur Familienplanung gefördert werden sollte und die Nationen aufgefordert werden, Alternativen für die Abtreibung zu finden. In der Einführung wird angedeutet, daß das Dokument keine Aussage bezüglich eines neuen international anerkannten Abtreibungsrechts enthält. Meine Delegation hatte nun die Möglichkeit, das Dokument als Ganzes zu überprüfen und zu beurteilen. Herr Präsident, hiermit möchte sich der Heilige Stuhl gewissermaßen der allgemeinen Zustimmung anschließen, wenn auch nur zum Teil. In erster Linie schließt sich meine Delegation dem Einvernehmen über die Prinzipien an, als Zeichen unserer Solidarität mit jener Grundeinstellung, an der sich unsere Arbeit orientiert hat und sich auch in Zukunft orientieren wird. Ebenso gibt sie ihre Zustimmung zu Kapitel V. über die Familie, die grundlegende Keimzelle der Gesellschaft. Der Heilige Stuhl gibt seine Zustimmung zu Kapitel III. über Bevölkerung, kontinuierliches Wirtschaftswachstum und dauerhafte Entwicklung, obwohl er eine eingehendere Behandlung dieser Themen vorgezogen hätte. Er billigt Kapitel IV., das die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, Gerechtigkeit Frauen gegenüber und ihre Förderung behandelt, und die Kapitel IX. und X. über Migrationsfragen. Aufgrund seiner besonderen Eigenart findet der Heilige Stuhl es nicht angebracht, sein Einverständnis zu den handlungsorientierten Kapiteln (12-16) des Dokuments zu geben. Seit der Billigung der Kapitel VII. und VIII. im Vermittlungsausschuß (Committee of the Whole) war es möglich, die Bedeutung dieser Kapitel innerhalb des gesamten Dokuments wie auch im Rahmen einer Gesundheitspolitik im allgemeinen zu beurteilen. Die intensiven Verhandlungen dieser Tage führten zur Vorlage eines Textes, den alle als eine Verbesserung erachten, der für den Heiligen Stuhl aber immer noch Grund zu großer Sorge ist. Bereits bei ihrer Annahme im Hauptausschuß brachte meine Delegation ihre Sorge im Hinblick auf das Problem der Abtreibung zum Ausdruck. Ferner enthalten die genannten Kapitel Hinweise, die als eine Billigung außerehelicher sexueller Betätigung, insbesondere unter Jugendlichen, gesehen werden 1291 ANHANG könnten. Sie könnten den Anschein erwecken, daß Abtreibung als eine der zur Wahl stehenden Methoden in den Rahmen grundlegender gesundheitlicher Betreuung gehört. Trotz der vielen positiven Aspekte in den Kapiteln VH. und VIII. enthält der uns vorgelegte Text zahlreiche weitreichende Folgerungen, die den Heiligen Stuhl veranlaßt haben, diesen Kapiteln nicht zuzustimmen. Das schließt jedoch nicht aus, daß der Heilige Stuhl das Konzept der „Reproduktionsgesundheit” als ein ganzheitliches Konzept zur Gesundheitsförderung von Männern und Frauen, befürwortet und sich gemeinsam mit anderen weiterhin für die Entwicklung einer präziseren Definition dieses und anderer Begriffe einsetzen wird. Es ist somit die Absicht meiner Delegation, dem Konsens nur dort zuzustimmen, wo er mit unserer Position vereinbar ist, ohne das Einvernehmen anderer Nationen zu behindern, aber auch ohne den eigenen Standpunkt im Hinblick auf einige Abschnitte zu verraten.Nichts, das der Heilige Stuhl während dieses „Konsensprozesses” getan hat, sollte als Billigung von Auffassungen angesehen oder interpretiert werden, die er aus moralischen Gründen nicht unterstützen kann. Insbesondere darf nichts so verstanden werden, als akzeptiere der Heilige Stuhl die Abtreibung oder habe irgendwie seine moralische Position bezüglich Abtreibung, empfängnisverhütender Mittel und Sterilisierung oder des Gebrauchs von Kondomen im Rahmen von HIV/AIDS-Vorbeugungsprogrammen verändert. Herr Präsident, ich bitte Sie, den Text dieser Erklärung und die anschließende Zusatznote mit unseren Vorbehalten in den Konferenzbericht einzufiigen. Vorbehalte des Hl. Stuhls - Billigung verschiedener Punkte des Schlußdokuments - Position zum Aktionsprogramm der Konferenz in Kairo Der Heilige Stuhl, seiner Eigenart und besonderen Aufgabe entsprechend, möchte durch seine Billigung verschiedener Punkte des Schlußdokuments der Internationalen Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo vom 5. bis 13. September 1994 seine Position zum Aktionsprogramm der Konferenz ausdrücken. 1. Der Heilige Stuhl sieht Begriffe wie „sexuelle Gesundheit” und „sexuelle Rechte”, „Reproduktionsgesundheit” und „Reproduktionsrechte” in bezug zu einem ganzheitlichen Verständnis von Gesundheit; jeder dieser Begriffe umfaßt auf seine Weise den Menschen in der Ganzheit seiner Personhaftigkeit, des Geistes und des Körpers, und fördert die Erlangung persönlicher Reife im Umgang mit der Sexualität und jener gegenseitigen Liebe und Entscheidungsweise, die die eheliche Beziehung im Einklang mit moralischen Normen kennzeichnen. Der Heilige Stuhl erachtet we- 1292 ANHANG der die Abtreibung noch die Ermöglichung der Abtreibung als eine Dimension dieser Begriffe. 2. Hinsichtlich der Begriffe „Empfängnisverhütung”, „Familienplanung”, „sexuelle und reproduktive Gesundheit”, „sexuelle und reproduktive Rechte” und „die Fähigkeit der Frau, ihre Fruchtbarkeit zu kontrollieren”, „die größtmögliche Verbreitung von Familienplanungsdiensten” sowie jedes anderen Begriffs für Familienplanungsdienste und für Konzepte zur Regulierung der Fruchtbarkeit, die im Dokument enthalten sind, sollte die Zustimmung des Heiligen Stuhls in keiner Weise als eine Änderung seiner wohlbekannten Haltung gegenüber jenen Methoden zur Familienplanung interpretiert werden, die die Kathoüsche Kirche als moralisch unvertretbar erachtet, oder bezüglich jener Familienplanungsdienste, die nicht die Freiheit der Ehegatten, die menschliche Würde und die Menschenrechte aller Beteiligten achtet. 3. Bezüglich aller internationalen Abkommen meldet der Heilige Stuhl seine Vorbehalte gegen diesbezügüche Positionen an, insbesondere gegen einige in dem Aktionsprogramm erwähnte Abkommen, je nach dem, ob er den einzelnen Abkommen zugestimmt hat oder nicht. 4. Auch bezüglich der Begriffe „Paare und einzelne” hält der Heilige Stuhl an seiner Stellungnahme fest, daß mit diesen Begriffen Ehepaare und der einzelne Mann und die einzelne Frau gemeint sind, die das Paar bilden. Das Dokument ist besonders im Gebrauch dieser Begriffe von einer individualistischen Auffassung der Sexualität gekennzeichnet, die der gegenseitigen Liebe und Entscheidungsweise, die die eheliche Beziehung kennzeichnen, nicht die angemessene Aufmerksamkeit widmet. 5. Der Heilige Stuhl interpretiert Kapitel V. im Licht des 9. Grundsatzes, d. h. im Hinblick auf die Pflicht, die Familie, die grundlegende Einheit der Gesellschaft, zu festigen und bezügüch der Ehe als einer auf Gleichwertigkeit beruhenden Partnerschaft zwischen Mann und Frau. 6. Der Heilige Stuhl hat allgemeine Vorbehalte gegenüber den Kapiteln VII., VIII., XI., XB„ XIII., XIV., XV. und XVI. Dieser Vorbehalt muß im Hinblick auf jene Erklärung der Delegation interpretiert werden, die während der Plenarversammlung der Konferenz am 13. September 1994 gemacht wurde. Wir bitten darum, diesen allgemeinen Vorbehalt in jedem der obengenannten Kapitel zu vermerken. 1293 ANHANG Menschenrechte und Würde der Frau Erklärung der Delegation des Hl. Stuhls bei dem Vorbereitenden Regionalen Treffen auf hoher Ebene für die 4. Weltkonferenz über die Frauen in Wien vom 17. bis 21. Oktober Frau Präsidentin! l.Ich möchte damit beginnen, die Dankbarkeit meiner Delegation gegenüber der österreichischen Regierung auszusprechen für die Gastfreundschaft, die sie dieser Tagung gewährt zur Vorbereitung der 4. Weltkonferenz über die Frau, die 1995 in Beijing stattfinden soll. Zugleich sprechen wir allen unsere Wertschätzung aus, die bei der Vorbereitung dieses Treffens mitgewirkt haben. Der Hl. Stuhl hat in seinem Beobachter-Status an allen regionalen Vorbereitungstreffen aktiv teilgenommen und ist sich der Unterschiedlichkeit wohl bewußt, die in verschiedenen geographischen Gebieten hinsichtlich der Verhältnisse besteht, in denen die Frauen leben und arbeiten, und der Art, wie ihre Würde und Rechte verstanden und geachtet werden. 2. Eine klare und vorurteilslose Anerkennung von Seiten der internationalen Gemeinschaft, daß die Menschenrechte der Frau ein unveräußerlicher, integraler und unaufspaltbarer Teil der universalen Menschenrechte sind, ist als Grundlage für den Fortschritt im Rahmen der von den Vereinten Nationen geplanten Konferenz über die Frauen notwendig. Viel muß noch geschehen, um sicherzustellen, daß dieses grandlegende Prinzip juridisch und praktisch anerkannt, gewahrt und angewendet wird. Erst dann wird es für die internationale Gemeinschaft möglich sein, wirksam an die Aufgabe heranzugehen, alle Formen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auszumerzen und die volle und gleichwertige Beteiligung der Frau am politischen, bürgerlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben auf allen Ebenen zu fördern. Der Hl. Stuhl wünscht eine weitgespannte und erleuchtete Aufmerksamkeit für die hier geforderten Grundsätze, damit diese Bemühungen um die Frauen und ihre gleichwertige Behandlung in der Gesellschaft ihnen wirklich Vorteil bringen und nicht nur eine weitere Form des ideologischen und kulturellen Aufeinandertreffens von Gedanken oder Interessen werden. 3. Europa erlebt eine Zeit des Übergangs und des Wandels. Während gewaltige Schwierigkeiten und Aufgaben vor ihm liegen, bleibt doch noch viel Raum für einen positiven Ausblick auf den Weg, den dieser Kontinent in den nächsten Jahrzehnten einschlagen wird. Es wäre bitteres Unrecht, ja eine Beleidigung, wenn der äußerst notwendige und wertvolle Beitrag der Frau für seine bessere Zukunft nicht anerkannt und entsprechend geschätzt würde. Die katholische Kirche ist seit zweitausend Jahren in Europa präsent und hat in jeder Epoche den lebenswichtigen Einfluß der Frauen auf die Vermenschlichung der Gesellschaft erfahren. Meine Delegation möchte daher die Hoffnung aussprechen, daß die zahlreichen positiven Elemente in 1294 ANHANG dem Entwurf des regionalen Aktionsplans tatsächlich dazu beitragen werden, der kommenden Weltkonferenz über die Frauen einen wirksamen Antrieb zu geben, nicht nur hinsichtlich der Förderung der Würde und Rechte der Frau, sondern auch hinsichtlich der Sicherstellung ihres wirklichen Anteils am Entwicklungsprozeß. 4. Ich ergreife diese Gelegenheit, um einige Aspekte der Auffassung zu betonen, die der Hl. Stuhl von der gleichen Würde und den gleichen Rechten von Mann und Frau hat. Wir sehen diese Gleichheit im Ursprung der menschlichen Person in der Schöpfungsordnung begründet; das heißt, sie liegen jeder Theorie, jedem Konsens und jeder Erklärung ihrer Bedeutung voraus. Wir sehen diese Gleichheit im Zusammenhang einer echten gegenseitigen Ergänzung der beiden Geschlechter und nicht als vollkommene Einförmigkeit oder als unterschiedslose Einebnung der wirklichen Verschiedenheiten. Wir sind uns tatsächlich des „Rechtes von Mann und Frau, verschieden zu sein”, bewußt. Deshalb, und fast als paradox, sehen wir die Notwendigkeit, das „Recht der Frau, eine Frau zu sein”, zu betonen. Wir sehen ferner in diesem Recht die eigentliche Grundlage für die Würde der Frauen und für ihren höchst radikalen und wichtigen Beitrag zu echter Entwicklung in all ihren Formen. Wir sind überzeugt, daß diese Anerkennung der Einheit in der Verschiedenheit eine Quelle der Bereicherung für die menschliche Entwicklung ist und die Frau von einem blinden Wettlauf nach Selbstverwirklichung befreit, wenn diese in Schlagworten und Stilformen gesehen wird, die aus einer vorwiegend männlichen Gesellschaft stammen. Dieser Weg des Zugangs zur Gleichheitsfrage behindert in keiner Weise die größere Rolle, die Frauen spielen sollten; er ermöglicht es ihnen vielmehr, ihre eigenen spezifischen Qualitäten und Verdienste zu bekräftigen. Diese Form, die Frage der Rechte der Frau aufzugreifen, achtet mehr auf Gegenseitigkeit, auf den sich ergänzenden Charakter und die Zusammenarbeit zwischen Mann und Frau sowohl in der Familie als auch bei jeder weiteren Tätigkeit im Dienst des Aufbaus einer menschlicheren Welt, und sie bringt daher eine echte „Befreiung” der Frau von der Vorherrschaft von Modellen der sozialen Struktur und Verhaltensweisen mit sich, die allzuoft von den früheren „Privilegien” des Mannes geprägt sind. 5. Das Internationale Jahr der Familie hat den Rahmen für ein weitgespanntes und fruchtbares Nachdenken über diese Grundzelle der Gesellschaft geboten. Eine „Befreiung” der Frau, die darin bestände, Familienleben und Mutterschaft als erniedrigende Last, als Behinderung und Wagnis zu sehen, wäre eine deutlich falsche Befreiung, weil sie weder die Frau achtet noch zu einer echt menschlichen Entwicklung führt, denn jedes menschliche Wesen hat ein angeborenes Recht, zu einer Liebes- und Lebensgemeinschaft zu gehören als unersetzliche Voraussetzung für sein oder ihr menschliches Wachstum. Diese Gemeinschaft aber ist die Familie, die auf der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gründet, einer Gemeinschaft, die keine andere Institution gleichwertig ersetzen kann. Bei der Förderung gleicher Rechte zwischen Frauen und Männern muß daher die spezifische Rolle der Frau in der Mutterschaft berücksichtigt werden. Ihre Mutterschaft ist zu schützen, wenn die 1295 ANHANG Rechte der Frau eine Wirklichkeit sein sollen. Der Mutterschaft dagegen einschränkende Grenzen auferlegen bedeutet, vielen Frauen die Erfüllung ihrer selbst als Personen zu verweigern. Die Familie spielt eine grundlegende Rolle bei der Weitergabe des Erbes an sozialen, rehgiösen und kulturellen Werten, welche die Identität eines Volkes ausmachen und daher für das Selbstbewußtsein und die Selbstverwirklichung jedes einzelnen eine so bedeutsame Rolle spielen. Heute ist die Weitergabe dieses Erbes schwierig geworden durch das Auseinanderbrechen der Familien infolge von Wanderungen aus wirtschaftlichen Gründen, durch die wachsende Zahl der Flüchtlinge infolge von Konflikten und die innere Schwächung des Familienlebens infolge von neuem Druck in konsumorientierten und medienbeherrschten Gesellschaften. Wir sehen alle, daß es die Frauen und Kinder sind, welche in diesen Situationen die größte Last zu tragen haben. Der Hl. Stuhl regt daher an zu gesetzgeberischen Maßnahmen, die darauf hinzielen, das Familienleben als beste Quelle für die Festigkeit und das Wohlergehen einer Gesellschaft und als notwendige Vorbedingung zum Schutz der Rechte der Frau zu schützen, zu erleichtern und zu fördern. 6. Was Arbeit und Wirtschaft angeht, so setzt sich der Hl. Stuhl für eine wirkliche Gleichheit der Chancen für Frauen ein durch die Anwendung von Gesetzen, die geeignet sind, ungerechte Diskriminierungen zu überwinden, und ebenso fähig, lange eingewurzelte Haltungen zu ändern, die den Beitrag der Frau in seinem wahren Wert nicht richtig einschätzen, zumal was die Arbeit im eigenen Haus, die Arbeit in der Landwirtschaft und die nicht geplante Wirtschaft angeht. Zusammen mit den Männern sind die Frauen Subjekte und Objekte des gesamten sozioökonomischen Lebens. Sie haben daher auch das entsprechende Recht, dort vertreten zu sein, wo Entscheidungen über das wirtschaftliche und soziale Leben getroffen werden. 7. Ferner möchte meine Delegation mit nicht weniger Nachdruck die wirklich große Besorgnis, des Hl. Stuhls aussprechen, was die wachsende Gewaltanwendung gegen Frauen angeht. In Europa waren wir noch vor kurzem Zeugen von schrecklichen Verbrechen gegen Frauen und junge Mädchen im Namen einer verabscheuungswürdigen Ideologie völkischer Reinheit und Überlegenheit. Es scheint, daß die Gewaltanwendung gegen Frauen, Erwachsene und Kinder, sogar innerhalb der Wohnung, in alarmierendem Maße ansteigen. Pornographie, die der erklärten Gleichheit von Männern und Frauen radikal und direkt entgegengesetzt ist, wird gestattet oder mindestens weithin geduldet. Ferner verwenden gewisse Werbeformen Frauen in einer Weise, die weit entfernt ist von der Achtung vor ihrer Würde. Der Hl. Stuhl ist der Auffassung, daß die Regierungen und die internationale Gemeinschaft sich ernsthaft dafür verantwortlich fühlen müßten, wirksame Maßnahmen gegen diese sich ausbreitende Welle der Gewalt zu ergreifen, die sich ja gerade gegen die Frau als Frau richtet. 8. Endlich lesen wir im Matthäusevangelium: „In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt” 1296 ANHANG (4,4). Dieser Vers erinnert uns daran, daß es Werte gibt, die nicht bloß materiellen, sondern geistlichen und transzendenten Charakter besitzen und ohne den die Menschen den Sinn ihres Lebens nicht voll verstehen oder erreichen können. Zumal die Frauen, enger verbunden mit dem Geheimnis, Leben zu schenken und zu nähren, sind im allgemeinen auch für diese Werte aufgeschlossener - auch für die religiösen Werte, die eine so bedeutsame Rolle spielen, wenn es darum geht, einzelne und Gruppen zu motivieren, sich klar bewußt und hochherzig dem Dienst am Gemeinwohl zu widmen und so die Solidarität und den Kampf gegen alle Formen der Armut zu unterstützen. Der Hl. Stuhl wartet sehr darauf, daß der wirklichen Gewissensund Religionsfreiheit für alle Frauen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. 9. Der Hl. Stuhl hofft, daß die 4. Weltkonferenz über die Frauen wirksam zum echten Fortschritt der Rechte der Frauen beiträgt. Die katholische Kirche wird sich ihrerseits weiterhin überall für die Förderung der Frauen einsetzen, zumal durch die Gewissensbildung von Männern und Frauen in bezug auf die unveräußerliche gottgegebene Würde eines jeden Menschen. Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin. Botschaft der Bischofssynode an das Volk Gottes Die bei der vierundzwanzigsten Generalkongregation am 27. Oktober Vormittag von den Synodenvätern gebilligte „Botschaft der Bischofssynode” wurde am 28. Oktober im Rahmen einer Pressekonferenz der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Nachstehend der volle Wortlaut in der deutschen Fassung: EIN WORT DER FREUDE UND DES DANKES 1. Zum Abschluß der Synode wenden wir Synodenväter, zusammen mit den Vertretern des gottgeweihten Lebens und in Verbundenheit mit dem Nachfolger des heiligen Petrus, uns voll Freude an Euch, das gesamte Volk Gottes, und an alle Menschen guten Willens, um Euch die frohe Botschaft des gottgeweihten Lebens nach den evangelischen Räten zu bezeugen. Wir freuen uns über die Anwesenheit von Vertretern und Vertreterinnen des gottgeweihten Lebens aus nichtkatholischen christlichen Kirchen. In besonderer Weise wenden wir uns an mehr als eine Million Frauen und Männer, die zur großen Familie gottgeweihter Menschen und der Gesellschaften des apostolischen Lebens gehören. Einen Monat lang haben wir den Heiligen Geist um seine Erleuchtung angefleht, wir haben gebetet, nachgedacht und miteinander gesprochen über den Plan Gottes für das gottgeweihte Leben und seine Sendung in der Kirche und in der Welt von heute. Wir haben Eure Freuden und Hoffnungen, Eure Sorgen und Nöte zur Kenntnis genommen und nach Wegen gesucht, wie wir Euch helfen können. Wir haben dem Heiligen Vater einige Vorschläge überreicht. Vor allem danken wir Gott für das große Geschenk des gottgeweihten Lebens in der Kirche. Wir danken allen Mitgliedern dieser Institute für das Zeugnis ihres Lebens 1297 ANHANG nach den evangelischen Räten. Wir richten einen herzlichen Gruß an alle, die dem Herrn im kontemplativen Leben nachfolgen, das wir überaus schätzen. Unser Gruß gilt ebenso allen, die in verschiedenen Formen des aktiven Lebens ein Leben in der Nachfolge des Herrn führen. Ein besonderes Wort des Dankes richten wir an die gottgeweihten Frauen. Durch Euer ganz auf Christus ausgerichtetes Sein und durch Euer Leben der Anbetung und der Fürbitte für die Welt bringt Ihr die Heiligkeit der Kirche zum Leuchten. Euer Dienst an Kirche und Gesellschaft im Bereich der Pastoral, der Erziehung, der Sorge um die Kranken, Armen und Verlassenen offenbart der Welt das mütterliche Antlitz der Kirche. Die Ordensfrauen müssen mehr zu den Beratungen und zur Erarbeitung von Entscheidungen in der Kirche hinzugezogen werden in den Situationen, die dies erfordern. Ihre aktive Teilnahme an der Synode hat die Überlegungen über das gottgeweihte Leben sehr bereichert, besonders jene über die Würde der gottgeweihten Frau und ihre Mitarbeit an der Sendung der Kirche. Ein Wort herzlicher Verbundenheit gilt den alten und kranken Mitgliedern der Institute des gottgeweihten Lebens. Viele von Euch haben Jahrzehnte lang alle Kräfte eingesetzt; wenn Ihr jetzt die Last des Alters und des Leidens spürt, übt Ihr auf diese Weise weiterhin ein wertvolles Apostolat aus. Wir danken den Mitgliedern, die in ihren „besten Jahren” die Last der Arbeit tragen. Viele von Euch müssen mit weniger Kräften ein größeres Pensum an Arbeit verrichten als früher. Laßt Euch nicht von der Arbeit erdrücken, und vergeßt nicht, daß alles menschliche Tun im Gebet und in der innigen Verbindung mit dem Herrn seine Quelle haben muß. Wir richten ein Wort des Dankes an die jungen Menschen, die durch die Begegnung mit Christus den Mut gefunden haben, sich inmitten aller Unsicherheit unserer Zeit für den Weg der evangelischen Räte zu entscheiden. Wir wünschen Euch Mut und Ausdauer, auch in Stunden der Mutlosigkeit und des Zweifels. Ein ganz besonders herzliches Wort des Dankes richten wir an die Schwestern und Brüder des gottgeweihten Lebens, die - gestern und heute - in der Verfolgung um des Glaubens willen ihrer Berufung treu geblieben sind. Mit Bewunderung gedenken wir der Schwestern und Brüder, die für das Reich Gottes ihr Blut vergossen haben. VIELFALT DER FORMEN DES GOTTGEWEIHTEN LEBENS 2. Während der Synode konnten wir das gottgeweihte Leben als einen sehr kostbaren Ausdruck der geistlichen Lebendigkeit der Kirche betrachten. Es besteht aus einer wunderbaren und anziehenden Vielfalt, aus großmütiger Befähigung zu tausend guten Werken, aus einer übernatürlichen Schönheit, weil es durch die Gaben des Heiligen Geistes reichlich beschenkt worden ist. Durch diese Vielfalt des gottgeweihten Lebens erscheint die Kirche geschmückt wie eine Braut für ihren Mann und tut sich die vielgestaltige Weisheit Gottes kund. 1298 ANHANG Bei den Diskussionen der Synode wurde eine wichtige Unterscheidung betont: die Unterscheidung zwischen dem gottgeweihten Leben als solchem in seiner theologischen Dimension und den institutioneilen Formen, die es im Laufe der Jahrhunderte angenommen hat. Das gottgeweihte Leben als solches hat Bestand; es kann niemals in der Kirche fehlen. Die institutionellen Formen hingegen können vergehen; keiner von ihnen ist dauernder Bestand zugesichert. Durch die Jahrhunderte gab es - und gibt es auch heute noch - eine Vielfalt von Orden, Kongregationen, Instituten, Gruppen von neuen Formen des gottgeweihten Lebens, alle mit unterschiedlichen Charakterzügen. Wollte man die weiblichen, und männlichen Gemeinschaften aufzählen, könnte man einige Tausend anführen. Jedes Institut hat einen eigenen Lebensstil und seine apostolische Eigenart. Sie reichen von der Wüste bis zur Stadt, von der Zurückgezogenheit und Klausur für die Kontemplation bis zu den Formen des Apostolates, von der Flucht aus der Welt bis zur Durchdringung ihrer Kulturen, von der hörenden Stille bis zur Mitgestaltung in den Massenmedien, von der Beständigkeit im Kloster bis zur Beweglichkeit der Mission. Wenn die Kirche „Sakrament” des Heiles ist, so heißt das, daß die verschiedenen Formen des gottgeweihten Lebens in konkreter und sichtbarer Weise den unergründlichen Reichtum ihrer Sakramentalität darstellen. Auf diese Weise offenbaren sie den Gläubigen und der Welt, daß das Herz Christi allen Nöten des Menschen nahe ist. Jede Form des gottgeweihten Lebens ist ein sichtbares „Zeichen”, das den Menschen das Geheimnis des Heiles vermittelt. Lernen wir, die verschiedenen Formen des gottgeweihten Lebens so zu sehen, daß wir in jeder einzelnen die Sakramentalität der Kirche wahmehmen! In der Tat drückt jede einen besonderen Aspekt der erlösenden Liebe deutlicher aus als eine andere. DIE UNERSETZLICHE ROLLE DES GOTTGEWEIHTEN LEBENS IN DER KIRCHE 3. Die Kirche ist in dieser Welt ein Zeichen der Hoffnung und Gemeinschaft unter allen ihren Gliedern. Jeder Getaufte ist berufen, dem gekreuzigten und auferstandenen Christus zu folgen und in der Kraft des Heiligen Geistes die Familie der Söhne und Töchter Gottes zu bilden: die Kirche. In dieser Kirche-Communio werden die Gaben und Charismen des Geistes für alle fruchtbar. Damit die Kirche ein sprechendes Zeichen der siegreichen Gnade ist, hat Jesus einige Menschen in seine engere Nachfolge berufen. Sie möchten die Geheimnisse des Erlösers tiefer erfahren und immer mehr dem Meister ähnlich werden. Damit werden sie für ihre Schwestern und Brüder ein Impuls und eine Hilfe, dem gekreuzigten Christus zu folgen. Diejenigen, die das gottgeweihte Leben ergreifen, versuchen einem persönlichen Ruf des ewigen Vaters zu antworten. Sie werden von Jesus angezogen und wollen mit Hilfe der Gelübde oder anderer heiliger Bindungen enger mit ihm zusammen leben. Durch die Jungfräulichkeit und den Zölibat, den sie in uneigennütziger Liebe 1299 ANHANG leben, offenbaren sie, daß Christus, den sie über alles lieben, der ewige Bräutigam der Kirche und deswegen Ziel und Sinn aller Affekte und aller wahren Liebe ist. Durch die freiwillig gewählte Armut bezeugen sie nicht nur eine liebende Solidarität mit den Armen und Entrechteten; sie verkünden damit insbesondere die Absolutheit Gottes, der ihr einziger Reichtum ist. Durch den Gehorsam bezeugen sie, daß sie von Jesus Christus ergriffen sind und sich mit ihrer ganzen Existenz dem Wachstum des Reiches Gottes widmen. So laden sie ihre Schwestern und Brüder ein, durch den Dienst und die Liebe an jener Freiheit teilzunehmen, die der auferstandene Herr uns schenkt. So verkünden sie zunächst für ihre eigenen Schwestern und Brüder im Glauben, dann auch für die gesamte Welt, daß durch das Kreuz und die Auferstehung Christi schon eine neue Ordnung der Gnade aufgerichtet worden ist. Durch ihr Leben der Ganzhingabe an Gott - und durch Gott an alle Geschöpfe - bestärken sie die Kirche in der Gewißheit der künftigen Glückseligkeit. Zugleich sind sie für die Welt, die durch so viele falsche Verheißungen versklavt ist, ein Zeichen des Reiches Christi, das Liebe und Frieden, Vergebung und Freude ist. Der Weg, diese Freude in den Seligkeiten und in der Gewißheit der Auferstehung zu leben, ist das Kreuz Jesu Christi. Diese tiefe Zuneigung und universale Liebe, die die Gottgeweihten der Kirche schulden, müssen ihren Ausdruck finden in einem konkreten Vollzug des „sentire cum Ecclesiae”, in enger Einheit mit dem Stellvertreter Christi und mit allen Nachfolgern des Apostelkollegiums, die in Einheit mit dem Papst in der Liebe die einzelnen Teilkirchen leiten. WEIHE UND SENDUNG 4. Jesus Christus ist der erste Geweihte und Gesandte. Jeder Christ ist in der Taufe und in der Firmung von Gott geweiht und zu einem Tempel des Heiligen Geistes gestaltet geworden. Durch die Profeß auf die evangelischen Räte wird diese in Taufe und Firmung grundgelegte Weihe in einer besonderen Weise bekräftigt. Sie ist eine tiefere Teilnahme am Paschamysterium Christi, an seinem heilbringenden Leiden und Sterben und an seiner Auferstehung. Der Gottgeweihte empfängt die Gnade der Einheit, so daß Weihe und Sendung nicht zwei beziehungslos nebeneinander stehende Moment seines Lebens sind; vielmehr durchdringen sie sich gegenseitig. Er empfängt die Weihe für die Sendung in der Kirche, dem Charisma eines jeden Instituts entsprechend. Die vitale Einheit von Weihe und Sendung wird genährt und geschützt durch das aufmerksame Hinhorchen auf das Wort Gottes, durch ein intensives sakramentales Leben; das im häufigen Empfang des Sakramentes der Versöhnung in der Kirche dem Erbarmen Gottes begegnet und in der Feier der Eucharistie gipfelt, durch eine würdige Feier des kirchlichen Stundengebets, durch persönliches Gebet, durch eine 1300 ANHANG marianische Frömmigkeit und durch die verschiedenen Formen der Volksfrömmigkeit. Das Zeugnis eines solchen gottgeweihten Lebens ist das erste und wichtigste Apostolat, das alle Gottgeweihten ihren Schwestern und Brüdern schulden. DAS CHARISMA UND SEINE EINORDNUNG IN DIE TEILKIRCHE 5. Das Charisma, ein Institut des gottgeweihten Lebens zu gründen, ist eine Gabe, die Gott einem Gründer oder einer Gründerin gibt für das Wachstum der Heihgkeit in der Kirche und um sie zu rüsten für ihre Sendung, auf die Herausforderungen aller Zeiten zu antworten. In jedem Institut wird ein besonderer Weg sichtbar, Christus mit ganzer Hochherzigkeit nachzufolgen. Die Verschiedenheit von Charismen unter gottgeweihten Personen und Gruppen in der Kirche ist deshalb ein Zeichen von Gottes unendlicher Liebe und ein Grund zur Freude für die Kirche. Die Erneuerung der Institute des gottgeweihten Lebens beginnt unter dem Beistand der Gnade Gottes mit der Überprüfung ihres Lebens und ihrer Werke, die sie heute ausüben, im Licht ihres eigenen Charismas. Das Charisma darf keine Quelle für Spannungen zwischen der Hierarchie und den Personen des gottgeweihten Lebens sein. Zu den Schwierigkeiten, die wir in brüderlicher Gesinnung geprüft haben, gehört unter anderen die notwendige Einordnung der Gemeinschaften und Personen des gottgeweihten Lebens in die Teilkirche. Die Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils hat die Bedeutung der Teilkirchen hervorgehoben, in denen die universale Kirche subsistiert und konkret wird. Alle Gottgeweihten leben in einer Teilkirche. Wir Synodenväter haben klar erkannt, daß es einer Anstrengung bedarf, damit alle Glieder der Teilkirchen anerkennen und schätzen, was die Präsenz des gottgeweihten Lebens in ihrer Mitte, um den Bischof geschart, bedeutet. DIE PROPHETISCHE DIMENSION DER GOTTGEWEIHTEN 6. In der zeitgenössischen Kultur gibt es neben den bewundernswerten Fortschritten der Wissenschaft und der Technik sowie den großen Errungenschaften zugunsten der menschlichen Würde und der Menschenrechte, der Ausübung der Freiheit, der Gleichheit und der gerechten Autonomie auch beklagenswerte Exzesse, die eine schmerzliche Rückkehr zur Roheit und Zügellosigkeit darzustellen scheinen. Die Frauen und Männer, die sich entschieden haben, dem armen, keuschen und gehorsamen Christus näher zu folgen, sind mit und in der Kirche die prophetische Antwort, die vor den anderen Menschen, ihren Schwestern und Brüdern, die unbekannten oder von der Welt abgelehnten evangelischen Werte bezeugt. 1301 ANHANG Die in Eurem Leben inkarnierte Prophetie, Hebe Schwestern und Brüder, macht aus Eurer Weihe den besten Weg zur Inkulturation des Evangeliums, denn sie ist nicht nur eine Grundlage für die Glaubwürdigkeit der Botschaft, die durch Euer Leben bekräftigt wird, sondern ein Aufweis Eurer unübertrefflichen Attraktivität und der Möglichkeit, ihr einen bevorzugten und zentralen Platz im Leben zu geben. Euer Vorbild gibt den heutigen Menschen eine größere Sicherheit über die bleibende Gültigkeit der Werte, die Christus verkündet hat und die durch die Gottgeweihten im Alltag gelebt werden. Der Reichtum und die Verschiedenheit der Kulturen, die Ihr in das gottgeweihte Leben einbringt, befähigt Euch, das Evangelium zu all denen zu tragen, die es nicht kennen. Ihr helft den Schwestern und Brüdern, in ihren eigenen Kulturen den Samen des WORTES zu entdecken, die Leere mit den noch unbekannten oder nicht angenommenen christlichen Werten zu füllen. Ihr helft ihnen, die allgemeinen Denk- und Verhaltensweisen, die mit dem geoffenbarten Glauben nicht in Einklang stehen, zu korrigieren und zu verbessern. Ihr helft ihnen, den Dialog und die Verkündigung der Botschaft mit Zeichen und mit einer Sprache zu bereichern, die der zeitgenössische Mensch versteht, auch wenn sie eine Herausforderung der Offenbarung an die menschliche Vernunft und an das individuelle und kollektive Leben der Menschen darstellen. Das Leben nach den evangelischen Räten hinterfragt die Kultur der Postmodeme, die sich in einer Krise befindet, und bietet den Männern und Frauen, die Opfer einer Enttäuschung sind, Modelle an, die ihr Leben umgestalten können. Dieses Zeugnis lädt die Menschen ein, ihre Existenz, die durch die Sünde verfinstert worden ist, wieder nach dem Ebenbild Gottes zu gestalten. Während der Synodalversammlungen ist eine berechtigte Sorge um die Armut offenkundig geworden, und das evangelische Verlangen nach der vorrangigen Option für die Armen ist wiederholt vorgetragen worden. Das gottgeweihte Leben ist in sich eine radikale Entscheidung für den armen Christus. Das Sein des Gottgeweihten, verbindet sich liebevoll in Christus mit all jenen, die nichts haben, mit all jenen, die leiden. Die prophetische Botschaft der Armut erschöpft sich nicht darin, die Armut und die Ungerechtigkeit anzuprangem. Vielmehr verkündet die Armut des Gottgeweihten die unergründlichen Reichtümer Christi. Der Verzicht auf Besitz, Macht und familiäre Beziehungen ist für die Gottgeweihten eine existentielle Einladung, das Reich Gottes zu festigen und es auszubreiten. Es steht nicht in der freien Entscheidung des Gottgeweihten, Missionar zu sein; vielmehr ist die missionarische Dimension ein Imperativ, der aus der Gleichgestaltung mit Christus erwächst. Der Gehorsam dem Vater gegenüber führt die Gottgeweihten zur Einheit mit Christus, der zur Erlösung der Welt gesandt ist. Sie verbinden sich mit ihm, um allen das Zeugnis der Liebe zu geben. Manchmal wird das Charisma ihres Institutes sie über die Grenzen ihrer Heimat und Verwandtschaft 1302 ANHANG hinausfiihren, immer aber werden sie angetrieben, mit Gebet und Opfer das apostolische Wirken der Schwestern und Brüder zu begleiten. BOTSCHAFT AN DIE ORDENSLEUTE DER OSTKIRCHEN 7. An Euch, ehrwürdige und gehebte Ordensleute der Ostkirchen, richten wir einen dankbaren Gruß. Ihr verkörpert für uns die Kontinuität des Ordenslebens. Eure mo-nastischen Traditionen haben einen unschätzbaren Wert für die Kirche Christi. Das gemeinsame Erbe des Ordenslebens, das heute noch von den Ostkirchen gewahrt wird, ist in sich ein Zeugnis der schon erreichten Einheit. Die Wüstenväter und die Mönche des Ostens haben die monastische Spiritualität hervorgebracht, die sich dann auf den Westen ausgedehnt hat. Sie wird genährt durch die „lectio divina”, die Liturgie, das ständige Gebet. Sie wird gelebt in der brüderhchen Liebe des gemeinsamen Lebens, in der Bekehrung des Herzens, in der Absage an die Verweltlichung, im Schweigen, im Fasten und in den langen Nachtwachen. Heute noch blüht das Einsiedlerleben im Umkreis der Klöster. Dieses geisthche Erbe hat die Kulturen der Völker geprägt und ist zugleich von ihnen befruchtet worden. Den Ordensfrauen und Ordensmännern der katholischen Ostkirchen drücken wir unsere Anerkennung aus für ihr oft heroisches Zeugnis im Herzen der katholischen Kirche. Wir bitten sie, ihre monastischen Wurzeln zu stärken, indem sie aus den Quellen des Evangeliums und der Heiligen Tradition schöpfen. Wir wünschen, daß die katholischen Ostkirchen die monastische Erfahrung wieder aufgreifen und jene Kräfte aufnehmen und entfalten, die in ihrem Inneren schon am Werk sind. Ihr habt aufmerksam die Nöte Eurer Völker erkannt. Ihr habt in schwierigen Situationen und Konflikten auf verschiedene Weise die Liebe der Kirche bezeugt vor allen, die Euch um Hilfe gebeten haben. Dieser Dienst wird weitergehen, er gründet sich immer mehr in der Suche nach dem Einen, der allein notwendig ist; denn darin besteht der tiefste Sinn des monastischen Lebens. Beginnt und verstärkt mit den Mönchen und Nonnen der orthodoxen Kirchen, denen Ihr durch die gleiche Nachfolge Christi nahesteht, einen herzlichen und aufrichtigen Dialog, damit Ihr einander kennenlemt und Eure Gaben austauscht. EIN BESONDERER EIFER IN DER NEUEVANGELISIERUNG. 8. An der Schwelle des Jahres 2000 ist die gesamte Kirche zu einer Neuevangelisierung aufgerufen. Die Frauen und Männer unserer Zeit, insbesondere die jungen Generationen, müssen die frohe Botschaft der Erlösung, Jesus Christus, kennenlemen. Wir Bischöfe und Synodalen haben klar gesehen, daß das gottgeweihte Leben besonders geeignet ist, einen sehr wichtigen Platz in dieser drängenden Aufgabe der Neuevangelisierung einzunehmen. Die Synode wünscht dringend, daß die Ordensleute sich in ihren Ländern für den ökumenischen Dialog, aber auch für den interreligiösen Dialog interessieren. 1303 ANHANG Durch Eure Lebensform drückt Ihr die Nähe und Güte Gottes aus, die Wahrheit der Hoffnung auf das ewige Leben, die Kraft und die Wirksamkeit der Liebe, die Gott in Eure Herzen gepflanzt hat, um die Macht des Bösen und den Schmerz, der so viele unserer Schwestern und Brüder bedrückt, zu besiegen. Ohne Euer kontemplatives Leben, ohne Eure Armut und Jungfräulichkeit, ohne das Zeugnis Eures frohen und befreienden Gehorsams, ohne das Aufstrahlen Eurer absichtslosen und wirksamen Liebe zu den Bedürftigsten würde die Kirche einen großen Teil ihrer missionarischen Kraft verlieren. Sie wäre weniger fähig, die Güter der Erlösung aufzuzeigen und den Menschen zu helfen, den Gott, der ihnen eine so große Hoffnung schenkt, in ihre Herzen aufzunehmen. IN DER HOFFNUNG 9. Im Blick auf das 3. Jahrtausend wenden wir uns in herzlicher Zuneigung an die jungen Menschen in der Hoffnung, daß sie aus Überzeugung und mit Begeisterung Jesus Christus folgen, besonders im gottgeweihten Leben. Sie sind berufen, den Schatz des Evangeliums in mutigem Einsatz an die kommenden Generationen weiterzugeben. Euch, hebe Jugendliche, die Ihr Träume hebt, legen wir diese unsere Hoffnung als den besten Eurer Träume vor. Der Heilige Geist hört niemals auf, die Kirche durch neue und alte Formen unerschöpflicher Heiligkeit zu führen. Das gottgeweihte Leben ist während der ganzen Kirchengeschichte eine lebendige Gegenwart dieses Wirkens des Heiligen Geistes gewesen. Es war ein bevorzugter Raum der absoluten Liebe zu Gott und zum Nächsten, ein Zeugnis für den götthchen Plan, aus der ganzen Menschheit in der Zivilisation der Liebe die große Familie der Kinder Gottes zu machen. In diesem Internationalen Jahr der Familie setzen wir unsere Hoffnung auf die Aller-sehgste Jungfrau Maria, die erste Jüngerin und Mutter aller Jünger, Vorbild des Starkmuts und der Ausdauer in der Nachfolge Christi bis zum Kreuz. Sie ist das Urbild des gottgeweihten Lebens, denn sie ist die Mutter, die mit lobendem Herzen ihren Herrn aufnimmt, auf ihn horcht, ihn betrachtet und sich bei ihm für uns verwendet. Wir bitten sie für alle Mitglieder der Institute des gottgeweihten Lebens, daß sie als unsere Mutter alle Familien des gottgeweihten Lebens in der Kirche schütze, ermutige und erneuere. 1304 ANHANG Gemeinsame christologische Erklärung der Katholischen Kirche und der Assyrischen Kirche des Ostens vom 11. November Seine Heiligkeit Johannes Paul II., Bischof von Rom und Papst der Katholischen Kirche, und Seine Heiligkeit Mar Dinkha IV. Katholikos und Patriarch der Assyrischen Kirche des Ostens, danken Gott, der sie zu dieser neuen brüderlichen Begegnung inspiriert hat. Beide betrachten diese Begegnung als grundlegenden Schritt auf dem Weg zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zwischen ihren Kirchen. Sie können von nun an in der Tat zusammen vor der Welt ihren gemeinsamen Glauben an das Geheimnis der Menschwerdung bekennen. Als Erben und Wächter des von den Aposteln empfangenen Glaubens, wie er von unseren gemeinsamen Vätern im Nizänischen Glaubensbekenntnis formuliert wurde, bekennen wir den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, vom Vater gezeugt vor aller Zeit, der in der Fülle der Zeit vom Himmel gekommen und um unseres Heiles willen Mensch geworden ist. Das Wort Gottes, die zweite Person der Heiligen Dreifaltigkeit, ist durch die Kraft des Heiligen Geistes Mensch geworden, indem es von der heiligen Jungfrau Maria einen Leib mit einer vernunftbegabten Seele annahm, mit dem es vom Augenblick seiner Empfängnis an unlösbar vereint war. Daher ist unser Herr Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch, vollkommen in bezug auf seine Gottheit und vollkommen in bezug auf seine Menschheit, gleichen Wesens mit dem Vater und gleichen Wesens mit uns in allem - außer der Sünde. Seine Gottheit und seine Menschheit sind in einer Person vereint, ohne Vermischung, ohne Teilung und ohne Trennung. In ihm wurde die Unterschiedlichkeit der göttlichen und menschlichen Natur mit all ihren Eigenschaften, Fähigkeiten und Wirkungsweisen gewahrt. Doch weit davon entfernt, „einer und zugleich ein anderer” zu sein, sind Gottheit und Menschheit in der Person des gleichen und einzigen Sohnes Gottes und Herrn Jesu Christi geeint, der das Ziel einer einzigen Anbetung ist. Christus ist daher kein „gewöhnlicher Mensch”, den Gott adoptiert hat, um in ihm zu wohnen und ihn zu inspirieren, wie er es in den Gerechten und Propheten getan hat. Doch das gleiche Göttliche Wort, von seinem Vater gezeugt vor aller Zeit ohne Anfang in bezug auf seine Gottheit, wurde in der Endzeit in bezug auf seine Menschheit von einer Mutter ohne einen Vater geboren. Die menschliche Natur, die die Jungfrau Maria geboren hat, war immer die des Sohnes Gottes selbst. Dies ist der Grund, warum die Assyrische Kirche des Ostens die Jungfrau Maria verehrt als „Mutter Christi, unseres Gottes und Heilandes”. Im Licht dieses gleichen Glaubens wendet sich die katholische Tradition an die Jungfrau Maria als „die Mutter Gottes” und ebenso als „die Mutter Christi”. Wir erkennen beide die Berechtigung und 1305 ANHANG Richtigkeit dieser Ausdrucksformen des gleichen Glaubens an, und wir achten beide, was die einzelne Kirche jeweils in ihrem liturgischen Leben und in ihrer Frömmigkeit bevorzugt. Dies ist der eine Glaube, den wir im Geheimnis Christi bekennen. Die Kontroversen der Vergangenheit haben zu Bannsprüchen geführt, die sich gegen Personen und Formulierungen richteten. Der Geist des Flerm läßt uns aber heute besser verstehen, daß die auf diese Weise erfolgten Spaltungen größtenteils auf Mißverständnisse zurückzuführen waren. Was immer unsere christologischen Unterschiede gewesen sind, wissen wir uns heute geeint im Bekenntnis des gleichen Glaubens an den Sohn Gottes, der Mensch wurde, damit wir durch seine Gnade Kinder Gottes werden konnten. Wir möchten von nun an gemeinsam diesen Glauben an den Einen bezeugen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, und ihn in entsprechender Weise unseren Zeitgenossen verkünden, damit die Welt an das Evangelium vom Heil glaube. Das Geheimnis der Menschwerdung, das wir gemeinsam bekennen, ist nicht eine abstrakte und isolierte Wahrheit. Es bezieht sich auf den Sohn Gottes, der zu unserer Rettung gesandt wurde. Die Heilsökonomie, die ihren Ursprung im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen Dreifaltigkeit - Vater, Sohn und Heihger Geist - hat, findet ihre Erfüllung mittels der Teilhabe an dieser Gemeinschaft aus Gnade innerhalb der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, die das Volk Gottes, der Leib Christi und der Tempel des Geistes ist. Die Gläubigen werden Glieder dieses Leibes durch das Sakrament der Taufe, wodurch sie mit Wasser und aufgrund des Wirkens des Heiligen Geistes als neue Geschöpfe wiedergeboren werden. Sie werden bezeichnet mit dem Siegel des Heiligen Geistes, der das Sakrament der Salbung spendet. Ihre Gemeinschaft mit Gott und untereinander findet ihren vollen Ausdruck in der Feier des einen Opfers Christi im Sakrament der Eucharistie. Diese Gemeinschaft wird für die sündig gewordenen Mitglieder der Kirche wiederhergestellt, wenn sie mit Gott und untereinander durch das Sakrament der Vergebung versöhnt werden. Das Sakrament der Weihe zum priesterlichen Dienst in der Apostolischen Sukzession verbürgt die Echtheit des Glaubens, der Sakramente und der Gemeinschaft in einer jeden Ortskirche. Aus diesem Glauben und diesen Sakramenten lebend, können sich die Katholischen Ortskirchen und die Assyrischen Ortskirchen infolgedessen einander als Schwesterkirchen anerkennen. Um vollständig und umfassend zu sein, setzt Gemeinschaft die Einmütigkeit in bezug auf den Glaubensinhalt, die Sakramente und die Verfaßtheit der Kirche voraus. Da diese Einmütigkeit, die wir anstreben, noch nicht erreicht ist, können wir leider nicht gemeinsam die Eucharistie feiern, die das Zeichen der bereits voll wiederhergestellten kirchlichen Gemeinschaft ist. Doch erlauben uns die tiefe geistliche Gemeinschaft im Glauben und das gegenseitige Vertrauen, die zwischen unseren Kirchen bereits bestehen, von nun an ein gemeinsames Bezeugen der Botschaft des Evangeliums und die Zusammenarbeit in 1306 ANHANG besonderen pastoralen Situationen, insbesondere einschließlich der Bereiche der Katechese und der Ausbildung künftiger Priester, ins Auge zu fassen. Wir danken Gott, daß er uns neu entdecken ließ, was uns bereits im Glauben und in den Sakramenten eint, und verpflichten uns, alles uns Mögliche zu tun, um jene Hindernisse aus der Vergangenheit zu beseitigen, die das Erreichen der vollen Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen noch verhindern, damit wir besser dem Ruf des Herrn zur Einheit der Seinen entsprechen, einer Einheit, die natürlich auch sichtbar zum Ausdruck kommen muß. Um diese Hindernisse zu überwinden, setzen wir nun eine gemischte Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Katholischen Kirche und der Assyrischen Kirche des Ostens ein. Gegeben bei St. Peter am 11. November 1994 Joannes Paulus PP II + K. Mar Dinkha Eine Kultur der Moral und Legalität entwickeln Stellungnahme vor der von den Vereinten Nationen einberufenen Weltministerkonferenz über das die nationalen Grenzen überschreitende organisierte Verbrechen vom 21. bis 23. November 1994 in Neapel des Vertreters des Hl. Stuhls, Bischof Julian Herranz Casado, Sekretär des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten, am 22. November Herr Präsident! Der Hl. Stuhl dankt den Vereinten Nationen und der italienischen Regierung für die freundliche Einladung zur Teilnahme an dieser Konferenz. Unsere Tagung kann nämlich mit ihren abschließenden Vorschlägen, die der Vollversammlung der Vereinten Nationen vorgelegt werden sollen, in hohem Maße zur Erreichung von zwei Zielen beitragen, die der Hl. Stuhl bereits seit einiger Zeit empfiehlt. Erstens: Der öffentlichen Meinung und den Staaten die Notwendigkeit der „allmählichen Einrichtung einer weltweiten Autorität, die auf juridischer und, politischer Ebene wirksam eingreifen kann”, deutlicher bewußt zu machen. (Paul VI., Ansprache an die Vereinten Nationen, 4. Okt. 1965, AAS 58[1965]880, 3.) Zweitens: Bei der „Emeuerungsfähigkeit der freien Wirtschaft” sich nicht „die Anfälligkeit der Schwachen zunutze zu machen durch verschiedene Formen des Konsumismus” (Johannes Paul II., Centesimus annus, 1. Mai 1991, in: O.R.,dt,, 10.5.1991, 15), wie Drogen, Pornographie usw., der die Würde der menschlichen Person erniedrigt. 1307 ANHANG Nach sorgfältiger Prüfung der erhaltenen vorbereitenden Dokumentation schlägt der Hl. Stuhl daher vor, bei den Entschließungen und Empfehlungen am Ende der Konferenz und in der „Politischen Erklärung und dem globalen Aktionsplan” folgende Punkte zu berücksichtigen: 1) Vor allem scheint es notwendig, klar den Begriff des „die nationalen Grenzen überschreitenden organisierten Verbrechens” zu definieren, um Mißverständnisse seiner Vorgehens weise zu vermeiden. Dieser Begriff sollte wesentlich sein, was die Hauptkennzeichen angeht, und vollständig hinsichtlich der verschiedenen strukturellen Methoden und Zielsetzungen. Nur so läßt sich eine einheitliche Kenntnisnahme durch die Medien und die öffentliche Meinung erreichen und lassen sich Schlupflöcher bei der Entwicklung nationaler Gesetzgebung und internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erforschung, des Vorgehens und der Rechtslage vermeiden. Was die wesentlichen Kennzeichen des Phänomens angeht, scheint die Betonung notwendig daß die verbrecherische Natur nicht nur in der Mißachtung und Verletzung der sozialen Grundsätze politischer und wirtschaftlicher Ordnung besteht, sondern auch und vor allem in der Bedrohung und Verletzung grundlegender moralischer Prinzipien, wie die Würde und die unveräußerlichen Rechte der menschlichen Person. Diese Verletzung hegt klar zu Tage bei Tätigkeiten des die nationalen Grenzen überschreitenden organisierten Verbrechens mit Drogen- oder Waffenhandel, doch hegt eine gleich schwere und verabscheuungswürdige Verletzung bei anderen kriminellen Tätigkeiten vor, wie bei der sexuellen Ausbeutung von Millionen von Frauen und Kindern aus ärmeren Ländern, wenn etwa Personen und Prostitution zur Handelsware werden (vgl. Dokument der Konferenz, E/CONF. 88/2, Nrn. 82-83; Kommission über Verhütung von Verbrechen und Gerechtigkeit für Straffälle; Entschließung. 3/1: Gewaltanwendung gegen Frauen und Kinder. Vergleiche auch Artikel 19 der Konvention über die Rechte von Kindern, 1989). Was das Ausmaß des Phänomens der die nationalen Grenzen überschreitenden kriminellen Tätigkeit angeht, so sollte sie wohl nicht auf die sogenannten „Organisationen des internationalen Verbrechens” beschränkt werden wie die „Mafia” oder die japanisches „Jakuza” und andere ausdrücklich in der vorbereitenden Dokumentation genannte. Es gibt nämlich auch eine internationale kriminelle Tätigkeit, die nicht so sehr durch geheime kriminelle Organisationen arbeitet, sondern vielmehr mit rechtmäßig eingerichteten Organisationen, wie Reiseagenturen reicher Nationen, Gesellschaften für Hilfeleistung und Betreuung usw. Die erklärten Ziele dieser Organisationen erscheinen legal, doch oft dienen sie zugleich als Tarnung für unmoralische Tätigkeiten krimineller Natur. Dazu gehören der „Sextourismus” und der „sexuelle Mißbrauch von Kindern”, die vor zwei Jahren durch den Päpstlichen Rat für die Familie verurteilt wurden (vgl. Dokument der Konferenz E/CONF. 88/2, Nr. 82; Internationales Gipfeltreffen über die sexuelle Ausbeutung von Kindern, organisiert vom Päpstlichen Rat für die Familie, Bangkok, Thailand, 9.-11. Septem- 1308 ANHANG ber 1992, O.R. dt., 6.11.1992, S. 15), der internationale Handel mit Minderjährigen (vgl.: Kommission für Verhütung von Verbrechen und Strafgerechtigkeit, Bericht über die Dritte Sitzung, 26. April bis 6. Mai 1994. Dinge, die der Aufmerksamkeit des wirtschaftlichen und sozialen Rates unterbreitet wurden, Resolution 3/2, Internationaler Handel mit Minderjährige) und der Schwarzmarkt für menschliche Organe. 2) Was die Vorbeugung gegen das, die nationalen Grenzen überschreitende, organisierte Verbrechen angeht, so stimmt der Hl. Stuhl ganz damit überein, daß zunächst Erziehungsprogramme notwendig sind, um „eine Kultur der Moral und Legalität” zu entwickeln. Unglücklicherweise scheint in diesem Punkt der Entwurf der „Politischen Erklärung und des globalen Aktionsplans” einigermaßen unvollständig, im Gegensatz zu der vorbereitenden Dokumentation (Dokument der Konferenz, E/CONF. 88/3, Nr. 8). Die katholische Kirche ist bereits mit Tausenden von Bildungsinstituten in der ganzen Welt in hohem Maße mit dieser moralischen und staatsbürgerlichen Erziehung befaßt, besonders was die Jugend angeht. Dieser Einsatz erscheint besonders in jenen Ländern und Bereichen notwendig, wo Armut und Arbeitslosigkeit ein günstiges Klima schaffen für das Eindringen von kriminellen Organisationen, die leichten und erheblichen Gewinn anbieten. Die katholische Kirche ist sehr wach für diese Arbeit der Evangelisierung und Förderung des Menschen. Dies zeigt sich leider auch in der wachsenden Zahl von Angriffen, deren Opfer Priester geworden sind, die in Gebieten arbeiten, die vom organisierten Verbrechen kontrolliert sind. Der Vorschlag, illegale Güter und Dienste, deren Monopol bei Kriminellen hegt, zum Zweck der Vorbeugung legal zugänglich zu machen, scheint in keinem Fall annehmbar, auch nicht bei Drogen. Ein derartiger legaler Permissivismus wäre in sich unmoralisch, weil er die Würde der menschlichen Person beeinträchtigt und auch gegen das Naturgesetz verstößt. Wie die Erfahrung gezeigt hat, wäre er auch ein schwerer tatsächlicher pragmatischer Irrtum. Während er das Problem einzelner Opfer nicht löst, würde er jene soziale Ordnung aufweichen, die in der Festigkeit der Familien, der öffentlichen Moral und Sicherheit und im Gemeinwohl der ganzen Gesellschaft besteht. Es scheint im Gegenteil sehr notwendig, moralische und gesetzliche Werte in der öffentlichen Meinung, in den Medien und in den öffentlichen Institutionen zu verstärken. Dies wird auf der Grundlage der Prinzipien der allgemeinen Gültigkeit und gesetzlichen Notwendigkeit der Menschenrechte erreicht, die in der Erklärung der Vereinten Nationen verkündet wurden. Diese Rechte übersteigen nämlich alle Kulturen und bieten ein grundlegendes Rahmenwerk ethischer und juridischer Bedürfnisse, die zu zwei Forderungen führen sollten: Erstens: einen sozialen und kulturellen Konsens gegen die Tätigkeiten des organisierten Verbrechens aufzubauen. Zweitens: für verschiedene Formen von Tätigkeiten des organisierten Verbrechens Strafen festzusetzen. 1309 ANHANG 3) Was die Unterdrückung des die nationalen Grenzen überschreitenden organisierten Verbrechens angeht, scheinen die internationalen Methoden der Zusammenarbeit angemessen zu sein, darunter die Abmachungen, die in den Hintergrunddokumenten dieser Konferenz vorgeschlagen sind (ebd., E/CONF. 88/5, 88/6, 88/7 und 88/8. Entwurf der Politischen Erklärung und des globalen Aktionsplans von Neapel, Nm. 19-45). Besonders dringlich erscheint es, in allen Ländern die reale und prozedurale Gesetzgebung gegen Personen zu verbessern, welche diese verschiedenen Verbrechen begehen (gegen physische Personen, aber auch gegen juridische Personen oder Institutionen). Gleichzeitig ist notwendig, die wachsende Ausnutzung der traditionellen Grundsätze nationaler Souveränität und territorialer Jurisdiktion durch das die nationalen Grenzen überschreitende Verbrechen zu verhüten. Diese Grundsätze sind gerecht, aber nicht absolut und ausschließlich. Die Wahrung dieser Grundsätze sollte weise mit der vorrangigen Notwendigkeit koordiniert werden, die internationale Gemeinschaft in die Lage zu versetzen, wirksam die Tätigkeiten dieser die nationalen Grenzen überschreitenden Organisationen zu unterdrücken. Es muß ihnen unbedingt die Möglichkeit genommen werden, aus der Schwachheit von Ländern, in denen das Strafsystem weniger entwickelt oder permissiver ist, Vorteil zu ziehen. Ich möchte schließen. Der Hl. Stuhl billigt die Angemessenheit, den Staaten geeignete Hilfe für die Opfer des organisierten Verbrechens zu empfehlen. Er empfiehlt zugleich, daß die Vereinten Nationen im Rahmen des Möglichen besondere Programme ausarbeiten, um die Opfer solcher Verbrechen zu entschädigen, besonders die Schwächsten unter ihnen: Mindeqährige und Frauen in armen Ländern. Er empfiehlt ferner die Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit und Hilfe für solche Länder, die eine Hauptzielscheibe für die die nationalen Grenzen überschreitenden kriminellen Organisationen geworden sind. Herr Präsident, ich kann Ihnen versichern, daß Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. die Arbeit dieser wichtigen Konferenz und all ihre geschätzten Teilnehmer Gott empfiehlt. Persönlich möchte ich Ihnen für ihre freundliche Aufmerksamkeit danken. 1310 ANHANG Abtreibung darf nicht Bestandteil reproduktiver Gesundheitsfürsorge sein Ansprache zu Punkt 158 der Tagesordnung „Bericht über die Internationale Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung” des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen in New York, Erzbischof Renato R. Marino, vor dem Plenum der 49. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, veröffentlicht am 4. Dezember Herr Präsident! Die Delegation des Hl. Stuhls hat den Bericht über die Internationale Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung zur Kenntnis genommen und nimmt nun gerne diese Gelegenheit wahr, um vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen über dieses Argument zu sprechen und zum Aktionsprogramm Stellung zu nehmen. Bekanntlich sind katholische Organisationen mit zahlreichen Entwicklungsaktionen und humanitären Unterstützungsprogrammen in aller Welt verbunden. Mittelpunkt dieser Initiativen sind die Erziehung und Bildung, ebenso wie die grundlegende Gesundheitspflege ihres wesentlichen Elements, das menschliche Wesen, und dessen ganzheitliche Entwicklung. Daher verfolgt der Hl. Stuhl die im Rahmen dieser Konferenz behandelten Fragen mit großem Interesse. In Übereinstimmung mit seinen eigenen moralischen Grundsätzen und Lehren gab der Hl. Stuhl schließlich eine partielle Zustimmung zu einigen Kapiteln und unterstützte bestimmte Abschnitte des Dokuments. Der Hl. Stuhl nimmt zur Kenntnis, daß die Internationale Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung die Anwendung eines allgemein anerkannten Menschenrechtsstandards für alle Aspekte von Bevölkerungsprogrammen bekräftigt hat. Während grundlegende Menschenrechte ein Gemeingut der Menschheit auf ihrem Weg zum Frieden verkörpern, so muß in diesem Zusammenhang deutlich darauf hingewiesen werden, daß, wenn von Rechten die Rede ist, auch gleichzeitig Pflichten definiert werden müssen. Es ist nicht nur eine Priorität der internationalen Gemeinschaft, sondern auch ihre Pflicht, „auf gerechte und ausgewogene Art und Weise” alle menschlichen Rechte zu fördern und zu schützen. Doch, wie das Aktionsprogramm unterstreicht, schafft „die Internationale Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung keine neuen internationalen Menschenrechte”. Wie aus dem Dokument hervorgeht, trägt die Mehrheit der Grundsätze wesentlich zum Verständnis des gesamten Aktionsprogramms bei. Das Kapitel über die Grundsätze bringt mit größerer Präzision und Klarheit als alle anderen jene grundlegende Einstellung zum Ausdruck, die die Arbeit der Konferenz geprägt hat und auch ihre Durchführung maßgeblich beeinflussen muß. Der Hl. Stuhl begrüßt es, in der Einleitung des zweiten Kapitels, und als ein im gesamten Dokument enthaltenes Konzept, den Hinweis zu finden, daß die Durchführung der im Aktionsprogramm enthaltenen 1311 ANHANG Empfehlungen in jedem Staat „unter voller Achtung der verschiedenen religiösen und ethischen Werte und kulturellen Gegebenheiten der Bevölkerung und in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten internationalen Menschenrechten erfolgen soll”. Diese Punkte wie auch die Vermeidung von Zwang oder Gewalt spielen bei der Durchführung von bevölkerungspolitischen Maßnahmen eine zentrale Rolle. In den ersten vier Grundsätzen werden ausnahmslos verschiedene Aspekte des Menschen behandelt und zwar bevor auf die Rolle des Staates eingegangen wird. Meine Delegation begrüßt, daß das bereits in der Deklaration von Rio enthaltene Konzept von der Bedeutung des Menschen und seiner vorrangigen Stellung in allen mit vertretbarer Entwicklung verbundenen Fragen auch im Aktionsprogramm weiter entwickelt wird. Positiv bewerten wir auch die Verbindung von Bevölkerung und Entwicklung als wesentlichen Diskussionsschwerpunkt und das in den Grundsätzen betonte Recht auf Entwicklung: „Das Recht auf Entwicklung ist ein universales und unveräußerliches Recht und Bestandteil grundlegender Menschenrechte; Mittelpunkt der Entwicklung ist die menschliche Person”. Die Konferenz hebt die Tatsache hervor, daß jede Bevölkerungspolitik im Kontext allgemeiner Entwicklung gesehen werden muß. Doch hatte der Hl. Stuhl auf eine umfassendere Behandlung der Beziehung zwischen Bevölkerung und Entwicklung gehofft, mit entsprechender Aufmerksamkeit für spezielle Entwicklungsstrategien, für die die Industrienationen sich stärker engagieren und gewisse Prioritäten setzen würden. Das hätte zur Erörterung von Fragen wie Technologietransfer, Fortschritte im medizinischen Bereich, die Senkung der Auslandsverschuldung und die Entwicklung neuer Märkte für Entwicklungsländer geführt. Der Hl. Stuhl betont seine Unterstützung für jenen Teil des Dokuments, der sich mit Maßnahmen zur Familienförderung beschäftigt. Die Familie ist zweifellos die Grundzelle der Gesellschaft, und als solche hat sie ein Anrecht auf umfassenden Schutz und Unterstützung durch die Regierang. Die Familie ist das heilige Erbe der Menschheit und die Zukunft des menschlichen Geschlechts. Grundlage der familiären Gemeinschaft aber ist die Ehe - die permanente, treue, wechselseitige Beziehung - zwischen Mann und Frau. Sie erfordert Partnerschaft und gegenseitige Achtung und ist verantwortlich für die Erziehung der Kinder und die Führung der Jugendlichen. Doch in vielen Fällen wird im Aktionsprogramm nicht in angemessener Form auf die konkrete Anwendung der elterlichen Rechte und Verantwortlichkeit im familiären Kontext eingegangen, insbesondere auf ihre große Verantwortung im Hinblick auf die Führung der Kinder im Jugendalter. Wir hoffen, daß bei der Durchführung des Aktionsprogramms die einzelnen Staaten ihrer Verantwortung, die Rechte und Pflichten der Eltern zu achten, nachkommen werden. Die internationale Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung hat anerkannt, daß Frauen in voller und gleichberechtigter Form an der Entwicklung beteiligt werden müssen. Das bedeutet, daß Frauen auch gleiche Möglichkeiten im Hinblick auf Bildung, grundlegende Gesundheitspflege, Berufswahl und Arbeitsaussichten genießen 1312 ANHANG müssen, um ihren grundlegenden menschlichen Erfordernissen zu entsprechen und ihre Rechte wahrzunehmen. Wir hoffen, daß 1995 in Peking eine objektivere Behandlung der wahren Rollen und Verantwortungen der Frauen möglich sein wird. Reproduktive Gesundheitspflege ist ein wesentlicher Punkt des Aktionsprogramms. Aufgrund der besorgniserregend hohen Erkrankungs- und Sterbeziffern vieler Länder macht das Aktionsprogramm angemessenerweise die Reduzierung der Kinder-und Müttersterblichkeit zu einem seiner Hauptziele. Für meine Delegation ist die Gesundheit jedes einzelnen Menschen, einschließlich der reproduktiven Gesundheit von Männern und Frauen, stets Anlaß zu tiefer Sorge. Die große Besorgnis des Hl. Stuhls hinsichtlich der untragbaren Verbreitung von Müttersterblichkeit in verschiedenen Teilen der Welt beweist sein Einsatz für die Aufrechterhaltung eines von katholischen Organisationen geführten weltweit verzweigten Netzes von Strukturen und Programmen zur Gesundheitsfürsorge. Doch gleichzeitig kann, darf und wird der Hl. Stuhl Abtreibung nicht als Bestandteil reproduktiver Gesundheitsfürsorge anerkennen. Im Laufe der Konferenzarbeiten brachte der Hl. Stuhl seine tiefe Besorgnis im Hinblick auf die Behandlung der Abtreibungsfrage im Aktionsprogramm zum Ausdruck. Nachdrücklich hob er den Wert jedes menschlichen Lebens hervor, einschließlich des Lebens ungeborener Kinder. Die vorsätzliche Zerstörung des Ungeborenen ist unvereinbar mit der Achtung des menschlichen Lebens und gefährdet alle anderen Menschenrechte, deren Grundlage das Recht auf Leben ist. Jedes Zugeständnis im Zusammenhang mit diesem grundlegendsten aller menschlichen Rechte ist vor allem im Rahmen der Sozial- oder Bevölkerungspolitik von Staaten gefährlich, die zur Verteidigung des Lebens verpflichtet sind. Obwohl das Aktionsprogramm der Kairo-Konferenz einerseits bestätigt, daß Abtreibung nicht als Methode zur Familienplanung gefördert werden soll, so enthält es andererseits aber auch gefährliche Hinweise zur Legalisierung und Einrichtung von Abtreibungsstrukturen im Kontext bevölkerungspolitischer Strategien. Meine Delegation würde intensivere gemeinschaftliche Bemühungen begrüßen, um jene Abschnitte des Aktionsprogramms konkret zu verwirklichen, die „die Regierungen zu angemessenen Schritten auffordem, um Frauen bei der Vermeidung von Abtreibungen zu unterstützen”. Das Dokument kann kein neues international anerkanntes Recht auf Abtreibung enthalten, da, wie bereits erwähnt, in der Einleitung erklärt wird, daß die Internationale Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung keine neuen internationalen Menschenrechte schafft. Der Hl. Stuhl erkennt Sexualität als einen wesentlichen Aspekt menschlicher Identität an. Es dürfte einleuchtend sein, daß Sexualität auf angemessene und tiefste Art und Weise in einem Kontext der Gegenseitigkeit zum Ausdruck kommt. Das Aktionsprogramm hingegen befürwortet eine Einstellung, die dieser Dimension der Gegenseitigkeit, dem Ausdruck beiderseitiger Liebe und gemeinsamer Entscheidungen im Rahmen einer festen ehelichen Beziehung, nicht die gebührende Beachtung schenkt und vielmehr eine individualistische und freizügige Einstellung zum Sexual- 1313 ANHANG verhalten, auch im Hinblick auf die Jugend, vertritt, die ein angemessenes Verständnis der menschlichen Würde und der moralischen Verantwortung jedes Menschen vereitelt. Eine tolerante Haltung gegenüber dem Sexual verhalten ist eine Gefahr für die Familie, die Elternschaft und das Wohlergehen des Endes und hat eine stark destabilisierende Einflußnahme auf die Gesellschaft als Ganzes. Während vielfach auf die Rechte von Männern und Frauen eingegangen wurde, fanden andererseits die Rechte der Kinder - außer in den Grundsätzen - kaum Beachtung. Meine Delegation ist fest davon überzeugt, daß jedes End, vom Augenblick seiner Zeugung an, eine Person mit eigenen Rechten ist und somit gesetzlichen Beistand und rechtliche Unterstützung verdient. In Kairo erinnerte der Hl. Stuhl die internationale Gemeinschaft daran, daß es in jenem Augenblick, in dem neues Leben entsteht, nicht mehr nur zwei Beteiligte gibt - Mann und Frau - , sondern drei - das End. Darum ist der Ausdruck „sichere Abtreibung” so fragwürdig: Abtreibung ist für keine der beteiligten Personen sicher; das bereits gezeugte Kind stirbt. Als schwächste und verwundbarste Mitglieder der Gesellschaft werden Kinder leider sehr leicht ausgenutzt, ausgeschlossen und sogar beseitigt. Wenn wir wirklich um unsere Zukunft besorgt sind, dann müssen wir in unsere Ender investieren. Im Hinblick auf die Wanderung der Völker unterstützte der Hl. Stuhl die Kapitel über internationale und nationale Migration, obwohl er eine Einigung über ein entschlosseneres Vorgehen zur Familienzusammenführung vorgezogen hätte. Herr Präsident! Mit Freude hat der Hl. Stuhl an der Internationalen Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung teilgenommen, um seine Einstellung zum Ausdruck zu bringen und sich um eine Übereinstimmung mit anderen Nationen zu bemühen. Dennoch gibt es einige Bereiche, denen weder der Hl. Stuhl noch eine große Anzahl von Staaten zustimmen konnten, deren zahlreiche Vorbehalte verbürgte Tatsachen sind. Während der Hl. Stuhl zu einer partiellen Zustimmung bereit ist, bringt er seine Einwände gegen verschiedene Formulierungen des Aktionsprogramms in seiner abschließenden Erklärung vor der Konferenz und in den Vorbehalten des Hl. Stuhls gegen dieses Dokument zum Ausdruck. Der Hl. Stuhl hofft, daß alle für die Durchführung des Aktionsprogramms verantwortlichen Parteien bei ihren Bestrebungen die Achtung der Würde aller Menschen als primäres Anliegen betrachten. Unter dieser Voraussetzung können wir darauf vertrauen, volle Solidarität für die ganzheitliche Entwicklung aller Menschen zu erlangen. Vielen Dank. 1314 Wortregister Abendmahl - Letztes 63, 256, 415 Abendmahlssaal 63 - Apostel im 56, 66, 78 f. Abtei - Benediktinerabtei Montecassino 608-612 Abtreibung 73 1, 122, 125, 134, 517, 519, 525, 866, 868, 886, 917, 928, 979, 1010, 1188 f., 1195 f., 1210, 1258, 1267 f., 1287, 1291-1293, 1311-1314 Achtung - der Grundwerte u. Grundrechte 151 - der lebendigen kirchl. Tradition 51 - der personalen Würde der Frau 103 f., 139, 1208, 1277 - der Religionsfreiheit 1265 - des Menschen 1251 - des Pluralismus u. der Freiheit 1249, 1269 - des Subsidiaritätsprinzips 151 - gegenseitige 157, 219 f., 889 f. -vordemLeben 1341,1283-1289 - vor jeder menschlichen Person 37, 245, 1145 Adoption(en) - durch homosexuelle Paare 37 Advent 205, 2161, 823, 860 f. - als Zeit der Umkehr 210 f. Agrarentwicklungsfonds siehe: Internationaler A. (IFAD) AIDS 899, 1270 Akademie - Päpstl. A. der Sozialwissenschaften 808-813, 8691 - Päpstl. A. der Wissenschaften 729-734 - Päpstl. A. für das Leben 450-452, 8681 Alleinstehende -Kirche und 135-138 Allerheiligen 187 1 Allerseelen 188-190 Alte(n) - Charisma der 154 - Glaubenszeugnis der 153 1 - in der Gesellschaft 1531 - Kirche und 152-154 - Sendung der 153 1 Amt/Ämter - des Bischofs von Rom 759-761 - geweihte u. nicht geweihte 421 - prophetisches A. Christi 22-25 Amtspriestertum 1052, 1054 1, - allgemeines Priestertum und 42 1, 1054 1, 10611 - Anspruch der Frau auf das 127-129 Anbetung - der heiligen Eucharistie 1083 - Jesu Christi 7 Anglikaner - und Katholiken 7441 Angriff - militärischer 14 1 Anthropologie - christliche 104, 534 Antisemitismus 563-566 Apostel(n) - als erste Zeugen 67 - Auftrag Jesu an die 66 1315 - Bischöfe als Nachfolger der 9 -Briefe der 136 - im Abendmahlssaal 56, 66, 78 f. - Jesus verleiht den A. Vollmacht 66, 127 -Paulus 108 f., 292 f„ 505 f. -Petrus 108 f„ 292 f„ 505 f. -Slawenapostel 156,268 Apostelgeschichte 16-18 -Witwen in der 136 Apostolat(es) -Berufung zum 57-60,1224-1226 -derFamilien 37, 131-134 -der Frau 117 f. - der Jugendlichen 149 - der Laien 41-44, 52 f., 57-60, 137, 415, 579-585, 1224-1226 - der Leidenden 80-83, 98 f. -Ehe u. Familie als 131-134 -Sinn des 1121 Apostolische Konstitution - Ex Corde Ecclesiae 1220 - Pastor bonus 645 - Provida Mater Ecclesia (Pius XII., 1947) 169 Apostolischer(n) Stuhl 14 - Gemeinschaft der Einzelkirchen mit dem 962 Apostolisches Schreiben - an die Jugend der ganzen Welt 780 - Christifideles laici 23, 30, 42 f„ 47-49, 52 f„ 57-59, 70 f„ 104 f„ 142, 149, 160 - Familiaris consortio 137, 376 f., 393 f., 429, 538 f., 549 f., 1195, 1230 f. - Mulieris dignitatem 116,121,139, 537 - Octogesima adveniens 760,1194 - Ordinatio sacerdotalis 127, 621-623 -Pastores dabo vobis 649 f., 887, 901, 907, 946, 984, 1050 - Redemptionis donum 182 f. - Salvifici doloris 452-456, 481 - Tertio millennio adveniente 194, 199, 226, 228, 747-781 - über die nur Männern vorbehaltenen Priesterweihe 621-624 - Vicesimus quintus annus 1023 f. - zur Errichtung der Päpstl. Akademie für das Leben 450-452 Approbation - der Laien Vereinigungen 59 f. Arbeit 75-77, 84 f„ 527-531, 908 - als Heiligung des Menschen 530 f. - bildet Gemeinschaft 1280 - der Frau 76, 538, 1296 - ist ein Weg zur Heiügkeit 75 f. - ist Mitwirken am Schöpfungswerk Gottes 75 f. - menschliche 74-77 - Moralisierung der 1280 - und Familie 528 f. -Weltder 84f. -Würde der 75 f., 1279 Arbeiter 74-77 - Berufung u. Sendung der 77 - Sendung der 77 - sozialer Schutz der 1280 Arbeitskonferenz siehe: Internationale A. Arbeitslosigkeit 372, 530, 809 - als Bedrohung für das Familienleben 412 - von Jugendlichen 529 f. Arme(n) 1243, 1270 -Dienst an den 1123 - Einbindung der Ordensgemeinschaften in das Leben der 1163-1165 1316 -Hilfe für die 1203 - Liebe zu den 207, 1164 - Option für die 1123, 1164 - Schutz der 809 f. - Seligpreisung der 208 f. - Solidarität mit den 994 -und Reiche 150, 206 f., 1245 Armut 313 f„ 530, 572, 914, 917, 1123, 1149 f., 1163-1165, 1243, 1245 -evangelische 206-209, 1300 - im Evangelium 208 f. - in Bangladesch 894 f. -in Chile 903 f. - in der Familie 372 f., 958 -inEcuador 918 - in Honduras 937 f. - in Kuba 951 - in Mexiko 954, 959 - in Panama 980 f. - in Peru 993 f. -Jesu 207-209,1096 - Kampf gegen die 810 -moralische 1201 - priesterliche 1096 f. - prophetische Botschaft der 1302 - zum Zeugnis der A. aufgerufen 209 Arzt/Ärzte -katholische 847-851 Aschermittwoch - Predigt an 466 f. Asylpolitik - in Deutschland 484 Attentat 40 f. -auf den Papst 614 f. Aufbau - der Kirche 57 - des Leibes Christi 57 - des Rechtstaates 1269 - einer dem Menschen würdigen Welt 250 - einer gerechteren Gesellschaft 160 - einer Gesellschaft des Fortschritts u. Friedens 312, 341 f. - einer menschlicheren Gesellschaft 31, 123, 1249 Auferstehung - Botschaft von der 64 f., 67 - Geheimnis der 62 f., 81 -Jesu Christi 66-68,1028 - Kreuz und 62 f. - Synode der 1259 Aufgabe(n) - aller Glaubensgemeinschaften 1247 f. - der Erziehung 917 -derFamilie 67, 1254, 1267 - der Frau (in Kirche, Familie) 116-119, 138 f. - der Gläubigen 85 -der Kirche 30,53,70 - der Laien 22, 31, 43 f., 51-54, 71 f., 920, 986, 1012, 1275 - der Ordensleute u. Priester 263 f. - der Unternehmen 1280 -des Staates 151, 1249 f. -Friede als 17,1021 - pastorale A. unserer Zeit 1269 Aufstand - in Warschau 609 f., 668-670 Auftrag - der Kirche 271 f. - göttl. A. der universalen Evangelisierung 54 - Jesu an die Apostel 66 Ausbildung 793, 1273 - der Katechisten 898,944,1081 - der Laien 160, 945, 962, 968, 989, 1002, 1006 1317 - der Priester 349, 460, 469 f., 596 f., 650, 805, 888, 897, 906 f„ 913, 918, 924, 933, 945 f„ 955 f„ 971, 973, 979 f., 984, 998, 1005 f„ 1011, 1016, 1273 f. - künftiger Evangelisierer 803 - liturgische A. der Gläubigen u. des Klerus 1036 f. - von Hochschulseelsorgem 1223 f. Auswanderung 530 Autorität - des Priesters 1059-1061 - in Ordensgemeinschaften 1152-1155 -kirchliche 1037 f. Barmherzigkeit 741 -Gottes 15,35 Basisgemeinschaft(en) -kirchliche 1267 Bedrohung/Gefährdung -derEhe 917,928,951 - der Familie 73 f., 412, 589, 908, 917, 928, 951, 965, 970, 1252 - für das Leben 79 f. Befreiung -innere 1135 Behinderte 846 f. Beichte 499-502, 1074, 1085 f. - sakramentale 160 Beichtgeheimnis 500-502 Bekehrung -Aufrufzur 960, 1071 - zum Evangelium 926 - zum Glauben 992 Bergwelt 234 f. Berufung(en) 891, 893, 912 f„ 918, 923 f., 936, 940 f., 943, 971, 984 f„ 1069, 1121 - Botschaft zum I. Lateinamerikanischen Kongreß über die 435-440 -der Familie 27, 33, 46, 187, 560, 588, 715-719 - der Arbeiter 77 - der Christen 17, 54, 191 -der Eheleute 120,639 -der Frau 117,974 - der Jugendlichen 253-255, 281 f., 941,951,985, 998 f. -derKirche 17, 191, 968 - der Laien 22 f„ 30, 41-44, 57, 70 f„ 104, 968 - der Menschheit zum Heil 1176 - des Menschen/der menschlichen Person 11, 385 f„ 414, 972, 1127 - des reichen jungen Mannes 173 - Ehe und Familie als 162, 414, 862-864, 867 - Familie als erste Pflanzstätte für 178, 200, 588-591 -Gebet um 177, 1069 - zum Apostolat 57-60, 1224-1226 - zum gottgeweihten Leben 176-178, 1273 - zum Ordensleben 162, 257, 600 f., 901, 955 f„ 1001 f„ 1010 f., 1015 - zum Priestertum 12, 253 f., 257, 901, 906, 945, 955 f., 973, 980, 1001, 1010 f., 1015, 1273 - zum Zölibat 1089 - zur Heiligkeit 175, 191, 199, 258, 723, 900, 921, 991, 1001 - zur Mutterschaft 123 Berufungspastoral 177 f., 590, 924, 990, 998, 1011 - Förderung der 177 f. - in der Türkei 1005 1318 - in Mexiko 955 f. - in Paraguay 984 f. - Notwendigkeit einer erneuerten 437-440 Besinnung - Zeit der 33-36 Bestattung(en) 1045 f. Bevölkerung 1176-1211 - Intemation. Konferenz für B. u. Entwicklung (UNO; in Kairo) 73, 124 f„ 139-141, 145, 150, 514-520, 524-526, 868, 1176-1211, 1255-1258, 1283-1293, 1311-1314 - und Gesellschaft 1182-1185 Bevölkerungsentwicklung 1177-1185 Bevölkerungsexplosion 124 Bevölkerungskontrolle - Methoden der 1186-1189 Bevölkerungspolitik 514-520, 1283-1285, 1290, 1312 - als Teil einer umfassenden Entwicklungsstrategie 515 Bevölkerungswachstum(s) 1177, 1191 f„ 1284 - Problem des 145 - Umwelt und 518, 1184 f. Bewegung(en) - religiöse 53 - synodale 649 Beziehung(en) - Aufbau internationaler 1245 - diplomat. B. zwischen dem Hl. Stuhl u. dem Staat Israel 333, 890 - diplomat. B. zwischen dem Hl. Stuhl u. Jordanien 890 - Krise der zwischenmenschl. 146 - ökumenische B. zwischen chaldäi-scher u. katholischer Kirche 1015 - zwischen dem Hl. Stuhl u. der kroatischen Nation 156 - zwischen J. Chr. u. der Kirche 6 f., 114, 128, 132 f„ 201-204, 416-418, 426-428 - zwischen Katholiken u. Orthodoxen 10, 19 - zwischen Laienvereinigungen u. kirchl. Obrigkeit 59 f. Bibel - der alte Mensch in der 152 f. - Gleichheit von Frau und Mann in der 104 - Übersetzung der 1034, 1264 Bilderverbot 568 f. Bildung 345-347 - christliche 497 -der Jugend 1274 - der Katholiken 1015 - religiöse B. der Christen 970 Bioethik 448-450 - Probleme der 849 f. Bischof(s)/Bischöfe 901, 954, 982 - als Beispiel der Heiligkeit 991 - als Nachfolger der Apostel 9 - als Träger der Hoffnung 897 - als Vertreter Christi 892, 972 - als wahre u. authentische Lehrer des Glaubens 805, 921, 983, 987, 999 - als Zeichen u. Werkzeuge der Einheit 969, 996 - Brief an die B. von Ruanda 637 f. - Brief an die italienischen 321-327 - Einheit unter den 929, 957, 962, 982, 987, 995 f. - im Dienst des Menschen 912 -Militärb. 496-498 - Sendung der 952 f., 987 - und Ordensobere 893, 907, 913 f., 949, 980 1319 - und Papst 905 - und Priester 893, 906, 913, 923, 929, 945, 949, 964, 971, 980, 983 f„ 988, 997, 1011, 1110 -von Rom 759-761 - Zusammenarbeit zwischen den 996 Bischofsamt 892 f. Bis chofskonferenz - als Ausdruck der Einheit 988 - der Türkei 1004 f. Bischofssynode 162,820,871 - 9. Generalversammlung der B.; Thema: Das gottgeweihte Leben 162 f„ 167 f„ 719-726, 736-738, 881 f„ 1297-1305 - Sonderversammlung der B. für Afrika 38-40, 44, 50, 55, 84 f„ 87, 338, 369, 574-579, 592, 596-603, 881 f„ 896, 1001, 1259-1278 - von 1987 52 f. siehe auch: Synode Bischofsweihe 9, 329 f. - Predigt bei 328-330 Böse 70 - Kampf zwischen Gut und 34-36 Bosporus-Erklärung 1246-1248 Botschaft(en) - an den Generaloberen der Passio-nisten 691-694 - an die Häftlinge des Jugendgefängnisses 277-279 - an die Kinder anläßlich der 150-Jahrfeier des Kindermissionswerkes 618-621 - an Seine Heiligkeit Bartholomaios I. 813-815 - anläßlich des 8. internationalen Gebetstreffen für den Frieden in Assisi 682-684 - auf dem XXII. Nationalen Eucharis-tischen Kongreß (Siena) 632-637 - bei der Abschlußfeier des Marienmonats Mai 629 f. - der Bischofssynode für Afrika 1259-1278 - der Bischofssynode über das gottgeweihte Leben 1297-1305 - der Hoffnung 86 - des Christentums 33 -Osterb. 559-561 - von der Auferstehung 64 f., 67 - Weihnachtsb. 875-878 - zum 28. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 603-607 - zum 31. Weltgebetstag um Geist! Berufe 587-591 - zum 50. Jahrestag der Zerstörung der Benediktinerabtei Montecassino 608-612 - zum 50. Jahrestag des Warschauer Aufstandes 668-670 - zum 92. Deutschen Katholikentag (Dresden) 654 f. - zum I. Lateinamerikan. Kongreß über die Berufungen 435-440 - zum II. Welttag des Kranken 452-455 - zum Weltfriedenstag 309-315 - zum Weltgebetstag für den Frieden 351-356 - zum Weltmissionssonntag 618-620 - zum Welttag für die Migranten 672-675 - zur 150-Jahrfeier des Kindermissionswerks 617 - zur 800-Jahrfeier der Geburt des hl. Antonius 641-644 - zur Fastenzeit 371-374 - zur Vorstellung des Katechismus der Katholischen Kirche 627-629 1320 Brief(e) - an den Erzbischof von Prag 585-587 - an den Großmeister des Ritterordens v. Hl. Grab 607 f. - an die Bischöfe von Ruanda 637 f. - an die ital. Bischöfe 321-327 -der Apostel 136 - des Papstes an die Familien 374-431 - des Papstes an die Kinder 853-860 - zum 150. Gründungstag des Gebetsapostolates 836-838 - zur 750-Jahrfeier der Kathedrale von Sarajevo 838-840 - zur 800-Jahrfei er der Kathedrale von Chartres 677 f. - zur 9. Vollversammlung des Intema-tion. Rates für die Katechese 696-699 Bruderschaften 53 Brüderlichkeit 87, 332-342, 1269 - als Geschenk Gottes 1152 f. - in Ordensgemeinschaften 1155-1157 -leben 1267 -universale 1127 f. Buch - der Offenbarung des Johannes 79 - Genesis 75 f. Bürgerkrieg - in Burundi 896 Bund(es) - Christi u. der Kirche 6 f., 114, 416-420 -derAlte 416 -derNeue 416f. - ehelicher 27 f., 120, 114 f., 380 f., 419, 932 - Gottes mit den Menschen/mit der Menschheit 38, 106 - Gottes mit Israel 97 Buße 466 f. - Sakrament der 776, 973, 1084-1086, 1132 Caritas 1270 Charisma/Charismen - Anerkennung u. Unterscheidung der 48 f. - der alten Menschen 154 - der Evangelisierung 800 f. - der Laien 46-49 - der Ordensleute 1150-1152 - Echtheit der 48 f. -gemeinschaftliche 165 - und seine Einordnung in die Teilkirche 1301 - Vielfalt u. Verschiedenheit der 47, 165, 185, 197, 1301 Charta - der Familienrechte 4101,1195, 1239, 1252 f. Christ(en) 91,31 - afrikanische 44 1 - alltägliches Verhalten des 23 - auf dem Balkan 14 -Berufungdes 17, 54, 191 -Einheit der 14-20,3531,4641, 647, 767, 1015, 1023, 1224 - Engagement der Chr. im politischen Bereich 1269 - geistliches Leben des 35 1 - Gemeinde der ersten 218 1 - Gemeinschaft der 143-145 - in Pakistan 976 - Juden und 564, 889 - religiöse Bildung der 970 1321 -undMuslime 240, 975, 1003, 1174 f., 1265 - überzeugte u. bewußte 53 - Zeugnis aller 1224 Christentum(s) 25, 30 - als Religion des universalen Friedens 353 - Botschaft des 33 - in Afrika 44 f. -inLettland 513 -Islam und 1001, 1016 -und Europa 324,610 Christkönigsfest 199 Codex des kanonischen Rechts 43, 58 Communio 1051 - hierarchische C. der Kirche 1063 f. - im Presbyterium 1064 f. -Kirche als 1068,1127-1130, 1299 f. - priesterliche 1062-1070 siehe auch: Gemeinschaft u. Koinonia Demokratie 337, 1269 -in Kroatien 273 Demokratisierungsprozeß 1269 Demut -christliche 218 Deutscher Katholikentag siehe: Katholikentag Dialog(s) 246, 593, 921, 927, 961, 969, 1251, 1264 f. - als Werkzeug gegenseitigen Verstehens 950 -Aufrufzum 931 - Bereitschaft zum 959 -der Liebe 18,1263 - innerhalb der Kirche 1264 - interkultureller 522 - interreligiöser 50, 739, 777, 889, 941,975, 1007 f., 1264, 1303 - mit der Assyr. Kirche des Ostens 194, 781-783 - mit der Jugend in Afrika 1276 f. - mit nichtchristl. Religionen 648 -ökumenischer 17-19,264,647,890, 975, 1007, 1303 - Theologie des 50 - Weg des 896 - Wille zum 274 - zur Lösung von Konflikten 1248 - zwischen Anglikanern u. Katholiken 744 f. - zwischen Christen u. Islam 889, 1007 f., 1016 - zwischen Christen u. Muslimen 240, 975, 1003, 1174f., 1265 - zwischen Glaube u. Kulturen 522, 1012, 1221 - zwischen Gott u. Mensch 50, 94 f. - zwischen Juden u. Christen 564, 889 - zwischen Jugendlichen u. Kirche 147-150 - zwischen katholischer u. orthodoxer Kirche 350, 354, 813-815, 1007 - zwischen Lutheranern u. Katholiken 465 f. Dienst(e) 582-585 - am Gemeinwohl 48, 75, 606, 1265 -amLeben 480,818 - am Menschen 137, 728, 912, 968, 1279 - am Nächsten 47, 168, 798 f. - am Wort Gottes 1078 f. - an den Armen 1123 - an den Kranken u. Leidenden 26, 101, 904 - an der Familie 257 1322 - an der Wahrheit 362 -an der Welt 1237 - bedingungsloser 249-252 - der Geweihten 168 -der Kirche 114 - der Laien 24, 69-72 -der Liebe 249 f„ 903 f„ 997 - der Ordensleute 212 f., 242 f. - der Versöhnung 264, 969 - des Heils 555 f. -des Papstes 615 - des Priesters 242 f., 582 f., 918, 964 f„ 973, 1050-1117 - des Priestertums 88 f. - eucharistischer 548 - pastoraler 996 - Vielfalt der D. in der Kirche 42 Diözesanpastoralräte 52 Diözesanpriester siehe: Priester Diözesansynode - im arabischen Raum 890 - in Lecce 251, 256-258 - Römische 367, 645 siehe auch: Synode Diözesantag - erster D. der Kath. Schule 185 Diözese(n) - Laienapostolat in den 52 f. Diplomatisches Corps 332-342 Direktorium - für Dienst u. Leben der Priester 1050-1117 Diskriminierung 70 - aufgrund von Religion oder Gewissensüberzeugung 1250 f. - der Frau 112, 138-140, 1294, 1296 Dogma - von der Unbefleckten Empfängnis 540 Dokument(e) - Mutuae Relationes 1160 f. - Standpunkt zum Schlußd. der Internation. Konferenz über Bevölke-rungs- u. Entwicklungsfragen 1256-1258, 1267 f., 1283-1293, 1311-1314 - über „Das brüderliche Leben in der Gemeinschaft” 218 Dreifaltigkeit - Geheimnis der 25, 28 -Heilige 1306 Drogen 1308 f. Dualität -Ur-Dualität 107 Egoismus 400 -männlicher 104 Ehe 102 f„ 107, 133, 198, 410, 448-450, 886, 924 f„ 1002, 1191, 1285, 1312 - als Apostolat 131-134 - als Berufung 162, 414, 862-864, 867 - als einzigartige Gemeinsamkeit von Personen 387 - als Institution 1255 - als Partnerschaft zwischen Mann u. Frau 1293 - Bedrohung/Gefährdung der 917, 928, 951 - christliche 944 f„ 985, 1228-1233 -Einheit der 110 f„ 383 f„ 639 -Ethik der 102,114,125 - Geheimnis der 6, 416-420 - Heiligkeit der 424, 895, 902 - im Plan Gottes 102 f., 114, 413 f. 1323 - Sakrament der 43, 114, 159, 202, 421 f„ 638-641, 863, 1006 - Unauflöslichkeit der 902,928,979, 1229 f„ 1253 -und Familie 131-134, 381 f„ 742-744, 786 f„ 902 f., 928, 1285, 1290, 1295 f. - Wahrheit über den Sinn der 413 f., 417, 902, 985 - Wert der 196 f. - Würde der 202 - zur E. unfähig 196 Ehebund(es)/Eheband 27 f., 110, 114 f., 380 f„ 410, 932 - der Kirche mit Christus 201-204 - Unauflöslichkeit des 114 f. Eheleute/Ehepaare 119 f., 638-641, 886, 1293 - Berufung der 120, 639 -christliche 131-134 - Einheit der 110 f., 383 f., 639 -Liebe der 110 f„ 119 f„ 123, 132 f„ 202, 413, 417 f„ 1192 - Rechte u. Pflichten der 1256 -Treue der 110 f., 132, 928 - Verantwortung der 120,125 Ehepastoral 1232 Ehescheidung 114 f., 132 f., 311, 413 f., 886, 917, 927, 1010, 1229, 1253 -imAt 114 Ehre - Gottes 255 - von Vater und Mutter 402-405 Ehrgeiz 249 Eingeborene 918 f., 927, 958 Einheit 59, 219, 625, 633, 900, 902, 931, 938 f„ 972, 977, 982, 987, 991, 995, 1011, 1128 - als Gabe des Hl. Geistes 767 - als Geschenk Gottes 19 -Bischöfe als Zeichen u. Werkzeuge der 969,988,996 - der Christen 14-20, 353 f„ 464 f„ 647, 767, 1015, 1023, 1224 - der deutschen Nation 483 - der Familien 877, 1253 f. - der Gläubigen 931,987 - der kath. u. der orth. Kirche 813-815 - der Kirche (Kirche als Sakrament der E.) 16, 48, 58, 109, 194, 625 f., 775, 781-783, 813-815, 877, 885, 967, 996 - der Menschheit 113 - der Ordensinstitute 1146 - der priesterlichen Gemeinschaft 1266 - des ital. Volkes 322, 360 - des römischen Ritus 1024, 1037 -eheliche 110 f., 383 f„ 639 -Europas 323,586 -Gebet für die 16 f. -im Gebet 15 - im Glauben u. Sakrament 906, 948, 1306 - in der Lehre 430 - in der Liebe 220, 948, 954 - Kirche als Erbauerin der 954 - Sakrament der E. {siehe auch: Kirche, Einheit der) 6, 8 - trotz Vielfalt u. Verschiedenheit der Gnadengaben 48 f„ 164 f. - unter den Bischöfen 929, 957, 962, 982, 987, 995 f. - von Geist u. Körper 418 f. - Zeugnis für die 987 f. - zwischen Bischöfen u. Priestern 913, 929 - zwischen den Bischöfen u. dem Nachfolger Petri 905 - zwischen Orts- u. Gesamtkirche 45 1324 Einsamkeit -derPriester 989, 1114-f. Einzelkirche - Gemeinschaft der E. mit dem Apostolischen Stuhl 962 Ekklesiologie 41 f. - der Gemeinschaft 162 Eltern 407, 620, 715, 1253 - als Erzieher 407, 473-475, 640, 903, 917 - als Katecheten ihrer Kinder 974 - als Mitarbeiter Gottes 28, 407 -christliche 131-134,211 -Pflicht der 1253,1289 -Recht der 1253,1256,1289 - verantwortliche 119 f. - Verantwortung der 604 f., 1256, 1285 f„ 1289 Elternschaft -Rechtauf 1204 -verantwortliche 119 f., 129-131, 392-396, 406, 516 f„ 1191-1193, 1205 Emanzipation 103 f. -der Frau 128,139 Embryo(s) - menschl. Natur des 134 Empfängnis 384 f. - Dogma von der Unbefleckten 540 - Personsein vom Augenblick der E. an 123, 134 Empfängnisverhütung 108, 979, 1195 f., 1210, 1293 -hormonale 1187 f. Engel 64 f. Entführung 5 Entwicklung 1270, 1290 - auf den Menschen konzentrierte 1255 f. - B evölkerung und 1312 - der Völker in Solidarität 1283-1289 - des Reiches Gottes 30-32 - ganzheitl. E. der Person/des Menschen 490, 515 - Intemation. Konferenz für Bevölkerung und E. (UNO; in Kairo) 73, 124 f„ 139-141, 145, 150, 514-520, 524-526, 1176-1211, 1255-1258, 1283-1293, 1311-1314 - wirtschaftliche und soziale 150, 1244 Entwicklungsland(-länder) 1182 f., 1201 f. - alternative Energien für 733 - Entwicklungsprogramme für die 1243 -Frauen in 1285 - Industriestaaten und 1245,1257 - landwirtschaftlicher Fortschritt der 1242 Entwicklungsorganisation(en) 1270 Entwicklungspolitik 1243, 1283-1285, 1290 Enzyklika(en) -Leo Xni. (1878-1903) - Rerum novarum 315, 763, 809 -Pius XI. (1922-1939) - Mit brennender Sorge 340 - Quadragesimo anno 316,760 -Pius XII. (1939-1958) - Sacra virginitas 198 -Johannes XXIII. (1958-1963) - Mater et magistra 316, 760, 1280 - Pacem in terris 316, 760, 1238 -Paul VI. (1963-1978) - Ecclesiam suam 50 1325 - Humanae Vitae 393 f., 429, 549, 849, 868, 880, 1192-1194 - Populorum progressio 316, 1192 -Johannes Paul II.: (seit 1978) - Centesimus annus 315 f., 360, 517, 760, 763,812, 1197 - Laborem exercens 75-77, 316, 528, 538, 760, 1280 - Redemptor hominis 25, 374 - Redemptoris Mater 106 - Redemptoris missio 649, 780 - Sollicitudo rei socialis 316 f., 352, 760, 1196 f. - Veritatis splendor 5, 96, 341, 397, 427, 465, 646 f„ 780, 978 - Dominum et vivificantem 760 Epiphanie 5-8, 27-29, 440-444 - Fest der 9, 328-330 - Geheimnis der 9, 328-330 - Liturgie der 6 Erbarmen siehe: Barmherzigkeit Erkenntnis - Gottes- u. Selbsterkenntnis 95 f. Erklärung - Allgemeine E. der Menschenrechte 13, 73, 145, 245, 1252 - Bosporus-E. 1246-1248 - gemeinsame christologische E. der Kath. Kirche und der Assyr. Kirche des Ostens 1305-1307 Erlöser(s) - heilbringendes Kreuz des 239, 556 f. - Jesus Christus der 7,67,86,100, 112 f„ 748-752, 912, 983,993, 1261, 1268 Erlösung 25, 69 f„ 133, 994, 1261 -derWelt 81 - durch Jesus Christus 77, 751 f. - ganzheitliche E. des Menschen 55 Erlösungsopfer - Jesu Christi 94, 751 f. Ermordung 57 - der Staatsoberhäupter von Ruanda 69 - zweier spanischer Ordensfrauen 184 f. Erneuerung - der Familien 604, 887 - der Kirche 953 - der mexikanischen Gesellschaft 961 f. - des gesamten christlichen Lebens 967 - des Glaubens an Jesus Christus 194, 1071 -liturgische 1023 f. - politische u. gesellschaftliche 325 f. Erntedankfest 195 Erstkommunion 857 Erzbistum(s) - 650 Jahre E. Prag 585-587 Erzieher - Eltern als 407, 473-475, 640, 903, 917 - in den Noviziaten u. Seminaren 1273 f. Erziehung 473-475,488-491,515 0, 920, 1015 -Aufgabe der 917 - christl. E. der Kinder und Jugendlichen 144 f„ 331, 887, 903, 928, 1002 0, 1015, 1081, 1274 - der Kinder (durch Frauen) 117 0, 485, 588, 640 -Erziehungsauftrag 133 -Erziehungsprogramme 1309 1326 - in der Familie 371 f., 405-409 - Internationales Büro für kath. E. (OIEC) 488-491 - Prinzip der Subsidiarität in der 475, 489 - religiöse 408 - zum Frieden 310,312, 497 - zum Gemeinwohl 1269 - zum Glauben 438, 979 Ethik - christliche 233 - der Ehe u. Familie 102, 114, 125 - der Politik 125, 341 - ist eine reale Dimension des menschl. Daseins 1256 - Marktwirtschaft und 361 - Wissenschaft und 729-734 Eucharistie 93, 251, 509 f., 547 f„ 632-637, 857 f„ 948, 955, 973, 983, 988, 991 f„ 1028 - als Gegenwart Christi 633 - als Quelle u. Höhepunkt des Lebens der Kirche 94 - Anbetung der heiligen 1083 - Einsetzung der heiligen 62 f., 94, 547 - Geheimnis der 94, 523 - Sakrament der 415, 778, 1081-1084, 1232 Eucharistiefeier 43, 1074, 1082 f., 1132 - aktive Teilnahme der Laien an der 159 f. Europa(s) 338 f„ 1023 - Christentum und 324,610 -Einheit 323,586 - Gebet für 327 - Krieg in 447 - neues 323 -Wiederaufbau 610 Europäisches(n) Parlament(s) - Beschluß des E. P. bezüglich Homosexualität 37 Evangelisierung/Evangelisation 55, 85, 234, 475 f„ 557, 595 f„ 618-620, 798, 873, 921 f„ 925 f., 931, 953, 983, 985 f„ 994, 1009, 1026, 1080 f„ 1226 f. - aller Menschen 29 f. - als Dialog der Liebe 1263 - als Verkündigung 1261 -Amerikas 910 f. - B eitrag der Frauen zur 113, 117 - Charisma der 800 f. -derFamilien 545,1010 - der Kultur/Kulturen 521 f., 966, 1011 f. - der Universität 1219, 1223 - des slawischen Volkes 155 f. - durch die Laien 24,42,44,915, 986 - göttl. Auftrag der universalen 54 - in Afrika 50 f., 598-601, 1260-1263 - in Bangladesch 894 - in Burundi 898 -in Chile 900 f. - in Costa Rica 905 f. - in der Dominikanischen Republik 911 f. -inEcuador 916 f. - in El Salvador 923 - in Kenia 943 f. - in Kroatien 265 - in Lateinamerika 964, 968 - in Panama 977 f. - Jugendliche als Wegbereiter der (Neu-) E. 148, 511, 933 f. - Katechismus der Kath. Kirche als Mittel der 886 f. - Massenmedien als Werkzeug für die 936 f. 1327 Evangelisierungsauftrag - der Kirche in Afrika 602 Evangelisierungspastoral 977 Evangelium(s/ien) 51, 328 f. - Armut im 208 f. - auf das konkrete Leben anwenden 55, 61 - Bekehrung zum 926 - der/von der Familie 25, 224, 429, 549 - des Kindes 856-858 - des Lebens 224, 450 -des Leidens 81 f. -Frauen im 111-113 - Gnade des 993 - Inkulturation des 949, 1025, 1262 f., 1302 -Kraft des 23 f. - Predigt des 948 - Treue zum 22 - Verkündigung des 22, 41, 61, 357 f„ 804, 893 f„ 947 f„ 993, 995, 1009, 1261-1264, 1278 - Wahrheit des 894 - Witwen in den 136 - Zeugnis für das 172 f., 996 Exerzitien 459 - des Priesters 1107 f. Fakultät - orthodoxe theologische 491 Familie(n) 3, 6-8, 25, 34-37, 107, 114 f., 179 f., 199 f., 224, 233 f., 271, 302, 311 f., 342, 371, 431, 448-450, 473-475, 478, 484 f., 525, 554, 560, 588-591, 618-620, 638-641, 795, 846 f„ 851-854,861-864, 876, 879, 886, 899, 917, 924, 932, 935-937, 944 f„ 951, 974, 994 f„ 999, 1002, 1014, 1174 f., 1194 f., 1238, 1266 f„ 1285 - als (heilige) Institution 5, 145, 409 f„ 1174, 1252, 1255 - als Abbild des dreifältigen Gottes 25,27 - als Baumeisterin/Quelle des Friedens 3-8, 309-315, 1237-1242 - als Berufung 162, 414, 862-864, 867 - als erste Pflanzstätte der Heiligkeit/für Berufungen 178, 200, 588-591 - als erster Evangelisationsbereich 342-344 - als Gemeinschaft/Lebensgemeinschaft 25, 27 f., 200, 381 f„ 410, 1239, 1253, 1295 f. - als Hauskirche 6, 8, 34, 187, 200, 234, 378, 405, 418, 457, 549, 588, 717 f„ 743, 876, 917, 924, 928, 974, 979, 1015, 1266 f. - als Heiligtum des Lebens 28, 67, 223-225, 253, 391,517, 1211 - als Herzstück der neuen Evangelisierung 544-547 - als Kem-/Keimzelle der Gesellschaft 73, 102, 145, 151, 211, 313, 409 f„ 516, 743, 985, 1176, 1239-1241, 1252, 1254, 1286, 1291-1293, 1295, 1312 - als Schule der Menschlichkeit 4 f., 588, 1240 - als Tempel 28 - Apostolat der 37,131-134 - Arbeit und 412, 528 f. - Armut in der 372 f., 958 -Aufgabe der 67,1254,1267 - Bedrohung/Gefährdung der 73 f., 412, 589, 908, 917, 928, 951, 965, 970, 1252 1328 -Berufung der 27, 33, 46, 162, 178, 187, 560, 588, 715-719 - Brief des Papstes an die 36, 45, 67, 107, 120, 130, 374-431, 524, 544 f„ 549-551, 764, 895, 985, 1252 - des Neokatechumenalen Weges 851-853 - Dienst an der 257 -Ehe und 131-134,381,742-744, 786 f., 902 f„ 928, 1285, 1290, 1295 f. -Einheit der 877, 1253 f. - Erneuerung der 604,887 - Erziehung in der 371 f., 405-409 -Ethik der 102,114,125 - Evangelisierung der 545,1010 - Evangelium der/von der 25, 224, 429, 549 - Fernsehen und 603-607 - Frau und 537 f. - Gebet und 25 f„ 36 f„ 377-379, 387 f., 550-552, 619 - Geheimnis der 416-420 - Generationen in einer 388 - Gründung einer 861 f. - Heiligkeit der 424, 825, 895, 902 - Hilfe für mittellose 373 f. - im Dienst des Friedens 314 f. - im Plan Gottes 102 f., 114, 413 f. - in der Dominikanischen Republik 914 - in der Welt von heute 1252 - in Honduras 936 - in Nicaragua 970 -in Uruguay 1010 f. - Internationales Jahr der 3 f., 8, 16, 25, 36, 62, 73, 97 f„ 180, 211, 224, 343, 374, 376 f„ 426, 428-430, 492, 524, 763 f., 825, 844 f„ 852-860, 865-867, 874, 880, 895, 924, 944, 985,994 f„ 1006, 1238-1242, 1252, 1267 f„ 1295 - ist Zeichen der Liebe Gottes 5-8 -Kirche als 16, 187, 551 f., 1001, 1264-1269, 1272 - Kirche und 7, 46, 375, 618-620, 1238-1242 - Konflikte in der 311 - Krise der 886 f., 1254 - Kultur- u. Werte Vermittlung durch die 1240, 1253 - Mensch und 25, 380 f. - mexikanische 957 f. - Natur der 1239-1241 - Paraguays 985 - Recht auf 846 f., 1204 f., 1252-1254 - Rechte der (siehe auch: Familienrechte) 151, 410 f., 1191, 1204 f„ 1252-1254 - Religion und 740 - Schutz der 38, 373, 516, 994, 1241, 1252, 1254, 1312 - Selbsthingabe in der 389-392, 405 f. - Sendung der 7, 371, 742 f., 1241 - Solidarität mit der 1210 f. - Sorge (der Kirche) um die 945, 958, 1228 - staatl. Unterstützung der 313, 1010, 1252, 1258, 1287, 1312 - und Gesellschaft 7, 409-412, 1174 f., 1240 f. -und Liebe 371-374 - und Mission 618-620 - und soziale Kommunikationsmittel 619 f. - V erantwortung der 125 - Wahrheit über den Sinn der 413 f., 417, 902, 985 -Welttag der 96-98 -Wert der 914, 959, 1174 f„ 1252-1254 1329 - Wesen/Natur der 6 f., 37, 1239-1241 - Würde der 895 -Zerfall der 37, 1252, 1286 f. - Zerstörung der 1268 Familienpastoral 257, 448-450, 867, 886, 899, 902, 907 f., 917 f., 924, 936, 965 - in Mexiko 957 f. Familienplanung 1255-1258, 1285, 1293 - natürliche 124 f„ 788-790, 895 - Stellungnahme des FQ. Stuhls zur 1287 f„ 1291-1293 Familienpolitik 1207 f., 1254 Familienrechte 151, 410 f., 1191, 1204 f. -Chartader 410f., 1195, 1239, 1252 f. Fasten 467-469 - und Konsumdenken 468 Fastenzeit 33-36, 466 f. - als geistlicher Weg 33 f. - Botschaft zur 371-374 Fasttag 17 Feier(n) - 750-Jahrfeier der Kathedrale von Sarajevo 838-840 - 800-Jahrfeier der Geburt des hl. Antonius 641-644 - 900-Jahrfeier der Erzdiözese Zagreb 155-157 - der Trauung 1045 - Hundertjahrfeier der Geburt des hl. Maximilian Kolbe 472 f. - Lichtmeßfeier 440-444 - religiöse F. für Kinder 144 Fernsehen 566 f. - Abhängigkeit vom 605 - und Familie 603-607 Femsehindustrie - Verantwortung u. Moralkodex der 605 - Verpflichtung der F. zum Dienst am Gemeinwohl 606 Fest(e) -Allerheiligen 187 f. - Christi Himmelfahrt 86 f. -Christkönigsfest 199 - der Epiphanie 9, 27-29, 328-330, 440-444 - der Taufe Jesu 10 f., 330 -Erntedankfest 195 - Fronleichnam 93-95 - Hochfest der Gottesmutter Maria 1. Januar 318-321 - Hochfest der Unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau Maria 214-216, 841-844 - Hochfest Mariä Himmelfahrt 140 f. - Peter und Paul 108-110 Firmung 774 - Sakrament der 41-43,159,164,183 Flüchtlinge(n)/V ertriebene(n) 1247 f„ 1270 - in Österreich 807 - in Ruanda 124 - Unterstützung von 1247 f. Fördemng - der menschlichen Person 70 - des Glaubens 921 -des Lebens 815 - wahre F. der Frau 128, 793 Fokular-Bewegung 45 f., 163 Fortpflanzung 1257, 1285 - Gesundheit im Bereich der 1288 f. 1330 Fortschritt - allgemeiner 31 f. - der ganzen Gesellschaft 75 f. - der Kirche 147 - landwirtschaftlicher F. der Entwicklungsländer 1242 -sozialer 1244 Frau(en) 129, 1277 f„ 1284, 1286, 1290 - 4. Weltkonferenz über die F. (Wien) 1294-1297 - Achtung der 103 f„ 139, 1208, 1277 - als Abbild Gottes 27 f. - als erste Verbündete Gottes 105 - als erste Zeugen 117 - als Gattin und Mutter 537 f., 886 - als Katechetinnen 118, 1002 f. -als Objekt 104 - am Grab Jesu 64, 66 - Anspruch der F. auf das Amtspriestertum 127-129 - Apostolat der 117 f. - Arbeit der 76, 538, 1296 - Aufgabe der F. (in Kirche, Familie) 116-119, 138 f. - Beitrag der F. zur Evangelisierung 113, 117 - Berufung der 117, 974 - Diskriminierung von 112, 138-140, 1294, 1296 - Emanzipation der 128,139 - Erziehung der Kinder durch 117 f. -Frau-Sein 116-119 - Freiheit der 122, 1295 - Gerechtigkeit für die 1208 f. - gesundheitliche Betreuung der 1284 - Gewalt gegen 1296 - gottgeweihte 1298 - Heilungen von Ulf. - Hingabe der 394 f., 422 - im Evangelium 111-113 -inderKirche 103,116-119,131, 622 f. - in der Nachfolge Jesu 111 f., 127 f., 174 - in Entwicklungsländern 1284 -Mannund 103-107,113,131,146, 1293-1297 - Menschenrechte der 1294 - Mitarbeit der F. an Jesu Heilswerk 113, 118 f. - Mutterschaft ist eine Schlüsselposition der 121-124, 126-129, 518, 1295 f. - Persönlichkeit der 122 f., 128 - Priesterweihe der 127-129, 621-623, 745 - Rolle der F. (im Heilsplan) 103-106, 1277, 1284, 1295 f. -Sendungder 103-106,111,116, 128 f., 139, 537 f. - Teilhabe der F. am allgemeinen Priestertum der Gläubigen 126 - Teilhabe der F. am priesterl, pro-phet., königl. Amt Christi 116, 119 - und Familie 537 f. - V erantw ortung der 1277 - wahre Förderung der 128, 793 -Würdeder 103-106, 111, 116, 121- 124, 128 f„ 139, 517 f., 974, 1208, 1257 f„ 1277 Freiheit 334, 400 f., 461 f„ 485, 969, 1238 -Achtung der 1249 -der Frau 122, 1295 - der Kinder Gottes 1135 -des Menschen 811 -religiöse 71,739 Fremdenfeindlichkeit 564 Fresko - des Weltgerichts v. Michelangelo 277 1331 Freude 61 f., 228 Frieden(s) 3, 161, 240, 261, 302 f„ 332-342, 447, 938 f., 1021-1023, 1246-1248, 1268, 1270 - als Aufgabe 17, 1021 - als Geschenk Gottes 741, 1022 - als höchstes Gut 3, 1246 - Appell/Aufruf des Papstes zum 5, 39 f., 62, 69, 78, 83, 85, 87, 140, 193, 446 - Bedrohung des 3 - Bitte um 352 - Botschaft anläßlich des 8. internationalen Gebetstreffen für den F. in Assisi 682-684 - Christentum als Religion des universalen 353 - Dienst am F. unter Waffen 498 - Erziehung zum 310, 312,497 -Familie als Baumeisterin/Quelle des 3-8, 309-315, 1237-1242 - für die Menschheitsfamilie 309-315 -Gebetum 20, 167, 352, 858, 1023, 1242 -Geist des 1005 - Gerechtigkeit und 927, 1022, 1265 - im arabischen Raum 889 -imBalkan 8, 18, 157, 261 f„ 269 f„ 273,351-356,1021-1023 - in Afrika 55, 85 f. - in Bosnien u. Herzegowina 54, 78, 161, 243-247 - in El Salvador 922 f., 927 - in Mexiko 959 - in Ruanda 85 f., 1281 f. -Jesus ist unser 20, 68, 351, 353, 355, 560 f. -Kirche und 1237-1242 -Kulturdes 261 f„ 1002 - Laien als Baumeister des 968 - Quelle des 560 f„ 894, 1237-1242 - Religion und 739-741 - Umkehr zum 18 Frohbotschaft 1266 - Inkulturation der 1262 f. -Verkündigung der 993,1261-1263 Fronleichnam 93-95, 630-632 Fruchtbarkeit -Rückgang der 1178-1180 Fußwaschung 555 Gabe (n) - der göttlichen Erleuchtung 197 - des HL Geistes 159,164,767 - freie G. Gottes 143 Gebet(es) 12-16, 19, 25, 27-29, 171, 280 f., 294 f„ 741, 836-838, 892, 946, 948, 973, 997, 1021, 1074, 1131-1134 - als Pilgerweg 355 f. - der Kirche 1076 - der Priester 983 f. -Einheit im 15 -für Burundi 62, 139 f. - für den Papst 89 - für die Einheit 16 f. - für Europa 327 -für Ruanda 83, 139 f. - geistige Kraft des 15, 17, 25 f. - gemeinsames G. in Ordensgemeinschaften 1131-1134 - Glaube und 462-464 - Großes G. für Italien 215 f., 300-302, 326 f., 505-510, 527 f„ 625 f„ 632, 637, 814 -Jahr des 377-379 -Jesu Christi 1075 f. -Kinder und 144,858 -persönliches 1132 f., 1300 f. - Rosenkranz-G. 85,612 1332 - Stundeng. 973, 983, 1074, 1083 f„ 1132, 1300 f. - um Berufungen 177, 1069 -umFrieden 20, 167, 352, 858, 1023, 1242 - und Familien 25 f., 36 f., 377-379, 387 f„ 550-552, 619 -Vaterunser 270 f. -zu Maria 85, 140 f„ 303 f„ 1117 Gebetsapostolat(s) - und Neuevangelisierung 836-838 Gebetsoktav siehe: Weltgebetswoche Gebetstag - für den Frieden (im B alkan) 12-15, 351-356 siehe auch: Weltgebetstag Gebetstreffen - Botschaft anläßlich des 8. internationalen G. für den Frieden in Assisi 682-684 Gebot(s/e) - der Liebe (Bruderliebe) 403, 961 - die alten Eltern zu achten 153 - sechstes 423 f. - viertes 402-405,418 - Zehn 96 f. Geburt - aus dem Hl. Geist 426 - eines Menschen 391 -Jesu 424-426,876 Geburtenkontrolle 868, 1185 f., 1197 f. Geburtenregelung - Methoden zur 516 f. Geburtenverhütung 1255-1258 Gefängnis - Häftlinge des Jugendg. 277-279 Gefängnisseelsorge 277 Gefahr(en) - für den Menschen 73 f. Geheimnis(-se) - der Auferstehung J. Chr. 62 f., 81 -derEhe 6,416-420 - der Epiphanie 9, 328-330 - der Eucharistie 94, 523 - der Familie 416-420 - der Himmelfahrt 87 -der Kirche 162,1056 - der Menschwerdung/Inkamation 227 f., 298 f„ 301, 773, 874 f„ 1025, 1306 - des (christl.) Lebens 63, 283 f., 450 - des Kreuzes 80 f., 242 - des Leidens 480 - des Leidens Jesu 62 f. - des Menschen 1021 - des Tempels 440-444 - des Weizenkorns 79, 82 - Glauben an die 926 - göttliches 328-336 -Jesu Christi 926,1021 - Osterg. 558 - trinitarisches 25, 28 - von Pfingsten 9 Gehorsam(s) 13 f., 1149 -der Priester 1092-1095,1232 -evangelischer 1300, 1302 f. - gegenüber dem Papst 214, 1092 f. - gegenüber Jesus Christus 211 f. -Gelübde des 212 - hierarchischer 1092 f. -Jesu Christi 212,1092 -Marias 212 Geist(es) 1265 f. - einen 48, 164 f. - des Friedens 1005 - des Ordenslebens 175 f. 1333 - des Teilens und der Gemeinschaft 59 - Gemeinsamkeit des 219 - Kirche als Tempel des 1306 - Primat des 493 f. -und Körper 418 f. - verleiht die Kraft 1261 - von Pfingsten 42 Gelübde 182 - der evangelischen Räte 165 f., 183 - des Gehorsams 212 Gemeinde - der ersten Christen 218 f. Gemeinschaft(en) - apostolische 167 f., 1157-1159 - Arbeit bildet 1280 - bräutl. G. zwischen Gott u. seinem Volk 416 f. - christliche G. 9 f., 889-891 - der afrikan. Kirchen mit der Gesamtkirche 39 -der Christen 143-145 - der Einzelkirchen mit dem Apostolischen Stuhl 962 - der Heiligen 746, 770 - der Lebenden u. Verstorbenen 187-190 - der Liebe u. Solidarität 1239 - des chaldäischen Ritus 1013-1017 - Ekklesiologie der 162 - Familie als 25, 27 f„ 200, 381 f„ 410, 1239, 1253, 1295 f. -Ideal der 219, 1136 f. -internationale 126, 150, 1243, 1257, 1283-1293, 1294 - Kirche als (missionarische) 34 f., 50 f., 53, 58-60, 580, 785 f„ 891, 948, 982, 996, 1128-1130, 1299 f. - mit dem dreieinigen Gott 972 - priesterliche 1062-1070, 1266 -religiöse 165 - sakramentale G. mit Christus 1232 - serbisch-orthodoxe 239-240 - Universalität der katholischen 885 siehe auch: Communio u. Koinonia 1128, 1134-1138 Gemeinschaftsleben - im Sinn des Evangeliums 217-220 Gemeinwohl 57, 71, 333-342, 390 f., 1280, 1309 - der Menschheit 1257 -Dienst am 48, 75, 606, 1265 - Erziehung zum 1269 Gemelli-Klinik - Aufenthalt des Papstes in der 84 {., 89 Generation(en) - in der Familie 388 Genesis 75 f. Genforschung 729 f. - und Moral 730-732 Gerechtigkeit 70 f., 334-342, 565, 959 f„ 969, 1200 f„ 1268 - für die Frauen 1208 f. - Gottes 362 - Grundsätze der 1251 - in Afrika 55 - Norm der 31 -soziale 810,1280 -undFrieden 927, 1022, 1265 - und Gesetz 364 f. - Wahrheit und 361-365 Gericht - Jesu Christi 427 f. Gerichtshof - der Rota Romana 361-365 Gesamtkirche - Gemeinschaft der afrikanischen Kirchen mit der 39 - Ortskirche in Einheit mit der 45 1334 Geschichte - der europ. Kultur 505-510 - der Kirche von Zagreb 260, 268-273 - der Menschheit 430 - der schönen Liebe 420-424 -Italiens 505-510 - leiderfüllte G. Afrikas 55 Geschiedene(n) -Kircheund 137 f. - Schreiben über den Kommunionempfang wiederverheirateter 1228-1233 Geschlecht(er) - Gleichheit und Verschiedenheit der 104 f., 107, 1294-1297 Gesellschaft(en) 1255-1258 - Aufbau einer G. des Fortschritts u. Friedens 312, 341 f. - Aufbau einer gerechteren 160 - Aufbau einer menschlicheren 31, 123, 1249 - Bevölkerung und 1182-1185 - des apostolischen Lebens 169 - die Alten in der 153 f. - Familie als Kern -/ Keimzelle der 73, 102, 145, 151,211, 313, 409 f„ 516, 743, 985, 1176, 1239-1241, 1252, 1254, 1286, 1291-1293, 1295, 1312 - Familie und 7, 409-412, 1174 f., 1240 f. - Fortschritt der ganzen 75 f. - Grundwerte der 448-450, 1238 - in Nicuragua 969 - italienische 321-327 - Kirche und 461 f. - Laien in der 158 f., 1268 f. -mexikanische 954, 961 f., 961-964 - ohne klare ethische Anschauung 1257 -Pflichtder 71 - Säkularisierung der 992 - Umwandlung der 1267 - Verantwortliche in der 341 - Wiedereingliederung in die 278 - zeitgenössische/heutige 206 f„ 1079 Gesetz(e) - Gerechtigkeit und 364 f. - göttl. 97 f., 102 f. Gesundheit 455, 1313 - sexuelle 1288, 1292 f. Gesundheitspastoral - christliche 451 Gesundheitswesen 450 f. Getaufte(n) -jeder G. als Zeuge 228 f. Gewalt 333-342, 767 f„ 807, 1247, 1265 -gegen Frauen 1296 - im Hl. Land 39 f. - im Sudan 39 f. - in Bosnien-Herzegowina 243-247 - in Burundi 897 - in Mexiko 954, 959 - in Ruanda 39 f., 87 - Opfer aller 190 Geweihte(n) 167 f., 171, 174 - Dienst der G. an den Mitmenschen 168 - Zeugnis der 168, 178 Gewissen(s) 34, 97, 102, 426 - Appell des Papstes an das 339 -derNationen 38 - Gewissensbildung 365, 490, 1237 - Gewissenserforschung 325 f., 1074, 1272 - Gewissensfreiheit 71, 1246 f., 1251 - Gewissensprüfung angesichts des Jahres 2000 767-769 1335 Gläubige(n) - allgemeines Priestertum der 126 - Aufgabe der 85 - Diskriminierung von 1250 f. - Einheit der 931, 987 - im Irak 890 - im Libanon 890 -in Somalia 891 - liturgische Ausbildung der 1036 f. -Verpflichtung der 57 Glaube(ns) 23, 30, 144, 269 fl, 592, 974, 983, 999, 1225 - als Quelle des Friedens 894 - an Christus 191 f., 194, 1028, 1071 - an das ewige Leben 189 - an die Geheimnisse 926 - Bekehrung zum 992 - Bischöfe als wahre u. authentische Lehrer des 805,921,983,987,999 - christlicher 81, 274 f. - der Frauen im Evangelium lllf. - Einheit im 906, 948 - Erziehung zum 438, 979 - Förderung und Bewahrung des 921 - in Italien 322 - Inkulturation des 51, 368-371, 521 f„ 801 f„ 893 f„ 919, 934, 985 f„ 999, 1024, 1226 f. - Kraft die aus dem G. kommt 275 - Marias 140 f. - missionarische Anforderung an den 1261 - Theologie und 830 - und Gebet 462 -464 - und Kultur 522, 806 f., 898, 966, 1012, 1213, 1219, 1221 - und Leben 978, 994, - und Moral 978 - und Politik 1269 - und S akrament 1306 - und Vernunft 830 f. - Vollkommenheit des 191 f. - Weitergabe des 117 f., 1078 - Wissenschaft und 815-818,850 -Zeuge des 228 f., 234-237 Glaubensbekenntnis 1078 -Nizänisches 1305 Glaubensgemeinschaft(en) -Aufgabe aller 1247 f. Glaubenswahrheit(en) 425, 926 Glaubenszeugnis(-se) 22 f., 234 fl, 969 -der Alten 153 fl Gleichgültigkeit - religiöse 768 Gleichheit/Gleichberechtigung - und Verschiedenheit der Geschlechter 103-107, 113, 1293-1297 Gleichnis(-se) - Beispiele aus der Welt der Frau in den 112 - der Hochzeit von Kana 413 fl - vom barmherzigen Samariter 83 Gnade 841, 843 - der göttlichen Tugenden 193 - des Evangeliums 993 - die in Jugendlichen wirkt 147 - empfangen vom Heiligen Geist 23 -Gottes 143 fl, 893 - ist eine gerecht- und heiligmachende Lebenskraft 182 - Kirche als Zeichen der 1299 Gnadengaben - Hl. Geist als Spender der 23, 46 fl -Verschiedenheit der 48, 164 fl Götzendienst - am Mammon 208 Gott(es) -als Schöpfer 123,1265 - als Urquelle des Lebens 28 1336 -Barmherzigkeit/Erbarmen 15,35 - Bund G.s mit Israel 87 - dreieiniger 47 -Ehre 255 - Gabe Gottes 143 - Ganzhingabe an 1300 - Gerechtigkeit 362 -Geschenk 19, 602, 741, 866, 1022, 1152 f. - Gesetz 97 f., 102 - Gnade 143 f. - Heilsplan 9,99 -ist die Liebe 18 -Liebe 5-8,11,28,68,95 -Liebe zu 192,912 - Maria, Mutter 4 f., 12, 62, 64, 98, 129, 135, 194, 299 f„ 318-321, 613 f„ 1278, 1305 f. - menschgewordener Sohn 29, 33, 62 f„ 86, 747, 1305 - sakrale Musik als Lob 432-435 - Sehnsucht nach 95 -undMensch 11,38,50,71,75,86, 94 f„ 104-106, 189, 223, 1283 - unser Vater/Vater der großen Menschenfamilie 270 f., 776-778, 1265 -Weihe an 181,192 Gottesdienst(es) - Entstehung des christl. 1029 f. Gotteserkenntnis 95 f. Gottesfurcht 639 f. Gottgeweihte(n) - prophetische Dimension der 1301 f. Grab - das leere 65 f. - Frauen am G. Jesu 64, 66 Gründonnerstag 62 f., 547 - Schreiben an die Priester zum 547-553 Grundrecht(e) -Achtung der 151 -auf Leben 1286 f. -der Familie 1252 f. -des Menschen 97 f., 104 siehe auch: Recht(e) Grundsatz(-sätze) - der Gerechtigkeit 1251 - moralische 97 Grundwert(e) -Achtung der 151 - der Gesellschaft 448-450, 1238 Gut/Güter - Ehe und Familie als unersetzliches G. für die Gesellschaft 902 - Frieden als höchstes 3, 1246 -illegale 1309 - Verzicht auf G. der Erde 207 f. - zum Nutzen aller Menschen 31 f. Gute(n) - Kampf zwischen Gut u. Böse 34-36 Haus - von Nazaret 298 f. Hauskirche -Familie als 6, 8, 34, 187, 200, 234, 378, 405, 418, 457, 549, 588, 717 f„ 743, 876, 917, 924, 928, 974, 979, 1015, 1266 f. Heil(s) - aller Menschen 6 - Berufung der Menschheit zum 1176 - Dienst des 555 f. - geistliches 99 f. Heilige Drei Könige 9 Heilige Dreifaltigkeit siehe: Dreifaltigkeit 1337 Heilige Familie/Familie v. Nazaret 6-8, 115, 429-431, 853 f„ 867, 874, 876, 879 f. - als Vorbild 224, 1267 - Maria als Mutter der 845 Heilige(n) 282,444,494 - als Familie Gottes 187 - des Aostatals 236 f. - Einfluß der H. auf christl. Kultur 523 - Gemeinschaft der 746, 770 - Italiens 507-509 - kroatische 264 f., 268 f. - Perus 989 - Siziliens 284 - Verehrung der 770 Heiliger(n) Geist(es) 9, 41, 90,717, 773-775, 1028, 1128 - als Seele der entstehenden Kirche 88 - Eingreifen des 22 - Erscheinen des 11 -Gaben des 159,164,767 - Geburt aus dem 426 - Herabkunft des 624 f. -Kraftdes 421 f. - Priester und 1055 f. - Spender der Gnadengaben 23, 46 f. - Spender des Lebens 88 - weht, wo er will 48 f., 51 -Werk des 159 -Wirkendes 48,947,1304 Heiliger(n) Stuhl(s) - Aspekte des Hl. Stuhls zur Gleichberechtigung von Mann und Frau 1294-1297 - Beziehungen zwischen der kroatischen Nation und dem 156, 268 - Botschafter beim 476-479 -Delegationendes 1249-1258,1279- 1281, 1283-1297 - diplomatische Beziehungen zwischen Jordanien und 890 - diplomatische Beziehungen zwischen dem Staat Israel u. dem 333, 890 - Standpunkt des Hl. Stuhls zum Schluß dokument der Intemation. Konferenz über Bevölkerungs- u. Entwicklungsfragen 1256-1258, 1283-1293, 1311-1314 - Stellungnahme des Hl. Stuhls zur Familienplanung 1287 f., 1291-1293 - und die Republik Österreich 476-479 - und Internationale Arbeitsorganisation 1279-1281 - und Internationaler Agrarentwicklungsfonds 1242-1245 -undUNO 1249-1258,1279-1281, 1283-1294, 1307-1314 Heiüges(n) Triduum(s) 62 f. Heiligkeit 181 f., 255, 805, 921 f„ 991, 996 f., 1055, 1263 - Arbeit ist ein Weg zur 75 f. -Berufung zur 175, 191, 199, 258, 900, 921, 991, 1001 - Bischof als Beispiel der 991 - der Ehe und Familie 424, 825, 895, 902 - der Kirche 166, 183 f., 191 - des Lebens 948, 996 -Ideal der 954,969 - Kinder leben eine 143 - priesterliche 984,988 - Streben nach 998 -Weg zur 75 f„ 131 f., 138, 723 Heiligtum(-tümer) - Familie als H. des Lebens 28, 67, 223-225,253, 391,517, 1211 1338 Heiligung 83 - Arbeit als H. des Menschen 530 f. - der Kranken u. Leidenden 101 - des Ehelebens 133 - des Leidens 454 Heilsdynamik - Priester in der trinitarischen 1053 f. Heilsgeschichte - Inkulturation im Verlauf der 1027-1031 - Wende in der 147 - Zeit als 879 Heilsplan - Gottes 9, 99 - Mann und Frau im 103-106 Heilswerk - Jesu Christi 29 - Mitarbeit der Frauen am H. Jesu 113, 118 f. Heilswert - des Leidens 80-83 Heilungen 99 f. - von Frauen lllf. Herz(en) - des Menschen 34-36 - Heiligste H. Jesu 95 f. - ist die Mitte der Person 95 - Solidarität der 246 Hilfe - für die Armen 1203 - für Jugendliche 148 f. - für mittellose Familien 373 f. -humanitäre 21 Himmel 11 f. Himmelfahrt - Christi 86 f. - Mariä 140 f. Hingabe -an Gott 1300 - Jesu Christi 82 f. - Leiden wird zur 81-83 - Marias 202 - mütterliche 123 - von Mann u. Frau 394 f., 422 Hirt(en) 43 - der Gute H. (Jesus) 415 f. Hirtenamt - Treue zum H. 127 Hochschulgemeinde 1219 Hochschulpastoral 1212-1227 Hochschulseelsorger(n) 1221 - Ausbildung von 1223 f. Hochzeit - als Metapher 201 f. Hoffnung 61 f„ 81, 774 f., 872 f. - auf ewige Seligkeit 188-190, 192 - Bischöfe als Träger der 897 - Botschaft der 86 - christliche 23 -Jesus unsere 1259 - Kirche als Zeichen der 1299 - Kreuz als Zeichen der 61 -Synode der 1259 - Vollkommenheit der 192 - Zeugnis der 23 Holocaust 563 Homosexualität 108 - Beschluß des Europ. Parlaments bezüglich 37 Humanisierung - der Medizin 727 f. Humanwissenschaften 450 f. Hunger 1244 1339 Hymnen - eucharistische 94 Ideal - der Gemeinschaft 219, 1136 f. - der Heiligkeit 954, 969 Identität - der Ordensleute 1142 f. - des Priesters 1052-1070 IFAD siehe: Int. Agrarentwicklungsfonds Individualismus 400 Industrialisierung - im 19. Jahrhundert 808 f. Industriestaat(en) - und Entwicklungsländer 1245,1257 Initiation 1044 f. - Sakramente der christlichen 1261 Initiativen - pastorale und karitative 52 Inkardination - des Priesters in einer Teilkirche 1065 f„ Inkarnation - Geheimnis der 1025 siehe auch: Menschwerdung Inkulturation 45, 1024 f„ 1263 f., 1274 - des afrikanischen Ordenslebens 1275 - des Evangeliums/der Frohbotschaft 949, 1025, 1262 f„ 1302 -des Glaubens 51, 368-371, 521 f., 801 f„ 893 f., 919, 934, 985 f„ 999, 1024, 1226 f. - im Verlauf der Heilsgeschichte 1027-1031 - liturgische und sakramentale 1263 f. -Problem der 1123 - Römische Liturgie und 1023-1049 Inkulturationsprozeß - in Afrika 1260 Institution(en) -Ehe als 1255 - Familie als (heilige) 5, 145, 409 f., 1174, 1252, 1255 Instruktion - IV. Instruktion zur ordnungsgemäßen Durchführung der Konzilskonstitution über die Liturgie 1023-1049 - Donum vitae 393 f., 1196 Internationale Arbeitskonferenz - Heiliger Stuhl und 1279-1281 Internationaler Agrarentwicklungsfonds (IAO) -und Hl. Stuhl 1242-1245 Internationaler Rat siehe: Rat/Räte Internationales Büro - für kath. Erziehung (OIEC) 488-491 Intoleranz 767 f., 1249 Invasion - des Hitler-Deutschlands in Polen 608 Islam 889,975 - und Christentum 1001, 1016 Israel - Bund Gottes mit 97 - Hl. Stuhl und der Staat 333 -Volk 1027 Italienische Luftfahrt 302 Italienischer(n) Exerzitienbund(es / FIES) -17. Versammlung des 458 f. 1340 Jahr(e) - des Gebetes 377-379 - Internationales J. der Familie 3 f., 8, 16, 25, 36, 62, 73, 97 f.,180, 211, 224, 343, 374, 376, 426, 428-430, 492, 524, 549, 763 f„ 825, 844 f„ 852-860, 865-867, 874, 880, 895, 924, 944, 985, 994 f„ 1006, 1238-1242, 1252, 1267 f„ 1295 Jesus(Jesu) Christus(Christi) 221, 642 f„ 715 f„ 750 f„ 771-773, 1027 f„ 1056, 1127 f„ 1263, 1305-1307 - als Bräutigam 201, 412 f., 416-420, 426-428, 1300 - als der vollkommene Mensch 749 - als Herr des Lebens 847 - als Messias 11 - als unser Diener 63 - Anbetung 7 - Armut 207-209, 1096 -Auferstehung 66-68, 1028 - Aufruf J. Chr. an die Jugendlichen 267 - Auftrag J. an die Apostel 66 -Botschaft 66-68, 1028 - Darstellung J. im Tempel 440-444 - das Brot des Lebens 93 - das göttliche Kund 142, 223 - das Lamm Gottes 68 - der Erlöser 7, 67, 77, 86, 100, 112 f„ 748 -752, 912, 983, 993, 1261, 1265, 1268 - der Gute Hirt 415 f. - der menschgewordene Sohn Gottes 29, 33, 62 f„ 86, 747, 1305 - der Richter 427 f. - der Zimmermann 76 f. -Erlösungsopfer 77, 94, 751 f. - führte ein Leben in Armut 207-209, 1096 -Gebet 1075 f. - Geburt 424-426, 876 - Gegenwart 220, 225 f., 633 -Geheimnis 926, 1021 -Gehorsam 212,1092 - Gehorsam gegenüber 211 f. - Gericht 427 f. - Glaube an 191 f„ 194, 1028, 1071 - gottgeweihtes Leben in J. Chr. begründet 172-175 - Heiligste Herz 95 f. - Heilswerk 29, 113, 118 f. - Hingabe 82 f. -Hingabe an 173 - im Todeskampf 12-16 -ist das Licht/Licht der Völker 6-9, 223, 442 f. - ist der Mittler zwischen Gott u. den Menschen 748 f. - ist der wahre Weinstock 283 f. - ist der Weg, die Wahrheit und das Leben 969 - ist derselbe gestern, heute u. in Ewigkeit 430 f., 747 f„ 1261 -ist unser Friede 20, 68, 351, 353, 355, 560 f. - Königtum 29-32 -Kreuz 61 f„ 531-533 -Kreuzesopfer 77, 751 f. -Leben 424-426 - Leiden 80-83 -Liebe 132 f„ 191 f., 1014 - Mitleid J. mit den Kranken (Leidenden) 99 - Nachfolge 67, 76 f., 82, 233, 264, 282, 1299 f„ 1301 - Offenbarung des auferstandenen 66 -Opfertod 81,113,203 - Paschamysterium 592 - prophetisches Amt 22-25, 43 f., 53 -Ruf 172 f„ 176, 191 f„ 1299 f. 1341 - sakramentale Gemeinschaft mit 1232 - schenkt der Welt das Leben 1265 -Taufe 10-12,330 -Tod/Kreuzestod 62 f., 68, 1028 - Tränen 290 -Treue 132 -Treue zu 51, 204 f„ 269 - und die Kinder 142 f. - und die Kirche 6 f., 109 f., 114, 128, 132 f., 201-204, 416-420, 426-428 -undFrauen 111 f., 127 f., 174 -und seine Jünger 29 f., 65, 176, 208 f. - unsere Hoffnung 1259 - verleiht den Aposteln Vollmacht 66, 127 - Vollmacht J. von Sünden zu befreien 99 f. - wahrer Gott und wahrer Mensch 194, 1305-1307 -Wahrheitüber 948, 963, 1009 - wesensgleich mit dem Vater 11, 86 -Wille 127, 172 f. - Wunder 99 Journalismus 356-359 -katholischer 790 f. Jubeljahr(e) - 2000 194 f„ 358, 644-653, 747-781, 973 - als Gnadenjahr 755 f. - christologischer Charakter des 771-773 - Tradition der 753-757 -Vorbereitung des großen 747-781 Jubiläum - 700-jähriges J. des Lauretanischen Heiligtums 216 - der Ausdruck Jubiläum 756 f. Juden - und Christen 564, 889 Jünger - Emmaus-J. 65 f. - Jesus Christus u. seine 29 f., 65, 176, 208 f. - Sendung der 29 f. - Teilhabe der J. am Opfertod Christi 81 - Vollmacht der 29 f. Jugend 147, 253-255, 257 f„ 1022 - Bedeutsamkeit der 254 f. - Bildung der 1274 - christliche Erziehung der 144 f., 331, 887, 903, 928, 1002 f„ 1015, 1081, 1274 - Dialog mit der J. in Afrika 1276 f. - Probleme der 254 - Schreiben an die J. der ganzen Welt (1985) 780 - und Kirche 147-150 - Wallfahrt der J. nach Loreto 303 -Welttag der 56, 61, 141, 267, 533- 536, 648 Jugendkatechese 945 f. Jugendliche(n) 56, 178, 252-255, 294, 510 f„ 541-544, 620, 634 f„ 903, 979, 1005, 1304 - als Gesandte 535, 543 f. - als Wegbereiter der (Neu-) Evangelisierung 148, 511, 933 f. - Apostolat der 149 - Arbeitslosigkeit der 529 f. - Aufruf Jesu an die 267 - Begeisterung der 156 -Berufung der 253-255, 281 f., 941, 951,985, 998 f. - christliche Erziehung der 144 f., 331, 887, 903, 928, 1002 f„ 1015, 1081, 1274 1342 - der Kath. Aktion 26 f. - geistliche Kraft der 148 - Gnade die in J. wirkt 147 -Hilfe für 148 f. - in Kroatien 266 f. - in Sizilien 279-283 -Kirche und 147-150 - Lebensplan des 253-255 -Papst und 279-283 -straffällige 277-279 -und Kirche 147-150 Jugendpastoral 438,903,934,951, 979 Jungfräulichkeit 195-198, 1299 f. - als freiwilliger Verzicht 196 - eschatologische Bedeutung der 203 Jungfrau -Maria 94, 105, 202, 215, 221, 773, 777 f„ 1305 f. Kalender - liturgischer 1046 Kampf/Kämpfe - gegen die Armut 810 - geistiger K. gegen die Mächte der Finsternis 80 -in Angola 193 -innerer K. des Menschen 34-36 - zwischen Gut u. Böse 34-36 Kardinal/Kardinäle 644 f. - Ernennung neuer 185 f., 205 f., 823-828 - Kardinalskollegium 819 f. - Kardinalswürde 825 f. Karfreitag 532 - Tag des Leidens 63 Karwoche 62, 531-533, 543 - als Heilige Woche 532 f. Katechese 625, 627, 772 f„ 914, 919, 948 f„ 970, 979, 998 f., 1005, 1015, 1072, 1080 f., 1261 - 9. Vollversammlung des Intern. Rates für die 696-699 - der Kinder 796 -derLiebe 571 f. - in Kenia 945 - Jugendk. 945 f. - Neubelebung der 992 f. - Rolle der Frau in der 118 - Verpflichtung zur 445 - Wort Gottes und 1080 f. Katechet(en)/Katechisten 592 f., 898 f., 944, 1002, 1005 - Ausbildung der 898,944,1081 - Eltern als K. ihrer Kinder 974 - Frauen als 118, 1002 f. -in Afrika 1275 - Itineranten-K. 342-344 Katechismus - als Kompendium der Lehre der Kirche 627-629 - Burundis 900 - der Katholischen Kirche 119 f., 125, 134 f„ 627-629, 646 f., 773, 886 f., 974, 992, 1081, 1103 - im Dienst der Einheit u. Universalität der Kirche 628 f. Katechismusunterricht 52 Kathedrale - Brief zur 750-Jahrfeier der K. von Sarajevo 838-840 - Brief zur 800-Jahrfeier der K. von Chartres 677 f. Katholik(en) - an der Universität 1218 - Anglikaner und 744 f. -Bildung der 1015 - des chaldäischen Ritus 1013 1343 - im arabischen Raum 889 f. - im Iran 939 f. -im Tschad 1000 - in Italien 325 - in Kroatien 260 - in Mexiko 960 -inPakistan 976 - Lutheraner und 465 f. - und Orthodoxe 10,19 Katholikentag - Botschaft zum 92. Deutschen K. (Dresden) 654 f. Katholische Aktion 25-27, 41, 60, 158,215 - Zielsetzung der 60 Katholizismus - afrikanischer 50 f. Keuschheit -gottgeweihte 195-198,201-204, 1150 Kind(es/er) 224, 386, 517, 640, 1286 - K. im Jahr der Familie 217, 221 f., 853-860 -als Geschenk 130,390 - als Missionare 617 - als Opfer von Krieg und Gewalt 190, 312, 470 f., 1247 - als Vorbild auch für Erwachsene 856 f. - als Zukunft des Friedens 312 f. - Aufnahme der K. in die Gemeinschaft der Christen 143-145 - behindertes 846 - Brief an die K. im Jahr der Familie 217, 221 f„ 853-860 - christl. Erziehung der 144 f., 331, 887, 903, 928, 1002 f„ 1015, 1081, 1274 - das göttliche 142, 223 - Erziehung der K. (durch Frauen) 117 f„ 485, 588, 640 - Evangelium des 856-858 - Femsehgewohnheiten der 604 f. -Gebet und 144,858 - geistl. u. moralische Formung der 133 - Hinführung der K. zu den Sakramenten 144 -imAT 142 - Jesus Christus u. die 142 f. - Katechese der 796 - leben eine Heiligkeit 143 -Leid der 132, 143 f„ 854 f. - Liebe für die 856 -Persondes 123,134,1314 - religiöse Feiern für 144 - Rolle der K. in der Kirche 142-145 - Sorge um das 867 -Straßenk. 312 - unehelich geborene 886 - Wahrheit des 856 f. Kinder Gottes 11,143 -Freiheit der 1135 Kindermissionswerk(es) - Botschaft zur 150-Jahrfeier des 617 Kindesmord 1189 Kirche(n) 14, 50, 86 f„ 268-273, 321-327, 368-371, 435-440, 476-479, 493-495, 502-505, 511-513, 574-579, 592-601, 607 f„ 615 f„ 744 f„ 806 f„ 822 f., 831-834, 839 f., 852, 885-888, 930, 1005, 1031 f„ 1261 - als (missionarische) Gemeinschaft (,siehe auch: Communio) 34 f., 50 f„ 53, 58-60, 580, 785 f., 891, 948, 982, 996, 1128-1130, 1299 f. - als Braut Christi 201, 416 f. - als Dienerin der Menschen 70 1344 - als Erbauerin der Einheit 954 - als Familie (Gottes) 16, 187, 551 f., 1001, 1264-1269, 1272 - als Leib Christi 1306 - als Märtyrerkirche 205 f., 769 - als priesterliches Volk 163 f. - als Tempel des Geistes 1306 - als Zeichen der Hoffnung und der Gnade 1299 - Assyrische K. des Ostens 194,781-783 - auf dem Pilgerweg 355 f. - Aufbau der 57 - Aufgabe der 30, 53, 70 -Auftrag der 271 f. - Autorität der 1037 f. -Berufung der 17,191,968 - Dialog innerhalb der 1264 - Dienst der 114 - Einheit der (K. als Sakrament der Einheit) 16 f„ 48, 58, 109, 194, 625 f„ 775, 781-783, 813-815, 877, 885, 967, 996 - Einzelk. 962 - Entfaltung der 48 - Erneuerung der 953 - Fortschritt der 147 -Fraueninder 103,116-119,131, 622 f. - Gebet der 1076 - Geheimnis der 162,1056 - Gesamtk. 39, 45 - griechisch-katholische 348-351 - Gründung der 147 - Heiligkeit der 166, 183 f., 191 - Heilswirken der 98-101 - Herausforderung für die 436 f. - Hierarchie der 165, 581 f. - im 3. Jahrtausend 358 f. - in der Vorbereitung auf das Jahr 2000 761 f. - in Krisengebieten 241-243 - in unserer Zeit/der Gegenwart 47-49, 768 f. - ist Mutter u. Ixhrmeisterin unseres Glaubens 321, 914 - Jesus Christus u. die 6 f., 109 f., 114, 128, 132 f„ 201-204, 416-418, 426-428 -juristische Anerkennung der katholischen 1005 -katholisch orientalische 9 f., 649 - katholische K. u. orthodoxe 350, 354, 813-815, 1007 - Kinder inder 142-145 - kirchliche Vereinigungen und 170 f. -Laien in der 29, 51-54, 57-60, 158- 161 - lateinische K. von Jerusalem 890 -Lehre der 104, 120, 1230 - Leiden u. Demütigungen der 348 -Liturgie und 1031 f. -Maria, Mutterder 89, 109 f., 141, 206, 295, 319-321, 613 f„ 1278 - missionarische 54, 179 f., 779 f. - Morallehre der 15 -Nächstenliebe der 137 - Ordensgemeinschaften und 165 f., 1120 - Ortsk. 45, 52 f„ 1160-1163, 1262, 1265 f. -Ostk. 9f„ 1303 -Ostk. 9 f., 1303 - ökumenische Beziehungen zwischen chaldäischer u. katholischer 1015 - pastorale Tätigkeit der 1261 - Pflicht der 9, 144 - Priester und 1056 f., 1062 f. - Sendung der (ad gentes) 46, 55, 58-60, 598 f„ 960 - Solidarität der 137 - Sorge der K. für die Familie 945, 958, 1228 1345 - Soziallehre der 160, 315-317, 360, 755,760, 808-813, 833, 869 f„ 894 f„ 898, 903, 908, 920, 932, 937 f., 949 f„ 966, 969, 976, 1002, 1201-1203, 1280 -Teilk. 1033, 1065 f.,1301 - Theologie und 829-831 - Treue zur 921 - und Mensch 25, 46, 70, 152-154, 374 - und Alleinstehende 135-138 - und Familie 7, 46, 375, 618-620, 1238-1242 - und Frieden 1237-1242 - und Geschiedene 137 f. - und Gesellschaft 461 f. - und Jugendliche 147-150 - und Kranke(Leidende) 98-101 -und Kultur 520-524 - und Kunst 486-488 - und medizinische Wissenschaft 849 f. - und soziale Kommunikationsmittel 422-424 - und Staat 833 f. - Universalität der katholischen 186, 205, 340, 950, 1260 -Universalk. 1033 -Urk. 47,49,137 - V erantwortung der 177 - Vielfalt der Dienste in der 42 -Weg der 25,46, 374 f. - Zusammenarbeit unter den 1262 Kirchenmusik 432-435 Klausurschwester 87 - kroatische 266 Kleidungsvorschriften -kirchliche 1095 Klerus 171,890 - liturgische Ausbildung des 1036 f. - Weiterbildung des 649 Königtum - Jesu Christi 29-32 Körper -Geistund 418 f. Koinonia 892 siehe auch: Communio u. Gemeinschaft Kollegium(s) -Kardinalsk. 819 f. Kolonialzeit - Ungerechtigkeiten der 39 Kommission - Internationale Theologische 829-831 - UNO-Menschenrechts-Kommission 1249-1254 Kommunion - über den Kommunionempfang wiederverheirateter Geschiedener 1228-1233 Kommunitäten -neue 171 Kommununikationsmittel(n) -Familie und 619 f. - Kirche und soziale 422-424 -moderne 1080, 1141 - soziale 603-607, 920, 936, 958 f., 1272 f. - V erkündigung in den/durch die 357 f„ 937 Konferenz - 4. Weltk. über die Frauen (Wien) 1294-1297 - der lateinischen Bischöfe im arabischen Raum 889-891 - für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1243 1346 - Intonation. K. für Bevölkerung u. Entwicklung (UNO; in Kairo) 73, 124 f„ 139-141, 145, 150, 514-520, 524-526, 868, 1176-1211, 1255-1258, 1283-1293, 1311-1314 - Internationale Arbeitsk. 1279 f. - Internationale Emährungskonferenz 1243 - Interreligiöse K. für Frieden und Toleranz 1246-1248 - Menschenrechtsk. in Teheran 1256 - Weltministerk. über das die nationalen Grenzen überschreitende organisierte Verbrechen 1307-1311 Konflikt(e) - Dialoge zur Lösung von 1248 -ethnische 1248 - in der Familie 311 Kongregation(en) - der Dominikanerinnen von der Darstellung der sei. Jungfrau Maria 794 f. - der Maestre Pie Filippini 791-793 - der Passionisten 691-694, 734-736 - der Schwestern von der Hl. Familie u. dem Hl. Herzen 796 - für das katholische Bildungswesen 1212-1227 - für den Gottesdienst und die Sakra-mentenordnung 1023-1049 - für den Klerus 1050-1117 - für die Evangelisierung der Völker 804-806 - für die Glaubenslehre 1228-1233 - für die Institute des geweihten Lebens 218, 1118-1173 - für die Orientalischen Kirchen 348-351 Kongreß -1. Lateinamerikan. K. über die Berufungen 435-440 - Nationaler Eucharistischer K. (Siena) 93-95, 632-637 Konsistorium 818-822 Konstitution, Apostolische siehe: Apostolische Konstitution Konsumgesellschaft 279 f., 468 Kontemplation 171 Konzil(s) - Konzilskonstitution über die Liturgie 1023-1049 - von Ephesus (431 n. Chr.) 194 -von Trient 198 - Zweites Vat. K. siehe: Zweites Vatikanisches Konzil Kranke(n) 304 f„ 456-458, 1270 - Dienst an den 101, 904 - Heiligung der 101 - II. Welttag des 452-458 -Kirche und 98-101 - Mitleid Jesu mit den 99 - Selbstaufopferung der 101 Krankheit 304 f. - als eine Zeit vertieften Glaubens 100 f. Kreuz(es) 81, 133, 556 f„ 736, 1135 - als Zeichen der Hoffnung 61 - als Zeugnis der Liebe Gottes 61 -Christi 61 f„ 531-533 - Geheimnis des 80 f., 242 - heilbringendes K. des Erlösers 239, 556 f. - und Auferstehung 62 f. Kreuzesopfer - heilbringendes K. Jesu Christi 77, 751 f. Kreuzestod - Jesu Christi 62 f., 68, 1028 1347 Kreuzweg 532 Krieg(e) 20, 332-342, 877 f„ 1240, 1265 - auf dem Balkan 13, 269 f., 351-356, 1021-1023 -Bruderk. 1270 - im arabischen Raum 889 - im ehemaligen Jugoslawien 1246 -in Afrika 1270 - in Bosnien-Herzegowina 243-247, 259, 339, 351, 470 f., 496 - in Europa 447 - in Ruanda 637 f., 1282 - Opfer des 190, 312, 470 f„ 1247 -weltweiter 14 Krippe - in Bethlehem 222-225, 227 Krise - der Familie 886 f., 1254 - der modernen Kultur 228 f. - der Moral des Lebens 146 - der Vernunft 802 -derWahrheit 961 - der Werte 905 - zwischenmenschl. Beziehungen 146 Kultur(en) 345-347, 492, 920, 966, 1274 - christliche 522 f. - der Legalität 1307-1311 -derLiebe 258,396,885 -der Moral 1307-1311 - der Solidarität 250, 271, 294 -des Friedens 261 f., 1002 - des Lebens 517 -des Todes 517,561 - europäische 505-510 - Evangelisierung der 521 f., 966, 1011 f. - Glaube und 522, 806 f„ 898, 966, 1012, 1213, 1219, 1221 - hedonistische u. permissive 73 f. -italienische 322,505-510 - Kirche und 520-524 - Krise der modernen 228 f. - mündlich überlieferte 1264 - universitäre 1212-1227 - Vermittlung eigener u. anderer 1274 Kunst 1040 - in der Sixtinischen Kapelle 567-571 - Kirche und 486-488 Kurie, Römische siehe: Römische Kurie Laie(n) 170 f„ 435-440, 504, 890, 898, 903, 934, 938, 961 f. - aktive Teilnahme der L. an der Eucharistiefeier 159 f. - als Baumeister des Friedens 968 -als Zeuge 23,31 - Apostolat der 41-44, 52 f., 57-60, 137,415, 579-585, 1224-1226 - Aufgaben der 22, 31, 43 f., 51-54, 71 f„ 920, 986, 1012, 1275 - Ausbildung der 160, 945, 962, 968, 989, 1002, 1006 - Berufung der 22 f., 30, 41-44, 57, 70 f„ 104, 968 - Charismen der 46-49 -christliche 71 f„ 158-161, 324 f„ 1012, 1269 - Dienst der 24, 69-72 - Einsetzung der L. durch Christus 22 - Evangelisierung durch 24, 42, 44, 915, 986 -im Tschad 1002 - in Costa Rica 907 f. - in der Gesellschaft 158 f., 1268 f. - in der Kirche 29, 51-54, 57-60, 158-161 1348 - in Kenia 945 -in Kuba 950 f. - in Mexiko 965 -inPanama 978 f. - Laienvereinigungen 59 f. - Legitimation der 43 - neues Leben der 159 - Ordensleute und 171, 1171 f. - Pflicht der 31 -Priesterund 43,52,171,1067-1069 -Rechtder 58 - sakramentales Fundament für die 41-44, 46 - Sendung der 24, 41-44, 158 - Teilhabe der L. am Königtum Christi 29-32 - Teilhabe der L. am prophet. Amt Christi 22-25, 43 f., 53 - Teilhabe der L. an der Entfaltung des Reiches Christi 41-44 - Teilhabe der L. an der Sendung der Kirche 51-54,58,70,492 - Theologie der 31, 42, 46 - theologische Schulung der 160 - Verantwortung der 72,158 - Zusammenarbeit der 31 Laienvereinigungen - Approbation der 59 f. Landflucht 1178 Landwirtschaft 834-836 Leben(s) 69, 867 f. - Achtung vor dem 134 f., 1283-1289 - als Geschenk Gottes 866, 1265 - Bedrohung für das 79 f. - besiegt den Tod 66 f. -charismatisches 170 -christliches 59, 63, 143, 159, 967, 1263 f. -Dienstam 480,818 -eheliches 133 - Evangelium des 224, 450 - ewiges 23, 69, 96 f„ 188 f„ 192 - Familie als Heiligtum des 28, 67, 223-225, 253, 391, 517, 1211 - Förderung des 815 - für andere hingeben 79 f. - Geheimnis des 63, 283 f., 450 -geistliches 35 f„ 160, 169, 1073- 1075 - Gemeinschaften des apostolischen 167-169 -Glaubeund 978,994 - Gott als Urquelle des 28 -gottgeweihtes 162-178,181-185, 190-193, 198, 206-209, 217-220, 965, 1010, 1016, 1273, 1297-1305 - Heiligkeit des 948, 996 -Jesu 424-426 -Kultur des 517 -Liebe zum 817 -menschliches 34, 37, 73, 134, 1204, 1253, 1291 - Moral des 146 - nach den evangelischen Räten 1302 -neues 35 f., 147, 159, 1261 - Offensein für das 119 f. - Päpstl. Akademie für das 450-452, 868 f. - priesterliches 1050-1117 - Projekt gegen das 1268 - Recht/Grandrecht auf 70 f., 97 f., 134 f„ 151, 425 f„ 784, 816, 1244, 1286 f. -sakramentales 159 - Schutz des 139, 815, 979, 1255 - Sinn des 86 -Unantastbarkeit des 70 f., 815-818 - Weitergabe und Erziehung des menschl. 130, 515 f„ 1204, 1286 f. -Wert des 868,1313 - Wort Gottes und 1079 f. -Würdejedes menschlichen 928 1349 Lebensqualität - des Menschen 1244 Legalität -Kultur der 1307-1311 Legitimation - der Laien 43 - einer moralischen Unordnung 37 Lehramt - Treue zum kirchlichen 906 Lehre(n) -der Kirche 104,120,1230 - der Theologie 1219 - Einheit in der 430 - über das Apostolat der Laien 41 - von den S akramenten 41 Leib(es) Christi - Aufbau des 57 -Kirche als 1306 - mystischer 22,51,417 Leid(en/ens) 15, 80-83, 479 f. - der Kinder 132, 143 f„ 854 f. - der Kirche 348 - Evangelium des 81 f. - heilbringendes/Heiligung des 452-455 - Heiligung des 454 - Heilswert des 80-83 - im Balkan 8 - in Ruanda 126 - Jesu Christi 80-83 - Marias 454 f. - menschliches 80 - Mysterium/Geheimnis des 480 - Theologie des 82 f. -Trost im 143 f. - wird zur Hingabe 81-83 Leidende(n) - Apostolat der 80-83, 98 f. - Dienst an den 26, 101, 904 - Heiligung der 101 - Mitleid Jesu mit den 99 - Würde der 98 f. Leidens Verständnis - christliches 453-455 Letztes Abendmahl siehe: Abendmahl Licht -Christi 6-9, 31, 442 f. - der Völker 223 Lichtmeßfeier 440-444 Liebe 25-27, 30, 70, 79 f, 192 f„ 255, 294 f., 310, 399-402, 593, 597 f., 639, 716 f„ 741, 787, 812, 927, 951 f., 988, 1011, 1135, 1157, 1238 -brüderliche 218 f., 593 - christliche 940 - der Eheleute/eheliche 110 f., 119 f., 123, 132 f., 202, 413, 417 f., 1192 -Dialog der 18,1263 - Dienst der 249 f., 903 f„ 997 - Einheit in der 220, 948, 954 - erbarmende 35 -erlösende 133 -Familieund 371-374,1239 - für die Kinder 856 - Gebot der 403, 961 - gegenseitige 218 f. -Gott ist die 18 -Gottes 5-8,11,28,61,68,95,1121 - Jesu Christi 132 f., 191 f„ 1014 -jungfräuliche 202, - Katechese der 571 -Kulturder 258,396,885 - pastorale 988 f., 1077 - schöne 420-424, 863 f. - Universalität der 192 f. - verantwortliche 862, 867 f. - Verlangen nach 383 f. - wahre 32 f. 1350 - Zeugen der 249 f. - Zeugnisse der 1014 - Zivilisation der 32 f., 45, 108, 295, 396-399, 404 f„ 777, 941 - zu den Armen 207, 1164 -zu Gott 192,912 -zumLeben 817 - zwischen Mann und Frau 107 Liturgie 52, 118, 349 f„ 650, 991 f„ 1094 - der drei Kartage 62 f. - Gesten und Haltungen in der 1039 f. - Musik und Gesang in der 1039 - Römische L. und Inkulturation 1023-1049 - Stunden! 1046 -und Kirche 1031 f. - vom Fest der Taufe Jesu 11 f. - vom Gründonnerstag 547 Lutheraner - und Katholiken 465 f. Machtstreben 1269 Märtyrer 348, 769 f. - aus Afrika 601 - bezeugen die Gegenwart Christi 225 f. - der Liebe 472 f. - in Rom 506 - M.missionare 56 -Märtyrerkirche 205 f., 769 Mafia 278 Magier siehe: Sterndeuter Manipulation - der Wahrheit 422 f. Mann/Männer - als Abbild Gottes 27 f. - als Ehemann 886 - Hingabe des 394 f.,422 -undFrau 103-106,113,131,146, 1294-1297 -Verantwortung des 1257 f. Maria(s) 26,221,539-541,612-616, 773, 775, 841-845 - als Urbild der Kirche 180 -als Vorbild 108, 111, 117 f., 121, 202, 1304 - frei von Erbsünde 215 - Gebet zu/Bitten an 85, 140 f., 303 f„ 1117 -Gehorsam 212 - geht uns auf dem Pilgerweg voraus 21, 140 f. - Glaube 140 f. - Himmelfahrt 140 f. -Himmelskönigin 78 f. - Hingabe 202 - in M. offenbart sich Bedeutung der Frau 105 f„ 139 - Jungfrau/die selige Jung- ffau/jungfräuliche Mutter 94, 105, 202, 215, 221, 773, 777 f„ 1305 f. - Königin des Friedens 4 f., 21, 141 - Leiden 454 f. - Magnificat 300 - Mutter der Barmherzigkeit (u. a.) 68 f„ 111, 215, 629 f. - Mutter der Hl. Familie 845 -Mutter der Kirche 89, 109 f., 141, 206, 295, 319-321, 613 f., 1278 - Mutter der schönen Liebe 420-424 - Mutter Gottes (Theotokos) 4L, 12, 62, 64, 98, 129, 135, 194, 299 f., 318-321, 613 f., 1278, 1305 f. -Mutterschaft 121,318-321 - Rolle M.s im Leben der Priester 1097 f. - Stern der Evangelisierung 39, 45, 539-541 1351 - Tränen 290-294 - unbefleckte Empfängnis 214-216, 540, 841-845 - und Josef 421-424 - Verkündigung 297 f., 420 f. - Vertrauen auf die Fürbitte 267, 272, 275 - wirkt am Erlösungswerk Christi mit 106 -Zustimmung 106 Marienfeste siehe: Fest Marienheiligtum(-tümer) 252 - der Muttergottes der Tränen (Syrakus) 290-294 -vonLoreto 215 f., 297-301, 510 Marienmonat -Mai 629 f. Marienverehrung 7 f., 1074, 1097 f. Mariologie - anthropolog. Bedeutung der Grundaspekte der 105 f. Marktwirtschaft 359-361 Martyrologie(n) 770 Massaker 115 - in der Moschee in Hebron 40 -in Ruanda 103,1282 Medien/Massenmedien 1080, 1141 - als neue Kultur mit eigener Sprache u. spez. Werten 1272 - als Werkzeug für die Evangelisierung 357 f„ 936 f. - Bedeutung der 357 - der soz. Kommunikation siehe: Kommunikationsmittel, soziale - im Dienst von Kunst u. Verkündigung 486-488 - katholische Präsenz in den 487 - kritische Beurteilung der 1273 - Verkündigung in den/durch die modernen 357 f., 937 Medienerziehung 606 Medizin - Humanisierung der 727 f. Mensch(en) -Achtung des 1251 - als Abbild Gottes 11, 71, 75, 104 f., 189, 1283 - als Person 385, 731, 1255-1258 - als vollkommenes Geschöpf Gottes 534 f. -alte 152-154 - Arbeit als Heiligung des 530 f. -Berufungdes 11, 414, 972, 1127 f. - Bestimmung des 86, 281 - Dienst am 137, 728, 912, 968, 1279 - Erschaffung des 379 f. - Evangelisierung aller 29 f. - Freiheit des 811 - ganzheitliche Entwicklung des 515 - ganzheitliche Erlösung des 55 -Geburteines 391 - Gefahr für den 73 f. - Geheimnis des 1021 - Gott und 38, 50, 86, 94 f„ 106, 189, 223 - Grundrecht des 97 f., 104 - Heil aller 6 - Herz des 34-36 - heute 86 - innerer Kampf des 34-36 - ist das Kriterium sozialen Wirkens 1280 f. -Leben des 34, 37, 73, 134, 1204, 1253, 1291 - Lebensqualität des 1244 -Naturdes 110, 380 f., 1204 -Naturgesetz des 97 f., 102 f. - religiöse Dimension des 1249 1352 - und Familie 25, 380 f. - und Kirche 25, 46, 70, 152-154, 374 - wahres Recht des 37, 1308 - Wahrheit über den 423, 425, 943, 963, 1009 -Wert des 70,135 -Würde des 37, 135, 391, 809-813, 950, 1200 f„ 1244, 1279, 1283 f. - Zusammenarbeit aller 55 Menschenrechte 404, 477, 1022 - Allgemeine Erklärung der 13, 73, 145, 245, 1252 - der Frau 1294 -grundlegende 1249, 1257 - im Tschad 1002 - Verletzung der 13 f. Menschheit 15, 32, 150 - Bedürfnisse der 1244 - Berufung der M. zum Heil 1176 -Einheit der 113 - gemeinsames Erbe der 102 - Gemeinwohl der 1257 - Geschichte der 430 -Zukunft der 125, 145 f., 1257 f., 1283 Menschheitsfamilie 3, 371, 375, 1255, 1266, 1283 -Einheit der 1023 - Friede für die 309-315 -Zukunft der 1271 Menschlichkeit - Familie als Schule der 4 f., 588, 1240 Menschwerdung 25, 69 f., 223, 318 f„ 375 f„ 747-752, 1027 - des Sohnes Gottes 224, 946 - Geheimnis der 227 f., 298 f„ 301, 773, 874 f„ 1025, 1306 siehe auch: Inkarnation Messe - für die Brautleute 638-641 Messias - Jesus Christus als 11 - Worte der Propheten über den 65 Meßbuch 1043 f. Migranten - Botschaft zum Welttag für die 672-675 Migration(en) 200, 518 f., 1178 Militärseelsorge 496-498 Mission 649, 1168 f„ 1261 - der Kirche 54, 179 f., 779 f. - Familie und 618-620 - Ordensleute in der 180, 800 f., 1168 f. Missionar(e) 535 f. - heroischer Glaube der 61 -inAfrika 599 -Kinder als 617 - Märtyrerin. 56 - Würdigung der 1261-1263 Missionsarbeit - christlicher Familien 179 f. Missionsinstitut(e) 1262 Missionsschwester(n) - vom hl. Petrus Claver 595 f. Missionswerke -Päpstliche 179 f. Mitarbeit - der Laien in der Kirche 53, 59 Mitleid - Jesu mit den Kranken (Leidenden) 99 Moral 1255 - christliche 932 -des Lebens 146 1353 - Genforschung und 730-732 - Glaube und 978 -Kultur der 1307-1311 - Wissenschaft und 729-734 Morallehre 450 - der Kirche 15 Mord - an Weißen Vätern in Algerien 229 - dreier Bischöfe in Ruanda 1282 Motu proprio - zur Errichtung der Päpstl. Akademie für das Leben 450 f. - zur Errichtung der Päpstl. Akademie für Sozialwissenschaften 315-317 Musik - sakrale M. als Lob Gottes 432-435 - und Gesang in der Liturgie 1039 Muslime 240 f. - Christen und 240, 975, 1003, 1174 f., 1265 Mut - zur Vergebung und Brüderlichkeit 87, 274 f. Mutter/Mütter 594 -Ehre von Vater und 402-405 - Frau als 537 f„ 886 -Kirche als 321,914 -ledige 137 f. Mutterschaft 538 f., 594, 640 - als Teilhabe an der Schöpfungstätigkeit Gottes 123 -Berufung zur 123 - eine Schlüsselposition der Frau 121 -124, 126-129, 518, 1295 f. - Formen geistiger 123 -Marias 121,318-321 - verantwortliche 129-131 -Wert der 121,412 Muttertag 86 Mysterium siehe: Geheimnis Nachfolge - beinhaltet Verzieht 17 3 f., 191 - Frauen in der N. J. Chr. 112, 127 f., 174 - freie Entscheidung bei der 173 f., 181 - Jesu Christi 67, 76 f„ 82, 233, 264, 282, 1301 - Ruf J. Chr. zur Nachfolge 38, 172 f„ 176, 182, 191 f., 1299 f. Nächstenliebe 144, 192, 971 -der Kirche 137 - Frauen als Repräsentantinnen der 118 - pastorale 1266 - tätige 76 f. - Werke christlicher 175 Nahrung -geistige 1247 -Rechtauf 1244 Nation(en) - Gewissen der 38 -lettische 511-513 - Verantwortungsbewußtsein der 38 - Vereinte N. siehe: UNO - Verpflichtung der reichen 39 Nationalismus 340 f. Natur - der Familie 1239-1241 - des Menschen 110, 380 f., 1204 -Naturressourcen 1244 - Schönheit der 233-237 Naturgesetz 107 -des Menschen 97 f., 102 f. 1354 Neuevangelisierung 10, 39, 53, 458 f„ 643, 735, 801 f., 840, 850, 885 f„ 926, 949, 953, 969 f„ 1013, 1050, 1071 f., 1116, 1303 f. - als Aufruf zur Bekehrung 1071 - als klare Verkündigung des aufer-standenen Christus 953 - Familie als Herzstück der 544-547 - Gebetsapostolat und 836-838 - in Afrika 369 - in Lateinamerika 435 f. - in Mexiko 963 - in Paraguay 983 - Jugendliche als Wegbereiter der 148, 511, 933 f. -Synodenund 759 Nihilismus 96 Nord-Süd-Gefälle 1268, 1271 Norm(en) 365, 1093 - der Gerechtigkeit 31 - liturgische 1094 - moralische 37, 110, 975 f. - sittliche 36-38, 461 f. Noviziat(en) 1276 - Erzieher in den 1273 f. Ökumene 17, 464 f., 744 f. Ökumenismus 50, 782 f. Öl(e) - heilige 63 Offenbarung 993 - Buch der O. des Johannes 79 - der Liebe Gottes 27 f. - des auferstandenen Jesus 66 - des Geheimnisses des Tempels 442 f. - des göttlichen Geheimnisses 328-330 OIEC siehe: Internationales Büro für kath. Erziehung Opfer 15,619,636 - aller Verbrechen u. Gewalt 190 - des Krieges u. der Gewalt 190, 312, 4701, 1247 - eucharistisches 1033 - unschuldige Menschen als 13 - unverantwortlichen Verhaltens 1286 Opfertod -JesuChristi 81,113, - Teilhabe am 203 Opus Dei 544-547 Orden - in den Universitäten 1219 Ordensberufung(en) 600 f., 1010 f., 1015 Ordens gehorsam 212 f. Ordensgemeinschaft(en) 166, 1118-1173 - vom hl. Josef 444-446 - als apostolische Gemeinschaft 1157-1159 - als Ausdruck der kirchlichen Com-munio 1128-1130 - als Ort des menschl. Reifens 1142-1145 - als Schola Amoris 1136 - Austausch unter 1138-1142 - Autorität in 1152-1155 - Brüderlichkeit in 1155-1157 - der Benediktiner 506 - der Dominikaner 794-798, 800-804 - der Franziskaner 641-644, 796 f. - Einbindung der O. in das Leben der Armen 1163-1165 - gemeinsames Beten in 1131-1134 - in der Ortskirche 1160-1163 1355 - in Missionsgebieten 180, 800 f., 1168 f. -Kleine 1165 f. - Nachwuchsmangel der 176 f. - Pfarrgemeinde und 1161 f. - Spiritualität der 1131-1134 - und Kirche 165 f., 1120 - und Sendung 1157-1172 -Vielfalt der 164, 1129 -weibliche 1124 - Weiterbildung der 1148-1152 - Zukunft der 176 f. Ordensinstitut(e) 165 -Einheit der 1146 f. - Gehorsam der O. gegenüber dem Papst 214 - in Afrika 600 - in der Türkei 1006 f. -jedes O. hat eigenen Lebensstil 1299 - zum Zeugnis der Armut aufgerufen 209 Ordenskongregation(en) siehe: Ordensinstitute Ordensleben(s) 181, 203 f„ 924, 944, 989 f., 1016, 1118-1173, 1275 - als Aspekt der kirchlichen Einheit 990 - Änderungen im 1124-1127 -Berufungen zum 162, 257, 600 f., 901, 955 f., 1001 f., 1010 f., 1015 -Geist des 175 f. -im Tschad 1001 f. - in Burundi 899 - Inkulturation des afrikanischen 1275 - kirchenrechtliche Entwicklung des 1121 f. - traditionelle Elemente des 171 Ordensleute 30,212,435-440, 442 f„ 736-738, 881 f„ 888, 934, 995, 1275 - alleinlebende 1166-1168 - als Zeugen der Liebe Christi 167 f. -alte 1169-1171 - Aufgabe der 263 f. -Charisma der 1150-1152 - der Ostkirchen 1303 - Dienst der 212 f., 242 f. - Identität der 1142 f. - im Iran 940 - in Bangladesch 893 - in Costa Rica 907 - in der Dominikanischen Republik 913 - in der Mission 180, 800 f., 1168 f. - in Kenia 944 - in Kroatien 263-266 -inPeru 989 f. - in S araj evo 241-243 - kontemplative 1130 - Seligsprechung von 719-723 -und Laien 171, 890, 1171 f. -und Priester 171, 890, 1069 Ordensmänner 162 Ordensobere(n) - Bischöfe und 893, 907, 913 f., 949, 980 - Verantwortung der 213 Ordensprofeß/Ordensweihe 182 f., 737 Ordensschwester(n)/Ordensfrau(en) 162, 791-793, 1270 -in Afrika 1278 - kroatische 265 f. Ordnung - von Gott errichtete 1238 - Wahrheit über die sittliche 943 - zeitliche 30-32, 69 f., 105 1356 Organisation(en) - intemat. O. zur Verteidigung der Menschenrechte 14 - rechtmäßig eingerichtete O. für unmoralische Tätigkeiten 1308 Orthodoxe(n) - Katholiken und 10,19 Ortskirche(n) 52 f., 1262, 1265 f. - in Einheit mit der Gesamtkirche 45 - Ordensgemeinschaften in der 1160-1163 Ostern 67 f. -Osterbotschaft 559-561 -Ostergeheimnis 558 - Ostermontag 64 f. -Ostersonntag 63,66 -Vorbereitung auf 35 Päpstliche Akademie siehe: Akademie, Päpstliche Päpstliche Kongregation siehe: Kongregation, Päpstl. Päpstüche Missionswerke 179 f. Päpstliche Universität siehe: Universität, Päpstliche Päpstlicher Rat siehe: Rat, Päpstlicher Päpstliches Großes Seminar - beim Lateran 462-468 Palmsonntag -Predigt am 541-544 Papst(es) - Appell/Aufruf des P. (für Frieden) 5, 39 f., 62, 69, 78, 83, 85, 87, 140, 193, 339, 446 - Attentat auf den 614 f. - Aufenthalt des P. in der Gemelli-Klinik 84 f„ 89 - Bischöfe und 905 - Bote des Friedens 243-247, 272 - Brief des P. an die Familien 36, 45, 107, 120, 130, 374-431, 524, 544 f., 549-551,764, 895, 985, 1252 -Dienstdes 615 - Exercitien des 38 - Gebet für den 89 - Gehorsam gegenüber dem 214, 1092 - geplanter Pastoralbesuch des (Sarajevo) 155,239-247 - Johannes Paul II. 1259 f. - Pflicht des 74 - Pilger der Versöhnung 262 - Pilgerreise des 761 -Pius XI. 41 -Pius XII. 158 - Treue zum 268 f. - und Jugendliche 279-283 Pascha - heißt Übergang 63 - Paschamysterium Christi 592 Passion 734-736 Pastoral - Berufungsp. 177 f., 437-440, 590, 924, 955 f., 984 f„ 990, 998, 1005, 1011 -derVersöhnung 499-502 -Ehep. 1232 - Evangelisierungsp. 977 - Familienp. 257, 448-450, 867, 886, 899, 902, 907 f., 924, 936, 957, 965 - Gesundheitsp. 451 -Hochschulp. 1212-1227 - Jugendp. 438, 903, 934, 951, 979 -Sakramentenp. 914 siehe auch: Seelsorge Pastoralpläne 1094 f. Pastoralrat(-räte) 52 1357 Persönlichkeit -weibliche 122 f., 128 Person(en) - Achtung vor jeder menschlichen 37, 245, 1145 -alleinstehende 137 f. - Berufung der menschlichen 385 f. -des Kindes 123,134 - Entfaltung der menschlichen 75 - Förderung der menschlichen 70 - ganzheitl. Entwicklung der 490 - Genealogie der 384-386 - gottgeweihte 162, 442 f. - Herz ist die Mitte der 95 - individualistisches Verständnis der 1256 - Mensch als 385, 731 -menschliche 1255-1258 -Rechtder 71,1308 - Würde der (menschlichen) 70, 104, 448-450, 514 f„ 959, 1176, 1257, 1285, 1308 Personalismus 400 Pfarrgemeinde/Pfarrei 510 f., 1266 - Laienapostolat in der 52 - Priester und 1086 f. - und Ordensgemeinschaft 1161 f. Pfingsten 41, 90, 159, 624 - Anfang der neuen Schöpfung 88 f. - Geheimnis von 9 - Geist von 42 Pflicht(en) - der Ehepaare 1256 -der Eltern 1253, 1289 - der Gesellschaft 71 - der Gläubigen 57 - der Kirche 9, 144 - der Laien 31 - der Solidarität 39, 70, 573 - des Papstes 74 - zur V erkündigung 9 Pilgerkreuz - des Weltjugendtages 61 Pilgerweg 355 f. - Kirche auf dem 355 f. Plan Gottes 11, 25, 102 f., 255, 298 f. - Ehe/Familie im 102 f., 114, 413 f. Pluralismus -Achtung des 1249,1269 Politik - Bevölkerungsp. 514-520, 1283-1285, 1290, 1312 - eine die moralischen Werte verachtende 1246 - Entwicklungsp. 1243, 1283-1285, 1290 -Ethik der 125,341 -Familienp. 1207 f„ 1254 - Glaube und 1269 Politiker 1237 - verantwortliche 1269, 1282 Predigt 642 f„ 1079 - am Fronleichnamsfest 630-632 - am Palmsonntag 541-544 - an Aschermittwoch 466 f. - bei den Exequien für Kard. Garrone 345-347 - bei der Bischofsweihe 328-330 - bei der Lichtmeßfeier 440-444 - bei der Messe am Weltfriedenstag 351-356 - bei der Taufe von 41 Kindern 330-332 - Bergpredigt 423 f. - der Wahrheit von Christus 948 - des Evangeliums 948 - zur Eröffnung der Synode für Afrika 574-579 - zur Priesterweihe 624-627 1358 Presbyterium 1066 f. - Communio im 1064 f. Priester(s) 30, 435-440, 597, 649, 887, 893, 949, 955, 970 f„ 973, 979 f., 989, 995,997, 1005, 1266, 1273 - als Beichtvater 499-502 - als Diener der Versöhnung 1084-1086 - als Freunde Christi 553 f. - als Gemeindeleiter 1086 f. - als Zeuge der Nächstenliebe 971 - Aufgabe der 263 f. - Autorität des 1059-1061 - Berufungen zum 12, 955 f. - Bischof/Bischöfe und 893, 906, 913, 923, 929, 945, 949, 964, 971, 980, 983 f., 988, 997, 1011, 1110 - Dienst der 242 f„ 582 f„ 918, 964 f„ 973 - Direktorium für Dienst u. Leben der 1050-1117 - Einsamkeit der 989, 1114 f. - Exerzitien des 1107 f. - Gebet der 983 f. -Gehorsam der 1092-1095,1232 - Identität des 1052-1070 - im Iran 940 - in der trinitarischen Heilsdynamik 1053 f. - in Kroatien 263-266 - in S araj evo 241-243 - Inkardination des P. in einer Teilkirche 1065 f. - ist vom Geist erfüllt 88 f. - Pastoraljahr des 1105 f. - Rolle Marias im Leben der 1097 f. - Schreiben an die P. zum Gründonnerstag 547-553 - Spiritualität des 1051,1070-1098 - spirituelle Vaterschaft des 1266 - Studientage für 1104 -undHl. Geist 1055 f. - und Gemeinde 1086 f. - und Kirche 1056 f., 1062 f. -undLaien 43, 52, 171, 1067-1069 - und Ordensleute 171, 1069 - Weiterbildung der 596 f., 649, 887 f„ 893, 897 f„ 901, 913, 933, 946, 973 f„ 1098-1115 - Würde der 997 -Zölibat des 1087-1091 Priesteramt(es) 174 f., 554, 906 Priesterausbildung 349, 460, 469 f., 596 f., 650, 805, 888, 897, 906 f„ 913, 918, 924, 933, 945 f„ 955 f„ 971, 973, 979 f., 984, 998, 1005 f„ 1011, 1016, 1273 f. Priesterhaus 1106 f. Priestermangel 580 - in Kuba 949 - in Lateinamerika 437 -inPeru 988 Priesterseminar(s) 906, 913, 918, 924, 933, 971, 973, 980, 984, 998, 1005 f. - Einweihung des 256-258 -in Chile 901 f. -in der Türkei 1005 f. -in Uruguay 1011 - Päpstl. Großes Seminar beim Lateran 462-468 Priestertum(s) - allgemeines P. (und Amtp.) 42 f., 1054 f„ 1061 f. - als Geschenk 548, 1052 - Berufung zum 12, 253 f., 257, 901, 906, 945, 955 f„ 973, 980, 1001, 1010 f., 1015, 1273 - Dienst des 88 f. - Glaubwürdigkeit des 1266 1359 - hierarchisches 42 f. - missionarisches 1058 f. - Universalität des 1057 f. Priesterweihe 88 - als Gnade Gottes 893 - Apostol. Schreiben über die nur Männern vorbehaltene 621-624 - der Frau 127-129, 621-623, 745 - Predigt zur 624-627 - Sakrament der 552 f. Prinzip - der Solidarität 1202 f. - der Subsidiarität 151, 475, 489, 1203 Probleme -demographisches 1245 - der Bioethik 849 f. - der Inkulturation 1123 - der Jugend 254 - des Bevölkerungswachstums 145 - soziale P. von heute 1279 - Wirtschaft! und soziale P. in Afrika 39, 1268 Prophet(en) 181 - Jesaja 328 f. -Worte der P. über den Messias 65 f. Prophetentum - der Laien 22 f. Rassismus 1265 Rat/Räte - 9. Vollversammlung des Intemation R. für die Katechese 696-699 -evangelische 162, 164-168, 181, 183, 190-193, 1297-1305 - Päpstl. R. Cor Unum 571-574 - Päpstl. R. für den interreligiösen Dialog 1174 f. - Päpstl. R. für die Familie 536-539, 867, 1176-1211 - Päpstl. R. für die Förderung der Einheit der Christen 767 - Päpstl. R. für die Interpretation von Gesetzestexten 1307-1311 - Päpstl. R. für die Kultur 520-524, 1212-1227 - Päpstl. R. für die Laien 59 f., 1212-1227 - Päpstl. R. für die Pastoral im Krankendienst 479-482, 815-818 - Päpstl. R. für die sozialen Kommmu-nikationsmittel 486-488 - Päpstl. R. für Gerechtigkeit u. Frieden 352, 870 f„ 1021-1023 Rationalismus 420 Recht(e) - auf Elternschaft 1204 - auf Familie 846 f., 1204 f., 1252-1254 - auf freie Wahl des Lebensstandes 1253 - auf Leben 70 f„ 97 f„ 134 f„ 151, 425 f„ 784, 816, 1244, 1286 f. - auf N ahrung 1244 - auf Religionsfreiheit 894, 1251 - der Ehepaare 1256 -der Eltern 1253,1256,1289 -derFamilie 151, 410 f., 1191, 1204 f„ 1252-1254 -derLaien 58 -derPerson 71, 1308 - der Völker 245 - gleiche R. von Mann und Frau 1293-1297 - kirchliches 363 - wahre R. des Menschen 37, 1308 siehe auch: Grundrecht Rechtsstaat(es) -Aufbaueines 1269 - Grundlagen eines 135 1360 Reform(en) - liturgische R. des chaldäischen Ritus 1014 Reich(es) Gottes/Reich Christi 1268 - Ausbreitung des 179 f. - Entwicklung des 30-32 - Teilhabe der Laien an der Entfaltung des 41-44 Reiche -Arme und 150, 206 f„ 1245 Reichtum(-tümer) - menschliche und spirituelle 39 Relativismus 102 - ethischer 768 Religion(en) - Christentum als R. des universalen Friedens 353 - Dialog mit der traditionellen 1264 - Dialog mit nichtchristlichen 648 - drei monotheistische 1246 - im Namen der R. begangene Verbrechen 1246-1248 - und Familie 740 - und Frieden 739-741 - wahre 1249 Religionsfreiheit 71, 941, 976, 1005, 1246 f„ 1250 f. -Achtung der 1265 - als grundlegendes Menschenrecht 1249 - in der Bundesrepublik Deutschland 483 - in Litauen 832 -Rechtauf 894,1251 Religionsunterricht 855, 887, 920 Ressourcen -Naturressourcen 1244 - vernünftige Verteilung der 15 0 f., 1255 Ritterorden - vom Hl. Grab zu Jerusalem 607 f. Ritus/Riten - Gemeinschaften des chaldäischen 1013-1017 - Gemeinschaften des lateinischen 891 - kath. Gemeinschaften der orientalischen 891 -römischen 1023 f., 1037 Römische Kurie 865-871 Rota Romana - Gerichtshof der 361-365 Ruf - Christi zur Nachfolge 38, 172 f., 176, 182, 191 f„ 1299 f. Säkularinstitute 167, 169 Säkularisierung 521, 905, 960, 1009 - der Gesellschaft 992 Saekularismus 768, 777, 901, 919 Sakrament(e) 1033 - der Buße 776, 973, 1084-1086, 1132 - der christlichen Initiation 1261 - der christlichen Initiation 1261 - der Ehe 43, 114, 159, 202, 421 f„ 638-641, 863, 1006 - der Einheit (siehe auch: Kirche, Einheit der) 6, 8 - der Eucharistie 415,778,1081-1084, 1232 -derFirmung 41-43,159,164,183 - der Priesterweihe 552 f. - der Taufe 41, 43, 159, 330 f., 857 - der Versöhnung 159 f., 210 1361 -der Weihe 164, 1052 f. - des Ordo 42 - Einsetzung aller 63 f. - Glaube und 1306 f. - Hinführung der Kinder zu den 144 -Lehre von den 41 Sakramentenpastoral 914 Schöpfer(s) 75 f„ 123, 233-236, 1265, 1271 Schöpfung 195, 835 f. - Bewunderung der 233-237 - innerste Natur der 31 - N aturres s ourcen der 1244 - ursprünglicher Wert der 102 - Zeugung als Fortführung der 120, 123 Schöpfungsbericht -biblischer 69, 75, 104 f. Schreiben - an alle Staatsoberhäupter 524-527 - an den Musikdirektor des Chores für die päpstl. Zelebrationen 432-435 - an die Jugend der ganzen Welt (1985) 780 - an die Priester zum Gründonnerstag 547-553 - Apostolisches Sch. siehe: Apostolisches Schreiben - über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen 1228-1233 - zum 700. Jahrestag von G. da Mon-tecorvino OFM in Peking 690 f. Schriften - der Katharina von Siena 94 f. Schuld 766 Schuldenerlaß 1271 Schule 793, 1274 - katholische 185, 489 f„ 920, 974 f. Schutz - der Armen 809 f. - der Familie 38, 373, 516, 994, 1241, 1252, 1254, 1312 - des Lebens 139, 815, 979, 1255 - des Sonntags 40 - sozialer Sch. der Arbeiter 1280 Seelenführung 1086 Seelsorge - an der Universität 1212-1227 - Gefängniss. 277 - Militärs. 496-498 siehe auch: Pastoral Segnung(en) 1045 f., Sehnsucht - nach einem neuen Leben 35 f. - nach ewigem Leben 96 f., 188 f. - nach Gott 95 Sekte(n) 894, 914, 919, 928, 934, 960, 966, 971, 981, 983, 992, 1072 - in Lateinamerika 909 Selbsterkenntnis 95 f. Selbsthingabe 68, 80, 164, 191, 400, 753 - an das Himmelreich 197 - an Jesus Christus 173 - aufrichtige S. in der Familie 389-392, 405 f. - gegenseitige S. von Mann u. Frau 394 f„ 422 - uneigennützige 74 Selige 78 f„ 285 f„ 592-595, 719-723, 797-799 -neue 175, 199 Seligkeit - Hoffnung auf ewige 188-190, 192 Seligpreisung(en) 80 f. - der Armen 208 f. - die Frieden stiften 1237 1362 Seligsprechung(en) 87 f., 175, 199, 283-287, 592-595, 719-726, 794-799, - zweier Familienmütter 1277 S eminar(e/en) 1273 - Erzieher in den 1273 f. Seminaristen 253 f., 1276 Sendung -der Alten 153 f. -derArbeiter 77 - der Bischöfe 952 f., 987 - der Familie 7, 371, 742 f., 1241 -derFrau 103-106,111,116,1281, 139, 537 f. - der Jünger 29 f. - der Kirche (ad gentes) 46, 55, 58-60, 598 f„ 960 - der Laien 24, 41 -44, 158 -und Sendung 1157-1172 -Weihe und 1300 f. - zur Gründung und Entfaltung der Kirche 41 - zur Verkündigung des Evangeliums 41 Sensibilität - spezifische S. der Frau für den Menschen 123 Sexualität 73, 107 1, 132, 145, 5191, 743, 789 f„ 1256, 1313 1 - menschliche 4191 - psychobiologische Struktur der menschl. 146 - verantwortungsbewußtes Verhalten in der 1256 1, 1285 1, 1288 1 Shoa 563-566 Sieg(es) - über das Böse und über den Tod 61 Sinn - des Apostolates 1121 - des Lebens 86 Sixtinische Kapelle 567-571 Skeptizismus 102 Soldat(en) - als Friedensstifter 498 - christliche Bildung der 497 Solidarität 18, 150, 157, 326, 927, 1003, 1176, 1179, 1182 - ausgewogene 1280 -christliche 200, 1014 - der Herzen 246 -der Kirche 137 - Entwicklung der V ölker in 1283-1289 - gegenüber den Ländern der HL Kategorie 1245 - Gemeinschaft der 1239 - kirchliche 1000 -Kulturder 250,271,294 - mit Afrika 28 f„ 38-40, 1271 - mit den Armen 994 - mit der Familie 1210 f. - mit Kriegsopfern 470 f. -Pflichtder 39,70,573 -Prinzip der 1202 f. - weltweite 3 Sonntag(s) - Schutz des 40 Soziallehre - der Kirche 160, 315-317, 360, 755, 760, 808-813, 833, 869 f., 894 f., 898, 903, 908, 920, 932, 937 f„ 949 f„ 966, 969, 976, 1002, 1201-1203,1280 - katholische 335 Sozialwissenschaften 315-317 1363 Spiritualität - der Ordensgemeinschaften 1131-1134 -monastische 1303 - priesterliche 1051, 1070-1098 Sprache 1038 - im Dienst der Wahrheit 356-359 - liturgische 1043 Staat(es/en) -Aufgabe des 151, 1249 f. - Kirche und 833 f. - staatliche Unterstützung der Familien 313, 1010, 1252, 1258, 1287, 1312 - steht vor schwierigen Herausforderungen 1251 - Verantwortung der 1254 Stadt - die ewige Stadt Rom 365-368 Sterilisation 516 f„ 1188, 1195 f„ 1210, 1287 Sterndeuter 5-8 Subsidiarität - Prinzip der S. (in der Erziehung) 151,475,489, 1203 Sünde(n) 70, 500, 766 f„ 960, 993 - alle S. der Welt 63 -Erbsünde 215,842 - erste 842 -schwere 160 - Vollmacht Jesu von S. zu befreien 99 f. Sünder(-innen) - Güte Jesu gegenüber 112 Symbol(e) - eucharistisches 509 f. - Weihnachtsbaum als Symbol 864 f. Synkretismus -religiöser 1041 Synode(n) 649 - als Vorbereitung auf das Jahr 2000 759 - der Chaldäischen Kirche 1013-1017 - für Amerika 770 f. - für Asien 771 - Kontinentais. 770 f., 871 - Römische 367, 645 - Sonderversammlung der B. für Afrika 38-40, 44, 50, 55, 84 f„ 87, 338, 369, 574-579, 592, 596-603, 881 f„ 896, 942, 1001, 1259-1278 - und Neuevangelisierung 759 Synodenväter 1270, 1273 Taufe 58, 558 f„ 737, 852, 1053 - als Eingliederung in den mystischen Leib Christi 164 - als Grundlage der christl. Existenz 772 - als Quelle des ganzen christl. Lebens 159 - christliche 182 -Jesu Christi 10-12,330 - Kindstaufe 143 - Sakrament der 41, 43, 159, 330 f„ 857 -Taufweihe 182 f. -von41 Kindern 330-332 Teilhabe - am Erlösungsopfer Christi 77 - am Leiden Christi 82 - am Opfertod Christi 81, 203 - an der Armut Christi 209 - der Frauen am priesterl, prophet., königl. Amt Christi 116, 119 - der Laien (der Kirche) am Königtum Christi 29-32 1364 - der Laien am prophet. Amt Christi 22-25, 43 f„ 53 - der Laien an der Entfaltung des Reiches Christi 41-44 - der Laien an der Sendung der Kirche 51-54, 58 f„ 70 Teilkirche(n) 1033 - das Charisma und seine Einordnung in die 1301 - Inkardination des Priesters in einer 1065 f. Tempel(s) 440-444 - Darstellung Jesu im 440-444 - Familie als 28 - Geheimnis des 440-444 - Kirche als T. des Geistes 1306 Testament -Altes 135 f„ 142, 181 f. Theologe(n) 1274 f. Theologie -afrikanische 1274 f. - der Laien 31, 42, 46 - des Dialogs 50 - des Leidens (des hl. Paulus) 82 f. -Lehre der 1219 - und Glauben 830 - und Kirche 829-831 Tod(es) 188 - Jesu Christi 62 f., 1028 -Kulturdes 517,561 - lieben besiegt den 66 f. Toleranz 889 f„ 1005, 1246-1248, 1251 Tote(n) - Gedenken der 187-190, 746 Tradition(en) - Achtung der lebendigen kirchlichen 51 -christliche 127,135 - der Jubeljahre 753-757 -katholische 1305 f. - reiche T. in Afrika 45 -religiöse 1264 Transzendenz 23, 802 Trauung -Feierder 1045 Treue - der Eheleute/eheliche 110 f., 132, 928 -J. Chr. 132 - zu Christus 51, 204 f., 269 - zum Evangelium 22 - zum Hirtenamt 127 - zum kirchlichen Lehramt 906 - zum Papst 268 f. - zum Wort Gottes 1078 f. - zum Zölibat 264 -zurKirche 921 Trost - im Leid 143 f. Tugend(en) - Gnade der göttlichen 193 - Kardinalt. 483 f. Übersetzung -der Bibel 1034 - der liturgischen Texte in die Volkssprache 1043 Umkehr 26, 776 - Advent als Zeit der 210 f. - wahre christliche 34 - Zeit der 33-36 - zum Frieden 18 Umwelt 1245, 1255 - und Bevölkerungswachstum 518, 1184 f. - Zerstörung der 1244 1365 Ungerechtigkeit - soziale 288 f. Universalität - der katholischen Gemeinschaft 885 - der katholischen Kirche 186, 205, 340, 950, 1260 - der Liebe 192 f. - des Heilsplans Gottes 9, 99 - des Priestertums 1057 f. Universalkirche 1033 Universität(en) 1274 - Evangelisierung der 1219,1223 - Katholiken an der 1218 -katholische 1220 f. - Orden in den 1219 - Päpstliche U. Sankt Thomas von Aquin 800-804 - Präsenz der Kirche an der 1212-1227 - Seelsorge an der 1212-1227 - Situation der 1214-1218 - Universitätslehrer 1225 f. - Universitätspfarrei 1223 Universum(s) - Bestimmung des ganzen 30 f. UNO 73, 124 f., 1271 -Heiliger Stuhl und 1249-1258, 1279-1281, 1283-1294, 1307-1314 - Internationale Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (Kairo) 73, 124 f„ 139-141, 145, 150, 514-520, 524-526, 868, 1176-1211, 1255-1258, 1283-1293, 1311-1314 - Jahr der Familie ist eine Initiative der 1238, 1252 - UNO-Menschenrechts-Kommission 1249-1251 -UNO-Soldaten in Bosnien 496 Unternehmen 1280 Urgemeinde/Urkirche 47, 49, 137, 218 f. - in der Apostelgeschichte 16 Utilitarismus 398,401,1255 Vater - Ehre von V. u. Mutter 402-405 - Gott unser 270 f„ 776-778, 1265 Vaterschaft - verantwortliche 129-131 Verantwortung -der Eheleute 120, 125 - der Eltern 604 f„ 1256, 1285 f„ 1289 -der Familien 125 - der Femsehindustrie 605 -der Frau 1277 - der Kirche 177 -derLaien 72, 158 - der Nationen 38 - der Ordensoberen 213 - der Staaten 1254 - des Mannes 1257 f. Verband/V erbände - katholische 492 f. Verbrechen - im Namen der Religion begangene 1246-1248 Vereinung - der Heiligen 770 - des Heiligsten Herzens 96 Vereinigungen - authentisch katholischer Charakter der 59 - ökumenische 59 -religiöse 53 - Vielfalt von 58 f. - zur Verwirklichung religiöser Zielsetzungen 58 1366 Vereinte Nationen siehe: UNO Vergebung 68, 87, 157, 274 f. V erheißung(en) - messianische V. des Jesaja 355 Verkündigung 894, 926 f., 963, 992 - der Wahrheit 987, 997 - des Evangeliums/der Frohbotschaft 22, 41, 61, 357 f„ 804, 893 f„ 947 f., 993, 995, 1009, 1261-1264, 1278 - des Wortes Gottes 43 f., 943,1078-1081 -Erstv. 1261 f. - Evangelisierung als 1261 - in den/durch die modernen Massenmedien 357 f., 937 - Marias 297 f., 420 f. - Neuevangelisierung als klare V . des auferstandenen Christus 953 - Pflicht zur 9 Vernunft - Glaube und 830 f., - Krise der 802 Verschiedenheit - der Charismen 165,1301 - der Gnadengaben des Geistes 48, 164 f. - Gleichheit und V. der Geschlechter 104 f„ 107, 1294-1297 Verschuldung - Auslandsv. 1268 - der afrikanischen Völker 1271 Versöhnung 17, 157, 922 f., 927, 950, 954, 1014 - Dienst der 264, 969 - nationale V. in Mexiko 959, 961 - Pastoral der 499-502 - Priester als Diener der 1084-1086 - Sakrament der 159 f., 210 V erstädterung 1178 Verständnis 36-38 - individualistisches V. der Person 1256 Verstand(es) - intuitive V. der Frau 117 Vertrauen - auf die Fürbitte Marias 267, 272, 275 - auf Jesu Liebe 191 f. Vervollkommnung 164 Verzeihen 271,274 Verzicht - der Dienste in der Kirche 42 -freiwilliger 196, 207 f. -Nachfolge beinhaltet 173 f., 191 - von Vereinigungen 58 f. Vielfalt - der Charismen 47,165,185,197 - der Gnadengaben des Geistes 164f. - der Ordengemeinschaften 164,1129 - des gottgeweihten Lebens 1298 f. - im römischen Ritus 1023 Völkerfamilie 273 f. Völkermord - in Ruanda 83 f., 87 Volk/Völker - Entwicklung der V. in Solidarität 1283-1289 - gegenseitige Abhängigkeit der 32 - Israel 1027 - italienisches 322, 360 - kroatisches 268, 273 - Licht der 223 - Rechte der 245 - slawisches 155 f. -von Ruanda 1281 f. 1367 Volk Gottes 918 -in Afrika 1259 f. Volksfrömmigkeit 960, 1040 f. -inEcuador 919 - in Paraguay 983 - in Puerto Rico 999 V ollkommenheit -der Hoffnung 192 - der Liebe zu Gott 192 -des Glaubens 191 f. -Weg zur 190-193 Vollmacht - christliche 30 - der Jünger 29 f. - Jesu von Sünden zu befreien 99 f. - Jesus verleiht den Aposteln 66, 127 Vorbild(er) - Heilige Familie als 224, 1267 - Kind als V. auch für Erwachsene 856 f. -Mariaals 108, 111, 117 f„ 121, 202, 1304 Waffenhandel 1271, 1308 Wahrheit 783 f., 794 f„ 798, 802 f„ 831,926, 943,999, 1238 - des Evangeliums 894 - des Kindes 856 f. -des Menschseins (Personseins) 107 f„ 423, 425 - Dienst an der 362 - Glaubensw. 425, 926 -Krise der 961 - Manipulation der 422 f. -objektive 102 - Sprache im Dienst der 356-359 - und Gerechtigkeit 361-365 - über den Menschen 423, 425, 943, 963, 1009 - über die sittliche Ordnung 943 - über Ehe und Familie 413 f., 417, 902, 985 -über Jesus Christus 948, 963, 1009 - Verbreitung der 30 - Verkündigung der 987, 997 - Verlangen nach 383 f. - Wissenschaft im Dienst der moralischen 732 Wallfahrt -nachLoreto 301-303 W allfahrtskirche - Weihe der W. der Muttergottes der Tränen 290-294 Weg - der Kirche 25, 46, 374 f. - der Vollkommenheit/der evangelischen Räte 190-193 - des Dialogs 896 - geistlicher 33 f. - Neokatechumenaler 342-344, 370 - zur Heiligkeit 75 f., 131 f., 138, 723 Weihe 169 -an Gott 181,192 - der Wallfahrtskirche der Gottesmutter 290-294 - durch Gott im AT 181 f. - im Firmsakrament vollzogene 183 -Ordensweihe 183 - Sakrament der 164, 1052 f. -Taufweihe 182 f. - und Sendung 1300 f. Weihnachten 7, 222-225, 318-321, 332 f„ 853-855, 873-875 - als Fest der Familie 223 -225, 861 - als Fest der Schöpfung 222 f. - als Fest des Lebens 223-225 - beginnt die neue Menschheitsgeschichte 227 f. - Weihnachtsbaum 864 f. -Weihnachtsbotschaft 875-878 1368 Weinstock - Jesus ist der wahre 283 f. Weiterbildung - der Ordensgemeinschaften 1148-1152 - der Priester 596 f., 649, 887 f., 893, 897 f„ 901, 913, 933, 946, 973 f„ 1098-1115 - des Klerus 649 Weizenkom(s) - Geheimnis des 79, 82 Welt - Aufbau einer dem Menschen würdigen 250 - der Arbeit 84 f. - die Sicht der 30 f. - Dienst an der 1237 -Erlösung der 81 - geeinte 1265 f. - im Umbruch 32 - Laien in der 69-72 - pluralistische 1251 - Spaltung der 1265 W eltbevölkerungskonferenz - in Kairo siehe: Konferenz, Internationale K. für Weltfriedenstag (1. Januar) -27. W. 3,1237-1242 - Botschaft zum 309-315 -in Assisi 15 Weltgebetstag - 31. W. um Geistl. Berufe 587-591 - für den Frieden (23. Januar) 12-15, 351-356, 1021-1023 W eltgebets woche - für die Einheit der Christen 15-20, 351, 1023 Weltkirche - Appell der W. an die Nationen 1268 - Diener der 345-347 Weltkonferenz - 4. Weltkonferenz über die Frau (Wien) 1294-1297 - der Religionen für den Frieden 739-741 Weltkrieg -Zweiter 13 Weltmissionssonntag 179 f., 618-620 - Botschaft zum 618-620 Welttag(e) - der Familien 96-98 - der Jugend 648 - der Jugend (1995 in Manila) 56, 61, 141, 267, 533 - der Jugend (in Denver/USA) 267, 533-536 - der Leprakranken 26 - der Migranten 672-675 - der sozialen Kommunikationsmittel (28. W.) 603-607 - des Kranken (II. W.) 452-458 Weltwirtschaft 1280 Werk(e) - christlicher Nächstenliebe 175 - des Heiligen Geistes 159 Wert(e) 1246 -christlicher 102, 1302 - der Ehe 196 f. -derFamilie 914, 959, 1174 f., 1252-1254 - der freigewählten und konsequent gelebten Armut 206-209 - der Mutterschaft 121,412 - der zeitlichen Ordnung 69 f. -des Lebens 868,1313 -des Menschen 70,135 1369 - des sakramentalen Lebens 159 - echte religiöse 1249,1257 - ethische und geistige 1249 - evangelische 1301 - Förderung der 148 f. - geistliche 45 - Krise der 905 - moralische und gesetzliche 1269, 1309 -sittlicher 31 - ursprünglicher W. der Schöpfung 102 - W eitergabe von 1240 Werteerziehung - religiöse 490 Wesen/Natur - der Familie 36 f. , 1239-1241 Wille - Jesu Christi 127, 172 f. - zum Dialog 274 Wirken - des Heiligen Geistes 48, 947, 1304 Wirtschaftsordnung - gerechtere internationale 1271 Wissenschaft(en) 816 - als Dienst am Menschen 728 - im Dienst der moralischen Wahrheit 732 -religiöse 1221 -und Glaube 815-818,850 - und Moral/Ethik 729-734 Witwe(n) - Berufung der W. zum Gebetsleben 136 - geistl. und karitativer Beistand für 136 - in der christl. Gemeinde 136 - in der Hl. Schrift (AT und NT) 135 f. -Verzeichnisder 136 f. WortGottes 11,331,1032 -Dienst am 1078 f. - Hören auf das 892, 948 -Treue zum 1078 f. - und Katechese 1080 f. - und Leben 1079 f. -Verkündigung des 43 f., 943, 1078- 1081 Wort(es/e) - der Propheten über den Messias 65 f. - des Propheten Jesaja 328 f. Worte Jesu Christi 13 f., 23 f., 34, 37 f., 68, 83 - an die Apostel im Abendmahlssaal 56, 78 f. - an seine Jünger 29, 31, 61 Würde - christliche 30 - der (menschlichen) Person 70, 104, 448-450, 514 f„ 959, 1176, 1257, 1285, 1308 - der afrikan. Länder 1269 -der Arbeit 75 f., 1279 - der Ehe 202 - der Familie 895 -derFrau 103-106, 111, 116, 121-124, 128 f„ 139, 517 f„ 974, 1208, 1257 f„ 1277 - des Leidenden 98 f. - des Menschen 37, 135, 391, 809-813, 950, 1200 f„ 1244, 1279, 1283 f. - des Priesters 997 - gleiche W. von Mann und Frau 1294-1297 -jedes menschlichen Lebens 928 - Kardinalswürde 825 f. Wüste 210 f. Wunder - Jesu 99 1370 Zeichen -derHoffnung 61, 1299 - der Liebe Gottes 6-8 Zeit 753 - als Heilsgeschichte 879 - der Besinnung 33-36 -derUmkehr 33-36, 210 f. - heutige 42 - Kirche in unserer 47-49, 768 f. Zeitung - katholische Z. in der Türkei 1006 Zerfall - der Familien 37, 1252, 1286 f. Zerstörung -der Familie 1268 - der Umwelt 1244 - von Kultstätten und geweihten Orten 1246 f. Zeuge(n) - Apostel als erste 67 - der Liebe 249 f. - des Evangeliums der Familie 429 f. - des Glaubens 228 f., 234-237 - Frauen als erste 117 - für die Einheit 987 f. -jeder Getaufter als 228 f. -Laien als 23,31 - Ordensleute als Z. der Liebe Christi 167 f. -sein 1263 Zeugnis(se) - aller Christen 1224 - der Geweihten 168,178 - der Hoffnung 23 - der Liebe 1014 - der Liebe Gottes 61 - des Glaubens 22 f., 153 f., 234 f., 969 - für das Evangelium 172 f., 996 - für die Einheit 987 f. - Pflicht zum 9 - zum Z. der Armut aufgerufen 209 Zeugung 28, 384 f. - als Fortführung der Schöpfung 120, 123 - menschl. Leben beginnt im Augenblick der 1291 f., 1314 -menschliche 130 - verantwortliche 145 - Zeugungsauftrag 133 Zivilisation - der Liebe 32 f„ 45, 108, 295, 396-399, 404 f„ 777, 941 - Zivilisationskrise 777 Zöhbat(s) 195-198, 907, 923, 948, 984, 997 f„ 1266, 1299 f. - bedarf der Gabe der göttlichen Erleuchtung 197 -Berufung zum 1089 - bewußter Willensakt für den 197 - Einwände gegen den 1090 f. - priesterlicher 1087-1091 - theologisch-spirituelle Begründung des 1088-1091 - Treue zum 264 Zukunft 32 - christliche 51 - der Menschheit 125, 145 f., 1257 f., 1283 - der Menschheitsfamilie 1271 - der Ordensgemeinschaften 176 f. Zusammenarbeit - aller Menschen 55 -derLaien 31 - des Diözesanklerus, der Ordensleute u. der Laien 171,890 - für Frieden und Gerechtigkeit 1265 -internationale 125 f. - ökumenische 1264 1371 - unter den Kirchen 1262 - von Bischöfen u. Ordensobem 893, 907, 913 f„ 949, 980 - von Mann und Frau 105, 131 - zwischen dem Hl. Stuhl und der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) 1279-1281 - zwischen den Bischöfen 996 - zwischen Frau und Priester 118 Zweiter Weltkrieg 608 f. Zweites(en) Vatikanisches(en) Kon-zil(s) 645 - als Vorbereitung auf das Jahr 2000 757-759 - Apostolicam actuositatem 42, 52, 57-60, 158 f. - Dignitatis humanae 245 - Gaudium et spes 7, 121, 316, 534, 549 f„ 647, 1191 f. - Lehraussagen des 41 - Lumen Gentium 6, 8, 22 f., 29-31, 41,751, 1641, 169, 191,551 - Nostra aetate 941 - Perfectae caritatis 201, 209, 212, 217-220 - Sacrosanctum Concilium 1023-1025, 1036 1, 1040-1043 - Unitatis redintegratio 19 Personenregister Abraham 430, 441-443, 563, 568 1, 574, 577, 660, 750, 761, 775, 872, 976, 1027, 1265 Adalbert (Vojtech), hl. (f 997) Märtyrer, Bischof von Prag, Missionar 204,494,587 Adam 104, 110, 212, 222, 353, 419, 421, 559, 569, 751, 779, 841, 1027, 1127, 1265 Adams, Paulus 488 Adenauer, Konrad (t 1967) deutscher Bundeskanzler 323 Agatha (Agathe), hl. Märtyrerin 278 f„ 281 f„ 284, 286, 858 Agatho(n), Papst (678-681) 250 Agnelo, Geraldo Majella Erzbischof em. von Londrina 1049 Agnes, hl. 494, 858 Agnes de Jesus Galand de Langeac siehe Galand, Agnes Agustoni, Gilberto, Kardinal Erzbischof, Präfekt des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur 186, 650, 828 Alacoque, Margherita Maria, hl. 96 Alamino, Jaime Ortega Erzbischof von La Habana, Präsident der Bischofskonferenz von Kuba 947 Albert der Große OP Kirchenlehrer 798 Alexius II. Patriarch von Moskau 680 Alfons Maria di Liguori CSsR, hl. (t 1787) Kirchenlehrer 509, 738 Allegra OFM, Gabriel Maria 284 Almici, Giuseppe Bischof von Alessandria 458 1372 Altman, Adrian, Arzt 600 Alvarado, Lorenzo Leon Bischof von Huacho 987 Alvarez, Maria Caridad, Schwester 184 f. Alzamora, Augusto Vargas Erzbischof von Lima 186 Ambrosius, hl. (| 397) Bischof von Mailand und Kirchenlehrer 321, 373 f„ 1077 Amichia, Joseph, Botschafter Doyen des Diplomatischen Corps beim Hl. Stuhl 332 Anastasius, hl. 460 Anders, Wladyslaw polnischer General 609 Andreas, hl., Apostel Bruder des Apostels Petrus 177, 210, 438, 657 f„ 661, 813 f. Angehni, Fiorenzo, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst 457, 479, 647, 815, 848, 869 Anselm von Canterbury OSB, hl. (11109) Kirchenlehrer 234, 237 Ansgar OSB, hl. (| 865) Erzbischof von Hamburg-Bremen, Apostel des Nordens 507 Antic, Ante 255 Antiochus (Antiochos III. der Große) 181 Antonius OFM (von Padua), hl. 641-644 Antonius, hl., Einsiedler 574 Anuarite, Clementina, sei. siehe Nengapeta, Clementina Anuarite Archimedes (t 212 v. Chr.) griechischer Mathematiker und Physiker 287,294 Argüelles, Ramön C. Weihbischof in Manila (Philippinen) 329 Arguello, Kiko 342 Arinze, Francis, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog 597, 602, 647, 1174 Aristoteles 145, 534 Ariztla, Fernando Bischof von Copiapö, Präsident der Bischofskonferenz von Chile 900 Ashley, Uriah Bischof von Penonome (Panama) 329 Athanasios Metropolit von Helioupolis und Teira 661 Athanasius, hl. 574, 601 Athenagoras I. (t 1972) Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel 10 Augustinus, hl. Erzbischof von Canterbury 762 Augustinus, Aurelius, hl. (f 430) Bischof von Hippo und Kirchenlehrer 44, 182, 223, 506, 574, 601 f„ 641, 831, 940 Augustus (f 14 n. Chr.) römischer Kaiser 747, 874 Averkamp, Ludwig Bischof von Osnabrück 172 Bakanja, Isidor (Isidoro), sei. (f 1909) Märtyrer 79, 579, 592 f„ 600 Bakhita, Giuseppina (Josephine), sei. (f 1947) 45, 579, 600, 1002 Bailand, Jean Erzbischof von Reims 723 Balthasar, Hans Urs von 830 Barbarigo, Marcantonio (t 1706) Kardinal, Erzbischof von Korfu 792 Barbieri, Domenico, sei. 694 1373 Bartholomaios I. (Bartholomäus I.) Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch 109,210, 557, 656, 658, 661, 687, 813, 1007, 1248 Bartimäus 847 Bartolucci, Domenico Musikdirektor des Chores für die päpstlichen Zelebrationen 432 Basilius, hl. (f 379) Kirchenlehrer 1004 Baum, William Wakefield Kardinal, Großpönitentiar 499, 650 Benedikt von Nursia, hl. (f 547) Schutzpatron Europas 33, 213, 355, 491,506, 530, 610 f., 737 f. Benedikt XV., Papst (1914-1922) 760 Berka, Zdlislava, sei. (f 1252) 495 Bernadette von Lourdes, hl. siehe Soubirous, Bernadette Bernhard von Clairvaux, hl., Abt Kirchenlehrer 237, 738 Bemhardin von Siena OFM (degli Al-bizeschi), hl. (f 1444) 632 Bemini, Dante Bischof von Albano 115 Bertin OFM, Giorgio Apostolischer Administrator von Mogadischu (Mogadiscio) 891 Bessus, hl. 234, 236 f. Bevilacqua, Antony Joseph, Kardinal Erzbischof von Philadelphia 644 Biffi, Giacomo, Kardinal Erzbischof von Bologna 635 Birgitta von Schweden, hl. (f 1373) Ordens stifterin 69, 355 Bommarito, Luigi Erzbischof von Catania 284 Bonaventura OFM, hl. (t 1274) Kardinal und Kirchenlehrer 523, 738 Bonicelli, Gaetano Erzbischof von Siena 635 Bonifatius (Winfried) OSB, hl. (f 754) 184, 485, 506 Borromäus, Karl, hl. (1538-1584) 508 Bosco, Johannes, hl. siehe Don Bosco, Johannes, hl. Botticelli, Sandro (f 1510) Horentiner Maler 567 Boutros Ghali, Boutros Generalsekretär der Vereinten Nationen 1246 Bovone, Alberto, Erzbischof Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre 1233 Branimir kroatischer Fürst (um 880) 250 Brazauskas, Algirdas Präsident von Litauen 831 Brigitta (Brigitte) von Schweden, hl. siehe Birgitta von Schweden Brufau Macia CM, Jaime Bischof em. von San Pedro Sula 938 Bududira, Bemard Bischof von Bururi, Präsident der Bischofskonferenz von Burundi 896 Cabibbo, Nicola Professor, Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften 788 Cannavö, Ignazio Erzbischof von Messina-Lipari-Santa Lucia del Mela 284 Capizzi 284 Caprio, Giuseppe, Kardinal Großmeister des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem 607 Carey anglikanischer Erzbischof 744 Carraro OFMCap., Havio Roberto Generalminister der Kapuziner 662 1374 Casado, Julian Herranz siehe Herranz Casado, Julian Casaroli, Agostino Kardinalstaatssekretär em. 646 Cassidy, Edward Idris, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 647, 682, 814 Castillo Lara, Rosaho Jose, Kardinal Präsident der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhles 285, 651, 700 Castro Ruiz, Manuel Erzbischof von Yucatan 957 Cavada, Carlos Oviedo Erzbischof von Santiago de Chile 186 Ceroni, Umberto, Pater 474 Cheh, Giovanni, Erzbischof Präsident des Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs 647 Chiara 46 Chlodwig Frankenkönig (482-511) 762 Claudius römischer Kaiser (41-54) 749 Clavell, Lluis, Msgr. Rector magnificus des römischen Athenäums vom Heiligen Kreuz (Opus Dei) 742 Clemens V. (Klemens V.), Papst (1305-1314) 585,690 Clinton, Bill Amerikanischer Präsident 1246 Colombo, Salvatore Bischof von Mogadischu 891 Congar OP, Yves, Kardinal 186, 798, 830 Cordeiro, Joseph, Kardinal Erzbischof von Karachi 746, 972 Corecco, Eugenio, Msgr. Präsident der „Consociatio” 742 Cormier OP, Hyacinthe Maria, sei. (t 1916) Ordensgeneral (1904-1916) 199, 794 f„ 797 f„ 800 f. Comaro, Christioph, Dr. Botschafter der Republik Österreich 476 Comehus, Hauptmann 598 Corripio Ahumada, Emesto, Kardinal Apostohscher Administrator von Mexiko 962 Corriveau OFMCap., John Generalminister der Kapuziner 662 Corriveau, Raul Bischof von Choluteca, Präsident der Bischofskonferenz von Honduras 935 Costanzo, Giuseppe Erzbischof von Syrakus 288, 292 Crisio (Crisinus), Markus von, sei. (11619) 251 Cruchaga SJ, Alberto Hurtado, sei. 720 f„ 723 f. Crucitti, Francesco Professor 727 Cyprian, hl. 44, 575, 601 Danei, Paolo 734 Danneels, Godfried, Kardinal Erzbischof von Mechelen-Brüssel 460 Dante Alighieri, Dichter 508 Darmaatmadja, Julius Riyadi Erzbischof von Semarang 186 Darmojuwono, Justinus, Kardinal Erzbischof em. von Semarang 746 David 564, 824, 867 De Gasperi, Alcide (f 1954) italienischer Ministerpräsident, Neugründer der Democrazia Cristiana 323, 509 De Giorgi, Salvatore Erzbischof em. von Taranto 458 1375 De Rossi, Johannes Baptista, hl. (t 1764) 626 De Veuster siehe Veuster de, Damiano Decourtray, Albert, Kardinal Erzbischof von Lyon 746 Demirel, Süleyman Präsident der Türkei (seit 1993) 1246 Descamps, Michel, Prälat 488 Descartes, Rene (1596-1650) franz. Philosoph und Mathematiker 534 Deskur, Andrzej Maria, Kardinal Präsident der Päpstlichen Akademie der Immakulata 216, 539, 647 Diana, Guiseppe 57 Dimitrios I., Patriarch von Konstantinopel 658, 814 Dinkha IV., Mar Katholikos und Patriarch der Assyrischen Kirche des Ostens 194, 1016, 1305 Djitangar, Edmond Bischof von Sarh 1000 Dlugosz, Antoni Jözef Weihbischof in Tschenstochau 329 Dominikus, hl. 738, 794 f., 797, 800, 803 Domnius von Salona, hl. (f 304) 257 DonBosco, Johannes, hl. (1815-1881) Gründer der Kongregation der Salesianer Don Boscos (SDB) 286, 491, 509, 738 Dossena, Luigi Erzbischof von Carpi, Apostolischer Nuntius in der Slowakei 665 Dostojewskj, Fjodor Michailowitsch (t 1881), russischer Dichter und Schriftsteller 680 Dronov russischer Dirigent 679 Dusmet OSB, Giuseppe Benedetto, sei. (f 1894), Kardinal Erzbischof von Catania 284 Dyba, Johannes, Erzbischof Bischof von Fulda 184 Echevarria, Javier Rodriguez Generalvikar des Opus Dei 544 Echevenia Ruiz, Bernardino Erzbischof em. von Guayaquil und Apostolischer Administrator von Ibarra 186 Elisabet (Elisabeth), hl. hebr. „mein Gott ist Fülle”, Frau des Priesters Zacharias, eine Verwandte Marias, sie wurde in hohem Alter Mutter von Johannes dem Täufer 117, 221,298, 304, 371 f., 844 Elisabeth von Thüringen, hl. 198 Elisabeth von Ungarn OP, hl. 355 Ephräm, hl. Kirchenlehrer 1014 Epicharmos (t 460 v. Chr.) griechischer Dichter 287 Erräzuriz Ossa, Francisco Javier Erzbischof von Holar (Island), Sekretär der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens 1173 Escrivä de Balaguer, Josemarfa, sei. Priester und Gründer des Opus Dei 545 f. Esra, Priester 290, 939 Esther 939 Etchegaray, Roger, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum 320, 571, 647, 701, 808, 869, 1248, 1281 Euplius (Euplo), Märtyrer, hl. (f 304) 284 Eusebius, hl, Bischof 257 Eva 104, 110, 123, 212, 419, 421, 841 1376 Eyt, Pierre, Kardinal Erzbischof von Bordeaux 186,830 Ezechiel, Prophet 447, 939 Fagiolo, Vincenzo Erzbischof em. von Chieti-Vasto, Präsident des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten 186, 647 Faro, Giuseppina 284 Fatuzzo, Marco, Professor Bürgermeister von Syrakus 288 Faustina 738 Felici, Angelo, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse 652 Femandes, Angelo Innocent, Erzbischof Präsident des Internationalen Büros für katholische Erziehung (OIEC) 488 Fernando (= Taufnahme des hl. Antonius von Padua) 641 f., 644 Filippini, Lucia, hl. 792 f. Fiore, Emesto Erzbischof von Nori 362 Florido, Petra de San Jose Perez (Petra vom hl. Joseph), sei. Gründerin des Institutes der Schwestern „Mütter der Verlassenen” und vom „Hl. Josef im Gebirge” 720-723, 725 f. Foley, John Patrick, Erzbischof Präsident des Rates für die sozialen Kommunikationsmittel 647 Foucauld, Charles de 600 Francesca, Piero della (f 1492) italienischer Maler 101 Francisco, Hirtenkind (erschien in Fa-tima die Muttergottes) 858 Franz von Assisi, hl. 200, 297, 327, 355, 507 f„ 523, 570, 643 f„ 663 f., 683, 738, 799 Franz von Sales, hl. 358 f., 738, 791 Franz Xaver SJ, hl. (1506-1552) Apostel Indiens und Japans 619, 779, 837 Franziskus siehe Franz von Assisi Frassati, Pier Giorgio, sei. 235-237, 511 Frumentius, hl. 762 Fürstenberg, Maximilian von (de) 570 Fulbert (f 1028) Bischof von Chartres 101 Fumo, Carlo, Erzbischof Apostolischer Nuntius in Italien 186 Gabriel, Erzengel 297 f., 420, 747, 843 Galand, Agnes (Agnes de Jesus Ga-land de Langeac), sei. (| 1634) Dominikanerin 199, 794-798, 800 f. Galilei, Galileio (1564-1642) Naturphilosoph und Astronom 508 Gama von Lituhi, Kassian Katechet aus Tansania 600 Gamaliel, Pharisäer 659 Gantin, Bemardin, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Bischöfe 497,617,648 Garonne, Gabriel-Marie, Kardinal Präfekt der Kongregation für das katholische Bildungswesen 345-347, 746 Garrigou-Lagrange OP, Reginald (f 1964), Dominikanertheologe 445, 798 Gautrelet SJ, Franz Xaver (1844) Begründer des Gebetsapostolates 837 Gayot, Frangois Erzbischof von Cap-Haitien, Präsident der Bischofskonferenz von Haiti 930 1377 Gedda, Luigi, Professor Mitbegründer des Verbandes Katholischer italienischer Ärzte 848 Gerard OMI, Joseph, sei. (f 1914) 579, 600 Gerin, Marcelo Bischof em. von Choluteca 938 Ghirlandaio (Domenico di Tommaso Bigordi) (| 1494) italienischer Maler 567 Gillet, Paolo Weihbischof in Albano 115, 329 Giotto (di Bondone) (f 1337) italienischer Maler 523 Gobel, Jean-Paul Apostolischer Nuntius in Georgien und Armenien 329 Gonzalez, Roque, hl. 983 Gordö, Recardo Maria Carles Erzbischof von Barcelona 186 Granzotto OFM, Claudio, sei. 199, 794, 796 f„ 799 Gregor der Große, hl., Papst (590-604) 181,506 Gregor VII., Papst (1073-1085) 507 Gregor von Nazianz d. J., hl. (t 390) Kirchenlehrer 1004 Gregor von Nyssa, hl. (t 394) Kirchenlehrer 373, 1004 Grignion de Montfort, Ludovicus Maria (t 1716), hl. 445 Grillmeier SJ, Alois, Kardinal 186 Griswold anglikanischer Bischof 744 Guardini, Romano 227 Gwlina, Jozef polnischer Militärbischof 609 Hadas, Shmuel Botschafter Israels beim HL Stuhl 703 Hamad al-Sultan, Fawsi Präsident des Internationalen Agrarentwicklungsfonds 1242 Hamer OP, Jean Jerome, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens 650 Hanna, Prophetin Tochter des Penuel 136, 142, 442 Havel, Vaclav Präsident der Tschechischen Republik 493 Hedwig von Schlesien, hl. 355 Heraklius (Herakleios) byzantinischer Kaiser (610-641) 250 Hernandez, Andres Delgado, Pater Generalsekretär des Internationalen Büros für katholische Erziehung (OIEC) 488 Herodes I., der Große König (37-4 v. Chr.) 424 f., 574, 715, 854, 874 Herodes (Agrippa I.) König von ganz Palästina (41-44) 660 Herodes (Antipas) Tetrarch von Galiläa und Peräa (bis 39 n. Chr.) 532 f. Herranz Casado, Julian, Erzbischof Sekretär des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten 1307 Hieronymus, hl. 181 Hippokrates 816 Hirth PA, Johann Josef (t 1931) Missionsbischof 600 Hroznata, hl. (t 1217) Märtyrer 494 Hurtado Cruchaga, Alberto, sei. (f 1952) 175, 904 1378 Hus, Jan (f 1415) böhmischer (tschechischer) Reformator 494 Ignatius von Antiochien, hl. 1004, 1008 Ignatius von Loyola, hl. 213, 738 Innocenti, Antonio, Kardinal Präsident der Päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei” 644 Irenaus von Lyon, hl. (gest. um 202) Kirchenvater 212, 273, 284, 390 f., 416, 443, 499, 841 Isaak 333, 1027 Ismael 333 Jacinta, Hirtenkind (erschien in Fatima die Muttergottes) 35, 858 Jacobis, Justinus de, hl. (t 1860) 600 Jairus 111 Jakob Patriarch 1027 Jakobus, hl., Apostel Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes 136, 267 f., 558, 571, 719 Javierre Ortas, Antonio Maria, Kardinal Präfekt der Kogregation für den Gottesdienst und die Sakramente-nordnung 285, 644, 650, 1049 Javouhey, Anne-Marie, sei. (t 1851) 600 Jeremia, Prophet 332, 824 Jesaja, Prophet 65, 201, 225, 299, 328, 355, 722, 753, 755, 862, 873-875 Joel, Prophet 23, 612 Johannes, hl. Apostel und Evangelist, Bruder des Jakobus 18, 65 f., 79, 90, 148, 228, 233, 301, 319, 330, 342, 391, 396, 427, 430, 438, 532, 543, 547, 553, 557, 559, 575, 577, 594, 613, 716, 719, 748, 756, 856, 875, 879 f„ 927, 1097, 1117, 1259 Johannes IV., Papst (640-642) 257 Johannes VIII., Papst (872-882) 250, 255 Johannes X., Papst (914-928) 156 Johannes XXIII., Papst (1958-1963) 316, 363, 376, 464, 758, 760 f., 784, 870, 1124, 1191, 1238 Johannes Bosco, hl. siehe Don Bosco, Johannes, hl. Johannes Chrysostomus, hl. 489, 588, 1004 Johannes der Täufer 172, 201, 210 f., 330,412, 631,758, 861,863 Johannes Nepomuk, hl. Märtyrer von Kosice 494, 501 f. Johannes Paul I., Papst (1978) 166. 758 Johannes Paul II., Papst (ab 1978) 187, 1021, 1023, 1194-1197, 1199, 1205, 1209 f., 1232, 1238, 1252, 1254 f„ 1258-1261, 1274, 1279, 1281-1283, 1305, 1310 Johannes vom Kreuz, hl. 427, 734, 738 Johannes von Luxemburg König von Böhmen (1310-1346) 585 f. Josef (Joseph), hl. 7, 27 f., 55, 223, 299, 304, 319, 332, 421-424, 440 f„ 443, 445, 454, 527-529, 538, 591, 620, 675, 715, 722, 726, 747, 787, 824, 847, 853, 855 f„ 876, 880 Joubert, Eugenie, sei. Kongregation der Schwestern von der Heiligen Familie 199, 794, 796-798 Judith 939 Jugan, Jeanne, Schwester 346 Kamillus von Lellis, hl. 722, 726 1379 Karl II. der Kahle (t 877) deutscher Kaiser 527 Karl IV. (t 1378) deutscher Kaiser 587 Karpov, Anatolii Präsident des internationalen Verbandes des Fonds für den Frieden 679 Kaspar, Karel, Kardinal Fürst-Erzbischof von Prag (1931-1941) 585 Katharina, hl. 327 Katharina von Siena, hl. (f 1380) Mystikerin 94, 508, 632, 635, 738, 800 Kazotic, Augustin, sei. (f 1323) 251 Keeler, William Henry Erzbischof von Baltimore 186 Khoraiche, Antoine Pierre, Kardinal Maronitischer Patriarch em. von An-tiochia 644, 746 Kim, Andreas (Kum-hai), hl. (f 1846) 779 Klara von Assisi, hl. 738 Klestil, Thomas Österreichischer Bundespräsident 806 Kobayashi Vorsitzender der Nippon-Fernsehgesellschaft (NTV) 567 Kolbe, Maximilian Maria, hl. 472 f., 612, 738 Koliqi, Mikel Prälat aus der Erzdiözese Scutari (Shkodre) 186 Kolumbus, Christoph 508 Kolvenbach SJ, Peter-Hans Generaloberer der Gesellschaft Jesu 836, 882 Komarica, Franjo Bischof von Banja Luka 689 Kopemikus, Nikolaus (f 1543) Astronom 508 Korec SJ, Jan Chryzostom, Kardinal Bischof von Nitra 502 Kosciuszko, Tadeusz Andrzej polnischer Feldherr und Nationalheld (t 1817) 668 Kouto, Julien K. Mawule Bischof von Atakpame (Togo) 329 Koväc, Michal Präsident der Slowakischen Republik 665 Kowalska, Faustina, sei. 15, 68 Kuharic Franjo, Kardinal Erzbischof von Zagreb, Präsident der Kroatischen Bischofskonferenz 155, 249, 254, 260 Kyrill (Cyrillus), hl. (Mönch) Schutzpatron Europas 33,156,204, 250, 257, 355, 491, 494, 503 f„ 507, 610, 612, 666-668, 822 La Salle, Johannes Baptist de 738 Lacordaire OP, Dominikus (f 1861) 800 f. Lafontant, Joseph Apostolischer Administrator von Port-au-Prince 934 Laghi, Pio, Kardinal 650 Präfekt der Kongregation für das Katholische Bildungswesen 1227 Lang, Josip Weihbischof in Zagreb 254 La Pira, Giorgio Bürgermeister von Florenz 509 Lari, Ovidio Bischof von Aosta 234 Laridon, Eugeen Weihbischof in Brügge 460 Las Casas OP, Bartolomeo de (fl566) Missionar und Indianerprotektor 801 1380 Lavigerie, Charles-Martial-AUemand ( f 1892), Kardinal Erzbischof von Karthago und Primas von Afrika, Gründer der Missionare Afrikas (Weiße Väter) und der Mis-sionsschwestem Unserer Lieben Frau von Afrika 595, 599 Lazarus 113,117, 208, 290, 292, 847, 1075 Ledöchowska, Maria Theresia, sei. 595 f. Lejeune, Jerome, Professor 561 f., 815, 868 Lerne da Silveira Cintra, Sebastiao, Kardinal 596 Leo der Große, hl., Papst (440-461) 33, 373 Leo X„ Papst (1513-1521) 156 Leo XIII., Papst (1878-1903) 80, 316, 648,760, 763, 809 Leopold, hl. 254 Levine, Gilbert 563, 566 Longo, Bartolo, sei. 85 Lopez Trujillo, Alfonso, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie 1211 Lubac SJ, Henri de, Kardinal 830 Lucia, Hirtenkind (erschien in Fatima die Muttergottes) 288, 858 Ludmilla, hl. (f 921) 494 Lukas, hl., Evangelist 27, 99, 213, 228, 291, 298, 318 f„ 424, 440, 747, 855, 873 f. Lustiger, Jean-Marie, Kardinal Erzbischof von Paris 561, 563 Macchi, Pasquale, Erzbischof 216, 297 Marias, Juan, hl. (t 1645) 989 Magdalena 463 Maida, Adam Joseph Erzbischof von Detroit 186 Mahnvaud, Edmond, Professor Präsident der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschalten 808 Maltarello, Agostino, Professor Mitbegründer des Verbandes Katholischer italienischer Ärzte 848 Mandic, Leopold Bodgan, hl. 251, 254 Mani, Giuseppe Weibischof in Rom 531 Marcianus, hl. Bischof, Schüler des Petrus 288 Marello, Giuseppe (Josef), sei. (t 1895) Bischof von Acqui, Gründer der Oblaten vom hl. Josef 444-446 Maria Mutter des Jakobus 558 Maria aus Magdala (NT) 66, 113, 558, 1259 Maria von Bethanien 119,847 Marini, Piero, Prälat Zeremonienmeister des Hl. Vaters 647 Marino, Renato R., Erzbischof Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei der UNO in New York 1311 Markus, Evangelist 719 Martha (Marta) Schwester des Lazarus 113,117, 459, 847 Martin, Abt missionierte die Kroaten (um 640) 257 Martin, Diarmuid, Prälat 1255 Martinek, Johannes M. 492 Martfnez, Emiliano Antoni Cisneros bischöflicher Prälat von Chota (Peru) 329 Martinez Somalo, Eduardo, Kardinal Camerlengo 650, 1173 Martino, Franco 288 1381 Martino, Renato Raffaele, Erzbischof Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei der UNO 1283, 1290 Marty, Francois, Kardinal Erzbischof em. von Paris 746 Marulic, Marko (f 1524) kroatischer Dichter 264 Massaia OFMCap., Wilhelm (f 1889) Kardinal, Apostolischer Vikar der Gallas 599 Matthäus, hl., Evangelist 7, 191, 196, 208, 424, 428, 709, 719, 874 Maurus von Parentium, hl. 257 Mazzarello, Maria Domenica, hl. 286 McCann, Owen, Kardinal Erzbischof em. von Cape Town (Kapstadt) 746 McGrath, Marcos Gregorio Erzbischof von Panama, Präsident der Bischofskonferenz von Panama 977 Meinard, Mönch (12. Jdt.) 513 Meri, Lennart Präsident der Republik Estland 694 Merz, Ivan 255 Method (Methodius), hl., Bischof Schutzpatron Europas 33, 156, 204, 250, 257, 355, 491, 494, 503 f., 507, 610, 612, 666-668, 822 Michael, hl., Erzengel 80 Michelangelo Künstler 277, 487, 508, 567, 569 f. Mickiewicz, Adam Bernhard (f 1855) polnischer Dichter 614 Micolini, Paolo, Senator Präsident des italienischen Landwirteverbandes 834 Molla, Gianna (Giovanna/Geanna Be-retta), sei. 79, 187, 592 f. Monduzzi, Dino, Bischof Präfekt des Päpstlichen Hauses 647 Mongrovejo, Toribio de, hl. (f 1606) Erzbischof von Lima, Patron von Peru und Lima 989 Monteagudo OP, Anna ab Angelis, hl. (t 1686) 989 Montecorvino OFM, Giovanni da (f 1328) erster Erzbischof von Khambaliq 690 Montesinos, Antonio 801 Mora, Elisabeth (Elisabetta) Canori, sei. (t 1825) 79, 187, 592 f. Morano, Magdalena Katharina, sei. (t 1908) 280, 283-286 Moreira Neves, Lucas, Kardinal Erzbischof von Salvador da Bahia 596 Morosini, Pierina 511 Mose(s) 95, 97, 413 f„ 440, 542, 559, 568, 574, 660, 754, 761, 1027, 1030,1135 Munoz Vega, Pablo, Kardinal Erzbischof em. von Quito 746 Muresan, Lucian Bischof von Maramures (Rumänien) 351 Mvemba-Nzinga, Alfonso I. König von Kongo-Angola 599 Mvemba-Nzinga, Henrique Sohn Alfonsos I., erster schwarzer Bischof des 1596 errichteten Bistums Kongo-Angola (später Luanda) 599 Navarro-Valls, Joaquin Direktor des Pressesaales des Hl. Stuhls 357 Nehemia (5. Jh. v. Chr.) Statthalter in Jerusalem 290 Nengapeta, Clementina Anuarite, sei. (f 1964) 579, 600 Neri, Philipp, hl. 626 Nero römischer Kaiser (54-68) 506, 749 1382 Nikolaus IV, Papst (1288-1292) 690 Niwano, Nikkyo, Reverend 739 Noe, Virgilio, Kardinal Generalvikar für den Staat der Vatikanstadt 629 f., 647 Nolte, Claudia Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 461 Nordwid, Cyprian polnischer Dichter 531 Notarangelo, Biagio, Msgr. Beirat des italienischen Landwirteverbandes 834 Nsengiyumva, Thaddee Bischof von Kabgayi, Vorsitzender der Bischofskonferenz von Ruanda 637 Nsengiyumva, Vincent Erzbischof von Kigali 637 Obando Bravo, Miguel, Kardinal Erzbischof von Managua und Vorsitzende der Bischofskonferenz von Nicaragua 967 Olier, Msgr. 796 Oliveira, Americo Do Couto Bischof-Koadjutor von Lamego (Portugal) 329 Olivero, Emeste 872 Orbegozo Jäuregui CP, Jose Augustin Generaloberer der Passionisten 691, 734 Origenes 575, 791 Ortega y Alamino, Jaime Lucas Erzbischof von San Cristöbal de La Habana 186 Ottaviani, Alfredo, Kardinal 828 Padiyara, Antony, Kardinal syro-malabarischer Erzbischof von Emakulam 644 Päez Garcete, Oscar Bischof von San Pedro, Präsident der Bischofskonferenz von Paraguay 982 Palestrina, Giovanni Pierluigi italienischer Komponist 432-434, 523 Paniagua, Ester, Schwester 184 f. Panteleimon Metropolit von Thessaloniki 491 Pappalardo, Savatore, Kardinal Erzbischof von Palermo 284 Pardubice, Amost von (Emst von Pardubitz) erster Erzbischof von Prag (1343-1364) 586 Pascal, Blaise (1623-1662) 12, 428, 544, 1021 Paul II. Cheikho, Patriarch 1016 Paul VI., Papst (1963-1978) 10, 32, 45 f„ 50, 135, 166, 180, 186, 235, 267, 297, 316, 345, 358, 394, 396, 429, 486, 506, 537, 549, 572, 601, 613, 621, 651, 676 f., 712, 758-761, 763, 769, 779, 820, 830, 837, 868, 870,919, 931, 1191-1194, 1211, 1237 f„ 1259, 1274, 1279 Paul vom Kreuz, hl. 509, 691-694, 734-736, 738 Paulus von Tarsus, hl., Apostel 6, 9, 13, 15, 28, 30, 34, 46-49, 51, 70, 77, 82, 97, 108 f., 113, 132, 136, 164, 168, 183, 197, 202 f„ 207, 212, 216, 219 f., 222, 227 f„ 233, 271, 282, 288, 292, 299, 318 f., 321 f„ 324, 329, 342 f„ 346, 351, 356, 370, 387, 393, 396, 399 f„ 402, 407, 416-418, 421, 424, 430, 444, 462-464, 469 f„ 491, 505 f., 509, 533, 558, 563, 569, 571, 589, 599, 639, 645, 656-662, 670, 680, 716 f„ 725, 737, 746 f., 752, 761, 774, 780 f„ 791, 802 f„ 814, 824, 826, 839, 841, 862, 864, 879, 897, 904, 910, 921 f„ 925, 935, 939 f., 943, 946, 952, 957, 967, 972, 982, 991, 995 f„ 1000, 1004, 1013, 1028, 1031, 1096, 1098, 1114 1383 Pavle Patriarch der Serbisch-Orthodoxen Kirche 239,689 Pedro von Cordova 801 Peguy, Charles 678 Penuel Vater der Hanna 442 Peric, Ratko Bischof von Mostar-Duvno und Administrator von Trebinie und Mrkan 689 Perrier, Jacques Bischof von Chartres 677 Perugino (Pietro Vannucci) (t 1523) Hauptmeister der Malerschule von Perugia 567 Petrus (Simon Petrus, Kephas), hl., Apostel 23, 64-66, 98, 108 f., 147, 161, 173, 177, 199, 205, 210, 256, 273, 288, 292 f„ 297, 300, 320, 322, 324, 329, 348, 350, 356, 365 f., 414, 428, 430, 444, 464, 469, 499, 503, 505 f„ 508, 510, 544, 549, 558 f„ 570, 573, 598 f„ 601, 613, 624, 645, 656-661, 666, 670, 680, 690, 709, 791,806, 813 f., 819 f, 826, 838, 840, 864, 867, 879-881, 888 f„ 891, 904, 922, 925, 939, 943, 946, 952, 957, 960, 982, 986, 991, 996, 1000, 1008, 1013, 1028, 1050, 1075, 1297 Petrus Claver, hl. (f 1654) 595 f., 738 Pham Dinh Tung, Paul Joseph Erzbischof von Hanoi 186 Philippus, Apostel 569, 574 Philippus, Diakon 598 Phöbe 113 Pilatus siehe Pontius Pilatus Pinturicchio (Bernardino Betti Biagi) (t 1513), Maler der italienischen Frührenaissesance 567 Pironio, Eduardo Franciso, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien 647, 1227 Pius IX., Papst (1846-1878) 540, 809, 837, 843 Pius X., hl., Papst (1903-1914) 144, 237, 759, 801 Pius XI., Papst (1922-1939) 41, 158, 316, 340, 346, 596, 642, 733, 760, 792, 869, 1269 Pius XII., Papst (1939-1958) 29, 127, 158, 169, 198, 301, 316, 362, 385, 429, 551, 616, 642, 758, 760, 848, 869 Pius, Pater 502 Plinius der Jüngere 749 Poggi, Luigi Pro-Bibliothekar der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek und Pro-Archivar des Vatikanischen Geheimarchivs 186 Poletti, Ugo, Kardinal Generalvikar Seiner Heiligkeit 468, 645 Politi, Nicola, hl. 284 Pollion, hl. Lektor von Cibale 257 Polykarp, hl. Bischof von Smyrna 1004, 1008 Pompedda, Mario Francisco Dekan des Gerichtshofes der Römischen Rota 650 Pontius Pilatus 532 f., 659, 716, 749, 794, 797 Porres, Martin de, hl. (| 1639) 989 Porro, Benedetta Bianchi 511 Portillo, Alvaro del, Prälat 544 f. Poupard, Paul, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Kultur 520, 647, 677, 1227 Poussepin, Marie, sei. Gründerin der Kongregation der Do- 1384 minikanerinnen von der Darstellung der sei. Jungfrau Maria 199, 794 f., 797 f„ 800 f. Prabu (Prabhu), Peter Paul, Erzbischof Apostolischer Nuntius in Zimbabwe 329 Profirogenito, Konstantin 250 Prokop, hl. (t 1053) Abt von Säzava 204 Proykov, Christo Bischof-Koadjutor des Apostolischen Exarchates für die Katholiken des byzantinisch-slawischen Ritus in Bulgarien 329 Puglisi, Giuseppe 284 Puljic, Vinko, Kardinal Erzbischof von Vhrbosna-Sarajevo (Bosnien-Herzegowina) 155, 186, 241,689,707, 838 f. Quarracino, Antonio, Kardinal Erzbischof von Buenos Aires, Präsident der Argentinischen Bischofskonferenz 644 Quinn, Edel 600 Quintens, Werner Prälat, Rektor des Belgischen Kollegs 460 Quirinus, hl. Bischof von Siscia 257 Radcliffe OP, Timothy Großkanzler der Päpstlichen Universität St. Thomas v. Aquin 800 Raffael (Santi) (| 1520) italienischer Maler und Architekt 508 Rafols, Maria, sei. 175 Gründerin der Barmherzigen Schwestern von der hl. Anna 720 f., 723, 725 Raimund von Capua, sei. 635 Ramos Umana, Roberto Joaquin Militärbischof von El Salvador 922 Rasoamanarivo, Vittoria, sei. 600 Ratzinger, Joseph, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre 646, 783, 829, 1233 Razafindratandra, Armand Gaetan Erzbischof von Antananarivo 186 Re, Giovanni Battista, Erzbischof Substitut im Staatssekretariat 645 Reinelt, Joachim Bischof von Dresden-Meißen 654 Ribeiro, Antonio, Kardinal Patriarch von Lissabon 644 Rfos, Ricardo Valenzuela Weihbischof in Asuncion (Paraguay) 329 Ripamonti, Liliana Beriozza 474 Rivera Damas SDB, Arturo Erzbischof von San Salvador, Präsident der Bischofskonferenz von El Salvador 921 Rodrfguez, Jesus Lopez, Kardinal Erzbischof von Santo Domingo, Vorsitzender der Dominikanischen Bischofskonferenz 910 Roland, Nicolas, sei. Gründer der Kongregation der Schwestern vom Kinde Jesus 175 f., 720, 723 f. Rosa von Lima, hl. 989 Rublev, Andrei russischer Maler 568 Ruggeri, Giovanni Vorsitzender des Staatlichen Instituts für Polygraphie und Münzprägung (Italien) 527 Ruini, Camillo, Kardinal Kardinalvikar von Rom, Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz 468,531,612,624,630,645 Ruiz Navas, Jose Mario Erzbischof von Portoviejo, Präsident der Bischofskonferenz von Ecuador 916 1385 Ruppi, Cosmo Francesco Erzbischof von Lecce 268, 272, 274 Russo, Michele erster Bischof von Doba 1000 Ruzindana, Joseph Bischof von Byumba 638 Sabbah, Michel Patriarch der Lateiner in Jerusalem 607, 889 Sadik, Nafis Generalsekretärin der Internationalen Konferenz für Bevölkerungs- und Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen 1994 514, 1255 Saldarini, Giovanni, Kardinal Erzbischof von Turin 475 Saliege, Jules-Geraud (f 1956) Kardinal, Erzbischof von Toulouse 345 Salome 558 Salomon 442 Samuel 142 San Jose, Petra di, sei. 175 Sanchez, Jose T., Kardinal Präfekt der Kongregation für den Klerus 696, 1051, 1116 Sandoval Iniguez, Juan Erzbischof von Guadalajara 186 Santos Hemandez SDB, Hector Enrique Erzbischof em. von Tegucigalpa 938 Sara, Frau des Manoach 421 Sardou, Joseph-Marie Bischof von Monaco 531 Saulus (Paulus) von Tarsus 328, 658-660 Scalfaro, Oscar Luigi Italienischer Präsident 298 Scarrone Carrero, Raul Horacio Bischof von Florida (Uruguay), Präsident der Bischofskonferenz von Uruguay 1008 Scavazzi, Pirro 626 Schneier, Arthur, Rabbi Präsident der Stiftung „Appeal of Conscience Conflict Resolution Commission” 1248 Scholastika, hl. Schwester des hl. Benedikt von Nursia 506, 738 Schotte, Jan, Erzbischof Generalsekretär der Bischofssynode 186, 602, 649 Schuman, Robert (f 1963) französischer Politiker: u. a. Außenminister und Ministerpräsident, Präsident des Europäischen Parlaments 323 Sepe, Crescenzio, Erzbischof Sekretär der Kongregation für den Klerus 1116 Seper, Franjo (f 1981), Kardinal Präfekt der Glaubenskongregation 256 Serini OFM Conv., Lanfranco Generalminister der Franziskaner-Konventualen, Präsident der Union der franziskanischen Generalminister 472, 641 Sfeir, Nasrallah-Pierre, Kardinal maronitischer Patriarch von Antiochien 186, 821 Sgreccia, Elio, Bischof Sekretär des Päpstlichens Rates für die Familie 1211 Shirayanagi, Peter Seiichi Erzbis chof von Tokio 186 Silveira SJ, Goncalo da (t 1561) Protomartyrer Südafrikas 600 Silvestrini, Achille, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 649 Simeon, Prophet Zeuge der Darstellung Jesu im 1386 Tempel 27, 142, 144, 319,424, 441, 454, 854 Simon, Pharisäer 112 Simon Petrus siehe Petrus Slattery, Edward J. Bischof von Tulsa (USA) 329 Sodano, Angelo, Kardinal Kardinalstaatssekretär 37, 645, 1199, 37 Solano, Francisco, hl. 989 Solano, Juan Bischof von Cuzco 801 Solowjow, Wladimir Sergejewitsch (f 1900) russischer Philosoph und Dichter 680 Solschenizyn, Aleksander Isajewitsch russischer Schriftsteller 680 Soubirous, Bernadette (Marie-Ber-nard, Seherin von Lourdes), hl. (t 1879) 456, 858 Spencer CP, Ignazio 694 Stanislaus, hl. Bischof von Krakau 761 Stephanus, hl., Märtyrer 225 f., 659 Stepinac, Alojzije, Kardinal Erzbischof von Zagreb 156, 251, 253, 255-257 Stickler SDB, Alfons Maria, Kardinal 54, 285 Streicher PA, Heinrich Bischof, Apostolischer Vikar von Uganda 600 Suärez Rivera, Adolfo Antonio Erzbischof von Monterrey, Präsident der Bischofskonferenz von Mexiko 186, 952 Sudar, Pero Weihbischof in Vrhbosna (Sarajevo) 241, 689, 839 Sueton (2. Jh. N. Chr.) römischer Schriftsteller 749 Swiatek, Kazimierz Erzbischof von Minsk-Mohilev (W eißrußland) 186 Szoka, Kasimir, Kardinal Präfektur der wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls 651 Tabet, Paul F., Erzbischof Nuntius, Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls in Genf 1249, 1252 Tarcisius, hl. 858 Tauran, Jean-Louis, Erzbischof Sekretär im Staatssekretariat 646, 1279 Tavelic, Nikolaus (Nikola), hl. (11391) 251,254 Tcholakian, Hovhannes Erzbischof von Istanbul der katholischen Armenier, Präsident der Bischofskonferenz der Türkei 1004 Teresa von Kalkutta 865 f. Tertullian (160-220) einer der bedeutendsten Kirchenlehrer der alten Kirche 44, 226 Theokritos (| um 260 v. Chr.) griechischer Dichter aus Syrakus 287 Theresia von Avila, hl. 738 Theresia von Lisieux (Theresia vom Kinde Jesu) hl. 294, 619, 738, 858 Ihiandoum, Hyacinthe, Kardinal Erzbischof von Dakar 602 Thiel CM, Bemardo Augusto (f 1901) Bischof von San Jose in Costa Rica 908 Thomas von Aquin, hl. (um 1226-1274) Kirchenlehrer 81, 94 f„ 165, 181 f„ 190 f., 197, 207, 212 f„ 362, 399, 401, 508, 626, 631, 637, 738, 798, 802, 812 1387 Thomas, hl., Apostel 462 f., 536, 578 f„ 637, 762, 784, 803, 939 f„ 1013, 1017 Timotheus Schüler des Apostels Paulus 136, 343, 922, 996, 1098 Titus Schüler des Apostels Paulus 227 Tobias 421 Todea, Alexandra, Kardinal Erzbischof em. von Fagaras und Alba Julia 351 Tolstoj rassischer Schriftsteller 680 Tomäsek, Frantisek (f 1991), Kardinal Erzbischof von Prag 585 Tomislaw (910-930) erster kroatischer König 156 Tomko, Jözef, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 502, 505, 649, 665, 690 Tonini, Ersilio Erzbischof em. von Ravenna-Cervia 186 Toniolo, Giuseppe 361 Trajan, Kaiser 749 Trujillo, Alfonso Lopez, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie 98, 448, 537, 638, 647, 711,867 Tudjman, Franjo Präsident von Kroatien 155 Tumi, Christian Wiyghan, Kardinal Erzbischof von Douala 602 Turcotte, Jean-Claude Erzbischof von Montreal 186 Tzadua, Paulos, Kardinal Erzbischof von Addis Abbeba 602 Ujiie Präsident der Nippon-Femsehgesell-schaft (NTV) 567 Ulmanis, Giuntis Präsident der Republik Lettland 511 Ursus, hl. 234, 236 f. Vandame, Charles Erzbischof von N’Djamena, Präsident der Bischofskonferenz des Tschad 1000 f. Vannini, Giuseppina, sei. Gründerin der Kongregation der Töchter vom hl. Kamillus 175, 720, 722 f., 726 Varela, Felix, Pater 949 Vargas Alzamora, Augusto, Kardinal Erzbischof von Lima, Präsident der Bischofskonferenz von Peru 991 Veit, hl. 586 Venantius, hl. 257 Veuster de, Damien, sei. 26, 87 f., 460, 899 Vial Correa, Juan de Dios Professor 815 Vianney, Johannes Maria, hl. (f 1859) Pfarrer von Ars 502 Viladrich, Pedro-Juan, Professor Leiter des Instituts der Wissenschaften für die Familie an der Universität Navarra 742 Villalobos, Roman Arrieta Erzbischof von San Jose, Vorsitzender der Bischofskonferenz von Costa Rica 905 Villot, Jean, Kardinal Camerlengo 570 Vinzenz von Paul, hl. 737 Virgilio, Domenico di, Professor Vorsitzender des Verbandes der Katholischen italienischen Ärzte 848 Vlk, Miloslav Erzbischof von Prag 186, 585, 822 Voronova, Ivetta Präsidiumsmitglied des Kulturfonds Rußlands 679 1388 Vosnjak, Vendellin 255 Wagner, Alois, Erzbischof Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei der FAO 78,1242 Wamala, Emmanuel Erzbischof von Kampala 186 Wanke, Joachim Bischof von Erfurt-Meiningen 462 Wenzeslaus (Wenzel), hl. 494, 585-587 Willibrord, hl. Apostel Germaniens 506 Winning, Thomas Joseph Erzbischof von Glasgow 186 Wyszynski, Stefan, Kardinal Primas von Polen 91, 292, 570, 615 Yilmaz, Mehmet Nuri Präsident des Amtes für Glaubensangelegenheiten der türkischen Republik 1248 Zanic, Pavao Bischof em. von Mostar-Duvno 689 Zurbriggen, Peter Stephan Apostolischer Delegat in Mozambique 329 Länder- und Ortsregister Abendland 550 Abessinien 578 Abruzzen 45,51 Acqui - Bistum 445 Ägypten 95, 319, 424, 454, 506, 556, 559, 574, 578, 625, 754,761, 854, 1135, 1283 - Kirche in 1264 Äthiopien 574, 598 - Kirche in 1264 Ätna 283 Afghanistan 333 Afrika 28, 38 f., 44 f„ 50 f„ 55 f„ 69, 74, 79, 83-85, 87, 229, 321, 336-338, 340, 368-371, 443, 557, 560, 574-580, 592-603, 615, 630, 636, 648 f„ 652, 697, 762, 770, 779 f„ 805, 858, 881, 891, 896, 898 f„ 934, 942, 945, 1001 f., 1180 f„ 1259-1276, 1278 - Kirche(n) 575, 1260, 1262, 1274 - Kirche in 942, 1278 - Nordafrika 44, 598 - Südafrika 87, 336,1269 - Zentralafrika 1270 Aglona (l^ettland) 513 Agrigent 279 Aix-les-Bains 345 Akropolis 462 Albanien 358 Albano (Italien) 329 -Bistum 115,226 Alexandrien 574 f. Algerien 115, 184, 229, 338, 599, 878 Alpen 509, 541 Amerika 180,436,443,465,508, 533, 649, 721, 762, 770, 779, 801, 885, 911, 914, 916, 949, 953, 983 1389 - Lateinamerika 56, 175, 334, 370, 435-437, 439 f., 573, 587, 648, 724 f„ 801, 902, 905, 918, 926, 949, 968, 970, 981,994, 996, 1123, 1180 f., 1199 - Nordamerika 557, 615, 653 - Südamerika 335, 557, 615, 653, 1180 - Vereinigte Staaten von Amerika (USA) 61, 141, 180, 335, 465, 550, 609, 744, 1184 - Zentralamerika 1180 Andalusien 726 Angola 29, 193, 336, 599, 762, 878, 1270 Antillen 885 f., 888 Antiochia/Antiochien 288, 505, 660, 1008 Aosta 234 -Stadt 234 Aostatal 234, 237 Apulien 268, 270 f. Arabischer Raum 889 Argentinien 531, 726 Armenien 329, 646, 1246 f. Amaz 237 Arusha 40 Aserbaidschan (Azerbeidschan) 646, 1246 f. Asien 56, 61, 298, 557, 560, 625, 646, 648 f., 762, 771, 800, 893, 1181 Assisi 15, 240, 243, 251, 355 f„ 507, 641-643, 663, 682-685, 738, 741, 761, 1023 Asti 444 f. Asuncion (Paraguay) 329 Atakpame (Togo) 329 Athen 462 f., 505 f„ 660, 780 Atlantik 575 . Auschwitz 472, 563, 612 Australien 779 Avers a - Bistum 57 Bad Driburg 167 Balkan 8, 12-16, 18, 21, 140 f., 155 f., 240, 243, 245, 251, 253, 257-261, 264, 269, 321, 323, 351-353, 355, 446, 471, 476, 560, 653, 681, 684-686, 707, 763, 858, 878, 932, 1021, 1023 Baltikum 263, 354, 358, 512, 556, 646, 695 Baltimore 180 Bangkok 1308 Bangladesch 892-894 - Kirche in 895 Banja Luka - Bistum 689 Banskä Bystrica - Bistum 665 Barcelona 726 Basel - Bistum 60 Beijing 690, 1294 Belgien 26, 87, 672, 726, 790 Belgrad 155, 157 Benin 358 Berg Sinai 568, 761 Berg Tabor 570 Berlin 483 Betanien 847 Betlehem (Bethlehem) 7 f., 10, 223, 225, 227 f„ 291, 298, 318, 321, 328, 332, 353, 424 f., 440 f., 633, 678, 715, 747 f„ 762, 777, 823-825, 853 f., 859, 873-876, 878 f. Beuron - Erzabtei 60 Biella - Bistum 237 1390 Bithynien 749 Böhmen 494, 586 f., 665, 669, 822 Böhmen-Mähren 493 Bolivien 1181 Bologna 609 Borgo San Sepolcro 101 Bosnien 54, 78, 88, 161, 163, 242 f„ 245, 249-251, 351, 496, 707, 741, 839 f., 1246 Bosnien-Herzegowina (Bosnien-Her-zegovina) 16 f., 141, 156 f., 161, 167, 179, 243 f., 247, 258, 264, 311, 338 1, 353, 446, 470, 685, 688 f„ 761, 821, 1022 Bosporus 1246 Bossey 464 Bougainville 334 Brasilien 596 Brezovica 256 Brooklyn 180 Brügge 460 Budapest 198, 220 Buenos Aires 533, 543, 648 Bujumbura 896, 899 Bukarest 524 f., 1290 f. Bulgarien 329 Burkina-Faso 762 Burundi 28, 62, 69, 139 1, 320, 336, 576, 630, 762, 878, 896 f„ 899 f. - Kirche in 896 Byzanz 507 Caacupe 986 Cäsarea 292 Cäsarea Philippi 292, 659 Canterbury 744 Casamassima 609 Caserta 57 Castel Gandolfo 1141, 119, 124, 129, 134, 138, 140, 145, 150, 1621, 225 1, 6761, 680, 684, 707 Catania 84,277-287,602 - Bistum 277, 285 - Kirche von 279 Ceske Budejovice (Böhmisch Bud-weis) - Bistum 585 Chambery 345 Chantilly 522 Chartres 677 f. Chiapas 959 Chichester 678 Chile 721,9001,904 China 284, 334, 690 1, 762, 779, 1181 - Festlandchina 646 Chota (Peru) 329 Chur - Bistum 60 Cobre 952 Coesfeld 44 Cogne 233-237 Coimbra 641 Colchester 78 Colorado 542 Contadora 335 Costa Rica 9041,9071 -Kirche in 905,907 Cote d'Ivoire 370 Courmayeur 237 Cova da Iria 35 Cyrene 625 Dachau 563 Dalmatien 250, 257 Damaskus 108, 328 1, 659 1, 761 Deggendorf 67 1391 Denver (USA) 61, 141, 149, 261, 2S2, 358, 494, 501, 533, 541-543, 550, 648 Deutschland 323, 484 f., 654 f., 672, 760 f. - Bundesrepublik 482-484 Doba 1000 Dominikanische Republik 910,916 Donau 258 Donauraum 491 Dresden 654 f. Dubrovnik 251 Ecuador 916-918 Eichstätt 44 Eisenstadt 124 El Salvador 921-923 Elfenbeinküste 762 Emmaus 66, 462 f., 1259 England 761 Ephesus 194, 319, 328, 1004 Erfurt-Meiningen - Bistum 462 Eritrea 337 Ermland 508 Estland 669, 694-696 - Kirche in 695 Europa 13, 20, 33, 38, 96, 102, 156, 167, 175, 179, 190, 239, 244, 259, 263, 291, 298, 301, 303, 316, 318, 322-324, 326 f„ 338-341, 351 f., 355 f„ 358, 370, 443, 446 f„ 469, 476-478, 491, 506-510, 513, 522, 530, 540, 576, 586, 602, 608-612, 645, 648 f., 653, 655, 665 f„ 668-670, 678, 684-686, 696, 770, 780, Ö00, 807, 821 f„ 861, 878, 1023, 1181, 1240, 1242, 1271, 1294, 1296 - Mitteleuropa 244, 259, 320, 324, 482, 655 - Mittelosteuropa 482 - Osteuropa 14, 258, 320, 323 f., 448,646, 655,668,696, 1180 - Südosteuropa 179, 655 -Westeuropa 258, 696, 1180 f. - Zentraleuropa 258 Fatima (Portugal) 35,320,551,614, 653, 858 Ferner Osten siehe Osten, Ferner Filipov 495 Florenz 509 Fockenfeld 119 Foggia 528 Frankfurt/Main 155 Frankreich 291,323,531,562,672, 726, 800 Fribourg 801 Fulda - Bistum 184 Gabon 337 Galatien 282 Galiläa 21, 141, 298, 304, 318, 379, 412, f„ 415, 417, 438, 505, 558, 747, 863, 874, 880 Gallien 531 Genf 1252, 1279 Genua 508 Georgien 329, 646, 1246 f. Germanien 506 Getsemane (Gethsemane) 428, 532, 752, 1073 Golgota 13, 77, 82, 254, 290 f„ 293, 422, 428, 479, 543, 633, 755 Gorazde 78 Goree 575 Gorizia - Erzbistum 12 Griechenland 505,507 1392 Groß-Mähren 250 Guadalupe 320, 652, 956, 958 Guatemala 335, 559, 925, 927, 929 Haiti 335 1, 930-934 -Kirche in 931,934 Haltern 129 Hamburg 157 Hebron 40 Heiliges Land 39, 761, 890 Herzegowina 54, 78, 242 f., 245, 249-251,351,707, 741, 839 f. - siehe auch Bosnien-Herzegowina Himalaya 541 Honduras 935-939 -Kirche in 935 f. Hongkong 559 Hostyn 495 Hradec Krälove (Königgrätz) - Bistum 585 Huambo 193 Hüsten 60 Indien 779, 1013, 1181 Indischer Ozean 336 Irak 333, 890, 1013 Iran 939,941 Irland 17,506 Israel 65,97,300,333,402,441, 646, 657, 703-706, 854, 890, 1028, 1135 Istanbul 1246 Istrien 257 Itaici-Saö Paulo (Brasilien) 435 Italien 28, 74, 79, 85 f„ 90 f„ 93 f„ 126, 141, 200, 215 f„ 270, 282, 286, 289, 295, 297-302, 304, 321-327, 357-361, 366, 464, 505-510, 527-531, 533, 535 f., 559, 575, 602, 612, 615 f„ 625 f„ 632-637, 642, 672, 700, 726, 760, 792, 860, 879 f. - Mittelitalien 322 - Norditalien 322 -Süditalien 276,322,507 Jablonne 495 Jamaika 358, 885, 932 Japan 531,559,762,779 Jasna Göra 301, 320, 457, 533, 543, 551, 614, 648 Jericho 281 Jerusalem 44, 65 f., 88, 288, 290, 328, 333, 440-444, 505 f., 531-533, 541 1,544, 551,5591, 568,612, 624, 659 1, 703, 705, 761, 777 1, 801, 839, 855 1, 859, 943, 1029, 1129, 1132 - Kirche von 890 - Patriarchat 890 Jordan 11,330,631,758 Jordanien 646, 890 Judäa 7, 747 Jugoslawien 13, 201, 245, 264, 353, 443, 447, 470, 484, 685, 1246 Jugoslawische Föderation 156 Kairo 73,108,1241,141,145, 150 1, 237, 514, 519, 524-526, 810, 825, 868, 1255, 1283, 1289 1, 1292 Käjov 495 Kalvarienberg 454, 636 Kambodscha 334 Kamerun 762 Kana 21, 106, 141, 304, 318, 379, 4121,415,417, 743, 863 Kanada 335,496,672 Kap der Guten Hoffnung 575 Kaphamaum 267 Kappadozien 625 Kapverdische Inseln 575 1393 Karachi 972 f. Karibik 885-887 Katyn 609 Kaukasus 338,560,878 Kazachistan 646 Kenchreä 113 Kenia 942-944 - Kirche in 946 Khambaliq 690 Khartoum (Sudan) 40 Kingston 886 Kirgisistan 646 Kleinasien 503, 505, 660 Köln 193 - Erzbistum 36, 167 Kongo 337,762 Konstantinopel 109, 210, 556 f., 614, 656, 658, 661, 779, 814, 1007 Kopenhagen 810 Korea 559,779 Korinth 207,396,505 Kosciuszko 668 Kosice (Kosice) - Bistum 502, 665 Krakau 188, 712 Kroatien 54, 115, 155-157, 161, 163, 167, 179, 249-253, 255-261, 265, 339 - Kirche in 156 Krtiny 495 Kuba 108, 335, 821, 947, 949-952 - Kirche in 947 La Salette 291,602,653,858 Labin (Kroatien) 187 Lahore 973 Latacunga 919 Latium 45 Le Puy 837 Lecce 267 f„ 270 f., 274 f„ 282 - Erzbistum 269, 272 - Kirche in 270 Lesotho 579, 600 Lettland 511-513, 669 Leuca 270 Leverkusen 193 Libanon 40 f„ 333, 354, 615, 649, 761, 821, 890 Liberia 337, 1270 Ligurien 626 Lima 994 Lissabon 641 Litauen 556, 614, 669, 672, 762, 831-834 Litomerice (Leitmeritz) - Bistum 585 Litomysl (Leitomischl) - Kirche von 585 Livno (Bosnien-Herzegowina) 167 Loreto 215 f„ 289, 297, 300-305, 320, 450, 505, 510, 609, 615, 632, 761 Lourdes (Frankreich) 291, 320, 454, 456-458,551,653 Lublin 292 Lugano - Bistum 828 Luxemburg 672 Lybien 625 Lyon (Frankreich) 273 Madagaskar 336, 600, 648, 1260, 1264,1278 - Kirche in 1262, 1278 Madrid 333 Mähren 494, 587, 665 f. Mailand 361 1394 Mala Fatra 865 Manila 61 f„ 141, 261, 282, 329, 511, 533, 542, 546, 648, 762 Marktredwitz-Brand 67 Marokko 642 Marseille 531 Mechelen-Brüssel - Erzbistum 460 Medellin 1123 Mesopotamien 625, 1013 Mexiko 134, 320, 334 f„ 355, 358, 524, 652, 760 f„ 952, 954-957, 959, 961-963,965, 967, 1184, 1188, 1195, 1284 - Kirche in 965, 966 Mexiko City 517, 519, 525, 1290 f. Miliani di Fabriano 528 Mittelmeerraum 338, 598, 625 Mittlerer Osten siehe Osten, Mittlerer Modena 195 Mogadischu 891 Molise 51 Monte La Vema 570 Montecassino 189,609-611 - Benediktinerabtei 608 Moskau 557 Mostar 21, 471 Mostar-Duvno - Bistum 689 Motta Vis conti 121 Moundou 1000 Mozambique (Mosambik) 29, 329 Mrkan 689 München und Freising - Erzbistum 154 Münster 60 - Bistum 172 Mugaipar 895 N’Djamena 1000 Naher Osten siehe Osten, Naher Navarra 742 Nazaret (Nazareth) 6, 25-27, 76, 115, 117, 130, 216, 224, 298 f„ 301 f„ 304 f„ 329, 375 f., 421 f„ 424, 429, 431, 454, 459, 549, 551 f„ 574, 591, 675, 714-716, 722, 747, 753, 762-764, 778, 781, 824, 841, 845, 853, 855 f., 872, 874, 876, 879 f., 937, 1133 Neunkirchen 54 Neuseeland 531 New York 180, 1255, 1283, 1290 Newark 180 Nicaragua 335, 967-969, 971 f. - Kirche in 967 Nigeria 337, 1180 Nitra - Bistum 665 Nizäa 940 Nonantola, Abtei 195 Nordirland 339, 353 Nordrhein-Westfalen 54, 184 Normandie 189 Ochsenfurt 50 Ölberg 290 Österreich 64, 476 f., 492, 672, 806 f„ 1242 Okzident 323 Olomouc (Olmütz) - Kirche von 585 Orava 865 Orient 323, 328, 414, 550, 737, 1007 - christlicher 1029 - Mittlerer 704 - Vorderer 321 1395 Osijek (Kroatien) 179 Osnabrück 172 Osten - Ferner 61, 334, 443, 615, 636, 649, 652, 690, 801 - Mittlerer 646, 649, 704, 782, 821 -Naher 259,615,761 Ostsee 168 Osttimor 334 Ozeanien 615 Padua 641 f. Pakistan 972, 974, 976 - Kirche in 972 f. Pala 1000 Palästina 607, 854, 874 Palermo 301 Pamphylien 625 Panama 977, 981 - Kirche von 980 Pannonien 250, 257 Papua-Neuguinea 168 Paräbita 270 Paraguay 982 f., 985 f. - Kirche in 986 Paris 98,411,562 Patmos 1259 Peking 690 Penonome (Panama) 329 Persischer Golf 575 Peru 559, 986, 989, 991, 993 - Kirche in 988 Petersdom 502 Petersplatz 541 Philippi 505 Philippinen 61, 141, 282, 355, 511, 533, 542, 559, 615, 648, 762 Phrygien 625 Piemont 234 Plzen (Pilsen) - Bistum 585 Polen 91, 292, 300, 320, 430, 457, 472, 543, 608-611, 615, 668, 670, 672, 761 f„ 844 Pompei 85 Pontus 625 Port of Spain 888 Porto San Giorgio 851 Portoferraio 161, 163 Portugal 29,559,672,762 Prag 199, 204, 585-587, 823 - Erzbistum 585, 822 - Kirche von 585 Presov (Presov) - Eparchie 665 f. Preßburg 220, 665 Puebla 436,761,919,1123 Puerto Rico 995, 998 f. Rabaul 168 Ravenna 678 Regensburg - Bistum 67 Rhein 506 Rio 1255 Rio de Janeiro 1184,1199 Riva del Garda 739 Rocky Mountains 543 Rom 11, 26, 39,45 f., 63,67,90,93, 95, 98, 108, 113, 154 f., 157, 161, 185, 188 f„ 193, 199, 205, 209, 214 f„ 257, 263, 288, 292, 302, 319, 324, 331, 345, 348. 354, 358, 365-369, 443, 461, 464. 468-470, 472, 486, 488, 491, 499. 501-503, 505-508, 531-533, 536, 540, 543 f., 546, 551, 556-558, 563 f„ 577, 587, 595, 598, 600, 607, 613 f„ 625 f., 632, 638, 644 f„ 648 f., 652, 657 f., 1396 660 f., 665 f„ 680, 685, 706, 710, 715, 723 f„ 726 f„ 742, 744, 749, 756, 759, 778 f., 787, 791, 797, 801, 814, 819, 825 f„ 843, 847, 858, 860, 866, 871, 879-882, 885, 889, 896, 904, 921, 933, 947, 952, 955, 967, 972, 1000, 1007, 1016, 1029, 1194, 1242 - Bistum 12, 26, 56, 88, 92, 206, 320, 860, 881 - Kirche von 255, 330, 367 f„ 434, 575, 616, 826, 982, 1007 Rotes Meer 559 Rottenburg 204 Rojrnava - Bistum 665 Ruanda (Rwanda) 39 f., 69, 83, 85-88, 103, 124, 126, 139-141, 269, 576, 630, 637 f„ 653, 741, 878, 1180, 1270, 1281 f. Ruda 12 Rumänien 348, 672 - Kirche in 350 Rußland 556 f., 672, 679 f„ 760, 1181 Sahara 575,779 Salent (Salento) 268-270 Saloniki 507 Salvador 335 Sambia 370 San Benedetto del Tronto 98 San Jose 908 Santiago de Compostela 18, 149, 354, 464, 533, 543, 551, 648, 678 Santiago de los Caballeros - Kirchenprovinz 911 Santo Domingo 435-437, 910 f„ 914, 917-919, 923-925, 928, 930, 932, 955, 964, 968, 994, 997, 1123, 1200 Saragossa 725 Sarajevo 21, 155-157, 239-241, 243 f„ 246, 249, 446, 470 f„ 681, 683-685, 687, 689, 701, 707, 761, 821, 838-840 - Erzbistum 689 Sarh 1000, 1002 Save (Fluß) 258 Savoyen 234 Schlesien 494 Schleswig-Holstein 178 Schottland 761 Schweiz 559, 672, 761 Senegal 600 Siaulai 832 Sibirien 557 Siena 91, 93-95, 510, 632, 634 f„ 637 Sierra Leone 1270 Sinai 542, 777 Sinai (Berg) 97 Sizilien 84, 277 f„ 280, 282-286, 289, 292, 295, 509, 602, 858 Skandinavien 507, 761 Slowakei 220, 493, 502 f„ 559, 665-669, 864 f. Slowenien 258 Soest 161 Solovieskj-Inseln 557 Somalia 337, 891, 1270 Sowjetunion 244, 609 f., 1247 Spanien 176, 358, 559, 672, 760 Speyer 678 Spis - Bistum 665 Split 471 Sri Lanka 334 St. Gallen - Bistum 60 1397 Starä Boleslav 495 Stuttgart 56 Sudan 39 f„ 337, 358, 579, 878, 1270 Südtirol 60 Sulmtal 155 Susa - Bistum 237 Svatä Hora 495 Syrakus 84, 283, 287-292, 294 f„ 602, 629 Syrien 874 Tadschikistan 1246 f. Taiwan 690 Tallinn 263, 694 f. Tansania 600 Tarsus 328, 660 Thailand 1308 Thessalonich 505 Thessaloniki 491 Thüringen - Südthüringen 461 Tizi-Ouzou (Algerien) 229 Togo 337 Toskana 26, 635 Toulouse 345 Trebinje 689 Trier 161 - Bistum 155 Tmava 214 - Erzbistum 665 - Kirchenprovinz 666 Tschad 108, 1000-1003 - Kirche im 1004 Tschechische Republik 493,495 Tschechoslowakei 608 Tschenstochau (Polen) 149, 292, 329, 452, 456, 614 Tucumen - Flughafen 981 Türkei 761, 1004 - Kirche in 1005 Tulsa (USA) 329 Turin 285 Tuzla 21 Udavske 502 Uganda 45, 358, 579, 601, 769 Ukraine 20, 646, 669 Umbrien 507 Ungarn 609, 669, 672 Uruguay 1008-1010, 1012 f. USA - siehe Amerika, Vereinigte Staaten von Amerika Uzbekistan 646 Vajnory (Bratislava), Flughafen 502 Valle d’Aosta 233 Vals (Frankreich) 837 Vatikan 8, 12, 14, 56, 89 f„ 277, 352, 447, 451, 461, 527, 563, 629, 651, 707, 744, 930, 1255 -Vatikanstadt 317,320 Velehrad 666 Vietnam 334, 646, 821 Villafranca del Penedes (Barcelona) 721 Villalba di Guidonia 51 Vilnius 614,832-834 Viterbo 670,792 Vrhbosna - siehe Sarajevo Vukovar 251 1398 Wädenswil 83 Wales 761 Wallis 234 Warschau 189, 609-611, 668-670 - Ghetto 706 Weißrußland 646, 669 Wien 69, 1237, 1240, 1294 Würzburg 155 Yucatan (Yucatan) 358, 957 Zagreb 155, 157, 249 f., 254, 256-258, 260-265, 282, 681, 701, 707 - Erzbistum 250 - Kirche von 156 f., 259 Zaire 79, 124, 126, 329, 337, 370, 579, 592 Zara 251 Zaragoza 721 Zdunska Wola 472 Zentralafrikanische Republik 762 Zouk Michael (Libanon) 40 Zitierte Bibelstellen Das Buch Genesis 1,1 742 1,12.18.21 69 1,26 379 1,27 27, 104, 107, 309, 379 f„ 787 1,28 105, 380 1,31 69 2,15 75 2,24 110,114,309,381, 383, 394,413,417, 560 2,25 570 3,10 842 3,15 842 3,19 76, 466 3,20 123 4,1 123, 389, 787 Das Buch Exodus 20,3 402 20,12 152, 402, 408 20,13 425 22,21 f. 142 Das Buch Levitikus 11,44 417 21,20 196 25,8-28 776 Das Buch Numeri 6,25-26 320 Das Buch Deteronomium 5,16 152 6,4 402 6,5 192, 402 6,6-7 343 23,2 196 Das Buch Josua 24,18 234 Das erste Buch Samuel 9,16 372 Das Buch Nehemia 8,9.10 290 Das Buch Judit 4,10 142 1399 Die Psalmen 8,5 388 24,7 440 25,2-5 824 25,8-9.14 824 33,21 233 42,3 737 43,3-5 154 51,5-6 466 51,12.14 466 54,6 269 72,12-13 755 74,19 208 79,9 688 89/90,12 710 92,15-16 153 98,3-4 844 111,10 717 116,12 556 118,22 568 118,24 574 131,2 142 133,1 564 133,1.3 1138 149,4 f. 208 Das Hohelied 4,7 214 4,9 110 4,99 419 8,6 79 50,1 201 52,7 684 53,3 722 53,4-6 453 54,5 862 54,5-8 201 56,3-5 196 57,14 355 57,15 687 57,19 40, 355 57,19.15 355 60,1-4 328 60,3 328 62,4-5 201 66,2 208 Das Buch Jeremia 1,5 386 3,15 945,1115 22,15-16 573 33,15 824 Das Buch Ezechiel 36,26-28 1127 Das Buch Daniel 7,14 795 Das Buch Joel 2,16 142 3,1 612 3,2 23 Das Buch der Weisheit 3,9 347 7,7.11 710 9,2-3 30, 32 11,26 818 Das Buch Jesus Sirach 6,34 152 8,6 152 8,9 152 Das Buch Jesaja 7,14 299 9,1-2 875 9,5 873 f. 42,3 893 49,13 208 49,15 763 Das Buch Zefanja 3,16-17 840 Das Evangelium nach Matthäus 1,20 421 2,1-12 7 2,11 5, 328 4,4 1297 5,2 7 5,3 208 5,4 452 5,4.11-12 81 5,9 687, 701, 1237 5,11 7 5,27-28 423 5,47 260 5,48 191, 824 6,28-29 142 1400 7,11 465 7,13 34 7,17 37 8,13 100 8,22 173 9,5 624 9,9 173 9,12-13 35 9,15 412 9,36 177 9,38 177, 436, 584, 590, 1061 10,8 1096 10,9-19 1096 10,16 144 11,5 776 11,28 35 11,29 906 12,50 618 13,55 76 15,28 100, 112 16,16 657 f. 16,17 292 16,18 109, 659 16,18-19 293 18,3 856 18,5 143 18,6 856 18,10 143 18,20 58, 220, 377, 550 19,6 114,381,413 19,8 381,413 19,10 414 19,10-12 196, 1088 19,14 796 19,16 96, 780 19,16-22 96 19,17 96 19,21 167, 173, 191, 708, 999 19,27 173 19,29 173 20,12 1008 20,28 376, 818 22,2 201 23,37-38 290 25,34.36 277 25,34-36 427 25,36 101 25,40 83, 1165 25,41-43 428 26,13 119 28,18 29 28.18.20 31 28,18-20 1057 28,19 376, 439 28,20 86, 416, 571 Das Evangelium nach Markus 1,11 11,332 1,15 467 1,38 1021 2,5 100 2,10-11 99 2,14 173 2,22 147 3,14 1075 5,34 100, 111 5,41.43 111 6,3 76 6,30 348 6,31 459 8,35 56 8,36-37 1096 9,23 100 9,34 267 9,35 267 10,8-9 716 10,13 142 10,14 112,717, 856 10,16 142 10,21 173, 207 f„ 708 f. 10,22 174 10,28 709 10,38 719 10,43-45 719 10,44 721 10,45 386, 720 f„ 906, 1059 10,49 281 10,52 100 11,9 541 12,27 123 14,36 82, 212 16,6 558 16,6-7 558 Das Evangelium nach Lukas 1,3 228 1,28 298, 539, 748, 841, 844 1,29 298 1,30-32 298 1,30-32.35 748 1401 1,31 297, 319 10,25-37 918 1,34 298 10,29-37 741 1,35 298, 319, 843 10,38-42 459 1,37 298 11,1 281, 1075 1,38 118, 298, 748, 778, 843 12,8 24 1,39-56 844 12,32 975 1,42 425 12,33 209 1,45 221 12,34-35 854 1,46 738 13,3 38 1,49 89, 456 f., 711, 736 14,33 208 1,53 56 15,7 35 1,79 7 17,21 426 2,1.3-7 747 18,1 1133 2,6-7 873 18,22 173 2,7 874 18,24-25 208 2,10-12 874 18,28-30 1090 2,11 875 19,40 541 2,14 225, 859, 875 20,35-36 203 2,19 318 f. 20,38 405 2,23 440 21,26 823 2,28-35 142 21,27 823 2,29-32 854 21,28 289, 824 2,32 441 21,36 825 f„ 1131 2,34 441, 454, 466 22,19 555, 636 2,36-37 136 22,27 555 2,38 142 22,29 127 2,48 855 22,61-62 292 2,49 319, 855, 859 23,21 13 2,51 213, 375, 855 23,30-31 290 2,52 856 23,34 13, 530, 532 f„ 3,4 210 612, 686 f. 4,21 754 24,6 532 5,15 99 24,29 633 5,16 459 24,32 814 6,20 208 7,13 111 Das Evangelium nach Johannes 7,22 776 1,1-3.14 227 7,24 863 1,4-5 879 7,28 861 1,9 9, 781 9,18 1075 1,10.12 880 9,26 24 Ul 880 9,58 207 1,12 426, 857 9,59 173 1,14 223, 228, 301, 748, 856, 9,60.62 211 875,879 9,62 204 1,16 330, 880, 882 10,2 620 1,18 750 10,7 1096 1,29 631,758 10,16 1055 1,41 661 10,21 291 1,42 177, 659, 661 10,22 291 1,43 173 1402 2,3 743 2,5 141,379, 744 3,3.7 503 3,5 426, 718 3,6-7 426 3,8 51, 894 3,10 927 3,16 173, 375, 377, 441, 453, 637, 765, 871 3,16-17 426 3,17 427 3,19.21 427 3,29 201 4,29 117 4,34 211 6,39 347 6,51 94 6,56 633 6,61-63 233 6,63 428 6,68 428, 657 8,11 37, 364 8,32 37, 398, 605 8,44 431, 467 10,10 141, 223, 331, 386, 391 10,11 592 10,17 594 10,17-18 592 11,25 561 11,25-26 716 11,32 847 11,36-37 290 12,24 82, 610 12,31 140 12,47 687 13,1 377, 409, 416, 430, 547 13,5 555 13,14 555 13,15 635, 1116 13,34 1128 13,35 18, 663, 671, 1155 13,38 292 14,6 392, 431,969, 999 14,8-10 569 14,16-17 1055 14,26 774 14,27 685,687 15,1-2 397 15,2 278 15,5 327,550 15,6.19 602 15,7 283 15,9 597 15,12 1128 15,13 669, 1072 15,15 554, 893 15,15-16 548 15,16 173, 601 16,20 81 16,20-21 291 16,21 390 f. 16,21-23 78 16,33 560 17,2-4 1115 17,3 776, 972 17,11 21 17,17 943 17,21 354, 465, 560, 653, 744 f„ 767, 805, 814, 875, 929, 967,1128, 1169 18,1 82 18,33 794 18,36 794 18,37 794, 796 18,38 102 19,37 553 20,8 559 20,19 242, 262, 616, 624 20,20 543 20,21 56,61,261,353, 535, 543, 546, 597, 624, 1055 20,21-22 559 20,21-23 1084 20,22 353, 624 20,22-23 624 20,23 68 20,27 578 20,28 536, 578, 637 20,29 579 21,17 292 21,19 173 Die Apostelgeschichte 1,2 622 1,8 22, 55, 612, 1058, 1260 2,17 23 2,42 218, 550 f., 772, 1173 2,44 218 4,12 595,719,814 1403 4,20 943 4,32 17 f„ 219, 894, 942 4,32-33 16, 577, 916 5,14 1173 5,38-39 659 6,4 800 7,56 226 8,18-25 1096 9,3-5 657 9,4 659 9,5 658, 660 9,6 660 10,34-35.47 599 10,38 452, 607, 728 10,45-46 599 12,5 348 12,9 348 13,52 1130 17,28 741 20,28 995 Der Brief an die Römer 1,4-5 900 1,7 321, 904, 962 1,16 986 2,14 97 2,15 97, 387 4,18 775 5,5 382, 396, 716 5,19 212 6,8-9 544 6,9 13 7,15.18-19 34 8,15 686 8,18 77 8,19 548 8,22-23 77 8,22-24 774 8,29 374 10,14 1080 10,17 1079 12,2 589 12,8 590 12,10 219, 1137 12,12 1138 12,13 782 12,16 1137 12,21 509 15,4-6 1133 15,5-6 972 15,7 1137 15,14 1137 16,1-2 113 Der erste Brief an die Korinther 1,4 745, 971 1,4-5 952, 967 1,7 885 1,23 1031 1,23-24 357 1,24 922, 948, 997 3,9 839 3,22-23 30 4,1 887,947, 980, 1011 5,28 718 7,7 197 7,32-34 197 7,35 197 8,1 954 9,14 1096 9,16 9, 1080 11,25 439, 556 11,26 631 11,33 1137 12,4 164 12,4-5 48 12,6-7 626 12,7 47 12,7-10 49 12,11 47 12,12 ff. 1061 13,2 571 13,4.7 399 13,4-7 864 13,7 399, 402 13,8 954 13,12 737 13,13 402 14,26 370 15,28 799 15,45 421 Der zweite Brief an die Korinther 1,3 976 1,5-6 82 2,6-7 1096 2,15 1166 4,2 1079 4,12 82 4,16 196 1404 5,14 929 5,18 969 5,21 466 7,4 82, 228 8,9 1096 8,13-14 70 11,2 202 12,15 725 13,8 943 Der Brief an die Galater 1,3 839, 1008 1,10 911 2,14 894 2,20 1091 3,26-28 897 3,27 772 3,28 113, 1032 4,4 318, 747 4,4-5 299, 321 4,5 318 4,6 299, 318, 752 4,6-7 747 5,1 503 5,6 571 5,13 1137 5,13.15 342 5,22 220, 699 6,2 219, 1134 6,6 1096 6,9-10 1137 5,22 282 Der Brief an die Epheser 1,3 841 1,3-4 776, 841 1,4 841 1,5 841 1,6 841 1,7-10 748 1,10 70, 748 1,12 751 1,16 ff. 957 1,18 392 2,14 85, 351, 685 2,15.16 113 2,18 205 3,2-3 328 3,6 328 3,8 165, 437, 1071 3,15 315, 379, 562, 715 3,16 382, 428 f. 3,20-21 946 4,2 1137 4,5 906 4,13 699 4,16 42, 581 4,32 1137 5,1 639 5,2 80 5,8.9 36 5,21 417, 1137 5,25 132, 202, 417, 892 5,25.28 716 5,25-26 416 5,25-27 417 5,27 1098 5,28-30 417 5,32 132, 385, 387, 416 f., 588,917 5,33 418 5,52 8 6,1-4 418 6,10 80 6,13 36 Der Brief an die Philipper U 939 1,2 464 1,6 589 1,21 109, 168, 737 2,2-5 1141 2,7 569, 973 2,8 212, 375, 709, 1092 2,9-11 662 2,13 589 3,6 659 4,1 940 4,8 604 Der Brief an die Kolosser 1,2 711 1,5 774 1,15 548, 748 1,18 548 1,20 70 1,24 425, 1114 3,3 424 3,14 1157 1405 Der erste Brief an die Thessalonicher 1,1 491 1,2-3 492, 892 3,13 206, 824 4,1 824 5,11 1137 5,12-13 1153 5,19 370 Der zweite Brief an die Thessalonicher 3,3 51 Der erste Brief an Timotheus 1,2 781,910 2,4 9, 359 2,5 894 4,12 996 5,3 136, 138 5,9-10 137 6,16 830 Der zweite Brief an Timotheus 1,6 946, 974, 1098 1,12 1276 4,2 657, 943 4,8 746, 972 Der Brief an Titus 2,11 227 2,12-13 746 3,4 332 Der Brief an die Hebräer 1,1-2 227, 750 1,3 748 4,12 15, 710 4,14 720 4,16 720 5,1 1115 5,7 752 5,8 212, 1092 9,12 631 10,22 182 13,8 430, 510, 544, 719, 747,779, 911, 1071 13,21 554 Der Brief des Jakobus 1,27 136 3,17 268 4,2 267 5,16 1137 Der erste Brief des Petrus U 503 1,7 503 2,5.9 1052 2,9 991 3,15 504, 986 4,13 454 5,5 1137 5,11 822 Der zweite Brief des Petrus 1,1-2 813 1,4 588 1,16 228 Der erste Brief des Johannes 1,3 699, 996 1,7 1137 2,14 148 2,18 878 3,17 342 3,18 286 4,7 18, 597 4,7.11 571 4,8.16 396, 399, 776 4,10 597 4,12 716 5,1 575 5,6 577 Der Brief des Judas 3 813 Die Offenbarung des Johannes 1,5 796 1,8 554, 750, 797 1,17-18 1259 2,29 786 4,8 841 5,9 885, 1028 21,3 299, 551 21,6 750 22,13 718 1406 Abkürzungen Dokumente des II. Vatikanischen Konzils DV Dogmatische Konstitution Dei Verbum, 1965 GS Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 1965 LG Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, 1964 PC Dekret Perfectae caritatis, 1965 PO Dekret Presbyterorum ordinis, 1965 SC Konstitution Sacrosanctum Concilium, 1963 Päpstliche Verlautbarungen ChL Apostolische Ermahnung Christifideles laici; Johannes Paul II., 1989 EN Apostolische Ermahnung Evangelii nuntiandi; Paul VI., 1975 ET Apostolische Ermahnung Evangelica Testificatio, Paul VI., 1971 MD Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, Johannes Paul II., 1988 MM Enzyklika Mater et Magistra, Johannes XXIU., 1961 Dokumente des Hl. Stuhles can. Kanon des Codex Iuris Canonici, 1983 DC La dimensione contemplativa della vita religiosa (Die kontemplative Dimension des Ordenslebens), Dokument der Kongregation für die Ordens- und Säkularinstitute (CRIS), 1980 EE Elementi essenziali dell'insegnamento della Chiesa sulla vita religiosa (Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben), Dokument der CRIS, 1983 MR Mutuae Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978 PI Potissimum Institution! (Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstitu-ten), Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (CIVCSVA), 1990 RPU Religiosi e promozione umana (Das Ordensleben und die Förderung des Menschen), Dokument der CRIS, 1980 Weitere Dokumente CIVCSVA Congregazione per gli Istituti di vita consacrata e le Societö di vita apostolica OR L'Osservalore Romano SD Santo Domingo, Schlußfolgerungen der IV. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, 1992